COBURGER TAGEBLATT, SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. … filelichte Lady Catherine Herbert. Aus dieser Ehe...

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COBURGER TAGEBLATT, SAMSTAG/SONNTAG, 28./29. OKTOBER 2006 33

Schauplatz RegionSchauplatz RegionWurde Sir Henry Morganin Bamberg geboren?HERKUNFT Eine Spur des gefürchtetenFreibeuters führt angeblich in die Domstadt.

„Das ist vergleichbar mit Pompeji!“SCHATZSUCHE Der Oberfranke Rick Haupt entdeckte vor zwei Jahren die „Oxford“, HenryMorgans Flaggschiff. In der Piratenbasis Port Royal spürt er dem Leben des Freibeuters nach.

„WIR STELLEN NUR EINEMÖGLICHKEIT VOR.“

RICK HAUPT ÜBER MORGANS GEBURTSORT

VON JOCHEN NÜTZEL

BAMBERG — Wikipedia, die In-ternet-Enzyklopädie, hatte alserste reagiert – und sich gleichwieder revidiert. Wer bis vorges-tern das Stichwort „Henry Mor-gan“ eingab, bekam zu lesen:„Sir Henry Morgan (*ca. 1635 inBamberg; †25. August 1688 inPort Royal) war ein englisch-deutscher Freibeuter des 17.Jahrhunderts“. Wie kommt es,dass einer der größten Piratender Karibik so urplötzlich inOberfranken verortet wird?

Auslöser dafür war eine Do-kumentation in der Reihe „Gali-leo“ auf Pro7. In der von AimanAbdallah mo-deriertenSendung prä-sentiertender KölnerForensikerDr. Mark Be-necke undder gebürtigeOberfrankeRick Haupt(siehe Artikelrechts) eine Ahnentafel, dieHenry Morgans Familienver-hältnisse beleuchtet. Aus diesemStammbaum geht hervor, dassHenry Morgan der Sohn ist vonRobert Morgan, der um 1630 alsenglischer Verbindungsoffizierin Deutschland stationiert gewe-sen sei, und Anna Petronella vonPollnitz, Tochter des Lippstad-ter Bürgermeisters. Vor 1635 seidas Paar nach Bamberg gezogen,wo um 1635 Johann Henry Mor-gan geboren worden sei. EineGeburtsurkunde, die dies bele-gen könnte, gibt es nicht.

Mit dieser These stehenHaupt und Benecke im Wider-spruch zur in der Forschung an-erkannten Genealogie HenryMorgans, wie sie unter anderemE. A. Cruishank 1935 in seinemBuch „The life of Sir HenryMorgan“ veröffentlichte. Dem-nach sieht die Ahnentafel wiefolgt aus: Thomas Morgan ehe-lichte Lady Catherine Herbert.Aus dieser Ehe gingen die dreiSöhne William, Robert und Ed-ward (* 1610, † 1665) hervor,und eben jener Edward – nichtRobert – soll Anna Petronella ge-ehelicht haben.

Laut Quellenlage war EdwardMorgan Oberst in der Armee derRoyalisten, lebte nach der Hin-richtung Karls I. von England inLippstadt im Exil, kehrte jedochnach der Restoration 1651 nachEngland zurück, wo er schließ-lich Gouverneur von Jamaikawurde. Er machte ebenfalls eineKarriere als Freibeuter (als sogenannter privateer), stellte eineFlotte gegen die Holländer aufund starb 1655 auf Trinidad.Henry Morgan wurde nach allenbisherigen Annahmen 1635 alsSohn Edward Morgans auf demLandsitz Llanrhymney, in Gla-

morgansshire/Wales geboren.„Rick Haupt und ich haben niebehauptet, dass nur Bamberg alsGeburtsort in Frage kommt. Wirhaben es als Möglichkeit in denRaum gestellt“, sagt Mark Be-necke dem TAGEBLATT. Undauch Rick Haupt räumt ein, dasses für diese Theorie genau soviele oder eben wenige Beweisegebe wie für die bislang geäußer-ten Vermutungen. Haupt: „An-ders als über seine Raubzügewissen wir über Kindheit undJugend Henry Morgans so gutwie nichts.“ Dass viele MorgansDoppelvornamen führten, frü-here Dokumentabschriften abernur mit „Morgan“ unterzeich-net waren, erschwert die Suche.„Deswegen stehen wir vor demDilemma, dass wir nicht zwei-felsfrei sagen können, ob nunEdward der Vater Henry Mor-gans ist oder doch sein Onkel.“

Rick Haupt konnte bei seinenNachforschungen in Port RoyalsArchiv verschiedene Dokumen-te einsehen, die andeuten, dasseiner der Morgens (höchstwahr-scheinlich Edward) sich zusam-men mit Prinz Rupert zwischen1651 und 1652/53 in der Karibikaufgehalten habe, um spanischeGaleonen zu jagen und damit dieExilkasse von Charles II. aufzu-bessern. Haupt: „Wenn daswahr wäre, dann war der Mann,der sich zusammen mit AnnaPetronella zu jener Zeit in Bam-berg aufhielt, wie einige Quellenbehaupten, vielleicht doch seinBruder Robert.“ Wenn ja, wür-de dies ein neues Licht auf Hen-ry Morgans Geburt werfen. „Esgibt einfach zu viele Widersprü-che, um das alles zu ignorieren.Wir sehen es als sehr positiv an,dass sich nun etliche Historikernoch intensiver mit dieser Sachebefassen und wir dadurch derWahrheit vielleicht doch näherkommen.“

Prinz Rupert von der Pfalzhielt sich angeblich nach seinereigenen Karriere als Flotten-kommandeur und Buccaneer inder Karibik von 1654 bis 1660 inDeutschland auf, um finanzielleMittel aus seinen Erbfolge-ansprüchen gegen seinen BruderKarl-Ludwig und anderen Fi-nanzquellen aufzutun. Dabei istes durchaus möglich, dass er sichmit Edward Morgan, den er ausdem englischen Civil War kannteund der in dieser Zeit ebenfallsals Verfolgter von Cromwell inDeutschland im Exil weilte, ge-troffen hat und sich mit diesemauch nach Bamberg begeben ha-ben könnte. Möglich, dass auchEdwards Bruder Robert an die-sen Vorgängen beteiligt war.

Wie gesagt: möglich! RickHaupt habe dies, das bestätigtauch Mark Benecke, der „Gali-leo“-Redaktion so mitgeteilt.„Die haben das, wohl der Dra-maturgie wegen, nur sehr ver-kürzt wiedergegeben.“

Henry Morgan – Freibeuter des Königsu uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu

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VON JOCHEN NÜTZEL

COBURG/JAMAIKA — Die Zei-ten sind lange her, in denenRick Haupt seine Brötchen alsHotelkaufmann verdiente.Mitte der 70er Jahre leitete derin Oberwarmensteinach(Landkreis Bayreuth) Gebore-ne für zwei Jahre als Geschäfts-führer das „Anno Dom“ imBürglaß. „Ich habe sehr guteErinnerungen an Coburg“, er-zählt Haupt dem TAGE-BLATT. Aber die Gastronomiewar nicht seine wahre Passion.Und so wagte er vor mehr als25 Jahren den Sprung ins kalteWasser. Und zwar buchstäb-lich: Er verschrieb sich demFilmemachen und drehte seit-dem fünfzig Dokumentarfilmefür den „Discovery Channel“über das Element, das ihn seitjeher faszinierte – das Meer.

In Übersee und vor allem inder Karibik genießt der heute56-Jährige Kultstatus, geht einRaunen durch die Menge, woimmer er auftaucht. Sein Namesteht für spektakuläre Expedi-tionen in die Tiefe, für exzel-lente Filmaufnahmen. Und fürunglaubliche Funde. 1997 ent-deckte er die Überreste derverschollenen John-Franklin-Schiffe „Erebus“ und „Terror“in der kanadischen Arktis.2004 erregte der Franke zuletztRiesenaufsehen: Haupt undseine Frau Sylvia Krüger hat-ten nahe Haiti, vor der IsleA`Vache, der Kuhinsel, allemAnschein nach die Reste der„Oxford“ identifiziert – jenesFlaggschiff, mit dem der be-rüchtigte Pirat Henry Morganim 17. Jahrhundert auf Kaper-fahrt gegen die Spanier gingund das am 2. Januar des Jahres1669 aus unbekannter Ursacheexplodierte und einige andereSchiffe der Flotte mit in dieTiefe riss.

„Henry Morgan nimmtmittlerweile seit fast acht Jah-ren breiten Raum in unseremLeben ein“, sagt Rick Haupt.Kurios: Die Reste der mut-maßlichen „Oxford“ hatte derTaucher bereits 1999 inmitteneines riesigen Trümmerfeldes

aufgestöbert; doch die Lage impolitisch destabilisierten Haitiund der Untergang des eigenenExpeditionsschiffes verzöger-ten zunächst weitere Unter-nehmungen. „Ich gehe davonaus, dass vor diesem Abschnittder Kuhinsel über 30 Wracksliegen. Es sieht dort unten auswie der unaufgeräumte Kellereines Museums.“

Erst vier Jahre später machteHaupt den entscheidendenFund, der für ihn die letztenZweifel ausräumt, tatsächlichdie „Oxford“ als Teil des riesi-gen Schiffsfriedhof identifi-ziert zu haben: „Zwischen denKorallen in einer Sandmuldefanden wir Kommodengriffeund Schlösser aus Messing –und Glasscherben. Aber nichtvon einem Gefäß, sonder flachund glatt, wie von einem Fens-ter. Hier ruhte die Achtersekti-on eines großen Schiffes. Nurdie Kapitänskajüte am Heckeines Schiffes der fraglichenZeitperiode hatte Glasfensterund Möbel mit Messingbe-schlägen.“

„Henry Morgan nimmt seitacht Jahren einen breitenRaum in unserem Leben ein.“RICK HAUPT/SYLVIA KRÜGER

Derzeit wertet der Globetrot-ter in seinem deutschen Domi-zil in Reifferscheidt (Eifel) diejüngsten Aufnahmen und Re-cherchen aus Port Royal aus,Jamaikas ehemaliger Haupt-stadt und Morgans Basis. MitEhefrau Sylvia Krüger, der Ex-peditionsfotografin, bastelt eran einer neuen Dokumentationüber die Piraten der Karibik,produziert von ihrer Filmfirma„Ocean´s Discovery“ .

Bekannt ist: Port Royal wur-de am 7. Juni 1692 von einemErdbeben und einem dadurchausgelösten Tsunami nahezuvollständig zerstört. „MorgansGrab dort und sein Metallsargwurden in die Tiefe gerissenund sind nie wieder aufge-taucht. Zahlreiche Straßenzü-ge rutschten ab in die Hafen-einfahrt und liegen jetzt einige

Meter unter der Wasserober-fläche.“ Allerdings sind vieleMauern der Häuser noch gutsichtbar, sagt Haupt. „MeineFrau und ich sind mehrfachdurch diese versunkenen Stra-ßen getaucht – was einerseitsein unglaubliches Erlebnis ist,andererseits ein unglaublichgruseliges, wenn man an dievielen Gebeine denkt, die hierruhen. Und eklig und gesund-heitsgefährdend ist es auch,weil dort die Abwässer derZweieinhalb-Millionen-Stadteingeleitet werden und jederFlossenschlag Unmengen vonExkrementen aufwirbelt.“ EinJammer, findet Haupt: „Fürmich ist das die vielleicht größ-te bekannte Kulturstätte undabsolut vergleichbar mit Pom-peji.“

Das aktuelle Bildmaterialsoll aber nicht nur in einer Do-kumentation fürs FernsehenVerwendung finden, sondernauch für Haupts zweiten Bandeiner Trilogie über die Pirate-rie in der Karibik. Nachdem er2004 den ersten Teil mit demTitel „Das Piratenschiff“ derEntdeckung der „Oxford“ ge-widmet hat, geht es im zweitenum Port Royal.

Haupts Wissen um die Stadtals Hochburg der Freibeutermachte sich jüngst auch derPrivatsender Pro7 zunutze. Ineiner „Galileo“-Dokumentati-on im Anschluss an die Aus-strahlung des Films „Fluch derKaribik“ gingen Haupt undder Kölner Forensiker Dr.Markus Benecke der Herkunft

Die Suche als Buchu uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuu

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des Freibeuters nach (siehe Ar-tikel links).

Doch damit nicht genug:Auf einem ihrer jüngstenTauchgänge haben Sylvia Krü-ger und Rick Haupt möglicher-weise in der südlichen Karibiknoch ein Schiff aus MorgansFlotte entdeckt – genauer ge-sagt das, was Salzwasser undBohrwürmer davon übrig ge-lassen haben. „Es könnte sichum eines der Schiffe handeln,die beim Angriff auf Panamadabei gewesen waren. Was die-sen Fund und seine Entschlüs-selung angeht, stehen wir nocham Anfang.“

Die Freude über die Entde-ckungen ist getrübt durch dieAngst, Schatzsucher könntendie archäologische Stätte plün-dern. Immerhin hat die Regie-rung Haitis, nachdem die Do-kumentation international aus-gestrahlt wurde, eineUnesco-Konvention unter-zeichnet und bekräftigt, vonnun an das Kulturerbe in ihrenGewässern schützen zu wollen.Allerdings werden von andererSeite Stimmen laut, die Teileder georteten Schiffe bergen zuwollen. Ein neuer Wettlauf inder Karibik hat begonnen.

Mark Benecke

Ab 1665 beteiligte sich Henry Mor-gan an Raubunternehmungen eng-lischer Freibeuter, die von Jamaikaaus gegen spanische Schiffe undNiederlassungen operierten. Pech:Als Morgan später nach Jamaikazurück kehrte, wurde er verhaftetund nach England gebracht, weildessen König inzwischen Frieden

mit Spanien geschlossen hatte.1674 wurde Morgan begnadigt undin den Adelsstand erhoben. AlsGouverneur rüstete er die Küsten-festung von Port Royal mit Kanonenaus, um sie gegen Piraten (!) zuschützen. Morgan starb dort 1688.Kurios: Auf See hat er nur ein nach-weisbares Gefecht gewonnen!

Die „Oxford“, Henry Morgans1669 gesunkenes Flaggschiff, warmit 40 Metern Länge und 34 Ka-nonen das größte und schlagkräf-tigste englische Kriegsschiff indiesem Teil der Karibik. Rick

Haupt hatdie Statio-nen der Su-che nachder „Ox-ford“ in sei-nem Buch„Das Pira-

tenschiff“ zusammengefasst.Der-zeit arbeiten der Taucher und sei-ne Frau Sylvia an einer Fortset-zung der Reihe über die Piraten inder Karibik. Band II der geplantenTrilogie beschäftigt sich mit Mor-gans Basis in Port Royal.Mehr im Netzwww.oceansdiscovery.com.

Rick Haupt

Verklärte Welt: So wie Hollywood mit seinem „Fluch der Karibik“ das Piratenleben darstellt, dürfte es nicht so viel mit der Wirklichkeitgemein haben. Immerhin soll Jack Sparrow ein reales Vorbild gehabt haben: Sir Henry Morgan. Ob das stimmt? Was stimmt ist: Der gebür-tige Oberfranke Rick Haupt, einer der weltweit besten Taucher, entdeckte Reste von Morgans Schiffen. Fotomontage: Jochen Nützel