Franziskanisches Frühjahrssymposium Vöcklabruck 2014 · mit Sterben und Tod in der Altenpflege...

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„ Religion und Kultur Vermittlungsstrategien in der Pflege Umgang mit Sterben und Tod in der Altenpflege unter soziokulturellen Gesichtspunkten ” Prof. Dr. Andrea Zielke-Nadkarni, Fachhochschule Münster, Münster, Deutschland Franziskanisches Frühjahrssymposium Vöcklabruck 2014

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„ Religion und Kultur Vermittlungsstrategien in der Pflege Umgang mit Sterben und Tod in der Altenpflege unter soziokulturellen

Gesichtspunkten ”

Prof. Dr. Andrea Zielke-Nadkarni, Fachhochschule Münster,Münster, Deutschland

Franziskanisches Frühjahrssymposium

Vöcklabruck 2014

Prof. Dr. Andrea Zielke-Nadkarni, Fachhochschule Münster, Deutschland 2

Miryam Nadkarni / Julia Weiß

Umgang mit Sterben und Tod

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Umgang mit Sterben und Tod im Islam

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Umgang mit Sterben und Tod

Im Islam

ist der Tod der Beginn einer neuen spirituellen Existenz

Glaube an die göttliche Vorsehung und das Jüngste Gericht

Das Leben: vorbereitende Prüfung

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Umgang mit Sterben und Tod

Gebetswünsche

Körperliche = spirituelle Reinigung

Am Sterbebett: nur der Koran keine Kerze

Sterbenden auf Wunsch Richtung Mekka (Südosten) lagern

Sterbegebet: Sure Ja-Sin

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Umgang mit Sterben und Tod

Versorgung des Sterbenden:

Angehörige, Freunde und Nachbarn nehmen Abschied und erinnern den Sterbenden an alles Gute in seinem Leben.

Ein Sterbender darf nicht dursten müssen

Körper, Kleidung, Bett sehr sauber halten

Am Bett eines Sterbenden keine Trauer zeigen

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Umgang mit Sterben und Tod

Versorgung des Verstorbenen :

Angehörige oder Pflegepersonen schließen dem Toten Augen und Mund, binden Unterkiefer hoch

die Arme des Verstorbenen werden an der Körperseite positioniert

der Kopf weist nach rechts und das Gesicht in Richtung Südosten

Familie übernimmt rituelle Waschung des Leichnams

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Umgang mit Sterben und Tod

Wichtigste Besonderheiten im Islam:

• Sterbenden die Möglichkeit geben, regelmäßig zu beten

• entsprechenden Rahmen schaffen

• Frühzeitige Information der Ange-hörigen über nahenden Tod

• zahlreichen Krankenbesuch akzeptieren

• ausreichend Getränke, regelmäßige Mundspülungen

• Evtl. heftige Trauerreaktion der Angehörigen

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Umgang mit Sterben und Tod

Wichtigste Besonderheiten im Islam:

• Verstorbene sollten von Nicht-Moslems nur nur mit Handschuhen berührt werden.

• Auf Leichenwaschung verzichten und die weitere Vorgehensweise mit Angehörigen abklären

• Arme an der Körperseite liegen, der Kopf sollte nach rechts und das Gesicht in Richtung Südost (Mekka) liegen

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Umgang mit Sterben und Tod im Hinduismus

(Hausaltar)

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Umgang mit Sterben und Tod

Im Hinduismus

existieren vielfältige Nachtod- Vorstellungen nebeneinander.

Glauben an den Kreislauf von Leben, Tod und Wiedergeburt (Reinkarnation) bis zur Erlösung (Moksha)

Wichtig: Sterbender muss sich auf seinen Tod vorbereiten. Pflegende unterstützen durch Ruhephasen und Berücksichtigung des Bedürfnisses nach Alleinsein / Kontemplation

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Umgang mit Sterben und Tod

Versorgung des Sterbenden :

- Der Sterbende sollte möglichst positive Gedanken haben

- Rückzugsmöglichkeit bieten

- Auf Wunsch Priester, der für Sterbe- und Totenrituale zuständig ist, hinzubitten

Miryam Nadkarni / Julia Weiß

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Umgang mit Sterben und Tod

Versorgung des Verstorbenen :

Verstorbener wird in ein Laken gehüllt, bis Priest er und Angehörigen eintreffen.

Hindu-Priester gießt Wasser in den Mund des Verstorbenen.

Angehörige führen Totenwäsche und die Einreibung mit Sesamöl durch.

Nach der rituellen Reinigung erhält der Tote neue Kleidung, ehe er in ein Leichentuch gehüllt wird.

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Umgang mit Sterben und Tod

Wichtigste Besonderheiten im Hinduismus:

• Es gibt keine allgemeingültig, festgelegten Rituale für den Umgang mit Sterbenden

• Einbindung der Angehörigen zur Erfüllung von Individualwünschen des Sterbenden

• Bei Wunsch, mit Hindupriester Kontakt aufnehmen

• Sterbenden Rückzugsmöglichkeiten bieten

• Ein gläubiger Hindu wird in aller Regel verbrannt.

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Umgang mit Sterben und Tod im Judentum

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Umgang mit Sterben und Tod

Im Judentum:

Dem Hier und Jetzt wird größter Stellenwert beigemessen. Das Diesseits wird sehr bejaht und das Leben ist heilig

Es muss alles getan werden, um Leben zu erhalten

Die Ernährung auch eines Tod-kranken ist zwingend erforderlich

Keine aktive Sterbehilfe

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Umgang mit Sterben und Tod

Versorgung des Sterbenden:

• Nach Wunsch: Besuch eines Rabbiners

• Krankenbesuch gilt als Pflicht.

• Evtl. wird Wunsch geäußert, dass nach Todeseintritt das Trauergebet (Jiddisch: Kadisch ) gesprochen wird.

• Ernährung wird i.A. unbedingt weitergeführt

• Möglichkeit zu sterben nicht verheimlichen

• Sterbenden wenig berühren

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Umgang mit Sterben und Tod

Versorgung des Verstorbenen :

• (Traditionell: Daunenfeder auf Nase und Mund)

• Sohn oder nächster Verwandter schließt Augen und Mund

• dann lässt man den Ver-storbenen ca. 30 Minuten allein

• Rituelle Totenwaschung

• Beileidsbekundigungen erst nach der Beerdigung

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Umgang mit Sterben und Tod

Wichtigste Besonderheiten im Judentum

• Sterbebegleitung durch Rabbiner ermöglichen

• Sterbender sollte Wahrheit über kennen

• Körperkontakt auf Minimum beschränken

• Toten nach Absprache mit Familie versorgen

• Arme am Rumpf ausstrecken, Füße sollten zu der Tür zeigen, durch die er hinausgetragen wird

• Die Spiegel im Zimmer abnehmen oder verhängen

• Keine Beileidsbekundungen vor der Beerdigung

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Umgang mit Sterben und Tod

„ Schmerz kann den Charakter einer Mitteilung haben, Schmerz kann den Charakter einer Mitteilung haben, Schmerz kann den Charakter einer Mitteilung haben, Schmerz kann den Charakter einer Mitteilung haben, die verstanden werden mussdie verstanden werden mussdie verstanden werden mussdie verstanden werden muss.“ (Aulbert, 2007: 246)

Chronischer Schmerz in der Sterbesituation bei Migr anten

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Umgang mit Sterben und Tod

Chronische Schmerzen: multifaktoriell begründete individuelle Gefühlserlebnisse mit folgenden Merkmalen:

• kognitiv-emotionale Beeinträchtigungen

• soziale Beeinträchtigungen

• physiologisch-organische Beeinträchtigungen

• Tendenz zur Schmerzausbreitung

• anhaltender Schmerz ohne Erholungsphasen

• Tendenz zur Schmerzverstärkung

• Hinzukommen kann: eine erhebliche Anzahl erfolgloser, meist kausaler Behandlungsversuche.

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Umgang mit Sterben und Tod

Soziokulturelle Dimension des Schmerzes entscheidend

Selbst- und Fremdeinschätzung (Ärzte, Pflegende) der S chmerzen von Migranten weisen große Unterschiede auf

Einschätzungen abhängig von Herkunftsland und Bildun g der Migranten

• Fremdsicht: Schmerzempfinden und Schmerzäußerung hab en

die gleiche Gefühlsqualität

• Irrglaube: vom

Schmerzausdruck auf

die Schmerzintensität

rückschließen zu können

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St.Hill u.a. (2003) vergleichen den Schmerzausdruck von Frauen verschiedener Ethnien in den USA.

Ergebnis:

1. Ethnien, die Schmerz stoischhin-nehmen

2. Ethnien, die Schmerz expressiv bis sehr expressiväußern

3. Ethnien, die sich situationsabhängig entweder sehr expressiv oder sehr stoisch verhalten

Umgang mit Sterben und Tod

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Umgang mit Sterben und Tod

Unterscheidung zwischen „privatem“ und „öffentlichem Schmerz“ (Helman, 2007)

Der subjektiv empfundene („private“) Schmerz wird erst durch Schmerzäußerungen zum für andere deutlichen Signal - und damit „öffentlich“.

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Soziokultureller Stellenwert des Schmerzes

• Schmerzäußerung• Sprache• Schmerz als Gestaltungsmittel

von Beziehungen • Verhältnis von Schmerz und

Gefühlen

Umgang mit dem Patienten:• Anamnesen, Beobachtung,

Beratung• Ressourcen erschließen und

nutzen• Beziehung zwischen Patienten

und Professionellen

Umgang mit Sterben und Tod

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Soziokultureller Stellenwert des Schmerzes

Voraussetzungen:1. sich mit dem eigenen Schmerzverständnis

auseinanderzusetzen2. die Bereitschaft, sich fremden Werten und

Normen zu öffnen

Umgang mit Sterben und Tod

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Schmerzäußerungnegativ bewertete Schmerzäußerungen:

• Zeichen von Schwäche

• Zeichen von Ungeduld

• Belästigung anderer

• Charakterfehler

• Störung der sozialen Harmonie

• Unfähigkeit, mit dem Leben, wie es nun mal ist, fertig zu werden

• irdisches Leiden vor der Heimkehr zu Gott

• etwas, das die professionellen Helfer verärgert oder

• einfach normaler Teil des Lebens

Umgang mit Sterben und Tod

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Umgang mit Sterben und Tod

Schmerzäußerung

positiv bewertete Schmerzäußerungen:

• führen zu Versorgungsaktivitäten der Familie und de r Professionellen

• zur Würdigung der positiven Aspekte des Lebens wie Güte und Freude

• Schmerz gilt als gottgewollt und wertvoll

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Umgang mit Sterben und Tod

Je mehr die Schmerzpräsentation den Erwartungen der Umgebung entspricht, desto größer ist die Aufmerksamkeit für den Betroffenen (Helman, 2007)

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Umgang mit Sterben und Tod

Sprache

• symbolträchtig und bildhaft

• ‚Mürüvvet‘

• Sprichwörter, Fabeln oder Märchen

• Schmerzbeschreibung hängt u.a. vom Bildungsniveau ab

• Dolmetscher

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Umgang mit Sterben und Tod

Schmerz als Gestaltungsmittel von Beziehungen

• Familie als Ressource

• Kollektives Selbstverständnis

• Somatisierung von Problemen

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Umgang mit Sterben und Tod

Verhältnis von Schmerz und Gefühlen

Schmerz kann in verschiedenen Situationen und zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich stark empfunden werden.

Fähigkeit des Bewohners zur Steuerung von Gefühlen spielt große Rolle.

Angst, Verzweiflung, Depression, Trauer, Inaktivität oder Vereinsamung setzen Schmerzschwelle drastisch herab (Aulbert, 2007: 248).

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Umgang mit Sterben und Tod

Umgang mit dem Patienten /Bewohner

Anamnesen, Beobachtung, Beratung

� Schmerzanamnese

� Schmerzen unbedingt anerkennen

� kontinuierliche, gute Beobachtung und Schmerzeinschätzung (Schmerzprotokolle)

� Einsatz von numerischen, visuellen und Gesichterskalen

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Umgang mit Sterben und Tod

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Umgang mit Sterben und Tod

Anamnesen, Beobachtung, Beratung

(Non-)verbale Beobachtungsaspekte:

� lautsprachliche � mimische� verhaltensbedingte � physische � individuelle Indikatoren (DNQP, 2005, 70

ff.)

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Umgang mit Sterben und Tod

Anamnesen, Beobachtung, Beratung

� Schmerzprotokoll: psychosoziale und spirituelle Aspekte

� Schmerzschema: standardisierte Schmerztherapie und präventive Medikamentengabe

� Nebenwirkungen der Schmerzmedikation dokumentieren

� ergänzende Therapien: z.B. TENS, Schmerzdefokussierung z.B. durch Ablenkungsstrategien, positive Selbstinstruktion, Entspannungstechniken

� Gefühlsarbeit: Trost und Zuwendung

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Umgang mit Sterben und Tod

Beziehung zwischen Patienten /Bewohnern und Professionellen

− Sterbende führen Ärzte, Pflegende, Physiotherapeuten etc. immer wieder an ihre Grenzen

− was als persönliches Versagen gewertet werden kann.

− Sprachschwierigkeiten und soziokulturelle Barrieren können Abwehrvorgänge auslösen, dieden Patienten verunsichern und ängstigen

� Sich dies bewusst machen � interprofessionelle Teambesprechungen� Fortbildungen

Prof. Dr. Andrea Zielke-Nadkarni, Fachhochschule Münster, Deutschland 38

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