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Vorlesung WS 2013/14
Kognitive Neurowissenschaft
Thomas Goschke
1
Fachrichtung Psychologie
Professur Allgemeine Psychologie
Prof. Dr. Thomas Goschke
Institut für Allgemeine Psychologie, Biopsychologie und Methoden der Psychologie
Zellescher Weg 17 (BZW, 3. Etage)
Sekretariat: Frau Wobst
Tel. 0351-463-34695
E-Mail: wobst@psy1.psych.tu-dresden.de
http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/fakultaet_mathematik_und_naturwissenschaften/fachrichtung_psychologie/i1/allgpsy
Human Performance in Socio-Technical
Systems
Kognitiv-Affektive Neurowissenschaft
Klinische Psychologie und Psychotherapie
Medizin Neuro-
wissenschaften
Ingenieur- und Technikwissensch.
Wirtschaftswissensch. Informatik
Forschungsstruktur der Fachrichtung Psychologie
DFG Sonderforschungsbereich 940
Neuroimaging Center
www.sfb940.de
CRC 940
Cognitive-Affective Neuroscience Group (CAN)
Cognitive Psychology Biopsychology
Personality Psychology Social Psychology
Developmental Neuroscience
Clinical Psychology and Psychotherapy
Addiction Research Unit
CELOS (Center for Clinical Epidemiology and
Longitudinal Studies)
Department of Psychiatry
Department of Child & Adolescent
Psychiatry
Section for Systems Neuroscience
Department of Neurology
Department of Nuclear Medicine
Neuroimaging Center (NIC)
Cooperating Institutions in Dresden
Center for Regenerative Therapies (CRTD)
Max Planck Institute for the Physics of Complex Systems
Center for Information Services & High Performance Computing (ZIH)
External Cooperations
Bernstein Center for Computational Neuroscience
Charité Universitätsmedizin Berlin
University Geneva Developmental Psychology Unit
Helmholtz Centrum Dresden-Rossendorf (HZDR) - PET Center
Department of Psychology
Medical Faculty
Collaborative Research Center (SFB 940)
Junior Research Group
Computional Modeling and Dynamics of Cognitive Control
Integrated Research Training Group (VIRTU)
B1 Emotional modulation of cognitive control: Positive
affect and reward
B2 Affective modulation volitional control: Motivational intensity
and conflict
B3 Dopaminergic modulation of
meta-control parameters
C4 Parkinson’s disease as a model of
fronto-striatal dysfunction
B4 Serotonergic modulation of meta-control parameters
C2 Bipolar disorder as a model of
affective dysregulation of control
A5 Volitional emotional regulation:
The costs of control
A6 Mechanisms of self-control and
volitional reward regulation
C1 Addiction as a model of impaired
volitional control
C3 Anorexia nervosa as a model of
volitional over-control
A7 Volitional control of brain activity
and emotional reactivity
Emotional modulation of cognitive control
Volitional regulation of emotion and reward
Neuromodulation of cognitive control
A1 Representation and shielding of intentions in prefrontal cortex
A2 Neurocognitive mechanisms of
flexible voluntary action
A3 Adaptive regulation of cognitive
control in dual tasking
Implementation, shielding and shifting of intentions
A4 Development of intention
memory and volitional control
B5 Modulation of cognitive control
by acute stress
Core Imaging Facility
C. DYSFUNCTIONS
A. MECHANISMS B. MODULATORS
Junior Research Group “Computational Modeling & Dynamics of Control“
Literaturempfehlungen
Empfehlenswerte Lehrbücher der Kognitiven Neurowissenschaft Gutes einführendes Lehrbuch zur fMRT
Ward, J. (2010). The Student's Guide to Cognitive Neuroscience 2nd Edition. Taylor & Francis Ltd.
Gazzaniga, M., Ivry, R. & Mangun, R. (2009). Cognitive neuroscience. The biology of the mind (3nd ed.). Norton.
Huettel, S.A., Song, A.W., & McCarthy, G. (2009) (2nd. Ed.) Functional magnetic resonance imaging. Sinauer.
Purves et al. (2013). Principles of cognitive neuroscience. (2nd ed.). Sinauer.
Warum haben wir ein Gehirn?
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Warum haben wir ein Gehirn?
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Warum haben wir ein Gehirn?
Um Bewegungen zu steuern!
What to do next?
Vom Reflex zum Entscheiden
Erweiterter Zeithorizont: Antizipation von in
der Zukunft liegenden Handlungsfolgen
Planen und mentales Probehandeln
Antizipation zukünftiger Bedürfnisse
Belohnungsaufschub im Dienste langfristiger Ziele
Unabhängigkeit von der unmittelbaren Reizsituation
Zukunftsorientierte Handlungsauswahl
Dramatisch erhöhte Flexibilität des Verhaltens
Was zeichnet menschliche Entscheidungen aus?
„Da der Geist… die Kraft besitzt, bei der Verwirklichung irgendeines Wunsches innezuhalten…, so hat er auch die Freiheit, ihre Objekte […] von allen Seiten zu prüfen und gegen andere abzuwägen…
Darin scheint mir die Quelle aller Freiheit zu liegen und darin scheint mir das zu bestehen was gemeinhin (wie ich meine irreführenderweise) als Willensfreiheit bezeichnet wird. Denn während dieses Aufschubs jedes Bedürfnisses haben wir Gelegenheit, das Gute oder Üble an der Handlung, die wir vorhaben, zu beurteilen.
es ist… ein Vorzug unserer Natur gemäß dem Ergebnis einer ehrlichen Prüfung zu wollen und handeln“
(Locke, 1690, Essay Concerning Human Understanding)
Was unterscheidet Willenshandlungen von Reflexen?
„bei der Verwirklichung eines Wunsches innehalten“
Hemmung impulsiver Reaktionen
„Das Gute oder Üble an der Handlung, die wir vorhaben, beurteilen“
Antizipation zukünftiger Handlungseffekten
„gemäß dem Ergebnis einer ehrlichen Prüfung wollen und handeln“
Selbststeuerung
In der Evolution kam es zu einer Expansion kognitiver Fähigkeiten, die mit einer weitreichenden Abkoppelung des Verhaltens von der unmittelbaren
Reizsituation einherging
Die beim Menschen entwickelten Antizipations- und Kontrollfunktionen manifestieren sich in einer genuin zukunftsorientierten Verhaltensselektion
Eine (sehr) kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft
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René Descartes Traité de l’homme (1662)
"Ist das Feuer (A) dem Fusse (B) nahe, so besitzen die Feuerteilchen… die Kraft, in die Haut des Fusses einzudringen; waehrend sie so den duennen Faden (c) bewegen, der am Grund der Zehen und am Nerven befestigt ist, oeffnen sie gleichzeitig den Eingang der Pore (d)(e), an dem dieser Faden endigt, genau so, als wuerde man am Ende einer Schnur ziehen und damit eine Glocke zum Klingen bringen. Da nun die Pore offensteht, kann durch sie der Lebensgeist aus der Hoehle (F) entweichen und fortgeleitet werden, ein Teil in die Muskeln, die den Fuss vom Feuer zurueckziehen, ein Teil in die Muskeln, die Augen und den Kopf dem Fusse zuwenden, und ein Teil in jene Muskeln, die die Haende vorrecken und den Koerper beugen, um den Fuss zu schuetzen.“
Alle materiellen Phänomene (einschließlich der Vorgänge in Lebewesen) können vollständig aus der Gestalt, Konfiguration und Bewegung der an ihnen beteiligten Körper oder Körperteile erklärt werden
Reflexbogen
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Charles Scott Sherrington (1857-1952)
Descartes‘ Dualismus
Alle Phänomene der materiellen Welt (einschließlich der Vorgänge in Lebewesen) können vollständig aus der Gestalt, Konfiguration und Bewegung der an ihnen beteiligten Körper oder Körperteile erklärt werden
„[…] der soeben erklärte Mechanismus [des Herzens ergibt] sich allein aus der Einrichtung der Organe […], die man im Herzen mit seinen Augen sehen, aus der Wärme, die man dort mit seinen Fingern spüren, und aus der Natur des Blutes, die man durch Erfahrung kennenlernen kann, und dies mit der gleichen Notwendigkeit, wie der Mechanismus einer Uhr aus der Kraft, Lage und Gestalt ihrer Gewichte und Räder folgt.“ (Discours 5.6, AT VI 50 f., PhB 261 80 ff.)
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Descartes Dualismus: Automaten vs. vernunftbegabte Menschen
„Wenn es Maschinen mit den Organen und der Gestalt eines Affen oder eines anderen vernunftlosen Tieres gäbe, so hätten wir gar kein Mittel zu erkennen, daß sie nicht von genau derselben Natur wie diese Tiere wären.
[…] gäbe es dagegen Maschinen, die unseren Körpern ähnlich wären und unsere Handlungen nachahmten …. so hätten wir … ganz sichere Mittel, um zu erkennen, daß sie keineswegs wahre Menschen sind.
[…] Sollten diese Maschinen auch manches ebenso gut … verrichten als irgendeiner von uns, so würden sie doch … nicht aus Einsicht handeln, sondern nur aufgrund der Einrichtung ihrer Organe. Denn die Vernunft (raison) ist ein Universalinstrument, das bei allen Gelegenheiten zu Diensten steht, während diese Organe für jede besondere Handlung einer besonderen Einrichtung bedürfen […]”
(Discours 5.10)
Res extensa
Ausgedehnte materielle Substanz
Res cogitans
Nicht ausgedehnte immaterielle Substanz
Descartes‘ Dualismus
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„Ich erkenne aber nur zwei oberste Gattungen von Dingen an: die der geistigen oder denkenden Dinge […] und die der körperliche Dinge […].“ (Prinzipien I 48) „So bildet die Ausdehnung […] die Natur der körperlichen Substanz, und das Denken macht die Natur der denkenden Substanz aus“
Leib-Seele-Dualismus
Materielle Entitäten
„Leib“, Körper, Gehirn
(elektrochemische Prozesse im
Gehirn, Aktionspotentiale, Nervenzellen, Synapsen etc.)
Mentale Entitäten
„Seele“, Geist, Psyche
(Überzeugungen, Wünsche,
Gefühle, Gedanken, Schmerz etc.)
?
Wie kann der Körper auf den Geist wirken?
• Wie können physikalische Reizungen der Sinnesorgane bewusste Wahrnehmungen verursachen?
Wie kann der Geist auf den Körper wirken?
• Wie können geistige Willensakte Körperbewegungen verursachen?
Das Problem der Interaktion
Der Körper soll auf den Geist wirken
• Z.B. physische Reizungen der Sinnesorgane führen zu bewussten Wahrnehmungen
• Z.B. Verletzungen führen zu Schmerzempfindungen
Der Geist soll auf den Körper wirken
• wenn ich zornig bin, erhöht sich der Blutdruck
• Wenn ich mich entscheide, den Arm zu heben, kontrahieren bestimmte Muskeln
p1 Physische Zustände
p2
m1 m2 Mentale Zustände
verursachen
verursachen
32
Geist-Körper-Interaktion
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Zirbeldrüse
„Nachdem ich aber die Sache sorgfältig untersucht habe, bin ich mir gewiß, erkannt zu haben, daß der Körperteil, über den die Seele ihre Funktionen unmittelbar ausübt, keineswegs das Herz ist, noch auch das ganze Gehirn, sondern nur der Innerste von dessen Teilen, welches eine gewisse sehr kleine Drüse ist, die inmitten der Hirnsubstanz liegt und so oberhalb des Wegs, den die Lebensgeister von dessen vorderen Kammern zu den hinteren nehmen, hängt, daß ihre kleinsten Bewegungen sehr stark den Strom der Lebensgeister zu verändern vermögen und daß umgekehrt die geringsten Veränderungen, die im Strömen der Lebensgeister vorkommen, sehr viel dazu beitragen, die Bewegungen dieser Drüse zu verändern.“ (Leidenschaften, § 31)
Geist-Körper-Dualismus
Wahrnehmungen: die von den Sinnesorganen kommenden Bewegungen erzeugen auf der Zirbeldrüse ein ‚Abbild‘ der wahrgenommenen Dinge, welches auf die Seele einwirkt und sie die Gestalt der wahrgenommenen Dinge sehen lässt
Willenshandlungen: der Geist vollzieht einen Willensakt, der eine Bewegung der Zirbeldrüse bewirkt, die ihrerseits zur Folge hat, dass sich die spiritus animales im Gehirn genau in die Nerven bewegen, die zu den entsprechenden Muskeln führen
34
Probleme des Dualismus
Kraft welcher Mechanismen können nicht materielle geistige Zustände auf neuronale Prozesse im Gehirn einwirken (und umgekehrt)?
Wie wäre eine solche Interaktion mit den Erhaltungssätzen der Physik vereinbar?
Wie kann der Geist in die Welt des Physischen eingreifen, wenn diese kausal geschlossen ist?
Warum kann der Geist nur auf das Gehirn und nicht auf anderen materielle Dinge einwirken?
Warum benötigt der Geist überhaupt ein Gehirn, um Bewegungen in Gang zu setzen (bzw. warum braucht das Gehirn dazu den Geist)?
Woher weiß der ort- und ausdehnungslose Geist eigentlich, zu welchem Gehirn er gehört? Warum wirkt mein Geist nur auf mein Gehirn und nicht auf die Gehirne anderer Menschen?
s.a. Beckermann, 2003 36
Bieris Trilemma
(1) Mentale Phänomene sind nichtphysische Phänomene.
(2) Mentale Phänomene sind im Bereich physischer Phänomene kausal wirksam.
(3) Der Bereich physischer Phänomene ist kausal geschlossen
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Nur zwei der drei Sätze können gleichzeitig wahr sein:
Wenn nichtphysische (mentale) Phänomene auf die physische Welt einwirken, kann diese nicht kausal geschlossen sein (1&2 schließen 3 aus).
Wenn Satz 1 und Satz 3 richtig sind, kann es keine Wirkung mentaler Phänomene auf die physische Welt geben (also ist Satz 2 falsch).
Wenn die physische Welt kausal geschlossen ist und mentale Phänomene kausal wirksam sind, dann müssen sie physische Phänomene sein (2&3 schließen 1 aus)
Bieris Trilemma: Mögliche Auflösungen
Aufgabe der Geschlossenheit der physikalischen Welt:
• Interaktionistischer Dualismus
Aufgabe mentaler Verursachung:
• Parallelismus und Epiphänomalismus
Aufgabe des ontologischen Dualismus
• Monismus
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Das Leib-Seele (Gehirn-Geist) Problem
Leib-Seele-Problem
Monismus
(Es gibt nur eine Art von Substanz)
Materialis-mus
Idealismus
Dualismus
(Es gibt physische u. nicht-physische Substanzen)
Interak-tionistischer Dualismus
Parallelismus Epiphäno-
menalismus
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Monismus
Es gibt nur eine Art von Entitäten
Materialismus: mentale Zustände sind identisch mit physikalischen (z.B. neurophysiologischen) Zuständen
Dual aspect theory: mentale und physikalische Zustände sind zwei Erscheinungsformen / unterschiedliche Beschreibungsebenen der gleichen Entitäten
Problem: Erklärung subjektiver Erlebnisqualitäten („qualia“)
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Monistische Positionen
Materialistischer
Monismus
Identitätstheorie
Typen-Identität Token-Identität
Anomaler Monismus
Funktionalismus
Eliminativer
Materialismus
Logischer
Behaviorismus
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Identitätstheorie
Mentale Zustände sind real, aber sie sind identisch mit physischen Phänomenen (Gehirnprozessen)
Annahme einer nomologischen (gesetzmäßigen) Korrelation zwischen mentalen und physischen (neuronalen) Zuständen
Analogie:
• Wasser H2O
• Wärme Brown‘sche Molekularbewegung
• Gedanken / Gefühle / Schmerzen Feuern bestimmter Neurone
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Kognitive Neurowissenschaft
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Wahrscheinlichkeiten Werte
? Subjektiver Nutzen
Optionen Präferenzen
Auch komplexere geistige Leistungen (z.B. Planen, Entscheidungen, Willenshandlungen) beruhen auf neuronalen Mechanismen im Gehirn
Aber: diese Prozesse sind dennoch keine simplen Reflexe, sondern komplexe Berechnungs- und Informationsverarbeitungsprozesse
Ziele
Geist und Gehirn – ein empirisches Beispiel
Elektrische Direktreizung des Kortex in epileptischen Patienten erzeugte bewusste Empfindungen
• "a star came down and towards my nose“
• "those fingers and my thumb gave a jump“
• "I heard the music again; it is like the radio”
48
Penfield, W., & Jasper, H. (1954). Epilepsy and the functional anatomy of the human brain. Boston: Little Brown. Penfield, W., & Perrot, P. (1963). The brain’s record of auditory and visual experience. Brain, 86, 595–696.
Recollection of vivid memories after perirhinal region stimulations
Elektrische Direktreizung im rechten Temporalkortex in einem epilepetischen Patienten lösten visuelle Eindrücke aus, die mit Gedächtnisinhalten assoziiert waren
• “Immediately on stimulation, the patient said an image was coming but that it was hard to see, as it was too faint. He then said he had seen a lake, which was behind his house. He added: “I go there very often.”
• “The patient immediately said that something had materialized and that it was a neighbor going by in the street on a motorbike. He added: “I see him very often” and said that it was his brother’s friend.
49 Barbeau et al. (2005). Neuropsychologia, 43, 1329–1337
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Wie bringt die Interaktion von Milliarden von Nervenzellen Erinnerungen, Gefühle, Gedanken und
Entscheidungen hervor?
Wie werden subjektive Werte und Belohnungen im Gehirn repräsentiert und gelernt?
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Wahrscheinlichkeiten Werte
? Subjektiver Nutzen
Optionen
Präferenzen
Kognitive Neurowissenschaft
Ziel:
• Zu erklären, wie mentale Prozesse (Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Erinnern, Entscheiden) im Gehirn “implementiert” sind
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
• Experimentelle Psychologie
• Neurowissenschaften
• Klinische Psychologie / Psychiatrie / Neuropsychologie
• Neuroökonomie
• Mathematische & komputationale Modellierung
• Philosophie des Geistes
Methoden
• Experimentelle Paradigmen der Kognitionspsychologie
• Funktionelle bildgebende Verfahren
• Elektrophysiologische Methoden
• Pharmakologisches Imaging / Neurogenetik
• Computational modeling
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• Analyses of cognitive task performance
• Models of underlying computational mechanisms
Behavioral and information-processing level
• fMRI; EEG; TMS
• Large-scale brain systems interactions
Neural systems level
• Neuromodulatory and neuroendocrine systems
• Pharmacological neuroimaging; PET;
• Genetic variation
Molecular Level
Integration multipler Beschreibungsebenen
Integration multipler Forschungsansätzen
Differentiated behavioral assessment of cognitive functions
Functional anatomy of cognitive and affective
functions
Computational models Functional decomposition of
cognitive functions Large-scale brain systems
interactions
Information processing models
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft: Vorläufer in der Hirnforschung
58 © Psychology Press
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft: Frühe anatomische Ansätze
Aristoteles: Sitz mentaler Prozesse ist das Herz; Gehirn dient der Kühlung
59
Frühe Anatomen sahen Sitz geistiger Vorgänge in den Ventrikeln
Der Kortex wurde bis ins 18. Jh. falsch dargestellt
Gall und Spurzheim (1810) erstellten eine zutreffende Darstellung
Phrenologie
Unterschiede in kognitiven Fähigkeiten oder Persönlichkeitszügen unterschiedliche Größe kortikaler Regionen Ausbeulungen (bumps) auf dem Schädel
Franz Joseph Gall (1758-1828)
Johann Spurzheim (1776-1832)
from Gall (c. 1810)
Analysis of Presidents Washington, Jackson, Taylor, and McKinley by Jessie A. Fowler, from the Phrenological Journal, June 1898.
Phrenologie
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Fowler & Wells Co. publication on marriage compatibility in connection with phrenology,
1888.
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft: These der funktionalen Spezialisierung
Kritik der Phrenologie als Pseudowissenschaft
• Krude Einteilung psychologischer Funktionen ohne echte wissenschaftliche Grundlage
• Keine Spezifikation von Mechanismen
• Anekdotische Evidenz
Aber: zentrale Annahme überdauerte bis heute Lokalisation psychischer Funktionen (funktionale Spezialisierung)
Moderne Ansätze
• Die meisten Hirnregionen sind nicht nur an einer bestimmten Funktion beteiligt
• Die meisten Funktionen haben nicht eine bestimmte Lokation
• Komplexe Funktionen (z.B. Objektwahrnehmung, Erinnern, Entscheiden) beruhen auf verteilten Netzwerken interagierender Hirnsysteme
• Innerhalb solcher Netzwerke können Teilsysteme eine mehr oder weniger große funktionale Spezialisierung für Teilfunktionen aufweisen
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft Funktionelle Spezialisierung: Broca’s Entdeckung
© Elsevier
Paul Broca (1824–1880).
Preserved brain of Broca’s first patient. Damaged region in the dotted red square.
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Patient mit linksfrontaler Läsion • Unfähig zu sprechen (außer ‘tan …tan…tan’)
• Andere kognitive Fähigkeiten intakt
Autopsie zeigte Schädigung im linken posterioren Frontalhirn (“Broca Areal”)
Einer der ersten Belege für anatomische Lokalisation einer spezifischen kognitiven (sprachlichen) Funktionen • Exakte Funktion ist bis heute Gegenstand der
Forschung
Kontroverse • Sind kognitive Funktionen in bestimmten
Hirnregionen lokalisiert?
• Oder ist das Gehirn äquipotentiell, d.h. unterstützen alle Regionen kognitive Funktionen?
Kurze Geschichte der Kognitiven Neurowissenschaft Funktionelle Spezialisierung: Wernickes Entdeckung
Wernicke untersuchte Patienten mit beeinträchtigtem Sprachverständnis, aber intakter Sprachproduktion
“Wernicke Areal” Verarbeitung des Sprachinputs (benachbart zu auditorischen Kortexregionen)
Annahme zweier Sprachregionen für Verständnis und Produktion, die unabhängig voneinander durch Hirnschädigungen beeinträchtigt werden können
Funktionelle Spezialisierung wird aus funktionalen Dissoziationen erschlossen Kognitive Neuropsychologie
Speech centers from Wernicke’s 1876 article on aphasia. A = Wernicke’s sensory speech center; B = Broca’s area for speech; Pc = Wernicke’s area concerned with language comprehension and meaning.
Carl Wernicke 1848-1905
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Zwei Forschungstraditionen der Neuropsychologie
Klassische Neuropsychologie
• Welche Funktionen werden durch Läsion in Region X gestört?
• Frage nach der Lokalisation von Funktionen / der Funktion bestimmter Hirnregionen
• Konvergierende Evidenz aus funktionellen Bildgebungsstudien
Kognitive Neuropsychologie
• Funktionalen Dissoziationen: Kann eine Funktion unabhängig von anderen Funktionen gestört werden?
• Suche nach “Grundbausteinen” kognitiver Funktionen (auch unabhängig von deren anatomischer Lokalisation) Informationsverarbeitungsmodelle
Kognitive Neurowissenschaft
• Integriert beide Traditionen
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Einfache Dissoziation und „task-resource artefacts“
Zwei Aufgaben A und B beanspruchen eine kognitive/neuronale „Ressource“ in unterschiedlichem Ausmaß (d.h. eine Aufgabe ist schwieriger als die andere)
Hirnschädigung kann die verfügbare Menge der Ressource reduzieren
Kann einfache Dissoziation erklären, ohne dass separate Systeme angenommen werden müssen
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Tim Shallice (1988)
© Psychology Press.
Doppelte Dissoziation: Ein Beispiel
Doppelte Dissoziation:
• Patient X: Funktion A gestört, Funktion B intakt
• Patient Y: Funktion A intakt, Funktion B gestört
Spricht für separate Systems für die Verarbeitung von Vokalen und Konsonanten
ABER:
• Systeme müssen nicht anatomisch distinkt sein (könnten auch zwei überlappende Neuronenpopulationen sein)
• Die Kodierung von Vokalen bzw. Konsonanten muss nicht die einzige Funktion dieser Neuronen sein
• Spezialisierung könnte auch graduell sein
68 © Psychology Press.
Cajal’s neuron doctrine: The working assumption of brain science
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Ramón y Cajal’s drawing of the afferent inflow to the mammalian cortex.
Santiago Ramón y Cajal (1852–1934), cowinner of the Nobel Prize in 1906.
A single neuron
in a modern high-
resolution x-ray
microscope.
Forschritte in funktionellen Bildgebungsmethoden und die Geburt der modernen Kognitiven Neurowissenschaft
1970s: strukturelle Bildgebngsmethoden (CT, MRT) ermöglichen präzise Bilder des Gehirns (und von Gehirnläsionen)
1980s: PET wird erstmals eingesetzt, um kognitive Prozesse mittels kognitionspsychologischer Aufgaben zu untersuchen
1985: TMS wird eingesetzt um temporäre “künstliche” Läsionen zu erzeugen
1990: fMRT: Level der Oxygenisierung des Bluts in bestimmten Gehirnregionen wird als Indikator für neuronale Aktivität während perzeptueller / kognitiver Leistungen eingesetzt
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Subtraktionsmethode
Peterson et al. (1988): PET Studie
Peterson et al. (1988): PET Study
Neuroimaging and electrophysiological methods
Brain activation
Metabolism Neural Signaling
Regional
cerebral
blood flow
Blood
oxygen
level
Electrical
currents Release of
neurotransmitters
Glucose
consumption
(PET, fMRT) (EEG, MEG, Single cell recording)
Indirect signals are produced by brain metabolism and blood flow (glucose and oxygen for MRI/fMRI), and radioactive tracers (PET).
Direct brain signals are usually electromagnetic. (EEG, MEG, single-cell electrical recording, direct stimulation of neurons).
Methoden der Kognitiven Neurowissenschaft
80 © Psychology Press
Methoden der Kognitiven Neurowissenschaft: Zeitliche und räumliche Auflösung
Adapted from Churchland and Sejnowski (1988).
81
© Psychology Press
Multi-Voxel-Pattern-Analyse
Kritik an der Kognitiven Neurowissenschaft
“Man den Geist studieren ohne das Gehirn zu untersuchen”
“Theorien der kognitiven Informationsverarbeitung machen keine Vorhersagen über das Gehirn”
“Funktionelle Bildgebungsstudien sagen uns WO kognitive Prozesse stattfinden, aber nicht WIE sie funktionieren”
“Kognitive Neurowissenschaft ist eine moderne Form von Phrenologie”
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Kritik (1): Den Geist ohne das Gehirn untersuchen?
Analogies often drawn between computer software (mind) and hardware (brain) (e.g. Coltheart, Harley)
BUT brain provides causal constraints on the nature of cognition (they are not truly independent)
E.g. why is visual word recognition achieved by parallel rather than serial search?
Hard to give a purely cognitive answer, but easy to explain in terms of neural processing speed
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Leseempfehlung: Henson (2005). What can functional neuroimaging tell the experimental psychologist? Quarterly Journal of Experimental Psychology, 58A, 193-233.
Kritik (1): Den Geist ohne das Gehirn untersuchen? Informationsverarbeitungsmodelle und die Computermetapher
87 © W. W. Norton © Psychology Press
Kritik (1): Den Geist ohne das Gehirn untersuchen? “Computerfunktionalismus“
These:
• Der gleiche funktionale Zustand kann in unterschiedlichen physikalischen Systemen realisiert sein
• Mentale Funktionen verhalten sich zu Gehirnprozessen wie die Software (Programm) zur Hardware eines Computers
• Gegenargument: neuronale „Hardware“ setzt wichtige Randbedingungen für kognitive Modelle
• Z.B. relative Langsamkeit neuronaler Reaktionen
• Z.B. funktionelle Konnektivität neuronaler Systeme
• etc.
Kritik (2): “WO aber nicht WIE”
90
Aber: Reaktionszeiten sagen uns auch nicht WIE kognitive Prozesse funktionieren (sondern wieviel Zeit sie benötigen)
Was wir messen (Reaktionszeiten, Fehler, regionale Hirndurchblutung) sind immer Daten
Es sind Theorien (nicht Daten), die das WIE der Kognition erklären
Insofern liefern funktionelle Bildgebungsdaten eine weitere abhängige Variable für die Überprüfung von Theoriebildung
Adapted from Henson (2005), by
kind permission of the Experimental
Psychology Society.
“Funktionelle Bildgebungsstudien sagen uns WO kognitive Prozesse stattfinden, aber nicht WIE sie funktionieren”
Kritik (2): “WO aber nicht WIE”
Sind visuelle Wortrepräsentationen unabhängig von der Groß- vs. Kleinschreibung?
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Größe gleich Größe verschieden
Bedeutung gleich
RADIO – RADIO RADIO - radio
Bedeutung verschiedene
MAUS – RADIO MAUS - radio
Dehaene et al. (2001)
Kritik (3): Die Macht der Bilder – Eine neue Phrenologie?
Uttal (2001): funktionelle Bildgebung sei moderne Form vonPhrenologie
Häufige Trivialisierungen + Über-interpretation von Bildgebungs-befunden in den Medien
Empirische Studie: Personen neigen eher dazu, Scheinerklärungen für mentale Phänomene zu akzeptieren, wenn diese zusammen mit einem Hirn-Scan präsentiert werden
Gegenargumente:
• Ziel der K.N. ist nicht Lokalisation per se, sondern Verständnis der komputationalen Mechanismen, nach denen das Gehirn funktioniert
• Fokus liegt auf auf Netzwerken interagierender Hirnsysteme
• Funktionelle Anatomie baut auf theoriegeleiteten Experimenten und kognitionspsychologischen Paradigmen auf
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Was erwartet Sie in dieser Vorlesung?
Methoden der Kognitive Neurowissenschaften • PET, fMRI, EEG, TMS, Komputationale Modellierung
Was determiniert unsere Entscheidungen? • Wie lernen wir den Wert von Dingen?
Neuronale Grundlagen von Belohnungslernen und Anreizmotivation
• Wie werden Bewertungen im Gehirn repräsentiert?
• Wie entscheiden wir? Emotionale, kognitive und neuronale Grundlagen von Entscheidungen
• Warum treffen wir häufig irrationale Entscheidungen? Zwei Seelen in einer Brust? Neuronale Grundlagen von Impulsivität und Selbstkontrolle
Wie steuern wir uns selbst? • Sind unsere Handlungen durch unbewusste Gehirnprozesse determiniert?
• Wie werden Absichten im Gehirn repräsentiert?
• Neurokognitive Mechanismen der willentlichen Handlungssteuerung
• Kognitive Kontrollfunktionen des präfrontalen Kortex
• Wie werden kognitive Kontrollprozesse durch Emotionen und Stress beeinflusst?
Wie kommt es zu Beeinträchtigungen der willentlichen Selbststeuerung bei psychischen Störungen? • Neurokognitive Mechanismen der Sucht
105
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!