Post on 14-Jul-2020
Sterben und Todim Familienleben
Miriam Haagen · Birgit Möller
Praxis der Paar- und Familientherapieherausgegeben von
M. Cierpka, A. Riehl-Emde, M. Schmidt und K. A. Schneewind
Beratung und Therapie von Angehörigen von Sterbenskranken
Sterben und Tod im Familienleben
Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus M. Haagen / B. Möller: Sterben und Tod im Familienleben (ISBN 9783840922688) © 2013 Hogrefe, Göttingen.
Praxis der Paar- und FamilientherapieBand 7 Sterben und Tod im Familienleben von Dr. Miriam Haagen und Dr. Birgit Möller
Herausgeber der Reihe:
Prof. Dr. Manfred Cierpka, PD Dr. Astrid Riehl-Emde, Dr. Martin Schmidt, Prof. Dr. Klaus A. Schneewind
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von
Miriam Haagen und Birgit Möllermit einem Vorwort von Dieter Bürgin
Beratung und Therapievon Angehörigen von Sterbenskranken
Sterben und Tod im Familienleben
GÖTTINGEN · BERN · WIEN · PARIS · OXFORDPRAG · TORONTO · BOSTON · AMSTERDAMKOPENHAGEN · STOCKHOLM · FLORENZ
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Dr. Miriam Haagen, geb. 1959. 1979-1986 Studium der Medizin in Hamburg und London. 1992 Promotion. Weiterbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin in Hamburg. Weiterbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie sowie in psychoanalytischer Paar- und Familientherapie. 1999-2004 stellvertretende Leiterin der Beratungsstelle „Kinder körperlich kranker Eltern“ an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Seit 2005 in eigener Pra-xis als Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Hamburg tätig.
Dr. Birgit Möller, geb. 1971. 1992-1998 Studium der Psychologie in Hamburg. 2006 Promotion. Seit 1999 Mitarbeiterin in der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Seit 1999 Projektma-nagerin eines psychotherapeutischen Projektes im Kosovo. 2002-2005 Forschungsaufenthalte in San Francisco und Los Angeles. Weiterbildung in psychodynamischer Psychotherapie. Seit 2006 Leiterin der Arbeitsgruppen „Kinder und Jugendliche mit Problemen der geschlechtlichen Entwicklung“ sowie „Kinder krebskranker Eltern“ an der Klinik für Kinder- und Jugendpsy-chiatrie, -psychotherapie und –psychosomatik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
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Satz: Beate Hautsch, GöttingenFormat: PDF
ISBN 978-3-8409-2268-8
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V
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 VerlusterfahrungenbeiErwachsenen . . . . . . . . . . . . . . 92 .1 TheoretischeGrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 .1 .1 Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 .1 .2 Kompliziertebzw .pathologischeTrauer . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 .1 .3 AntizipierendeTrauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 .2 FamiliäreVerlustsituationenbeiErwachsenen . . . . . . . . . . . . 182 .2 .1 Partnerverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 .2 .2 VerlusteinesKindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3 VerlusterfahrungenbeiKindernundJugendlichen . . 223 .1 EntwicklungspsychologischeGrundlagen:Altersabhängige
TodeskonzepteundReaktionenaufTodundSterben . . . . . . . 223 .1 .1 0bis2Jahre(Säuglings-undKleinkindalter) . . . . . . . . . . . . . 243 .1 .2 3bis5Jahre(Kleinkindalter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 .1 .3 6bis8Jahre(Schulkindalter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 .1 .4 9bis11Jahre(Schulkindalter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 .1 .5 12bis14Jahre(Jugendalter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 .1 .6 15bis17Jahre(Jugendalter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 .2 TheoretischeGrundlagen:Trauerreaktionenund
TrauerprozessebeiKindernundJugendlichen . . . . . . . . . . . . 383 .2 .1 KönnenKindertrauern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 .2 .2 EinflüsseaufdenkindlichenTrauerprozess . . . . . . . . . . . . . . 393 .2 .3 Kompliziertebzw .pathologischeTrauerbeiKindern . . . . . . . 403 .2 .4 TraumatisierungdurchErlebenvonTodundSterben . . . . . . . 423 .3 FamiliäreVerlustsituationenbeiKindernundJugendlichen . . 433 .3 .1 TodvonGroßeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 .3 .2 TodeinesElternteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 .3 .3 TodeinesGeschwisters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
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VI
3 .3 .4 ToddesalleinerziehendenElternteilsoderbeiderElternteile . . 463 .3 .5 TodvonPflege-oderErsatzeltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4 FamilienorientiertesArbeitenamLebensende . . . . . 504 .1 AnforderungenanBeratungundTherapievonFamilien
miteinemsterbenskrankenAngehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . 504 .2 WichtigeAspektefürBeratungundTherapieinder
palliativenSituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 .3 AnsätzefürdieEinbeziehungvonAngehörigenin
verschiedenenmedizinischenPraxisfeldern . . . . . . . . . . . . . . 564 .4 WenndasSterbenbevorsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 .4 .1 KommunikationüberdiepalliativeSituation . . . . . . . . . . . . . 654 .4 .2 BesucheamSterbebett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 .4 .3 AbschiednehmenvomverstorbenenFamilienmitglied . . . . . 874 .5 WeiterlebenohnedenVerstorbenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024 .5 .1 BeratungundTherapiemitTrauernden . . . . . . . . . . . . . . . . . 1024 .5 .2 FamilienbezogeneThemeninTherapieundBeratung
vonTrauernden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
5 Erfahrungen,ErlebnisseundEmpfindungendesTherapeutenimUmgangmitSchwerstkrankenundTrauernden . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
5 .1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1285 .2 GefühleundGedankendesTherapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . 1285 .3 KörperlicheErfahrungenundEmpfindungen . . . . . . . . . . . . . 1345 .4 TrauerbeiProfessionellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1365 .5 IdentitätalsPsychotherapeutimpalliativmedizinischen
Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1375 .6 InterdisziplinäreKommunikationim
institutionellenKontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1425 .7 ReaktionenaufKinderalsAngehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1455 .8 RahmenbedingungenfüreineSelbstfürsorgedes
Therapeuten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162
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Vorwort
DieBeratungvonTodkranken,SterbendenoderTrauerndenisteinehöchstdiffizileAufgabe,unabhängigdavon,obessichumKinder,Jugendliche,Erwachseneoder alteMenschenhandelt .DieAusführungen indiesemBuchzentrierensichdarauf,dassdieBetroffenenstetsauchMitgliedereinerFamiliesind .DasIntrapsychischeunddasIntrafamiliale,dasvomTodgezeichneteunddasÜberlebendeüberschneidensichsomitanhaltend .VieleGesellschaftenhabenfürdieseErlebnisbereicheÜbergangsritualege-schaffen,umdenWandelvoneinemLebensstadiumineinenanderenzuerleichtern(VanGennep,1960/1908) .
WasinunserenLandenfrühervorwiegendAufgabevonSeelsorgernwar,wirdheutezunehmendauchvonPsychiaternundPsychologenübernom-men .DennesistnichtnurseelischerSchmerz,sondernaucheineauferlegteNeuanpassungdamitverknüpft .BeidesvermagunterungünstigenBedin-gungenAnlasszuFehlentwicklungengeben .
DerDialogmitMenschen,diesichinexistenziellenGrenzsituationenwieSterbenoderVerlustvonrelevantenBeziehungspersonenbefinden,verlangteinbesonderesFingerspitzengefühl .PsychotherapeutischorientierteInter-ventionenkönnenjedoch,sofernsiezurgeeignetenZeitundinangemes-senerFormvermitteltwerden,verhindern,dassKrisensichvertiefenundVerlustezuseelischenTraumatawerden .
DiebeidenAutorinnengründenihreAusführungenaufihreklinisch-famili-entherapeutischeErfahrungunddieErgebnisseeineseuropäischen,multi-zentrischenForschungsprojektes .IndenletztenJahrenversuchtdieMedizindenBeziehungsbereichzwischenexistenziellenEreignissenunddemärztli-chenGesprächmitdemThemader„medicalhumanities“zuüberbrücken .
ImvorliegendenBuchwerdenVerlusterfahrungenbeiKindern,Jugendli-chenundErwachsenendurchdieErlebnissevonundmitSchwerstkranken,SterbendenundTrauerndenthematischergänzt .DiePsychodynamikderBetroffenen,derHelfendenunddesdaraussichergebendenBeziehungsnet-zesbildetbeidenmonadischen,dyadischenunddenpolyadischenGrund-situationendenHintergrundeinerfamilienmedizinischenBehandlung,dieimAngesichtexistenziellerBedrohungseelischeArbeiterfordert .OhneeinSich-EinlassenderHelfendenkanneineBeratungsarbeitindiesemAufga-benfeldnichtgeleistetwerden .
DieregelmäßigeundprofessionelleTätigkeitindiesemArbeitsfeldistaberkeinesfallsungefährlich .SiekannmitderArbeitineinemhochinfektiö-
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senFeldverglichenwerden .DenndieIdentifizierungmitdenBetroffe-nenbedarfsowohleineseigenenSchutzesalsaucheinernachfolgenden„Ent-Identifizierung“ .GeradeeinesolcheEnt-Identifizierungisthingegenleichtergesagtalsgetan .ZurEinfühlunginderartigeSituationenbrauchtesnichtnureinedifferenzierteSchulung,sondernesistaucheinespezi-fischeFormderPsychohygienezurSelbstwiederherstellungunerlässlich .DieGefahreinerunechtenGefühlsduseleiaufdereinenSeitefindetihren„contrepart“ineinemschematisch-kühlenVorgehenaufderanderen .DassorgfältigeSteuerneinesindividuell-authentischenKurseszwischendiesenbeidenmöglichstzuvermeidendenPolenbedarfspezifischerpersönlicherFähigkeitenundkünstlerischerFertigkeiten .
DieTrauerarbeitvonSterbendenunddiederÜberlebendenistnotwendiger-weiseunterschiedlich,ebensodievonKindern,JugendlichenundErwach-senen .SovermögeninsbesonderekleineKinder,denSchmerzüberdasverlorene,zentralbedeutungsvolleGegenübernichtschadloszuertragen,sofernihnennichtangemesseneErsatzpersonenzurVerfügungstehenundsiebeiderVerlustverarbeitungunterstützen .Mankannhingegendavonaus-gehen,dasseinerwachsenerMenschmitdurchschnittlichguteninnersee-lischenFunktionsstrukturenmitderFähigkeitausgestattetist,denVerlustvonfürihnzentralen,bedeutungsvollenanderenMenschenunbeschadetertragenzukönnen .DochbildendiemannigfaltigenMöglichkeiten,einepathologischeFormderTrauerzuentwickeln(d .h .einesolche,diedieweitereEntwicklungderBetroffenenwesentlichzubeeinträchtigenver-mag,z .B .dieDepression),einekonstantelatenteBedrohungderseelischenIntegrität .JeintensiverdieBeziehungundBindungaufderbewusstenundunbewusstenEbenegewesenist,destoausgeprägteristdieNarbenbildung .GeradebeimVerlusteineseigenenKindeskönnenGesprächemitEltern,diedenTodihresKindeszumInhalthaben,auchnachvielenJahrennochmüheloserneutausgeprägtenseelischenSchmerzauslösen .
DasvorliegendeBuchverlangteinespezielleArtderLektüre .EsistkeinüblichesLehrbuch,undesbietetkeinevereinfachendenBeratungsmodulean .AberesbeschreibtanhandvielerFallbeispielemiteinfühlsamerSach-lichkeitdieArbeitmitsolchenFamilien .DieseBeispielesindabernichtalsHandlungsanleitungenzuverstehen,sondernsiestellenErläuterungendar,diedenLesendensorgsamdabeiunterstützen,denTextvertiefterzuverstehen .AufdieseWeisesolldasBuchzurAnregungdienen,dieeige-nenPositionenvertieftzureflektierenundpersönlicheWegezufinden,wieselbstvoneinemzentralenVerlustBetroffeneoderprofessionellhelfendePersonenmitsolchenGrenzsituationenbesserfertigwerdenkönnen .Diesbedeutet,sichdenseelischenGewinnselbsterarbeitenzumüssen,dannaberauchüberdieZufriedenheitzuverfügen,dieeinsolcherEigenerwerbvermittelt .
Basel,imAugust2012 Dieter Bürgin
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1 Einführung
WirdeineFamilievonSterbenundTodeinesihrerMitgliederbetroffen,sobedeutetdieshäufigeinetiefeErschütterungdesfamiliärenGleichge-wichts .InderFamiliewirdjedermitdemTodkonfrontiert,jederüberlebtirgendwanndenTodeinesFamilienmitgliedes,wasnichtunbedingtbe-deutet,dassSterbenundToderlebtwerden .DasErlebenvonSterbenundTodgehörtinunsererGesellschaftnichtmehrzudenselbstverständlichenLebenserfahrungen .DiesbezüglicheErfahrungenwerdeninFamiliennichtmehrzuverlässigtradiert .
InDeutschlandstirbtca .1%derBevölkerungproJahr(StatistischesBun-desamt,2011) .WennmitjedemTodesfallfünfAngehörigebefasstwären,sowärejeder20 .inderBevölkerungeinaktuellvoneinemTodesfallBe-troffener .
DasfachlicheInteresseandemThemaSterbenundTodinFamilienunter-schiedlicherKreisenimmtzu .BeratungundBegleitungvonFamilien,indeneneinMitgliedlebensbedrohlicherkranktist,werdenimmerhäufigernachgefragt .Dasliegtzumeinendaran,dassdieScheu,psychosozialeBe-ratungenoderpsychotherapeutischeBehandlungeninAnspruchzunehmen,inderBevölkerunggesunkenistundauchinnerhalbdesmedizinischenSys-temshäufigeranentsprechendeFachleuteverwiesenwird .UnterschiedlicheProfessionenentwickelnAnsätzezurBegleitungundzumUmgangmitSter-benskranken,TrauerndenundderenFamilien(ÄrzteverschiedenerFachrich-tungen,KlinischePsychologen,Psychotherapeuten,aberauchSeelsorger,Familientherapeuten,ehrenamtlicheHospizhelferundTrauerbegleitersowieBestatter) .GleichwohlbelegenverschiedeneStudiendiemangelndeBeach-tungvonAngehörigenimmedizinischenSystem,wenngleichdieMehrzahlderMenschenimKrankenhausstirbt .ÄrztehabenhäufigdasGefühl,mehrkommuniziertzuhaben,alsestatsächlichderFall ist, insbesonderemitAngehörigen .SoempfandenÄrztenacheinerUntersuchungvonBeckeretal .(2010),dasssie7-mallängermitAngehörigengesprochenhattenalsesinderStudietatsächlichgemessenwurde .IneinerBefragunggaben50%derAngehörigenan,dasssiegerneandenVisitenteilnehmenwürdenund21%hättengerneFamiliengesprächezusammenmitbehandelndenÄrztenunddemerkranktenFamilienmitglied(Hartmannetal .,1999) .
AuchderUmgangvonKindernundJugendlichenmitSterbenundTodgerätzunehmendindenFokusderallgemeinenAufmerksamkeit .DieLiteratur-listenvonKinder-undJugendbüchernzudiesemThemawerdenimmerlänger,eswerdenZentrenfürtrauerndeKindereingerichtet,inHospizen
BeratungundBegleitungvonFamilienSterbenskrankerundTrauernderwerdenhäufigernachgefragt
AngehörigewerdenimmedizinischenSystemimmernochzuwenigbeachtet
KinderalsAngehörigeSterbenderundTrauernder
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fürErwachseneexistierenSpielzeugangebote .DieKinderkommissiondesDeutschenBundestagesverfassteimNovember2011eineStellungnahmezurSituationtrauernderKinderinDeutschland .
DieBedeutungvonVerlusterfahrungeninderKindheitwirdhäufigvondenErwachsenen,diedieseKinderundJugendlichenbegleiten,verleugnet .DiesgiltzumindestfürdiejenigenKinder,diewegenverschiedenerSym-ptombildungenpsychotherapeutischeHilfe–oftvieleJahrenacheinemerlittenenVerlust–inAnspruchnahmen(Lang-Langer,2009) .„EsgibtkeinegewachsenegesellschaftlicheAnerkennungvonTrennungundVerlustinderKindheit .…esgibteineArtvonflachemBewusstseinüberdieseVorgänge .DieFlachheitbestehtdarin,dassetwaszwarfaktischanerkannt,abernichtgefühltwerdenkann…“(ebd .S .10) .
ImRahmenunsererklinischenTätigkeitineinerBeratungsstellefür„Kin-derkörperlichkrankerEltern“wieauchineinerpsychotherapeutischenPra-xisfürKinderundErwachsenehabenwirlangjährigeErfahrungenmitFa-milienindiesenKrisensituationengesammelt,diewirzugänglichmachenmöchten .ZuallererstführteeineAuseinandersetzungundReflexionunserereigenenErfahrungen,Annahmen,ÄngsteundSchwierigkeitenimKontaktmitFamilien,indeneneinMitgliedsterbenskrankoderverstorbenwar,zueinervertieftenAuseinandersetzungmitTrauerprozessenbeiErwachsenenundKindernsowieverschiedenklinischenundtheoretischenKonzepten .Wirwarenüberrascht,dassetwaeinDrittelderFamilien,dieunsereBera-tungaufsuchten,einsterbenskrankesoderverstorbenesFamilienmitgliedhatte .DieLebenssituationen,indenendieseFamilienstandenunddieFra-gen,diesieunsstellten,berührtenundverunsichertenunssehrundlösteneineintensiveBeschäftigungmitmedizinischenundethischenFragenaus .SofragtebeispielsweiseeinVater,derseinen4-jährigenSohnmitaufdieIntensivstationzudessensterbenderMutternehmenwollte,obwohldieIntensivärztedavonabrieten,nachunsererEinschätzung .OdereinandererVater,dessenFraunacheinerOperationdurchunerwarteteKomplikationenfürhirntoterklärtwurde,erkundigtesich,oberundseine15-jährigeTochterbeiderBeendigungderBeatmungdabeiseinmüssen .AndereElternmel-detensichunmittelbarnachderDiagnosestellungeinerKrebserkrankung,überdiesienachderFragederKinderobderErkrankteversterbenkönne,mitihrenKindergesprochenhatten .TrauerndeMütterverstorbenerKindersuchtenBeratung,weilsiesichihreeigenenKörpersymptomenichterklä-renkonntenunddenEindruckhatten,„verrücktzuwerden“ .
DieAngstvorSterbenundTodalsauchdieSehnsuchtnacheinemgutenAbschiedsowieIntensivierungderBeziehungenundVerstehensmöglich-keitenbetrifftdieProfessionellenwiedieHilfesuchenden .BeideSeitenmüssensichmitderAngst,sichzuvielzuzumuten,auseinandersetzen .DieVermeidungschmerzhafterThemenschütztnicht,sondernmachteinsam–inFamilienwieauchinTeams .SowandtensichauchÄrzte,Psychoon-
EmotionaleBedeutungvon
VerlustinderKindheitgesell-schaftlichkaum
anerkannt
VerunsicherungalsTherapeutin-
nendurchFra-genBetroffener
AngstderHel-fer,sichzuviel
zuzumuten
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kologenundHospizmitarbeiterwegenKonfliktenundDilemmatamitFa-milienSterbenderanunsoderschicktendieFamilien .EskamhäufigzusolchenÜberweisungen,wennElternmitihrenminderjährigenKindernnichtüberdenunmittelbarbevorstehendenTodsprechenwollten .Ärztesprachenunsauchdirektanundbaten,beiderMitteilungderUnheilbarkeiteinerErkrankungandieFamiliedabeizusein .EineAllgemeinärztinwolltewissen,wiesiedieFamilienangehörigeneinerjungenMutter,derenKindbeieinemUnfallstarbunddiewegenanhaltenderSchmerzenimmerwiederindiePraxiskam,einbeziehenkönne .InSupervisionenundSeminarange-botenzufamilienmedizinischenundpsychoonkologischenThemenwarenesinsbesonderediehäufigenFragenderKollegenzurfamilienorientiertenBegleitungamLebensende,dieausschlaggebendfürdieAusarbeitungdesvorliegendenBucheswurden .SofragtesicheinjungerArzt,oberfürdenBerufgeeignetsei,nachdemeraufeinerStationvieleSterbesituationenerlebtundbegleitethatteunderinnerlichvondenErlebnissennichtmehrloskam .EinePsychologinüberlegte,wiesieesimKrankenhauserreichenkönne,dasssienureinebegrenzteAnzahlvonFamilienmitSterbendenbegleitenmuss .EinpsychoonkologischesTeambeschäftigtedieFrage,wieesmitseinerTrauerumverstorbenePatientenumgehenkann .
UnsereklinischausgerichtetenDarstellungenentwickeltenwiralsErweite-rungdesHamburgerCOSIP-Konzeptes(Romer&Haagen,2007),andessenEntwicklungMiriamHaagenmaßgeblichbeteiligtwar .EineersteDarstellungerfolgteindemBuchkapitel„KannPapajetztaufhörentotzusein“(Haagen&Romer,2006) .WirverstehenunsereBeratungenundpsychotherapeuti-schenInterventionenauchalstraumapräventiveMaßnahmen(Fischer&Rie-desser,2003,S .353)fürFamilienmitSterbenden .FähigkeitenundKenntnis-se,dieinBegleitungenvonSterbenskranken,TrauerndenundihrenFamilienbenötigtwerden,werdenindermedizinischenAus-undWeiterbildungundinpsychotherapeutischenWeiterbildungenallenfallsamRandevermittelt .AuchinderpsychotherapeutischenLiteraturnimmtSterbebegleitungeineneherkleinenRaumein .AusführungenzumUmgangmitrealenVerlusteninderPsychotherapiesindeherallgemeingehalten .DieUnwissenheitundUnerfahrenheitzurBeziehungsgestaltungmitBetroffenenamLebensendeführtzueinemgroßenBedürfnisnachmöglichstkonkretenHandlungsanwei-sungen .DerUmgangmitSterbenskrankenundihrenFamilienistkomplexundverlangteinebesondereFlexibilität,sodassunseineManualisierungderBeratungnichtmöglicherscheint .UmeinenEinblickinunserePraxiszugeben,wirddieBeschreibungdesklinischenVorgehensbzw .„typischer“SituationenanhandzahlreicherFallbeispieleausBeratungen,BehandlungenundSupervisionenillustriert .DieAusschnittesindverfremdetundverdich-tet,umdiedenFamilienzugesagteVertraulichkeitzugewährleisten .
WirverwendenmehroderwenigerwillkürlichalsgrammatischeAllge-meinbezeichnungenentwederdiemännlicheoderweiblicheForm(z .B .TherapeutinoderTherapeut) .
Traumapräventi-veMaßnahmenfürFamilien
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