Gentechnik: manipuliertes Leben - zivilcourage … · beherrscht der weltgrößte...

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Gentechnik:

manipuliertesLeben

Umweltinstitut München e.V.

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Schon seit jeher wird mit Nahrungs-mitteln Politik gemacht. Heute je-doch droht die gesamte landwirt-schaftliche Erzeugung in die Händeweniger Großkonzerne zu geraten.Kontrolle beginnt beim ersten undwichtigsten Teil: dem Saatgut. Hierbeherrscht der weltgrößte Gentech-nikkonzern, die Firma Monsanto, fast25 Prozent des gesamten Weltmark-tes. Ernährungssouveränität und de-mokratische Selbstbestimmung sindzunehmend gefährdet angesichts deraggressiven Einführung genmanipu-lierter Pflanzen und der Macht, diePatente auf transgene Pflanzen ver-leihen.

Gentechnik ist ein weiterer Schrittder agroindustriellen Landwirtschaft.Sie breitet sich in einigen Gebietender Welt stark aus und hat sich zumBeispiel in Nord- und Südamerika bei

einigen Pflanzenarten soweit durch-gesetzt, dass es dort de facto keinenkonventionellen Anbau mehr gibt.Schon heute zeigen sich in Südame-rika drastische negative Auswirkun-gen auf die bäuerliche Kultur und dieUmwelt.

Pollen oder Samen, vom Wind ver-weht, lassen sich nicht in einer„Rückholaktion“ wieder einsammeln,wenn sich schädliche Auswirkungender Agro-Gentechnik zeigen. Gen-technische Verschmutzung ist bereitsheute ein globales Problem, das gen-technikfrei wirtschaftende Bauern inihrer Existenz bedroht. Bedroht istauch die Wahlfreiheit der Verbrau-cher. Dabei lehnen 70 Prozent dereuropäischen Bauern und Verbrau-cher Gentechnik in Lebensmittelnab. Sie wollen keine Landwirtschaft,die gegen statt mit der Natur arbei-tet und Bauern in die Abhängigkeitder Agrarkonzerne bringt.

Manipuliertes Leben

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Was ist Gentechnik?Zwanzig Jahre nach der Entdeckungder DNA-Struktur durch James Wat-son und Francis Crick gelang es Wis-senschaftlern in den USA im Jahr1973 erstmals, fremde Erbsubstanz inBakterien einzuschleusen. Diese Ent-deckung erschien führenden For-schern als so gravierend, dass sieeine Konferenz in Asilomar/Kaliforni-en einberiefen. Dort wurde über einfreiwilliges Moratorium für die An-wendung der Gentechnik beraten. Essollte gelten, bis die möglichen Fol-gen erforscht wären. Doch die skep-tischen Forscher konnten sich nichtdurchsetzen.

Gentechnische Methoden umfassendie Analyse von Erbanlagen, beson-ders aber deren Übertragung undVeränderung über Artgrenzen hin-weg. Drastische Beispiele für diesenEingriff sind Kartoffeln mit dem Gift-gen von Skorpionen, Erdbeeren mitFrostschutzgenen von arktischen Fi-schen oder Salat mit Rattengenenzur Erhöhung des Vitamin C-Gehalts.Die Artgrenzen, die sich im Laufe derEvolution zwischen Mikroorganismen,Pflanzen, Tieren und Menschen gebil-det haben, werden durch die Gen-technologie bewusst durchbrochen.

Ein gentechnischer Eingriff hat dahernichts mit herkömmlicher Züchtungzu tun, wie oft behauptet wird: Beitraditionellen Methoden werdenPflanzen oder Tiere, die zu gleichenoder nah verwandten Arten gehören,nach den natürlichen Vererbungsre-geln gekreuzt. Das Gentechnikgesetzunterscheidet daher klar zwischenGentechnik und Züchtung. Ein gen-technisch veränderter Organismus(GVO) wird dort definiert als „ein Or-ganismus, dessen genetisches Mate-rial in einer Weise verändert wordenist, wie sie unter natürlichen Bedin-gungen durch Kreuzen oder natürli-che Rekombination nicht vorkommt“.

1983 erster Gentransfer beiPflanzen (mit Agrobacterium)

1987 erste Freisetzungen in denUSA (Tabak, Tomate)

1987 Gentransfer mit Gen-Kanone

1991 erste Freisetzung inDeutschland (Petunien)

1994 transgene Anti-Matsch-Tomate auf dem Markt

1996/ erster Anbau von Gen-Soja,1997 -Mais, -Raps und -Baumwolle

in Nordamerika

1998 EU: Moratorium für Gen-Pflanzen

2004 EU: Wiederaufnahme vonZulassungen

2008 Gentechnikanbau in Europafast ausschließlich in Spanien

Zeittafel

Genmanipulierte Nacktmaus für die For-schung. Die Tiere leiden an Hautkrankhei-ten und sterben früh.

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Trotz des großen finanziellen undtechnischen Aufwands beruhen dieErgebnisse der Gentechnik vor allemauf Zufall. Im Wesentlichen werdenmit zwei Methoden nicht einzelneGene, sondern so genannte Genkas-setten übertragen – neben dem Genmit der gewünschten Eigenschaft(z.B. einem Bt-Gen) auch eine Viel-zahl von DNA-Abschnitten anderer

fügt. In vielen Fällen werden zudem– zur Selektion im Labor – Antibioti-ka-Resistenzgene in die Pflanzen ein-gebaut.

Gentechnik bei Pflanzen

Organismen. So hat Monsanto in sei-nen Bt-Mais MON810 nicht nur dassynthetische Bt-Gen cry1Ab aus demBodenbakterium Bacillus thuringien-sis eingebaut. Das Genkonstrukt ent-hält zusätzlich einen so genanntenPromotor aus dem Blumenkohlmosa-ikvirus. Dieser zwingt die Pflanze,das artfremde Bt-Gen zu „lesen“.Und schließlich wurden noch eineErbinformation aus einem weiterenBakterium sowie Mais-DNA hinzuge-

Bei der Übertragung mit Agrobacteri-um tumefaciens wird ein Bakteriumals „Gen-Taxi“ genutzt. Bei der In-fektion der Pflanzenzelle durch dasBakterium überträgt dieses das

Fremdgen in dasGenom der Pflan-zenzelle. Häufigerwird jedoch dieGen-Kanone be-nutzt: TausendeKopien des Fremd-Gens werden aufMetallpartikel auf-getragen und imSchrotschussver-fahren auf dasPflanzengewebegeschossen. Erfolg-reich ist diese Me-thode, wenn einMetallpartikel zu-fällig in einen Zell-kern eindringt und

das fremde Genkonstrukt in die DNAder Pflanzenzelle eingebaut wird.

Bei beiden Verfahren besteht nureine äußerst geringe Erfolgsquote.Oft müssen Tausende von Versuchenunternommen werden, bis einetransgene Pflanze entsteht, die diegewünschte Eigenschaft enthält undkeine äußeren Schäden aufweist.

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Vier Pflanzen,zwei EigenschaftenGenmanipulierte Pflanzen wurden imJahr 2007 laut Industrieangaben in23 Ländern und auf rund 114 Millio-nen Hektar angebaut. 99 Prozent desGentechnikanbaus finden in nur achtLändern statt, die Hälfte der Flächeliegt in den USA. Großflächig genutztwerden nur Raps, Mais, Soja undBaumwolle.

Seit wenigen Jahren wird Bt-Mais vonMonsanto auch in Deutschland kom-merziell angebaut – fast ausschließ-lich in den neuen Bundesländern.Wegen der großen Widerstände wirdstets ein hoher Prozentsatz der ur-sprünglich gemeldeten Flächen zu-rückgezogen, in Bayern bis zu 90Prozent. Mit der Verwendung vonPflanzen wie Mais oder Zuckerrübenin Biogasanlagen oder für Agro-Spritsteigt die Gefahr eines großflächigen

Bt-Mais in Deutschland *

Jahr

2005200620072008

Anbau-fläche (ha)

34294526843177

ursprünglichgemeldet (ha)

1087200436234577

(Stand: Juli 2008)

* Genmanipulierter Mais wird fast aus-schließlich in Ostdeutschland angebaut.

Transgene Bäume, z.B. für Agro-Kraftstoffe oder die Papierindustrie

Terminator-Pflanzen, deren Fortpflanzungsfähigkeit gentechnisch gestört wirdund die Bauern zu jährlichem Saatgutkauf zwingen

Pharma-Pflanzen, die Impfstoffe, Antikörper oder Hormone produzieren

Gen-Pflanzen mit veränderter Zusammensetzung der Inhaltsstoffe oder angeb-lichem gesundheitlichen Zusatznutzen

Gen-Pflanzen mit besonderen Eigenschaften für Agro-Kraftstoffe

Gen-Pflanzen der Zukunft?

Auf dem Markt gibt es seit der Einfüh-rung transgener Pflanzen praktischnur zwei „neue“ Eigenschaften: Miteinem Gen des Bodenbakteriums Ba-cillus thuringiensis (Bt) ausgerüstet,produzieren manipulierte Pflanzenein Gift, das bestimmte Schadinsek-ten abtöten soll. Andere Gen-Pflanzenwerden unempfindlich gegen Pflan-zenvernichtungsmittel wie Roundupgemacht. Beim Spritzen zerstörendiese Totalherbizide alles pflanzlicheLeben. Nur die genmanipuliertenPflanzen überleben. 63 Prozent allerangebauten Gen-Pflanzen wiesen2007 eine solche Herbizidtoleranz,knapp 18 Prozent eine Toxizität fürInsekten und 19 Prozent eine Kombi-nation der beiden Eigenschaften auf.

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Anbaus in Deutschland, da so genutz-te Gentechnikprodukte nicht gekenn-zeichnet werden müssen.

Zusätzlich zum kommerziellen Anbauwurden seit 1991 allein in Deutsch-land rund 170 Freisetzungsversuchemit transgenen Pflanzen genehmigt.Bei solchen Versuchen testen Konzer-ne Gentechnik-Pflanzen, die sie zu-künftig auf dem Acker haben wollen.

sen. Doch wegen der abzusehendenmassiven Schäden an der Umwelt –die Fische können leicht aus Zucht-anlagen entkommen und sich in derNatur gegen ihre natürlichen Artge-nossen durchsetzen – zögert sogardie US-Zulassungsbehörde.

Gentechnik an Tieren ist zudem auchaus ethischen Gründen nicht zu ver-antworten. Schon bei den erstenMäusen mit menschlichen Wachs-tumsgenen wurde deutlich, dass diemassiven Eingriffe in den komplexenTierorganismus negative Folgen ha-ben: Krankhafte Veränderungen derinneren Organe verkürzen das Lebender Versuchstiere. Schlimmer nocherging es transgenen Schweinen: Sielitten an Magengeschwüren, Arthri-tis, Nieren- und Hautkrankheiten. Beigenmanipulierten Fischen fand manentstellte Köpfe und Körper, verküm-merte Schwänze und Tumore. Gen-technik verursacht hier massenhaftesTierleid.

Anpassung an die Massentierhaltung(z.B. BSE-resistente Kühe, Schweine mit weni-ger Phosphat im Kot)

Tiere mit „optimierten Eigenschaften“(z.B. Milch mit veränderter Zusammensetzung)

Weitere Steigerung der Produktivität(z.B. Schafe mit mehr Wolle)

Tiere als pharmazeutische Fabriken(Medikamente aus der Milch von Ziegen)

Schweine als Ersatzteillagerfür die Organverpflanzung

Forschung an Gen-Tieren

Gentechnik bei Tieren1980 wurde zum ersten Mal ein neuerDNA-Abschnitt in das Genom einesSäugetiers, der Maus, eingefügt. An-getrieben durch die Patentierbarkeittransgener Tiere, geraten heute auchunsere Nutztiere in den Fokus derGentechnikindustrie.

Am weitesten fortgeschritten ist dieEntwicklung bei Fischen. Eine US-Fir-ma wartet derzeit auf die Zulassungvon schnell wachsenden Gen-Lach-

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Gesetze gegenPollenflug?Obwohl Gentechnik-Pflanzen nur inwenigen Ländern wachsen, sinddurch die unkontrollierte Verbreitungder Pflanzen, Globalisierung und in-ternationalen Warenverkehr alleStaaten gezwungen, sich mit derAgro-Gentechnik auseinander zu set-zen. Während in Staaten wie den USAgenmanipulierte Pflanzen zum Nut-zen der Agrarkonzerne kaum gesetz-lich beschränkt und Gentechnik-Le-bensmittel nicht gekennzeichnetsind, versuchen fast alle übrigen Län-der Vorsorge gegen Gentechnik-Risi-ken zu ergreifen.

Gentechnikgesetz inDeutschlandSo haben EU-Länder wie Luxemburg,Österreich oder Italien weitgehendeMaßnahmen zum Schutz der gentech-nikfreien Landwirtschaft getroffen.Deutschland dagegen fördert die Zie-le der Gentechnikindustrie. 2008wurde das Gentechnikgesetz zumwiederholten Mal neu gefasst. Einebedeutende Änderung ist dabei dieFestsetzung der Mindestabständezwischen genmanipuliertem und kon-

ventionellem (150 Meter) bzw. ökolo-gischem (300 Meter) Mais. Laut einerEU-Studie tritt jedoch noch in drei-bis vierhundert Metern Entfernunggentechnische Verschmutzung in ei-nem Umfang auf, der Produkte un-verkäuflich macht. Eine schleichendeVerschmutzung des gentechnikfreienMaisanbaus ist damit vorprogram-miert. Ob betroffene Bauern für sol-che Verschmutzungen den Verursa-cher haftbar machen können, bleibtungeregelt. Selbst die unzureichen-den Abstände dürfen zudem durchso genannte private Absprachen aus-gehebelt werden.

„Auf der Grundlage der Sicherheits- und Ernährungsbewertung, die Sie vorge-nommen haben, ist es unsere Auffassung, dass Monsanto zur Schlussfolgerunggekommen ist, dass der Mais und das Futter .[..] aus der neuen Sorte [...] keineFragen aufwerfen, die eine Zulassung für die Inverkehrbringung fragwürdig ma-chen.“ (Zulassungsbescheid für Monsantos Gen-Mais MON810, Food And DrugAdministration, 25.9.1996)

Gen-Pflanzen in den USA: freie Fahrt

Landwirte haften für Schäden beiNachbarn (verschuldensunabhängigund gesamtschuldnerisch)

öffentliches Standortregister

geringe Hürden für Freisetzungs-versuche

Mindestabstand bei Mais nur 150bzw. 300 Meter

Regelungen können durch Privat-absprachen aufgehoben werden

Deutsches Gentechnikrecht

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Gentechnik inLebensmittelnLebensmittel sind nach einer seit2004 gültigen EU-Verordnung kenn-zeichnungspflichtig, wenn sie pro In-haltsstoff „zufällige oder technischunvermeidbare“ GVO-Spuren vonmehr als 0,9 Prozent enthalten. Wer-den GVO bewusst eingesetzt, mussgrundsätzlich gekennzeichnet wer-den. Die Zutatenliste muss dann denHinweis enthalten: „Enthält gene-tisch veränderte Organismen“ oder„Hergestellt aus genetisch veränder-tem ...“. Weil europäische Verbrau-cher keine Gentechnik in Lebensmit-teln wollen, sind solche Produkte imHandel praktisch nicht zu finden.

Kennzeichnung mit großenLückenProdukte wie Fleisch, Milch oder Eiervon Tieren, die mit genmanipuliertenPflanzen gefüttert wurden, müssenin der EU nicht gekennzeichnet wer-den. Diese bewusste Gesetzeslückesichert der Gentechnikindustrie der-

zeit den jährlichen Import von rund37 Millionen Tonnen zumeist genma-nipulierter Sojabohnen oder von So-jaschrot in die EU. Über 80 Prozentdavon landen im Futtertrog. Ersteine verpflichtende Kennzeichnungdieser „Gentechnik durch die Hinter-tür“ würde es den Kunden ermögli-chen, solche GVO-Lebensmittel zuerkennen. Der Verbraucher muss dieWahlfreiheit haben.

Statt die Lücken bei der Kennzeich-nung genmanipulierter Lebensmittelzu schließen, hat die Bundesregie-rung 2008 eine neue Verordnung er-lassen. Danach dürfen tierische Pro-dukte freiwillig als gentechnikfreigekennzeichnet werden, wenn dieTiere den größten Teil ihres Lebenskein Gen-Futter bekommen haben.Auch transgene Zusatzstoffe wie zumBeispiel Vitamine dürfen nicht zumEinsatz kommen, es sei denn, sie wä-ren in Zukunft weltweit nicht mehrkonventionell verfügbar.

Hier muss gekennzeichnetwerden

§Lebensmittel ist selbst ein GVO(Mais, Tomaten, Sojabohnen,Schweine)

Lebensmittel ist aus GVO herge-stellt – auch wenn das im Endpro-dukt nicht nachweisbar ist (Öl ausGen-Soja oder -Raps, Stärke austransgenem Mais)

Lebensmittel enthält GVO (Joghurtmit genmanipulierten Bakterien,Bier mit genmanipulierten Hefen)

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Risiken undNebenwirkungenDie Agro-Gentechnik verursacht mas-sive Probleme ökologischer, sozialerund ökonomischer Art. Bei der Mani-pulation am Erbgut werden funda-mentale Steuerprozesse des Lebensverändert. Doch das wissenschaftli-che Modell, auf dem die Gentechnikbasiert, ist inzwischen überholt. DerAnsatz, nach dem das Genom eineArt Legobaukasten ist, in das mannach Belieben neue Gene einfügenkann, weicht der Gewissheit, dassdie DNA als hochkomplexes Netzwerkfunktioniert. Gene werden von ei-nem „epigenetischen“ Informations-system reguliert, das ihnen sagt,wann und wie sie aktiv werden sol-len. Das Problem ist laut Genetikpro-fessor Richard Strohmann: Wir ver-stehen dieses System nicht gut.Gentechnische Eingriffe an Pflanzensind daher ein Lotteriespiel mit un-vorhersehbarem Ausgang.

Zusätzlich bedient sich die Gentech-nik unpräziser Methoden, die zu un-beherrschbaren Effekten in derPflanze führen können. So ist nichtbeeinflussbar, an welcher Stelle imErbgut das artfremde Genkonstrukteingebaut wird. Dabei ist es von gro-ßer Bedeutung, wo im Erbgut Geneangeordnet sind. Durch den Einbaukann es daher zu Positionseffektenauf benachbarte Gene kommen oderderen Stilllegung, vielfach auch zuMutationen. Es ist wahrscheinlich,dass nicht nur das gewünschte neueMerkmal ausgeprägt wird, sondernauch andere Eigenschaften beein-flusst oder verändert werden.

Nach Übertragung der artfremdenGene treten überdies regelmäßigVeränderungen des Fremdgens selberauf. So auch bei Monsantos MON810-Mais: Verschiedene Studien zeigen,dass Teile des eingebauten Genkon-strukts verloren gingen. MonsantosRoundup-resistente Soja enthält garvöllig neue Gensequenzen.

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Ökologische RisikenGenveränderte Pflanzen in der freienNatur sind ein nicht zu kontrollieren-des Risiko. Ob durch kontaminiertesSaatgut, Pollenflug, Insekten und Bie-nen, Vögel, durch Erntemaschinenoder beim Transport: In den letztenzehn Jahren sind Hunderte Fälle vonVerunreinigung von Feldern, Saatgut,Lebens- oder Futtermitteln aufgetre-ten – auch in Ländern, in denen gen-manipulierte Pflanzen nicht angebautwerden.

Unkontrollierte VerbreitungEine Auskreuzung genmanipulierterPflanzen in wilde Verwandte ist be-sonders kritisch, da eine Ausbreitungund Etablierung von Wildpflanzensehr viel wahrscheinlicher ist. In Ka-nada ist dies bereits Realität: Genma-nipulierter Raps kreuzte dort in dieWildart Rübsen aus, die sich in derNatur etabliert hat und die Eigen-schaft Herbizidresistenz weiter ver-breitet. Doch auch die Kulturpflanzeselbst kann zum Problem werden. In

Kanada kann auf keinem einzigenHektar mehr gentechnikfreier Rapsangebaut werden, da sämtlichesSaatgut verunreinigt ist. Auch in denUSA sind bis zu 83 Prozent des Saat-guts von Mais, Raps und Soja gen-technisch kontaminiert. Und obwohlin Mexiko ein totales Anbauverbotbesteht, findet sich überall im Landtransgener Mais, der über Nahrungs-mittelimporte ins Land kam.

In Kanada ist genmanipulierter Raps in verwandte Wildpflanzen ausgekreuzt.

Schädigung von Nützlingen –resistente SchädlingeBt-Pflanzen produzieren permanentein bakterielles Gift, das Insekten tö-tet. Dies stellt ein erhebliches Risikofür die Umwelt dar. Denn das Giftwirkt nicht nur auf Schädlinge, son-dern auch auf Nutzinsekten. In Studi-en wurden negative Auswirkungenauf Florfliegen, verschiedeneSchmetterlingsarten, Regenwürmer,Trauermücken, Asseln und Fadenwür-mer festgestellt. Bt-Pflanzen begüns-tigen zudem die Bildung resistenterSchädlinge: Andauernd dem Gift aus-

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gesetzt, das in den Gen-Pflanzen injeder Zelle gebildet wird, werden dieSchadinsekten nach einiger Zeit wi-derstandsfähig gegen das Toxin. Soist der Baumwollkapselbohrer im Süd-osten der USA inzwischen resistentgegen das Gift der Gentechnik-Baum-wolle. In China, Indien und den USAtraten nach der Dezimierung desHauptschädlings durch Bt-Pflanzenandere Schadinsekten vermehrt auf.

Artenwüsten undMonokulturenDer Anbau von Gen-Pflanzen, die re-sistent gegen Totalherbizide gemachtwurden, erweisen sich zunehmendals Katastrophe. Insbesondere in Süd-amerika wird der Regenwald demMonokultur-Anbau von Gen-Soja geop-fert. Der damit verbundene großflä-chige Pestizideinsatz schädigt Menschund Umwelt.

In einer britischen Langzeitstudiewurden zudem deutliche Schäden ander Vielfalt von Pflanzen und Insek-ten festgestellt, selbst im Vergleichzum konventionellen pestizidbasier-ten Anbau. Und nach wenigen Jahrensteigt die nötige Pestizidmenge beisolchen Gen-Pflanzen steil an, weilimmer mehr Unkräuter resistent ge-gen die Totalherbizide werden. DieUmwelt wird dadurch zusätzlich ge-schädigt.

GesundheitsrisikenDie Gentechnikkonzerne und indus-trienahe Forscher behaupten, dasstransgene Pflanzen gesundheitlichunbedenklich und streng getestetseien. Doch weltweit gibt es kaum

belastbare Studien über die Auswir-kungen genmanipulierter Pflanzenauf Mensch und Tier. Langzeitunter-suchungen fehlen völlig. Die Regelsind Kurzstudien von 21 bis 90 Tagen,bei denen zudem meist die Futter-verwertung, nicht jedoch die Toxizi-tät der Gen-Pflanzen untersuchtwird. Eine Studie aus dem Jahr 2007kommt zu dem Ergebnis, dass es kei-ne Daten gibt, die beweisen, dassGentechnik-Pflanzen harmlos für dieGesundheit sind.

Entwarnung kann also nicht gegebenwerden, im Gegenteil: Der zielloseEinbau der künstlichen Gene kann so-wohl Veränderungen am Gen als auchMutationen im Erbgut der Pflanzeauslösen. Auch können die eingefüg-ten Gene selbst (z.B. bei Pharma-Pflanzen) gesundheitliche Risikenbergen. Zudem besteht die Gefahr,dass sich Antibiotikaresistenzgene,

Auskreuzung in Kulturpflanzenbzw. Wildpflanzen

Etablierung in der Umwelt

Direkte Schädigung von Flora undFauna

Veränderungen der Landnutzungund des Landmanagements (se-kundäre Effekte): z.B. erhöhterPestizidverbrauch, Monokulturen

Resistenzbildung von Schädlingenund Unkräutern

horizontaler Gentransfer,z.B. in Bakterien

Ökologische Risikentransgener Pflanzen

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die in vielen Gen-Pflanzen eingebautsind, über horizontalen Gentransferverbreiten und Antibiotika zukünftignoch schneller wirkungslos werden.

Kein Wunder also, dass immer mehrForscher fragwürdige Effekte vontransgenen Pflanzen entdecken. Sofanden italienische WissenschaftlerBruchstücke des Erbguts von Bt-Maisim Blut und in verschiedenen Orga-nen (Leber, Milz, Niere) von Schwei-nen, eine andere Forschergruppekonnte Veränderungen in Zellkernenvon Leberzellen feststellen. Australi-sche Forscher bauten Bohnengene inErbsen ein. Offenbar wurden sie dortin einer leicht veränderten Form pro-duziert. Das genügte, um bei Ver-suchstieren starke allergische Reakti-onen auszulösen.

Monsantos Gen-Mais MON863 verän-derte Wachstum, Nieren und Leber-funktion sowie das Blutbild von Rat-ten. Gewebeschäden als Folge desHerstellungsverfahrens genmanipu-lierter Pflanzen gab es auch bei Rat-ten, die mit genmanipulierten Kar-toffeln gefüttert worden waren. Im

Hinblick auf unser geringes Wissenüber das Erbgut der Pflanze und dieEffekte gentechnischer Eingriffestellt sich die Frage, ob die Risikenüberhaupt sinnvoll abgeschätzt wer-den können.

Die großen Saatgutkonzerne bedrohen die Existenz vor allem von Kleinbauern.

Soziale undwirtschaftliche FolgenWeniger als zehn Konzerne aus den In-dustrieländern dominieren heute denWeltmarkt für Saatgut und Pestizide.Die Unternehmen planen, mit Hilfeder patentierbaren Gentechnik-Pflan-zen die Kontrolle über die weltweiteNahrungsmittelerzeugung zu erlangen.

Laut der Arthur Anderson ConsultingGroup, die 1999 die Unternehmens-ziele von Monsanto präsentierte, sollspätestens 2020 sämtliches Saatgutauf der Welt gentechnisch verändertund patentiert sein. Schon heute be-herrschen Monsanto, Syngenta undDuPont die Hälfte des kommerziellenWeltmarkts für Saatgut, auch durchAufkäufe anderer Unternehmen. Da-für gab allein Monsanto in den letz-

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ten zehn Jahren rund 15 Mrd. US-Dol-lar aus. 90 bis 95 Prozent aller gen-manipulierten Pflanzen enthalten Pa-tente von Monsanto.

PatenteTransgene Pflanzen werden grund-sätzlich patentiert. Damit wird diegemeinsame Grundlage des Lebens,das niemand erfinden oder technischherstellen kann, zu privatem „geisti-gen“ Eigentum. Bauern dürfen Gen-Pflanzen nur als Lizenznehmer nut-zen. In der EU wurden bereits fast600 Patente auf genmanipuliertePflanzen erteilt, weltweit ist es einVielfaches. Seit Jahrtausenden säenBauern einen Teil ihrer Ernte wiederaus oder tauschen Saatgut mit ande-ren. Über 1,4 Milliarden Landwirte,die meisten davon Kleinbauern, sindauf dieses Grundrecht angewiesen.Patente auf Pflanzen machen diesebäuerliche Tradition zu einer krimi-nellen Tat. Sie zwingen die Bauern,ihr Saatgut jedes Jahr neu zu kaufen.Speziell in Nordamerika nutzt Mon-santo das Patentrecht, um Bauernmit Hilfe von Knebelverträgen ele-mentarer Rechte zu berauben.

tung unwirtschaftlich zu werden,Preise insbesondere für ökologischeLebensmittel erhöhen sich. Die Agro-Gentechnik verdrängt auf diese Wei-se alle anderen Formen der Landbe-wirtschaftung. Das Konzept der sogenannten Koexistenz zwischen Gen-technikanbau, konventioneller undÖko-Landwirtschaft erweist sich im-mer mehr als inszenierte Lüge. Wiedrastisch die wirtschaftlichen Folgensein können, zeigte sich, als genma-nipulierter Reis des Bayer-Konzerns,der nur auf wenigen Feldern zu Ver-suchszwecken getestet worden war,2006 in großen Teilen der US-Reisern-te auftauchte. Schadensschätzung:bisher eine Milliarde Dollar.

Genmanipulierte Pflanzen sichern denKonzernen den Absatz von Saatgut undPestiziden im Doppelpack.

Wirtschaftliche KonsequenzenDurch gentechnische Verschmutzungwird nicht nur das Ökosystem in Ge-fahr gebracht, sie bringt auch kon-ventionelle und Öko-Landwirtschaftin existenzielle Bedrängnis. Ökologi-scher Rapsanbau ist in Kanada mitt-lerweile unmöglich geworden, in denGenmais-Gebieten Spaniens hat sichder Anbau von Bio-Mais um bis zu 75Prozent reduziert. Durch hohe Unter-suchungskosten droht die Bienenhal-

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Terminator-TechnologieBei der Terminator-Technologie sollenPflanzen so manipuliert werden, dasssie keine keimfähigen Samen mehrhervorbringen. Hier geht es nichtmehr um angeblich „verbesserte“ Ei-genschaften, sondern ausschließlichdarum, dass das Saatgut nicht mehrfür den Nachbau, sprich die Aussaatim nächsten Jahr, geeignet ist.

Derzeit gibt es ein weltweites Morato-rium für Anbau und Freilandversuche.Daher versuchen die Gentechnik-Kon-zerne und Länder wie Kanada und dieUSA jetzt, Terminator-Technologie alsMittel zum Schutz vor gentechnischerVerunreinigung salonfähig zu machen.

Bedrohung der VielfaltVor etwa 10.000 Jahren begannendie Menschen systematisch Pflanzenanzubauen. Verschiedene Sorten sindan unterschiedliche klimatische odergeographische Bedingungen ange-passt, oder sie besitzen Resistenzengegen bestimmte Schädlinge undKrankheiten.

Diese Vielfalt ist die Grundlage je-der zukünftigen Züchtung. Transge-ne Pflanzen und Tiere gefährden dieschon stark bedrohte Arten- undSortenvielfalt. Durch die Konzentra-tion auf wenige Gentechniksortenschrumpft der Genpool der landwirt-schaftlichen Nutzpflanzen immerschneller, standortangepasste Lokal-sorten werden verdrängt. Inzwischensind sogar Saatgutbanken mit trans-genem Material kontaminiert.

Die größten Agrar-Konzerne (Umsätze 2007)Saatgut

(Mrd. US-$)5,03,42,00,6

k.A.0,0

11,022,0

MonsantoDuPontSyngentaBayerDowBASF

SummeWeltmarkt

Weltmarkt-anteil (%)

22,615,29,22,5

k.A.0,0

49,5

Pestizide(Mrd. US-$)

3,62,47,37,53,84,3

28,932,7

Weltmarkt-anteil (%)

11,07,2

22,322,811,613,1

88,0

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Weltweiter WiderstandUnabhängige Forscher stellen derGentechnik-Landwirtschaft ein ver-nichtendes Zeugnis aus: Die Verspre-chen der Industrie – höhere Erträgeund Gewinne für die Bauern sowieeine Reduktion des Pestizideinsatzes– haben sich nicht erfüllt. Gentech-nik in der Landwirtschaft hat im Ge-genteil gravierende Auswirkungenauf unsere Umwelt, verschärft sozia-le Ungerechtigkeit und macht uns zuVersuchskaninchen in einem weltwei-ten Freilandexperiment. Die Agro-Gentechnik ist ein völlig überflüssi-ger Eingriff in das Ökosystem, der

niemandem außer einer Hand vollGroßkonzernen nützt. Auf der ganzenWelt wehren sich daher Menschengegen die Einführung der Agro-Gen-technik. Mit Erfolg: Immer nochwachsen Gen-Pflanzen nur in weni-gen Ländern, in Europa wollen sichHunderte von Regionen zu gentech-nikfreien Zonen erklären, und Mon-santo musste selbst in den USA dieKommerzialisierung von genmanipu-liertem Weizen aufgeben.

Alternative Züchtungsmethoden be-weisen längst, dass die Visionen derGentechniker auch auf konventionel-lem Weg, etwa durch Rückbesinnungauf traditionelle Sorten, erreichtwerden können. Keine Rolle für dieAgro-Gentechnik sieht auch derWeltagrarrat (IAASTD). Er war vonden Vereinten Nationen und derWeltbank beauftragt worden, denWeg für eine zukunftsfähige Land-wirtschaft auszuarbeiten. 400 Wis-senschaftler aus 50 Ländern fordernim Abschlussbericht eine radikaleWende. Statt agroindustriellem An-bau und Gentechnik fordern sie einevielfältige Landwirtschaft, die Res-sourcen schont, keine gesellschaftli-chen Folgekosten verursacht und inregionale Wirtschaftskreisläufe ein-gebunden ist.

Gentechnik-Pflanzen derZukunft?

ein generelles Verbot genmanipulierter Pflanzen und Tiere

ein Verbot der Patentierung von Leben

eine ökologisch sinnvolle, sozial gerechte und nachhaltige Landwirtschaft

bis zur Umsetzung des Gentechnikverbots: die Kennzeichnung von tierischenProdukten, wenn die Tiere mit genmanipuliertem Futter gefüttert wurden

Das Umweltinstitut München e.V. fordert:

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ImpressumHerausgeber: Umweltinstitut München e.V., Verein zur Erforschung und Verminderung derUmweltbelastung, Landwehrstr. 64a, 80336 München, www.umweltinstitut.org,[email protected], Tel. (089) 30 77 49-0 Text: Andreas Bauer Redaktion: ChristinaHacker, Harald Nestler (verantwortlich), Thomas Rath Layout: Thomas RathBilder: pixelio.de/schaudi, Archiv (1 [M]), C. Ynouye/CIP (2), immuneweb.com (3),www.scx.hu (5, 7, 10, 12), www.oekolandbau.de / Copyright BLE / Dominic Menzler (6,8), KWS (9), usda.gov (11, 13, 14), Gendreck weg (15) Druck: Ulenspiegel Druck, An-dechs, auf 100 Prozent Recyclingpapier 3. überarbeitete Auflage: August 2008

Sie können diese Broschüre und unsere Faltblätter zur Gentechnik auch in größererStückzahl bei uns anfordern oder als pdf von unserer Homepage herunterladen.

Spendenkonto Gentechnik:Umweltinstitut München e.V.Konto-Nr. 883 11 03, BLZ 700 205 00Bank für Sozialwirtschaft

Das Umweltinstitut München besteht seit über 20 Jahren als gemeinnützigerVerein. Für unsere unabhängige Forschung und Aufklärungsarbeit brauchen wirIhre Unterstützung.

Unsere

Faltblätt

er

zur Gentechnik

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