Kulturkritik

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  • 8 BUDAPESTER ZEITUNG FFEEUUIILLLLEETTOONN 9. - 15. MRZ 2012 NR. 10

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    kknnssttlleerrffrreeuunnddlliicchhee SSttaaddtt:: BBuuddaappeesstt.. DDiiee SSttaaddtt

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    iinn ddeenn JJaahhrreenn zzuuvvoorr..

    DDie politische Vernderung Ungarns ist im

    vergangenen Jahr auch in der Kulturszene

    mit groen Umwlzungen einhergegangen.

    Etablierte Veranstaltungsorte wie das Merlin

    Theater, das Zld Pardon und das Pecsa sind

    von der Bildflche verschwunden. Bei dem fast

    fertigen Gastro-Kulturzentrum CET verzgert

    sich die Erffnung nun schon seit ber 10

    Monaten. Andere haben eine neue Fhrung be-

    kommen und mssen sich neuen Richtlinien

    und dem Einfluss von oben beugen. Die Lage

    ist kompliziert, kritisch und bedauerlich, denn

    ein Ende ist nicht abzusehen.

    TThheeaatteerr uunndd MMuusseeeenn

    Wie nicht anders zu erwarten gewesen war,

    gab es nach dem Regierungswechsel perso-

    nelle Vernderungen an der Spitze staatlicher

    Kultureinrichtungen. Museen wie die Kunst-

    halle bekamen neue Direktoren, und Theater

    wie die Oper und das ungarische Tanztheater

    andere Intendanten. Verwiesen wurde dabei

    in den meisten Fllen auf die Unfhigkeit der

    Leitungen und die Verschwendung von

    Geldern. Zumeist stellten sich diese Vor-

    wrfe, wie beim Direktor der Staatsoper (die

    BZ berichtete), als unbegrndet heraus.

    Offensichtlich standen im Hintergrund politi-

    sche Erwgungen. Wie sonst ist der Wechsel

    von erfolgreichen, international anerkannten

    und bekannten Persnlichkeiten wie Zsolt

    Petrnyi, dem ehemaligen Leiter der Kunst-

    halle (Mcsarnok), erklrbar, der ohne ffent-

    liche Ausschreibung kurzerhand durch Gbor

    Gulys (vormals Leiter des Modem in Debre-

    cen) ersetzt wurde. Auch das mit fadenschei-

    nigen Argumenten begleitete Ende des

    Opernballs, einem Highlight des gesellschaft-

    lichen Lebens in Ungarn, gibt zu denken.

    Ende Dezember vergangenen Jahres ver-

    schwand dann das Merlin Theater von der

    Kunstpalette. Das mit alternativen Programmen

    und englischsprachigen Vorfhrungen aufwar-

    tende Haus hatte bereits Ende 2010 mit Geld-

    schwierigkeiten zu kmpfen (die BZ berichtete),

    da die versprochene Finanzierung vom Staat

    nicht ausgezahlt worden war. Durch die fehlen-

    de Untersttzung mussten die Betreiber nach ei-

    nem Jahr Standardprogramm schlielich aufge-

    ben und hoffen nun, an einem anderen Standort

    vielleicht noch mal neu

    zu erffnen.

    KKoonnzzeerrttee

    Ende September folgte ein groer Einschnitt

    fr die Musikwelt in Budapest, die Schlieung

    des bei In- und Auslndern beliebten Sommer-

    ziels Zld Pardon auf der Budaer Seite der

    Petfi Brcke. Da der Pachtvertrag ausgelaufen

    war, wurde die Verlngerung durch den Be-

    zirksrat abgelehnt, mit der Begrndung, dass

    das Zld Pardon etwas Bedeutenderem Platz

    machen msse. Was kann es auch Gewichti-

    geres geben, als das Aufstellen einer Landes-

    fahne zu Ehren der uerst umstrittenen neuen

    ungarischen Verfassung.

    Seit September gibt es auerdem keine

    Veranstaltungen mehr im Petfi Csarnok, kurz

    Pecsa genannt, das zentral im Vrosliget

    (Stadtwldchen) liegt und in dem die meisten

    Rockkonzerte stattfanden. Neben weltbekann-

    ten Gruppen wie Nirvana, Apocalyptica, Lordi

    und Slayer rockten hier auch ungarische

    Gren wie kos und Quimby die Bhne. Jetzt

    mssen sich Inflames, Guano Apes, Opeth und

    Co. mit dem Club 202 am Ende der Fehrvri

    t begngen, wo der Platz deutlich einge-

    schrnkt ist und die Anbindung zur Innenstadt

    nicht nur nach Mitternacht deutlich zu wn-

    schen brig lsst.

    NNaacchhwwuucchhss

    Einschneidende Vernderungen gab es in

    diesem Jahr auch beim Traf und Gdr Klub.

    Die geheimnisumwitterte und fragwrdige

    Ernennung von Yvette Bozsik zur neuen

    Leiterin des Traf (die BZ berichtete) wirft

    nicht nur bei Auenstehenden Fragen auf. Bei

    der Erstellung des Programms, bisher ein Platz

    fr alternative und junge Knstler aus dem In-

    und Ausland, soll jetzt mehr Wert auf eigene

    Produktionen gelegt werden. Ob da noch

    Mglichkeiten fr aufstrebende

    Musiker und Tnzer bleiben, steht

    in den Sternen.

    Trauer macht sich auch bei

    vielen Klubgngern und

    Anhngern des etwas

    Anderen und Neuen

    breit, denn der Pacht-

    vertrag des G-

    dr auf dem

    Erzsebet tr

    wurde nicht

    verlngert

    (die BZ berichtete). Hier fanden viele junge,

    aufstrebende Kunstschaffende eine Plattform

    im neuen Akvrium wird dies angeblich nicht

    anders sein. Ob dem so ist, werden wir sehen.

    Auch mit der endgltigen Auflsung des

    Tzraktrs im vergangenen Herbst wurde die

    Situation fr viele bildende Knstler, Maler

    und Designer noch schwieriger (die BZ berich-

    tete). Die Knstlerkolonie im Herzen der

    Stadt war eine Art Sprungbrett in die groe

    Welt, da sie den jungen Talenten neben gnstigen

    Mieten eine inspirierende Atmosphre bot, die

    den Austausch mit Gleichgesinnten und die

    Chance fr Vernissagen und Modeschauen ge-

    stattete. Die Bezirksverwaltung sah darin aber

    scheinbar keinen Sinn und lie das Haus schlie-

    en, ohne dass neue Pchter in Sichtweite wren.

    FFrraaggeezzeeiicchheenn

    Damit nicht genug, hngt auch die

    Erffnung des Gastro-Kulturzentrums CET in

    der Warteschleife. Es hofft bereits seit dem

    Frhjahr 2011 auf die Abnahme durch die

    Hauptstadt und auf Mieter. Der Streit zwischen

    den Investoren und den zustndigen stdti-

    schen Behrden scheint kein Ende finden zu

    wollen. So steht es leer und harrt einer endgl-

    tigen Entscheidung ber sein Schicksal, ob-

    wohl es schon jetzt Konzerten, Ausstellungen,

    Restaurants, Cafs und weiteren Lden Platz

    bieten knnte. Betreiberprobleme gibt es auch

    bei der frisch renovierten Eisbahn im Stadt-

    wldchen (Vrosliget). Sie blieb bis Mitte De-

    zember geschlossen. Trotz der vorbergehenden

    Nutzung sind die Schwierigkeiten bis heute

    nicht gelst.

    Probleme mit der Stadt haben auerdem die

    sogenannten Ruinenkneipen wie das Szimpla

    und Szimpla Kert in der Innenstadt. Sie mssen

    immer wieder um die ffnungszeiten streiten

    und um ihre Existenz kmpfen (die BZ berich-

    tete). hnlich dster ist auch die Situation der

    Knstlerkinos: Frher ebenfalls vom Staat sub-

    ventioniert boten sie neben den Mainstream-

    Filmen der groen Kinos alternative Streifen

    unterschiedlichster Genres aus aller Welt in

    Originalsprache. Obwohl bei den Kinobe-

    suchern sehr beliebt, hat es den Anschein, als

    habe der Staat fr die Knstlerkinos heute

    nicht viel brig.

    FFaazziitt

    Budapest, das in der Vergangenheit als welt-

    offene und knstlerfreundliche Stadt galt, hat

    bei den Kulturprogrammen viel von seiner

    Anziehungskraft eingebt. Natrlich ist Kul-

    tur Ansichtsache, und sie unterliegt auch einem

    stndigen Wandel. Denn was Hans gefllt,

    muss Hnschen noch lange nicht gefallen. Aber

    die Zeiten fr alternative Musik und Kunst sind

    in Budapest rauer geworden schlicht und ein-

    fach, weil die Orte und Rumlichkeiten fr das

    etwas Andere nach und nach verschwinden.

    Die Finanzkrise ist vor vier Jahren ausgebro-

    chen. Im Kulturbereich hat sie sich allerdings

    erst 2010 bemerkbar gemacht. Der Sparzwang

    der Regierung knnte ein Argument fr die

    Einschnitte im Kulturleben sein, allerdings

    macht dieser auch vor Veranstaltungsorten

    nicht Halt, die Gewinn abwerfen. Dies trifft auf

    Pecsa und Zld Pardon auf jeden Fall zu, und

    auch das CET drfte wohl rentabel sein.

    Dadurch entgehen dem Staat Steuereinnah-

    men. Seltsamerweise scheint fr andere Dinge,

    beispielsweise Fuball, oder die Umbenennung

    von Straen, Pltzen und des Budapester

    Flughafens aber noch genug im Staatstopf vor-

    handen zu sein.

    Was auch immer die Grnde sein mgen,

    durch die Schlieungen und Rationalisierungen

    werden immer mehr Geschichten ber Kultur-

    treffs, Klubs, Kinos und Theater in Budapest mit

    den Worten Es war einmal... beginnen.

    IINNEESS GGRRUUBBEERR

    KKuullttuurrlleebbeenn

    AAlltteerrnnaattiivvee KKuullttuurr aauuff ddeemm aabbsstteeiiggeennddeenn AAsstt

    Einst zog hier das Zld Pardon feierfreudige junge Menschen an, nun soll hier eine Fahne zu Ehren der neuen Verfassung wehen.

    Freunde des englischsprachigen Theaters hoffen auf die Wiedererffnung an einem neuen Ort.

    Im Streit um das CET ist ebenfalls noch kein Ende in Sicht.