Post on 15-Sep-2020
218 Die Südtäler
Die Südtäler Neben dem sonnigen Engadin gehören auch die Südtäler Graubündens, die
auf der Landkarte wie Finger in Richtung Italien zeigen, zu den meteorolo-
gisch begünstigten Gegenden des Kantons.
Gleich viermal f ingert der Kanton über die Alpenkette, zu jedem der vier Südtäler führt ein anderer Pass. Hinter dem Schweizerischen Nationalpark gelangt man über den Ofenpass (2149 m) in die Val Müstair (Münstertal). Hinter dem gewalti-gen Berninamassiv lockt die italienischsprachige Val Poschiavo (Puschlav), die auch mit der Rhätischen Bahn erreichbar ist, die auf dem Berninapass ihren höchstgele-genen Bahnhof unterhält. Hinter dem Malojapass (1815 m) fällt die Landschaft steil in die ebenfalls italienischsprachige Val Bregaglia (Bergell) ab. Und über den San-Bernardino-Pass (2065 m) oder durch die darunter liegende Tunnelröhre gelangt man in die Valle Mesolcina (Misox), deren Bewohner ebenfalls Italienisch parlieren und die eher in der Tessiner Hauptstadt Bellinzona als in Chur zuhause sind.
Jedes dieser vier Südtäler hat seine eigene Geschichte und seine eigenen kulturellen Besonderheiten. Der Versuch, mit der Wochenzeitung Il Grigione Italiano den drei italienischsprachigen Bündnertälern wenigstens eine gemeinsame Stimme zu ge-ben, ist gut gemeint, doch haben die Menschen in Poschiavo und in Mesocco kaum Kontakt untereinander. Die rätoromanische Val Müstair ihrerseits ist geograf isch wie sprachlich dem Unterengadin zugewandt. Hier spricht man in erster Linie „Jauer“, wie der lokale, dem Unterengadiner „Vallader“ verwandte Dialekt heißt, in zweiter Linie Deutsch, das Italienische steht auf Platz drei.
Die Südtäler
Mit dem Bernina-Express auf über 2000 m Höhe – und dann hinunter ins Puschlav
Die Südtäler
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Val Müstair (Münstertal) Das abgeschiedene Tal hinter dem Ofenpass mit seinen rund 1600 Einwoh-
nern ist vor allem Wanderern bekannt. Eine Zukunft sieht die Region in ei-
nem sanften Tourismus. Ein erster Erfolg ist das UNESCO-Prädikat einer
„Biosfera“, das dem Tal 2010 verliehen wurde.
Die Geschichte der Val Müstair ist eng mit dem Frauenkloster von Müstair ver-knüpft. Nach einem Übergriff der Tiroler auf das Kloster 1498 riefen die Bündner die Eidgenossen zu Hilfe, die Tiroler wandten sich an den Schwäbischen Bund. Die Eidgenossen entschieden den Schwabenkrieg 1499 in der Schlacht an der Calven (an der Talenge unterhalb von Müstair, heute auf Südtiroler Gebiet) für sich. Damit war die Talschaft die Österreicher zwar noch nicht los, aber der Eidgenossenschaft näher gerückt.
In den religiösen Auseinandersetzungen traten die Dörfer zur neuen, reformierten Religion über, einzig Müstair blieb unter dem Einfluss des Klosters katholisch. 1728 verkaufte der Churer Bischof das Kloster an Österreich und mit ihm die ganze Val Müstair, der Rückkauf erfolgte bereits 1764 – ob mit Gewinn oder Verlust, ist nicht bekannt. 1803 übernahm dann der neu gegründete Kanton Graubünden die Ober-aufsicht über das Tal.
Von den sechs Dörfern, die seit 2009 in der Gemeinde „Val Müstair“ zusammenge-schlossen sind, ist der Klosterort Müstair das größte, es stellt rund die Hälfte der Talbewohner. Am unteren Ende der Skala steht Lü mit derzeit 65 Einwohnern.
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Die Südtäler
220 Die Südtäler
Tschierv „Tschierv“ heißt auf Deutsch „Hirsch“, und ein solcher ziert auch das Wappen des Dorfs. Wer die Tiere lebendig sehen will, begibt sich in den Nationalpark, in den das Gemeindegebiet hineinragt. Um die Alp da Munt, nördlich des Orts, ist etwas Skitourismus entstanden, ohne dass sich das beschauliche Tschierv deshalb verän-dert hätte. Die schönsten Häuser f indet man im Ortsteil Chasuras, wo seit 2005 ein Bär auf dem alten Holzbrunnen sitzt. Er erinnert an JJ2 (→ Kastentext „JJ2, ein italienischer Einwanderer und seine Nachfolger“), dessen Tschierver Besuch dem Dorf zu vorübergehender nationaler Berühmtheit verhalf. Doch noch behauptet sich der Hirsch im Wappen der Gemeinde.
PLZ 7532
Information Turissem Val Müstair, im
Zentrum (unterhalb des Campingplatzes).
Hauptsitz der Tourismusinformation in der
Val Müstair, freundlich und sehr kompe-
tent, auch Verkauf von Wanderkarten. Mo–
Fr 9.30–11.30 und 15.30–17.30 Uhr. ¢ 081-
8618840, § 081-8503690, val-muestair@
engadin.com, www.val-muestair.ch.
Hin & weg Postauto: Gute Verbindungen
über den Ofenpass nach Zernez sowie tal-
abwärts nach Müstair und weiter bis zum
Bahnhof von Mals/Malles (Italien).
Camping Staila, mitten im Dorf, eine Wie-
se auf zwei Terrassen. Einfache sanitäre
Anlagen (Dusche kostenpflichtig), Stroman-
schlüsse. Anmeldung beim weißen Haus
unterhalb. Wenn dort niemand ist: einfach
das Zelt aufbauen, der Platzwart schaut be-
stimmt vorbei. Geöffnet Mitte Juli bis Mitte
Aug. ¢ 081-8585628, maruya@gmx.net.
Wanderung 12: Vom Ofenpass ins Münstertal → S. 270 Wo der Bär sich wohlfühlt
Hinter dem Ofenpass – Alp da Munt
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JJ2 – ein italienischer Einwanderer und seine Nachfolger
„Jetzt ist er wirklich da, der Bär“, titelte am 29. Juli 2005 die größte Schweizer Ta-geszeitung und publizierte ein etwas verwackeltes Foto des zotteligen Immigranten aus dem italienischen Stelvio-Nationalpark. Bereits am 25. Juli war das Tier von ei-nem wandernden Ehepaar gesichtet worden, das allerdings keine Kamera bei sich hatte und so den Beweis schuldig blieb. Nach über hundert Jahren wagte sich zum ersten Mal wieder ein Braunbär auf helvetisches Territorium, genauer: in ein Sei-tental in der Nähe des Ofenpasses, auf Tschierver Gemeindegebiet. Zahlreiche ka-merabewehrte Touristen aus dem nahen Engadin f ielen darauf ins Münstertal ein, und einige Journalisten hofften, den Scoop des Sommers zu landen – die wenigen Hotels in der Talschaft waren schnell ausgebucht.
Die Leitung des Schweizerischen Nationalparks, die anfänglich noch den jeweils frisch eruierten Aufenthaltsort des Bären bekannt gab, verstummte bald. Schließ-lich war Meister Petz das Rampenlicht nicht gewohnt, und man wollte ihn weder verjagen noch das Risiko eingehen, dass er einen zu vorwitzigen Touristen verspei-sen würde. Ein Merkblatt mit Verhaltensmaßregeln wurde verteilt: „Wenn ein Bär sich aufrichtet, dann legen Sie sich mit dem Bauch auf den Boden und verschrän-ken Sie Ihre Hände im Nacken!“ Doch statt an Touristen verging sich der Held der Saison an einem zarten Tschierver Kälblein. Der Bär habe das Jungtier mit heftigen Prankenhieben auf Kopf und Rücken getötet. Danach habe er den rechten Stotzen des Kalbs verzehrt und sich auch an den Eingeweiden gütlich getan, vermeldete die seriöse Neue Zürcher Zeitung, sich auf einen Wildhüter berufend.
Der Bär wurde noch ein paar Mal gesichtet, machte sich aber zusehends rarer. Im September dann – aus den Zeitungsspalten war er längst wieder verschwunden, die Sommertouristen waren wieder daheim – folgte der nächste Paukenschlag. Der drollige Liebling vom Münstertal riss in der Unterengadiner Gemeinde Ramosch mehr als 20 Schafe, was zumindest die dortige Bevölkerung nicht mehr lustig fand. Vermutlich witterte JJ2, wie der Bär in Anlehnung an seine vermuteten Eltern Jurka und Joze inzwischen hieß, den Stimmungswechsel. Seit September 2005 ist er ver-schwunden. Nachdem er sich an den Ramoscher Lämmchen noch einmal satt ge-gessen hatte, suchte er sich ein ruhiges Plätzchen – in der Schweiz, in Italien oder gar in Österreich, wo er in tiefen Winterschlaf verf iel und seither nicht mehr ge-sehen ward.
An seiner Stelle tauchte 2007 sein Bruder JJ3 auf, der sich bald als Problembär er-wies. Er zeigte keinen Respekt vor menschlichen Siedlungen, wühlte in Abfallcon-tainern und wurde schließlich 2008 in der Nähe von Thusis abgeschossen. Um dem nächsten auftauchenden Bären ein so unfreundliches Ende zu ersparen, wurden schließlich „bärensichere Abfallkübel“ aufgestellt, um die Raubtiere fernzuhalten. Das neue Abfallmanagement funktionierte – bis 2012 aus Italien M13 („M“ steht für Mutter Maja, Vater unbekannt) einwanderte. Das Tier überlebte einen Zusam-menstoß mit der Rhätischen Bahn, wurde aber wegen seines sorglosen Herumtrei-bens als Problembär eingestuft und 2013 ebenfalls abgeschossen. Doch herrscht da-mit an der Bärenfront noch keine Ruhe: 2014 tauchte M25 auf, riss im Puschlav trotz dreifachen Elektrozauns zwei Esel und verschwand wieder … derzeit unauff indbar.
222 Die Südtäler
Lü Bevor die sechs Ortschaften des Tals sich 2009 zur Gemeinde Val Müstair zusam-menschlossen, geisterte Lü gelegentlich durch die Schweizer Presse. Bei politischen Abstimmungen hielt das Dörfchen regelmäßig seine Spitzenposition als Neinsager, ob 1992 zum Europäischen Wirtschaftraum (100% nein), 2001 zur Initiative „Ja zu Europa“ (32-mal nein, 1-mal ja), 2002 zum UNO-Beitritt (34-mal nein, 2-mal ja). Bei den letzten eidgenössischen Parlamentswahlen vor der Gemeindefusion ver-zeichnete die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) in Lü einen Wähleranteil von 93%. Christoph Blocher, Spiritus rector dieser Partei, spendete der treuen Gemeinde im Münstertal 60.000 Franken für die Renovierung von Kir-chendach und Friedhofsmauer, die Gemeinde revanchierte sich und ernannte den umstrittenen Politiker zum Ehrenbürger.
Der politische Horizont in Lü ist eher begrenzt, man möchte unter sich bleiben. Was die übrige Schweiz macht, interessiert hier nicht, schon gar nicht schielt man
nach Europa – lieber guckt man gleich ins Universum: 2009 öffnete am oberen Ortsrand das Alpine Astro-Village Lü-Stailas, das sich vor allem der Astrofoto-graf ie widmet. Aufgebaut hat die Insti-tution ein Ehepaar, das zuvor 20 Jahre lang in der Hirnforschung tätig war und dann ihr Hobby zum neuen Beruf mach-te. Mittels modernster Technik (Te-leskope mit 2000 mm Brennweite) kön-nen Sie hier – schönes Wetter voraus-gesetzt – das Weltall absuchen, oder Sie buchen gleich einen Einführungskurs in Astrofotograf ie. Das Duo arbeitet mit anderen Sternwarten zusammen; oft sind Gruppen von Spezialisten zu Gast, die dann meist eine Woche im Haus woh-
nen. Und schließlich verfügt das Astro-Village auch über ein eigenes Café – mit dem passenden Namen Sirius. Informationen unter www.alpineastrovillage.com.
Hirschen, Landgasthof im Ortszentrum. Re-
staurant mit einladender, üppig begrünter,
gedeckter Speiseterrasse. Wanderer und
Mountainbiker treffen sich hier bei Schin-
ken oder einer Engadiner Wurst. Frische
Salate und kleine Gerichte wie Capuns. 5
bescheidene Zimmer, eines davon mit
Dusche/WC, die anderen mit Etagendu-
sche. DZ mit Du/WC 156 CHF, mit Etagen-
dusche 130 CHF. 7534 Lü, ¢ 081-8585181,
§ 081-8585103, www.hirschen-lue.ch.
Valchava Das Dörfchen besitzt mit der Chasa Jaura ein Juwel. Ein sanft modellierter, doppel-stöckiger Erker mit den Wappen der drei Bünde ziert das ehemalige Gemeinde-haus, in dem heute das Museum Chasa Jaura Valchava untergebracht ist. „Altes und Neues unter einem Dach“ ist das Ausstellungsprinzip der rührigen Konserva-torin: Das Museum widmet sich nicht nur der traditionellen Wohn- und Lebens-kultur der Talschaft, sondern auch der internationalen Gegenwartskunst. Letztere
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wird geschickt in den musealen Ausstellungsbestand integriert, so dass der Besu-cher in der rußgeschwärzten „Cucina naira“ oder in der Hammerschmiede mit ih-rem riesigen Blasebalg Werken zeitgenössischer Künstler begegnet. Ein kleiner Ver-anstaltungssaal für Lesungen, Konzerte und Theaterabende, der auch für Kunstaus-stellungen genutzt wird, trägt dazu bei, dass die alte Chasa Jaura heute zu einem hochkarätigen, modernen Kulturzentrum geworden ist. Veranstaltungs-/Ausstel-lungsprogramm unter www.museumchasajaura.ch. Mitte Juni bis Mitte Okt. Mi–Fr 10–12 und 14–17, Sa/So 15–18 Uhr sowie zu kulturellen
Veranstaltungen. Eintritt 10 CHF.
Die Dorfkirche gegenüber der Chasa Jaura zeigt als Schmuckstück eine Orgel aus dem Jahr 1635 mit bemalten Flügeltüren, links spielt König David die Harfe, rechts wartet ein Engel mit Posaune auf seinen Einsatz. Kunsthistoriker Erwin Poeschel, Ver-fasser eines mehrbändigen Standardwerks über die Kunstdenkmäler Graubündens, konnte der hübschen Darstellung wenig abgewinnen: „ländlich-ungelenke Malerei“.
Übernachten/Essen Central, im Dorf-
zentrum. Bei der umfassenden Renovie-
rung des Hauses haben lokale Künstler mit-
geholfen, sämtliche Fassaden sind farben-
prächtig bemalt und erzählen verschiedene
Geschichten. Auch innen ist das Haus eine
Pracht. Der große Speisesaal und die kleine
„Stüvetta“ (Bauernstübchen) werden auch
für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst
genutzt. Der ehemalige Heustall wurde
zum Wellnessbereich umgebaut: Bio-Sau-
na, Heu-, Moor- und Algenbäder, diverse
Massagen. Und schließlich stellt das Hotel
dem Gast ein geschmackvoll eingerichte-
tes, geräumiges Zimmer zur Verfügung. Re-
staurant mit Bündner Spezialitäten und ein-
ladender Terrasse. DZ 190–200 CHF inkl.
Frühstück. 7535 Valchava, ¢ 081-8585161,
§ 081-8585816, www.centralvalchava.ch. *** Staila, außerhalb, in Fuldera, bei der
Kirche. Gepflegte Zimmer unterschiedlicher
Größe, alle mit Bad, teils mit Balkon. ADSL-
Anschluss. Terrassen zu beiden Seiten des
Hauses und eine schöne Liegewiese. Ob
Fleisch oder Gemüse – die Küche (Gilde-
Mitglied) legt Wert auf regionale, biologi-
sche Produkte und präsentiert auch ein gu-
tes vegetarisches Angebot. Versuchen Sie
z. B. die Kräuterpizokel! DZ 160–208 CHF
inkl. Frühstücksbuffet. Plaun Grond 27, 7533
Fuldera, ¢ 081-8585160, § 081-8585021, www.
hotel-staila.ch.
Santa Maria Der Hauptort der Val Müstair ist ein kompaktes Dörfchen am Abzweig zum Um-brailpass. Der höchste Schweizer Pass (2501 m) erfreut sich vor allem bei Motor-radfahrern großer Beliebtheit, die dann die Fahrt meist über das noch höher gele-gene Stilfserjoch (2757 m) fortsetzen, wo sich 1914 auf der „Dreisprachenspitze“ italienische, österreichische und schweizerische Soldaten gegenüberstanden. An den 100. Jahrestag der Mobilmachung erinnert seit 2014 in Santa Maria der kleine, sternförmige Platz der drei Sprachen mit drei Gesteinsbrocken und drei metallenen Menschensilhouetten.
Wer von Westen kommt, dem fällt am Ortsrand ein moderner, bunkerartiger Gra-nitbau mit kleinen Fenstern auf – das Feriendomizil eines Deutschschweizer Archi-tekten. „Der hat noch nicht gemerkt, dass der Krieg vorbei ist“, kommentiert ein Einheimischer. Schöner sind die Häuser im kleinen, leider vom Durchgangsverkehr geplagten Ortskern. Ein besonderes Schmuckstück ist die Chasa de Capòl; innen ist sie allerdings nicht zu besichtigen, es sei denn, man logiert dort. Dem Wunsch des Verfassers, das Hotel für eine Beschreibung in Augenschein nehmen zu dürfen, wurde nicht stattgegeben. Als Merkwort blieb ihm zum Trost: „Der Gast hat im-mer recht, selbst wenn wir ihn vor die Tür setzen müssen“ (Charles Ritz, Hotelier).
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224 Die Südtäler
In unmittelbarer Nähe der Chasa de Capòl ist die Tessanda Val Müstair zuhause, eine der letzten Handwebereien der Schweiz. Mit der Gründung der „Tessanda“ 1928 sollten Arbeitsplätze für Frauen geschaffen werden. Seither wurden hier Ge-nerationen von Handweberinnen und Textilgestalterinnen ausgebildet. Insgesamt 18 Holzwebstühle besitzt das Haus. Die Produkte im Ausstellungs- und Verkaufs-raum sind ausschließlich aus reinen Naturfasern hergestellt: Krawatten, Westen, Tischdecken, Geschirrtücher, Kissenbezüge, Teppiche … Stilistisch ist die Palette weit gefächert, auch modernes Design hat seinen Platz. Mehr zur Geschichte der „Tessanda“ unter www.tessanda.ch. Werkstatt-Besichtigung: Derzeit arbeiten sechs Weberinnen und zwei Näherinnen in der
oberen Etage und lassen sich einmal pro Woche über die Schulter schauen. Juni–Okt. Mi
13.30–17.30 Uhr. Eintritt 4 CHF.
PLZ 7536
Information Turissem Val Müstair, in
Ortsmitte, gleich neben der „Tessanda“.
Freundlich und kompetent. Juli bis Mitte
Okt. Mo–Fr 15–18 Uhr. ¢ 081-8618840.
Hin & weg Postauto: Gute Verbindungen
über den Ofenpass nach Zernez sowie tal-
abwärts nach Müstair und weiter bis zum
Bahnhof von Mals/Malles (Italien).
Übernachten/Essen *** Crusch Alba, in
Ortsmitte. Das schon in der siebten Gene-
ration von derselben Familie geführte Haus
gehört zu den ältesten Herbergen im Tal.
Nach einem Brand 2003 wurde das „Weiße
Kreuz“ unter Beibehaltung der historischen
Substanz wieder aufgebaut und im Inneren
sanft modernisiert. Viel Arvenholz, gepfleg-
te, geräumige Zimmer. Vom ehemaligen
Heustadel führt ein Durchgang zu einem
großen Garten mit Spielplatz. Restaurant
mit Bündner Küche. Im Foyer werden re-
gionale Produkte verkauft: Salsiz, Liköre,
Birnbrot … Und was der motorisierte Gast
in Santa Maria zu schätzen weiß: hotelei-
gener Parkplatz. DZ 160–190 CHF, die etwas
teureren mit Balkon, Frühstücksbuffet
inklusive. Ganzjährig geöffnet. ¢ 081-8585106,
§ 081-8586149, www.hotel-cruschalba.ch.
Jugendherberge Santa Maria, im Ortskern,
beim Restaurant Piz Umbrail um die Ecke.
Angenehmer Aufenthalt in einer Sust (Wa-
renlager) aus dem 16. Jh. Anmeldung und
Rezeption 17–19 Uhr in einem gut ausge-
schilderten Privathaus. Einziges DZ (mit Du-
sche) 105 CHF, 4-Bett-Zimmer 162 CHF,
Übernachtung im Mehrbettzimmer 35–38
CHF/Person, Frühstück inklusive. Nichtmit-
glieder zahlen pro Nacht zusätzlich 6 CHF.
Zwei Küchen für Selbstversorger (gegen
geringes Entgelt), Feuerstelle, Garten. Ge-
öffnet Juni bis Mitte Okt. Chasa Plaz,
¢ 081-8585661, § 081-8585496, www.youth
hostel.ch/sta.maria.
Camping Pè da Munt, Richtung Umbrail-
pass ausgeschildert, 500 m vom Ortskern
entfernt. Terrassiertes Wiesengelände mit
Schattenplätzen in idyllischer, ruhiger Lage.
Ohne weiteren Komfort, aber Stroman-
schlüsse und gepflegte Sanitäreinrichtun-
gen. Geöffnet Mitte Mai bis vorletzte Okto-
berwoche. ¢ 079-5155060, campingstamaria
@bluewin.ch.
Müstair Das Kloster St. Johann, von der UNESCO in die Liste der Weltkulturgüter aufge-nommen, beschert dem östlichsten Dorf der Schweiz jährlich über 100.000 Besu-cher. Das Juwel aus karolingischer Zeit hat trotz späterer romanischer und goti-scher Umbauten seine Schlichtheit bewahrt.
Für den ersten Bau ist Karl der Große (747–814) als Stifter wissenschaftlich beglau-bigt. Als Schutzheiliger wurde Johannes der Täufer gewählt. Aus dem 8. Jahrhun-dert stammen die Klosterkirche mit drei Apsiden sowie die doppelstöckige Heilig-kreuzkapelle (wird seit Jahren restauriert) vor dem Eingang. Nördlich schließt sich der Plantaturm aus dem Jahr 958 mit seinem zinnenbewehrten Pultdach an die Kirche an, er gilt als der älteste erhaltene Wehr- und Wohnturm des Mittelalters.
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Vom ursprünglichen Benediktinerkloster mutierte die Anlage bereits um 1100 zum Benediktinerinnenkloster, das Männerkloster hätte „irgendwie seine Kraft verlo-ren“, formulierte der hauseigene Chronist den Wandel. Im Schwabenkrieg, der 1499 in der Schlacht an der Calven sozusagen vor der Klosterpforte entschieden wurde, plünderten und brandschatzten Österreicher den frommen Ort, die Äbtis-sin wurde gefangengenommen. Später, im 18. Jahrhundert, entwickelte sich das Kloster immer mehr zu einem Stift ad-liger Damen aus der Umgebung, die dem Churer Bischof wegen mangelnder klösterlicher Disziplin gelegentlich Sor-gen bereiteten. Heute leben innerhalb der Mauern noch neun Benediktinerin-nen, die der Ordensregel „ora et labora“ (bete und arbeite) nachkommen und dem alten Kloster Leben einhauchen.
Seine Berühmtheit und die Aufmerk-samkeit der UNESCO verdankt das Kloster von Müstair dem gegen 800 entstandenen karolingischen Fresken-zyklus. Die in roten und braunen Tönen gehaltenen Bilder schmückten die Kir-che einst vollständig aus. Heute noch erhalten sind die Darstellungen an der Nordwand, über der Empore („Jüngstes Gericht“) und im oberen Teil der Cho-rapsiden („thronender Christus“ in der mittleren Halbkuppel). Die Fresken im unteren Teil der Apsiden, in denen auch Blau verwendet wurde, datieren bereits aus der romanischen Epoche (12. Jh.); in der Mittelapsis wird Johannes der Täufer geköpft, während die schöne Sa-lome zur Harfen- und Flötenmusik tanzt und im nächsten Bild als Lohn der Kunst den Kopf des Heiligen in einer Schale hält. Auch das schmucke Relief mit der Darstellung der Taufe Christi (Nordwand) und eine Statue Karls des Großen (zwischen Mittel- und Südap-sis) stammen aus romanischer Zeit.
Das Museum dokumentiert ausführlich die Geschichte des Klosters seit seinen Anfängen und lädt danach zum Besuch des Plantaturms ein. Im Erdgeschoss wird detailreich die karolingische Fres-kenmalerei erklärt, in den oberen Geschossen bef inden sich das mittelalterliche Refektorium (Speisesaal) und das Dormitorium (Schlafsaal) der Nonnen. Die darü-ber liegenden Einzelzellen – eine von ihnen als Demonstrationszelle mit Nähkissen, Fußwärmer und Nachttopf hergerichtet, die anderen mit sakralen Bildern ausge-
Kloster St. Johann – unter dem
Schutz der UNESCO
226 Die Südtäler
stattet – stammen aus dem frühen 18. Jahrhundert und waren noch bis ins 20. Jahr-hundert belegt.
Mai–Okt. Mo–Sa 9–12 und 13.30–17, So
13.30–17 Uhr; Nov.–April Mo–Sa 10–12 und
13.30–16.30 Uhr. Eintritt 12 CHF. Der Par-
cours im Plantaturm ist etwas verwirrend.
Am besten hält man sich an den Hinweis
„Gir“ (Rundgang) oder vertraut sich gleich
einer kompetenten Führung an (im Eintritts-
preis enthalten). Auf dem Weg zurück ins Dorf fällt am zinnengekrönten Torturm, der zum ausge-dehnten Wirtschaftshof des Klosters führt, ein rätselhaftes Gemälde auf: Ein Du-delsack blasender Esel gibt einem Jüngling ein Ständchen. Das Motiv ist auch an-dernorts in Europa bekannt und gilt als Symbol für die verkehrte Welt.
Noch rätselhafter ist das Denkmal, das weiter oben auf dem Dorfplatz steht. Es wurde 1999 zum 500. Jahrestag der Schlacht an der Calven enthüllt. „Ein polarer Raum, zum Verweilen, zum Nachdenken“, lautet die Inschrift. Fünf flache Stufen laden zur Meditation ein. ĒBasis-Infos PLZ 7537
Information Turissem Val Müstair, im
Kloster. 9–18 Uhr. ¢ 081-8585000, info@val-
muestair.ch, www.val-muestair.ch.
Hin & weg Postauto: Gute Verbindungen
über den Ofenpass nach Zernez sowie tal-
abwärts zum Bahnhof von Mals/Malles
(Italien).
ēÜbernachten/Essen & Trinken Mein Tipp: Chasa Chalavaina, in der
Nähe des Klosters. Das „Calven-Haus“ at-
met Geschichte. Vermutlich stammt es aus
dem 13. Jh., verbürgt ist, dass sich hier 1499
die Hauptleute versammelten, um vor der
Schlacht an der Calven noch ein letztes Mal
Kriegsrat zu halten. Später wurde das alte
Bauernhaus umgebaut, Kutscher und Säu-
mer nächtigten hier und wickelten Tuchge-
schäfte ab. Noch später diente es als Ge-
fängnis; ein italienischer Gefangener schrieb
angeblich mit Rinderblut den noch heute im
Entrée zu lesenden Satz: „Die Vergangen-
heit tut mir leid – und die Zukunft macht mir
Angst.“ Die Familie Fasser, die das unter
Denkmalschutz stehende Haus seit 1958
führt – heute Jon Fasser und seine Schwes-
ter Ottavia – hat die Geschichte des Hauses
gut dokumentiert, im Entrée glaubt man
sich beinahe in einem Museum. Die Zimmer
sind sehr unterschiedlich. Am schönsten
ist die „Stüva dal preir“ mit großem Balkon
zur Straße, von dem man gleich das kleine
Mariengemälde aus dem Jahr 1467 an der
Fassade aus der Nähe studieren kann – aller-
dings hat die Stüva nur Etagendusche. Das
kleinste Zimmer ist die „Diogena“ – ein Gast
befand, man fühle sich darin wie Diogenes
in seinem Fass. Die Küche ist preiswert und
serviert regionale Gerichte – in der Arven-
holzstube oder in der „Cuschina naira“, der
rußgeschwärzten, ehemaligen Küche, wo
die Gerichte einst über dem offenen Feuer
zubereitet wurden. Zum Nachtisch gibt's viel-
leicht einen „Schneeball“ – so heißt der be-
rühmte frische Ziegenkäse, dessen Herstel-
lung in der Val Müstair nur ein einziger Kä-
ser beherrscht. DZ mit Du/WC 128–190 CHF,
mit Etagendusche 75–100 CHF, inkl. Früh-
stück. Ganzjährig geöffnet. Plaz Grond,
¢ 081-8585468, www.chalavaina.ch. Tschierv, gegenüber der Chasa Chalavaina.
Stattliches Haus mit sgraffitoverzierten
Fensterfassungen. Zimmer teilweise sehr
geräumig. DZ mit Dusche/WC 140–160 CHF,
mit Etagendusche 120–140 CHF, inkl. Früh-
stück. Plaz Grond, ¢ 081-8585152, § 081-
8585474, www.hirschen-muestair.ch.
Camping Muglin, Platz im Talgrund, 2012
eröffnet, ab dem Kloster ausgeschildert.
Großes Wiesengelände. 90 Stellplätze mit
elektrischen Anschlüssen, Kinderspielplatz,
moderne sanitäre Anlagen, alles sehr ge-
pflegt. Im ehemaligen Landwirtschaftsge-
bäude ist ein hübsches Bistrot eingerichtet,
der Heustock wurde zur Sauna umgebaut
(für Campinggäste gratis). Via Muglin 223,
¢ 079-3799566, www.campingmuglin.ch.
Valposchiavo
(Puschlav)