Können wir Zivilcourage lernen?Können wir Zivilcourage lernen? · Zivilcourage lernen … Lernen...

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Können wir Zivilcourage lernen?Können wir Zivilcourage lernen?

Prof. Dr. Margarete BoosUniversität Göttingen

Institut für Psychologie

Zivilcourage - Teil von Kriminalprävention Begriff Zivilcourage

Prozessmodell der Hilfeleistung Prozessmodell der Hilfeleistung

Welche Kompetenzen braucht man, um zivilcouragiert zu

handeln?

Lernmöglichkeiten für Zivilcourage Lernmöglichkeiten für Zivilcourage

München, 13.09.2009Dominic Brunner, ein 50 Jahre alter Manager50 Jahre alter Manager aus München, wird durch zwei Teenager zudurch zwei Teenager zu Tode getreten, als er jüngere Opfer schützen wollte.

3

W l h Sit ti f dWelche Situationen erfordern Zivilcourage?ivilcourage?

Nicht nur spektakuläre Situationenp Sondern gerade auch: Häusliche Gewalt (z B gegen Kinder gegen Frauen) Häusliche Gewalt (z.B. gegen Kinder, gegen Frauen) Sexuelle Belästigung (z.B. am Arbeitsplatz)M bbi i d S h l Mobbing in der Schule

Bedrohungssituationen im öffentlichen Raumll h k k Institutionelle Ungerechtigkeit und Diskriminierung

Spot:http://www.goettinger-tageblatt de/Nachrichten/Goettingetageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/Zivilcourage-Informationen-in-40-Sekunden-Filmzeit?tsUser=Ts

Praktische Übung

„Murmelgruppen“ zum Spot

Wie kann ich hier mit Zivilcourage handeln?

Was muss ich bedenken?

Drei prototypische Situationen

Parole: Über eine nicht anwesende Person/Gruppe wird abfällig gesprochen

Pöbelei: Eine Person wird verbal Pöbelei: Eine Person wird verbal angegriffen

Prügelei: Eine Person wird tätlich Prügelei: Eine Person wird tätlich angegriffen

Brandstätter-Morawietz et al. (2008)

Drei prototypische Situationen

Parole: Über eine nicht anwesende Person/Gruppe wird abfällig gesprochen

Pöbelei: Eine Person wird verbal Pöbelei: Eine Person wird verbal angegriffen

Prügelei: Eine Person wird tätlich Prügelei: Eine Person wird tätlich angegriffen

Brandstätter-Morawietz et al. (2008)

ZivilcourageZivilcourage –ein komplexes soziales Geschehenp

BystanderBystander

Opfer Täter/inOpfer Täter/in

BystanderBystander

Handelnde/r

Opfer Täter/inOpfer Täter/in

Hilfeverhalten Zivilcourageüb i d i d i i it überwiegend in der dyadischen Interaktion statt

in einem weiteren sozialen Feld

statt positive soziale Konsequenzen

negative soziale KKonsequenzen

Von bestimmten

Konsequenzen

i lfäl i i i Von bestimmten Einstellungen beeinflusst,  z B Wechselseitigkeit

Vielfältige situative Einflüsse

z.B. Wechselseitigkeit

Bystander

Handelnde/r

Opfer

Bystander

Handelnde/r

Opfer Täter/in

Was ist Zivilcourage?

Ei ti öff tli h H dlEine mutige, öffentliche Handlung zu Gunsten bedrohter Dritter, motiviert durch die Sicherung von humanitären, demokratischen Grundüberzeugungen, die möglicherweise mit negativen Konsequenzen für den/die Handelnde/n verbunden ist.

(Jonas, Boos, & Brandstätter, 2008)

Zivilcourage fördern ‐

Maßnahmen und VoraussetzungenMaßnahmen und Voraussetzungen

Zivilcourage als ein Element von P ä tiPrävention

Zivilcourage ist weder Allheilmittel noch Alleinheilmittel.Eine Einbindung in ein Präventionskonzept ist auf organisationaler, institutioneller oder sozialräumlicher b diEbene notwendig.

Prävention ist kein Thema nur für Risikogruppen ( i ll Tä /i d O f )(potentielle Täter/innen und Opfer).

Zivilcourage als Präventionsmaßnahme für die zunächst scheinbar „Nichtbetroffenen“.

Zivilcourage im Kontext von PräventionsperspektivenPräventionsperspektiven

Generalprävention Primärprävention Sekundärprävention

Täter/in Life Skills Trainings, Anti‐Aggressionstrainings Täter‐Opfer‐AusgleichTäter/in Life Skills Trainings,z.B. Soziale Kompetenz

Anti Aggressionstrainings Täter Opfer Ausgleich

Opfer Life Skills Trainings,z.B. Aufklärung zu Missbrauch

SelbstbehauptungstrainingsSelbstverteidigung

Anti‐Re‐Viktimisierungs‐Maßnahmen

Missbrauch

Bystander Liebevolle warmherzige 

Life Skills Trainings,z.B. Zivilcouragetraining

Reflexion eigenen Verhaltens in 

Erziehung, faire Auseinandersetzung der Eltern mit ihren 

Notfallsituationen

Kindern;Unterstützung durch eine Gruppe

Fokussierung auf den/die Täter/in

(Jonas, 2009)

… und nicht auf Opfer oder Bystander

(Jonas, 2009)

Mediale Maßnahmen alleinMediale Maßnahmen allein reichen nicht aus.

Die Wirkung von VorbildernDie Wirkung von Vorbildern

Historische Vorbilder vermitteln heute nur den ideellen Wert von Zivilcourage

Sie vermitteln HEUTE nicht mehr, wie Zivilcourage tatsächlich gezeigt werden kann. 

D V h l S hi S h ll ä h b i i l i “ Das Verhalten von Sophie Scholl wäre heute beispielsweise „nur“ gutes demokratisches Verhalten.

Die Wirkung von Zivilcouragepreisen

Die Wirkung von ZivilcouragepreisenDie Wirkung von Zivilcouragepreisen

Zi il hi ht hä fi i V b Zivilcourage geschieht häufig im Verborgenen. Zivilcouragierte Menschen wollen oft nicht mit 

ihrem Verhalten in der Öffentlichkeit dargestellt werden.

Ausgezeichnete Individuen werden im Nachhinein oft negativ bewertet.o t egat be e tet

Oftmals finden sich im Nachhinein bedeutende Kritik oder Gegendarstellungen,z B bei Rebecca Katzschmann Mittweidaz.B. bei Rebecca Katzschmann, Mittweida, ausgezeichnet durch das Bündnis für Toleranz und Demokratie, 2008.

Können wir Zivilcourage lernen?

Zivilcourage – eine Frage der PersönlichkeitPersönlichkeit

Ungerechtigkeitsempfindeng g p Empörung, wenn soziale Regeln nicht

eingehalten werdeneingehalten werden Empathie

S lb t t Selbstvertrauen Selbstkonsistenz

Brandstätter-Morawietz et al. (2009)

Zivilcourage – situative BedingungenKitty GenoveseKitty Genovese

28 28

Prozessmodell  der Hilfeleistung(Latané & Darley, 1970)(Latané & Darley, 1970)

Schritt 5Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3 Schritt 4

HilfeleistungWeg zur Hilfeleistung

Schritt 5

handeln

Schritt 1

bemerken, dass etwas

Schritt 2

das Ereignis als eine Not‐

Schritt 3

sich für die Hilfeleistung 

Schritt 4

entscheiden, wie zu 

Hi d i

dass etwas geschieht

Hi d i

situation interpretieren

Hi d i

verantwortlich fühlen

Hi d i

helfen ist

Hi d i

soziale Hemm n

Hindernis

Ablenkung

Hindernis

pluralistische I noran

Hindernis

Verantwortungs‐diff sion

Hindernis

Kompetenz‐man el

Hindernis

HemmungIgnoranz diffusion mangel

Weg zur Verweigerungvon Hilfe fehlende Hilfeleistungvon Hilfe

Trainingsangebote für Zivilcourage

Es gibt zahlreiche nicht evaluierte „ZC‐Angebote“, die vielfach Anti Gewalt oder Konflikttrainings sindAnti‐Gewalt‐ oder Konflikttrainings sind.

Psychologisch fundierte und empirisch evaluierte Trainings Kleine Schritte statt HeldentatenKleine Schritte statt HeldentatenProf. Dr. Veronika Brandstätter, Uni ZürichZielgruppe: ältere Jugendliche, Erwachsene

Göttinger Zivilcourage Impulstraining (G ZIT) Göttinger Zivilcourage‐Impulstraining (G‐ZIT)Prof. Dr. Kai Jonas und Prof. Dr. Margarete BoosZielgruppe: ältere Jugendliche, ErwachseneA f h t! Aufgschaut!Polizei München und Prof. Dr. Dieter Frey, LMU MünchenZielgruppe: Schulkinder bis Jahrgangstufe 9

Zammgrauft!Polizei München und Prof. Dr. Dieter Frey, LMU MünchenZielgruppe: Jugendliche ab Jahrgangstufe 9g pp g g g

Die häufigsten Fehlannahmen….

Gegen den/die Täter/in ˃ Opferbezogen… statt dessen:

Gegen den/die Täter/in agieren

Alleine eingreifen

˃ OpferbezogeneingreifenU ü h Alleine eingreifen

Eigenes Potential unterschätzen

˃ Unterstützung suchen

˃ Paradox intervenierenunterschätzen

Standardrezepte d

˃ Verhaltensprinzipienanwenden

Vom Ergebnis her b t

˃ Auch kleine Dingehelfenbewerten helfen

Paradoxe Intervention

Ziel: Handlungsspielraum gewinnen Handlungsspielraum gewinnen Tätermacht (unter‐) brechen

Wie? Den Konflikt scheinbar negiereng Nicht Partei ergreifen  Überraschungseffekte nutzen g

Zivilcourage lernen …

Lernen Sie Ihre Zivilcourage zu Lernen Sie, Ihre Zivilcourage zu entwickeln (Training)

„Kleine Schritte statt Heldentaten“ Suchen Sie sich Vorbilder Suchen Sie sich Vorbilder Handeln Sie opferorientiert Unterstützung suchen, andere Zuschauer/innen ansprechenZuschauer/innen ansprechen

Machen Sie sich bekannt

Zivilcourage lernen …

Nicht drohen oder beleidigen Nicht drohen oder beleidigen Körperkontakt zum/zur TäterIn pvermeiden

Seien Sie Zeuge/Zeugin und alarmieren Seien Sie Zeuge/Zeugin und alarmieren Sie die Polizei

Anforderungen an die Vermittlung von Zivilcourage in modernen Migrations‐gesellschaftengesellschaften

Sozialer Kontext: K llidi d V h lt ök l i ?Kollidierende Verhaltensökologien?

• Normative StandardsH h S lb tüb

• Unklare normativeSt d d Eh k lt• Hohe Selbstüberzeugung: 

Anordnungen werden befolgt. • Geringe (körperliche) Konflikterfahrung• Geringes Wissen über die

Standards, Ehrkultur• Hohe Selbstüberzeugungin Konfliktsituationen

• Große Konflikterfahrung• Geringes Wissen über die Verhaltensökologie der „Täter“

• Große Konflikterfahrung• Geringes Hemmungs‐niveau

Zivilcourage –Ei ( ) ü htEin (un‐)erwünschtes Verhalten?

Öffentliche Aufforderung zu mehr Zivilcourage Dennoch bleibt das Verhalten in einer legalen 

Grauzone Verdienstkreuze und Preiseversus Staatliche Institutionen, die individuelle oder 

Zivilcourage in der Gruppe negativ sanktionierenZivilcourage in der Gruppe negativ sanktionieren

Abhängig vom Täter/in oder Opfer…

Zivicourage ist meist „gut“ und wird unterstützt wenn… Die Bewertung des/der Täter/in Die Bewertung des/der Täter/in

einheitlich negativ ist

Zivicourage ist meist schlecht“ Zivicourage ist meist „schlecht  und wird unterstützt wenn… Die Bewertung der/des Täter/in gut ist Der Staat selbst das Ziel der Intervention ist Die Intervention auf „Fehler im System“ hinweist

Zivilcourage ist gegenwärtig ein rein „westliches“ Konzept – trifft aber auf„westliches  Konzept  trifft aber auf Mitglieder anderer Kulturkreise. Wertebasis von Zivilcourage baut auf christlich‐judäischen und 

demokratischen Grundwerten westlich individualisierter G ll h f fGesellschaften auf.

Vermittlungsproblem gegenüber Mitgliedern anderer KulturkreiseKulturkreise

Notwendigkeit der Übersetzung der Wertegrundlage in diese Kontexte, z.B. Ehrkulturen,

Anpassung der didaktischen Konzepte

Vielen Dank fürVielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit