Jugendliche Lebenswelten und der Einfluss auf die Ambulanten … · 2018-06-07 · Gliederung 1....

Post on 26-Jul-2020

4 views 0 download

Transcript of Jugendliche Lebenswelten und der Einfluss auf die Ambulanten … · 2018-06-07 · Gliederung 1....

02.12.2016

Dresdner Gesprächskreis Jugendhilfe und Justiz

Prof. Dr. phil. Angela Teichert

Dipl. Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (FH)

Jugendliche Lebenswelten und der Einfluss auf die

Ambulanten Maßnahmen

Gliederung

1. Jugendliche Lebenswelten

2. Handlungsfähigkeit und Bewältigungskompetenzen in

prekären Lebenswelten

3. Bewältigung von Entwicklungsaufgaben

4. Lebenswelt, Sozialraum, Ort und Biografie

5. Einfluss auf die Soziale Arbeit in den Ambulante

Maßnahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz

1. Jugendliche Lebenswelten

Sinus Jugendstudie 2016

Ergebnisse der Sinus-Jugendstudie 2016

• 7 unterschiedliche Lebenswelten: Jugendliche grenzen

sich bewusst voneinander ab,

– am stärksten von jenen am unteren Rand der Gesellschaft.

• Alle haben eins gemeinsam: Sie empfinden einen

extremen Leistungsdruck.

Sinus Jugendstudie 2016

Jugendliche in prekären Lebenswelten

• Jugendliche in prekären Lebenswelten

– sind um Orientierung und Teilhabe bemüht

– haben schwierige Startvoraussetzungen

– besitzen allerdings eine Durchbeißermentalität

Sozial benachteiligte Jugendliche werden vor allem von

Jugendlichen aus der Mitte der Gesellschaft

ausgegrenzt.

Sinus Jugendstudie 2016

Lebenslage als Teil der Lebenswelt

• Die schlechte Lebenslage der Familie und die Beziehungs-

unsicherheit der Eltern schlagen sich auf die Gefühle von

Minderwertigkeit und mangelndem Selbstvertrauen nieder.

Die Erfahrung des Am-Rand-Lebens, des Zu-Kurz-Kommens wird

mit besonderer Leidenschaft wahrgenommen und in eigene

Reaktionen umgesetzt.

Entwicklungs- und Übergangsaufgaben können zu Überforderung

und Verunsicherung führen.

Richter & Mielck, 2006 in Hurrelmann & Quenzel, 2013, 249)

Prekäre Lebenslage und die Bewältigung

von Übergängen

Als Transitionen [Übergänge] werden komplexe, ineinander

übergehende und sich überblendende Wandlungsprozesse

bezeichnet, wenn Lebenszusammenhänge eine massive

Umstrukturierung erfahren (…).

Verdichtete Entwicklungsanforderungen, die bewältigt werden müssen

Griebel & Niesel, 2004, 35

Überforderung bewältigen mit Gewalt

• Überforderung

– kann zum Rückzug führen.

– kann auch zu Gewalt führen: kräftig, selbstbewusst und

körperlich direkt sich und den anderen zeigen, wer man ist.

Wenn Verzweiflung und Hass aus Unrecht und Elend

sich mit Unsicherheit und Überforderung verbinden, dann

ist Gewalt eine mögliche Bewältigungsstrategie.

Thiersch, 2014, 63 f.

2.

Handlungsfähigkeit

und Bewältigungs-

kompetenzen in

prekären

Lebenswelten

Kritische Lebensereignisse und Handlungsfähigkeit

• Kritische Lebensereignisse (Filip)

– auftretende Ereignisse im Leben einer Person

– Veränderungen der (sozialen) Lebenssituationen der Person

– entsprechenden Anpassungsleistungen

• Desintegration gibt Anlass Handlungsfähigkeit

wiederherzustellen.

Handlungsfähigkeit kann sich widerspiegeln in norm-

widrigem Verhalten, welches soziale Desintegration noch

fördert.

Böhnisch, 2011, 57 / Filip, 1995, 23

Lebensbewältigung und Handlungsfähigkeit

• Streben nach subjektiver Handlungsfähigkeit in Lebens-

situationen , in denen eine Gefährdung des psycho-

sozialen Gleichgewichts vorliegt

– personale und soziale Ressourcen genügen nicht.

• Kritische Bewältigungskonstellationen:

– Selbstwertverlust

– Orientierungslosigkeit

– Fehlender sozialer Rückhalt.

Böhnisch, 2012, 45 ff.

Handlungsfähigkeit am Beispiel des

Gewalthandelns

• Gewalt kann als der letzte und extremste Versuch

verstanden werden, Handlungsfähigkeit zu erlangen,

wenn

Der Gewaltakt stellt subjektiv Orientierung her und gibt

einen spektakulären Selbstwertschub.

Böhnisch, 2011, 57

3. Die Bewältigung von

Entwicklungsaufgaben

„Partizipieren“ und „Konsumieren“

• Entwicklung

– eines individuellen Werte- und Normensystems

– von kontrolliertem Umgang mit Konsum- und Freizeitangeboten

(z.B. Genussmittel)

• Kompetenzerwerb für Mitgliedsrollen:

– eines Bürgers und eines Konsumenten.

Fähigkeit zur aktiven Beteiligung und zu einem

selbständigen Umgang mit den Angeboten

Lit: Hurrelmann & Quenzel, 2012, 28, 37

Risikowege bei der Bewältigung von den Entwick-

lungsaufgaben „Partizipieren“ und „Konsumieren“

• Nach außen gerichtetes Problemverhalten

– Aggressionen und Gewalt

• Ausweichendes Problemverhalten

– Konsum von legalen/illegalen Drogen

– unbeschränkte Nutzung von Medien

Hurrelmann & Quenzel, 2012, 230 f.

Ungleiche Verteilung der Bewältigungskompetenzen

• Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien erleben

einen Nachteil der Individualisierung:

Gefordert wird ein deutlich höherer Bildungs- und

Reflexionsgrad. Nicht alle Jugendlichen verfügen über die

notwendigen Kompetenzen.

Lit: Hurrelmann & Quenzel, 2012, 245 f.

Die Bedeutung von Peers in jugendliche

Lebenswelten

• Wichtiges Medium ist die Gesellschaft der Gleichaltrigen – der Peers (Thiersch, 2014, 64)

• Die eigenständige Jugendkultur wird bedeutsam für die Identität.

Die Jugendlichen geraten unter den Peers in eine soziale Randposition

und sind nicht in der Lage, ihre Bewältigungsstrategien auf die

Anforderungen in Schule, Peers, Freundeskreis und Öffentlichkeit

auszurichten (Richter/Mielck, 2006 in Hurrelmann & Quenzel, 2013, 249).

4. Lebenswelt, Sozialraum,

Ort und Biografie

Geschlossene Räume und Entwicklungsmöglichkeiten

„Raum entsteht durch Wahrnehmungs-, Definitions- und

Zuschreibungsprozesse, die Orte und dort lebenden

Menschen gleichsam ihre Namen geben“ (Budde/Früchtel, 2007,

907).

Geschlossene Räume geben dem Menschen kaum

Möglichkeiten für individuelle Entwicklungsspielräume (Schumann, 2004, 325)

Offene Räume und Entwicklungsmöglichkeiten

Offene Räume:

• ermöglichen eher die Entwicklung einer individuellen

Biografie.

• enthalten „biografische Ressourcen und Anregungen“.

• sind „anschlussfähig an die soziale Umwelt und in sich

plural strukturiert“.

Reutlinger, 2002, 366

Lebenswelt und Sozialraum

• Jugendliche werden als handelnde Personen gesehen

– individuelle Ausdrucksformen schlägt sich sozialräumlich nieder

– interessant für lebensweltorientierte und sozialräumliche

Jugendarbeit.

– Verständnis der lokalen Welt, die eine Mehrzahl von Peers teilt (Boettner, 2009, 271).

Veränderungsmöglichkeiten sind oft auf die strukturelle

Ebene gerichtet, nicht auf den „Räumen“.

Deinet/Krisch, 2006, 31

5. Einfluss auf die Soziale

Arbeit in den Ambulanten

Maßnahmen nach dem

Jugendgerichtsgesetz

Soziale Arbeit in eigener Verantwortung

Es ist eine Gradwanderung zwischen:

• Verstehen und Auseinandersetzung

• Sich Einlassen und Auf-Abstand-Gehen

• Vertrauen und Distanz.

Die verschiedenen Konzepte gelingen da, wo ihr im Kontext der

Sozialen Arbeit zugestanden wird, in eigener Verantwortung zu

handeln.

Thiersch, 2014, 71 ff.

Möglichkeiten für Soziale Arbeit in den

Ambulanten Maßnahmen nach dem JGG (1)

Intensive Auseinandersetzung

• mit der Lebenswelt der Jugendlichen und dem Thema Gewalt

• mit Übergängen und Handlungs- und Bewältigungskompetenzen

• mit Möglichkeiten des Partizipierens und des Konsumierens

• mit dem Sozial- und Lebensraum.

Berücksichtigung der Autonomie und persönlichen Fähigkeiten

zeigen lassen des Sozialraumes (Boettner, 2009, 280) unter Führung

des „Einheimischen“

Soziale Arbeit als Kunst

„Jede Form von Begleitung und Förderung, von

Befähigung und Hilfe muss kunstvoll sein.“ Andreas Kruse

• Um ein professionelles Konzept zur Strukturierung des

Hilfeprozesses zu erstellen, ist

– eine sensible sozialpädagogische Theoretisierung,

– eine sensible sozialpädagogische Methodisierung und

– eine sensible und professionelle Haltung notwendig.

Herzlichen Dank und ich

wünsche Ihnen viel Freude in

Ihrer Arbeit mit Jugendlichen in

den Ambulanten Maßnahmen

und Mut, Neues

auszuprobieren.

Literatur

• Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz & Bund

der Deutschen Katholischen Jugend. (2016). Wie ticken Jugendliche? Sinus

Jugendstudie

• Böhnisch, Lothar. (2012). Sozialpädagogik der Lebensalter. Beltz Juventa.

• Boettner, Johannes. Sozialraumanalyse. In: Michel-Schwartze, Brigitta.

(Hrsg.). (2009). Methodenbuch Soziale Arbeit. Basiswissen für die Praxis. (2.

Aufl.). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

• Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. (2014). Kinder-

und Jugendhilfe. Achtes Buch Sozialgesetzbuch. (14. Aufl.).

• Hurrelmann, Klaus & Quenzel, Gudrun. (2013). Lebensphase Jugend. Eine

Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung. (12. Aufl.). Beltz

Juventa.

• Thiersch, Hans. (2014). Lebensweltorientierte Arbeit. Aufgaben der Praxis im

sozialen Wandel. (9. Aufl.). Beltz Juventa.

Bildquellen

Bild Folie 3: http://www.wie-ticken-

jugendliche.de/fileadmin/_processed_/csm_Grafik_Lebenswelten_u18_f4dc4b811f.jpg

Bild Folie 9: http://leonard-consulting.de/wp-content/uploads/2014/08/coaching-color.jpg

Bild Folie 13: http://www.paedagogische-angebote-

sgh.ch/uploads/media/Partizipation_0.jpg

Bild 1 Folie 18 : http://verteidiger.strafakte.de/wp-content/uploads/sites/2/2015/02/u-

haft_untersuchungshaft_hamburg_holstenglacis_strafverteidiger_anwalt_rechtsanwalt-

1920x749.jpg

Bild 2: 18 Folie: http://www.filmtippp.de/altemolkerei/index_htm_files/5612.jpg

Bild 1 Folie 22:

http://www.bmjv.de/SharedDocs/Bilder/DE/Themenseiten/taeterOpferAusgleich.png?__bl

ob=normal&v=2

Bild 2 Folie 22: http://www.outdooraktion.de/bilder/was_erlebnis.jpg