Post on 05-Apr-2015
Entwicklungspsychologie für Lehrer
Die intellektuelle Entwicklung im Vorschulalter
Inhalt der Veranstaltung
Entwicklung kognitiver Leistungen Das Gedächtnis / die Intelligenz Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Literaturhinweise
Hackfort, Dieter (2003): Studientext Entwicklungspsychologie 1. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag. Kap II.
Keller, Gustav (2000): Schulische Entwicklungspsychologie. Donauwörth: Auer Verlag. Kap. 4.4
Oerter, Rolf (Hrsg.) (2002): Entwicklungspsychologie. Weinheim: Beltz Verlag. (Präsenzbestand Uni-Bibliothek)
Rossmann, Peter (1996): Einführung in die Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters. Bern: Hans Huber Verlag. Kap. 9.
Sander, Elisabeth: Skript-Auszug
Die Überwindung des kleinkindhaften Weltbildes
Anthropomorphistisches Denken des Kindes logisch-kausales Denken Erwachsener
Überwindung des Anthropomophismus etwa mit 5. Lebensjahr
Unterscheidung zwischen belebter & unbelebter Welt wird möglich
Deutlich durch „als-ob-Charakter“ des Rollenspiels
Wahrnehmung
Wesentlicher Entwicklungsfortschritt im Vorschulalter:
Differenzierung der Wahrnehmung Entwicklung ermöglicht Orientierung in
der räumlichen, zeitlichen, personalen & dinglichen Umwelt
Wahrnehmung
Grundlage der Raumorientierung: Tiefensehen Wahrnehmungskonstanz
Eroberung des Raumes
Raumkategorien in denen des Kind denkt: Topologischer Raum
= Kategorie der Nachbarschaft, Geschlossen-heit & Eingeschlossenheit
Euklidischer Raum
= Dimensionen Höhe, Länge, Breite - können noch nicht miteinander in Beziehung gebracht werden
Gestaltwahrnehmung
Formwahrnehmung: Bereits im 1. Lebensjahr vorhanden (weil
lebenswichtig) Unterscheidung von Gesichtern im 8. Monat 3. Lebensjahr - Unterscheidung zwischen
Längen, Höhen, Flächen, Farbtönen
Gestaltwahrnehmung
Raum-Lage-Indifferenz: 2. Lebensjahr – Schwierigkeiten in der
Wahrnehmung gegenständlicher Gebilde Bsp. Bilderbuch wird verkehrt herum gehalten
Ab 3. Lebensjahr – Korrektur der Raum-Lage-Indifferenz durch Lebenserfahrung
Gestaltwahrnehmung
Schwierigkeiten der Wahrnehmung der Raumlage von Gestalten (oben, unten, rechts, links)
Differenzierung wichtig für Erlernen von Lesen & Schreiben
Schwierigkeiten der verbalen Bezeichnung von links & rechts bis ins Schulkindalter
Differenzierte Wahrnehmung
Teilinhaltliches Erfassen: Ab 4. Lebensjahr Isolierung von Objekten & Bildern Erkennen von Unterschieden auf versch.
Bildern Aufmerksamkeit & Konzentrationsfähigkeit als
wichtige Voraussetzung
Zeitwahrnehmung / Zeitperspektive
Zeitablauf wird repräsentiert durch: Anschauliche & räumliche
Gegebenheiten
Beurteilung der Länge der Zeit: Nach sichtbarem Effekt
Zeitwahrnehmung / Zeitperspektive
Experiment: zurückgelegter Weg von Spielzeugautos
Auto A fährt in gleicher Zeit eine weitere Strecke als Auto B
Zeitwahrnehmung / Zeitperspektive
Wahrnehmung des Zeitablaufes: Das Längere; Größere, Intensivere
= längerer Zeitablauf
Beurteilung des Alters von Personen: Wird gleichgesetzt mit der Körpergröße
Zeitwahrnehmung / Zeitperspektive
Zeitperspektive: Entwicklung anhand eines geordneten
Tagesablaufs Schwierigkeiten mit Standpunktrelationen
(gestern, heute, morgen) – bis ins 5. Lebensjahr
Erfassung größerer Zeiträume mit Hilfe emotionaler Markierungspunkte
Das Gedächtnis
Größte Leistung des frühkindlichen Gedächtnisses im Bereich der Sprache
Erinnerung an positiv & negativ besetzte Personen, Objekte, Ereignisse & Orte
Selektion der eindringenden Reize durch Egozentrismus
Die Intelligenz
Intelligenz:
• Leistungsgrad der psychischen Funktionen in ihrem Zusammenwirken bei der Bewältigung neuer Situationen
Die Intelligenz
Zu Beginn der Intelligenzentwicklung: Erfassen von Beziehungen auf der
sensumotorischen Ebene
(Werkzeugdenken)
Die Intelligenz
Voraussetzungen für höhere Leistungen im sprachlichen & nicht-anschaulichen Gebiet:
Merkmalsdiskriminierung Verfügen über Begriffe Wissen um Regeln
Wahrnehmungsdifferenzierung & Intelligenz
Wesentliche Charakteristik der Intelligenz: Fähigkeit der realistischen Hinwendung zur
Umwelt Teilinhaltliche Erfassung von
Wahrnehmungsinhalten Ab 4 ½ Jahren: Korrelation zwischen visueller
Differenzierungsfähigkeit & messbarer Intelligenz
Verlagerung: praktisches Handeln
Vorstellungsebene Loslösung von wahrnehmbaren &
konkreten Einzelsituationen Gedankliche Vorwegnahme der Lösung
auf der Vorstellungsebene
Problemlöseverhalten
Begriffsbildung
Beginn der Sprachentwicklung: übergreifende Generalisierung von Merkmalen
Zunehmende Differenzierung ermöglicht Individualbegriffe & später Gattungsbegriffe
Ende des Vorschulalters - Ablösung des Denkens von konkreter Sachvorstellung
Begriffsbildung
Entwicklung:
1. perzeptuelle Begriffsbildung (Gruppierung nach wahrnehmbaren Gegenstandsmerkmalen)
2. relationale Begriffsbildung (vom Eigenerlebnis bestimmt)
3. Bildung von Oberbegriffen
(1896-1980)Schweizer PsychologeBegründer der Genfer Schule
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Grundgedanke Piagets: Entwicklung der Intelligenz = Prozess
einer Veränderung von Denkstrukturen Entwicklung erfolgt in qualitativ klar
abgrenzbaren Stadien Abfolge der Stadien festgelegt – nicht
umkehrbar
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Aktiver Prozess – durch aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt gewinnt Individuum fortschreitend Erkenntnisse
Piaget - zahlreiche Experimente zu Strukturveränderungen der Entwicklung intelligenten Verhaltens
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Intelligenz nach Piaget: Prozess zwischen Individuum & Umwelt,
zur Herstellung eines Gleichgewichts
= Äquilibration Entwicklung von einfachsten Formen der
Umweltbegegnung immer komplexere Formen der Umweltbewältigung
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Zentrale Begriffe: Kognitives Schema / kognitive
Organisation Assimilation Akkomodation
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Assimilation: Aufnahme eines Gegenstandes in geistiges
Schema (Rassel wird gegriffen = Assimilation der Rassel in das Greifschema)
Akkomodation: Anpassung der Schemata in die Wirklichkeit
(Struktur des Greifens muss an den zu greifenden Gegenstand angepasst werden)
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Intelligenzentwicklung nach Jean Piaget
Stufenförmige Intelligenzentwicklung: Sensumotorik (1. Lebensjahr) voroperatorisches / anschauliches
Denken (2.-7. Lebensjahr) konkrete Operation (7.-11. Lebensjahr) formal-logisches Denken (ab 11.
Lebensjahr)
Sensumotorische Intelligenz
Sensumotorische Intelligenz: praktische Intelligenz Kleinkind lernt Wahrnehmung & Motorik
miteinander zu koordinieren Kleinkind kann nur verstehen, was sich
„begreifen“ & bewegen lässt
Sensumotorische Intelligenz
Unterteilung in 6 Stufen:
1. Übung angeborener Reflex- mechanismen:
(1. Monat) Säugling ausgerüstet mit angeborenen
Reflexen & Sinnesorganen
Sensumotorische Intelligenz
2. Primäre Kreisreaktionen:
(1.- 4. Monat) Wiederholung von Handlungen, die zu
einem angenehmen Ergebnis führen Erste Gewohnheiten bilden sich aus generalisierende Assimilation
Sensumotorische Intelligenz
3.Sekundäre Kreisreaktionen: (4.-8.Monat)
Differenzierung von Mittel und Zweck Entdeckung: bestimmte
Handlungsweisen führen immer zum selben Ergebnis
Motorisches Erkennen
Sensumotorische Intelligenz
4. Koordinierung erworbener Handlungs-schemata & Anwendung auf neue Situationen: (8.-11.Monat)
Anwendung mehrer Handlungsschemata auf den gleichen Gegenstand
Differenzierung der Handlungsschemata Anpassung der Handlungsschemata auf den
Gegenstand
Sensumotorische Intelligenz
5. Tertiäre Kreisreaktionen:
(1-1 ½ Jahren) Entdeckung neuer Handlungsschemata
durch aktives Experimentieren Systematisches Ausprobieren
verschiedener Möglichkeiten
Sensumotorische Intelligenz
6. Übergang von sensumotorischer Intelligenz zur Vorstellung: (1 ½ -2Jahre)
Werkzeugdenken Ergebnisse der eigenen Handlungen werden
antizipiert (2 ½ Jahren) Handlungen werden innerlich vollzogen Aha-Erlebnis
Entwicklung der Darstellungs- und Symbolfunktion
Entdeckung der Objektpermanenz:
(6.-8. Monat) Erkenntnis - Gegenstand existiert auch
dann noch, wenn man ihn nicht sieht Kinder beginnen nach einem versteckten
Gegenstand zu suchen
Entdeckung der Objektpermanenz
Entwicklung der Darstellungs- und Symbolfunktion
Entwicklung der Darstellungs- und Symbolfunktion
Nachahmungsverhalten: Handlung wird nachgeahmt, wenn sie innerlich
repräsentiert ist
Symbolhandlung: Objekt / Handlung wird durch ein Zeichen oder
Symbol ersetzt z.B. Schlafen spielen
Voroperatorisches, anschauliches Denken
Charakteristika:
1.Denken und Urteilen in Analogien
2. Animistische Weltdeutungen: Vorstellung des Kindes alle Dinge, Objekte
seien belebt Vorstellung der Personifizierung, Beseelung,
phantastische Belebungen der Erscheinungen in Natur und Gesellschaft
Voroperatorisches, anschauliches Denken
3.Denken durch eingeschränkte Beweglichkeit und fehlendes Gleichgewicht charakterisiert
4. Finalistische Erklärungen: Objekten werden menschliche Züge,
Verhaltensweisen zugeschrieben
Voroperatorisches, anschauliches Denken
5. Egozentrismus: Unvollständige Unterscheidung zwischen
Selbst & Außenwelt Tendenz die Welt aus eigener
Perspektive wahrzunehmen
Voroperatorisches, anschaulichesDenken
Demonstration egozentrischer Wahrnehmung:3-Berge-Versuch
Voroperatorisches, anschaulichesDenken
Mengenbegriff: Fehlen des Begriffs der Mengenkonstanz
im Vorschulalter
= Mengeninvarianz Umschüttversuche Piagets mit 4-5
jährigen Kindern
Prüfung der Einsicht in die Invarianz der Menge bei Operationen des Umfüllens
Voroperatorisches, anschaulichesDenken
Voroperatorisches, anschaulichesDenken
Pendelversuch: Faktoren von denen die Frequenz
eines Pendels abhängt = Gewicht / Länge
Nur eine der beiden Dimensionen wird im voroperatorischen Stadium betrachtet
Voroperatorisches, anschaulichesDenken
Pendelversuch:Dimensionen Gewicht & Länge können nicht kombiniert werden
Kritik an Piagets Theorie
Unterschätze Kompetenzen: Kinder viel früher zu kognitiven Leistungen
fähig als von Piaget angenommen Kausales Denken von Vorschulkinder ähnelt
dem Erwachsener Mehr Fähigkeiten angeboren als vermutet
Kritik an Piagets Theorie
Stufenförmige Entwicklung Asynchrone Entwicklung zum
Stadienkonzept häufig vorzufinden
Vernachlässigung sozialer, kultureller & historischer Faktoren
Intelligenztests im Kleinkindalter
Prognostischer Wert des IQ im Vorschulalter gering
Sehr große Entwicklungsrückstände oder –vorsprünge zu erkennen
Testung aufgrund der Eigenwilligkeit des Kleinkindes problematisch