Dr. Andrej Holm - armutskongress.de · Armutskongress, Berlin, 10./11. April 2019 Dr. Andrej Holm...

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Armutskongress, Berlin, 10./11. April 2019

Dr. Andrej Holm

„(Kein) gutes Wohnen für alle? Wie ‚Armutsprobleme‘ in der Mitte

der Gesellschaft ankommen“

„Es gibt einen stetigen

Konflikt zwischen dem

Wohnen als Zuhause und

dem Wohnen als Immobilie“

David Madden & Peter Marcuse: „In Defense of Housing“ (2016)

Wohnverhältnisse

Holm, Andrej; Lebuhn, Henrik; Neitzel, Kevin; Junker, Stephan 2017: Wohnverhältnisse in Deutschland - eine Analyse der sozialen Lage in 77 Großstädten. Forschungsbericht, Hans-Böckler-Stiftung.

Wohnverhältnisse Einkommen bestimmt die Wohnverhältnisse: • Je höher das Einkommen, desto bessere Ausstattung

• Je höher das Einkommen, desto größer die Wohnflächenkonsum

• Je höher das Einkommen desto sicherer die Wohnverhältnisse

• Je höher das Einkommen desto geringer die Mietbelastungsquote [4 von 10 Haushalten zahlen > 30%]

• Je höher das Einkommen desto leichter der Zugang zur Wohnungsversorgung

Wohnverhältnisse

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Mietbelastungsquoten und Pro-Kopf-Einkommen

Einkommen / Person Median

Euro

Wohnkosten: Geringe Einkommen = hohe Mietbelastung

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Macht Miete arm? Alleinerziehende mit einem Kind Haushaltseinkommen: 1.110 € Nettogehalt + 192 € Kindergeld ________________ = 1.332 € = 59% Medianeinkommen

Lehrerehepaar ohne Kinder

Haushaltseinkommen:

2.207 € Nettogehalt I + 2.207 € Nettogehalt II __________________

= 4.414 € = 198% Medianeinkommen

Macht Miete arm?

Alleinerziehende mit einem Kind Haushaltseinkommen: 1.110 € Nettogehalt + 192 € Kindergeld ________________ = 1.332 € = 59% (Medianeinkommen)

Lehrerehepaar ohne Kinder

Haushaltseinkommen:

2.207 € Nettogehalt I + 2.207 € Nettogehalt II __________________

= 4.414 € =198% (Medianeinkommen)

1 : 3,3

Macht Miete arm?

Alleinerziehende mit einem Kind Haushaltseinkommen: = 1.332 € Mietbelastung 39,7% Miete 528,80 €

Resteinkommen:

= 803,20 €

Lehrerehepaar ohne Kinder

Haushaltseinkommen:

= 4.414 € 17,2% Mietbelastung 759,21 € Miete

Resteinkommen:

= 3.654,79 €

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1 : 4,6

Wohnen und Ungleichheit Wohnungsmarkt mit Zirkulation von Zahlung und Einnahme als fortgesetzte Eskalation von Vermögensungleichheiten

Wohnverhältnisse haben als Wohnsituationen und Umgebungskontexte Auswirkungen für die Lebenschancen

Wohnverhältnisse sind in Wohnversorgungsystemen mit marktförmigen Verteilungsmechanismen ein Effekt der sozialen Lage.

Wohnen als zentrales Medium bei der Reproduktion von sozialen und räumlichen Ungleichheiten.

Wohnungspolitik mit Steueranreizen, Wohngeld und Fördermitteln und als staatliches System der Umverteilung

Ökonomie der Ertragserwartung in

den wachsenden Städten

=

Krise der sozialen Wohnversorgung

Steigende Miet- und Kaufpreise

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2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Kaufpreis- und Mietentwicklung (Index)

Bestandsmiete Neuvermietungsmieten Kaufpreise Eigentumswohnungen

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Entkopplung der Wohnkosten von den Einkommen

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Kaufpreis- und Mietentwicklung (Index)

Bestandsmiete Neuvermietungsmieten

Kaufpreise Eigentumswohnungen mittleres monatliches Einkommen

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3,11

3,75 4,284,40

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Mietentwicklung in Euro/qm (nettokalt)

Mietpreise (Bestand) Neuvermietungsmiete

Ökonomie der Ertragslücke = Verdrängungsdruck

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• Eigenbedarfskündigung

• Verwertungskündigung

• Modernisierungsumlage

• Mieterhöhungen nach Mietspiegel

• Fiktive Modernisierungsankündigungen

• Aktives Entmietungsmanagement

• Zerstörung von Wasser, Gas und Strom

• Kündigungsklagen wegen Bagatellvergehen

• Angebot von Auszugsprämien

• Baulärm und Gerüste

Ökonomie der Ertragslücke = Verdrängungsdruck

„…und dann kam der neue Eigentümer“

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Kaufpreis- und Mietentwicklung (Index)

Bestandsmiete Neuvermietungsmieten

Kaufpreise Eigentumswohnungen mittleres monatliches Einkommen

Holm, Andrej (2016): Gentrification und das Ende der Berliner Mischung. In: von Einem, Eberhardt (Hg.): Wohnen. Markt in Schieflage - Politik in Not. Wiesbaden: Springer VS, 191-231

235%

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Kaufpreis- und Mietentwicklung (Index)

Kaufpreise bebaute Grundstücke Bestandsmiete Neuvermietungsmieten

Kaufpreise Eigentumswohnungen mittleres monatliches Einkommen

Holm, Andrej (2016): Gentrification und das Ende der Berliner Mischung. In: von Einem, Eberhardt (Hg.): Wohnen. Markt in Schieflage - Politik in Not. Wiesbaden: Springer VS, 191-231

„Es gibt einen stetigen

Konflikt zwischen dem

Wohnen als Zuhause und

dem Wohnen als Immobilie“

David Madden & Peter Marcuse: „In Defense of Housing“ (2016)

„Was für Wohnungen werden

eigentlich gebraucht?“

Wohnversorgungsbedarf leistbar

angemessen

bedarfsgerecht

4,9 Mio. Haushalte

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< 4€/m²

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5 > 6 €/m²

6 > 7€/m²

7 > 8 €/m²

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9 > 10€/m²

10 > 11 €/m²

11 > 12€/m²

12 > 13€/m²

13 > 14 €/m²

14 > 15 €/m²

> 15€/m²

Versorgungsbedarf nach Mietpreisklasse und Haushaltsgröße

1 Person (< 45m²)

2 Personen (45m² < 60m²)

3 Personen (60m² < 75m²)

4 Personen (75m² < 90m²)

5 Personen (90m² < 105m²)

Anzahl der Haushalte

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Median Versorgungsbedarf

5,3 Mio. Haushalte (39 Prozent)

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Versorgungslücke: 1,9 Mio. leistbare

Wohnungen Holm, Andrej; Lebuhn, Henrik; Neitzel, Kevin; Junker, Stephan 2018: Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten? Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 63, April 2018.

„Wer schließt die

Versorgungslücke von 1,9 Mio.

leistbaren Wohnungen?“

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Mietentwicklung in Euro/qm (nettokalt)

Mietpreise (Bestand) Neuvermietungsmiete

Holm, Andrej; Lebuhn, Henrik; Neitzel, Kevin; Junker, Stephan 2018: Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten? Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 63, April 2018.

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Kaufpreise (Eigentumswohnungen) in Euro/qm

Kaufpreise (Eigentumswohnungen)

Holm, Andrej; Lebuhn, Henrik; Neitzel, Kevin; Junker, Stephan 2018: Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten? Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 63, April 2018.

„Private Immobilieninvestition zielt

auf Gewinne“

= „Soziale Blindheit des Marktes“

„Was macht eigentlich

der Staat?“

Rückzug aus dem geförderten Wohnungsbau…

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1992

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1998

2001

2004

2007

2010

Fördervolumen sozialer Wohnungsbau

Mietwohnungen

Eigentumswohnungen

Wohnungen gesamt

Holm, Andrej (2016): (Un)sozialer Wohnungsbau. Schwerpunkt der Berliner Verdrängungsdynamik. In: Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt, Vol. 2 (Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau), 13-99

Auslaufende Bindungen …

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Objektförderung Subjektförderung

Wohnungspolitik als Wirtschaftsförderung…

Holm, Andrej; Horlitz, Sabine; Jensen, Inga 2017: Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Voraussetzungen, Modelle und erwartetet Effekte. Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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steuerliche Begünstigung Mio. € Subjektförderung Mio. € Objektförderung Mio. €

Mio

. €

vor Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit

nach Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit

Wohnungspolitik als Wirtschaftsförderung…

Holm, Andrej; Horlitz, Sabine; Jensen, Inga 2017: Neue Wohnungsgemeinnützigkeit. Voraussetzungen, Modelle und erwartetet Effekte. Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

„Soziale Wohnungsversorgung ist

eine öffentliche Aufgabe und

muss gegen private Geschäfts-

interessen durchgesetzt werden“

Herausforderungen Mieterschutz & Mietpreisschutz Mietsteigerungen bei hohen Mietbelastungen einschränken

Foto: Karin Desmarowitz / Campact; www.karindesmarowitz.de / (CC BY-NC 2.0)

Wohnen neu denken! Leistbarkeit: Mietenkosten an Einkommen orientieren

Wohnen als „soziale Infrastruktur“ Ausweitung der gemeinnützigen und öffentlichen Wohnungsbestände

Günstigen Wohnraum neu schaffen Sozialer Wohnungsbau mit Dauerbindung auf spekulationsfreien Grundstücken

„Es gibt keinen Mangel an konkreten

Vorschlägen zur Umsetzung einer

sozialen Wohnungspolitik…“

Neue Wohnungsgemeinnützigkeit

„Es gibt keinen Mangel an konkreten

Vorschlägen zur Umsetzung einer

sozialen Wohnungspolitik, … es

fehlt allein am politischen Willen“

Immobilien-Verwertungs-Koalition

Repolitisierung der Stadtpolitik

Die Stadt von Morgen ist schon da!

@AndrejHolm

a.holm@sowi.hu-berlin.de

www.gentrificationblog.wordpress.com