Klimaforschung: gestern – heute – morgen Wien, 24. März 2014 Geschichte der Klimaforschung –...

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Klimaforschung: gestern – heute – morgen

Wien, 24. März 2014

Geschichte der Klimaforschung –

Signifikanz jenseits des Interessanten

Hans von StorchInstitut für Küstenforschung, Helmholtz Zentrum Geesthacht

Zweifache historische Dimension

● Evidenz für gesellschaftliche ProzesseEinschätzung unserer kulturellen Konditionierung für die Erklärung des ansonsten “Unerklärlichen” durch menschliche Einflüsse auf das Klima

● Evidenz für geophysikalische VariabilitätUnterscheidung zwischen natürlichen und anthropogenen Klimaschwankungen

In diesem Vortrag ist immer der “historische” Zeithorizont von nicht mehr

als 1000-2000 Jahren gemeint!

Teil I

Die kulturelle Dimension der

Erklärung “Anthropogener

Klimawandel” - oder die Geschichte

(der Wahrnehmung) des menschgemachten

Klimawandel

Im späten 19 Jahrhundert eine Debatte über menschgemachten Klimawandel

- Im 19 Jahrhundert wurde weitgehend geglaubt, dass das Klima in historischen Zeiten konstant sei. Dann aber stellte sich heraus, dass Niederschlag und Temperaturen deutliche Unterschiede aufwiesen, wenn man über verschiedene Zeiten mittelt (z.B. Brückner, 1890)

- Gleichzeitig wurde behauptet, dass die Wasserstände in den Flüssen laufend abnehmen würden.

- Daraus ergab sich eine (auch in Parlamenten geführte) Debatte, ob diese Abweichungen von der historischen Konstanz Ausdruck von Variabilität (etwa kosmischen Ursprungs) seien oder auf menschliche Aktivität zurückzuführen seien (insbesondere Entwaldung).

CO2, die erste ...

- In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde eine bemerkenswerte Erwärmung in vielen Teilen der Welt festgestellt, die z.B. von Kincer (1933) in seinem Monthly Weather Review Artikel „Is the climate changing?“ beschrieben wurde.

- Kurz darauf erklärte Callendar (1938) diese Erwärmung durch die Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre – ein Mechanismus der 1898 von Arrhenius beschrieben worden war.

- In den 1940ern fielen die Temperaturen wieder, und die Wahrnehmung einer systematischen Erwärmung wurde ersetzt durch die Wahrnehmung einer systematischen Abkühlung.

Die Abkühlung ...- wurde beschrieben als Folge menschlicher Freisetzung von Staub und industriellen Aerosolen.

- Eine derartige Zunahme der Verschmutzung, sollte die Temperaturen am Boden um 3.5C absenken und die Erde in kurzer Zeit in eine neue Eiszeit zu führen (Rasool and Schneider, 1971 - science).

- Die Situation wurde so beschrieben „Between 1880 and 1950, Earth’s climate was the warmest it has been in five thousand years. ... It was a time of optimism. ... The optimism has shriveled in the first chill of the cooling. Since the 1940s winters have become subtly longer, rains less dependable, storms more frequent throughout the world.“ (Ponte, 1974).

Umlenkung von Ozeanströmungen etc...

- Vorschlag von 1912, um das Klima nicht nur Nordamerikas sondern auch der Arktis und Europas zu”verbessern: „A jetty 200 miles long from Newfoundland to the Grand Banks would keep the Labrador Current and the Gulf Stream apart. Half of the Gulf Stream would throw increased warmth against Northern Europe, and half would thrust into the Arctic. The benefits of this would be enormous . Fog would disappear, all ice in the Arctic would melt.

Europe and North America would be freed of chilling storms and icy ocean currents. Without the North Polar ice… centrifugal force would then tip the Earth. … Europe and North America could expect warmer climate.“

- Viele weitere solcher Ideen sind im Laufe der Zeit veröffentlicht und diskutiert worden.

Aerosole, nuklearer Winter

- Aerosolen wird eine beträchtliche Wirkung auf das Klima zugeschrieben – sowohl natürlichen wie anthropogenen Aerosolen.

- Ein anthropogenes Szenario behandelte die Emission von Rußpartikeln von brennenden Wäldern und Ölquellen. Eine besonders dramatische Variante ist die des “nuklearen Winters” -als Folge der Explosion vieler Nuklearbomben und den damit verbundenen Bränden. Im nuklearen Winter würde die Sonneneinstrahlung praktisch unterbunden werden und die Biosphäre zusammenbrechen.

- Die Androhung der Entzündung von Kuwaitischen Ölquellen im 1. Irak-Krieg führte zur Sorge für einen “kleinen” nuklearen Winter mit schlimmen Folgen für den indischen Monsun. Diese Sorge erwies sich als falsch (andere nicht)

- Das gegenwärtig anerkannte Konzept des menschgemachten Klimawandels beschreibt mit hoher Plausibilität Realität.

- Die wesentlichen Vorgänge im Klimasystem sind heutzutage in weiteren Teilen (ziemlich) gut verstanden, jedenfalls für die hier relevanten Zeitskalen und das Holozän. Die prozessbasierten dynamischen Klimamodelle haben ihre Tauglichkeit in einer Reihe von Anwendungen unter Beweis gestellt.

- Historische Daten belegen, im Rahmen gewisser Unsicherheiten, dass die gegenwärtige Erwärmung durch natürliche Vorgänge allein nicht zu erklären ist (siehe Folgendes). Dies führte zu dem berühmten Statements des IPCC in 1995: "the balance of evidence suggests that there is a discernible human influence on global climate.“

Die gegenwärtige Bedrohung

Das ideengeschichtliche Interessante ist, dass die Vorstellung, dass der Mensch “sein” Klima verändere, uralt ist. Zunächst wurden Reaktionen höherer Mächte postuliert;dann geobiophysikalische Mechanismen (Entwaldung, Aerosole, Blitzableiter).

Es scheint einen gesellschaft-lichen “Eigenmode” zu geben, der er relativ einfach macht, das Konzept der “Klimakatastrophe” als akute, allumfassende Bedrohung erscheinen zu lassen.

Examples: media-reporting

Distribution of civilizations in early 20th century

(expert map)

Climatically determined „energy“ of people

“Man lives in balance with his climate”

Das Reden über das Klima, die Betonung der Konsistenz von Klima und Gesellschaft, sind immer auch als Machtinstrument verwendet worden.

Auf diese weise werden höhere Mächte berufen,die in Reaktion auf sündhaftes Verhalten “der Menschen” einen Wandel des Klimas, und schlußendlich der Bruch der Konsistenz von Klima und Gesellschaft androhen.

Klima und Klimawandel sind politische Themen.Sie werden im Kampf um gesellschaftliche Deutung und Macht eingesetzt.

Teil II

Lange Datenreihen:Detektion und Attribution – Temperatur und

Atlantisch-Europäische Stürme

IPCC 2007

Additional ly man-made factors

Only natural factors

„observations“

Explaining global mean surface air temperature

Counting storms in weather maps – steady increase of NE Atlantic storms since the 1930s ….

99%iles of annual geostrophic wind speeds

for a series of station triangles in the North Sea regions and in the Baltic Sea region.

Alexandersson et al., 2002

Jährliche Häufigkeit von täglichen Luftdruckmessungen von 980 hPa und

weniger in Lund und Stockholm (Schweden)

(Bärring and von Storch, 2005, GRL)

Stockholm

Lund

Um beurteilen zu können, -wie stark natürliche Schwankungen im Klimasystem sind,-inwieweit einzelne Ereignisse und Entwicklungen spezifischen Ursachen zugeordnet werden können,brauchen wir lange Datenreihen.

Wir brauchen also historische Reihen, die möglichst weit zurückreichen – also zu Zeiten aufgenommen wurden, als die Meßbedingungen oft wesentlich anders als heute waren.Daher ist die Frage der Homogenität der Datenreihen von überragender Bedeutung.(Was mir die Möglichkeit gibt, auf Reinhard Böhm zu verweisen, den wir schmerzlich vermissen)

Die Vergangenheit der Klimaforschung hat für uns Bedeutung

● weil sie uns zeigt, wie Klimawissen eingesetzt wurde, um Deutung (Sinn-machen) und Herrschaft zu ermöglichen,

● weil sie Evidenz bereithält über vergangene Klimaveränderlichkeit, und somit den Umfang der Stichproben über den stochastischen Prozeß „Klima“ erheblich erweitert.

● weitere Gründe

Folgerungen

● Wenn wir über anthropogenen Klimawandel reden, dann sprechen wir über ein ideengeschichtlich nicht neues Thema.

● Die Erklärung “Der Mensch verändert das Klima” ist in der Vergangenheit oft zur Erklärung herangezogen worden.

● Die Geschichte des Klimas befriedigt nicht nur intellektuelle Neugier sondern ist auch eine notwendige Voraussetzung für “Detection & Attribution”.

● Die derzeit ablaufende Erwärmung kann naturwissenschaftlich akzeptabel nur erklärt werden durch menschliche Einflüsse, insbesondere die vermehrte Gegenwart von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Dazu bedarf es historischer Daten.

● Dies bedeutet nicht, dass auch andere Wettergrössen anthropogen verändert sind – so bewegen sich die derzeitigen Veränderungen “unserer” Stürme im Rahmen des historisch “normalen”.