Post on 06-Feb-2018
Akzente 1’11 Consumer Industries & Retail Group
Finanzmanagement Wie Konsumgüter-unternehmen ihr Credit Rating ver-bessern und damit ihre Zinsbelastung senken können
KundenlebenszyklusCustomer Lifecycle Management hilft Unternehmen, maß-geschneiderte Ange-bote für ihre Kunden zu entwickeln
Interview Stefan Tweraser, Chef von Google Deutschland, über das Suchmaschinen-marketing der Zukunft
Kundenmanagement Ein Programm, mit dem Markenartikler trotz wachsender Macht des Handels ihre Profitabilität steigern können
Handelsimmobilien Mit dem StoreNet Optimizer können Einzelhändler ihre Filialnetze optimie-ren und deutlich profitabler führen
Einfach richtig machen
Was Lebensmittel-einzelhändler von den erfolgreichsten Discountern lernen können
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4 McKinsey News:
Luxusmärkte von morgen; Die wachstumsstärksten Städte; Effiziente Krankenhäuser; Nutzen von Social Media; Kapital wird teurer; Buchtipp: „Retail Marketing and Branding“
8 Titelthema:
Einfach richtig machen
Was Lebensmitteleinzelhändler von erfolgreichen Discountern lernen können
16 Wie Konsumgüterunternehmen ihr
Credit Rating verbessern
In drei Schritten zu höherer Bonität
22 Die maßgeschneiderte
Modelieferkette
Der Weg zur optimierten Supply Chain
30 „Der entscheidende Punkt ist
die Passion“
Interview mit Erich Stamminger, dem globalen Markenverantwort- lichen von Adidas
34 Am Puls der Kunden
Customer Lifecycle Management erschließt das volle Umsatzpotenzial
40 „850 Millionen Mal im Jahr
stellen deutsche Google-Nutzer
konsumrelevante Anfragen“
Interview mit Dr. Stefan Tweraser, Chef von Google Deutschland
46 Auf Augenhöhe mit den Händlern
Wie Markenhersteller im Verbund mit dem Handel ihre Profitabilität erhöhen können
52 Perfektes Netz
Mit dem StoreNet Optimizer steigern Einzelhandelsketten ihren Gewinn
58 Energieeffiziente Einzelhandels-
flächen ...
... fordert Professor Michael Cesarz von der Universität Leipzig in seinem Kommentar
60 Werkstatt
Aktuelle McKinsey-Studien
61 Impressum
Inhalt
Titelthema: Frische beim Discounter – was andere Ein-zelhändler von Billiganbietern lernen können Seite 8
Interview: Stefan Tweraser von Google über Such-maschinenmarketing von morgen Seite 40
Interview: Adidas-Marken-chef Erich Stamminger über Passion und Marken-führung Seite 30
Was wollen Kunden? Customer Lifecycle Management hilft, das herauszu nden Seite 34
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3Akzente 1’11
Die Welt ist volatiler geworden
Ein Kandidat für das Wort des Jahres? Risiko! Nicht erst seit dem Unglück in Japan ist der Begriff ins Zentrum der Überlegungen vieler Manager in Konsumgüterunternehmen und Handel gerückt. Die Welt ist volatiler geworden. Das betrifft bei Weitem nicht nur die Aktien kurse: Rohstoffpreise fahren Achterbahn, Währungsrelationen verschieben sich laufend, abwechselnd fürchten Verbraucher und Wirtschaft mal In ation, mal De ation.
Gibt es noch gesicherte Annahmen über die Zukunft? Eine auf jeden Fall: Die Energiepreise werden weiter steigen, nicht nur wegen der abgeschalteten Atomkraftwerke. Auch der Trend zu höheren Löhnen quer durch die asiatischen Länder dürfte stabil bleiben. Das bedeutet steigende Einkaufspreise in Fernost und wegen höherer Energiepreise teurer werdende Produktion in Europa.
Ungewiss dagegen bleibt, in welchem Maße die gestiegenen Kosten an die Verbraucher in Form höherer Preise weitergegeben werden können. Gerade wenn, wie es viele glaubwürdige Szenarien vorhersagen, die In ation einsetzt, bleibt die Reaktion der deutschen Verbraucher abzuwarten.
Händler und Hersteller müssen sich an das Wirtschaften in Zeiten gestiegener Unsicherheit gewöhnen. Wir alle müssen neue Strategien und Denkweisen entwickeln, die auch ohne sichere Annahmen über die Zukunft zum Erfolg führen. Meine Kollegen und ich arbeiten zurzeit intensiv an diesen Themen. Haben Sie Ideen, Kommentare, Fragen dazu? Dann melden Sie sich, wir freuen uns auf den Dialog mit Ihnen.
Anregende Lektüre wünscht Ihnen
Klaus Behrenbeck, Herausgeber von Akzente, Leiter des europäischen Konsumgüter- und Handels sektors von McKinseyklaus_behrenbeck
@mckinsey.com
Editorial
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Selbst Luxus ist nicht krisenfest: In der
Re zession verloren Luxusgüterhersteller
zwischen 2007 und 2009 rund 21 Prozent
ihres weltweiten Umsatzes.
Inzwischen ist die Konjunktur wieder
angesprungen, doch geht das Luxus-
geschäft einfach weiter wie bisher?
McKinsey hat 5.000 Luxuskonsumenten
in Europa, China und den USA befragt
und hat fünf Trends identifiziert, die
den Markt prägen werden:
Schnäppchenjäger. Luxus bleibt
begehrt, aber nicht um jeden Preis:
40 Prozent der Befragten in den USA
und ein Drittel der Europäer sagen, dass
sie Luxusartikel nur noch im Ausverkauf
erwerben wollen, unabhängig von der
Konjunktur.
Hang zum Außergewöhnlichen. Die Gegenbewegung zum Schnäpp-
chenjäger: Einige Luxuskäufer zahlen
bereitwillig Höchstpreise für exklusive
Klassiker – je teurer, desto lieber.
Ethische Entscheidung. Rund
20 Prozent der Befragten sagen, dass
verantwort ungsvoller Konsum, Umwelt-
verträglichkeit und Nachhaltigkeit ihre
Kaufentscheidung beeinflussen.
Luxus online. Noch gehört für die
meisten Luxuskäufer der schicke Laden
zum Einkaufserlebnis – doch Online
holt auf: 2011 sollen 5 Prozent aller
Luxuskäufe via Internet laufen.
Neue Märkte. Die BRIC-Länder ver-
zeichnen weltweit das höchste Wachstum
für Luxusgüter, mit Betonung auf dem
„C“ für China.
News
Warum die Chinesen Luxus kaufenDas Land wird sich nach einer Prognose
von McKinsey bis 2015 zum weltweit
größten Markt auch für Luxus entwickeln:
20 Prozent des globalen Umsatzes mit
Luxus werden dann in China anfallen,
zeigt eine weitere aktuelle Studie,
„Understanding China’s Love for Luxury“.
McKinsey befragte mehr als 1.500 Luxus-
käufer in 17 chinesischen Städten über
ihren Hang zu teuren Marken. Steigender
Wohlstand, hohe Verfügbarkeit von
Luxus artikeln und der Trend zum Vor-
zeigen von Reichtum schaffen die Vor-
aussetzung für stürmisches Wachstum.
Betrug 2010 der Luxusumsatz in China
noch 12 Milliarden US-Dollar, sollen es
2015 schon 27 Milliarden sein. China
löst damit Japan als größten Luxusmarkt
ab. Fast drei Viertel des rasanten Wachs-
tums findet in den einwohnerreichsten
36 Städten des Landes statt.
Die Nachfrage kommt nicht allein
von Chinas Reichen. Bis 2015 wächst die
dortige obere Mittelschicht (Einkommen
bis 30.000 US-Dollar) von 13 auf 76 Millio-
nen Haushalte. Spätestens im Zuge dieser
Entwicklung wird auch der Preis ein The-
ma. Schon heute überprüft rund die Hälfte
Die Luxusmärkte von morgenFünf Trends verändern das globale Luxus- geschäft – China wird größter Markt.
Das kommunistische China erliegt dem Charme der Bourgeoisie: Bis 2015 entwickelt sich das Land zum größten Luxusmarkt der Welt.
der befragten Luxus käufer Produktdetails
und Preise im Internet. Gleichzeitig sinkt
die Beliebtheit gefälschter Ware: War
2007 noch fast ein Drittel der Befragten
bereit, nachgemachten Schmuck zu
kaufen, bekannten sich 2010 nur noch
12 Prozent zu solch ungesetzlichem Tun –
Markenware entfaltet auch in China
nur dann den vollen emotionalen Nutzen,
wenn sie echt ist.
In der europäischen Apparel,
Fashion and Luxury Practice von
McKinsey sind über 60 internationale
Experten vernetzt und unterstützen
Klienten aus der Bekleidungs- sowie
der Luxusgüterbranche mit ihrem
Spezialwissen. Schwerpunkt themen
der Practice sind derzeit Digitalisie-
rung, Fast Fashion, Pricing und
Sourcing. Mehr zu den Themen der
Practice lesen Sie demnächst in
Akzente. Leiter der Practice ist
Thomas Tochtermann. Kontakt:
thomas _tochtermann@mckinsey.com. Mehr über die prägenden Trends im globalen Luxusmarkt auf http://csi.mckinsey.com
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5Akzente 1’11
Wirtschaftlichkeit und eine hohe Qualität der Patientenversorgung im Krankenhaus sind kein Wider-spruch. Im Gegenteil: Patienten sind in gut gemanagten Kliniken in der Regel mit ihrer Behandlung sehr zufrieden, und umgekehrt zei-gen Häuser mit guten Behandlungs-ergebnissen meist auch bessere wirtschaftliche Resultate. Beispiels-weise gibt es eine höhere Über-lebensrate nach Herzinfarkten in Kliniken mit einer hohen Manage-mentqualität. Das belegt die Studie „Management in Healthcare“ von McKinsey.
Für die Untersuchung befragte McKinsey gemeinsam mit dem Center for Economic Performance (CEP) der London School of Econo-mics Manager und Führungskräfte in 1.200 Krankenhäusern in 7 Län-dern. In Deutschland wurden 130 Krankenhäuser analysiert. Auf wissenschaftlicher Basis wurde ein Managementindex entwickelt, mit dem auf einer Skala von 1 bis 5 zum Beispiel die Qualität der Personalführung und der Personal-entwicklung ebenso erfasst wurde wie Angaben zum Verwaltungs-aufwand für Ärzte oder zum Entscheidungs freiraum des Managements.
Am besten schnitten in der Studie mit einem Indexwert von 3,0 US-amerikanische Krankenhäuser ab, gefolgt von Großbritannien (2,8) und Schweden (2,68). Deutschland liegt mit 2,64 im Mittelfeld, da-nach kommen Kanada (2,52), Italien (2,48) und Frankreich (2,4).
Krankenhäuser: gutes Management, gute Versorgung
Urbanisierung: Wo die wachs-tumsstärksten Städte liegenEine Studie des McKinsey Global Institute beleuchtet die Märkte von morgen.
Die 600 global wichtigsten Städte gene-
rieren 60 Prozent des Weltbruttosozial-
produkts. Das wird, so prophezeit das
McKinsey Global Institute (MGI) in seinem
neuen Report „Urban world: Mapping
the economic power of cities“, auch 2025
noch der Fall sein – doch der Kreis der 600
wird sich neu zusammensetzen. Heute
liegen 380 der 600 Städte in entwickelten
Volkswirtschaften, 190 davon in Nord-
amerika. Diese 380 stehen für rund die
Hälfte des weltweiten Brutto sozial pro-
dukts (BIP). Bis 2025 wird ein Drittel der
380 Städte nicht mehr zum illustren Kreis
der 600 zählen. Das Gravitationszentrum
verschiebt sich nach Süden und Osten.
100 Aufsteiger sind aus ChinaDie 136 Aufsteiger in die Top 600, die das
MGI erwartet, liegen allesamt in Schwel-
lenländern, 100 von ihnen in China. „Weil
sich das Profil der urbanisierten Welt
so radikal verändert, müssen sich Unter-
nehmen deutlich intensiver als bisher mit
den Wachstumsstrukturen beschäftigen,
wenn sie die vielversprechendsten Märk-
te identifizieren wollen“, sagt Richard
Dobbs, Direktor am MGI.
Bis heute war es sinnvoll, die Unter-
nehmensstrategie auf die Industrieländer
sowie auf die Mega citys (mit mehr als
10 Millionen Einwohnern) in den Emerging
Markets zu konzentrieren. Sie erwirtschaf-
ten 70 Prozent des globalen Brutto sozial-
produkts. Doch bis 2025 werden diese
Regionen und Megacitys nur noch ein
Drittel des weltweiten Wachstums des
Brutto sozial produkts hervorbringen –
wachstumsorientierte Unternehmen
dürfen sich deshalb nicht allein auf sie
konzentrieren. Denn anders als viele mei-
nen, findet nicht etwa in den Megacitys
das stärkste Wachstum statt. Sie ent-
wickeln sich meist nicht schneller als die
Wirtschaft des jeweiligen Landes. Das
größte Wachstum zeigen 577 sogenannte
Middleweights mit 150.000 bis 10 Millio-
nen Einwohnern. 407 von ihnen liegen
in Emerging Markets. Sie schaffen allein
40 Prozent des globalen Wachstums,
mehr als die gesamte entwickelte Welt –
mehr unter: www.mckinsey.com/mgi
100 chinesi-sche Städte steigen in die Top 600 auf.
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News
Social Media: Und es lohnt sich dochJe stärker und gezielter soziale Medien in Unternehmen eingesetzt werden, desto größer ist ihr Nutzen.
Lohnt für Unternehmen der Einsatz sozi-
aler Medien wie Facebook, Twitter oder
Blogs? Das untersuchte McKinsey per
Fragebogen bei weltweit 3.249 Unter-
nehmen. Im Fokus standen die wirt-
schaftlichen Effekte des Einsatzes sozia-
ler Medien in Unternehmen. Ergebnis:
Die große Mehrheit der Befragten erkennt
einen rechenbaren Vorteil aus dem Ein-
satz. Und: Diejenigen Unternehmen, die
Social Media am intensivsten nutzen und
sowohl für unternehmensinterne wie
-externe Zwecke einsetzen, be werten
deren Nutzen am höchsten.
Zwei Drittel der Unternehmen bauen die Investitionen in Social Media aus Von den befragten Unternehmen setzen
40 Prozent soziale Netzwerke ein,
38 Prozent einen Unternehmensblog.
Zwei Drittel wollen ihre Investitionen in
das soziale Web erhöhen.
Die Auswertung unterschied zwi-
schen Zielen interner und externer Natur.
Mehr als drei Viertel der Befragten sa-
gen, dass der interne Einsatz von Social
Media die Verteilung von Wissen be-
schleunige, 60 Prozent gaben an, dass
dadurch die Kommuni kationskosten ge-
sunken sind. 40 Prozent haben so ihre
operativen Kosten gesenkt, 28 Prozent
freuen sich über erfolgreichere Innova-
tionen als zuvor.
Beim kundenbezogenen Einsatz von
Social Media berichten 63 Prozent, dass
ihr Marketing effektiver geworden ist.
Jeder Zweite registriert höhere Kunden-
zufriedenheit, fast ein Viertel meint, der
Einsatz habe den Umsatz gesteigert.
Die Studie zeigt, dass die wirtschaftli-
chen Vorteile mit dem Grad des Ein satzes
der sozialen Medien steigen. Marktanteils-
gewinne korrelierten dabei klar mit dem
Grad der externen Vernetzung mit Liefe-
ranten und Partnern. Extern vernetzte
Unternehmen konnten per Social Media
engere Marketingbeziehungen mit ihren
Kunden aufbauen und diese besser in den
Kundenservice und die Produktentwick-
lung einbinden. Unternehmen, die sich vor
allem intern vernetzt haben, realisierten
die größten Vorteile, weil sie höhere ope-
rative Margen erzielten. Durch den schnel-
len Wissenstransfer und intensiven Aus-
tausch via Social Media konnten sie zum
Beispiel das Silodenken zwischen den
Abteilungen überwinden und Entschei-
dungen in untere Hierarchie ebenen ver-
lagern. Das Ergebnis waren agilere Unter-
nehmen – mit höheren Gewinnen.
Mehr über die Studie unter: www. mckinseyquarterly.com/organization
Die meisten Unternehmen registrieren messbare Vorteile durch das Web 2.0in Prozent
Kundenbezogene Vorteile erzielt Effektiveres Marketing
Zufriedenere Kunden
Weniger Marketingkosten
Weniger Supportkosten
Weniger Reisekosten
Im Schnitt be-schleunigten die befragten Unter-nehmen den Zu-gang zu Wissen um 30 Prozent, senkten die Kom-munikationskos-ten um 10 Prozent und die Marke-tingkosten um 15 Prozent.
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Interne Vorteile erzieltSchnellerer Zugang zu Wissen
Weniger Kommunikationskosten
Schnellerer Zugang zu Experten
Weniger Reisekosten
Zufriedenere Angestellte
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Der Einsatz von Facebook, Twitter & Co. spart Unternehmen Zeit und Geld.
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Erfolgreiches Einzelhandels mana ge -ment hat lange nach dem Prinzip „Probieren geht über Studieren“ funktioniert, doch die aktuellen Herausforderungen verlangen eine grundlegende Professionalisierung der Marketingfunktion des Handels. „Retail Marketing and Branding: A De nitive Guide to Maximizing ROI“ zeigt Einzelhändlern prakti-sche und vielfach bewährte Ansätze zur Steigerung ihres Marketing-erfolgs auf.
Das Buch, herausgegeben von den McKinsey-Beratern Jesko Perrey und Dennis Spillecke, basiert auf dem Wissen und der Erfahrung von fast drei Dutzend führenden Einzelhandelsexperten. Die darin vorgestellten Methoden wurden in langjähriger Zusammenarbeit mit führenden internationalen Unter-nehmen entwickelt und verfeinert. Trotzdem ist „Retail Marketing and Branding: A De nitive Guide to Maximizing ROI“ alles andere als eine theoretische Abhandlung. Die Praxisnähe und eine Fülle von Fallbeispielen machen das Buch zu einem unverzichtbaren Leitfaden für alle verbraucherorientierten Einzelhändler.
Mehr Marketing-erfolg für Einzel-händler
Retail Marketing and Branding:A De nitive Guide to Maximizing ROI, Jesko Perrey, Dennis Spille-cke, ISBN: 978-0-470-97966-2, Wiley, 2010
Nach drei Jahrzehnten kontinuierlich
fallender Zinsen hat sich die Wirtschaft
an billiges Kapital gewöhnt. Doch die Ära
der niedrigen Zinsen könnte laut einer
aktuellen Studie des McKinsey Global
Institute (MGI) nun zu Ende gehen. Der
Report „Farewell to Cheap Capital?“ ana-
lysiert Gründe für die Zinswende sowie
ihre Folgen für die Wirtschaft.
In den kommenden Jahren wird die
globale Kapitalnachfrage drastisch stei-
gen. Vor allem durch gewaltige Infra-
strukturprojekte in den Schwellenländern
steigt die weltweite Investitionsneigung
stärker als die Sparquote. Die MGI-
Experten prognostizieren, dass bis 2020
die globalen Investitionen einen ähnlich
hohen Anteil am Sozialprodukt erreichen
werden wie in der Zeit des Wiederauf-
baus in Europa und Japan nach dem
Zweiten Weltkrieg und in der folgenden
Phase rasanten Wachstums.
Investitionsneigung wächst stärker als die SparquoteDer Investitionsboom wird das Zinsni-
veau kräftig steigern – es sei denn, die
globale Sparquote wächst in gleichem
Maße mit. Doch in den meisten Szenari-
en, die das MGI für verschiedene ange-
nommene Entwicklungen der globalen
Wachstumsraten durch rech nete, klaffte
eine substanzielle Lücke zwischen der
Spar- und der Investitionsneigung. Für
2030 schätzt der MGI- Report die Kluft
zwischen dem Kredit bedarf für Investitio-
nen und den gesparten Mitteln auf rund
2,4 Billionen Dollar. Die Experten geben
keine Prog nose über das Ausmaß der zu
erwartenden Zins erhöhungen. Sie rech-
nen aber vor, dass Kreditzinsen um 150
Basispunkte steigen müssten, nur um
das Durchschnittslevel der vergangenen
40 Jahre zu erreichen. Diese Zinsbewe-
gung erwarten sie innerhalb der nächsten
fünf Jahre.
Da sich die Lücke zwischen dem
Kapitalbedarf für Investitionen und dem
Gesparten zwischen 2020 und 2030 kon-
tinuierlich vergrößert, prognostiziert der
MGI-Report für diese Zeit ein Zinsniveau,
das über dem 40-Jahres-Schnitt liegt.
Mehr über den MGI-Report: www.mckinsey.com/mgi/publications/farewell_cheap_capital
Schluss mit dem billigen Geld?Kapital wird knapper und teurer, pro-phezeit das McKinsey Global Institute.
Wer eine Wirtschaftsgroßmacht baut, braucht viel Kapital: Die globale Investitionsneigung steigt wieder.
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Discounter
Das spricht die Kunden an: Frische wie im teuren Super-markt, Preise fast wie beim Hard Discounter.
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Einfach richtig machenViele Einzelhändler wollen Erfolgsrezepte von Discountern übernehmen. Das gelingt nicht immer. Wer den Weg erfolgreich gehen will, muss eine Reihe von Faktoren berücksichtigen.
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10
Discounter
Von Christoph Geldmacher, Stefanie Möller, Patrick
Nava und Tobias Wachinger
Discounter sind die Stars des Lebensmitteleinzelhandels: Das Segment wächst in ganz Europa. Zwischen 2008 und 2010 haben allein die klassischen Vertreter des Formats ihre Umsätze jährlich um 4,3 Prozent gesteigert, deutlich mehr als alle anderen Lebensmitteleinzelhändler. Zudem schreiben immer mehr hybride Discounter erstaunliche Erfolgsgeschichten: Colruyt in Belgien, Mercadona in Spanien sowie Kau and und Netto Marken-Discount in Deutschland. Sie positionieren sich zwischen herkömm-lichem Discount und Vollsortimentern, bieten Preise auf Discountniveau und trotzdem ein reichhaltiges Frische- und Markenangebot sowie oft einen anspre-chenderen Filialauftritt als herkömmliche Discounter.
Im deutschen Markt ist der Erfolg der hybriden Dis-counter besonders ausgeprägt: In den vergangenen
zehn Jahren haben Hard und Soft Discounter hier-zulande ihren Marktanteil zwar nur von 36 auf 37 Prozent gesteigert, Kau and und Netto Marken-Discount legten gleichzeitig jedoch von 7 auf 17 Prozent zu. Insgesamt beherrschen Discounter und discountähnliche Formate damit bereits mehr als die Hälfte des deutschen Lebens-mittelmarkts (Gra k 1).
Das Geschäftsmodell der hybriden Discounter ist
nicht leicht zu kopieren Weil Mercadona in Spanien oder Colruyt in Belgien sehr erfolgreich sind, ist es kein Wunder, dass hybride Discounter heute als Vorbilder im europäischen Lebens-mitteleinzelhandel gelten. Doch Nachahmern sei zur Vor-sicht geraten. Denn es reicht nicht, einzelne Elemente aus dem Geschäftsmodell der Discounter herauszugreifen. So stoppte Géant Casino die Neuausrichtung seiner Ver-brauchermärkte nach dem Modell von Kau and (Géant Discount), weil den Kunden in den ersten umgestellten
1. Discounterformate gewinnen deutlich Marktanteile
1 LEH-Markt ohne Großhandel; 2 Zum Beispiel Supermärkte und SB-Warenhäuser/Verbrauchermärkte;3 Plus als Soft Discounter eingeordnet; nach Übernahme durch Netto (2009) als hybrider Discounter klassifiziert Quelle: Planet Retail; McKinsey
Marktanteil LEH-Markt Deutschland1
in Prozent
2000
57
7
16
20
04
53
9
19
19
08
48
11
21
20
2010
46
17
17
20
Sonstige Formate 2
HybrideDiscounter 3
Soft Discounter
Hard Discounter
***
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11Akzente 1’11
Filialen die lokalen Produkte fehlten, nachdem das Sor timent reduziert worden war.
Auch Auchan kehrte mit seinen Atac-Supermärkten schnell wieder zum bewährten Geschäftsmodell zurück. Hier war der Versuch gescheitert, nach dem Vorbild von Mercadona das Sortiment um 20 Prozent zu reduzieren: Die Verkaufszahlen der Atac-Märkte gingen sofort deut-lich zurück.
Wie aber kommt es zu so unterschiedlichen Ergebnissen? Warum lässt sich das so simpel wirkende Geschäfts-modell der Discounter nicht einfach übertragen? Und was haben erfolgreiche Akteure wie beispielsweise Merca dona oder Kau and richtig gemacht? Diese Fra-gen lassen sich nach der Analyse der Handlungsfelder beantworten, in denen Vollsortimenter häu g die Konzepte der Discounter adaptieren wollen: Sortiment, Preispositionierung und unterstützende Prozesse.
Sortiment: Weniger kann mehr sein – wenn man’s
richtig macht
Discounter stehen nicht nur für niedrige Preise, sondern auch für ein begrenztes Produktsortiment. Dadurch halten sie Komplexitätskosten, Personalaufwand und Abschreibungen für Langsamdreher gering; wegen hoher Volumina bei Einzelartikeln können sie günstigere Ein-kaufskosten durchsetzen. Trotzdem erfüllen Discounter die Sortimentsbedürfnisse ihrer Kunden erstaunlich gut: In einer Kundenbefragung von McKinsey erzielten Aldi und Lidl diesbezüglich nahezu ebenso gute Ergebnisse wie traditionelle Supermärkte. Aber nicht nur Aldi und Lidl beweisen, dass man mit weniger Sortiment eine vergleichbare oder sogar bessere Kundenzufriedenheit erreichen kann (Gra k 2). Hierbei spielen natürlich auch die unterschiedlichen Erwartungshaltungen eine Rolle: Aldi-Kunden wissen, dass ihr Discounter wesentlich weniger Standardpro-
1 Gewichtete Durchschnittsbewertung jedes LEH-Spielers in den wichtigsten Produktkategorien; jeder LEH-Spieler wurde nur in seinem Heimatmarkt bewertetQuelle: McKinsey
2. Discounter erfüllen Kundenwünsche fast so gut wie traditionelle Voll-
sortimenter – trotz des deutlich geringeren Produktsortiments
Anzahl Produkte
65.000
41.000
39.000
6.000
10.000
4.000
8.000
2.000
05,00 6,255,50 6,005,25 6,505,75
Kundenzufriedenheit mit Produktangebot1
Mit deutlich kleine-rem Pro duktange bot gelingt es Discoun-tern dennoch, die Kundenwünsche an-nähernd vergleich-bar gut zu erfüllen
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12
Discounter
dukte als beispielsweise Rewe führt und berücksichtigen dies bei ihrer Bewertung. Damit allein lassen sich die ho-hen Zufriedenheitswerte aber nicht erklären. Vielmehr schaffen es Aldi oder Kau and, Produktangebot und Sor-timentsgröße so anzupassen, dass sie auch mit einem klei-neren Sortiment den Kundenwünschen gerecht werden.
Theoretisch lohnt es sich für traditionelle Händler immer, diesen Vorbildern nachzueifern. Denn einer McKinsey-Schätzung zufolge können sie ihre EBIT-Marge um rund 0,5 Prozentpunkte steigern, wenn es ihnen gelingt, das Sortiment gezielt um 10 Prozent zu reduzieren und den Umsatz trotzdem stabil zu halten. Der Gewinnzuwachs resultiert hierbei hauptsächlich aus geringeren Einkaufs-kosten für die größeren Volumina des restlichen Sortiments sowie aus einer Reduzierung des Personalaufwands. In der Praxis erweist sich aber die Stabilisierung des Um satzes als kritisch, wie das Beispiel Wal-Mart zeigt.
Der amerikanische Handelsgigant stand immer für ein breites Produktangebot mit vielen Marken, um alle Kundenwünsche zu bedienen – und zwar zu einem güns-tigen Preis. Um Laden- und Logistikprozesse zu opti-mieren, reduzierte Wal-Mart zur Jahreswende 2008/09 das Sortiment um 20 bis 30 Prozent. Die neue Produkt-palette überzeugte die Kunden allerdings nicht – das bis dahin hohe Umsatzwachstum erlitt einen deutlichen Einbruch. Es half auch nichts, dass Wal-Mart wenige Monate später einige ausgewählte Produkte wieder einführte: Ende 2010 nahm das Unternehmen fast alle Artikel wieder ins Sortiment auf. Offenbar hatte Wal-Mart vorab nicht systematisch genug untersucht, auf wel-che Produkte es wirklich ankommt. Außerdem erhielten die Kunden keinen Gegenwert für die Verringerung des Sortiments, also beispielsweise günstigere Preise.
Bei Mercadona war die Ausgangssituation ähnlich: Bis 2004 war das spanische Unternehmen eine klassische Supermarktkette mit einem relativ breiten Lebensmittel-angebot. Danach wurde das Sortiment drastisch redu-ziert, allein 2009 listete Mercadona rund 10 Prozent aller Produkte aus. Die Folgen waren aber genau entgegen-gesetzt zu denen bei Wal-Mart. Mercadona wächst seit 2004 jährlich um durchschnittlich 10 Prozent und zeigt eine beeindruckende Flächenproduk tivität von fast 10.000 Euro Umsatz pro Quadratmeter. Gelungen ist dies vor allem durch drei Ansätze:
Dubletten streichen. Mercadona bietet seinen Kunden weiterhin eine breite Kategorienauswahl und beschränkt
die Anzahl der Artikel nur innerhalb der Kategorien. So wurde das Sortiment hauptsächlich um Dubletten be-reinigt, die wesentlichen Kundenbedürfnisse erfüllen die Filialen aber weiterhin.
Preise senken. Das kleinere Sortiment brachte verein-fachte Prozesse und verringerte die Kosten. Diese Ein-sparungen gab Mercadona zumindest teilweise mit attraktiven Preisen an die Kunden weiter – und erhöhte somit die Akzeptanz für das verkleinerte Sortiment.
Fehler schnell korrigieren. Wenn aber doch einmal zu viel gekürzt worden war, korrigierte Mercadona den Fehler sofort. So wurden bereits abgeschaffte Bedien-theken dort wieder eingeführt, wo Kunden auf dieses Angebot offensichtlich nicht verzichten wollten.
Sortimente zu verkleinern ist also alles andere als eine einfache Aufgabe. Es kommt nicht nur darauf an, Kunden-bedürfnisse zu identi zieren, sondern auch vor allem da-rauf, einen Gegenwert für die geringere Auswahl zu bie-ten. Auch die klassischen Discounter Aldi und Lidl haben das längst verstanden: Sie stehen nicht nur für günstige Preise, sondern überzeugen auch mit Spitzenplätzen bei Vergleichstests der Stiftung Warentest hinsichtlich der Qualität ihrer Eigenmarken – und bieten ihren Kunden so einen Ausgleich für das begrenzte Sortiment. Preispositionierung: Auf die Wahrnehmung der
Kunden kommt es an
Discounter sind günstig, Supermärkte teuer. Diese Ein-schätzung ist fest in den Köpfen der Deutschen verankert. So stellte McKinsey Konsumenten die Frage: „Wenn Sie Waren für 50 Euro bei Aldi einkaufen würden, wie viel Euro müssten Sie bei anderen Ladenketten für einen vergleichbaren Warenkorb ausgeben?“ Die Befragten schätzten die Preise der Supermärkte um ein Viertel höher ein als die von Aldi. Der tatsächliche Preisunter-schied ist allerdings deutlich geringer, denn spätestens im Laufe der Wirtschaftskrise und der Preiskämpfe im Lebensmitteleinzelhandel hat sich das Preiseinstiegs-niveau bei fast allen Markt teilnehmern nahezu nivelliert. Kürzlich zeigte eine Stichprobenuntersuchung, dass der Verkaufspreis pro 100 Milli liter Zahnpasta in einer Stadt bei Edeka, Rewe, Lidl und Netto fast gleich war.
Wie aber kann es gelingen, die Preiswahrnehmung positiv zu beein ussen? Bei einem nivellierten Preis-einstiegs niveau reicht es nicht, sich auf Eckartikel zu konzen trieren. Interessanter ist eine Preisleiteranalyse
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Zahnpastapreis, pro 100 ml in EUR
13Akzente 1’11
(Gra k 3). Hierbei zeigt sich: Discounter oder discount-ähnliche Formate bieten den Kunden nur Produkte zum Einstiegspreis und bestenfalls ein mittleres Preisseg-ment. Dagegen decken die Preisleitern von Edeka oder Real auch teurere Segmente ab. Der Kunde wählt damit von vornherein aus einer größeren Palette von Preisen aus und wird sich immer wieder auch für teurere Pro-dukte entscheiden. Damit ist der Warenkorb in der Regel hochpreisiger und eine höhere Preiswahrnehmung unausweichlich. Voll sortimenter müssen also abwägen: Wenn sie hoch prei sige Produkte auslisten, verbessert sich zwar die Preiswahrnehmung, zugleich leiden aber Produktauswahl und Spanne. Das ist besonders proble-matisch, weil die Voll sortimenter nicht von heute auf morgen die reduzierte Kostenstruktur eines Discounters erreichen können.
Weitere Ein ussfaktoren auf die Preiswahrnehmung sind die Kommunikation und die Gesamtpositionierung.
Während Aldi und Lidl eindeutig für günstige Preise ste-hen und dies auch konsequent vermitteln, setzen andere Akteure wie Rewe oder Edeka stärker (oder zumindest ebenso stark) auf Themen wie Qualität und Einkaufs-erlebnis. Dies allein beein usst bereits die Preiswahrneh-mung der Konsumenten. Aber auch die Gestaltung der Filialen hat erhebliche Auswirkungen auf die Preiswahr-nehmung. Wer in einen erstklassig gep egten Markt kommt und dort von aufwendig präsentierter Frische über perfekt arrangierte Facings zu einem Weinregal in Kirschholz aniert, der vermutet höhere Preise, als wenn er zwischen Paletten und grellen Non-Food-Aufstellern einkauft – unabhängig vom tatsächlichen Preisniveau.
Was können Vollsortimenter also von Discountern lernen? Ein niedriges Preisniveau allein reicht nicht aus, um auch tatsächlich in der Preiswahrnehmung des Kun-den zu gewinnen. Wer dies erreichen möchte, muss sich bewusst sein, dass er ohne eine konsequente Ausrichtung
3. Discounter haben weniger Preispunkte und mehr Eigenmarken
Quelle: McKinsey
Markenprodukte EigenmarkenPreis für Zahnpasta (100 ml),
in Euro
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Discounter Hybride Discounter Vollsortimenter
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Discounter
des gesamten Wertversprechens nur sehr begrenzt Er folg haben wird. Das heißt, dass Vollsortimenter die Preis leiter der Artikel, die die Kundenwahrnehmung beein ussen, gut durchdenken müssen und entspre-chend ihrem Wertversprechen auch ihre komplette Kommunikation gestalten sollten.
Unterstützende Prozesse: Nur gelebtes
Kostenbewusstsein hilft weiter
Während eine Orientierung an Discountern bei Sor ti-ment und Ladengestaltung sofort auffällt und gege -benenfalls sogar zu Irritationen auf Kundenseite führen kann, nimmt der Kunde eine Veränderung der internen Prozesse nicht wahr. Daher ist es für traditionelle Vollsortimenter grundsätzlich einfacher, ihre Zentral-strukturen zu verschlanken, auf zeitaufwendige Repor-tingsysteme zu verzichten oder an Abteilungen zu sparen, die nur interne Dienstleistungen liefern. Es geht aber nicht nur um Konzepte für solche Veränderungen – Discounter sind auch deshalb erfolgreich, weil sie Pläne kompromisslos umsetzen und dadurch mit einer schlan-
ken Organisation für höchst ef ziente Prozesse sorgen. Wer hier dem Beispiel der Discounter folgen will, muss deren Denk- und Vorgehensweise dauerhaft im Unter-nehmen etablieren. Das gilt nicht nur für die Topmanage-mentebene, sondern für alle operativen Bereiche: Aldi behauptet stolz, auf Marktforschungen und Kunden-befragungen generell zu verzichten, Kau and hat so gut wie alle administrativen Prozesse von den Filialen in die Unternehmenszentrale verlagert. Solch radikale Maß-nahmen können aber bei den oftmals dezentral organi-sierten traditionellen Lebensmitteleinzelhändlern einen Kulturschock auslösen, auf den ein Vollsortimenter mög-licherweise nicht vorbereitet ist. Sie haben natürlich auch Ein uss auf andere Prozesse. Aber Einsparprogramme ohne radikale und kompromisslose Verein fachungen werden nicht einmal halb so wirkungsvoll sein wie die der Discounter.
Vollsortimenter können also auf verschiedenen Hand-lungsfeldern von Discountern oder den jüngst so erfolg-reichen hybriden Discountern lernen. Doch die Adaption
Vorbild Mercadona: Den Spaniern gelingt es, die Vorzüge eines Supermarktformats mit denen eines Discounters zu koppeln. Die Verbraucher wissen das zu schätzen.
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Kernaussagen
1. Weniger kann mehr sei n: Händler mit einem kleineren Sortiment können die Kunden-bedürfnisse ähnlich gut oder besser erfüllen als Händler mit einem sehr breiten Sortiment.
2. Ein niedriges Preisniveau allein genügt nicht, um als güns-tiger Anbieter wahrgenommen zu werden – die Kundenwahr-nehmung wird von vielen Fak-toren beein usst.
3. Die unterstützenden Prozesse bieten Einsparpotenziale – sie zu erschließen erfordert allerdings ein radikales Umdenken in allen operativen Unternehmens-einheiten.
1 Christoph Geldmacher ist Berater im Düsseldorfer Büro und berät vor allem Einzelhandels- und Logistikunternehmen in Vertriebs- und Strategiefragen.
2 Stefanie Möller ist Beraterin bei McKinsey in Köln und unterstützt schwerpunktmäßig Konsumgüter- und Einzelhandelsunternehmen in Format-, Strategie- und Vertriebsfragen.
3 Patrick Nava ist Berater im Kölner Büro. Er berät vor allem Konsumgüter- und Automobilunternehmen zu Strategie und Logistik.
4. Dr. Tobias Wachinger ist Partner bei McKinsey in München. Er berät europäische Einzelhändler, insbesondere in den Bereichen Format- und Kanalstrategie, Marketing und Vertrieb.
Autoren
der Erfolgsmethoden ist keineswegs einfach, schließ-lich wirkt sie sich auf so fundamentale Dinge aus wie das Kundenwertversprechen oder die Unterneh-menskultur. Deshalb gilt es sicher zustellen, dass die Elemente des Geschäftsmodells konsistent aufeinan-der abgestimmt bleiben. Das eigene Modell im Dis-counterstil zu vereinfachen will also wohl überlegt, gut vorbereitet und in seinen Auswirkungen bedacht sein. Wer diese Aufgaben erfolgreich erledigt, kann jedoch viel gewinnen – wie nicht nur das Beispiel Mercadona beweist.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an:
tobias_wachinger@mckinsey.com
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Von Christian Baier, Patrick Beitel und Ingo Böhner
Bonität ist ein unterschätzter Wettbewerbsfaktor. Wenn Unternehmen Fremdkapital aufnehmen, entscheidet besonders die Bonität über die Konditionen, vor allem über den Zinssatz. Die Bonität hat über den Zinssatz nicht nur Auswirkungen auf das Bilanzergebnis, sondern auch auf die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten und somit direkt auf die Wachstumschancen des Unterneh-mens. Und gerade Wachstum steht bei Konsumgüterher-stellern nach der Krise wieder ganz oben auf der Agenda.
Doch obwohl bei großen Konsumgüterherstellern die Bonitätseinstufung den Jahresgewinn um zweistellige Millionensummen verschiebt, haben viele dieser Unter-nehmen das Problem nicht im Visier. Dabei gibt es einen systematischen Ansatz, die eigene Bonität zu managen.
Wie wird die Bonität eines Unternehmens ermittelt – und wie lässt sie sich verbessern? Die Bonitätseinstufung, das sogenannte Credit Rating, übernehmen Ratingagen-turen wie Standard & Poor’s oder Moody’s. Bei Stan -dard & Poor’s beispielsweise gibt es eine Ratingskala von AAA (höchste Bonität) bis C (schlechteste Bonität), wobei schlechte Einstufungen – ab BB+ und darunter auch als Sub-Investment Grades bezeichnet – die Zinsbelas tung der betroffenen Unternehmen massiv nach oben schrau-ben (Gra k 1, Seite 18). Die Folgen solch einer Einstufung sind geringere Pro tabilität und ein erschwerter Zugang zu Fremd kapital jenseits des Bankkredits.
Viele europäische Konsumgüterproduzenten sind als Sub-Investment Grades eingestuft (oder besitzen gar kein Credit Rating, weil sie von den Agenturen nicht bewertet werden). Wie wichtig für sie eine Verbesserung des Credit Ratings ist, illustriert ein Beispiel: Die Bonität eines weltweit agierenden Getränkeherstellers wird
Wie Konsumgüterunternehmen ihr Credit Rating verbessernWer seine Zinsbelastung senken will, braucht ein systematisches Programm für eine bessere Bonitätseinstufung durch die Ratingagenturen.
Finanzmanagement
derzeit mit BB+ bewertet, was am Kapitalmarkt einem Zinssatz von 5,98 Prozent pro Jahr entspricht. Eine Ver-besserung um nur eine Stufe, also auf BBB-, würde den Zinssatz um 82 Basispunkte auf 5,16 Prozent senken. Angenommen, das Unternehmen verfügte über Fremd-kapital in Höhe von 5 Milliarden Euro, brächte dies eine jährliche Zinsersparnis von ca. 41 Millionen Euro. Eine Steigerung um zwei Stufen, also auf BBB, würde sogar eine Reduzierung um 161 Basispunkte oder rund 81 Millionen Euro bedeuten.
Eine Heraufstufung ihres Credit Ratings wird Konsum-güterherstellern freilich nur dann gelingen, wenn sie ihre für die Bonitätsbewertung relevanten Kennzahlen verbessern. Doch viele Unternehmen kennen diese Finanzkennzahlen nicht genau oder wissen nicht, wie Ratingagenturen die einzelnen Kennzahlen gewichten. Deshalb geht es für diese Hersteller zunächst darum, die Kriterien und Mechanismen des Ratings besser zu verstehen – um dann mit entsprechenden Maßnahmen eine systematische Verbesserung der Kennzahlen und in der Folge ein höheres Rating zu erreichen.
Am besten geschieht dies im Rahmen eines umfassenden Credit-Rating-Programms. Dieses umfasst drei Schritte: einen Vergleich der eigenen Kennzahlen mit denen der Hauptwettbewerber, die Ermittlung des eigenen Ist- und Ziel-Ratings mit einer Quanti zierung des Einsparpoten-zials (bei Erreichen des Ziel-Ratings) und die Erarbeitung von Maßnahmen zur Ausschöpfung dieses Potenzials.
1. Position im Wettbewerbsvergleich bestimmen
Ein Benchmarking mit anderen Konsumgüterunterneh-men zeigt, bei welchen Finanzkennzahlen das eigene Unternehmen besser oder schlechter abschneidet als die Wettbewerber. Es liefert damit zugleich erste Hinweise auf Schwachstellen oder Ansatzpunkte für Verbesse-
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Wer systematisch an seiner Bonität arbeitet, kann den Zins für Fremdkapital deutlich senken.
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Finanzmanagement
rungsmaßnahmen. Ein solcher Vergleich er fordert die Einbeziehung aller für das Credit Rating maßgeblichen Kennzahlen. Bei Konsumgüterherstellern sind dies (Gra k 2, rechts):operative Kennzahlen wie Umsatzrendite, Kapital rendite und Kennzahlen zur Zinsdeckung, Cash ow-Kennzahlen wie das Verhältnis von freiem operativem Cash ow zu Fremdkapital und Finanzierungskennzahlen wie Verschuldungsgrad, ausgedrückt im Anteil des Fremdkapitals am Gesamt-kapital.
Zur Berechnung dieser Kennzahlen sind teils erhebliche Anpassungen notwendig – etwa bei den Operating Leases –, um die beteiligten Wettbewerber tatsächlich
vergleichen zu können und somit das Benchmarking aussagekräftig zu machen.
2. Ist- und Ziel-Rating ermitteln, Einsparpotenzial
berechnen
Im nächsten Schritt geht es zunächst darum, das eigene Rating präzise zu bestimmen. Das Ist-Rating bezeichnet die Bonitätseinstufung, die das Unternehmen auf Grund seiner aktuellen Kennzahlen erhält oder erhielte, wenn es von Ratingagenturen bewertet würde. Zur Bestimmung des Ist-Ratings nutzt McKinsey ein Softwaretool, mit dem sich auf Basis quantitativer Analysen ermitteln lässt, welche Kennzahlen für das Credit Rating ausschlag-gebend sind und mit welchen Anteilen sie in das Rating ein ießen. Mit Hilfe von Sensitivitäts analysen kann das
1. Die Zinsbelastung wächst mit absteigendem Credit Rating – und zwar ab
BBB- überproportional
1 30-Tage-Spread zwischen europäischen Unternehmensanleihen und 10-jährigen deutschen Staatsanleihen, Stand: 21. Januar 2011Quelle: Bloomberg, McKinsey
AA+ AA- A BBB+ BBB-AA A+ A- BBB BB+ BB
50
150
250
350
450
100
200
300
400
500
Zinsabstand zwischen ratingbasierter Unternehmensanleihe und Staatsanleihe1
74 76 7991
104118
132 136
215
297
379
Investment Grade
Sub-Investment
GradeRatings
Zu zahlender Zinssatzin Prozent
AA+
AA
AA-
A+
A
A-
BBB+
BBB
BBB-
BB+
BB
3,75
3,77
3,80
3,92
4,05
4,19
4,33
4,37
5,16
5,98
6,80
Basis-punkte
Ratings
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Unternehmen zudem genau berechnen, inwieweit es die-se Kennzahlen optimieren muss, um sein Credit Rating zu verbessern. So geben die Analysen wichtige Hinweise darauf, wo Verbesserungsmaßnahmen ansetzen sollten.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse – und zuge-schnitten auf die speziellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens – lassen sich dann Ziele für die einzelnen Kennzahlen und das Credit Rating ins-gesamt festlegen. Das Ergebnis ist ein sogenanntes Ziel-Rating, also die angestrebte Bonitätseinstufung, die durch entsprechende Maßnahmen erreicht werden soll.Anhand der aktuellen zinstragenden Schulden kann das Unternehmen nun das absolute Zinseinsparpotenzial leicht berechnen: Es ist die Differenz zwischen den
bei Ist- und Ziel-Rating am Kapitalmarkt zu zahlenden Zinsen. Und dieser Zinsvorteil beträgt – wie im Beispiel des eingangs zitierten Getränkeherstellers – häu g einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr. Wie genau sich der Zinsaufwand in den Folgejahren sukzessive verrin-gert, hängt natürlich auch von den Finanzierungskondi-tionen und vor allem dem Fälligkeitspro l ab. Mit Hilfe dieser Informationen lässt sich der jährliche Ein spar-effekt dann exakt berechnen.
3. Maßnahmen planen und umsetzen
Erst im dritten und letzten Schritt geht es um die eigent-lichen Maßnahmen, mit denen das Unternehmen sein Credit Rating verbessern und somit die errechnete Zinsersparnis erzielen kann. Hierbei kommt es zunächst
2. Praxisbeispiel – Finanzkennzahlen eines Konsumgüterherstellers im
Wettbewerbsvergleich
1 Vor Abschreibung und Amortisation; 2 Betriebliches Ergebnis/Fremd- plus Eigenkapital (adjustiert); 3 Finanzmittel aus dem operativen Geschäft; 4 Freier operativer CashflowQuelle: Standard & Poor’s, McKinsey
Operative Kennzahlen
Operatives Ergebnis1/ Umsatz, in Prozent
14,2
19,9
18,9
21,1
15,3
Kapitalrendite2
in Prozent
16,0
26,0
18,5
14,4
12,0
EBIT-ZinsdeckungMultiple
4,6
15,4
5,0
4,0
3,6
EBITDA-ZinsdeckungMultiple
5,6
17,1
5,9
5,1
4,6
Cashfl ow-Kennzahlen Finanzierungskennzahlen
FFO3/Fremdkapital in Prozent
28,2
64,8
45,3
23,1
26,4
FOCF4/Fremdkapitalin Prozent
14,5
42,2
20,0
9,7
7,1
Fremdkapital/EBITDAMultiple
2,0
1,2
2,5
4,0
4,9
Fremdkapital/Fremd- plus Eigenkapitalin Prozent
35,6
37,6
44,4
58,1
55,6
Eigene Zahlen
Ø Wettbewerber AA und A+
Ø Wettbewerber A und A-
Ø Wettbewerber BBB+/BBB/BBB-
Ø Wettbewerber Sub-Investment Grade (unter BBB-)
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Finanzmanagement
darauf an, die Ansatzpunkte für wesentliche Verbesse-rungen zu identi zieren: Bei schlechten operativenKennzahlen sollte das Unternehmen jeden Posten seiner Gewinn-und Verlust-Rechnung auf Optimierungspoten-ziale hin untersuchen, während es sich bei mangelnder Liquidität auf sein Cash ow-Statement konzentrieren und angesichts einer hohen Verschuldung seine Bilanz unter die Lupe nehmen sollte.
Das Beispiel eines europäischen Konsumgüter -herstellers veranschaulicht die Vorgehensweise: Im Wett bewerbsvergleich schnitt das Unternehmen – bei re lativ solidem Cash ow und geringer Verschul -dung – insbesondere in den operativen Feldern schlecht ab. Auch bei der Ermittlung des Ist-Ratings erwiesen sich die operativen Kennzahlen als Schlüsselfaktoren. Folglich begann der Hersteller, seine Gewinn-und Ver lust-Rechnung systematisch zu durchleuchten. Dabei offenbarte das Unternehmen erhebliche De zite gegenüber dem Wettbewerb, insbesondere beim
3. Praxisbeispiel: Verbesserungsmaßnahmen und -potenziale eines
Konsumgüterherstellers
1 Für operatives Leasing und aktienbasierte Vergütung; 2 Inklusive Zinserträgen, Erträgen aus verbundenen Unternehmen und Joint Ventures sowie weiteren wiederkehrenden betriebsfremden Erträgen Quelle: Bloomberg, Geschäftsberichte, McKinsey
Waren einsatz, aber auch bei den Vertriebs- und Ver-waltungs kosten. Dank dieser Erkenntnisse konnte das Management nun ziel gerichtete Verbes serungs-maßnahmen einleiten, so etwa die Optimierung von Spezi kationen, verstärktes Multiple Sourcing und Bundling sowie spezielle Schulungen für Einkaufs- und Logistikmitarbeiter (Gra k 3). Ausgelöst durch Bemühungen zur Verbesserung des Credit Ratings, durchlief das Unternehmen eine „Fitnesskur“ für das operative Geschäft, mit direkten Auswir kungen auf den Ertrag und indirekter Wirkung auf die Bonität.
Neben den Operations bleiben aber auch Cash ow und Bilanz zentrale Ansatzpunkte für Ratingverbesserungen. So sind mit Blick auf die Cash ow-Kennzahlen ein pro-fessionelles Working-Capital- und Investitionsausga-ben-Management gerade für Konsumgüterhersteller von herausragender Bedeutung. Derweil steht bei den Finanzierungskennzahlen in aller Regel die Senkung zins tra gen der Schulden im Vordergrund. McKinsey
Unter-
nehmen
Ist-Wertein Prozent vom Umsatz
Jeweilige
Best Practice
Geschätztes Potenzial
in %-PunktenPosition
- Spezifi kationen optimieren
- Multiple Sourcing/Bundling verstärken
- Fähigkeiten in Einkaufs- und
Logistikorganisation aufbauen
- Vertriebsleistung verbessern
- Vertriebs- und Verwaltungskosten senken
- Produktentwicklung optimieren
- Basisentwicklung outsourcen
- Werbebudget kürzen
ÍWareneinsatz
Í Vertriebs-/
Verwal tungskosten,
F&E, Werbung
ÍOperatives Leasing
ÇOperatives Ergebnis
ÅAnpassungen1
ÇEBITDA
Í Abschreibung und
Amortisation
ÇEBIT 2
-67
-33
8
8
4
12
-6
6
-56
-31
5
N/A
3
N/A
-3
N/A
~ -3-5
~ -2
Priorisierte Maßnahmen
Umsatz 100 100
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Kernaussagen
1. Ein höheres Credit Rating – und damit eine geringere Zins-last – steigert die Pro tabilität, sichert Liquidität und verbessert die Wachstumsaussichten von Konsumgüterunternehmen.
2. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer gründlichen Diagnose der eigenen Situation und zielgerichteten Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzkenn-zahlen.
3. Eine Heraufstufung durch die Ratingagenturen kann für viele Konsumgüterhersteller jährliche Zinseinsparungen im zweistelli-gen Millionenbereich bedeuten.
1 Dr. Christian Baier ist Berater im Berliner Büro von McKinsey. Er ist Mitglied des
Konsumgütersektors und beschäftigt sich mit Corporate-Finance-Themen bei Konsumgüter-
und Handelsunternehmen.
2 Dr. Patrick Beitel ist Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Leiter der
deutschen Corporate Finance Practice. Zu seinen Klienten zählen Banken, Börsen und
Kapitalmarktdienstleister.
3 Dr. Ingo Böhner ist Berater im Kölner Büro von McKinsey. Er ist Mitglied des Konsum-
gütersektors sowie der Corporate Finance Practice und beschäftigt sich vor allem
mit dem Thema Corporate Finance bei Konsumgüterherstellern und Handelsunternehmen.
Autoren
hat – neben Ansätzen zur Verbesserung operativer Kennzahlen – auch für diese Aufgaben spezielle Pro-gramme entwickelt, um die Situation der Unterneh-men zu analysieren und Maßnahmen zu erarbeiten.
Optimale Kapitalstruktur mit dem
Credit-Rating-Programm
Das Credit-Rating-Programm hat sich inzwischen vielfach bewährt und Unternehmen geholfen, ihre Fremdkapitalkosten zu reduzieren und damit die Pro tabilität zu erhöhen. Es liefert aber auch Zahlen und Argumente für Bankverhandlungen und er -leich tert so die Kreditbewilligung und Liquiditäts-sicherung – beides wichtige Voraussetzungen für das Erreichen der Wachstumsziele. Last but not least trägt das Programm sehr wirkungsvoll dazu bei, die Kapitalstruktur des jeweiligen Unternehmens zu optimieren und effektiver mit Rating agenturen zu kommunizieren.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: christian_baier@mckinsey.com
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Von Mike Doheny, Christoph Glatzel, Karl-Hendrik
Magnus und Paulo Marchesan
Modeunternehmen behandeln ihre Lieferkette wie Menschen ihre Unterwäsche: Für einige ist sie ein notwendiges Übel, das möglichst unsichtbar bleiben sollte. Andere nutzen sie, um sich demonstrativ vom Durchschnitt abzusetzen. Das gilt vor allem für Fast- Fashion-Vorreiter wie Zara und H&M: Stolz zeigen sie, wie ihre Lieferkette stets topaktuelle, trendige Ware in die Läden befördert.
Dabei müsste gerade in der Modebranche eigentlich jedes Unternehmen daran interessiert sein, immer die richtigen Produkte in der richtigen Filiale zu haben – und zwar in der richtigen Farbe und Größe, zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Preis.
Doch in der Mode-Supply-Chain bekommt meist nur das erste Glied die nötige Aufmerksamkeit: Vorstände beschäftigen sich regelmäßig mit Einkaufsproblemen wie steigenden Preisen für Rohmaterial und dem Kampf um Kapazitäten in China. Die weiteren Glieder der Lieferkette bleiben dagegen weitgehend unbeachtet, ihre Bedeutung wird unterschätzt, denn die Kosten für Transport und Lagerhaltung als traditionelle Aufgaben des Supply Chain Managements entsprechen oft nur je 3 Prozent des Umsatzes. Doch betrachtet man alle Schritte von der Entwicklung bis zur Regalplatzierung sowie die Auswirkungen von Fehlern in der Lieferkette auf den Umsatz, so wirken sich die Logistikprozesse auf rund 35 Prozent der Gewinn-und-Verlust-Rechnung aus (Gra k 1, Seite 24). Und die steigenden Faktorkos-ten für Löhne und Materialien erhöhen noch den Druck, mit besonders ef zienten Supply Chains gegenzusteu-ern. Außerdem steigen in der zunehmend in te grierten Einkaufswelt die Kundenerwartungen. Nur eine gut
Die maßgeschneiderte ModelieferketteDie Profi tabilität von Modeunternehmen hängt zu einem Drittel von der Supply Chain ab. Deren Optimierung kommt daher selbst in Mode: ein Blick auf fünf erfolgreiche Ansätze der Branchenführer.
Lieferkette
funktionierende Lieferkette garantiert bei diesen Anforderungen noch ein zufriedenstellendes Kunden-erlebnis. Das ist aber bei vielen Modehändlern nicht gewährleistet: Wegen inef zienter Prozesse verbringen Filialmit arbeiter beispielsweise zu viel Zeit im Lager, um Ware zu prüfen und zu sortieren, statt ihre Kunden im Verkaufsraum zu beraten. Und viel zu oft verlassen Kunden ohne Kauf den Laden, wenn sie einen Artikel nicht in der passenden Art, Farbe oder Größe nden.
Darüber hinaus zeigen unsere Analysen, dass Konsu-menten sich zunehmend verschiedener Kanäle parallel bedienen. Die daraus resultierenden Chancen nutzen Modeunternehmen bis jetzt oft nur halbherzig. So lockt das Angebot im Internet die Kunden in die Läden, ohne dass die gewünschten Produkte dort schon eingetroffen wären. Oder sie erfahren, dass das Unternehmen die in der Filiale nicht vorrätige Modell-Farb-Größen-Kombi-nation auch nicht zu ihnen nach Hause liefern kann. Wenn ein Einzelhändler nicht in der Lage ist, einen be-stimmten Artikel in seinem Logistiknetzwerk zu nden und ihn schnell aus jeder Filiale oder jedem Lager zu ver-schicken, riskiert er Umsatz verluste und unzufriedene Kunden.
Die erfolgreichsten Anbieter haben deshalb die Planung und Steuerung ihrer Supply Chain grundlegend ver-ändert, um den Kundenservice deutlich zu verbessern, die Verfügbarkeit zu steigern und die Vorlaufzeiten zu verkürzen. Trotzdem behielten sie Kosten und Bestände unter Kontrolle. Aus unseren Erfahrungen mit zahlrei-chen Modeunternehmen haben wir fünf Ansätze heraus-gearbeitet, mit deren Hilfe sich die Leistung der Supply Chain in der Modebranche steigern lässt (Gra k 2, Seite 25). Jeder dieser Ansätze hat seinen Wert – Unter-nehmen können je nach Zielsetzung auswählen, welchen sie verfolgen wollen.
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Modeunternehmen, die ihre Logistik im Griff haben, stellen
sicher, dass stets das richtige Produkt in der richtigen Farbe und Größe in
der Filiale auf Kundschaft wartet.
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Lieferkette
1. Produkte segmentieren und Warenfl üsse optimieren
Standardisierte Supply Chains sind für Modeunter -neh men ebenso kontraproduktiv wie standardisiertes Design. Denn jeder Produkttyp erfordert seine eigenen Wege bei Beschaffung, Transport und Allokation. Des -halb haben andere Handelssektoren ihre Produkte bereits nach Kriterien wie Volumen oder Nachfrage-volatilität segmentiert, ihre Prozesse auf diese Segmente ausgerichtet und so die Supply-Chain-Leistung deutlich gesteigert. Es verwundert also nicht, dass auch führende Modeunternehmen ihre Prozesse segmentieren. So entschied sich zum Beispiel ein vertikaler Händler in der Distribu tion seiner Waren für vier Produktsegmente: Basics Langsamdreher, Basics Schnelldreher, saisonale Produkte und Flash-Programme.
Langsamdrehende Basics werden bei diesem Händler nun mit einem reinen Pull-System beschafft, die Filialen
halten nur einen Mindestbestand vor: Jeweils nur wenige Produkte je Farbe und Größe. Wird dieser Artikel verkauft, ordert das Warenwirtschaftssystem im Ver-triebszentrum automatisch einen neuen. Gehen die Bestände im Vertriebszentrum stark zurück, erhält der Lieferant eine Nachbestellung.
Anders das Vorgehen bei schnelldrehenden Basics: Sie werden gemäß Verkaufsprognosen an die Filialen geliefert und dort in höherer Stückzahl gelagert, um die erwartet hohe und volatile Kundennachfrage befriedigen zu können. Nachbestellungen erfolgen, wenn ein Mini-malbestand unterschritten wird.
Für saisonale Produkte wiederum hat der Modehändler eine Lieferrichtlinie etabliert, die im Laufe des Produkt-lebenszyklus angepasst wird: Zu Saisonbeginn erhält jede Filiale eine größere Menge, während im Vertriebs-
1. In der Modebranche entscheidet die Lieferkette über einen großen Teil der
Wertschöpfung
1 Der gesamte vorhandene Bestand macht in der Regel 20 - 40 % des jährlichen Umsatzes aus; Basis: ausgewählte FallbeispieleQuelle: McKinsey
Werttreiber in der Mode-Supply-Chain
in Prozent des Umsatzes
2 - 5
2 - 5
3 - 5
1 - 2
10 - 30
5 - 10
1 - 3
~ 1
~ 35
1
Transport
Lager
Filiallogistik
SCM Overhead
Ausschuss
Preisnachlässe
Umsatzeinbußen
Lagerkosten1
Gesamte Lieferkette
Kosten
Kapital
Umsatz
Divergenzen: Je nach Geschäftsmodell und Effizienz der Lieferkette fallen an jeder Station sehr unterschiedliche Kosten an
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zentrum Reserven bereitstehen. Im Saisonverlauf geht das Unternehmen dann zu einem Pull-System über.
In Form von Flash-Programmen wird schließlich ein kleiner Teil der Produkte nach dem Push-Prinzip an die Filialen geliefert, Nachbestellungen sind in diesem Pro-duktsegment nicht möglich. Somit kann der Händler mo-dische Trends aufnehmen, ohne komplizierte Nachliefer-logistik sicherzustellen. Es gilt: „Was weg ist, ist weg.“
Der beschriebene Modehändler hat aber nicht nur die Distribution auf diese Weise segmentiert, sondern auch Beschaffungsprozesse und Lieferantenportfolio. Das zahlt sich aus: Das Unternehmen senkte sein Bestands-niveau in zwei Kategorien um 20 Prozent und verbes-serte die Produktverfügbarkeit in den Filialen. Niedri-gere Supply-Chain-Kosten und weniger Preisnachlässe ließen die Gesamtmarge um 2 Prozentpunkte steigen.
Weiter verbreitet ist bereits die Segmentierung der Filialen. Denn ein Geschäft in der Innenstadt beispiels-weise zieht in der Regel eine jüngere, wohlhabendere Klientel an als eine nur wenige Kilometer entfernte Vor-stadt liale. Intelligente Supply Chains berücksichtigen die daraus resultierenden Nachfrageunterschiede mit Hilfe segmentierter Waren üsse. So können Standard-pakete mit einer unterschiedlichen Anzahl von Artikeln je Konfektionsgröße zusammengestellt werden, die die Bedürfnisse der jeweiligen Filialen berücksichtigen.
2. Beschaffungslogistik effi zient und kooperativ
ausgestalten
Erfolgreiche Modeunternehmen bauen nicht nur ef ziente und kooperative Einkaufsprozesse mit ihren Lieferanten auf. Sie versuchen auch, die Waren üsse bereits am Anfang der Lieferkette zu optimieren – hinsichtlich Service, Flexibilität, Kosten und Lager-
2. 5 Ansätze, um die Supply-Chain-Leistung zu optimieren
Quelle: McKinsey
Ansätze
Service
Kunden-zufrieden-heit
Geschwin-digkeit
Flexibilität Preis-nachläs se/Umsatz-einbußen
Kosten Kapital/
Bestand
Produkte
segmentieren und Warenfl üsse optimieren
Beschaffungslogistik
effi zient und kooperativ ausgestalten
Filialprozesse
vereinfachen und Ver -kaufspersonal entlasten
Multikanalangebot mit kanalübergreifenden Warenfl üssen ermöglichen
Durchgängiges
Performance Manage-
ment einführen
1
2
3
4
5
Wesentliche leistungssteigernde Faktoren Zusätzliche leistungssteigernde Faktoren
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Lieferkette
beständen. Hierbei ist zunächst zu überlegen, welches Logistiknetz werk diese drei Ziele am besten unterstützt und welcher Prozessschritt idealerweise wo gemacht werden soll : beim Lieferanten vor Ort, in einem Konsoli-dierungszentrum (in Asien oder Europa) oder in den Verteilzentren.
Für Prozessschritte wie Aufbügeln oder Anbringen von Sicherheitsetiketten haben viele Unternehmen diese Frage bereits beantwortet: Sie lassen die Arbeiten bei Lieferanten oder im Konsolidierungszentrum er -le digen. Das rechnet sich, denn das Anbringen eines Sicherheitsetiketts kostet nach Berechnungen eines Mode unternehmens in der Filiale rund 25 Cent, im Verteilzentrum aber nur 10 Cent und beim Liefe ranten sogar nur 2 Cent. Natürlich wird auch mehr Kapital gebunden, weil in der Supply Chain insgesamt viel mehr Sicherheitsetiketten nötig sind. Doch die Kostenvorteile überwiegen bei Weitem.
Überdies denken Trendsetter darüber nach, lialspezi- sche Pakete für einzelne Produktsegmente bereits beim
Lieferanten oder im Konsolidierungslager packen zu lassen. Die Pakete werden dann via Cross-Docking direkt an die Filiale ausgeliefert, eine Zwischenlagerung im Verteilzentrum entfällt. Dieses Vorgehen emp ehlt sich beispielsweise für Erstausstattungen mit saisonaler Ware oder für Flash-Programme.
Außerdem kann es sinnvoll sein, die Beschaffungslogis-tik von Anfang an selbst in die Hand zu nehmen, wenn dadurch die gesamten Logistikkosten sinken und die Flexibilität steigt. So analysierte ein europäischer Einzel-händler kürzlich, welche Waren üsse er langfristig zu erwarten hat. Die Schlussfolgerung war klar: Er errichtete ein eigenes Logistikzentrum in der Nähe einer Gruppe asiatischer Lieferanten. Seitdem schickt nicht mehr jeder Lieferant separat seine Waren an das Vertriebs-zentrum in Europa; die Produkte werden vielmehr schon
Intelligent gesteuerte Lieferketten entlasten das Personal in den Läden von Arbeiten, die keinen Umsatz bringen, und geben den Mitarbeitern Zeit, sich um die Kunden zu kümmern.
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im asiatischen Zentrum konsolidiert. Beim Weitertrans-port entstehen dann erhebliche Ef zienzvorteile. Zudem kann der Händler die Produkte schneller und einfacher auf die Märkte verteilen, in denen Nachfrage und Mar-gen am höchsten sind.
3. Filialprozesse vereinfachen und Verkaufs-
personal entlasten
Wenn Filialmitarbeiter mehr Zeit im Verkaufsraum statt im Lager verbringen, steigt nach unseren Erfahrungen der Umsatz deutlich. Denn die Mitarbeiter können mehr Kunden individuell beraten und ihnen passende Ergän-zungsprodukte anbieten. Die zusätzliche Zeit für die Be-ratung gewinnen sie nur, wenn die Ware verkaufsbereit in den Filialen eintrifft. Dazu muss die Supply Chain viele Tätigkeiten des Verkaufspersonals übernehmen: vor allem Auspacken, Sortieren, Etikettieren und Aufbügeln.
Auch andere einfache Lösungen zur Steigerung der Transparenz der Waren üsse setzen oft Produktivitäts-reserven in den Filialen frei. Denn sobald die Filialleiter wissen, welche Lieferung wann eintrifft, können sie die Fläche vorbereiten und den Personaleinsatz planen. Außerdem sollten beispielsweise Pakete mit Nachschub für vergriffene Produkte bereits im Vertriebszentrum speziell gekennzeichnet werden. Die Filiale kann diese beim Nachsortieren dann vorrangig behandeln, um weitere Umsatzverluste zu vermeiden.
Ebenso lässt sich mit Hilfe eines nach Lean-Grund-sätzen optimierten Filial- und Lagerlayouts der Arbeits-aufwand deutlich senken. Sind beispielsweise Schnell-dreher im Filiallager auch schnell zugänglich, brauchen die Mitarbeiter für das Nachsortieren dieser Produkte weniger Zeit. In mehreren Fällen konnten Modehändler mit solch einfachen Veränderungen den Personalauf-wand für operative Tätigkeiten in den Filialen um bis zu ein Viertel reduzieren, die Lager äche halbieren und die Ware nach dem Eintreffen um 25 bis 50 Prozent schneller in die Verkaufsräume bringen.
4. Multikanalangebot mit kanalübergreifenden
Warenfl üssen ermöglichen
Gut 10 Prozent aller Bekleidungskäufe in Deutsch land erfolgen bereits online. Das Internet überzeugt mit bequemem Einkauf, unbegrenzten Öffnungszeiten und Meinungsaustausch zwischen den Kunden. Die Filiale bleibt jedoch für viele Kategorien der Ort, an dem Kunden das Produkt anprobieren und Modeunterneh-men ihre Marke mit Leben füllen können. Pionierunter-
nehmen, die beide Welten miteinander verbinden, sichern sich einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegen-über reinen Online-Shops.
So überzeugen Multikanalangebote mit Geschwindigkeit und Flexibilität. Beispielsweise können Kunden ein Pro-dukt im Internet bestellen und in einer Filiale abholen – oder online eingekaufte Artikel in einer Filiale zurück-geben. Zudem offerieren die Filialen einiger Multikanal-anbieter neue Services, etwa personalisierte Ware und Eventpakete oder die Lieferung von Produkten als Ge-schenk.
Für viele Händler ist das aber noch Zukunftsmusik, denn ihre Supply-Chain-Prozesse und ihre Infrastruktur lassen solche Angebote bisher gar nicht zu. Das größte Problem hierbei ist nicht einmal, dass Internet- und Filialbestände zuweilen in verschiedenen Vertriebs-zentren gelagert werden. Schwerer wiegen inkompatible Systeme oder unterschiedliche Ver packungen. Auch fehlt es vielen Filialen an Personal, an ef zienten Prozes-sen und an ausreichend Platz, um Kunden die Möglich-keit zu bieten, ihre Ware dort abzuholen oder zurück-zugeben.
Das lässt sich nur ändern, wenn die Supply Chain vom Lieferanten bis zum Kunden an Multikanalbedürfnisse angepasst wird. Denn einen echten Wettbewerbsvorteil hat nur, wer kanalübergreifend auf Bestände zugreifen kann und in der Lage ist, die Ware schnell an jeden gewünschten Ort zu transportieren. Nur dann kann der Internet- oder Multikanalkunde sicher sein, dass ein Produkt in der passenden Größe und Farbe zur Abholung an einem bestimmten Ort bereitsteht. Dar-über hinaus sollten Modeunternehmen die Produkt- und Informations üsse (zum Beispiel Absatzprognosen) kanalübergreifend und nicht siloartig steuern.
5. Durchgängiges Performance Management
einführen
Häu g messen Modeunternehmen die Leistung ihrer Mitarbeiter anhand von Kennzahlen, die das Denken in Silos fördern. So wird Verantwortlichkeit über den eigenen Bereich hinaus nicht gefördert und eine funk-tionsübergreifende Zusammenarbeit behindert. Dies kann etwa zur Anhäufung nicht verkaufter Ware in den Filialen führen – wenn diese ausschließlich nach Umsatz und Bruttomarge beurteilt werden, während die Be-standskosten außer Acht bleiben. Also bestellen solche Filialen laufend neue Ware und kümmern sich nicht aus-
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Lieferkette
reichend um den Abbau der Altbestände. Erfolgreiche Unternehmen gehen dieses Problem aktiv an. Sie be-treiben Performance Management mit klaren Verant-wortlichkeiten und nutzen Kennzahlen zur gesamten „End-to-End“-Leistung, beispielsweise die Bestands-pro ta bilität gemessen als GMROI (Gross Margin Re-turn on Investment). Dazu gehören in der Regel auch die Warenverfügbarkeit in den Filialen, der Abverkauf vor Abschriften (Full-Price Sell-Through), die erzielte Marge nach Abschriften, Personalaufwand in der Filiale, Logistikkosten und Artikelkomplexität (beispielsweise Umsatz je Artikel).
Drei Wege führen zur optimierten Supply Chain
In einigen Fällen werden die Performance-Management-Systeme sogar bereits nach den Supply-Chain-Segmenten unterteilt. So können Führungskräfte belohnt werden, wenn sie für einen schnelleren Umschlag in Fast- Fashion-Segmenten sorgen und zugleich die Kosten bei Basics-Sortimenten im Auge behalten. Diese neuen Kennzahlen werden in regelmäßigen Leistungs dialogen besprochen und in kontinuierlichen Verbesserungspro-zessen angewandt. Die am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen verfügen oft sogar schon über feste funk-tionsübergreifende Teams, die solche Verbesserungen vorantreiben.
Wie ndet ein Modeunternehmen den Weg zu einer besseren Supply Chain? Die Antwort auf diese Frage hängt vor allem davon ab, wie groß das Verbesse-rungspotenzial ist und in welchem Maße die Organi-sation einbezogen werden soll. In der Regel ent schei-den sich Modeunternehmen für eines der folgenden drei Transformationsmuster:
Schnelles Design, schnelle Umsetzung. Dieses Muster bietet sich an, um offensichtliche Potenziale zu erschließen oder Leistungsde zite anzugehen – beispielsweise um Prozesse im Lager oder Waren- üsse zwischen Lager und Filiale zu verbessern.
Hierbei können Unternehmen üblicherweise das Potenzial in einem Teil des Netzes untersuchen, schnell Lösungen entwickeln, diese testen und das Vorgehen dann auf das übrige Netz übertragen.
Funktionsübergreifende Umgestaltung und Leis-tungssteigerung. Dieses Vorgehen ist geeignet für umfassendere Projekte mit großem Verbesserungs-potenzial. Ein bewährtes Instrument hierfür ist der sogenannte Kontrollturm: Ein erfahrenes, funk-tionsübergreifendes Team entwickelt eine Übersicht wichtiger Kennzahlen und überwacht kontinuierlich deren Einhaltung, es ermittelt Potenziale und stellt Teams zusammen, die Maßnahmen ergreifen. Ein solcher Kontrollturm bietet einen doppelten Vor-teil: Er bricht Silostrukturen im Unternehmen auf und hilft, Chancen in der Supply Chain zu identi -
zieren, zu beurteilen und zu nutzen. Für die Einfüh-rung einer neuen Produktkategorie ist der Kontroll-turmansatz ebenso nützlich wie für die Planung und Steuerung von Waren üssen in einem neuen Logis- tiknetzwerk.
Supply-Chain-Transformation. Grundlegende Veränderungen der Unternehmensstrategie erfor-dern oft eine komplette Umgestaltung der Supply Chain. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Unter nehmen einen großen Teil seiner Verkäufe von der Filiale ins Internet verlagern oder einfach seinen Online-Anteil ausdehnen will. Dafür sind unter Umständen ganz neue Fähigkeiten in Sachen Supply Chain nötig, die das Unternehmen selbst aufbauen oder outsourcen kann. Die Transfor-mation beginnt mit einer detaillierten Beurteilung der Anforderungen an die künftige Supply Chain – aus Kunden-, Filial-, Händler- und Zulieferersicht. Dann werden die derzeitige Leistung und die vor-handenen Fähigkeiten an diesen Anforderungen gemessen. Darauf aufbauend lassen sich Lösungen entwickeln, die oft in Pilotprojekten getestet und angepasst werden (zum Beispiel Aufbau und In-betriebnahme eines Cross-Docks, gemein same kanalübergreifende Warengruppenplanung), um sie anschließend auf den Rest der Supply Chain zu übertragen. Solche Transformationen erstrecken sich in der Regel über mehrere Jahre und umfassen drei bis fünf groß angelegte Maßnahmen.
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Kernaussagen
1. Die Pro tabilität eines Modeunternehmens hängt we-sentlich von einer ef zienten Lie-ferkette ab – rund 35 Prozent der Gewinn-und-Verlust-Rechnung werden durch sie beein usst.
2. Die erfolgreichsten Unterneh- men haben Planung und Steue-rung ihrer Supply Chain so ver- ändert, dass sie nicht nur ef zient ist, sondern vor allem besseren Kundenservice ermöglicht.
3. Die Ansatzpunkte dafür sind: Segmentierung, Beschaffungs-logistik, Filialprozesse, Multi-kanalangebote und Performance Management.
1 Mike Doheny ist Partner im Büro in Atlanta. Er leitet die nordamerikanische Retail Operations Group und berät Klienten aus Einzelhandel und Konsumgüterindustrie bei operativen Transformationsprogrammen.
2 Dr. Christoph Glatzel ist Partner im Kölner Büro und Leiter der europäischen Supply ChainManagement Practice von McKinsey. Der Schwerpunkt seiner Beratungsarbeit liegt im Bereich Operations.
3 Dr. Karl-Hendrik Magnus ist Berater im Frankfurter Büro von McKinsey. Seine Klienten kommen vor allem aus der Modebranche und dem Einzelhandel; Schwerpunkt seiner Beratung ist die Optimierung von Supply Chains.
4 Paulo Marchesan ist Berater im Büro in Miami. Er berät Händler und Hersteller in den USA und Südamerika bei funktionalen Verbesserungsprogrammen entlang der gesamten Lieferkette.
Autoren
Einige Modeunternehmen sichern sich mit ihrer Supply Chain bereits konsequent Wettbewerbs-vorteile. Andere kämpfen noch darum, mit ihren internen Prozessen ein akzeptables Leistungs-niveau zu erreichen. Solchen Unternehmen kann ein segmentiertes und maßgeschneidertes Vorgehen helfen, die Komplexität in den Griff zu bekommen und die Wünsche der Kunden zu erfüllen.
Wir empfehlen, die Supply Chain dabei als eine Abfolge durchgängiger, funktionsübergreifender Prozesse zu verstehen und nicht nur als isolierten Teil der Logistikinfrastruktur. Die Lieferkette zu verbessern muss auch kein zäher, teurer Prozess sein – es ist durchaus möglich, kurzfristig Chancen zu iden ti zieren und die Leistung deutlich zu stei-gern. Was auf diese Weise gespart wird, lässt sich wiede rum als Investition in längerfristige Supply-Chain-Initiativen nutzen.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an:
karl-hendrik_magnus@mckinsey.com
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Interview
Drei Streifen auf Erfolgskurs: Mit Adidas, Reebok und dem Golfausrüster TaylorMade wuchs die Adidas-Gruppe 2010 währungsneutral um stattliche 9 Prozent auf einen Gesamtumsatz von knapp 12 Milliarden Euro. Vom beschaulichen Herzogenaurach aus steuert der Sportartikelkonzern sein weltumspannendes Geschäft. Verantwortlich für die globale Markensteuerung ist Erich Stamminger, Mitglied des Vorstands der Adidas AG. Thomas Meyer von McKinsey sprach mit ihm über das Wechselspiel von Sport und Mode, die Rolle von Sportstars wie Lionel Messi als Markenbotschafter sowie über Kontaktpunkte zu Luxusmarken wie Porsche.
Akzente: Was ist der Markenkern von Adidas?Erich Stamminger: Das kann man von verschiedenen Seiten aus betrachten. Von den Sportkategorien aus ge-sehen, ist der Markenkern ganz klar Fußball. Wenn ich es von dem Gesamtangebot Sportprodukte her betrachte, sind Qualität und Innovation wesentliche Elemente. Und von der philosophischen Seite gesehen, ist das Kernele-ment die Passion, also die Leidenschaft für den Sport.
Akzente: Seit 1983 sind Sie bei Adidas im Marketing engagiert und seit gut zehn Jahren steuern Sie als globaler Markenchef die Marke. Worauf basiert aus Ihrer Sicht der Markenerfolg von Adidas?
Stamminger: Wir haben verschiedene Phasen durch-laufen. Schon bei der Gründung von Adidas lag der Fokus darauf, die besten Produkte für den Athleten zu produ-zieren. Das war die Phase von Adi Dassler, dem es gelang, mit den drei Streifen ein unverwechselbares Wieder-erkennungszeichen und ein Symbol zu schaffen, das schlag artig überall mit Adidas in Verbindung gebracht wurde. In der zweiten Phase hat Adi Dasslers Sohn Horst das Sportmarketing als wesentliches Kommuni-kationselement entdeckt. Indem er die Authentizität der Produkte auf das Spielfeld brachte, kommunizierte er diese Glaubwürdigkeit an den Konsumenten: Wenn der Topathlet, ausgestattet mit den drei Streifen, eine Goldmedaille gewinnt, dann sind diese drei Streifen gut für mich.
Akzente: Über welchen Zeitraum reden wir da in etwa?Stamminger: Bei der Phase des leider früh verstorbenen Horst Dassler reden wir von den siebziger bis zu den spä-ten achtziger Jahren. Nach einer turbulenten, orientie-rungslosen Übergangszeit hieß es in den Neunzigern un-ter der Führung von Robert Louis-Dreyfus, den Marken-kern wieder herauszuarbeiten. Mit der Rückbesinnung auf die wesentlichen Adidas-Werte wurden wir wieder Gesprächsthema und gewannen Kunden zurück, vor allem in Kernmärkten wie Deutschland und Frankreich. Leider
„Der entschei dende Punkt ist die Passion“
Adidas gehört zu den bekanntesten Marken der Welt. Erich Stamminger trägt die globale Marken-verant wortung – ein Interview über das Spannungsverhältnis von Sport und Mode, von lokalem und globalem Denken.
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gelang es uns in dieser Phase noch nicht, auch im Design-bereich innovativ zu sein. Adidas war nicht inspirierend genug, um auch außerhalb des Spielfelds wirkliche Attraktivität zu erlangen. Von der Funktion her gesehen waren die Adidas-Produkte natürlich top. Leider haftete ihnen ein leicht verstaubtes Image an. Immerhin brachte Adidas aber in dieser Zeit mit dem Predator den erfolg-reichsten Fußballschuh aller Zeiten auf den Markt.
Akzente: Was änderte sich, nachdem Ihnen 2000 die globale Markenverantwortung übertragen wurde?Stamminger: Wir mussten den neuen Trend, dass es ei-nen ießenden Übergang gab zwischen Sport- und Life-stylebereich erkennen und umsetzen. Natürlich waren schon früher Sportprodukte im Freizeitsektor populär. Aber plötzlich hatten wir eine Situation, in der Fashion-Marken wie Prada in unserem Sektor, dem Sport, spiel-ten. Wir haben diesen Trend erfolgreich umgedreht. Uns fehlte zwar die High-End-Fashion-Designkompetenz, dafür stellten wir die funktional besseren Schuhe her. Das war die Geburtsstunde unserer Sub-Brands. So ge-lang uns schrittweise die für den Konsumenten glaub-würdige Öffnung der Marke in den Freizeitsektor hinein. Aus dem Equipment-Logo wurde das Performance-Logo. Wir haben festgelegt, dass diese puristischen drei Strei-fen für den Kern der Marke stehen: den Sportbereich, der
immer mindestens 65 Prozent der Kollektion und des Umsatzes ausmachen soll. Dieser Trend führte auch zur Gründung der Originals- oder Heritage-Division, wie wir sie damals nannten. Unter dem Dreiblatt-Logo haben wir redesignte Original produkte wieder aufgelegt. Mit dem Dreiblatt gelang es Adidas, die Kompetenz der Vergan-genheit mit dem Retrotrend der damaligen Zeit zu kom-binieren, der Designelemente aus den Siebzigern und Achtzigern aufgriff. Das ist die zweite Komponente, die uns den Weg in diesen Lifestylebereich geöffnet hat. Doch wir sind noch einen Schritt weiter gegangen, indem wir von Yohji Yamamoto eine Kollektion entwerfen lie-ßen. Mit der modernen Sportswear-Linie Y3 ist Adidas der Einzug in die Fashion-Distribution gelungen. Dies war der Ausgangspunkt der erweiterten Marken-ausrichtung. Seitdem spricht niemand mehr von einem verstaubten Image. Ganz im Gegenteil: Ich würde eher sagen, wir sind heute führend im Design.
Akzente: Gibt es aus Ihrer Sicht über diese Stationen hinweg einen Wert, der besonders wichtig für den langfristigen Erfolg der Marke Adidas war? Stamminger: Ich würde Ihnen jetzt gern unsere sechs Markenwerte nennen. Aber auf den vielleicht entschei-denden Punkt reduziert, ist es die Passion – diese Leiden-schaft für den Sport, aber eben auch für die Mode. Wenn Sie sehen, mit welcher Leidenschaft unsere Fashion- Leute dabei sind, Dinge zu entwickeln, nden Sie genau dieselbe Leidenschaft wie beim Sport. Sie haben den gleichen Siegeswillen.
Akzente: Auf der einen Seite verkörpert Adidas weltweit ein erstaunlich konsistentes Markenimage – egal ob in Schanghai, Berlin oder New York, überall begegnen einem die drei klassischen Streifen und Anzeigen sowie Stores in der gleichen Tonalität. Auf der anderen Seite erfreut sich die Marke in vielen Ländern großer Sympathien, weil sie als sehr „lokale“ Marke wahrgenommen wird. Wie schafft es Adidas, diese konsistente, aber zugleich lokal adaptierte Markenwahrnehmung zu verwirklichen?Stamminger: Daran müssen wir täglich arbeiten. Zu-nächst ist diese Wahrnehmung historisch bedingt, da wir zu bestimmten Zeitpunkten in Märkten wie Frankreich und Deutschland parallele Organisationen aufgebaut hatten und alle anderen Länder dort die Kollektionen ausgesucht haben. Danach hatten wir viele Distributoren, die sehr lokal gedacht und gearbeitet haben. Doch wir haben aus dieser Situation unsere Stärke gemacht, indem wir Adidas als globale Marke mit deutschen Wurzeln
„Seit meiner Kindheit ist Adidas wie ein Teil meiner Person“: Eine ausführliche Version des Interviews mit Adidas-Vorstand Erich Stamminger nden Sie im Buch „Mega-Macht Marke“ von Jesko Perrey und Thomas Meyer, 3. Au age, ISBN 978-3-86881-281-7.
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Interview
de niert haben. Auf der einen Seite gibt es heute eine immer stärkere Globalisierung, auf der anderen Seite aber durchaus regionale Unterschiede, etwa im Textil- oder Designstil. Deshalb haben wir uns dafür entschie-den, in Märkten, wo Inspiration für andere Märkte entsteht, Design-Center zu etablieren, zum Beispiel in Tokio oder Schanghai. So können wir den lokalen Geschmack abdecken, gleichzeitig aber global von dieser Kompetenz pro tieren. Diese Balance zwischen global und lokal zu halten ist ein permanenter Kampf.
Akzente: Die Konsumenten von heute sind anspruchs-voller als früher und bestimmen zunehmend selbst, wann, wo und wie sie mit Marken interagieren. Face-book, Twitter, YouTube, Blogs und andere Social Media machen dies möglich und verleihen der Kommunikation eine neue Dynamik, die oft einen Kontrollverlust für Markenverantwortliche zur Folge hat. Wie geht Adidas mit der neuen globalen Vernetztheit und der Macht der Konsumenten um?Stamminger: Es bedeutet eine Riesenchance und eine Riesengefahr gleichermaßen. Die einzige Chance, den Risiken zu begegnen, sehe ich darin, authentisch zu sein, das heißt sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter im Rah-men dieser Authentizität agieren. Sie müssen sich stets fragen: „Ist es noch die Marke oder überschreiten wir eine Grenze?“ Wenn Sie außerhalb des Markenkerns kommunizieren, wird es irgendwo auf der Welt Men-schen geben, die das als negativ emp nden und eine nicht zu lenkende Lawine auslösen. Deswegen ist es wichtig, selbstbewusst, aber durchaus auch bescheiden aufzu-treten. Die Botschaft muss lauten: „Ich will dich als Kon-sumenten nicht dominieren, sondern dein bester Freund sein. Und ich hoffe, dass du mich einlädst, dein Freund zu sein.“
Akzente: Die Marke Adidas wird von Konsumenten an unzähligen Kontaktpunkten erlebt. Für eine wirkungs-volle Ansprache liegt der Schlüssel in der Exekution des Markenversprechens. Wie stellt Adidas die ganzheit-liche Umsetzung des Markenversprechens sicher – zum einen in der Kommunikation, zum anderen aber auch an anderen Kundenkontaktpunkten?Stamminger: Das ist nur über eine zentrale Steuerung möglich, indem alles, was an Kommunikationsmitteln an die Öffentlichkeit geht, von der Zentrale vorgegeben wird – vom TV über das Internet bis zum Point of Sale. Falls etwas lokal verwirklicht wird, muss es „globally approved“ sein. Die Implementierung dieser Einheitlich-keit ist auch für uns eine Riesenherausforderung, denn weltweit haben nicht alle Organisationen den gleichen Excellence-Level. Daher scheitern auch wir manchmal an dieser Einheitlichkeit.
Akzente: Wächst diese Herausforderung zurzeit oder gab es sie eigentlich schon immer in ähnlichem Maße?Stamminger: Für uns war diese Herausforderung schon immer präsent. Es ist heute durch die modernen Kom-munikationsmittel vielleicht sogar ein Vorteil, dass man schneller reagieren und Dinge optimieren kann, wenn etwas im Argen liegt. So kann ein Kollege ein paar Fotos in einem Store schießen, diese online ans Headquarter schicken und innerhalb einer halben Stunde kümmert sich die richtige Stelle darum.
Akzente: Adidas hat immer schon viel mit internatio-nalen Athleten zusammengearbeitet und nutzt diese Kooperation geschickt in der Kommunikation mit der Marke. Wie geht Adidas bei der Auswahl der Marken-botschafter vor?
„Es wird schnell klar, ob einer ein Adidas-Athlet ist“: Fußball- Superstar Lionel Messi ist Markenbotschafter der Herzogenauracher.
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Erich Stamminger ist
Mitglied des Vorstands der
Adidas AG und oberster
Markenchef von Adidas. Er
begann seine Karriere 1982
beim Marktforschungs-
institut GfK, wechselte jedoch nach einem
Jahr als Leiter der Marktforschung zu
Adidas, wo er im Jahr 2000 die globale
Markenverantwortung übernahm.
Die Adidas AG erzielte 2010 mit
rund 42.500 Mitarbeitern einen
Umsatz von etwa 12 Milliarden Euro.
Der Gewinn hat sich mit 567 Millio-
nen Euro gegenüber 2009 mehr als
verdoppelt. Die wichtigsten Marken sind Adidas, Reebok und TaylorMade.
Zum Konzern gehören weltweit 170 Tochtergesellschaften, die Zentrale
(Foto) steht im fränkischen Herzogenaurach. Für 2011 prognostiziert
der Vorstand ein Umsatzwachstum im mittleren bis hohen einstelligen
Bereich, die operative Marge soll auf 7,5 bis 8 Prozent steigen.
Stamminger: Wir schauen uns sehr genau das Persön-lichkeitspro l der Sportler an. Interessanterweise wird bei vielen sehr schnell klar, ob das ein Adidas-Athlet ist oder eben nicht. Wir wollen, dass das Pro l des Athleten mit dem Adidas-Pro l nicht identisch ist, sondern zum Adidas-Pro l passt. Ecken und Kanten sind durchaus erwünscht, wenn sie uns helfen, noch attraktiver zu werden.
Akzente: Adidas kooperiert nicht nur mit Athleten, sondern auch mit bekannten Designern wie Yohji Yamamoto oder Stella McCartney und mit anderen Marken wie Porsche Design oder Diesel. Welche Bedeutung sieht Adidas im Thema Co-Branding für die zukünftige Entwicklung der Marke? Stamminger: Idealerweise bedeutet die Kombination aus beiden mehr als ein simples „eins plus eins gleich zwei“. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Kooperation von Yohji Yamamoto und Adidas. Wir wollten den Designer, der nicht der Größte ist, der aber in den Fashion-Bereich die größte Inspiration hereingebracht hat. Yamamoto passt hundertprozentig zur Marke. So hat er Adidas geholfen und auch sein Label und Prestige wurden durch uns ge-stärkt. Bei der Partnerschaft mit Stella McCartney haben wir dem Trend Rechnung getragen, dass viele Frauen, die ins Gym gehen, sich richtig aufstylen und toll aussehen wollen, auch wenn sie schwitzen. Also hat Stella McCartney ihren Namen als weltweit erfolgreiche High-End-Fashion- Designerin in die Waagschale geworfen und Adidas die Performance. Diese gewollte Spannung hat sehr gut funktioniert. Wenn Sie Porsche und Adidas anschauen, fallen die großen Gemeinsamkeiten auf. Adi Dassler
und Ferdinand Porsche waren Puristen, die auf die Funk-tion ihrer Produkte achteten. Weil beide Marken zusam-menpassen, kann der Konsument sich mit dieser Haltung und Einstellung identi zieren. Bei Adidas und Diesel ist es ähnlich. Wir haben Schuhkompetenz, Diesel Jeans-kompetenz. Wenn wir einen Originals-Store aufmachen, können Sie sicher sein, dass Diesel einen Jeans-Store nebenan eröffnet und umgekehrt. Warum? Weil wir die-selben Konsumenten haben, die Marken zusammenpas-sen und dadurch eine gewisse Spannung entsteht.
Akzente: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Wenn Sie nicht bei Adidas gelandet wären, welche Marke würden Sie sonst gern leiten?Stamminger: Seit meiner Kindheit ist Adidas wie ein Teil meiner Person. Schon als Achtjähriger hatte ich den Traum von den drei Streifen. Meine Eltern besaßen damals wenig Geld. So musste ich zwei Jahre sparen, bis ich mir endlich die Fußballschuhe kaufen konnte. Das war 1966 zur Glanzzeit von Uwe Seeler und Franz Beckenbauer. Mir kam es vor, als hätte ich in meinem ganzen Leben nie was anderes getragen als Adidas- Schuhe. Außer Adidas kämen für mich nur Marken in Frage, die für Werte stehen und die mit Emotionen verbunden sind. Ich denke da zuerst an Automobil- und Fashion-Marken – Porsche ist zum Beispiel eine große Leidenschaft von mir. Ich bewundere auch, wie es Giorgio Armani geschafft hat, seine Marke aufzubauen, zu segmentieren und die verschiedenen Zielgruppen parallel anzusprechen. Alles, was mit Fashion und Life-style zu tun hat, ist hochinteressant, solange die Marke für etwas steht, was ich als Werte bezeichnen würde.
„Bei der Partnerschaft mit Stella McCartney haben wir dem Trend Rechnung getragen,
dass viele Frauen, die ins Gym gehen, sich richtig aufstylen und toll aussehen wollen“
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Von Lars Fiedler, Roland Harste und
Jürgen Schröder
Nie wussten Unternehmen mehr über ihre Kunden als heute. Täglich werden unzählige Erkenntnisse über das Einkaufsverhalten und die Produktvorlieben von Kon sumenten gesammelt. Systematisch aggregiert und ausgewertet, sind diese Daten Gold wert. Sie ermög-lichen Unternehmen, ihre Kunden mit passenden, attraktiven Angeboten zu binden und so über die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung den Umsatz und den Return on Investment zu maximieren. Der Schlüssel dazu liegt im Customer Lifecycle Management (CLM) – einer Methodik, die hilft, aus der Fülle von Kundendaten die richtigen Maßnahmen abzuleiten.
Neben Banken und Telekommunikationsunternehmen sind es vor allem Einzelhändler, die bereits regelmäßig CLM-Programme zur Akquisition, Entwicklung und Bindung pro tabler Kunden einsetzen. Doch die In -ves tition zahlt sich in fast allen B2C-Geschäften aus: Pro fessionell geführte CLM-Programme können Unter-nehmen Ertragssteigerungen von 20 Prozent und mehr bescheren. Im Handelssektor zeigt sich der ökonomi sche Effekt besonders deutlich bei Tesco und Amazon, die mit herausragenden Marktanteilen, Umsätzen und Ergebnis-sen den Wettbewerb dominieren (Gra k 1, Seite 36).
Ein wesentlicher Vorzug von CLM besteht darin, Mar-ketingkampagnen auf spezi sche Kundentypen so exakt zuschneiden zu können, dass sie größtmögliche Wirkung erzielen. Eine optimale Kampagnengestaltung mittels CLM vollzieht sich in vier Schritten: Zuerst geht es dar-um, sich ein genaues Bild vom vorhandenen Kunden-stamm zu verschaffen. Im zweiten Schritt wird das zukünftige Kundenverhalten mit Hilfe von Wahrschein-lichkeitsmodellen prognostiziert. Auf dieser Basis
Am Puls der KundenDas wichtigste Kapital der Unternehmen ist das Wissen über ihre Kunden. Customer Lifecycle Management hilft, maßgeschneiderte Angebote entlang des Kundenlebenszyklus zu entwickeln.
Customer Lifecycle Management
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Was wollen meine Kunden morgen
kaufen? Customer Lifecycle Management hilft,
ihnen immer das passende Angebot zu machen und sie so
an das Unternehmen zu binden.
werden dann verschiedene Pilotkampagnen an Kunden getestet. Der vierte und letzte Schritt dient dem Auf- und Ausbau von CLM-Fähigkeiten im Unternehmen, um die Prozesse effektiv zu halten und fest in der Organisation zu verankern (Gra k 2, Seite 37).
Schritt 1: Kunden analysieren
Die zentrale Frage lautet: Wer sind meine besten Kun-den? Antworten liefern beispielsweise Kundenpro le, Segmentierungen und Kundenwertberechnungen. Dazu stehen verschiedene Analysemethoden zur Verfügung, die Aufschluss über Status, Vorlieben und Kaufverhalten einzelner Kunden geben sowie deren Wertentwicklung über den Lebenszyklus hinweg berechnen:
Dezil- oder Wertstromanalyse. Eine gute Methode zur Ermittlung von Topkunden ist die Einteilung des gesamten Kundenstamms in Dezile, gestaffelt nach Kapitalwert oder auch Umsatz. Für alle zehn Gruppen werden Pro le aus demogra schen Daten und Verhaltens-vari ablen erstellt (etwa Kaufhäu gkeit, Warenkorbgröße, Produktvorlieben) und die Abweichungen zwischen Topkunden und weniger pro tablen Kunden analysiert. Ferner lassen sich die Kundenwertströme von einem Jahr zum nächsten untersuchen. Auf Basis dieser Daten können Maßnahmen entwickelt werden, um den Kun-denwert in den unteren Dezilen gezielt zu steigern.
Segmentierung. Die Einteilung der eigenen Kunden nach Verhalten, Bedürfnissen und Einstellungen bildet das Herzstück vieler CLM-Prozesse. Als sinn voll hat sich in der Praxis eine Kombination aus zwei bis drei Subseg-mentierungen erwiesen, die allgemeine und spe zi sche Variablen abdecken. Bei einem Bekleidungs geschäft etwa könnte die erste Dimension der Segmen tierung auf Ein-kaufshäu gkeit und Warenkorbgröße basieren, die zwei-te Dimension auf den Umsatzanteilen bestimmter Mode-
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Customer Lifecycle Management
kategorien und Kaufanlässen. In einer Matrix ergeben sich so Mikrosegmentierungen, die eine zielgruppen-genaue Kampagnengestaltung ermöglichen.
CLV-Modelle. Der Customer Lifetime Value (CLV) bezeichnet den Kapitalwert eines Kunden über die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung. Seine genaue Bestimmung ist erfolgsentscheidend für die ef ziente Steuerung von Marketingmaßnahmen. Entsprechende Berechnungsmodelle sollten daher frühzeitig im CLM-Prozess entwickelt werden. Kennt ein Unternehmen den tatsächlichen Wert eines Kunden im Zeitverlauf, kann es maßgeschneiderte Kampagnen zu angemes -senen Kosten entwickeln.
Schritt 2: Kundenverhalten prognostizieren
Echte Wettbewerbsvorteile erlangen Unternehmen, denen es gelingt, Wert und Kaufverhalten ihrer Kun-den im Detail vorauszusagen. Besser als klassische
Regres sionsanalysen eignen sich dazu mittlerweile neue Tech niken der Wahrscheinlichkeitsberechnung. Zu den erfolgreichsten zählen sogenannte NPTB- und BG/NBD-Modelle.
NPTB-Modelle: Was wird der Kunde als Nächstes kau-fen? Die wichtige Frage nach dem „next product to buy“ beantworten NPTB-Modelle (Gra k 3, Seite 38). Sie ba-sieren auf einer Assoziationsanalyse aller Produkte, die ein Kunde bei einem Unternehmen erworben hat. Aus dem bisher Gekauften leiten die Modelle Empfehlungen dazu ab, welche Produkte das Unternehmen für kunden-spezi sche Angebote und Verkaufsaktionen nutzen sollte.
NPTB-Methodiken lassen sich auch umgekehrt anwen-den, wenn ein bestimmtes Produkt beworben werden soll. In diesem Fall werden die Kunden identi ziert, die dieses Produkt am wahrscheinlichsten kaufen werden, um sie dann gezielt anzusprechen.
1. Customer Lifecycle Management führt in der Praxis zu deutlichen Umsatz-
und Ertragssteigerungen
1 Wettbewerber von Tesco: Sainsbury’s, Wm Morrison, Safeway; Progressive: Allstate Corporation, Travelers Companies, Safeco; Harrah's: Boyd Gaming, MGM Mirage, Isle of Capri Casinos; Amazon: Barnes & Noble, Ebay, Borders Group; Capital One: American Express, CompuCredit, AmeriCredit; 2 Berechnet anhand der Daten 2001-2009, da 2001 das erste Jahr mit positivem EBITDA war
Quelle: Bloomberg; Datastream; McKinsey-Analyse
Umsatz
1999-2009
EBITDA
1999 -2009
8,5
5,4
8,5
3,5
Aktienrendite
1999 -2009
Harrah’s nicht mehr börsennotiert
8,2
4,9
8,3
2,4
11,5
2,8
6,2
4,3
9,6
3,4
13,1
6,2
27,6
13,1
39,42
8,7
4,2
-5,0
11,9
8,6
15,6
12,9 -6,5
-1,1
Eigene Werte Durchschnitt Hauptwettbewerber1Alle Angaben in Prozent
Best-Practice-
Beispiele
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BG/NBD-Modell: Eine andere Variante zur Prognose des Kundenverhaltens sind sogenannte beta-geometrische/negative Binomialverteilungsmodelle (BG/NBD). Sie dienen dazu, den Zeitpunkt künftiger Einkäufe vorher-zusagen. Ermittelt wird die Zahl der Käufe, die ein Kunde in einem bestimmten Zeitraum voraussichtlich tätigen wird. Als Grundlage der Prognose dienen Aktualität, Häu gkeit und monetärer Wert der bisherigen Käufe.
Als besonders treffsicher haben sich in der Praxis Kombi-nationen aus NPTB- und BG/NBD-Modellen erwiesen, da sie genaue Prognosen sowohl über den Gegenstand als auch den Zeitpunkt des nächsten Einkaufs ermög lichen. Ergänzend werden manchmal auch Produkt-DNA-Analy-sen genutzt. Sie gleichen die Attribute eines Produkts (etwa Farbe, Form, Preis) mit den Präferenzen eines Kun-den ab, die sich aus seinem Einkaufsverhalten ergeben. Diese Methodik eignet sich vor allem für Produktneuhei-ten, zu denen noch keine Kaufhistorie existiert.
Schritt 3: Kampagnen testen
Liegen die Daten zum aktuellen und zukünftigen Kunden-verhalten vor, lassen sich präzise zugeschnit tene Kampag-nen entwerfen, um neue Kunden zu akquirieren, aktive weiterzuentwickeln, abwanderungsbereite zu halten oder verlorene zurückzugewinnen. Zwei Kom ponenten sind erforderlich, um jede dieser Kam pagnen optimal zu ge-stalten: ein kontinuierlicher Test- und Lernprozess sowie eine konsequente Messung der Ergebnisse.
Das Testverfahren beginnt mit der Festlegung des Kampagnenziels (zum Beispiel erwünschter Effekt einer Aktion) und bestimmter Standardmesswerte wie Um-satz, Reak tionsquote oder durchschnittliche Warenkorb-größe. Auf Basis von repräsentativen Kundenstichproben wird die Kampagne dann getestet und die Reaktionen der Kunden werden anhand einer Kontrollgruppe bewertet. Das CLM-Team überprüft den Prozess regelmäßig, ana-lysiert Mängel und nimmt sukzessive Verbesserungen
2. Mit Hilfe von CLM lassen sich Kampagnen effi zient und
kundengerecht gestalten
Quelle: McKinsey
Schaffung der
Analysegrundlagen
Erstellung von Kunden-
profilen mittels
Segmentierung und
CLV-Modellen
Kontinuierliche
Weiterentwick-
lung von Fähigkeiten
Schulung von Mitar -
beitern, Implementierung
von Systemen, Verankerung von
Neuerungen (IT, Organisation)
Vorhersage des
Kundenverhaltens
Auswahl und
Entwicklung von
Prognosemodellen
Test der
Kundenreaktion
Test von Modellen und
Umsetzung im laufenden
Kampagnenprozess
3
21
4
Neu-kunden
Akquisitions- und Bindungskosten
Share of Wallet
Treue der besten Kunden
Customer Lifetime Value (CLV)
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Customer Lifecycle Management
vor. Mit diesem Verfahren erzielte beispielsweise die Royal Bank of Canada bei Direkt marketingkampagnen Reaktionsquoten von bis zu 40 Pro zent – der Branchen-schnitt liegt bei 2 bis 4 Prozent.
Für die Rendite einer Kampagne gilt: Je individueller sie gestaltet ist, desto höher ist ihr Ertrag. Dies erfordert allerdings funktionsfähige Kanäle zur Kundeninter-aktion, rasche Reaktionen auf Feedbacks und zeitnahe Optimierungen – was wiederum die Kosten treibt. Die rentabelste Lösung ist, die Kundenansprache auf den jeweiligen Kundenwert abzustimmen. Praktisch heißt das: Top kunden erhalten spezielle Angebote und Services, während kosteneffektive Kampagnen sich an die weniger pro tablen Kunden wenden.
Schritt 4: Expertise aufbauen
Ein professionelles CLM fordert Management, Mitar-beiter und IT-Systeme gleichermaßen; ein kontinuier-
3. Praxisbeispiel: Verbesserungsmaßnahmen und -potenziale eines
Konsumgüterherstellers
Quelle: McKinsey
licher Auf- und Ausbau von Fähigkeiten ist daher un-erlässlich. Bewährt hat sich die Bildung von Experten -teams aus allen beteiligten Unternehmensbereichen (Marketingmanager, Kampagnen- und Produktspezia-listen, Business-Analysten, IT-Fachleute), die den CLM-Prozess begleiten und verantworten. Sie sorgen für ausreichenden Informations uss innerhalb der Organisation, koordinieren die Akti vitäten und stellen die notwendigen Ressourcen bereit.
Übergeordnete Leistungskennzahlen wie etwa die Wert-schöpfung (also zusätzlicher Ertrag) von CLM-Maßnah-men und daraus abgeleitete weitere Messgrößen helfen bei der Steuerung und Kontrolle. Parallel zu den laufen-den Prozessen treibt ein Lenkungsausschuss neue Ent-wicklungen bereichsübergreifend voran und wacht über deren Erfolgswirkung. So lässt sich die Qualität von CLM-Aktivitäten in der Organisation langfristig sicher-stellen.
Warenkorb früherer Einkäufe
Einspeisung von Transaktions-
daten in NPTB-Algorithmus
Kampagnenkanäle/Angebote
Analyse von Kampagnen-
ergebnissen und erneute
Einspeisung in Warenkorbdaten
zwecks Optimierung von
- E-Mail-Newslettern
- Direktmarketing
- stationären Verkaufsaktionen
- Produktpaketen
NPTB-Algorithmus
Entwicklung des NPTB-Algorithmus
und Ableitung von Empfehlungen
(einschl. Kaufwahrscheinlichkeit)
Konkrete Empfehlungen
Verwendung von NPTB-Empfehlun -
gen als Input bei Kampagnen und
Angeboten (möglichst auf Kundenebene)
100% 67% 33%
C
BA
D
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Kernaussagen
1. Customer Lifecycle Manage-ment erlaubt, den Wert von Kun-den über die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung auszuschöp-fen. Er basiert auf systematischer Datenanalyse.
2. Mit Hilfe eines mehrstu gen CLM-Programms lassen sich Marketingkampagnen exakt auf einzelne Kunden oder Kun-densegmente zuschneiden.
3. Ein fest in der Organisation verankertes Customer Lifecycle Management kann den Unter-nehmensertrag um 20 Prozent und mehr steigern.
1 Dr. Lars Fiedler ist Berater bei McKinsey in Hamburg und als Mitglied der
europäischen Marketing & Sales Practice auf den Bereich CLM spezialisiert.
Er berät Klienten aus der Einzelhandels-, Logistik-, Automobil- und Finanzbranche.
2 Dr. Roland Harste ist Berater im Büro von McKinsey in Hamburg. Als Mitglied der
europäischen Marketing & Sales Practice und als Spezialist für den Bereich CLM
berät er Klienten aus der Einzelhandels-, Konsumgüter- und Automobilbranche.
3 Dr. Jürgen Schröder ist Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey und
Co-Leiter der europäischen Marketing & Sales Practice.
Autoren
CLM-erfahrene Unternehmen setzen die beschrie-benen Werkzeuge nicht nur zur Optimierung ihrer Kampagnen ein. Weitere Anwendungs-bereiche sind etwa Sortiments-, Preis- und Pro-motiongestaltungen, die Entwicklung von Filial-netzen und -formaten oder die Personalisierung des In-Store-Angebots. Hersteller und Händler wissen: Noch nie waren so viele Kundeninforma-tionen vorhanden wie heute. Die Instrumente des Customer Lifecycle Management liefern das nötige Rüstzeug, um dieses Potenzial zu heben.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: lars_fi edler@mckinsey.com
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40
Interview
„Wir bringen unsere Werbe- kunden in dem Moment mit dem Konsumenten in Kontakt, in dem er sich für das Produkt inter essiert“: Dr. Stefan Tweraser im Akzente-Interview.
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„850 Millionen Mal im Jahr stellen deutsche Google-Nutzer konsumrelevante Anfragen“Stefan Tweraser, Chef von Google Deutschland, über
das Suchmaschinenmarketing von morgen, den Reiz
des Lokalen und die Bademantelnachfrage.
Wer ein opulentes Chefbüro, Assistenten und ein großes Vorzimmer braucht, ist hier nicht richtig: Bei Google quetscht Deutschland-Chef Dr. Stefan Tweraser sein Stehpult und einen Besprechungs-tisch auf zehn Quadratmeter. Die Google-Etage in der Hamburger Innenstadt ist absolut schlips-freie Zone, in die Kantine kommt nur Bio, alle duzen sich. „Wir sind ganz unhierarchisch, mei-
ne Tür steht immer offen“, sagt Stefan Tweraser. „Jeder kann hereinkommen und mir seine Ideen vorstellen.“
Akzente: Herr Tweraser, was hat Google Marken-artiklern und Händlern zu bieten?Tweraser: Wir können sie in dem Moment mit dem Konsumenten in Kontakt bringen, in dem er sich für ein Produkt oder eine Dienstleistung interessiert – das
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42
Interview
ist ein einzigartiges Angebot. Vor den meisten Konsum-entscheidungen informieren sich Verbraucher heute im Internet. 850 Millionen Mal im Jahr stellen deutsche Google-Nutzer konsumrelevante Anfragen. Interessan-terweise geben sie etwa je zur Hälfte jeweils das Problem oder die Lösung dazu ein, beispielsweise „Sonnenbrand“ oder „Sonnenmilch“. Das eröffnet riesige Möglichkeiten für das Marketing, auch über unseren Videokanal YouTube oder über Google Maps, wo lokale Werbung an Bedeutung gewinnt. Und neu und ganz spannend ist Mobile Search via Smartphone. Dieser Bereich wächst extrem stark.
Akzente: Nutzen Hersteller und Händler die neuen Möglichkeiten schon konsequent? Tweraser: Viele machen es schon sehr gut, bei anderen gibt es noch Potenzial. Wir haben Kunden aus dem Han-del, die Millionen Suchwörter mit Werbung belegen.
Akzente: Helfen Sie Ihren Kunden, die richtigen Suchwörter zu belegen? Tweraser: Grundsätzlich sehen wir uns in einer Berater-rolle. Dabei geben wir dem Unternehmen und seiner Agentur Hilfestellung, die richtigen Suchwörter zu n-den und Anzeigentexte zu entwickeln, die dann auf eine Landing Page innerhalb der Website des Unternehmens führen. Heute geben die Nutzer meist drei oder mehr Suchwörter ein, wir verfolgen natürlich die Entwicklung. Im vergangenen Sommer war zum Beispiel eine der Kombinationen mit der höchsten Wachstums-rate „Hotel in der Türkei ohne Russen“.
Akzente: Haben Sie untersucht, was die Werbung auf Ihrer Suchmaschine wirklich für den Verkauf leistet? Tweraser: Mit einem Markenartikler aus dem FMCG-Bereich und der GfK zusammen haben wir über alle Medien hinweg untersucht, wo Werbung für den Hersteller den höchsten kurzfristigen Return on Investment brachte. Unsere Suchmaschine schneidet dabei enorm gut ab.
Akzente: Sehen Sie sich als Ergänzung zu klassischen Medien oder verdrängen Sie diese?Dr. Tweraser: Wir sehen uns als Teil des Medienmix. Die klassische Kampagne regt an, über eine Marke nach-zudenken, löst ein Informationsbedürfnis aus. Vielleicht merkt man sich ein Detail aus einem Werbespot, gibt das dann bei Google ein – eine riesige Kontaktchance für den Verkäufer: Denn in diesem Moment interessiert sich der Konsument für sein Produkt.
Akzente: Google dominiert den Markt der Such-maschinen. Wie steht es um den Wettbewerb? Tweraser: Es gibt mehr als 160 Suchmaschinen, wir arbeiten in einem schwer umkämpften Markt. Wir bieten den Usern eine sehr gute Leistung – sie sehen bei uns nicht nur Text, sondern auch Videos, Bilder, Gra k und Karten. Daran arbeiten mehr als 10.000 Google-Ingenieure auf der ganzen Welt. Trotz-dem ist es ein Kampf, denn glauben Sie mir: Wenn Sie
auch Unternehmen wie Microsoft als Wettbewer-ber haben, können Sie sich niemals zufrieden zurücklehnen.
„Die Werbung trifft auf aktuelle Nachfrage“: Google verzeichnet stürmisches Wachstum bei Mobile Search.
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Akzente: Das spannendste Thema zurzeit sind die mobilen Dienste. Was tut sich da? Tweraser: Mobile Search ist eines der größten Wachs-tumsfelder. Sie gewinnt zunehmend wirtschaft liche Be-deutung, gerade für Hersteller von Non-Food- Artikeln. Da suchen Konsumenten unterwegs, wo sie einen be-stimmten Artikel kaufen können – die Werbung trifft auf aktuelle Nachfrage. Basisaufgabe für die An bieter ist es dann natürlich, sicherzustellen, dass sie auf Google Maps leicht gefunden werden, damit der Kunde schnell zum Point of Sale ndet.
Akzente: Woran arbeiten Ihre Entwickler im Zusam-menhang mit Mobile Search? Tweraser: Unsere heißeste Entwicklung ist die Sprach-eingabe. Stellen Sie sich vor, Sie müssen nur noch „Nivea Hamburg“ in Ihr Smartphone sprechen und be-kommen dann automatisch den Weg zum Brand Store
am Hamburger Jungfernstieg gezeigt. Das ist techno-logisch anspruchsvoll, denn es soll ja unabhängig vom Dialekt und von den Nebengeräuschen der Straße funk-tionieren. Dabei haben wir auch gleich eine Überset-zungsfunktion mitentwickelt. Die übersetzt für Sie, wenn Sie im Ausland im Laden stehen und sich fragen, ob es die schicken Schuhe auch in Braun gibt, die Frage zum Beispiel direkt ins Englische und spricht sie der Verkäu-ferin auch vor. Das ist typisch Google: Wir sind hundert-prozentig auf den User konzentriert, um ihm den Alltag zu vereinfachen. Das Internet ist riesig, es gibt mehr Websites, als es Menschen auf der Welt gibt. Sich darin zurechtzu nden ist eine massive Herausforderung.
Akzente: Google steht in der Öffentlichkeit in der Kritik, argwöhnisch wird das akribische Sammeln von perso-nenbezogenen Daten beobachtet. Was fangen Sie mit dem Wissen über das Suchverhalten, die Bewegungen
„Das ist typisch Google: Wir sind hundertprozentig auf den User konzentriert, um ihm den
Alltag zu vereinfachen“
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44
Interview
und Interessen von Privatleuten an und wie können Sie der Allgemeinheit vermitteln, dass Sie mit diesen Daten keinen Missbrauch treiben? Tweraser: Wir haben uns bei diesem Thema zu völliger Transparenz verp ichtet. Jeder kann über das sogenannte Google Dashboard einsehen, welche Daten wir über ihn gespeichert haben, und jeder kann selbst entscheiden, was er davon löschen will. Selbst-verständlich geben wir auch keine personenbezogenen Daten an Dritte weiter. Und anders als viele andere Anbieter machen wir es Nutzern von Googlemail sehr leicht, mit einem Klick sämtliche Daten aus den an-gesammelten E-Mails an einen anderen Anbieter weiter-zuleiten.
Akzente: Was fangen Sie denn mit den gesammelten Daten an? Tweraser: Wir aggregieren die Daten und versuchen dann, nützliche Muster im Suchverhalten unserer User zu identi zieren. Jeder kann diese Daten übrigens mit Google Insights for Search für eigene Analysen nutzen. Da sehen Sie, wonach wann wie oft gesucht wird – der Bademantel zum Beispiel ist ein Weihnachtsprodukt, die Spitze der Suchanfragen fällt auf Ende November, Mitte Dezember aut das ab, dann wird es Zeit, in den Läden die Preise für die verbliebenen Bademäntel herabzusetzen, sonst bleibt man leicht auf den letzten Modellen sitzen. Wir haben Kunden, die diese aggregier-ten Daten sogar für Portfolio-Entscheidungen ver-wenden.
Akzente: Die Einführung von Google Street View hat einige Aufregung verur-sacht. Wie sind Sie mit den Einwänden der Kritiker umgegangen? Tweraser: Wir haben sie ernst genommen und Skeptikern ange-boten, ihr Haus un-kenntlich zu machen. Weniger als 3 Prozent der Haushalte haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Heute ist Deutschland übrigens eines der Länder mit der aktivs-ten Street-View-Nutzung, wir sind mit der Entwicklung hier sehr zufrieden.
Akzente: Wie wird Street View für Google zum Geschäft? Tweraser: Durch lokale Werbung. Und wir haben An-fragen von Händlern, die wissen wollen, wie sie ihre optische Präsenz bei Street View verbessern können. Wir können ja auch Innenräume zeigen: Beim Google Art Project können Sie beispielsweise Kunstwerke in 20 Museen dieser Welt betrachten, im Detail mit hoher Au ösung und Qualität. Es wäre für Händler natürlich interessant, das auf ihre Läden zu übertragen.
Akzente: Rasantes Wachstum gehört zum Google- Geschäftsmodell. Wo wird es künftig herkommen? Tweraser: Mit dem Thema Search haben wir noch viel vor, es wächst parallel zur Internetnutzung. Auch tech-nisch gibt es noch spannende Herausforderungen: Unse-re Suchmaschine versteht Fragen im Kontext noch nicht, etwa „Was soll ich heute Abend kochen?“ Da werden sich noch ganz neue Anwendungen eröffnen. Am Anfang ihrer Entwicklung steht auch noch die mobile Suche, die sich parallel zur Verbreitung der Smartphones auswei-ten wird. Und wahnsinnig dynamisch ist auch der Be-reich Video: Jeden Tag werden 2 Milliarden Videos auf YouTube angeschaut und pro Minute werden mehr als 35 Stunden neues Videomaterial hochgeladen. Mit YouTube stellen wir das größte Portal auf diesem Feld, da nden Sie zu jedem Thema Beiträge. Deshalb machen wir uns wenig Sorgen: Googles Wachstumsstory wird weitergehen.
Akzente: Google-Entwickler haben An-spruch auf „innovation time“,
können 20 Prozent ihrer Arbeitszeit an selbst gewähl-ten Projekten arbeiten. Was kommt dabei heraus? Tweraser: Dabei sind tolle Sachen entstanden, bei-spielsweise unser kos ten-loser E-Mail-Dienst
„Der Bademantel ist ein Weihnachtspro-dukt“: Google Insights for Search analysiert, wann und wie häu g Suchwörter eingetippt werden.
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45Akzente 1’11
Dr. Stefan Tweraser (40)ist seit 2008 Chef von
Google Deutschland. Nach
drei Jahren als Assistent
an der Wirtschaftsuni-
versität Wien startete der
Betriebswirt seine Karriere bei McKinsey,
ehe er als Marketingleiter zur Telekom
Austria ging. Von hier wechselte er auf
den Chefsessel bei Google Deutschland.
Google Inc. mit der Zentrale im kali-
fornischen Mountain View (Foto) bietet
die erfolgreichste Internetsuchma-
schine der Welt und mit YouTube das
populärste Videoportal. Gut 24.000
Mitarbeiter an 60 Standorten in über
30 Ländern erwirtschafteten 2010
einen Umsatz von 29,3 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von
8,5 Milliarden US-Dollar. Google hat weltweit mehr als eine Million Server
installiert und verarbeitet mehr als eine Milliarde Suchanfragen am Tag.
Googlemail. Und gerade jetzt wurde Chrome to Phone eingeführt, ein Programm, mit dem Sie mit nur einem Click eine aufgerufene Website vom Browser Chrome auf Ihr Smartphone übertragen.
Akzente: Google gilt als weltweit beliebtester Arbeit-geber für Uni-Absolventen, das Wirtschaftsmagazin „Fortune“ kürte das Unternehmen zur „Best Company to Work for“ – warum, was ist so besonders bei Google? Tweraser: Für Software-Ingenieure gibt es doch nirgends spannendere Aufgaben. Beispielsweise zurzeit, wo auf der ganzen Welt Teams über Voice Search nach-
„Wir sind ein ganz und gar unhierarchisches Unternehmen, sehr jung und mit toller
Atmosphäre – das hat sich herumgesprochen“
denken. Das stellt in jeder Sprache ganz eigene Anfor-derungen. Aber auch die kaufmännischen Mitarbeiter pro tieren von tollen Chancen: Wir sind ein schnell wachsendes globales Unternehmen, eines der wenigen, die eine schnelle internationale Karriere ermöglichen. Jeder Google-Mitarbeiter hat einen Personal Develop-ment Plan, den er mindestens zweimal im Jahr mit sei-nem Vorgesetzten diskutiert. Wir sind ein ganz und gar unhierarchisches Unternehmen, sehr jung und mit toller Atmosphäre – das hat sich eben herumgesprochen. Bei Google gehen weltweit über eine Million Bewerbungen pro Jahr ein.
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46
Von Gaby Dias, Stefan Rickert, Lydia Rullkötter und
Jens Weng
Europas Konsumgüterunternehmen kämpfen mit man-gelnder Kaufbereitschaft der Konsumenten und steigen-den Rohstoffpreisen. Doch damit nicht genug – gravie-rende Veränderungen in der Einzelhandelsszene stellen gerade Markenhersteller vor immer schwierigere Auf-gaben:
Die Konsolidierung und Internationalisierung im Han-del beschleunigt sich weiter. So haben in Deutschland die fünf größten Einzelhändler bereits einen Marktanteil von mehr als 80 Prozent. Zugleich werden auch Einkaufs-kooperationen aktiver und professioneller. Den Herstel-lern stehen also Kunden mit immer größerer Verhand-lungsmacht gegenüber.
Discounter und discounterähnliche Formate (zum Bei-spiel hybride Discounter wie Kau and) gewinnen weiter Marktanteile. Das ist für Markenhersteller keine gute Nachricht, weil sie zumindest bei den klassischen Hard Discountern eher unterrepräsentiert sind und meist auch keine Strategie haben, um das zu ändern.
Eigenmarken erreichen in vielen europäischen Märkten inzwischen Anteile von mehr als 40 Prozent. Da die meisten Markenhersteller dagegen bisher nur mit takti-schen Promotions angehen, könnten A-Marken weiter Marktanteile verlieren, B- und C-Marken sogar ausge-listet werden.
Diese Trends sind nicht neu, aber die meisten Hersteller haben sich noch nicht ausreichend darauf eingestellt. Viele gehen in Vertrieb und Marketing nicht differenziert vor, sondern nutzen für alle Händlertypen dieselben Methoden. Es rächt sich aber, wenn Markenhersteller
Auf Augenhöhe mit den HändlernFünf Module für den Erfolg: Das Programm „Fit for Europe 2020“ zeigt, wie Markenhersteller trotz wachsender Macht des Handels ihre Profi tabilität steigern können.
Kundenmanagement
einem zentralisierten Discounter wie Lidl dasselbe Produkt in derselben Packungsgröße und mit denselben Spezi kationen anbieten wie einem Multiformat-Han-delsriesen wie Edeka. Denn der Discounter wird in einem solchen Fall immer die höheren Preisnachlässe durch-setzen und auf Grund ef zienter Prozesse dem Endkun-den dann Tiefpreise anbieten. Die Folge sind Kannibali-sierungseffekte: Der Hersteller verkauft mehr über Lidl mit geringeren Margen, aber weniger über Edeka – und schmälert damit seinen Gewinn.
Einen Ausweg zeigt McKinsey mit dem Programm „Fit for Europe 2020“ . Es bietet nicht nur neue Ansätze für eine integrierte Vertriebsstrategie, sondern auch ein praktisches Instrumentarium für den Umgang mit immer professionelleren Einzelhändlern. Wenn Marken-hersteller die fünf Module des Programms umsetzen, etablieren sie ein effektiveres Kundenmanagement-system (Gra k 1, Seite 48).
1. Strategien für zukünftiges Wachstum entwickeln
Beim Blick auf ein ganzes Land und/oder eine ganze Pro-duktkategorie lassen sich auf den hart umkämpften Ein-zelhandelsmärkten kaum Wachstumschancen erkennen. Für Konsumgüterunternehmen kommt es also darauf an, genau zu analysieren, in welchen Regionen, bei welchen Produkten oder Produktgruppen sie Erfolg haben können – und mit welchen Einzelhändlern. Für solche Wachs-tumsfelder brauchen die Hersteller dann eine zielgenaue Vertriebs- und Kanalstrategie, die zur grundsätzlichen Unternehmens- und Marketingstrategie passen muss.
Um solche Strategien umzusetzen, ist für jedes dieser Wachstumsfelder ein strategischer Accountplan aufzu-stellen, der die 4 Ps (Produktsortiment, Preis, Promotion, Platzierung), die Umsetzung in der Filiale und den Ein-satz von Außendienstmitarbeitern umfasst. In diese
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Pläne müssen auch Investitions- und Ressourcenpriori-täten des Herstellers aufgenommen werden. Die Ergeb-nisse der Vertriebs- und Kanalstrategien sollten messbar sein und mit den operativen Accountplänen verknüpft werden. Hierbei sind Maßnahmen, die bei den 4 Ps an-setzen, sogar besonders wichtig, wenn es darum geht, sich gegen Eigenmarken zu behaupten und bei Discoun-tern (wieder) einzusteigen:
Produktsortiment. Im Umgang mit Discountern helfen spezielle Sortimentslösungen, die Kannibalisierung an-derer Kanäle zu minimieren. Denkbar sind hierbei unter-schiedliche Verpackungsgrößen und Verpackungsarten – oder separate Marken, hinter denen sich etwas geringere Qualität oder weniger Spezi kationen verbergen. Mit kleineren Verpackungsgrößen können Marken hersteller auch dem Regalpreis von Eigenmarkenartikeln zumin-dest nahekommen.
Preise und Promotions. Discounter verhandeln im Allge-meinen aggressivere Einkaufspreise als der traditionelle
Lebensmitteleinzelhandel. Den Vorteil geben sie oft in Form von Dauerniedrigpreisen oder aggressiven Werbe-preisen an die Endkunden weiter. Darauf sollten sich Her-steller aber nur einlassen, wenn sie im Gegenzug Vorteile haben, beispielsweise eine höhere Umschlagsgeschwin-digkeit oder geringere Kosten auf Grund einer einfache-ren Logistik mit wenigen zentralen Lagern.
Platzierung. Discounter verlangen in der Regel regal-fertige Verpackung und Palettenanlieferung, um die Verräumzeit in der Filiale zu verkürzen.
2. Potenzial von Handelsinvestitionen ausschöpfen
Erfahrene Vertriebsmitarbeiter von Konsumgüterunter-nehmen kennen das Phänomen seit Langem: Plötzlich fordern Einzelhändler oder Einkaufskooperationen bessere Preiskonditionen. Die Verhandlungstaktiken der Händler werden hierbei immer aus gefeilter. Beispiels-weise vergleichen sie die Margen verschiedener Her-steller über Handelsformate oder Länder hinweg oder analysieren detailliert deren Sortiments ef zienz.
„Fit for Europe 2020“ zeigt, wie Konsumgüterhersteller sich zu echten Partnern des Handels entwickeln – und wie beide Seiten davon pro tieren.
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48
Kundenmanagement
Um in Verhandlungen mit derartig gut vorbereiteten Part-nern richtig entscheiden zu können, sollten die Mitarbeiter des Herstellers sich vorher Transparenz darüber verschaf-fen, bei welchen Konditionen in welcher (Unter-) Kategorie das Geschäft mit jedem einzelnen Kunden pro tabel ist. Dazu verzeichnen sie idealerweise Umsatz, Wachstum und Pro t sowie die Handelsinvestitionen in einer sogenann-ten Trade ROI Heat Map (Gra k 2, rechts).
Mit Hilfe dieses Tools lassen sich Sofortmaßnahmen bestimmen, mit denen Konditionen effektiver eingesetzt werden und der Return on Investment steigt. So kön -nen die Hersteller unproduktive Ausgaben beenden, Mittel in produktive Investments umlenken und sicher-stellen, dass vereinbarte Leistungen auch erbracht werden. Sinnvoll wäre beispielsweise ein Wachstums-bonus, der den Händlern einen Anreiz gibt, den Umsatz mit dem Hersteller gegenüber dem Vorjahr um ein Min-destmaß zu steigern. Mittelfristig sollte immer das Prin-zip „Pay for Performance“ gelten: Zugeständ nisse werden nur im Gegenzug zu einer Leistung des Einzelhändlers vereinbart.
3. Key Account Management exzellent umsetzen
Die meisten Konsumgüterunternehmen nutzen im
Key Account Management bisher einen eher undiffe-renzierten Ansatz – maßgeschneidertes Vorgehen liefert aber bessere Ergebnisse. Dazu sind Markenhersteller jedoch nur in der Lage, wenn sie die Bedürfnisse und Verhaltensweisen ihrer Handelspartner genau verstehen. Sie sollten also generell einen robusten Accountplanungs-prozess entwickeln und die strategischen Accountpläne anhand der 4 Ps in jährliche operative Pläne übertragen. Das betrifft unter anderem:
Werbung/Promotions. Mit Hilfe eines Promotion-ROI-Tools können Hersteller systematisch überprüfen, ob ihre Maßnahmen für zusätzliches Volumen und höhere Margen sorgen. Auf dieser Grundlage lassen sich für jede Marke die Promotionstrategien und -budgets de nieren oder weiter optimieren.
Pricing. Best-Practice-Unternehmen setzen auf ein in-tegriertes Instrumentarium, um für das gesamte Marken-portfolio Listen- und Endverbraucherpreise zu ermitteln (jeweils nach Gebindetypen und Verpackungsgrößen, nach Vertriebskanal und Region). Um die weitestmögli-che Durchsetzung der Preise am Markt zu gewährleisten – unter voller Berücksichtigung von kartellrechtlichen Einschränkungen – müssen überzeugende Vertriebs-
1. „Fit for Europe 2020“ – das Programm für
ganzheitliches Kundenmanagement
Quelle: McKinsey
1 Strategien
für zukünftiges
Wachstum
entwickeln
2 Das Potenzial
von Handels-
investitionen
ausschöpfen
4Internationalisierung als Möglichkeit
zur Wertschöpfung nutzen
5Eine erfolgreiche Kundenmanagement-Organisation aufbauen
3 Key Account
Management
exzellent bis
in den Store
umsetzen
Fit
fo
r Europe 202
0
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argumente gesammelt und in eine Kommunikations-strategie überführt werden (Customer Sell-in).
Shopper-Marketing. In Zusammenarbeit mit aus ge-wählten Einzelhändlern entwickeln die Hersteller Maß-nahmen, um das Wachstum der Kategorie zu fördern. Dazu gehören spezi sche Produktsortimente für jedes Filialsegment, beispielsweise kleinere Packungsgrößen für Geschäfte, die vor allem vom On-the-go- oder Impuls-geschäft leben. Solche Maßnahmen schaffen Win-win- Situationen und bilden somit die Basis für eine lang fris-tige, partnerschaftliche Beziehung mit den Händlern – jenseits der jährlichen Preisverhandlungen.
Außendienst. Idealerweise konzentrieren sich die Mit-arbeiter auf Filialen, die besonders pro tabel sind oder viel Wachstum versprechen. Darüber hinaus geben sie
administrative Tätigkeiten möglichst ab und optimieren ihre Routen, um viel Zeit produktiv mit den Kunden verbringen zu können.
4. Internationalisierung als Möglichkeit zur Wert-
schöpfung nutzen
Einige führende Händler und Buying Groups haben begonnen, Nettopreise und Konditionen über Länder-grenzen hinweg zu vergleichen. Darauf sollten die Hersteller reagieren, indem sie intern ihre Strukturen so anpassen, dass sie das länderspezi sche Denken über-winden. Eine solche internationale Key-Account- Organisation kann leicht Transparenz herstellen – und sich auf mögliche Forderungen der Händler nach Preis-senkungen einstellen. Darüber hinaus bietet ein solcher Überblick möglicherweise neue Chancen für Preissteige-rungen in Richtung des oberen Endes des europäischen
2. Die Trade ROI Heat Map zeigt schnell und ganzheitlich, wo Handels investitionen am
effi zientesten eingesetzt werden können
GB
(450 Mio.EUR)
Italien
(400 Mio.EUR)
Frankreich
(200 Mio.EUR)
Kategorie-
durchschnitt
Land
(Marktgröße)
Gesamt
Produktkategorien
Kategorie 1 Kategorie 2 Kategorie 3 Kategorie 4
Quelle: McKinsey, illustratives Beispiel
Kategorie 1
in Deutschland
• Überdurchschnitt-
liches Wachstum/
Profi tabi litäts -
steige rung
• Überhöhte
Han dels-
investitionen,
jedoch in eine
schnell wachsende
Kategorie
Kategorie 3
in Italien
• Marktanteilsverlu s-
te und unterdurch-
schnittliche
Profi ta bilität
• Überhöhte
Investi tionen in eine
stagnierende
Kate gorie
Heat Map der aktuellen Handelsleistung
Deutschland
(600 Mio.EUR)
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
xx
Markt-anteil
+ 1,2 % Pkt.
Bruttoge-winnspanne+ 5,2 % Pkt.
Kategorie-wachstum
+ 3,2 % Pkt.
Handels-investitionen+ 2,1 % Pkt.
Markt-anteil
- 0,9 % Pkt.
Bruttoge-winnspanne- 2,4 % Pkt.
Kategorie-wachstum- 0,2 % Pkt.
Handels-investitionen+ 7,9 % Pkt.
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50
Kundenmanagement
Preiskorridors, indem die Hersteller die Preise harmo-nisieren und damit einen länder übergreifenden Netto-Preiskorridor schaffen (Gra k 3).
Eine internationale Organisation fördert aber auch den Austausch von Best Practices sowie die Koordination von Key Accounts in den verschiedenen Ländern. Zudem können die Hersteller so jedem Kunden in jedem Land und für jede Kategorie einen passenden Key-Account- Manager gegenüberstellen. Beispielsweise sollten Ent-scheidungen für regional aktive Händler auch bei den Herstellern auf regionaler Ebene getroffen werden, wäh-rend ein starkes zentrales Key-Account-Team für zentral organisierte globale Handelskonzerne zuständig ist.
5. Eine Kundenmanagement-Organisation aufbauenDie klassische Werbung der Konsumgüterhersteller wird heute oft unabhängig von Maßnahmen am Point of Sale geschaltet. Denn trotz vieler Bemühungen,
3. Einführung eines Preiskorridors, um die Preisharmonisierung zu steuern
Vertrieb und Marketing besser zu verzahnen, agieren die beiden Funktionen vielfach unabhängig voneinander. Würden sie jedoch nach einem integrierten Geschäfts-planungsprozess arbeiten, könnten sie Verbraucher und Käufer in jedem einzelnen Schritt des Kaufprozesses besser erreichen. Deshalb sollte im Planungsprozess sichergestellt sein, dass nicht nur die Perspektive der Marketingorganisation berücksichtigt wird, sondern auch die Erkenntnisse des Vertriebs zu den Bedürfnissen der Einzelhändler und der Endkunden. Zugleich gilt es, die Grundsätze von „Fit for Europe 2020“ in der Organisa tion zu verankern sowie Prozesse und Fähig-keiten weiterzuentwickeln – etwa indem sich alle Key-Account- Manager in Verhandlungsschulungen noch besser auf das zunehmend professionelle Vorgehen der Einzelhändler vorbereiten.
Mit „Fit for Europe 2020“ sorgen Markenartikler dafür, dass sie keine Kanalstrategie mehr entwickeln, die sich
Quelle: McKinsey
Umsatzsignifikanz der Länder
Optimierungsrichtung
Abweichung der Netto-Netto-Preise vom Referenzpreis
in Prozent
Netto-Netto-Preise
oberhalb des Preiskorridors
Preise im Hochpreisland
senken oder parallele Importe
bewusst akzeptieren
Defi nition
des Referenz preises,
zum Beispiel als
gewich teter
Durch schnitt
aller Netto-
Netto-Preise
Referenz-
preis
Netto-Netto-Preise unterhalb
des Preiskorridors
Preis erhöhen oder Produkt aus
entsprechendem Markt nehmen
Pricing neuer
Produkte auf
Korridor
ab stimmen
A B C D E F G H
10
0
-10
Preiskorridor
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51Akzente 1’11
Kernaussagen
1. Das Programm „Fit for Europe 2020“ führt Konsumgüterher-steller in fünf Schritten zu einem effektiven Kundenmanagement.
2. Es erlaubt, maßgeschneiderte Strategien und operative Maß nahmen entlang der 4 Ps –Produkt, Preis, Promotions, Platzierung – und ermöglicht es, jeden Schritt individuell auf Händ-ler, Region, Marktlage, Kategorie und Unterkategorie abzustimmen.
3. Das bringt die Hersteller in Verhandlungen wieder auf Augenhöhe mit den immer mächtiger werdenden Händlern.
4. Wer das Programm konsequent umsetzt, kann seine EBIT-Marge in 3 Jahren um 5 bis 10 Prozent-punkte steigern.
1 Gaby Dias ist Beraterin im Kölner Büro von McKinsey. Sie berät Konsumgüterunternehmen in
Europa mit Schwerpunkt auf Strategie/Marketing, Customer Management, Vertrieb und Pricing.
2 Dr. Stefan Rickert ist Partner im Hamburger Büro von McKinsey. Er berät Unternehmen der
Konsumgüterbranche zu Marketing-, Vertriebs- und insbesondere Pricingfragen.
3 Dr. Lydia Rullkötter ist Beraterin im Münchener Büro von McKinsey. Sie berät Un ter nehmen mit
einem Fokus auf Customer Management, Pricing und Vertrieb.
4 Dr. Jens Weng ist Partner im Münchener Büro von McKinsey. Er berät Konsumgüterunternehmen
zu Strategie/Marketing, Customer Management, Vertrieb und Pricing mit einem Fokus auf länderüber-
greifenden Trans for ma tions pro gram men.
Autoren
nicht an den 4 Ps orientiert. Zudem gewinnen sie umfassende Transparenz und können sich perfekt auf Verhandlungen vorbereiten. Schließlich stimmen sie jeden Schritt individuell auf Händler, Region, Marktsituation, Kategorie und Unterkategorie ab.
Das kostet Mühe, aber es lohnt sich: Bisher haben einige Hersteller lediglich einzelne Module um-gesetzt und schon damit ihre Verhandlungspositio-nen gegenüber den Händlern deutlich gestärkt. Wenn man die Ergebnisse solcher Projekte hoch-rechnet, ergeben sich sogar enorme Potenziale: Wer das ganze Programm konsequent umsetzt, kann seine EBIT-Marge innerhalb von drei Jahren um 5 bis 10 Prozent punkte steigern.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: stefan_rickert@mckinsey.com
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52
Von Peter Breuer, Steffen Greubel, Robert Klingler
und Felix Kreyer
„Lage, Lage, Lage“ – so lautet seit jeher die goldene Regel für Handelsimmobilien. Bis heute hat der Grund-satz nichts von seiner Gültigkeit verloren: Die Qualität von Standorten bestimmt noch immer wesentlich den Erfolg im Einzelhandel. Doch die gute Lage allein istkein Garant für dauerhaft stabile Erträge. Handelsketten kämpfen mit immer komplexeren Anforderungen, wenn es um die Gestaltung ihres Filialnetzwerks geht. Falsche Weichenstellungen führen oftmals zu lang-fristigen Einbußen in der Pro tabilität.
Wie gravierend sich Fehlentscheidungen auf die Filial-entwicklung auswirken können, zeigt der Fall einer europäischen Lebensmittelkette. Das Unternehmen war im Lauf der Zeit auf mehr als 400 Filialen angewachsen, eine strategische Immobilienplanung gab es nicht. Ent-scheidungen über Lagen und Ladenformate elen meist dezentral vor Ort und „aus dem Bauch heraus“, ohne objektiv nachvollziehbare Kriterien und Parameter.
Entsprechend heterogen gestaltete sich das Ladenport-folio der Lebensmittelkette: Unter ihrem Dach versam-melten sich Filialen unterschiedlichster Größenordnung und Gestaltung – bunt verteilt auf Zentren und Rand-lagen in Klein-, Mittel- und Großstädten. Die ökonomi-sche Folge: Ein Drittel der Standorte blieb hinter den gesetzten Ertragszielen zurück, die Performance des gesamten Unternehmens litt.
Lage ist nicht alles
Um das Problem zu lösen, bedarf es mehr als nur einer kritischen Überprüfung der Standorte. Denn selbst in guten Lagen lassen sich die Kosten einer Immobilie lang-fristig kaum erwirtschaften, wenn das Ladenformat
Perfektes NetzEinzelhändler, die Filialstandorte nach Bauchgefühl aussuchen, verschenken Ertragspotenzial. Mit dem StoreNet Optimizer von McKinsey können sie ihre Profi tabilität deutlich steigern.
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nicht stimmt. Der Lage-Imperativ muss deshalb aus differenziert und um eine zusätzliche Dimension er weitert werden. Konkret ist zu fragen: Welche Lage eignet sich für welches Format und umgekehrt?
Die Antwort liefert ein neuer Ansatz von McKinsey. Der StoreNet Optimizer hilft Handelsketten, über eine detaillierte Datenanalyse die Erfolgsmuster von Filial-portfolios zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ihrer Optimierung abzuleiten. Mit der Methodik lassen sich darüber hinaus gezielt weiße Flecken auf der Land-karte identi zieren, also Standorte und Formate, die das Unternehmen bislang nicht besetzt. Konsequent angewendet, so haben aktuelle Fallstudien ergeben, kann der StoreNet Optimizer den Unternehmen Ergebnis steigerungen von 5 bis 10 Prozent bescheren.
In drei Schritten zum optimalen Standortportfolio
Der Analyseansatz sieht drei Schritte vor, nach denen die Handelsunternehmen ihr Ertragspotenzial in vollem Umfang ausschöpfen können (Gra k 1, Seite 54).
Schritt 1: Zunächst werden die vorhandenen Filialdaten systematisch erfasst und aufbereitet. Die Erhebung sollte dabei alle relevanten Bereiche abdecken, von standort- und formatbezogenen Variablen bis hin zu Performance-Kennzahlen.
Schritt 2: Auf Basis dieser Daten können mittels Ent-scheidungsbaumanalysen strategische Erfolgsmuster und Zielformate identi ziert werden. Sie geben Antwort auf die Frage, in welcher Lage welche Formate besonders erfolgreich sind.
Schritt 3: Aus diesen Erkenntnissen lassen sich schließ-lich Maßnahmen zur Optimierung des Port folios ablei-ten. Die Skala der Optionen reicht dabei von der Weiter-
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Wo strömen die Konsumenten? Der Standort entscheidet über den
Erfolg der Filiale – und der StoreNet Optimizer ndet für jede
Filial größe den optimalen Standort.
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entwicklung bestehender Filialen über Größenanpas-sungen und Verlegungen bis hin zur Schließung nicht zukunftsfähiger Stores.
1. Daten aufbereiten
Für die Analyse der oben genannten Lebensmittelkette wurden nicht weniger als 50 Kriterien herangezogen, um die Stärken und Schwächen des Filialnetzes genau zu ermitteln. Lage, Format und ökonomischer Erfolg jeder Filiale bilden dabei den systematischen Rahmen, in den die einzelnen Kriterien in der Datenbank eingeordnet werden.
Zur Beurteilung der Lage dienen zunächst übergeord -nete Parameter wie die Größe der Stadt, ihre Einwohner-zahl und demogra sche Struktur. Hinzu kommen Daten aus dem unmittelbaren Filialumfeld – im vor liegenden
Fall waren dies die Kaufkraft im Einzugsgebiet, Verkehrs-ströme, Frequenzen und die Wettbewerbs situation vor Ort. Zusammen ergeben die Lagekriterien ein umfassen-des Bild von der Situation jedes einzelnen Filial standorts.
Zu den formatbezogenen Kriterien zählen sämtliche Daten rund um die Immobilie selbst. Relevant für die Lebensmittelkette waren: Größe der Gesamt- und Verkaufs äche, Zahl der Mitarbeiter und Kassenplätze, Art der Innenausstattung und Zeitpunkt der letzten Reno vierung, aber auch Mietverträge und Konditionen. Daten wie diese gewähren dem Einzelhändler detaillierte Einblicke in die Formateigenschaften der jeweiligen Filiale.
Die Erfolgskriterien schließlich geben Aufschluss über die Performance jedes einzelnen Ladens im Filialnetz,
1. Der StoreNet Optimizer hilft, die Leistung von Filialnetzen systematisch zu verbessern
Quelle: McKinsey
1 Systematisierung/Auf -
be rei tung Datengrundlage 2 Identifi kation von Erfolgs-
mustern/Zielformaten 3 Ableitung von Verbesse-
rungsmaßnahmen
- Wettbewerbsintensität
- Kaufkraft im Einzugs-
gebiet
- Groß-/Mittel-/Kleinstadt
...
Format (Verkaufsfl äche)
GroßKlein Mittel
- Verkaufsfl äche
- Zeitpunkt letzter
Renovierung
- Weitere Mieter
...
- Return on Sales (RoS)
- EBIT-Marge
...
Erf
olg
Fo
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e
Gro
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Mit
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tad
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lein
sta
dt
Inhalte Datenbank Erfolg
Hoch-
frequenz
Hoch-
frequenz
Hoch-
frequenz
Neben-
lage
Neben-
lage
Neben-
lage
Top-Performer-Segment
Good-Performer-Segment
Beibe -
haltung
Migra-
tion
Größen-
anpassung
Verlegung
Schließung
Entwicklung
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gemessen an seiner Größe. Hier ießen typische Kenn-zahlen wie der Return on Sales (RoS) oder die EBIT- Marge in die Analyse ein. Diese Zahlen zeigen dem Handelsunternehmen, wo jede Filiale ökonomisch gesehen im Vergleich zu anderen steht.
2. Erfolgsmuster ermitteln
Die Daten zu Lage, Format und ökonomischem Erfolg bil-den die Grundlage für die eigentliche Portfolioanalyse. Ihr Ziel ist es, diejenigen Lage- und Formatkriterien zu iden-ti zieren, die einen besonders hohen Ein uss auf den Er-folg einer Filiale haben, und daraus entsprechende Stand-ortsegmente (Cluster) zu bilden. Als Analysewerkzeug hat sich das sogenannte CHAID-Verfahren bewährt, eine statistische Entscheidungsbaumtechnik, mit deren Hilfe Variablen zueinander in Beziehung gesetzt und sinnvolle Segmentierungen vorgenommen werden können.
Im Fall der Lebensmittelkette brachte das Verfahren klare Ergebnisse (Gra k 2). Als wichtigste Erfolgs-kriterien ermittelte die CHAID-Analyse hier zum einen die Größe der Orte und deren Frequenz und zum anderen die Verkaufs äche der jeweiligen Filialen. Die daraus gebildeten Segmente ergaben ein Erfolgsmuster, das dem Unternehmen klar anzeigt, worauf es bei seiner Standort- und Formatplanung ankommt: Bei der Standortwahl sind für den Lebensmittelhändler Hochfrequenzlagen ein Muss – unabhängig von der Größe der Stadt. Und was das ideale Ladenformat betrifft, so schlägt die Groß- liale fast überall die kleine Boutique. Letztere hat nur
in Toplagen von Kleinstädten eine Chance.
3. Maßnahmen ableiten
Aus der Cluster-Analyse kann das Unternehmen nun strategische Maßnahmen ableiten, um sein Filialportfolio
2. Über eine CHAID1-Analyse werden Erfolgsmuster und Zielformate ermittelt
1 CHAID = Chi-squared Automatic Interaction DetectorQuelle: McKinsey
- Hochfrequenzlage unverzichtbar,
erfordert aber Mindestgröße
- Flaggschiffe nur selektiv darstellbar
- Anforderung: Mindestgröße und
gute Frequenzlage
- „Platzhirsch“-Format
erfolgversprechend
- Gute Lage entscheidend für kleinere
Boutiquen und „Platzhirsche“
- Nebenlage konsistent schlechter
Klarer
Er folgs-
schwerpunkt
bei großen
Filialen
Kleine Fili a-
len nur in
Kleinstädten
aus sichts-
reich
GroßKlein Mittel
Großstadt
Lage
Mittelstadt
Kleinstadt
Hoch-
frequenz
Hoch-
frequenz
Hoch-
frequenz
Neben-
lage
Neben-
lage
Neben-
lage
++
++
++ ++++
+0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
+
Format (Verkaufsfl äche)
++
+
0
Top-Performer-Segment
Good-Performer-Segment
Average-Performer-Segment
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zu optimieren. Im vorliegenden Fall sieht das Verbesse-rungsprogramm für die Filialen, die hinter den Ertrags-zielen zurückbleiben, drei mögliche Maßnahmen vor: Verlegung, Größenanpassung oder Schließung – je nach-dem wie die strukturellen Rahmenbedingungen sind und ob es sich ökonomisch lohnt, Variablen wie Standort oder Formatgröße zu verändern (Gra k 3).
Für Filialen mit besserer, aber noch nicht überragender Performance ist auch eine interne Entwicklung ohne Lage- oder Formatanpassungen möglich. Die Lebens-mittelkette hat rund 100 Filialen mit diesem Pro l in ihrem Portfolio. Für jede einzelne kann sie nun aus der übergeordneten Handlungsoption „Entwicklung“ spezi -sche Maßnahmen ableiten, beispielsweise die Personal-kosten in der Filiale senken, das Facility Management optimieren oder die Miete der Immobilie neu verhan-deln. Auf der Umsatzseite lassen sich die Filialen durch weitere Promotionaktivitäten oder zielgruppengerechte Sortimentsgestaltung zu besseren Ergebnissen führen. Auf diese Weise wirkt der StoreNet Optimizer bis hin-
3. Auf Basis der Analyse lassen sich Maßnahmen für einzelne Filialsegmente
ableiten
Quelle: McKinsey
unter auf die individuelle Filialebene. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings stets, dass neben den standort- und formatbezogenen Daten auch andere Kriterien die Per-formance einzelner Filialen beein ussen können, die von der Analyse nicht abgedeckt werden. Dazu zählen beispielsweise ein besonders effektives Management und motivierte, leistungsfähige Mitarbeiter. Damit die Analyse der allein standort- und formatbezogenen Daten aus dem StoreNet Optimizer zuverlässige Resultate erzielt, sollte das Filialnetz über mindestens 400 Stand-orte verfügen.
Ein Tool für alle Branchen
Für die Lebensmittelkette dürfte sich der Einsatz des Analyseinstruments in jedem Fall lohnen: Werden die empfohlenen Maßnahmen vollständig umgesetzt, so die Potenzialschätzung, dann erzielt das Unternehmen allein durch die Optimierung seines Filialnetzes eine Ergebnis-steigerung von rund 7 Prozent. Geld, das statt zu ver-sickern in strategisch wichtige Investitionen ießen kann, die den Erfolg der Kette langfristig sichern.
Beibe haltung++/+
Entwicklung
Größen-
anpassung
Verlegung
Verlegung
Größen-
anpassung
Schließung
Ja
Ja
Nein
Nein
3 Migration in
besseres Segment
mit bestehender
Filiallage möglich?
4 Verbesse-
rungsmaß-
nahmen
2 Gegenwärtig im
Zielformat?
1 Welcher RoS?
Ja
Ja
Nein
Nein
Filialen
0
-
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Kernaussagen
1. Falsche Weichenstellungen bei der Entwicklung des Filialnetzes führen oftmals zu langfristigen Einbußen in der Pro tabilität.
2. In einem dreistu gen Ver-fahren hilft der StoreNet Opti-mizer, die Erfolgsmuster eines Portfolios zu erkennen und geeignete Maßnahmen für jede Filiale abzuleiten.
3. Der Analyseansatz lässt sich sowohl zur Optimierung be-stehender Filialnetze als auch bei der Expansion einsetzen und kann den Ertrag um 5 bis 10 Prozent steigern.
1 Dr. Peter Breuer ist Partner im Kölner Büro von McKinsey und Leiter des deutschen
Konsumgüter- und Handelssektors. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt im Bereich
Strategieentwicklung und operative Verbesserungsprogramme.
2 Dr. Steffen Greubel ist Partner im Berliner Büro von McKinsey und Leiter der Real Estate
Initiative im europäischen Konsumgüter- und Handelssektor. Außerdem berät er Unternehmen bei
der Strategieentwicklung und im Bereich Vertrieb.
3 Robert Klingler ist Partner im Londoner Büro von McKinsey und Mitglied des europä-
ischen Konsumgüter- und Handelssektors, wo der Schwerpunkt seiner Arbeit auf operativen
Verbesserungsprogrammen und im Marketing lag.
4 Dr. Felix Kreyer ist McKinsey-Alumnus. Er war Mitglied des europäischen Konsumgüter- und
Handelssektors, wo der Schwerpunkt seiner Arbeit auf operativen Verbesserungsprogrammen und
im Marketing lag.
Autoren
Nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel lässt sich das neue Analyseverfahren gewinnbringend einsetzen. Baumärkte und Elektronikmärkte, Mobilfunkanbie-ter und Tankstellen, Post lialen, Kaffeeketten oder Banken – kurz: alle Handelsunternehmen mit einem umfangreichen Filialgeschäft – können von dem Tool pro tieren. Ob sie, wie der Lebensmittelhänd-ler, ihr bestehendes Filialportfolio ertragreicher gestalten oder in neue Märkte expandieren wollen: Der StoreNet Optimizer hilft ihnen bei der Wahl der richtigen Standorte und Formate.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: robert_klingler@mckinsey.com
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Kommentar
Früher galt ein einziger Imperativ für Immobilien, und zwar nicht nur für die des Handels: Lage, Lage, Lage. Heute ist ein zweiter Imperativ hinzugekommen: Energieeffizienz.
Die neue Anforderung an Handels -immobilien ist einerseits eine Folge gesellschaftlicher Erwartungen: Die Umwelt schonen und verantwortungs-bewusst mit den Ressourcen umgehen, so soll die Wirtschaft dem Mega trend zum nachhaltigen Umgang mit Energie folgen.
Zum anderen treiben harte ökonomische Faktoren den Trend zu mehr Energie-effizienz: Nur circa 30 Prozent der Kosten, die über den gesamten Nutzungs-zyklus einer Handelsimmobilie ent-stehen, ent fallen auf das Investment in
die Im mo bilie, rund 70 Prozent ver-schlingt hingegen der laufende Betrieb. Energie ist einer der größten Posten unter den Betriebskosten. Und die Energie-kosten entwickeln sich dynamisch: Allein Strom ist binnen zehn Jahren mehr als doppelt so teuer geworden, die gesamten Energiekosten sind um gut 50 Prozent gestiegen.
Gerade der Lebensmitteleinzelhandel hatte keine Chance, die Kostenerhöhun-gen über Mehrumsatz oder höhere Preise wieder hereinzuholen. Energieeffizienz ist eine flächendeckende Aufgabe: Im deutschen Einzelhandel gibt es derzeit nur wenige Gebäude, die unter diesem Aspekt nicht optimiert, adaptiert oder komplett revi talisiert werden müssten. In den ver gangenen Jahren sind aus den Ideen des nachhaltigen Bauens Lösungen ent wickelt worden, die auf Bestands-immo bilien übertragen werden können. Baustoffe und Verfahren werden an ge-passt, moderne Anlagentechnik arbeitet effizienter, neue Systeme zur Energie-gewinnung und Verbrauchsvermeidung werden bezahlbar. Die Bausteine für energieeffizientere Han delsimmobilien sind also vorhanden – woran liegt es dann, dass trotzdem so wenige neue Ladenflächen nach diesen Gesichts-punkten gebaut und so wenig Bestands-flächen optimiert werden?
Die Antwort findet sich in der gängigen Organisationsform der Einzelhandels-unternehmen. Durchweg sind die Verant-wortung für den Bau und für den Betrieb von Ladenflächen in unterschiedlichen Ressorts angesiedelt. Wenn die Bauver-antwortlichen ihr Budget niedrig halten, also billig bauen, punkten sie bei der Ge-schäftsleitung – auch wenn der Billigbau in der Regel zu Lasten der Betriebskosten geht. Aber damit müssen sich ja andere auseinandersetzen.
Energieeffi ziente Einzelhandelsfl ächen ...... fordert Professor Michael Cesarz von der Uni Leipzig.
Billig bauen ist ein Irrweg – was zählt sind die Total Cost of
Ownership, kommentiert er.
Im Handel entfallen nur rund 30 Prozent der
Total Cost of Ownership auf die Immobilie,
aber etwa 70 Prozent auf den Betrieb.
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Die vernünftige Lösung besteht darin, Bau- und Betriebskosten ganzheitlich zu betrachten, die Total Cost of Ownership zu minimieren. Doch das ist leichter ge-sagt als getan. Baubudgets werden in der Regel mit langer Vorlaufzeit aufgestellt und verabschiedet. Zwischenzeitlich aufgekommene Innovationen finden dann keinen Weg mehr in die Pläne, Chancen werden verschenkt.
Dabei ist in den Läden viel Potenzial für Energieeinsparungen vorhanden. Nach einer Umfrage des Einzelhandelsinstituts EHI beziffert das Handelsmanagement die Einsparmöglichkeiten bei der Beleuch-tung auf bis zu 30 Prozent, bei der Kühlung auf bis zu 20 Prozent, beim Bau selbst, ebenso wie bei Haustechnik und Mitarbei-terverhalten, auf bis zu 15 Prozent. Im Mittelpunkt steht das Bemühen, den hohen Stromverbrauch zu drosseln. Im Lebensmitteleinzelhandel fließt fast die Hälfte der elektrischen Energie in Beleuchtung und Kühlung – die beiden Felder mit dem höchsten Sparpotenzial.
Große Handelsunternehmen mit vielen Filialen haben zum Heben aller Poten-ziale einen „Masterplan Energieeffizienz“ aufgestellt. Darin sind nicht nur die ener-gietechnischen Vorgaben für Neubauten festgehalten, sondern vor allem auch Sanierungen im Bestand und im laufen-den Betrieb. Dabei wird bei jeder Be-standsimmobilie der Modernisierungs-
Nicht den Bauaufwand, sondern die Total Cost of Ownership zu minimie-ren, rät Autor Michael Cesarz, Professor am Ins-titut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft der Universität Leipzig.
bedarf individuell ermittelt und das Einsparpotenzial errechnet. Der Einsatz von Dämmung, moderner Klimatechnik, effizienteren Leuchtmitteln, verbes -ser ter Technik bei Kühlmöbeln und Kälte an lagen, eine durchdachte Gebäude -leit technik und die Schulung von Mit -ar beitern helfen, dieses Potenzial auszu-schöpfen. In Neu bauten setzen Pioniere des Handels schon auf regenerative Ener-gien oder sogar auf Geothermie.
Die Anstrengung lohnt: Diejenigen Han-delsunternehmen, die jetzt ihre „zweite Miete“ senken können, verschaffen sich einen deutlichen Vorteil im Wettbewerb. Und umgekehrt, das wissen gerade Händ-ler, gilt: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit ...
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Werkstatt: aktuelle Themen
Der mit 7.500 Euro dotierte Business Technology Award 2010 von McKinsey geht an Jella Pfeiffer. Die 29-jährige Wirt-schaftsinformatikerin von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz überzeugte die Jury mit ihrer Dissertation zu einer interaktiven Entscheidungshilfe für das Internetshopping. Auf dem zweiten Platz folgt Sophie Ahrens (30), Wirtschaftswis-senschaftlerin von der Ludwig-Maximili-ans-Universität München, ebenfalls mit einer Arbeit zu Webshops . Auch 2011 wird der Preis des McKinsey Business Technology Of ce (BTO) ausgeschrieben. Im Sommer geht’s los. Mehr unter: www.mckinsey.de/html/kompetenz/functional _practices/bto/bt_award.asp
Unternehmen leben von guten Ideen. Um diese zu generieren, setzen sie gern auf Brainstormings – oft vergeblich. Ein Artikel im McKinsey Quarterly de niert sieben Schritte zu erfolgreichen Brain-stormings, deren Ideen auch eine Chance auf Umsetzung haben. Die Autoren haben 200 Projekte in 150 Unternehmen unter-sucht und plädieren unter anderem für einen strukturierten, auf Fragen basie-renden Ansatz für Brainstormings. Wer die sieben Punkte berücksichtigt, so ver-sprechen sie, wird von seinem Team dau-erhaft mit besseren Ideen belohnt. Der Beitrag „Seven steps to better brainstor-ming“ ist im Internet zu nden unter www.mckinseyquarterly.com
Wenn Unternehmen sich eine Reorgani-sation verordnen, bleibt das Ergebnis oft hinter den Erwartungen zurück. Warum das so ist, untersuchte McKinsey jetzt in einer globalen Umfrage bei 2.500 Ma nagern in Unternehmen aller Größen-klassen und aus allen Regionen der Welt. Zwei Ansatzpunkte für erfolgreichere Re-organisationen kristallisierten sich aus den Antworten heraus: Wer seine Mitar-beiter ganz bewusst mitnimmt, sie sehr sorgfältig informiert und überzeugt, er-höht die Chancen auf Erfolg. Und wer statt lang samer Evolution einen revoluti-onären Schnitt wagt, steigert die Erfolgs-aussicht noch weiter. Mehr zum Thema unter www.mckinseyquarterly.com
Business Technology
Award für interaktive
Online-Shopping-Hilfe
Unternehmens-
reorganisationen
zum Erfolg führen
In sieben Schritten zu
besseren Ergebnissen
bei Brainstormings
Haben Sie Fragen oder Anregungen? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail: klaus_behrenbeck@mckinsey.com
Gesucht: „CEO of the Future 2011“Neue Runde im Wettbewerb für junge Professionals
Wie de niert sich Erfolg im Jahr 2030? Wie haben sich dann die Rahmen -bedingungen verändert? Wo liegen in 20 Jahren die Prioritäten des Top-managements? Dies sind die Fragen, die Teilnehmer in der ersten Runde des Wettbewerbs „CEO of the Future“ in einem Essay zu beantworten haben – da-bei zählen schlüssige Argumentation und kreative Ideen. Zum siebten Mal ist der von McKinsey gemeinsam mit In dustrie- und Medienpartnern getragene Wett-bewerb für Berufseinsteiger (mit ein bis vier Jahren Berufserfahrung), examens-nahe Studierende sowie Doktorandinnen und Doktoranden ausgeschrieben. Die
besten Teilnehmer des Essay-Wettbe-werbs nehmen an einem der anspruchs-vollen „CEO of the Future“-Trainings teil
und präsentieren sich im Finale einer Jury von CEOs. Mehr Infor ma tionen unter www.future-ceo.de
Für alle, die hoch hinaus wollen: Wettbewerb „CEO of the Future“.
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HerausgeberDr. Klaus Behrenbeck McKinsey & Company, Inc.Consumer Industries & Retail GroupMagnusstraße 11 50672 KölnTel.: +49 (0)221 208-7270
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