Disclaimer: Um sicherzustellen, dass das vorgeschlagene ... · Die Vollgeld-Initiative aus...

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Disclaimer: Um sicherzustellen, dass das vorgeschlagene System sowie die Pro-Argumente korrekt dargestellt

werden, hat Fabio Canetg das vorliegende Referat mit Hansruedi Weber (Prasident MoMo), Markus Meyer

(Vollgeld-Initiative) und Simon Sennrich (Vollgeld-Initiative) in zwei ausfuhrlichen Gesprachen im Detail

besprochen. In gleicher Form Stellung genommen haben, von der Contra-Seite, Martin Hess (Chefokonom der

Schweizerischen Bankiervereinigung) und Carlos Lenz (Direktor Abteilung Volkswirtschaft, Schweizerische

Nationalbank). Auf argumentative Entwicklungen im Laufe der Abstimmungskampagne wurde wahrend der

Referate mundlich hingewiesen.

Die Vollgeld-Initiative aus neutraler Perspektive

Fabio Canetg1

Volkswirtschaftliches Institut, Universitat Bern (2014-heute)Annee Politique Suisse, Institut fur Politikwissenschaft, Universitat Bern (2011-2015)

Fruhjahr 2018

1Fur angeregte Diskussionen und Unterstutzung danke ich Tamara Bischof, Aymo Brunetti, Marc Buhlmann,Gregor Dietrich, Reinhold Harringer, Martin Hess, Carlos Lenz, Markus Meyer, Christian Myohl, Fabio Nay,Dirk Niepelt, Jonas Projer, Simon Sennrich, Maximilian Schubiger und Hansruedi Weber.

1

Einleitung

”Eine der Hauptursachen der Finanzkrise ist den meisten Menschen

gar nicht bewusst: die eigenmachtige Herstellung vonelektronischem Geld auf unseren Konten durch die Banken.“

”Die Vollgeld-Initiative will erreichen, dass nur die Nationalbank

Geld herstellt, so wie es die Bundesverfassung eigentlichvorsieht.“2

2http://www.vollgeld-initiative.ch/, aufgerufen am 12. Februar 2018.

2

Inhalt des Referats

1 Akteure

2 System heute

3 System unter Vollgeld

4 Argumente Pro/Contra

5 Unklarheiten

6 Zusammenfassung

3

Akteure: Pro

Verein Monetare Modernisierung (Initiativ-Komitee)

Prasident: Hansruedi WeberGeschaftsleitung: Daniel MeierKampagnenleiter: Thomas MayerMediensprecher: Reinhold Harringer

Wissenschaft

Prof. Mathias Binswanger, Fachhochschule NordwestschweizProf. em. Joseph Huber, Universitat HalleProf. Mark Joob, Universitat Sopron (Ungarn)Prof. Sergio Rossi, Universitat Fribourg

4

Akteure: Contra

Politische Institutionen

Schweizerische NationalbankBundesrat & Parlament

Wirtschaftsverbande

Martin Hess, Schweizerische BankiervereinigungRudolf Minsch, economiesuisse

Wissenschaft

Prof. Philippe Bacchetta, Universitat LausanneProf. em. Ernst Baltensperger, Universitat BernProf. Aleksander Berentsen, Universitat BaselProf. Dirk Niepelt, Universitat Bern

5

Abstimmung im Parlament

Nationalrat, pro: Estermann (svp, LU), L. Reimann (svp, SG), Mazzone(G, GE), de la Reussille (G, NE), Badran (sp, ZH), Barrile (sp, ZH),Hardegger (sp, ZH), Heim (sp, SO)3, Marra (sp, VD), Kiener Nellen (sp,BE)

Nationalrat, Enthaltung: Geissbuhler (svp, BE), Golay (svp, GE),Schwander (svp, SZ), Carobbio (sp, TI), Feri (sp, AG), Fridez (sp, JU),Friedl (sp, SG), Gysi (sp, SG), Meyer (sp, ZH), Schenker (sp, BS),Sommaruga (sp, GE)

Standerat, Enthaltung: Fetz (sp, BS)

ubrige: Ablehnung, abwesend

3Bea Heim hat sich bei der Schlussabstimmung enthalten.

5

Nachster Punkt:

1 Akteure

2 System heute

Der BankensektorKreditgewahrung & Geldschopfung

3 System unter Vollgeld

4 Argumente Pro/Contra

5 Unklarheiten

6 Zusammenfassung

6

Der Bankensektor heute: Bilanzkunde

Zahlen grob gerundet, fur die Nationalbank (SNB) per EndeNovember 2017, fur die Geschaftsbanken per Ende Oktober 2017.4

4https://data.snb.ch, aufgerufen am 15 Januar 2018. Auf den folgenden Grafiken sind

”Depositen, alle

Wahrungen“ dargestellt. Ein Regimewechsel zu Vollgeld wurde (potenziell: alle) CHF-Depositen betreffen(welche sich per Ende Oktober 2017 auf rund CHF 1000 Mrd. beliefen).

7

Der Bankensektor heute: Bilanzkunde

7

Der Bankensektor heute: Proportionengetreu

8

Kreditgewahrung & Geldschopfung heute

Kreditgewahrung: Die Geschaftsbank erhoht

Forderungen ggu. Kunden (die Hypothek des Kreditnehmers)Depositen (das Bankkonto des Kreditnehmers)

Depositen konnen ex nihilo von Geschaftsbanken geschaffenwerden: Kreditgewahrung ist Geldschopfung.5

5Die Nationalbank kontrolliert das Ausmass der Kreditgewahrung durch ihre Geldpolitik. Ebenfalls ist dasAusmass der Kreditgewahrung begrenzt durch die Kreditnachfrage, die Eigenkapitalanforderungen undandere Regulierungen.

9

Kreditgewahrung & Geldschopfung heute

9

Kreditgewahrung & Geldschopfung heute

9

Nachster Punkt:

1 Akteure

2 System heute

3 System unter Vollgeld

Der Bankensektor unter”100% Money“

Der Bankensektor unter VollgeldGeldschopfungKreditgewahrung ohne GeldschopfungKreditgewahrung mit Geldschopfung

4 Argumente Pro/Contra

5 Unklarheiten

6 Zusammenfassung

10

Der Bankensektor unter”100% Money“, Umstellung I

Depositen sind zu 100% mit Notenbankgeld gedeckt.

Umstellung I (vereinfacht): Nationalbank kauft denGeschaftsbanken ubrige Aktiva fur flussige Mittel ab.6

6Die folgenden Darstellungen basieren auf Benes und Kumhof (2013), Prasentation vom 13. September 2013.

11

Der Bankensektor heute ...

11

... neu: Der Bankensektor unter”100% Money“

11

... neu: Der Bankensektor unter”100% Money“, aufgeteilt

12

Der Bankensektor unter”100% Money“, Umstellung II

Depositen sind zu 100% mit Notenbankgeld gedeckt.

Umstellung II: Die Nationalbank gewahrt den Geschaftsbankenein (temporares) Darlehen, um die wegfallendeDepositenfinanzierung zu ersetzen.

13

Der Bankensektor heute ...

13

... neu: Der Bankensektor unter”100% Money“

14

Der Bankensektor unter Vollgeld

Vollgeld 6=”100% Money“

Vollgeld ist schuldfrei7

Vollgeld ist keine Verpflichtung der NationalbankVollgeld ist keine Verpflichtung der Geschaftsbank

7Vollgeld kann auch dann schuldfrei sein, wenn es nicht als Transfer (sondern als Kredit) in Umlauf kommt,siehe Canetg, F. (2018), Von Vollgeld, Notenbankgeld und Schulden, Sudostschweiz, 19. April 2018 undHuber, J. (undatiert), Synopse 100% Reserve versus Vollgeld.

15

Der Bankensektor unter”100% Money“, aufgeteilt ...

15

... neu: Der Bankensektor unter Vollgeld

16

Recap

17

Geldschopfung unter Vollgeld

Vollgeldschopfung einzig durch die Nationalbank:

als Transfer der Nationalbank (”Helicopter Money“) an

Bund und/oder KantoneHaushalte und/oder Firmen

als Kredit der Nationalbank an

Banken (nicht als Regelfall vorgesehen)

18

Kreditgewahrung unter Vollgeld, ohne Geldschopfung

Die Geschaftsbank erhoht

Forderungen ggu. Kunden (die Hypothek des Kreditnehmers)ubrige Passiva (Bankanleihen)

Bankanleihen werden nicht ex nihilo von den Geschaftsbankengeschaffen: Kreditgewahrung ist keine Geldschopfung.

19

Kreditgewahrung unter Vollgeld, ohne Geldschopfung

19

Kreditgewahrung unter Vollgeld, ohne Geldschopfung

20

Kreditgewahrung unter Vollgeld, mit Geldschopfung

Die Geschaftsbank erhoht

Forderungen ggu. Kunden (die Hypothek des Kreditnehmers)ubrige Passiva (Bankanleihen)

Die Nationalbank erhoht

Forderungen ggu. Geschaftsbanken (Bankanleihe)

”Nationales monetares Eigenkapital“8

Nationalbank erhoht die Geldmenge, um den Geschaftsbankeneinen Kredit zu gewahren: Kreditgewahrung istGeldschopfung.

8Huber, J. (undatiert), Synopse 100% Reserve versus Vollgeld.

21

Kreditgewahrung unter Vollgeld, mit Geldschopfung

21

Kreditgewahrung unter Vollgeld, mit Geldschopfung

22

Arguments, Finally!

22

Nachster Punkt:

1 Akteure

2 System heute

3 System unter Vollgeld

4 Argumente Pro/Contra

Geldschopfung & SeigniorageGeldpolitikFinanzstabilitat

5 Unklarheiten

6 Zusammenfassung

23

Geldschopfung & Seigniorage

Pro: Geldschopfung durch Geschaftsbanken illegitim

Privater Gewinn im Zinsdifferenzgeschaft (teilweise) illegitim

weil Geldschopfung staatlich begunstigt istGewinnumverteilung privat ⇒ staatlich wunschenswert

Contra: Geldschopfung durch Geschaftsbanken legitim

Zinsdifferenz auf Geldschopfung als Entgelt fur Kreditmonitoring

Gewinnumverteilung privat ⇒ staatlich nicht wunschenswert

24

Geldschopfung & Seigniorage

Pro: Hohere Seigniorage fuhrt zu

tieferen Staatsschulden und/oder tieferen (Einkommens-)Steuern

Contra: Hohere Seigniorage fuhrt zu

Gefahrdung der politischen Unabhangigkeit der SNB

25

Geldpolitik: Kontrolle der Geldmenge

Pro: SNB soll Geldmenge direkt kontrollieren konnen

keine”spekulative“ Geldschopfung durch Geschaftsbanken

Contra: SNB soll Geldmenge (weiterhin) indirekt kontrollieren

bewahrt und effektiv

Geldangebotsveranderungen durch Marktkrafte

26

Finanzstabilitat

Pro: Finanzstabilitat wird erhoht

weil es keine Bank Runs auf Depositen gibt

Contra: Finanzstabilitat wird nicht erhoht

Vollgeld ist systematischen Vertrauenskrisen ausgesetzt9

Vollgeld ist eine einfach zugangliche outside option

9Details in Canetg, F. (2018), Mit Leergeld bezahlen?, Basler Zeitung, 5. Januar 2018 und Bacchetta, P.(2018), The Sovereign Money Initiative in Switzerland: An Assesment, Swiss Journal of Economics andStatistics, 154:3.

26

Nachster Punkt:

1 Akteure

2 System heute

3 System unter Vollgeld

4 Argumente Pro/Contra

5 Unklarheiten

6 Zusammenfassung

27

Unklarheiten

Abgrenzung Depositen / andere Finanzierungsformen

Welche Konten werden zu Vollgeld-Konten, welche nicht?

Auswirkungen auf Kredit- und Depositenkosten

Portfoliowahl von Bankkunden?Finanzierungskosten fur Geschaftsbanken?

Auswirkungen auf geldpolitische Strategie

Wie wird Geldmenge effizient gesteuert?

Auswirkungen auf Fiskalpolitik

Wie reagiert die Politik auf hohere Seigniorageeinnahmen?

27

Nachster Punkt:

1 Akteure

2 System heute

3 System unter Vollgeld

4 Argumente Pro/Contra

5 Unklarheiten

6 Zusammenfassung

28

Zusammenfassung

Pro:Geldschopfung durch Geschaftsbanken illegitimHohere Finanzstabilitat (keine Bank Runs auf Depositen)Direkte Geldmengensteuerung verhindert Spekulation

Contra:Indirekte Geldmengensteuerung bewahrt und effektivHohere Seigniorage gefahrdet Unabhangigkeit der SNBTiefere Finanzstabilitat (systematische Vertrauenskrisen)

29

Zusammenfassung

Die zwei Hauptpunkte der Vollgeld-Initiative:

Geschaftsbanken durfen kunftig kein Geld mehr schopfen. Diese Aufgabewird vollumfanglich der Schweizerischen Nationalbank anvertraut.

Der Vollgeld-Schweizer-Franken wird - entgegen dem heutigenGeldverstandnis - als

”schuldfreie“ Wahrung etabliert.

30

Weiterfuhrende Literatur und Quellen

Baltensperger, E. und J. Baumberger (2017), Fiskalpolitische Illusionen, NZZ, 24.05.2017Baltensperger, E. und J. Baumberger (2017), Irrefuhrende Vollgeld-Rhetorik, NZZ, 12.05.2017Baltensperger, E. und K. Neusser (2014), Ungewisse Kosten- und Effizienzfolgen von Vollgeld, NZZ, 03.02.2014Binswanger, H. C., Zentralbanken mussen die Kontrolle zuruckgewinnen, NZZ, 03.02.2014Baumberger, J. (2014), Die Voll-/Leergeldreform, NZZ, 27.05.2014Bernholz, P. (2014), Geldpolitik im Visier der direkten Demokratie, NZZ, 14.04.2014Canetg, F (2018), Von Vollgeld, Notenbankgeld und Schulden, Sudostschweiz, 19.04.2018Canetg, F (2018), Mit Leergeld bezahlen?, Basler Zeitung, 05.01.2018Fuster, T., Ein kritischer Blick auf das Kreditwesen, NZZ, 02.09.2015Harringer, R., Unsachliche Kritik an der Vollgeldinitiative, NZZ, 08.02.2018Harringer, R., Ein transparentes Anliegen, NZZ, 24.05.2017Niepelt, D. (2016), Elektronisches Notenbankgeld ja, Vollgeld nein, NZZ, 16.06.2016Niepelt, D. (2014), Vollgeld, Liquiditat und Stabilitat, NZZ, 12.05.2014Wegelin, Y. (2015),

”Die Banken konnen so viel Geld schaffen, wie sie wollen“, WOZ, 06.08.2015

Bacchetta, P. (2018), The Sovereign Money Initiative in Switzerland: An Assesment, Swiss Journal of Economics and Statistics, 154:3.Benes, J. und M. Kumhof (2012), The Chicago Plan Revisted, IMF-Working Paper, WP 12/202.Gomez, C. (2018), A reply to M. Bacchetta’s article:

”The Sovereign Money Initiative in Switzerland: An Assessment“, unpublished.

Mayer, T. und R. Huber, Vollgeld - Das Geldsystem der Zukunft, Tectum Sachbuch.Niepelt, D. (2017), Die Vollgeld-Initiative und eine Alternative, in: SNB (Hrsg.), Monetary Economic Issues Today, Orell Fussli.

Hess, M. (2017), Vollgeld-Initiative, www.swissbanking.org, undatiertHess, M. (2015), Der Zauberlehrling werkelt am Finanzsystem, www.swissbanking.org, 01.12.2015Niepelt, D. (2016), Kosten eines Vollgeld-Systems sind hoch, dievolkswirtschaft.ch, 21.12.2016

31

Glossar

Liste von Begriffen und Abkurzungen, die ich wahrend des Referats verwende. Die Erklarungen sind auf das Referat angepasst undhaufig stark vereinfacht. Mit einem * sind Begriffe markiert, die ebenfalls in dieser Auflistung zu finden sind.

100% Money: Ein Konzept, in dem die Geschaftsbanken 100% der Depositen* in Notenbankgeld* halten mussen.Bank Run: unerwartete, ubermassige Geldruckzuge von Bankkunden und BankkundinnenBankanleihe: Ein Vermogenswert, den die Bank fur x Franken verkauft. Das Produkt verspricht die spatere Ruckzahlung von z Franken.Eigenhandel: Geldschopfung* der Geschaftsbanken, um fur sich selbst Aktien / Anleihen / etc. zu kaufen.ex nihilo: aus dem NichtsGeldschopfung: Der Wirtschaft mehr Schweizer Franken zur Verfugung stellen; mehr Schweizer Franken in Umlauf bringenHelicopter Money: Permanente Geldschopfung* durch ZentralbankenLiquiditatsrisiko: Das Risiko, dass die Geschaftsbank nicht alle Anspruche rechtzeitig bedienen kann.Notenbankgeld: per Definition gleich den flussigen Mitteln* (plus den Noten; von diesen abstrahiert das Referat allerdings meist)Seigniorage: staatliche Gewinne aus der Geldschopfung*SNB: Schweizerische NationalbankSolvenzrisiko: Das Risiko, dass die Geschaftsbank weniger Vermogenswerte besitzt, als Anspruche an sie gestellt werden.Transfer: vom Staat in die Wirtschaft: bspw. ein Geldgeschenk von der Zentralbank; von der Wirtschaft zum Staat: bspw. SteuernZinsdifferenz: Zins, den die Geschaftsbank fur einen Kredit verlangt - Zins, den sie den Kunden auf dem ihren Konten gutschreibt

Aus den Bilanzen:

Depositen: bspw. Lohn-/Transaktionskonten von Burgerinnen und BurgernDevisenanlagen: Vermogen der Zentralbank in auslandischen WahrungenFlussige Mittel: Transaktionskonto, das die (aggregierte) Geschaftsbank bei der Zentralbank haltForderungen ggu. Kunden: bspw. Hypothekarforderungen der Geschaftsbank gegenuber ihren Kunden