Post on 18-Dec-2021
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Nachbetrachtung zur
Europawahl 2019
Wahlkampf und Ergebnisse der
Rechtsaußenparteien im
Regierungsbezirk Arnsberg
Die extrem rechten Wahlparteien erzielten im
Regierungsbezirk Arnsberg ein mäßiges
Ergebnis: Die Alternative für Deutschland
(AfD) machte im Vergleich zur vorherigen
Europawahl erwartungsgemäß einen Sprung,
konnte aber nicht das von ihr erhoffte
Ausrufezeichen setzen. Die Partei Die
Rechte nutzte den Wahlkampf gezielt, um
ihre Propaganda zu verbreiten. Nach
Monaten aufwendiger Arbeit schaffte sie es
dennoch nicht annähernd, an Ergebnisse aus
vergangenen Jahren anzuknüpfen. Der III.
Weg trat erstmalig bei einer Wahl an und
machte somit einen weiteren Schritt zur
Etablierung seiner Parteistrukturen, so dass
das Wahlergebnis zweitrangig blieb. Für die
NPD spiegelt der Wahlkampf wie auch das
Stimmenergebnis den seit Jahren
anhaltenden Abwärtstrend wider.
INHALT
I. Einleitung: „Europa der Vaterländer“!? –
Ein Blick auf Europas Rechte
II. Rechtsaußenparteien im
Regierungsbezirk Arnsberg: Wahlkampf
& Programmatik
III. Rechtsaußenparteien im
Regierungsbezirk Arnsberg: Ergebnisse
& Auswertung
IV. Schlussbetrachtung
I. Einleitung: „Europa der
Vaterländer“!? – Ein Blick
auf Europas Rechte
Vorausschauend hatte die Alternative für
Deutschland (AfD) die eigenen Ansprüche
schon weit vor der Europawahl
heruntergeschraubt: Das
Bundestagsergebnis aus dem Jahr 2017 -
12,6%- sollten es aber schon mindestens
sein. Im November 2018 hoffte Parteichef
Jörg Meuthen noch auf das Erreichen der
20%-Marke.i Letztlich blieb die AfD bei der
Europawahl im Mai 2019 mit 11,0% noch
unter ihren eigenen, gedämpften
Erwartungen. Wenngleich sie ihr Ergebnis
von 2014 um knapp vier Prozent verbessern
konnte und zukünftig mit 11 Abgeordneten im
EU-Parlament sitzen wird, wurde das
Ergebnis in der Partei und in ihrem Umfeld
ernüchtert wahrgenommen. Das schwache
Abschneiden der AfD erklärt ihr
Spitzenkandidat und Parteichef Jörg Meuthen
mit den abschreckenden
Begleiterscheinungen des Brexit sowie einer
„Klimahysterie“, die wichtigere Themen
überlagert hätten.
Anderen rechten Parteien in Europa konnten
diese Themen anscheinend weniger
anhaben: In Frankreich konnte sich der
Rassemblement National (RN) von Marine Le
Pen mit knapp 23 Prozent als stärkste Kraft
durchsetzen, die Lega um Matteo Salvini kam
in Italien gar auf 34,3 Prozent. Zählt man
Forza Italia (8,8%) und Fratelli d’Italia (6,5%)
noch dazu, kommen rechte Parteien in Italien
sogar zu einer knappen Mehrheit. In Ungarn
setzte sich erwartungsgemäß die
rechtsnationale Fidesz von Ministerpräsident
Victor Orbán deutlich durch (52,56%), in
Belgien wurde der Vlaams Belang
zweitstärkste Kraft (19,08%) und auch die
Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) fuhr
trotz der ‚Ibiza-Affäre‘ um ihren Vorsitzenden
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Hans-Christian Strache nur leichte Verluste
ein (17,2%, 2014: 19,72%). Die AfD wird sich
im neuen Europaparlament aller Voraussicht
nach der ENF-Fraktion (Europe of Nations
and Freedom) um Lega, RN, Vlaams Belang,
FPÖ und der niederländischen Partij voor de
Vrijheid anschließen. Meuthen geht immerhin
davon aus, durch die Einbindung der AfD in
diese Fraktion im Parlament „substantiell
arbeiten zu können“.
Vollmundig fielen auch die Ankündigungen
der neonazistischen Wahlparteien vor der
Europawahl aus: „Wenn Ursula Haverbeck
zur Europaabgeordneten gewählt wird, steht
das System mit dem Rücken zur Wand“,
tönte die Neonazi-Partei Die Rechte.
Haverbeck, eine prägende Figur der Szene
und aktuell wegen notorischer
Holocaustleugnung in Haft, war von Die
Rechte als Spitzenkandidatin zur Europawahl
2019 aufgestellt worden. In Deutschland
konnte sich aber wenig überraschend keine
neonazistische Partei einen Platz im
Europaparlament sichern, auch die NPD
verlor in Person ihres ehemaligen
Parteivorsitzenden Udo Voigt ihren bisher
einzigen Sitz.
Über Dortmund und das östliche Ruhrgebiet
hinaus konnte Die Rechte in den Wahlkreisen
kaum dreistellige Stimmenzahlen einfahren.
Gleiches gilt für die Partei Der III. Weg. In
ihrem Aktivitätsschwerpunkt in der Stadt
Plauen im sächsischen Vogtlandkreis, bekam
die Partei zum Beispiel absolut mehr
Stimmen (785) als in den meisten
westdeutschen Bundesländern insgesamt.
Die deutschen Neonazi-Parteien kommen
also lediglich in ihren Zentren über den
Promillebereich hinaus und verfehlten ein
Mandat damit klar. Zusammengenommen
kommen die drei Neonazi-Parteien auf
knappe 0,5% der Stimmen – auch das wäre
zu wenig gewesen. International konnten
neonazistische Parteien aber vereinzelt
Mandate erringen:
In Griechenland verschlechterte sich
zwar die Goldene Morgenröte (XA,
Χρυσή Αυγή), die auch Kontakte zu
Neonazis von Die Rechte unterhält, auf
4,86% der Stimmen (2014: 9,39%), wird
zukünftig aber immer noch mit zwei
Abgeordneten in Brüssel vertreten sein;
Die slowakische Ľudová strana Naše
Slovensko (L’SNS) um den Neonazi
Marian Kotleba erzielte auf Anhieb
12,07% und stellt künftig zwei der 13
slowakischen Abgeordneten;
Die ungarische Jobbik, die in jüngerer
Vergangenheit etwas von ihrem
neonazistischen Kurs abgerückt ist,
verlor zwei Mandate (6,34%, 2014:
14,67%) und ist künftig nur noch mit
einem Sitz im EU-Parlament vertreten.
Die Abspaltung Mi Hazánk Mozgalom
(MHM) um den vorigen Jobbik-Vize
László Toroczkai nahm ihr letztlich
3,29% der Stimmen weg.
Realistische Bündnisoptionen ergeben sich
für diese Parteien aktuell nicht. Vermutlich
werden sie einen fraktionslosen Status
annehmen (XA) oder versuchen sich an die
vermeintlich rechtspopulistische ENF-
Fraktion anzubiedern (L’SNS, Jobbik).
Andere Neonazi-Partei, wie die
neofaschistischen Parteien Forza Nuova und
Casa Pound aus Italien (0,15% bzw. 0,33%)
oder die neu gegründete Liste de la
Reconquête in Frankreich (0,02%) erzielten
wie ihre deutschen ‚Kameraden‘ kaum
sichtbare Ergebnisse. In Kroatien erhielt die
rechtsextreme Koalition aus Neovisni za
Hrvatsku (NHR) und Hrvatska Stranka Prava
(HSP) 4,37% der Stimmen und blieb damit
einige Prozentpunkte unter den vorherigen
Prognosen. Die europäischen Neonazi-
Parteien fuhren so auf zumeist niedrigem
Niveau fast durchgängig Verluste ein. Dies
mag mitunter ganz individuelle Gründe
haben, wie beispielsweise in Griechenland,
wo die XA bei der Europawahl 2014
sicherlich von der Staatsschuldenkrise
beflügelt wurde. Grundsätzlich machen ihnen
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aber in vielen Ländern die erstarkten
rechtspopulistischen Parteien zu schaffen,
die nicht nur Teile ihrer Inhalte abdecken und
sie mit rechtskonservativen Positionen
verbinden, sondern die sich aus Sicht vieler
potentiell rechtsextremer Wähler*innen sicher
auch in einer aussichtsreicheren Position für
politischen Machtgewinn befinden.
Es ist deshalb kein Zufall, dass deutsche und
europäische Neonazis aller Parteien in den
letzten knapp zwei Jahren in Anbetracht
dieser Entwicklung verstärkt an ihrer
europaweiten Vernetzung arbeiteten. Die
Rechte und die JN, die Jugendorganisation
der NPD, organisierten in jüngerer
Vergangenheit jeweils eigene Kongresse und
starteten ‚Europa‘-Kampagnen. Regelmäßig
besuchen deutsche Neonazis Aufmärsche
und Kongresse im europäischen Ausland. Die
Türen, die ihnen von AfD, RN, Lega oder
FPÖ in vielen Ländern Europas geöffnet
wurden, die ‚Verschiebung des Sagbaren‘
nach rechts, konnten neonazistische Akteure
bisher nur vereinzelt ausnutzen, aber bei
weitem nicht in Wahlerfolge ummünzen. In
Ungarn ließ sich lange Jahre beobachten, wie
eine neonazistische Partei (Jobbik) im
Fahrwasser einer vermeintlich gemäßigten,
rechtskonservativen Partei (Fidesz) immer
mehr Macht gewinnen konnte und schließlich
zur größten Oppositionspartei aufstieg. In
anderen europäischen Ländern ist das der
militant-neonazistischen Szene noch nicht
gelungen. Dass die Grenzen zwischen den
Spektren aber seit jeher fließend sind, lässt
sich an der Parteien-Geschichte von Lega
und RN bestens darstellen. Die europäischen
Neonazis diskutieren deshalb aktuell, wie sie
die erweiterten Handlungsräume extrem
rechter Politik nutzen können, ohne sich an
die Rechtspopulist*innen anzubiedern und
ihre Inhalte verstecken oder verwässern zu
müssen.
Europaweite Vernetzung: Neonazis aus mehreren europäischen Ländern beim 'Tag der Ehre' in Budapest, Februar 2019 (Bild: Pixelarchiv)
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II. Rechtsaußenparteien im
Regierungsbezirk
Arnsberg: Wahlkampf &
Programmatik
Alternative für Deutschland (AfD)
Gottfried Curio, Bundestagsabgeordneter der
AfD, sorgt im gut gefüllten ‚Haus Ennepetal‘
für Bierzeltstimmung. Seine Angriffe auf die
Europäische Union kommen bei den ca. 400
Parteimitgliedern und Sympathisant*Innen
gut an: Das Ziel der Europäischen Union, so
Curio, sei die „vollständige nationale
Entrechtung Deutschlands“. Das „Altparteien-
Brüssel“ sei ein „Schwarzes Loch“, das
„Nationalstaaten und Geld verschlinge“.
Curio, der von Matthias Renkel, dem
Kreissprecher der AfD im Ennepe-Ruhr-Kreis,
als „zukünftiger Innenminister“ angekündigt
wird, ist an diesem Abend des 6. April 2019
Teil der geladenen Parteiprominenz. Ebenso
konnten Jörg Meuthen (Parteivorsitzender,
MdEP und Listenplatz 1), Guido Reil
(Listenplatz 2), Verena Vester (Listenplatz
13), Helmut Seifen (Landesvorsitzender
NRW), Martin Schiller (Listenplatz 16) und
Gunnar Beck (Listenplatz 10) die
anwesenden AfD-Fans mit ihren - so der
Nachbericht des hiesigen Kreisverbandes -
„brillanten und facettenreichen Vorträgen“
beglücken. Die Veranstaltung lief unter dem
Slogan ‚Für ein EUROPA der
VATERLÄNDER!‘ - ein Titel, mit dem die
NPD noch 2014 ihren Europawahlkampf
bestritt - und bildete den Wahlkampf-Auftakt
der nordrhein-westfälischen AfD für die
Europawahl. Auch an dieser Veranstaltung
wird deutlich, dass bei der AfD in
europapolitischen Fragen mittlerweile
völkisch-nationalistische Denkmuster
dominieren. Kreisten zur letzten Europawahl
die inhaltlichen Positionen der ehemaligen
‚Anti-Euro‘-Partei noch schwerpunktmäßig
um Fiskal- und Währungspolitik der EU, wird
dem Staatenbündnis mittlerweile eine
‚zersetzende‘ Kraft auf allen Ebenen
zugeschrieben. So geht es auch nicht nur um
Flucht- und Migrationsfragen: ‚Brüssel‘ steht
in AfD-Kreisen als Chiffre für angebliche
Entmündigung, Fremdregierung und
Kosmopolitismus. Wenn schon die Berliner
‚Altparteien‘ und ‚Merkelianer‘ gegen die
Interessen des ‚deutschen Volkes‘ handeln,
dann könne – so der AfD-Duktus - ein von
Merkel und dem verächtlich als
„Weltstaatsmann“ (Gauland) betitelten,
französischen Präsidenten Macron geführter
Staatenbund erst recht nicht in dessen
Interesse sein. Die AfD wünscht sich die EU
höchstens als Wirtschaftsgemeinschaft (ohne
gemeinsame Währung), auf jeden Fall aber
als ein nach innen und erst recht nach außen
abgeriegeltes Nationen-Gebilde. Der
Landtagsabgeordnete Christian Loose aus
Bochum hofft so, dass durch ein Erstarken
der rechten Kräfte im EU-Parlament „die EU
ihre Basis als Handelsunion wiederfindet“ und
auch der Kreisverband in Olpe sah die EU in
der Vergangenheit als ein „Erfolgsmodell“ –
mithin „bevor der Euro eingeführt wurde und
bevor die Grenzkontrollen weggefallen sind“.
Die AfD hat sich in vielen Kreisen und
Städten des Regierungsbezirks Arnsberg auf
vergleichsweise niedrigem personellen
Niveau etabliert und betrieb wie auch schon
bei den vergangenen Bundes- und
Landtagswahlen einen emsigen
Plakatwahlkampf. Vor allem an größeren
Durchfahrtsstraßen prangten Plakate mit der
Aufschrift ‚Geht’s noch, Brüssel? Heimat
bewahren!‘ bzw. ‚Geht’s noch, Brüssel?
Diesel retten!‘. Alle Kreisverbände im
Regierungsbezirk thematisierten das
Abreißen, Zerstören oder Übermalen von
AfD-Wahlplakaten, hinter dem wahlweise
„demokratiefeindliche Subjekte“ (KV Hamm)
oder „die linksfaschistische Krake“ (KV Soest)
stecken würden. Der Kreisverband Hamm
schrieb voller Zorn am 29. April auf seiner
Facebook-Seite: „Jede Straße mit zerstörten
oder entwendeten Plakaten wird registriert.
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Die Täter werden zur Fahndung
ausgeschrieben. Schluss mit lustig.“
Neben Plakat- und Facebook-Wahlkampf
ließen sich auch vereinzelte
Vortragsveranstaltungen und öffentliche
Aktionen dokumentieren, die von den
einzelnen Kreisverbänden organisiert wurden
und sich (mehr oder weniger) um
europapolitische Fragen drehten:
Der Kreisverband Siegen-Wittgenstein
lud am 3. April zu einem Vortrag von
Christian Zaum, ein Gymnasiallehrer aus
Bad Laasphe und ehemaliges Mitglied
der rechtsextremen Burschenschaft
‚Rheinfranken‘ aus Marburgii. Zaum
forderte dazu auf, zwischen „Europa und
der EU zu unterscheiden“. Europa gelte
es zu bewahren und zu schützen, der EU
sei hingegen „mit tiefgreifenden
Reformen“ beizukommen.
Der KV Soest veranstaltete am 11. April
eine Vortragsveranstaltung mit Guido
Reil (Listenplatz 2) in der Stadthalle
Soest.
Der KV Siegen-Wittgenstein
veranstaltete am 17. April eine
Vortragsveranstaltung in der
Siegerlandhalle. Geladen war Gunnar
Beck (Listenplatz 10) und ein „auf
Europarecht spezialisierter Jurist“, der
zum Thema „Brexit und Dexit – als
Ultima Ratio raus aus Euro und einer
unreformierten EU?“ (Schreibweise i. O.)
referierte. Beck geriet kurz danach
überregional in die Kritik, weil er
fälschlicherweise einen Professorentitel
geführt hatte und auch kein ‚Fachanwalt
für EU-Recht‘ ist, wie er selbst von sich
behauptet hatte.
Sechs Mitglieder des Kreisverbandes
Unna führten am 18. Mai einen
Protest gegen eine AfD-Veranstaltung in Witten, 29. April 2019 (Bild: Ennepe-Ruhr stellt sich quer)
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vermeintlichen ‚Flashmob‘ vor dem
Rathaus in Holzwickede durch und
posierten mit AfD-Plakaten vor dem
Eingang.
Der AfD-Kreisverband Unna lud zum
Wahlkampfabschluss mit dem
‚verteidigungspolitischen Sprecher‘ der
AfD, Rüdiger Lucassen, am 19. Mai ins
‚Haus Baumeister‘ in Kamen-Heeren,
einem Lokal, das in früheren Jahren
auch mehrfach dem NPD-Kreisverband
Unna/Hamm als Veranstaltungsort
diente. Lucassen referierte bei Kaffee
und Kuchen zum Thema „Europäische
Verteidigungspolitik – Chancen und
Risiken“.
Der Kreisverband Unna witterte eine
politische Verschwörung, nachdem ein
angemeldeter Wahlkampfstand für den
25. Mai in der Fröndenberger Innenstadt
aufgrund eines Feuerwehr-
Leistungsnachweises von der Stadt
abgesagt wurde. Nachdem
Kreissprecher Michael Schild
Akteneinsicht in den Vorgang erhielt,
ruderte der Kreisverband zurück und zog
auf den innenstadtnahen Bruayplatz um.
Dort bildeten aber schließlich andere
Parteien und eine lokale
Willkommensinitiative ein deutliches
Gegengewicht.
Die Rechte
Im Europawahlkampf der Partei Die Rechte
nahm der Dortmunder Ortsverband - wie bei
allen ihrer Aktivitäten - eine führende Rolle
ein. Unter der Leitung ehemaliger Kader des
Nationalen Widerstand Dortmund (NWDO)
wie Michael Brück und Matthias Deyda sowie
dem zugezogenen Sascha Krolzig
organisierte der lokale Ableger mit Sitz des
Bundesvorstands das Gros der
Wahlkampfaktivitäten.
Mit der Einreichung der nötigen 4.000
Unterstützungsunterschriften Ende Januar
beim Bundeswahlleiter und der Ankündigung,
die inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula
Haverbeck nach Brüssel schicken zu wollen,
startete der Wahlkampf der extrem rechten
Kleinstpartei.
Anfang März dann startete Die Rechte in die
Mobilisierungsphase mit Flyern, Stickern und
Plakaten. Schätzungsweise 50 Infostände
organisierte die Partei im Regierungsbezirk
Arnsberg zur Europawahl, die meisten davon
in Dortmund. Flyer verteilte Die Rechte im
Vorfeld zur Wahl auch in Hamm, Hagen und
Schwelm.
Am 19. März stellte Die Rechte ihr
Wahlprogramm vor. Wie schon in der
Vergangenheit einigten sich die Neonazis
wieder in Anlehnung an das Programm der
NSDAP auf provokative 25 Punkte. Neben
den recht inhaltsleeren Forderungen nach
einem “Europa der Vaterländer” und dem
„Dexit“ warb die Partei auch für Solidarität mit
Russland, ein deutsches Volksheer und
Großdeutschland in den Grenzen aus dem
Zweiten Weltkrieg. Geflüchtete sollten von
einem ‚Atlantikwall‘ abgehalten und eine
angebliche ‚Islamisierung´ und
‚Frühsexualisierung´ bekämpft werden.
Bereits vor der heißen Phase des
Wahlkampfes sorgte die Partei für ungewollte
Schlagzeilen. Am 02. Mai durchsuchte die
Polizei die Geschäftsstelle von Die Rechte
und Michael Brücks Privatwohnung in
Dortmund-Dorstfeld und beschlagnahmte
diverse Aktenordner. Der Vorwurf, der
zunächst im Zuge eines
Ermittlungsverfahrens der Schweriner
Staatsanwaltschaft aufkam, lautete
Urkundenfälschung bei den
Unterstützungsunterschriften vom Januar
sowie versuchter Wahlbetrug.iii Die Partei
legte Beschwerde beim Amtsgericht gegen
die Durchsuchung ein, das am 07. Mai
beschied, dass die Razzia mangels Gründen
und Vorbereitung rechtswidrig war.
7
Abschluss der 'Europa erwache'-Kampagne von Die Rechte im April 2018 (Bild: Mobile Beratung NRW)
Auseinandersetzungen um Wahlplakate
Einige Plakate von Die Rechte wurden von
Dortmunder Kadern auch im Grenzgebiet in
Bochum aufgehängt. Allerdings ließ die Stadt
Bochum die bei ihr aufgetauchten Plakate
Ende Mai abhängen, da die Partei dort nicht
zur Wahl antrat und somit auch nicht werben
durfte. Zudem stellte die Stadt Bochum
Strafantrag wegen antisemitischen Inhalts
einiger Plakate.
Die Dortmunder Polizei untersagte nach der
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts
in zweiter Instanz am 24. Mai per Eilauflage
zwei Designs der Wahlplakate der Partei.
Dabei handelte es sich um die Plakate mit
der Aufschrift “Israel ist unser Unglück” und
“Wir hängen nicht nur Plakate”. Die Rechte
klagte erwartungsgemäß gegen dieses Urteil
und zeigte den Dortmunder
Ordnungsdezernenten wegen
Sachbeschädigung an. Jedoch wurde
zumindest die Entscheidung bezüglich des
ersten Plakats am 24.05.2015 vom
Oberverwaltungsgericht des Landes NRW
per Eilverfahren bestätigt.iv
Viele Versammlungen, wenige
Teilnehmer*innen
Den Schwerpunkt des aktionsorientierten
Wahlkampfs der neonazistischen Partei
bildete ab dem 20. Mai eine fünftägige
Kundgebungstour durch NRW mit drei oder
vier Stationen pro Tag, die auch in Hamm
(21. Mai), Hagen (22. Mai) sowie Bochum
und Lünen (24. Mai) halt machte. Die
Organisator*innen und Redner*innen stellte
jeweils zum größten Teil der Dortmunder
Kreisverband, während die Teilnehmerzahl
insgesamt bei lediglich 10-15 Personen lag.
Dagegen kam es in einigen Städten zu
kurzfristig organisierten Gegenprotesten wie
etwa in Hamm, wo rund 60 Personen
lautstark gegen die Minikundgebung
protestierten.
Höhepunkt und gleichzeitiger
Wahlkampfabschluss sollte aus Sicht der
Partei ein vom Dortmunder Ortsverband
organisierter Aufmarsch unter dem Motto “70
Jahre BRD? Wir feiern nicht – Souveränität
schaffen, Europa verteidigen” sein. Trotz
einer langen Mobilisierung schaffte es Die
Rechte nur 180 Personen auf die Straße zu
bringen von denen etwa 40 aus
osteuropäischen Ländern kamen.v Damit die
Demonstration überhaupt stattfinden konnte,
mussten am Abend zuvor Kader der Partei
die verbotenen Plakate entlang der
Marschroute entfernen.
Trotz ausgebliebener Mobilisierungserfolge
erreichte Die Rechte wie schon in der
Vergangenheit durch immer größere, meist
antisemitische Provokationen, eine weit über
8
ihr tatsächliches politisches Potential
hinausgehende mediale Öffentlichkeit. In
seiner Pressemitteilung nach der Wahl
erklärte Michael Brück dies als politisches
Kalkül der Partei: Man habe von vorn herein
nicht damit gerechnet, die nötigen Stimmen
für einen Einzug Haverbecks ins Parlament
zu bekommen. “Die einzige Möglichkeit einer
kleineren Partei [besteht] darin, durch
Skandale […] in die Schlagzeilen zu
kommen.”
Nationaldemokratische Partei
Deutschlands (NPD)
Die NPD konnte in NRW und im
Regierungsbezirk Arnsberg kaum Aktionen
und Veranstaltungen organisieren und
durchführen. Wirkliche Wahlkampfaktionen
der NPD in NRW fanden lediglich in der
vorletzten Woche vor der Wahl statt, wo
einige Parteikader im Kleinbus der Partei
Lautsprecherfahrten mit vereinzelten
Minikundgebungen in verschiedenen Städten
NRWs durchführten. Die einzigen
Veranstaltungen im Regierungsbezirk
Arnsberg stellten dabei zwei Kundgebungen
in Dortmund und Bochum am 18. Mai 2019
dar (zudem wurde Gelsenkirchen am
gleichen Tag bedient). Die Teilnehmenden
und Redner_innen waren überwiegend
Parteifunktionäre und NRW-
Vorstandsmitglieder wie Ariane Meise, der
Landesvorsitzende Claus Cremer oder das
Dortmunder Stadtratsmitglied Axel Thieme,
so dass die Personenanzahl im einstelligen
Bereich blieb. Die Kundgebungen wurden
von einem Banner mit der Aufschrift
„Migration tötet“ begleitet. Zuvor hatten sich
am 11. Mai bereits weniger als eine Handvoll
Parteimitglieder im Zuge eines „bundesweiten
Aktionstages“ der NPD mit demselben
Banner vor dem Düsseldorfer Landtag und
anderen „besonderen Plätzen“ ablichten
lassen.
Die gleiche Hetzparole zierte auch eines der
Wahlplakatmotive und sorgte bundesweit für
teils unterschiedlich ausfallende gerichtliche
Auseinandersetzungen. Nachdem das
Verwaltungsgericht Düsseldorf in diesen
Plakaten den Tatbestand der
Volksverhetzung als erfüllt angesehen hatte,
ließen unter anderem die Städte Bochum,
Duisburg und Gelsenkirchen die Plakate der
Partei entfernen. Plakatiert hatte die NPD
insbesondere in Teilen Bochums, sowie in
Dortmund und Herne.
Die weiteren Aktivitäten der Partei
beschränkten sich auf gelegentliches
Verteilen von Flyern oder der Sonderausgabe
der parteinahen Zeitschrift „Deutsche
Stimme“ zum ‚Schutzzonenkonzept‘, welche
bereits 2018 gedruckt wurde. Das hier
benutzte Narrativ, durch Migration würden
Angsträume und Bedrohungsszenarien
entstehen, versuchte die Partie zur
Europawahl in ihrem kurzgehaltenen
Europawahlprogramm teilweise auf ganz
Europa zu projizieren – verbunden mit dem
Ziel, Europa als „Festung“ und „Schutzzone“
mit stark gesicherten Grenzen auszubauen.
Zentrale Forderung war zudem der klare
Austritt aus der EU, womit man sich auch von
der AfD abgrenzen wollte („keine halben
Sachen – raus aus der EU“). Wie alle extrem
rechte Parteien spricht auch die NPD von
einem ‚Europa der Vaterländer‘ als Ausdruck
eines ausgrenzenden Nationalismus, der an
Vorstellungen des rassistischen Konzeptes
des Ethnopluralismus anknüpft, indem die
Unvereinbarkeit vermeintlich homogener
nationaler Identitäten und Kulturen
angenommen wird.
So setzte auch der Wahlwerbespot der NPD
einzig auf das Thema Schutzzone ehe
Spitzenkandidat Udo Voigt am Ende noch
kurz zu Wort kommt. Der Wahlspot wurde
zunächst vom öffentlichen Rundfunk
ebenfalls nicht ausgestrahlt, nachdem auch
das Bundesverfassungsgericht die
Einschätzung des RBB teilte, das die darin
9
getätigten Aussagen der NPD als
volksverhetzend ansah. Erst eine
überarbeitete Version musste die ARD
letztlich senden.vi Die NPD-NRW postete
vermutlich aufgrund mangelnder Alternativen
erneut den Wahlspot der Landtagswahl 2017
über ihre eigenen social-media Kanäle.
Mit dem Plakatmotiv Martin Luthers
einschließlich dem Satz „Ich würde NPD
wählen - ich könnte nicht anders“ knüpft die
Partei an eine Provokation aus vergangenen
Wahlkämpfen an, wo etwa bei der
Bundestagswahl 2017 anlässlich des Luther-
Jahres ebenfalls mit Motiven Martin Luthers
für die NPD geworben wurde. Auch dieses
Mal waren solche Plakate in manchen
Städten wie beispielsweise Bochum in
direkter Nähe von Kirchen zu findenvii.
Insgesamt waren die wenigen Aktionen der
NPD in NRW jedoch nicht mehr als ein
‚Alibiwahlkampf‘, der dazu diente ein paar
Bilder für die eigene Inszenierung im Internet
zu produzieren sowie den eigenen Anhänger
einige aktivistische Lebenszeichen zu
präsentieren. Das dabei voll auf das
„Schutzzonen Konzept“ als Rettungsanker
gesetzt wurd ist verständlich, da es mit dieser
Provokation in den letzten Jahren teilweise
gelungen war, etwas (mediale)
Aufmerksamkeit zu bekommen.
Der III. Weg
Die neonazistische Kleinstpartei Der III. Weg
ist in NRW lediglich im Kreis Olpe und mit
Abstrichen im Siegerland und Sauerland auf
sehr niedrigem Niveau verankert. Die 2013
von Klaus Armstroff gegründete Partei
schaffte es, die erforderlichen 4000
Unterschriften zu sammeln, um zur Wahl
zugelassen zu werden. Dabei führte sie auch
in den genannten Gebieten in Südwestfalen
im Vorfeld vereinzelt Infostände und
Kundgebungen durch, um Unterschriften zu
sammeln. Schwerpunkt mäßig beschränkten
sich diese Aktionen wie auch der ‚
Hauptwahlkampf des III. Wegs in NRW auf
den Kreis Olpe und das Siegerland.
Weiterhin fiel die Partei im Rahmen der
Europawahl im Regierungsbezirk Arnsberg
durch Wahlplakate und Flyer auf. Neben der
Verteilung gedruckter Medien verbreitete die
Partei Informationen über soziale Medien,
eine eigene Homepage sowie ein
Onlineradio, das einmal monatlich eine
Sendung ausstrahlt. Nach der
mehrmonatigen Sperrung der Facebook Seite
der Partei, gab das
Bundesverfassungsgericht einem Eilantrag
statt, wonach die Sperrung bis zur
Beendigung der Europawahl durch den
Konzern aufgehoben werden musste.
Im Wahlwerbespot hetzt die Partei
insbesondere gegen die im Bundestag
vertretenen Parteien, gegen den ‚ Brüsseler
Beamtenapparat´ oder bemängelt eine
vermeintliche ‚Überfremdung´ Deutschlands,
dem ein antikapitalistisches und völkisches
‚Europa der Vaterländer´ entgegengesetzt
werden soll. Von der Aufmachung her ist der
Spot ruhig gehalten und nur mit einigen
(stummen) Videosequenzen von
Demonstrationen hinterlegt.
Bei den Wahlplakaten setzte Der III. Weg
hingegen deutlich offensichtlicher auf
Provokation und Aufmerksamkeit. Besondere
Aufmerksamkeit erregte dabei das Plakat mit
dem Schriftzug „Reserviert für Volksverräter“,
welches vornehmlich an Laternen- und
Strommasten befestigt wurde, etwa in
München zur Verhängung von
Bußgeldbescheiden gegen die Partei. Plakate
der Partei wurden in NRW insbesondere im
Kreis Olpe und Siegen gesichtet sowie in
einigen angrenzenden Gemeinden wie
Hilchenbach, Attendorn oder Kreuztal.
Manche Plakate wurden von einer
überparteilichen Initiative durch eigene
Plakate ergänzt, in welchen die Ablehnung
über die Naziplakate schriftlich und durch
10
Stimmenanteile bei der Europawahl 2019 in NRW
Partei AfD NPD Die Rechte
III. Weg
Stimmenanteil (in %)
8,52 0,15 0,06 0,015
Stimmen (absolut)
682370
11901
4829
1220
Partei AfD NPD Die Rechte
III. Weg
Stimmenanteil (in %)
8,52 0,15 0,06 0,015
Stimmen (absolut)
682370
11901
4829
1220
Partei AfD NPD Die Rechte
III. Weg
Stimmenanteil (in %)
8,52 0,15 0,06 0,015
Stimmen (absolut)
682370
11901
4829
1220
Grafiken klar deutlich gemacht wurde. Der
Kreisverband der Grünen im Kreis Olpe
zeigte den III. Weg daraufhin wegen
Volksverhetzung an.
Am 24.04.2019 wurde eine Infoveranstaltung
in Siegen organisiert, die mit einem
Redebeitrag des Parteikaders Julian Bender
endete. Hier fanden sich ca. 15 Neonazis ein,
denen gut 400 Gegendemonstranten
gegenüberstanden.viii Dabei kam es Berichten
zufolge auch zu kleineren Vorfällen zwischen
der Polizei, den Neonazis und
Gegendemonstranten, wobei unter anderem
ein Böller geworfen wurde und
verfassungsfeindliche Symbole (Hitlergruß)
gezeigt wurden.ix
Ein weiterer Infostand der Splitterpartei, der
erst kurz zuvor bekannt gegeben wurde,
wurde ebenfalls in Siegen einen Tag vor der
Europawahl am 25. Mai 2019 aufgestellt. An
der Aktion nahmen ca. 15 Neonazis teil.
III. Rechtsaußenparteien im
Regierungsbezirk
Arnsberg: Ergebnisse &
Auswertung
Partei AfD NPD Die Rechte
III. Weg
Stimmenanteil (in %)
8,52 0,15 0,06 0,015
Stimmen (absolut)
682370
11901
4829
1220
(Quelle: www.bundeswahlleiter.de; eigene
Darstellung)
Die in dieser Betrachtung erfassten Parteien
des Rechtsaußenspektrums haben im
Vergleich zur letzten Bundestagswahl
allesamt Verluste einstecken müssen. Die
AfD erreichte NRW-weit mit 8,5% eine
deutliche Steigerung im Vergleich zur letzten
Europawahl im Jahr 2014. Der geeignetere
aktuelle Vergleichswert ist jedoch die
Bundestagswahl im September 2017 als
letzte bundesweite Wahl in Deutschland, wo
man noch knapp 1% bzw. rund 250 Tsd.
Stimmen mehr auf Landesebene holen
konnte. Da die Partei auch im
Bundesergebnis den erhofften
Stimmenzuwachs verpasste, tat sich die
Führungsriege der AfD entsprechend schwer,
das Wahlergebnis positiv zu bewerten.
Die neonazistischen Parteien NPD, Die
Rechte und Der III. Weg konnten kein Mandat
erringen. Während die NPD erneut bei einer
Wahl deutliche Verluste verzeichnete und
ihre Stimmenanteile in NRW im Vergleich zur
Bundestagswahl 2018 fast halbiert wurden,
waren bei der Partei Die Rechte und dem III.
Weg Ergebnisse im unteren Promillebereich
eingeplant. Auch punktuelle Ausrutscher
nach oben, wie es sie in einzelnen Kreisen in
anderen Bundesländern gab, wo die NPD
zum Beispiel in Eisenach bei den
Stadtratswahlen über 10% der Stimmen
erlangen konnte, sind in NRW und im
Regierungsbezirk Arnsberg bei weitem nicht
erreicht worden.
AfD: ‚Gallische Dörfer‘ und
‚Inselerfolge‘
Das Europawahlergebnis der AfD wurde in
der Partei und in ihrem Umfeld ernüchtert
wahrgenommen. Vor allem in westdeutschen
Bundesländern verlor sie im Vergleich zur
letzten Bundestagswahl einige
Prozentpunkte.
11
Stimmenanteile der Rechtsaußenparteien bei der Europawahl 2019 im Regierungsbezirk Arnsberg nach
Kommunen (in %):
(Quelle: Votemanager.de, eigene Darstellung)
NRW-weit war die AfD in den nördlichen
Ruhrgebietsstädten am stärksten. In den
einzelnen Kommunen des Regierungsbezirks
erzielte die AfD dabei unterschiedliche
Ergebnisse. So schnitt sie am besten in
Herne (13,2%) ab, gefolgt von Hagen
(12,6%) und mit bereits etwas Abstand
Hamm (10,9%). Der AfD-Kreisverband Herne
sieht sich daher schon als „gallisches Dorf“ in
NRW an und auch der Kreisverband Unna
spricht angesichts seiner 9,8% schon von
einem „Inselerfolg“. Unterhalb des NRW-
Durchschnitts landete die Partei im RB
Arnsberg allerdings nur in den ländlich und
eher konservativ geprägten Landkreisen
Soest (8,11%), im Hochsauerlandkreis
(7,41%) und dem Kreis Olpe (7,33%).
Bei der genaueren Betrachtung der
Wahlergebnisse ist in vielen Städten ein
Zentrum-Peripherie Gefälle erkennbar. In
Bochum etwa erreichte die Partei im westlich
gelegenen Wattenscheid mit 12,07% sowie in
Bochum-Nord (12,15%) und Bochum-Ost
(11,87%) die besten Ergebnisse. Genauso
waren in Herne die meisten Stimmen der
Partei in den westlichen Stadtgebieten
Bickern, Röhlinghausen und Crange
abgegeben wurden, wo die Partei
Stimmenanteile zwischen 15,9% und 18,4%
erreichte. Auch in Dortmund erzielte sie ihre
Topergebnisse in den westlichen und
nördlichen Stadtteilen Mengede (14,20%),
Scharnhorst (13,72%), Eving (12,96%) und
Huckarde (12,91%).
Anders als in Dortmund ist in Hagen keine
aktive neonazistische Szene vorhanden und
auch der AfD-Ortsverband hält sich mit
öffentlichen Aktionen zurück. Das
überdurchschnittliche Abschneiden in Hagen
hat die AfD insbesondere den Wähler*innen
in Hagen-Haspe (14,39%), Hagen-Nord
(13,87%) und Eilpe/Dahl (13,61%) zu
verdanken.
In Hamm zeigte sich ebenfalls eine große
Differenz zwischen einzelnen Stadtgebieten,
wo in Rhynern (7,22%) nur halb so viele
Leute die AfD gewählt haben wie in Bockum-
Hövel (14,44%) oder Herringen (14,84%).
Dagegen waren die Stimmenanteile in
anderen Wahlkreisen relativ gleichmäßig
verteilt. Dies gilt für den Kreis Olpe oder auch
den Ennepe-Ruhr-Kreis. Im Kreis Unna
erzielte die Partei in den Städten Bergkamen
und Lünen (jeweils 11,87%) Ergebnisse, die
nur leicht über dem kreisweiten
Kommune AfD NPD Die Rechte
III. Weg
Bochum 9,48 0,20 0,13 0,02
Dortmund 9,19 0,18 0,26 0,01
Ennepe-Ruhr-Kreis 9,17 0,16 0,05 0,02
Hagen 12,6 0,25 0,09 0,02
Hamm 10,9 0,21 0,15 0,02
Herne 13,2 0,24 0,07 0,02
Hochsauerlandkreis 7,41 0,14 0,03 0,02
Märkischer Kreis 10,07 0,21 0,05 0,02
(Kreis)Olpe 7,33 0,11 0,04 0,07
(Kreis)Soest 8,11 0,14 0,06 0,02
Siegen-Wittgenstein 10,41 0,16 0,05 0,05
(Kreis)Unna 9,82 0,19 0,11 0,01
12
BochumDort-mund
Ennepe-Ruhr-
Kreis IIHagen Hamm Herne
Hoch-sauerl.Kreis
Märk.Kreis
Olpe(Kreis)
Soest(Kreis)
Siegen-Wittgen
stein
Unna(Kreis)
NPD 2019 0,2 0,18 0,16 0,25 0,21 0,24 0,14 0,21 0,11 0,14 0,16 0,19
Die Rechte 0,13 0,26 0,05 0,09 0,15 0,07 0,03 0,05 0,04 0,06 0,05 0,11
III. Weg 0,02 0,01 0,02 0,02 0,02 0,02 0,02 0,02 0,07 0,02 0,05 0,01
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
0,3
Europawahlergebnis neonazistischer Parteien nach Kommunen im Regierungsbezirk Arnsberg (in %)
(Quelle: Votemanager.de, eigene Darstellung)
Wahldurchschnitt liegen, was auch für den
Kreis Siegen-Wittgenstein zutrifft, wo die
Partei in Bad Laasphe (11,87%) und
Erndtebrück (11,54%) ihre Bestwerte
verbuchen konnte.
Die Rechte: Viel Aufwand, wenig
Ertrag
In Dortmund, wo die größte und aktivste
Neonazisszene in NRW zu finden ist, kam
Die Rechte auf 633 Stimmen (0,26%). Das ist
deutlich über dem Bundesdurchschnitt, im
Vergleich zu den 2101 Stimmen, die den
Neonazis bei der Kommunalwahl 2014 zum
Einzug in den Dortmunder Stadtrat genügten,
aber wenig. Hierbei muss allerdings
berücksichtigt werden, dass bei der
Europawahl die Erfolgsaussichten um ein
Vielfaches schlechter waren, was viele
Sympathisanten wohl vom Gang zur Urne
abgehalten hat.
Die Wahlergebnisse der Partei Die Rechte
schwanken im Regierungsbezirk Arnsberg
zwischen 0,03% im Hochsauerlandkreis und
0,26% in Dortmund. Hier ist ein leichtes
Stadt-Land Gefälle auszumachen wenn auch
auf sehr niedrigem Niveau. So folgen auf
Dortmund die Städte Hamm, Unna und
Bochum, wo in absoluten Zahlen
zusammengenommen rund 1100 Personen
ihre Stimme für die neonazistische und
aktionsorientierte Partei abgegeben haben.
Am Ende der Wahlkampfkampagne zeigte
Brück sich vom hiesigen Wahlergebnis
enttäuscht. Auch kleine Ausrufezeichen wie
bei der Bundestagswahl 2018, wo ‘Altnazi’
Siegfried Borchardt als Direktkandidat mehr
als 2000 Erststimmen für sich verbuchen
konnte, blieben dieses Mal aus. Stattdessen
spiegelt das Ergebnis in etwa die
Stammwählerschaft der Mitglieder und engen
Sympathisant*innen der Partei wider und
korreliert zudem stark mit den im
Regierungsbezirk vorhandenen lokalen
neonazistischen Strukturen.
Auch auf Stadtteil- und Wahlbezirksebene
fielen Ausreißer nach oben größtenteils aus.
In Dortmund erreichte die Partei in den
westlichen oder nördlichen Stadtteilen
Lüttgendortmund, Huckarde, Mengede,
Eving sowie Innenstadt-West leicht
überproportionale Ergebnisse zwischen
0,43% und 0,50%. In den anderen
13
Kommunen fielen die Abweichungen geringer
aus. Hier stellten Bochum-Wattenscheid
(0,17%), Lünen (0,21%) im Kreis Unna,
Hamm-Mitte (0,23%) und Welver (0,21%) im
Kreis Soest die jeweils besten lokalen
Ergebnisse der Partei Die Rechte dar.
NPD: Rückschläge auf lokaler und
bundesweiter Ebene
Das Gesamtergebnis der NPD in
Deutschland ist für die Partei ein weiterer –
wenn auch nicht überraschender –
Rückschlag. Durch das verlorene Mandat im
Europaparlament, das Udo Voigt in den
letzten fünf Jahren innehatte, geht der Partei
eine weitere dringend benötigte
Einnahmequelle abhanden.
In NRW hat die Partei im Vergleich zur
Bundestagswahl 2017 mit 11900 absoluten
Stimmen (0,15%) erneut fast ihr
Wahlergebnis halbiert. Dies bestätigt den
mittlerweile schon viele Jahre anhaltenden
Abwärtstrend der Partei bei bundesweiten
wie auch landesweiten Wahlen. Dabei war
NRW nie ein gutes Pflaster für die NPD
gewesen, jedoch schaffte es die Partei bei
den letzten Kommunalwahlen 2014 noch zu
drei Mandaten (Dortmund, Bochum,
Märkischer Kreis) auf Stadt- bzw. Kreisebene
im Regierungsbezirk Arnsberg. Die
Europawahl 2019 lässt allerdings Zweifel
aufkommen, ob diese wenn auch kleinen
Erfolge der letzten Kommunalwahlen
wiederholt werden können.
So erzielte die Partei das beste kommunale
Ergebnis in Hagen (0,25%) und Herne
(0,24%) während im Kreis Olpe (0,11%)
kaum jemand der NPD sein Vertrauen
schenkte. Die geringe Streuung verdeutlicht
den Verlust von kleineren Wahlerfolgen wie
etwa im Märkischen Kreis oder in Bochum,
wo derzeit der einzige noch halbwegs aktive
Ortsverband der Partei im Regierungsbezirk
Arnsberg zu finden ist. Hier schnitt die Partei
im westlichen Wattenscheid mit 0,33% noch
am besten ab, genauso wie in Hagen-Haspe
(0,38%), in Bergkamen (Kreis Unna, 0,36%)
sowie in Kreuztal (0,28%) im Kreis Siegen-
Wittgenstein. In Herne schaffe die NPD den
Stadtteilen Backau-West und Strünkede mit
jeweils 0,40% das beste und zugleich
dennoch ernüchternde Ergebnis.
Der sparsame Wahlkampf und das erneut
deutliche verschlechterte Wahlergebnis der
NPD bestätigt den strukturellen und
personellen Aderlass der Partei -
insbesondere auch in NRW. Hinzu kommen
extrem rechte Konkurrenten wie die
neonazistischen Parteien Die Rechte und Der
III. Weg, während NPD-Anhänger, die sich
einen bürgerlichen Anstrich geben, auch in
der AfD eine Wahloption finden.
Der III. Weg: Angetreten um zu Bleiben
Die völkisch orientierte, neonazistische Partei
Der III. Weg konnte bei ihrem ersten
Wahlantritt in NRW keine Achtungserfolge
erzielen. Dabei kam die Partei fast in keiner
Kommune im Regierungsbezirk Arnsberg
über 0,02% hinaus. Die Ausnahme bilden der
Kreis Olpe (0,07%) und der Kreis Siegen-
Wittgenstein (0,05%), welche zugleich das
Haupteinzugsgebiet des einzigen
‚Stützpunktes‘ der Partei im Bezirk bilden. Die
110 Personen, die für den III. Weg in diesen
beiden Wahlkreisen abgestimmt haben,
dürften in etwa das sympathisierende Umfeld
der Partei abbilden.
Das schlechte Wahlergebnis sorgt bei den
Kadern des III. Wegs zwar nicht für
Zufriedenheit, jedoch fällt es ihnen leicht das
Ergebnis schön zu reden, da es nicht das
vorwiegende Ziel der Partei ist, bei Wahlen
für gute Ergebnisse zu sorgen. Vielmehr dient
die Parteistruktur als Schutz vor staatlichen
Verboten, nachdem einige neonazistische
Kameradschaften in der Vergangenheit
verboten wurden und deren Mitglieder bei
14
den neonazistischen Parteien Die Rechte und
Der III. Weg zum großen Teil unterkamen.
Der Antritt bei Wahlen ist somit notwendig,
um den mittelfristig Parteistatus nicht
aberkannt zu bekommen und damit letztlich
die eigenen Strukturen und
Handlungsspielräume zu schützen.
Statt Wahlerfolgen setzt Der III. Weg darauf,
durch Provokationen Aufmerksamkeit und
Bekanntheit zu erlangen, was in NRW jedoch
bisher kaum gelingt. Ebenso versucht die
Partei sich in Kleinstädten und ländlich
geprägten Regionen mit bekannten Mitteln
wie Familienfesten oder punktuellen
karitativen Angeboten für Tierheime oder
‚deutsche‘ Obdachlose lokal zu verankern.
So wurde bereits während der
Wahlkampfphase zum zweiten Mal ein „Tag
der Heimattreue“ angekündigt der am 15.
Juni in Olpe mit ca. 35 Personen stattfand.
Neben einer Rede des Parteivorsitzenden
Klaus Armstroff standen dabei ein
„Handwerkermarkt“, „Kinderprogramm“ und
ein „Selbstverteidigungskurs“ auf dem
Programm.
IV. Schlussüberlegungen
Der von manchen befürchtete drastische
Rechtsruck ist zumindest in Deutschland bei
der Europawahl ausgeblieben. Vielmehr
bremste gerade das Wahlergebnis der AfD
den parteiintern erhofften Höhenflug vorerst
ein wenig.
Die NPD musste mit der Wahl eine weitere
Niederlage und den Verlust eines
Europamandats verkraften. Entscheidend
wird für die sich scheinbar im Dauersinkflug
befindende Partei die Kommunalwahl im Jahr
2020 werden. Hier gilt es für die Partei
aufgrund ihrer lokalen Verankerung in vielen
Gebieten bundesweit rund 300 Mandate zu
verteidigen. Zwar sind auch hier aktuell
deutliche Rückgänge zu erwarten, jedoch
werden die Strukturen der Partei zumindest
vorübergehend weiter bestehen.
Für die beiden neonazistischen und
aktionsorientierten Parteien Die Rechte und
Der III. Weg, lassen sich kaum
aussagekräftige Schlüsse aus den
Ergebnissen der Europawahl ziehen, da es
bei beiden in erster Linie darum geht, den
Parteienstatus nicht aberkannt zu
bekommen. So konnte Der III. Weg zusätzlich
in Plauen ein Mandat erringen und auch über
die 1. Mai Demonstration (ebenfalls in
Plauen) einiges an medialer Aufmerksamkeit
erreichen.
Für alle genannten Parteien ist die
anstehende Kommunalwahl im Herbst 2020
von großer Bedeutung: Die AfD erhofft sich
dann eine merkliche Stärkung ihrer lokalen
Strukturen in NRW und wird viel in den
Wahlkampf investieren. Auch für Die Rechte
und NPD geht es um Mandate. Die NPD hält
in NRW noch vereinzelte Stadtratsmandate
und droht Stand jetzt auch diese an die AfD
zu verlieren. Für Die Rechte ist ihr
Stadtratsmandat und die gemeinsame
Fraktion mit der NPD in der Großstadt
Dortmund von großer Bedeutung, vor allem
was die Legitimation und Außenwirkung
betrifft. Auch sie wird alles dafür tun, sich den
potentiellen Wähler*innen als ‚wahre
Alternative‘ zu verkaufen und in Abgrenzung
zur AfD ihren offen NS-verherrlichenden Kurs
fortführen.
i http://www.taz.de/AfD-Niederlage-bei-der-Europawahl/!5597635/ ii https://www.wp.de/staedte/wittgenstein/bad-
laaspher-christian-zaum-wirbt-fuer-die-eu-ziele-der-afd-id216821303.html iii https://www.sueddeutsche.de/news/politik/extremismus-
--dortmund-razzia-bei-rechte-in-dortmund-versuchter-wahlbetrug-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190502-99-52771 iv
https://rp-online.de/nrw/panorama/dortmund-ovg-verbietet-wahlplakate-von-partei-die-rechte_aid-39022829 v https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/dr-
abschlusskundgebung-mit-hindernissen vi
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2019/05/qk20190515_1bvq004319.html
15
vii
https://www.evangelisch.de/inhalte/156192/08-05-2019/kritik-npd-plakaten-mit-luther viii
http://www.siegener-zeitung.de/siegener-zeitung/Demos-blieben-friedlich-cd442ac9-3ba9-4d62-8c70-d04f6401e94d-ds
ix https://www.wp.de/staedte/siegerland/siegen-
auseinandersetzung-bei-demo-gegen-rechtsextremismus-id217030999.html
16
Beratung und Unterstützung im Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus
Die fünf Mobilen Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus in NRW bieten Hilfe zur Selbsthilfe für alle, die
sich in ihrem Umfeld mit Rechtsextremismus auseinandersetzen wollen – oder müssen…
Regierungsbezirk Arnsberg:
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg c/o Amt für Jugendarbeit der Ev. Kirche von Westfalen Iserlohner Str. 25 58239 Schwerte Tel.: 02304/755190 / info@mbr-arnsberg.de / www.mbr-arnsberg.de
Regierungsbezirk Detmold:
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Detmold / OWL c/o Arbeit und Leben im Kreis Herford DGB/VHS e.V. Kreishausstraße 6 32051 Herford Tel: 05221 – 1745725 / info@mobile-beratung-owl.de / www.aul-herford.de
Regierungsbezirk Düsseldorf:
Mobile Beratung im Regierungsbezirk Düsseldorf c/o Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz e.V. Bendahler Str. 29 42285 Wuppertal Tel.: 0202-2543006 / info@mbr-duesseldorf.de / www.mbr-duesseldorf.de
Regierungsbezirk Köln:
Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Köln Info- und Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln Appellhofplatz 23 – 25 50667 Köln Tel.: 0221-221-27162 / ibs@stadt-koeln.de / www.mbr-koeln.de
Regierungsbezirk Münster:
Mobile Beratung im Regierungsbezirk Münster Gegen Rechtsextremismus, für Demokratie c/o Geschichtsort Villa ten Hompel Kaiser-Wilhelm-Ring 28 48145 Münster Tel.: 02 51 – 492 7109 / kontakt@mobim.info / www.mobim.info
17
Literaturtipp: „Wir holen uns unser Land und unser Volk zurück“ - Empfehlungen zum
Umgang mit rechtspopulistischen Parteien in Parlamenten und Kommunen
Einen Umgang zu finden, der das Dilemma von
Opferinszenierung der AfD auf der einen und deutlicher
Reaktion der Parteien auf der anderen Seite auflöst, ist für die
Parlamentarier_innen und lokalpolitische Engagierten eine
große Herausforderung. Dabei gibt es aus den
Landesparlamenten, in denen die AfD teilweise seit Jahren
sitzt, schon viel Erfahrung und Beispiele für souveräne
Reaktionen auf den Rechtsruck.
Die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus aus
allen 16 Bundesländern haben ihre Erfahrungen und
Beobachtungen gesammelt und ausgewertet.
Herausgekommen sind 36 Seiten voller praktischer
Anregungen zum Handeln.
Die Broschüre kann beim Bundesverband Mobile Beratung
(kontakt@bundesverband-mobile-beratung.de) bestellt oder
als PDF heruntergeladen werden: http://www.bundesverband-
mobile-beratung.de/wp-content/uploads/2017/12/BMB_2017-
Umgang-mit-rechtspopulistischen-Parteien.pdf
-- © Gewaltakademie Villigst c/o Amt für Jugendarbeit der Ev. Kirche von Westfalen Iserlohner Str. 25 58239 Schwerte unter Mitarbeit von Carolin Decker und Sophie Schädel
Schwerte, Juni 2019