Martingale in diskreter Zeit || Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

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Kapitel 12

Unbedingte Martingalkonvergenzund unbedingte Basen

Dieses Kapitel enthält eine martingaltheoretische Untersuchung des Konvergenz-verhaltens von Fourier-Reihen bezüglich Orthonormalbasen, die aus beschränktenMartingalzuwächsen bestehen. Solche Basen erweisen sich als unbedingte (Schau-der-)Basen von Lp-Räumen für 1 < p < 1. Ein berühmtes Beispiel ist die Haar-Basis, die neuerdings etwa für die funktionale Quantisierung zeitstetiger stochasti-scher Prozesse interessant ist [126]. Die Resultate basieren auf Konvergenzsätzenund Stabilitätseigenschaften aus Kap. 4, damit auf den BDG-Ungleichungen ausKap. 3, und Bedingungen für die unbedingte Konvergenz von Martingalen.

Seien .˝;F ; P / ein Wahrscheinlichkeitsraum, T D Œ˛; ˇ� \ Z ein Z-Intervallmit ˛ > �1; ˇ D 1 und F D .Fn/n2T eine Filtration in F .

12.1 Unbedingte Konvergenz von Martingalen

Für einen reellen stochastischen Prozess X D .Xn/n2T seien Z˛ WD X˛ undZn WD �Xn für n > ˛. Dann gilt Xn D Pn

j D˛ Zj für alle n 2 T . Wir nennenX unbedingt Lp-konvergent für 1 � p < 1 (stochastisch konvergent, fastsicher konvergent), falls

1X

nD˛

Z�.n/

für jede Umordnung � von T in Lp konvergiert (stochastisch gegen eine reelleZufallsvariable konvergiert, fast sicher in R konvergiert), wobei eine Umordnungvon T eine bijektive Abbildung � W T ! T ist. Es wird bald klar werden, dass dannder Limes von der Umordnung unabhängig ist. Man beachte, dass bei unbedingterfast sicherer Konvergenz die Ausnahmenullmenge von der Umordnung abhängendarf.

Für Martingale geht die Martingaleigenschaft durch Umordnung der Zuwächseim Allgemeinen verloren, das heißt Y WD .

Pnj D˛ Z�.j //n2T muss für F-Martingale

H. Luschgy, Martingale in diskreter Zeit, Springer-Lehrbuch Masterclass, 411DOI 10.1007/978-3-642-29961-2_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

412 12 Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

X kein FY -Martingal sein. (Ausnahmen sind Martingale mit unabhängigen Zu-

wächsen.) Martingalkonvergenzsätze sind also auf umgeordnete Martingale im All-gemeinen nicht anwendbar.

Die Lösung des unbedingten Lp-Konvergenzproblems und des unbedingten sto-chastischen Konvergenzproblems für Martingale basiert auf den folgenden allge-meinen Kriterien. Für eine Folge .xn/n2T in einer halbmetrischen kommutativenGruppe X heißt

P1nD˛ xn unbedingt konvergent, falls

P1nD˛ x�.n/ für jede Um-

ordnung � von T in X konvergiert.

Lemma 12.1 Sei .X ; d / eine vollständige halbmetrische kommutative Gruppe mitinvarianter Halbmetrik d , also d.x C z; y C z/ D d.x; y/ für alle x; y; z 2 X .Ferner existiere eine Konstante c 2 .0; 1/ mit d.2x; 0/ � cd.x; 0/ für alle x 2 X ,wobei 2x WD x C x. Für eine Folge .xn/n2T in X sind dann äquivalent:

(i)P1

nD˛ xn konvergiert unbedingt,(ii)

P1nD˛ anxn konvergiert für alle Folgen .an/n2T 2 fC1; �1gT ,

(iii)P1

kD1 xnkkonvergiert für alle strikt wachsenden Folgen .nk/k�1 in T ,

(iv) Das Netz .xS /S2E.T / mit E.T / WD fS � T W S endlich, S 6D ;g und xS WDPn2S xn konvergiert. Dabei ist E.T / mit der partiellen Ordnung „S1 � S2,

falls S1 � S2“ nach rechts gerichtet.

Konvergiert .xS /S2E.T / gegen x 2 X , so konvergiertPn

j D˛ x�.j / für jede Unord-nung � von T gegen x.

In metrisierbaren topologischen Vektorräumen existieren Halbmetriken mit denobigen Eigenschaften ([45], Theorem I.6.1).

Beweis Für konvergente Folgen .yn/n2T und .zn/n2T in X mit yn ! y und zn !z; y; z 2 X folgt aus der Invarianz von d und der Dreiecksungleichung

d.yn C zn; y C z/ D d.yn � y; z � zn/

� d.yn � y; 0/ C d.0; z � zn/

D d.yn; y/ C d.zn; z/ ! 0;

also yn C zn ! y C z und

d.�yn; �y/ D d.0; yn � y/ D d.yn; y/ ! 0;

also �yn ! �y. (Mit der durch d induzierten Topologie ist X danach eine topolo-gische Gruppe.)

(i) ) (iii). Sei .nk/k�1 eine strikt wachsende Folge in T . Wir nehmen an, dassP1kD1 xnk

divergiert. Dann ist .Pm

kD1 xnk/m�1 keine Cauchy-Folge, so dass ein

" > 0 und Folgen .r.m//m�1 und .s.m//m�1 in N existieren mit r.m/^s.m/ ! 1für m ! 1; r.m/ < s.m/, s.m/ � r.m C 1/ und

d� s.m/X

kDr.m/C1

xnk; 0

�D d

�s.m/X

kD1

xnk;

r.m/X

kD1

xnk

�� "

12.1 Unbedingte Konvergenz von Martingalen 413

für alle m 2 N. Ist � W T ! T eine Umordnung mit

�.T \ Œnr.m/C1; ns.m/�/ D T \ Œnr.m/C1; ns.m/�

und

��1.fnk W r.m/ C 1 � k � s.m/g/ D fnr.m/C1; nr.m/C1 C 1; : : : ; nr.m/C1 C vmgmit vm WD s.m/ � r.m/ � 1 für alle m 2 N, so gilt

d�nr.m/C1CvmX

j Dnr.m/C1

x�.j /; 0�

D d� s.m/X

kDr.m/C1

xnk; 0

�� "

für alle m 2 N. Es folgt die Divergenz vonP1

j D˛ x�.j /.(iii) ) (ii). Für .an/n2T 2 fC1; �1gT seien A WD fn 2 T W an D C1g und B WD

fn 2 T W an D �1g. Wir können ohne Einschränkung jAj D jBj D 1 annehmen.Seien .nk/k�1 und .mk/k�1 strikt wachsende Folgen in T mit A D fnk W k 2 Ngund B D fmk W k 2 Ng. Wegen

nX

j D˛

aj xj Dr.n/X

kD1

xnk�

s.n/X

kD1

xmk

mit r.n/ WD jA \ Tnj und s.n/ WD jB \ Tnj für alle n 2 T , wobei Tn D fj 2 T Wj � ng, folgt die Konvergenz von

P1j D˛ aj xj aus der Konvergenz von

P1kD1 xnk

undP1

kD1 xmk.

(ii) ) (iv). Zunächst bemerken wir, dass die Bedingung (iv) äquivalent zurCauchy-Eigenschaft

(iv)0 8" > 0 9S0 2 E.T / 8S 2 E.T /, S � Sc0 W d.xS ; 0/ < "

ist. Gilt (iv)0, so ist S0 � Tn0für ein n0 2 T und für n > m � n0 folgt

d.xTn; xTm

/ D d� nX

j DmC1

xj ; 0�

< ":

Also ist .xTn/n2T eine Cauchy-Folge und damit xTn

! x für ein x 2 X . FürS 2 E.T /; S � S0 wähle man n 2 T mit d.x; xTn

/ < " und Tn � S . WegenTn n S � Sc

0 erhält man

d.x; xS / � d.x; xTn/ C d.xTn

; xS / D d.x; xTn/ C d.xTnnS ; 0/ < 2":

Also konvergiert das Netz .xS /S2E.T / gegen x. Gilt umgekehrt (iv) mit xS ! x

und ist " > 0, so gibt es ein S0 2 E.T / mit d.xS ; x/ < "=2 für alle S 2 E.T / mitS � S0. Für S 2 E.T / mit S � Sc

0 folgt

d.xS ; 0/ D d.xS[S0; xS0

/ � d.xS[S0; x/ C d.x; xS0

/ < ":

414 12 Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

Wir nehmen nun an, dass (iv) und damit (iv)0 nicht gilt. Dann existieren ein " > 0

und eine Folge .Sk/k�1 in E.T / mit s.k/ WD max Sk < min SkC1 DW r.k C 1/ und

d.xSk; 0/ � "

für alle k 2 N. Definiert man an WD C1, falls n 2 S1kD1 Sk und an WD �1 sonst,

so gilt

2xSkD

s.k/X

nDr.k/

.1 C an/xn

und damit wegen d.2x; 0/ � cd.x; 0/

d� s.k/X

nDr.k/

.1 C an/xn; 0�

� c"

für alle k 2 N. Es folgt die Divergenz vonP1

nD˛.1Can/xn und daher die Divergenzmindestens einer der Reihen

P1nD˛ xn und

P1nD˛ anxn.

(iv) ) (i). Seien xS ! x; � eine Umordnung von T und " > 0. Es existiert alsoeine Menge S0 2 E.T / mit

d.x; xS / < "

für alle S 2 E.T / mit S � S0. Zu m0 WD max S0 wähle man n0 2 T mit �.Tn0/ �

Tm0und man erhält

d�x;

nX

j D˛

x�.j /

�< "

für alle n � n0. Es folgtPn

j D˛ x�.j / ! x. utDas unbedingte stochastische Konvergenzproblem lässt sich für L1-beschränkte

Submartingale lösen.

Satz 12.2 (Unbedingte stochastische Konvergenz) Jedes L1-beschränkte Submar-tingal (Supermartingal) konvergiert unbedingt stochastisch.

Beweis Nach A.1 ist die Halbmetrik d.Y; Z/ D E.jY � Zj ^ 1/ auf dem Vektor-raum L0 D L0.˝;F ; P / vollständig und metrisiert die stochastische Konvergenz.Offenbar ist d invariant und erfüllt d.2Y; 0/ � d.Y; 0/ für alle Y 2 L0. Also ist 12.1anwendbar. Ist X ein L1-beschränktes Submartingal (Supermartingal), so konver-giert a � X und damit

P1nD˛ anZn wegen 4.21 für alle a D .an/n2T 2 fC1; �1gT

fast sicher in R. Weil die fast sichere Konvergenz die stochastische Konvergenzimpliziert, konvergiert

P1nD˛ anZn in .L0; d / für alle a 2 fC1; �1gT . Die Be-

hauptung folgt aus 12.1. ut

12.1 Unbedingte Konvergenz von Martingalen 415

Da der Limes bei unbedingter stochastischer Konvergenz nach 12.1 nicht vonder Umordnung abhängt, liefert der obige Satz: Ist X1 2 L1.F1; P / der nach 4.1existierende fast sichere Limes von X , so gilt

nX

j D˛

Z�.j / ! X1 stochastisch

für n ! 1 und jede Umordnung � von T .Allerdings konvergieren L1-beschränkte Martingale nicht notwendig unbedingt

fast sicher. Dies wird Beispiel 12.11 zeigen. Das Problem der unbedingten fast si-cheren Konvergenz von Martingalen unterscheidet sich deutlich von den beidenanderen unbedingten Konvergenzproblemen, da die fast sichere Konvergenz nichtmetrisierbar ist und 12.1 bezüglich der fast sicheren Konvergenz nicht gilt. Insbe-sondere folgt aus der fast sicheren Konvergenz von

P1nD˛ anZn für alle .an/n2T 2

fC1; �1gT nicht die unbedingte fast sichere Konvergenz von L2-beschränkten Mar-tingalen. Dies zeigt Beispiel 12.11. Damit scheint eine rein martingaltheoretischeUntersuchung des unbedingten fast sicheren Konvergenzproblems für Martingalenicht möglich zu sein.

Für reelle Prozesse X ist die fast sichere Konvergenz des Netzes .P

j 2S Zj/S2E.T/

äquivalent zur fast sicheren absoluten Konvergenz von X , also zuP1

nD˛ jZnj < 1f.s. Nach 12.1 (mit X D R/ ist nämlich das Netz .

Pj 2S Zj .!//S2E.T / für

! 2 ˝ genau dann in R konvergent, wenn X.!/ unbedingt in R konvergiert,und dies ist bekanntlich äquivalent zu

P1nD˛ jZn.!/j < 1. (Die fast sicher ab-

solut konvergenten Prozesse X sind die Prozesse mit „beschränkter Variation “:P1nD˛C1 j�Xnj < 1 f.s.)Das folgende Beispiel zeigt, dass aus der unbedingten fast sicheren Konvergenz

von L2-beschränkten Martingalen nicht die fast sichere absolute Konvergenz folgt.

Beispiel 12.3 Sei .Yn/n�1 eine unabhängige Folge identisch verteilter Zufallsvaria-blen mit P.Y1 D C1/ D P.Y1 D �1/ D 1=2 und Xn WD Pn

j D1 Yj =j; n 2 T D N

die „stochastische harmonische Reihe“. Wegen1X

j D1

jZj j D1X

j D1

jYj jj

D1X

j D1

1

jD 1 f.s.

ist das FX -Martingal X nicht fast sicher absolut konvergent. Dagegen ist Mn WDPn

j D1 Y�.j /= �.j /; n 2 N für jede Umordnung � von N wegen der Unabhängigkeitder Zuwächse und

EM 2n D

nX

j D1

1

�.j /2<

1X

j D1

1

j 2< 1

ein L2-beschränktes FM -Martingal und daher nach 4.1 fast sicher konvergent in R.Also ist X unbedingt fast sicher konvergent. Das folgende Korollar impliziert

1X

j D1

Yj

jD

1X

j D1

Y�.j /

�.j /f.s.

für jede Umordnung � von N.

416 12 Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

Korollar 12.4 Seien X ein L1-beschränktes Submartingal (Supermartingal) undX1 2 L1.F1; P / der fast sichere Limes von X . Falls

P1nD˛ Z�.n/ für eine Um-

ordnung � von T fast sicher in R konvergiert, so giltP1

nD˛ Z�.n/ D X1.

Beweis DaPn

j D˛ Z�.j / nach 12.2 stochastisch gegen X1 konvergiert, folgt dieBehauptung aus der fast sicheren Eindeutigkeit des (stochastischen) Limes. ut

Das unbedingte Lp-Konvergenzproblem für Martingale wird durch den folgen-den Satz gelöst.

Satz 12.5 (Unbedingte Lp-Konvergenz)

(a) Sei 1 � p < 1. Ein Lp-Martingal X konvergiert genau dann unbedingt in Lp,wenn X 2 Hp.

(b) Sei X 2 Mgi und X1 2 L1.F1; P / der L1-Limes von X . FallsP1

nD˛ Z�.n/

für eine Umordnung � von T in L1 konvergiert, so giltP1

nD˛ Z�.n/ D X1.

Beweis (a) Ist X 2 Hp, so gilt a � X 2 Hp wegen 4.32(b) und damit

� nX

j D˛

aj Zj

n2TD a˛X˛ C a � X 2 Hp

für alle Folgen a D .an/n2T 2 fC1; �1gT . Da H1 � Mgi nach 4.30(a), lieferndie Konvergenzsätze 4.3 und 4.7 die Lp-Konvergenz von

P1nD˛ anZn. Damit folgt

die unbedingte Lp-Konvergenz von X aus 12.1. (Dabei ist Lp natürlich mit derHalbmetrik d.Y; Z/ D kY � Zkp versehen.)

Sei nun umgekehrt X unbedingt Lp-konvergent. Aus der Lp-Konvergenz folgtdie Lp-Beschränktheit von X , also X 2 Mp . Falls p > 1, gilt Mp D Hp nach4.30(a) und damit X 2 Hp.

Im Fall p D 1 sei Y D .Yn/n2T eine unabhängige Folge identisch verteilterfC1; �1g-wertiger Zufallsvariablen mit P.Y˛ D C1/ D P.Y˛ D �1/ D 1=2, dievon X unabhängig ist. Für n 2 T gilt dann einerseits

���

1X

j D˛

Yj Zj

���

1D

Z ���

nX

j D˛

Yj bj

���

1dP .Z˛ ;:::;Zn/.b/;

und wegen der Khinchin-Ungleichung (4.33) folgt

���

nX

j D˛

Yj Zj

���

1� 1p

3

Z � nX

j D˛

b2j

�1=2

dP .Z˛ ;:::;Zn/.b/ D 1p3

k.X2˛ C ŒX�n/1=2k1;

also mit monotoner Konvergenz

k.X2˛ C ŒX�1/1=2k1 � p

3 supn2T

���

nX

j D˛

Yj Zj

���

1:

12.1 Unbedingte Konvergenz von Martingalen 417

Andererseits gilt

���

nX

j D˛

Yj Zj

���

1D

Z ���

nX

j D˛

aj Zj

���

1dP .Y˛ ;:::;Yn/.a/:

Da das Netz .P

j 2S Zj /S2E.T / nach 12.1 in L1 konvergiert, gibt es zu " > 0 einn0 2 T mit

���X

j 2S

Zj

���

1< "=2

für alle S 2 E.T / mit min S > n0. Für n > n0 und a 2 fC1; �1gT folgt mitS0 WD fn0 C 1; : : : ; ng, S1 WD fj 2 S0 W aj D 1g und S2 WD fj 2 S0 W aj D �1gwegen der Dreiecksungleichung für k � k1

���

nX

j D˛

aj Zj

���

1�

���

n0X

j D˛

aj Zj

���

1C

���

X

j 2S0

aj Zj

���

1

����

n0X

j D˛

aj Zj

���

1C

���

X

j 2S1

Zj

���

1C

���

X

j 2S2

Zj

���

1

<���

n0X

j D˛

aj Zj

���

1C "

und daher

���

nX

j D˛

Yj Zj

���

1�

���

n0X

j D˛

Yj Zj

���

1C ":

Man erhält

supn2T

���

nX

j D˛

Yj Zj

���

1< 1

und somit

k.X2˛ C ŒX�1/1=2k1 < 1:

Wegen 4.30(c) impliziert dies X 2 H1.(b) Weil aus der L1-Konvergenz die stochastische Konvergenz folgt und weilPn

j D˛ Z�.j / nach 12.2 wegen Mgi � M1 stochastisch gegen X1 konvergiert, er-hält man die Behauptung wegen der fast sicheren Eindeutigkeit des (stochastischen)Limes. ut

Nach 12.5(a) und 4.3 sind Martingale in Mgi n H1 zwar L1-konvergent, abernicht unbedingt L1-konvergent. Ein Beispiel für ein solches Martingal findet manin 4.31.

418 12 Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

12.2 Unbedingte Basen von Lp-Räumen und Martingale

Eine Folge .xn/n�0 in einem Banach-Raum X heißt (Schauder-)Basis von X , fallses für alle x 2 X eine eindeutig bestimmte Folge .cn.x//n�0 2 R

N0 mit

x D1X

nD0

cn.x/xn

gibt. Eine Basis .xn/n�0 von X heißt unbedingte Basis von X , fallsP1

nD0 cn.x/xn

für alle x 2 X unbedingt konvergiert. Nach 12.1 gilt dann

x D1X

nD0

c�.n/.x/x�.n/

für alle Umordnungen � von T D N0 und x 2 X .Es ist günstig, zu den Banach-Räumen Lp D Lp.˝;F ; P / für 1 � p � 1

überzugehen. Der folgende Satz liefert das zentrale Resultat über Martingal-Ortho-normalbasen, die in L1 liegen, und deren Fourier-Reihen.

Satz 12.6 Sei .Un/n�0 eine adaptierte Folge in L1 D L1.˝;F ; P / mit kUnk2 D 1

für alle n 2 N0 und .Pn

j D0 Uj /n�0 sei ein Martingal. Dann sind äquivalent:

(i) .Un/n�0 ist eine Orthonormalbasis von L2,(ii) E.f jFn/ D Pn

j D0 cj .f /Uj für alle f 2 L1, n 2 N0, wobei cn.f / WDR

f UndP D Ef Un die Fourier-Koeffizienten von f sind, und F1 D F f.s.

Falls (ii) gilt, so konvergiertP1

nD0 cn.f /Un fast sicher und in Lp gegen f für allef 2 Lp und alle 1 � p < 1, .Un/n�0 ist eine Basis von L1 und eine unbedingteBasis von Lp für 1 < p < 1.

Beweis Für f 2 L1 wird durch

Xn D Xn.f / WDnX

j D0

cj .f /Uj ; n 2 N0

ein Martingal definiert, denn X�X0 ist h-Transformierte von M WD .Pn

j D0 Uj /n�0.(i) ) (ii). Die Fourier-Entwicklung in der Orthonormalbasis .Un/n�0 liefert

Xn.f /L2

! f für n ! 1 und alle f 2 L2. Dann hat f einen F1-messbarenRepräsentanten und wegen 4.3 ist X.f / daher durch f rechtsabschließbar, also

Xn.f / D E.f jFn/

für alle n 2 N0. Da die linearen Abbildungen f 7! Xn.f / und E. � jFn/ auf L1

stetig sind und L2 � L1 dicht ist, folgt Xn.f / D E.f jFn/ für alle f 2 L1 undalle n 2 N0.

Ferner gilt 1F D E.1F jF1/ f.s. für F 2 F wegen E.1F jFn/ ! E.1F jF1/

f.s. nach 4.8 und Xn.1F / ! 1F f.s. für n ! 1. Für G WD fE.1F jF1/ D 1g

12.2 Unbedingte Basen von Lp-Räumen und Martingale 419

gilt G 2 F1 und F�G � f1F 6D E.1F jF1/g, also P.F�G/ D 0. Man erhältF1 D F f.s.

(ii) ) (i). Wegen 1.6 folgt aus der Martingaleigenschaft von M , dass .Un/n�0

ein Orthonormalsystem in L2 ist. Für alle f 2 L2 gilt wegen 4.8 und F1 D F f.s.

Xn.f / D E.f jFn/L2

! E.f jF1/ D f:

Dies impliziert, dass .Un/n�0 eine Orthonormalbasis von L2 ist.Sei nun (i) und damit (ii) erfüllt. Für 1 � p < 1 und f 2 Lp folgt wegen 4.8

und F1 D F f.s.

Xn.f / ! f f.s. und in Lp :

Die Koeffizienten in der Entwicklung f D P1j D0 cj .f /Uj sind daher eindeutig

bestimmt: GiltPn

j D0 bj UjLp

! f mit bj 2 R, so folgtPn

j D0 bj Uj UmLp

! f Um

wegen Um 2 L1 und damit

cm.f / D Ef Um D limn!1

nX

j D0

bj EUj Um D bm

für alle m 2 N0. Dies zeigt, dass .Un/n�0 eine Basis von Lp ist. Für p > 1 undf 2 Lp gilt X.f / 2 Hp nach 4.30, und 12.5 liefert die unbedingte Lp-Konvergenzvon X.f /. Damit ist .Un/n�0 eine unbedingte Basis von Lp für p > 1. ut

Ist in der Situation von 12.6 .Un/n�0 eine Orthonormalbasis von L2, so folgtdimLp.Fn; P / D n C 1 für alle n 2 N0; 1 � p < 1. Damit existiert nach A.6 füralle n 2 N0 eine Fn-messbare Partition �n von ˝ mit j�nj D n C 1; P.F / > 0 füralle F 2 �n und Fn D �.�n/ f.s.

Der Prototyp einer Martingal-Basis ist die Haar-Orthonormalbasis. Im Restdieses Abschnitts seien .˝;F ; P / D .Œ0; 1/, B.Œ0; 1//, �Œ0;1// und Lp DLp.Œ0; 1/;B.Œ0; 1//; �Œ0;1//.

Definition 12.7 Das Haar-System .Un/n�0 besteht aus den Funktionen

U0 D 1Œ0;1/;

U2mCj D 2m=2.1Œ

2j

2mC1; 2j C1

2mC1/

� 1Œ

2j C1

2mC1; 2j C2

2mC1//

für m 2 N0; j 2 f0; : : : ; 2m � 1g. (Man beachte, dass jedes n 2 N eine eindeutigeDarstellung der Form n D 2m C j mit m 2 N0 und 0 � j � 2m � 1 hat.)

Die Funktionen Un sind L2-normiert, also kUnk2 D 1 für alle n 2 N0. Die erstenHaar-Funktionen nach U0 sind

U1 D 1Œ0; 12

/ � 1Œ 12

;1/;

U2 D p2.1Œ0; 1

4 / � 1Œ 14 ; 1

2 //;

U3 D p2.1Π1

2; 3

4/ � 1Œ 3

4;1//;

420 12 Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

und man kann alle Funktionen Un aus U1 rekonstruieren: Es gilt U0 D jU1j und

U2mCj .t/ D 2m=2U1.2mt � j /

für m � 0; 0 � j � 2m � 1; t 2 Œ0; 1/. Dies ist die Wavelet-Darstellung desHaar-Systems mit Mutter-Wavelet U1.

Satz 12.8 (Haar-Basis) Seien .Un/n�0 das Haar-System und F D FU . Dann ist

.Un/n�0 eine Orthonormalbasis von L2 DL2.Œ0;1/;B.Œ0;1//, �Œ0;1//, .Pn

j D0Uj/n�0

ist ein Martingal, Fn D �.�n/ mit

�0 D fŒ0; 1/g;�2mCj D

��

0;1

2mC1

; : : : ;

�2j C1

2mC1;

2j C2

2mC1

;

�j C1

2m;

j C2

2m

; : : : ;

�2m �1

2m;1

��

für m 2 N0, 0 � j � 2m � 1, j�nj D n C 1 für alle n 2 N0 und F1 D F DB.Œ0; 1//.

Beweis Offenbar gilt F0 D �.�0/ und wegen �1 D fŒ0; 1=2/; Œ1=2; 1/g auch F1 D�.�1/. Für n D 2m C j mit j � 2m � 2 entsteht die Partition �nC1 aus �n, indemdas Intervall

�j C 1

2m;

j C 2

2m

2 �n

durch die beiden „Kinder“�

2j C 2

2mC1;

2j C 3

2mC1

und

�2j C 3

2mC1;

2j C 4

2mC1

ersetzt wird. Im Fall j D 2m � 1 wird�

0;1

2mC1

2 �n

durch�

0;1

2mC2

und

�1

2mC2;

2

2mC2

ersetzt. Dies impliziert �.�n [ �.UnC1// D �.�nC1/. Mit Induktion folgt Fn D�.�n/ für alle n 2 N0, denn für n � 1 gilt

FnC1 D �.U0; : : : ; UnC1/ D �.Fn [ �.UnC1//

D �.�n [ �.UnC1// D �.�nC1/:

Wegen

�2m�1 D��

j

2m;

j C 1

2m

W 0 � j � 2m � 1

12.2 Unbedingte Basen von Lp-Räumen und Martingale 421

für m � 0 und 1.7(f) gilt ferner

F1 D �� 1[

mD0

F2m�1

�D B.Œ0; 1//:

Für Mn WD Pnj D0 Uj gilt �MnC1 D UnC1 und fUnC1 6D 0g 2 �n. Es folgt für

n � 0 wegen A.14 mit I0 WD fUnC1 6D 0g

E.�MnC1jFn/ DX

I2�n

P.I /�1

Z

I

UnC1dP1I

D P.I0/�1

Z

Io

UnC1dP1I0

D P.I0/�1

Z

UnC1dP1I0D 0:

Damit ist M ein Martingal.Wegen kUuk2 D 1 für alle n 2 N0 und der Martingaleigenschaft von M ist

.Un/n�0 ein Orthonormalsystem in L2. Liegt f 2 L2 im orthogonalen Komplementder linearen Hülle von .Un/n�0, so gilt

Z

F

fdP D 0

für alle F 2 E WD S1nD0 �n [ f;g (Induktion). Da E ein durchschnittsstabiler

Erzeuger von F1 D F ist, folgt f D 0. Damit ist gezeigt, dass .Un/n�0 eineOrthonormalbasis von L2 ist. ut

Mit 12.8 erhält man einen martingaltheoretischen Beweis der unbedingten Ba-siseigenschaft des Haar-Systems.

Korollar 12.9 Das Haar-System ist eine Basis von L1 und eine unbedingte Basisvon Lp für 1 < p < 1.

Beweis Die Behauptungen sind unmittelbare Konsequenzen von 12.8 und 12.6. utDas folgende Beispiel zeigt, dass die Haar-Basis keine unbedingte Basis von L1

ist. (Tatsächlich hat L1 keine unbedingte Basis ([29], Theorem II.13).)

Beispiel 12.10 Seien .Un/n�0 die Haar-Basis und F D FU . Für

f WD1X

nD1

2n

n21Œ2�n;2�nC1/

gilt f 2 L1 und nach 12.6 und 12.8

Xn.f / WDnX

j D0

cj .f /Uj D E.f jFn/

422 12 Unbedingte Martingalkonvergenz und unbedingte Basen

für alle n 2 N0. Da X.f / … H1 wegen 4.31, ist X.f / nach 12.5 nicht unbedingtL1-konvergent. Also ist die Haar-Basis keine unbedingte Basis von L1.

Die Haar-Fourier-Reihe von f 2 L1 konvergiert nach 12.6 und 12.8 fast sicher,aber nicht notwendig unbedingt fast sicher, auch dann nicht, wenn f 2 L2. Dieszeigt das letzte Beispiel. Es zeigt damit auch, dass L2-beschränkte Martingale nichtunbedingt fast sicher konvergieren müssen.

Beispiel 12.11 Seien .Un/n�0 die Haar-Basis und F D FU . Für die Folge .cn/n�0

mit c0 D c1 WD 0 und c2mCj WD 2�m=2m�1 für m � 1; 0 � j � 2m � 1 gilt

1X

nD0

c2n D

1X

mD1

2m�1X

j D0

c22mCj D

1X

mD1

2m2�mm�2 D1X

mD1

m�2 < 1:

Daher liegt das durch Xn WD Pnj D0 cj Uj definierte Martingal X wegen

supn�0

EX2n D EX2

0 C EŒX�1 D1X

nD0

c2n < 1

in M2 D H2 und ist somit nach 4.7 L2-konvergent. Wenn f 2 L2 den L2-Limesvon X bezeichnet, erhält man cn D cn.f / D Ef Un für alle n � 0.

Das Martingal X ist nicht unbedingt fast sicher konvergent. Wegen

ˇˇˇ

2m�1X

j D0

U2mCj

ˇˇˇ D 2m=2 f.s.

für alle m � 0, gilt nämlich mit der Dreiecksungleichung

1X

nD0

jcnUnj �1X

mD1

c2mCj

ˇˇˇ

2m�1X

j D0

U2mCj

ˇˇˇ D

1X

mD1

1

mD 1 f.s.

Für Haar-Fourier-Reihen ist überraschenderweise die unbedingte fast sichere Kon-vergenz äquivalent zur fast sicheren absoluten Konvergenz ([29], Theorem III.15),so dass X nicht unbedingt fast sicher konvergiert.

Da a0X0 C a � X D .Pn

j D0 aj cj Uj /n�0 wegen 4.21 für alle a D .an/n�0 2fC1; �1gN0 fast sicher in R konvergiert, ist außerdem die Bedingung 12.1(ii) bezüg-lich der fast sicheren Konvergenz nicht hinreichend für die unbedingte fast sichereKonvergenz von Martingalen.

Basen vom Haar-Typ existieren für Lp-Räume bezüglich einer großen Klasseselbstähnlicher Verteilungen aufB.Rd / und deren Unbedingtheit lässt sich ebenfallsmit martingaltheoretischen Methoden untersuchen. Solche Basen haben sich als sehreffizient für die funktionale Quantisierung vieler zeitstetiger stochastischer Prozesseerwiesen [105, 126].

Aufgaben 423

Aufgaben

12.1 Sei X ein Submartingal mit E supn2T jXnj < 1. Zeigen Sie, dass X unbe-dingt L1-konvergent ist.

12.2 Seien 1 < p < 1, X ein Lp-beschränktes Submartingal und für den Kom-pensator A von X sei A1 2 Lp . Zeigen Sie, dass X unbedingt Lp-konvergentist.

12.3 Sei X ein Martingal mit E supn2T j�Xnj < 1 und ŒX�1 < 1 f.s. ZeigenSie, dass X unbedingt stochastisch konvergiert.

Hinweis: Korollar 4.14(a) oder Aufgabe 4.16.

12.4 Seien .Un/n�0 die Haar-Basis, p 2 .1; 1/ und

f 2 Lp D Lp.Œ0; 1/;B.Œ0; 1//; �Œ0;1//

mit Haar-Fourier-Koeffizienten cn D Ef Un. Zeigen Sie

.p � 1/ ^ 1=.p � 1/���� 1X

nD0

c2nU 2

n

�1=2���

p� kf kp

� .p � 1/ _ 1=.p � 1/���� 1X

nD0

c2nU 2

n

�1=2���

p:

Diese Ungleichungen liefern im Fall p D 2 die Parseval-Gleichung

kf k2 D� 1X

nD0

c2n

�1=2

:

Hinweis: Korollar 3.28.

12.5 Zeigen Sie in der Situation von Aufgabe 12.4

���sup

n�0

ˇˇˇ

nX

j D0

cj Uj

ˇˇˇ���

p� p

p � 1kf kp:

12.6 (Rademacher-Funktionen) Seien .Un/n�0 das Haar-System, R0 WD U0 undfür m � 0

RmC1 WD 2�m=2

2m�1X

j D0

U2mCj :

Zeigen Sie: .Rn/n�0 ist ein Orthonormalsystem in

L2 D L2.Œ0; 1/;B.Œ0; 1//; �Œ0;1//;

.Rn/n�1 ist eine unabhängige Folge identisch verteilter Zufallsvariablen mitP.R1 D 1/ D P.R1 D �1/ D 1=2, .Rn/n�0 ist keine Orthonormalbasis vonL2 und .

Pnj D0 Rj /n�0 ist ein F

R-Martingal.