Post on 10-Jun-2020
Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur
Verbesserung der Innovationsfähigkeit in KMU
Bachelorthesis zur Erlangung des Hochschulgrades Bachelor of Arts
an der
Hochschule Furtwangen University
Fakultät Wirtschaft
vorgelegt von: Sophie Erdmann
Matr.-Nr. 233443
Studienfach: Internationale Betriebswirtschaft
am: 26.08.2013
Erstbetreuerin: Prof. Dr. Eva Kirner
Zweitbetreuer: Prof. Ulrich Hoffrage
Kurzzusammenfassung
I
Kurzzusammenfassung
Thema der Bachelorarbeit: Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur
Verbesserung der Innovationsfähigkeit in KMU
Verfasserin: Sophie Erdmann
Hochschule Furtwangen University
-Fakultät Wirtschaft-
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem alternativen Wirtschaftskonzept der
Gemeinwohl-Ökonomie. Es wird untersucht, ob die Gemeinwohl-Ökonomie Potential
zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen
besitzt. Ziel ist es, herauszufinden inwiefern ein Wirtschaftssystem, das auf anderen
Werten wie die der freien Marktwirtschaft aufgebaut ist, ebenfalls die Fähigkeit besitzt
die Entwicklung und Umsetzung von Neuerungen voranzutreiben. Dies wird mithilfe
von aktueller Fachliteratur und explorativen Interviews mit Vertretern und
Vertreterinnen von Unternehmen, die bereits die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen,
erforscht.
Es wurde ersichtlich, dass die Gemeinwohl-Ökonomie weiterhin einen Anreizrahmen
schafft, der die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen fördert. Dabei werden
viele der erfolgversprechenden Faktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit
positiv beeinflusst. Die Befragung der Experten und Expertinnen machte deutlich, dass
durch den Prozess der Bilanzierung nach den Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie,
Potential für Verbesserungen im Unternehmen aufgedeckt wird. Insgesamt wurde
ersichtlich, dass in der praktischen Umsetzung der Ideen und des Konzeptes der
Gemeinwohl-Ökonomie besonders die intrinsischen Motivationsfaktoren der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und die darauf aufbauende Innovationskultur zu
Gunsten der Innovationsfähigkeit verbessert werden.
Abstract
II
Abstract
Titel of Bachelorthesis: Potential of the Economy for the Common Good to
improve the innovative capability of small and
medium-sized businesses
Author: Sophie Erdmann
Hochschule Furtwangen University
-Business Faculty-
The thesis on hand concentrates on the alternative economic concept of the Economy
for the Common Good. The study investigates if the Economy for the Common Good
offers potential to improve the innovative capability of small and medium-sized
businesses. The objective is to discover to what extent an economic system based on
different values than the economic liberalism has as well the ability to promote the
development and implementation of innovations. It will be discovered by using up-to-
date economics literature and explorative interviews held with representatives of
companies that support the Economy for the Common Good.
It appears that the Economy for the Common Good continues to create a framework to
encourage the development and implementation of innovations. At the same time many
of the promising factors for improving innovative capability are positively influenced.
By interviewing the experts it became clear that the process of reporting according to
the criteria of the Economy for the Common Good, potential for improvement within
the firm was exposed. Taking everything into consideration it became obvious that in
particular intrinsic factors of motivation and the thereupon based innovative culture
were improved by the implementation of ideas and concepts of the Economy for the
Common Good.
Inhaltsverzeichnis
III
Kurzzusammenfassung I
Abstract II
Abbildungsverzeichnis V
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung .................................................................................................................. 1
1.1. Problemstellung ................................................................................................. 3
1.2. Eingrenzung der Untersuchung.......................................................................... 4
1.3. Aufbau der Untersuchung .................................................................................. 5
2. Grundlagen ................................................................................................................ 6
2.1. Innovation .......................................................................................................... 6
2.1.1. Definition .................................................................................................... 6
2.1.2. Arten von Innovation .................................................................................. 7
2.2. Innovationsfähigkeit .......................................................................................... 9
2.2.1. Definition .................................................................................................. 10
2.2.2. Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit ........................ 11
2.3. Gemeinwohl-Ökonomie ................................................................................... 18
2.3.1. Idee und Vision ......................................................................................... 18
2.3.2. Umsetzung der Gemeinwohl-Ökonomie .................................................. 19
2.3.3. Messung des Unternehmerischen Erfolgs ................................................ 21
2.3.4. Wertewandel in der Wirtschaft ................................................................. 23
2.3.5. Anreize für Gemeinwohl-Streben ............................................................. 27
2.3.6. Anreize für Innovationen in der Gemeinwohl-Ökonomie ........................ 29
3. Empirische Untersuchung ....................................................................................... 37
3.1. Methodik .......................................................................................................... 37
3.1.1. Zielsetzung ............................................................................................... 37
Inhaltsverzeichnis
IV
3.1.2. Erhebungsmethode ................................................................................... 37
3.1.3. Festlegung der Stichprobe ........................................................................ 39
3.1.4. Gestaltung des Interviewleitfadens ........................................................... 41
3.1.5. Durchführung der Interviews ................................................................... 45
3.2. Ergebnisse ........................................................................................................ 46
3.3. Diskussion der Ergebnisse ............................................................................... 66
4. Schlussfolgerung ..................................................................................................... 68
5. Ausblick .................................................................................................................. 72
Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 73
Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................ 78
Anhang ........................................................................................................................... 79
Anhang 1: Operationalisierungs-Tabelle (InnoKMU) ................................................ 79
Anhang 2: Gemeinwohl-Matrix 4.1 ............................................................................ 81
Anhang 3: Interviewleitfaden ..................................................................................... 82
Anhang 4: Darstellung der Interviews ........................................................................ 84
Abbildungsverzeichnis
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Phasen des Innovationsprozesses, Quelle: modifizierte Abbildung aus
Sommerlatte, Tom; Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.)
Innovationskultur und Ideenmanagement. Strategien und praktische Ansätze für mehr
Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf: Symposion 2006. S. 67. ................................................ 7
Abbildung 2: Operationalisierung eines kritischen Erfolgsfaktors anhand eines
Beispiels. Quelle: Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Hg. v. Fraunhofer-
Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 12. .................. 13
Abbildung 3: Befragte Pionier-Unternehmen, Eigene Darstellung .............................. 41
Einleitung
1
1. EINLEITUNG
In den letzten Jahren gewann die Anti-Kapitalismus-Bewegung weltweit jedes Jahr
mehr Anhänger. Dies drückte sich in zahlreichen Demonstrationen, wie während des
sogenannten Arabischen Frühlings, der unter anderem die hohe Arbeitslosigkeit und die
Korruption in Wirtschaft und Politik kritisierte, aus. Davon inspiriert, begann die
Bürgerbewegung in Spanien am 15. Mai 2011, bei der viele Themen öffentlich
aufgegriffen wurden und gegen die Missstände in der Wirtschaft demonstriert wurde.
Einige der Argumente gegen das existierende Wirtschaftssystem waren die aktuell sehr
hohe Jugendarbeitslosigkeit, der Zusammenbruch des Finanzsektors und die ungleiche
Einkommensverteilung innerhalb der spanischen Bevölkerung. Kurz nach Beginn der
Bewegung in Spanien kam es in den Vereinigten Staaten aus ähnlichen Gründen zu
Protestaktionen. Die Occupy-Wall-Street-Bewegung greift die starke Zentralisierung
des Reichtums und die Spekulationsgeschäfte der Banken an. Diese vielen
Protestaktionen von verschiedenen Menschen auf der ganzen Welt zeigen, dass der
Wunsch nach einem neuen bzw. veränderten Wirtschaftsystem existiert. Obwohl der
Protest so zahlreich und lautstark ist, beharrt die Mehrheit der Politiker/-innen und
Wirtschaftler/-innen weiterhin auf der Meinung, dass es keine Alternative bzw. kein
besseres System gibt. Der wohl bekannteste Ausspruch für die freie Marktwirtschaft, als
einzig wahres Wirtschaftssystem, kam von der ehemaligen britischen Premierministerin
Margaret Thatcher: „Es gibt keine Alternative!“1. Nach Thatcher ist der
Wirtschaftsliberalismus, das einzig wahre System, welches in Zukunft vorherrschend
sein wird und den größten Fortschritt für die Menschheit ermöglicht. Oft wird
argumentiert, dass diese Wirtschaftform der Weltbevölkerung mehr Lebensqualität,
Gleichheit, Gerechtigkeit und Wohlstand gebracht haben.
1 Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Eine demokratische Alternative wächst. Wien: Deuticke
2012. S. 9.
Einleitung
2
Zum Teil hat diese Argumentation sehr viel Wahrheitsgehalt, wenn man zum Beispiel
bedenkt wie viele technische Neuerungen entwickelt wurden, die uns das alltägliche
Leben und die Produktion vieler Güter wesentlich erleichtern. Auf der anderen Seite hat
uns der Produktivitäts- und Innovationsdrang, mit dem Ziel den Unternehmensgewinn
zu steigern, zu einem Punkt gebracht an dem wir unzählige Neuheiten auf den Markt
bringen und dies teilweise ohne Rücksicht auf die Konsequenzen dieses einseitigen
Handelns. Laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinigten Staaten (UNDP) hat sich
das Gesundheits- und Bildungsniveau in den Entwicklungsländern zwischen 1990 und
2010 durch eine stetig wachsende Wirtschaft und höheren Informationsaustausch, etwas
verbessert. Währenddessen steigt jedoch die Einkommensungleichheit in vielen
Entwicklungsländern.2
Wenn man diesen Gegensatz betrachtet, kann man sehen, dass uns die freie
Marktwirtschaft zum Teil mehr Wohlstand und Lebensqualität gebracht hat, aber nicht
mehr Gleichheit und Gerechtigkeit. Neben den sozialen und wirtschaftlichen
Konsequenzen darf man nicht vergessen, dass unser natürlicher Lebensraum durch die
rücksichtslose Art zu Wirtschaften stark verändert und zerstört wird. Über die Folgen
wie Klimawandel, Wasser-, Boden- und Luftverschmutzung, Waldsterben, Erosion,
usw. ist mittlerweile jeder und jede in irgendeiner Art und Weise informiert.
Von Verfechtern der aktuellen Wirtschaftsform wird jedoch weiterhin argumentiert,
dass es keine Alternative zum jetzigen System gibt und dass nur das Ziel der
Gewinnmaximierung Unternehmen anspornt produktiv und innovativ zu bleiben. Nur so
ist es den Unternehmen möglich im globalen Konkurrenzkampf Fuß zu fassen. Für
kleine und mittelgroße Unternehmen ist die Innovationsfähigkeit, also die Fähigkeit
Neuerungen aller Art erfolgreich auf den Markt zu bringen, auch eine der wichtigsten
Qualitäten um erfolgreich zu sein und langfristige Wettbewerbsvorteile zu erlangen.3
2 Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (Hg.): Bericht über die menschliche Entwicklung
2013 (Kurzfassung). Berlin: UNO-Verlag 2013. S. 5. 3 Sammerl, Nadine; Wirtz, Bernd W.; Schilke, Oliver: Innovationsfähigkeit von Unternehmen. In: DBW -
Die Betriebswirtschaft 68, 27.03.2008 (2/2008). S. 132 f.
Einleitung
3
Wenn von kleinen und mittelgroßen Unternehmen oder auch mittelständischen
Unternehmen die Rede ist, spricht man von Unternehmen, „die weniger als 250
Personen beschäftigen und die .. einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR
erzielen“.4 Nach Aussage des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2010 99,3
Prozent aller Unternehmen kleine und mittelgroße Betriebe.5 Als Großteil der
Unternehmen in Deutschland spielen somit kleine und mittlere Unternehmen eine
wichtige Rolle in der Volkswirtschaft. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und um
Arbeitsplätze zu schaffen, müssen sie innovativ und erfolgreich sein. Nun stellt sich die
Frage, ob dies nur durch Gewinnstreben und Konkurrenzdenken gewährleistet wird oder
ob Unternehmen auch unter anderen Rahmenbedingungen innovationsfähig und somit
wirtschaftlich und erfolgreich sein können.
1.1. PROBLEMSTELLUNG
In dieser Forschungsarbeit soll demnach betrachtet werden, ob ein zur freien
Marktwirtschaft anders konzeptioniertes Wirtschaftsystem weiterhin die
Innovationsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen am Leben hält
und fördert. Weiterhin soll erkundet werden, inwiefern sich der Anreizrahmen für
Innovationen in einer anderen Wirtschaftsform verändert und mit welcher Zielsetzung
Neuerungen aller Art entwickelt werden.
4 Europäische Kommission (Hg.): Die neue KMU-Definition. Benutzerhandbuch und Mustererklärung.
2006. S. 5. 5 Statistisches Bundesamt. Zahlen & Fakten. Kleine & mittlere Unternehmen. Online verfügbar unter
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/Kleine
MittlereUnternehmenMittelstand/KleineMittlereUnternehmenMittelstand.html, zuletzt geprüft am
14.08.2013.
Einleitung
4
1.2. EINGRENZUNG DER UNTERSUCHUNG
Die Untersuchung konzentriert sich auf das alternative Wirtschaftskonzept der
Gemeinwohl-Ökonomie, da diese momentan viel Zuspruch bekommt und stark
unterstützt wird. Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eine Alternative zur freien
Marktwirtschaft und schlägt vor, die jetzigen Prinzipien des Wirtschaftens wie
Gewinnmaximierung und Wettbewerbsfähigkeit durch menschlichere wie
Gemeinwohlmaximierung, Kooperation und Solidarität zu ersetzen. Das Konzept wird
bereits von vielen Unternehmen umgesetzt und unterstützt.6 Außerdem wurden bereits
genaue Ideen und Konzepte zur Entwicklung und Umsetzung erstellt und erprobt. Fast
alle Unternehmen, die sich dazu entschlossen haben, die Gedanken der Gemeinwohl-
Ökonomie im Unternehmen durchzusetzen, gehören dem gewerblichen Mittelstand an.
Deshalb und weil wie bereits erwähnt ein Großteil der Wirtschaftsleistung in
Deutschland von mittelständischen Unternehmen vollbracht wird, konzentriert sich
diese Forschungsarbeit nur auf Betriebe dieser Größenordnung.
Um die theoretischen Themen der Gemeinwohl-Ökonomie genauer zu beleuchten und
zu diskutieren, hat sich vor Kurzem der Wissenschaftskreis der Gemeinwohl-Ökonomie
gebildet. Auf der Internetplattform der Organisation kann man die Themen einsehen,
die bereits behandelt werden und auch Forschungsthemen finden, die noch zur
Diskussion und Ausarbeitung offen stehen. Ein vorgeschlagenes Thema lautet:
Gemeinwohl-Ökonomie als Teil einer Organisationsentwicklung. Da der Umfang einer
Bachelorthesis die vollständige Diskussion dieses Forschungsthemas nicht zulässt, wird
in dieser Arbeit ein Teilbereich bzw. eine Zielsetzung der Organisationsentwicklung
betrachtet. Es soll beobachtet werden ob und/oder wie die Innovationsfähigkeit in
kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch die Einführung der Gemeinwohl-
Ökonomie beeinflusst wird.
Obwohl die Ausarbeitung des Konzeptes der Gemeinwohl-Ökonomie von Christian
Felber mehrere Bereiche unter anderem Bildung und Politik umfasst, werden nur die
wirtschaftlichen Änderungen in Betracht gezogen, die einen Bezug auf das
unternehmerische Handeln aufweisen, da diese Bachelorarbeit im Rahmen eines
betriebswirtschaftlichen Studiengangs verfasst wurde.
6 Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 16 ff.
Einleitung
5
1.3. AUFBAU DER UNTERSUCHUNG
Anschließend an die einleitenden Worte werden alle relevanten Begriffe und Konzepte,
die zum Verständnis der Untersuchung wichtig sind, definiert und erläutert. Zuerst wird
der Begriff Innovation und dessen verschiedene Arten erklärt. Daran anknüpfend wird
auf das Konzept der Innovationsfähigkeit eingegangen und versucht es zu
operationalisieren. Des Weiteren wird die Gemeinwohl-Ökonomie ausführlich
beschrieben. Außerdem wird erläutert was die Anreize zum Gemeinwohl-Streben und
zur Entwicklung von Innovationen sind. Darauf aufbauend wird der praktische Teil der
Untersuchung vorgestellt. Dabei wird näher auf die Methodik der Untersuchung
eingegangen, indem die Forschungsmethode und die Auswahl der Stichprobe erklärt
werden. Weiterhin werden die Art und Weise der Durchführung der Interviews
vorgestellt und der Interviewleitfaden näher erläutert. Die daraus hervorgegangenen
Forschungsergebnisse werden in diesem Kapitel ebenfalls dargestellt und diskutiert.
Abschließend wird eine Schlussfolgerung gezogen und darauf aufbauend folgt ein
Ausblick zur Weiterentwicklung der Thematik.
Grundlagen
6
2. GRUNDLAGEN
2.1. INNOVATION
Diese Ausführung zum Thema Innovation dient dazu, die Forschungsergebnisse bei der
Auswertung besser einordnen zu können. Es soll geklärt werden in welcher Art
Innovationen hervorgebracht werden können. So ist es möglich genau zu bestimmen, ob
und wenn ja, in welchen Bereichen im Unternehmen das Konzept der Gemeinwohl-
Ökonomie zu Neuerungen animiert.
2.1.1. DEFINITION
Da Innovationen eines der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen darstellen, ist
der Begriff vielfach definiert und diskutiert wurden. Jürgen Hauschildt und Sören
Salomo schaffen einen Überblick über die Vielzahl an Definitionen und schlussfolgern,
dass man eine Innovation grundsätzlich als „etwas „Neuartiges“ [bezeichnet]: Neuartig
ist mehr als neu, es bedeutet eine Änderung der Art, nicht nur dem Grade nach.“7 Sie
stellen folgende Definition auf: „Innovationen sind qualitativ neuartige Produkte oder
Verfahren, die sich gegenüber einem Vergleichszustand „merklich“ … unterscheiden.“8
Je nach Verständnis des Begriffes Innovation wird vorrangig das Ergebnis betrachtet
oder der gesamte Prozess. Grundsätzlich muss aber immer beachtet werden, dass jeder
Innovation ein komplexer Prozess zugrundeliegt. Eine Innovation entsteht erst, wenn
die Grundidee, also die eigentliche Erfindung (Invention) erfolgreich umgesetzt und
kommerzialisiert wurde.9 Denn Neuerungen sind nur dann erfolgreich umgesetzt, wenn
sie auch wirklich einen Nutzwert für die Gesellschaft darstellen.10
7 Hauschildt, Jürgen; Salomo, Sören: Innovationsmanagement. 4. Aufl. München: Vahlen (Vahlens
Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) 2007. S. 3f. 8 Ebd. S. 4.
9 Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. Die 6 Phasen von der
Idee zur Umsetzung. Offenbach: Gabal Verlag 2009. S. 7. 10
Brandl, Karl H.; Cox, Peter M.; Rundnagel, Regine: Innovationskennzahlen zur
Beschäftigungsförderung. Hg. v. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf 2005. S. 8.
Grundlagen
7
Dieser Innovationsprozess wird von Cornelius Herstatt anhand von fünf Phasen
dargestellt:
Abbildung 1: Phasen des Innovationsprozesses, Quelle: modifizierte Abbildung aus Sommerlatte, Tom;
Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.) Innovationskultur und Ideenmanagement.
Strategien und praktische Ansätze für mehr Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf: Symposion 2006. S. 67.
Besonders in der ersten Phase ist es für das Gelingen des gesamten Prozesses wichtig,
dass eine sogenannte Innovationskultur im Unternehmen, sprich eine
„innovationsfördernde Unternehmenskultur“11
, geschaffen wird. Welche Faktoren
entscheidend für eine optimale Innovationskultur sind, wird in Punkt 2.2.2. beschrieben.
2.1.2. ARTEN VON INNOVATION
Um die Komplexität des Innovationsbegriffes besser zu verstehen, soll im Folgenden
eine Einteilung der verschiedenen Arten von Innovationen vorgenommen werden.
Dabei wird sich auf die Variante von Michael Hartschen, Jiri Scherer und Chris Brügger
konzentriert, welche die verschiedenen Arten nach Gegenstandsbereich und
Neuigkeitsgrad einteilen.12
Diese Arbeit fokussiert sich auf die Arten nach
Gegenstandsbereich und verzichtet deshalb auf eine ausführliche Definition der Arten
nach der zweiten Einteilungsvariante.
11
Sommerlatte, Tom; Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.) Innovationskultur und
Ideenmanagement. Strategien und praktische Ansätze für mehr Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf:
Symposion 2006. S. 62. 12
Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. Die 6 Phasen von der
Idee zur Umsetzung. Offenbach: Gabal Verlag 2009. S. 8 f.
Phase I:
Ideenge-nerierung und -
bewertung
Phase II:
Konzepter-arbeitung,
Produktplan-ung
Phase III:
Entwicklung
Phase IV:
Prototypenbau, Pilotanwend-ung/ Testing
Phase V:
Produktion, Markteinführ-
ung und -durchdringung
Grundlagen
8
Einteilung nach Gegenstandsbereich
Grundlegend wird zwischen Produkt- und Dienstleistungsinnovationen und
Prozessinnovation unterschieden. Weitere Arten von Innovationen im Rahmen dieser
Einteilung sind organisatorische und soziale Innovationen.13
Bei einer Produktinnovation handelt es sich um die „Aufnahme neuartiger Produkte
als Ergebnis eigener oder fremder Forschung und Entwicklung in das
Absatzprogramm.“14
Die Dienstleistungsinnovation ist die „immaterielle Dimension
der Produktebene“15
, da sie durch die Entwicklung und Implementierung neuer Formen
von Beratung, Service und Betreuung der Kunden und Kundinnen16
, ergänzend zum
Produkt wirkt. „Prozessinnovationen hingegen umfassen neue oder merklich
verbesserte Fertigungs- und Verfahrenstechniken, die zu einem effizienteren
Leistungserstellungsprozess führen und in der Regel nur innerbetrieblich eingeführt
werden.“17
Im Gegensatz zu den bereits erläuterten Innovationsarten handelt es sich bei sozialen
und organisatorischen Innovationen nicht um technische Innovationen. Diese legen
jedoch meist den „Grundstein für technologische Innovationen“18
(siehe 2.2.2.
Definition Technologie). Bei sozialen Innovationen werden durch zum Beispiel
„Veränderungen der Ablauforganisation, Verhaltensänderung bei den
Organisationsmitgliedern mittels Organisationsentwicklung, Verhaltensänderungen bei
Lieferanten und Kunden“19
ein sozialer Wandel hervorgerufen, der eine Neuerung für
diese Bereiche im Unternehmen bedeutet. Soziale Innovationen sind zum Beispiel die
13
Vgl. Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Messung,
Determinanten, Wirkungen. 1. Aufl. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag 2006. S. 25. 14
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Produktinnovation, Online
verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/57695/produktinnovation-v8.html, zuletzt
geprüft am 14.08.2013. 15
Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Messung, Bewertung, und Steigerung der
Innovationsfähigkeit durch www.innoscore.de. Hg. v. Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und
Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 23. 16
Vgl. Feldmann, Sebastian et al.: Serviceinnovation. Potenziale industrieller Dienstleistungen erkennen
und erfolgreich implementieren. Berlin [u.a.]: Springer 2012. S. V ff. 17
Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 25 f. 18
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Projekte. Patterns of Organisational
Change in European Industry (PORCH). Online verfügbar unter http://www.isi.fraunhofer.de/isi-
de/i/projekte/porch.php, zuletzt geprüft am 14.08.2013. 19
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Innovation, Online verfügbar
unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54588/innovation-v8.html, zuletzt geprüft am
14.08.2013.
Grundlagen
9
Jobrotation und das Arbeitslosengeld.20
Während sich soziale Innovationen auf
Einzelpersonen und die Beziehungen zwischen diesen fokussiert, konzentriert sich die
Veränderung durch eine organisatorische Innovation auf die „strukturelle
Ausgestaltung der Aufbau- oder Ablauforganisation des Unternehmens“21
, wie zum
Beispiel der Einsatz von einem virtuellen Netzwerk für effizienteren Wissensaustausch
zwischen firmeninternen Personen.22
Durch solche und ähnliche organisatorische
Innovationen wird wesentlich zur Entwicklung der Kompetenzen und des Wissens der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beigetragen.
Einteilung nach Neuigkeitsgrad
Innovationen kann man auch bezüglich ihres Neuigkeitsgrades einteilen. „Der
Neuheitsgrad wird von dem Ausmaß der Novität und damit von dem Umfang der
Veränderungen gegenüber dem bisherigen Zustand („wie viel ist neu?") und der
subjektiven Betrachtungsperspektive („für wen ist es neu?") determiniert.“23
Zum einen
gibt es Innovationen, die nicht vollständig neu sind: Routine- oder
Verbesserungsinnovationen und zum anderen gibt es komplett neuartige Innovationen:
Radikalinnovation.24
Bei beiden Einteilungen der Innovationsarten handelt es sich um eine theoretische
Klassifizierung und somit kann es in der Praxis bei der Bestimmung von Innovationen
oft zu Überschneidungen kommen.
2.2. INNOVATIONSFÄHIGKEIT
Da es in dieser Arbeit darum geht, herauszufinden ob die Übernahme von Ideen und
Werten der Gemeinwohl-Ökonomie in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu
einer Beeinflussung der Innovationsfähigkeit führt, wird in diesem Abschnitt vorerst
diskutiert, was man unter Innovationsfähigkeit versteht und was ein innovationsfähiges
Unternehmen charakterisiert.
20
Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. a.a.O. S. 9. 21
Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 23. 22
Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. a.a.O. S. 9. 23
Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 33. 24
Vgl. Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. a.a.O. S. 9.
Grundlagen
10
2.2.1. DEFINITION
Der Begriff Innovation ist in der einschlägigen Literatur vielseitig diskutiert, aber eine
mehrwertstiftende Definition des darauf aufbauenden Begriffes Innovationsfähigkeit ist
kaum vorhanden.25
Im Gabler Wirtschaftslexikon beispielsweise wird
Innovationsfähigkeit wie folgt versucht zu definieren: „Leistungsfähigkeit einer
Institution, bezogen auf das Hervorbringen von Neuerungen.“26
Die
Wirtschaftsprofessoren Geert Duysters und John Hagedoorn von der Universität in
Maastricht haben folgende Definition aufgestellt: “Innovative capability concerns the
specific expertise and competence related to the development and introduction of new
processes and products.”27
Demnach handelt es sich bei der Innovationsfähigkeit um
zielgerichtetes Wissen und spezifische Kompetenz in Hinblick auf die Entwicklung und
Einführung von neuen Prozessen und Produkten.
Da das Wort Innovationsfähigkeit aus den Worten Innovation und Fähigkeit
zusammengesetzt ist, liegt es nahe den Begriff mithilfe der Definitionen der beiden
Einzelbegriffe zu beschreiben. Doch während der Begriff Innovation bereits von vielen
Autoren genau definiert wurde, erweist sich die Definierung des Begriffes Fähigkeit als
etwas schwieriger. Duysters und Hagedoorn kommen der Definierung der „Fähigkeit“
etwas näher. Sie beschreiben es als Prozess, bei dem mit dem relevanten Wissen und der
adäquaten Kompetenz, die Zielerreichung so optimal wie möglich gestaltet wird.28
Die Innovationsfähigkeit als Konstrukt ist demnach zum einen ein wichtiges
Organisationsziel, welches „die Fähigkeit zur Problemerkenntnis, zur Ideengenerierung,
zur Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie die
Produktionseinführungs- und Markteinführungstätigkeit“29
beinhaltet und zum anderen
die Fähigkeit Innovationen, „die aus Sicht des innovierenden Unternehmens und des
Marktes bedeutsame neue Merkmale aufweisen, zu entwickeln und am Markt
25
Vgl. Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 38. 26
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Innovationsfähigkeit, Online
verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/82551/innovationsfaehigkeit-v6.html, zuletzt
geprüft am 14.08.2013. 27
Hagedoorn, John; Duysters, Geert: External Sources of Innovative Capabilities. The Preference for
Strategic Alliances or Mergers and Acquisitions. In: Journal of Management Studies, 27.09.2007
(03/2002), S. 167–188. S. 168. 28
Ebd. 29
Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 36.
Grundlagen
11
einzuführen“30
Somit könnte man schlussfolgern, dass die Innovationsfähigkeit im
Unternehmen Ausschluss darüber gibt, wie zielführend ein Unternehmen die einzelnen
Schritte im Innovationsprozess bewältigt, um letztendlich eine nützliche und
marktfähige Neuerung vorweisen zu können.
Da es in dieser Forschungsarbeit darum geht herauszufinden, ob sich die Fähigkeit
Neuerungen zu entwickeln und einzuführen von den untersuchten Unternehmen
verbessert, ist es notwendig diese Fähigkeit messbar zu machen, um die Unterschiede
zwischen „nicht fähig sein“, „fähig sein“ und „sehr fähig sein“ deuten zu können. Zu
diesem Zweck wird im folgenden Punkt ein Verfahren vorgestellt, dass mithilfe von
verschiedenen Erfolgsfaktoren zur Bewertung und Verbesserung der
Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen genutzt werden kann.
2.2.2. ERFOLGSFAKTOREN ZUR STEIGERUNG DER INNOVATIONSFÄHIGKEIT
Viele Forschungsgruppen haben sich bereits mit der Operationalisierung des Konstrukts
Innovationsfähigkeit auseinandergesetzt. Dabei sind theoretisch-konzeptionelle und
empirische Untersuchungen entstanden. Meist wurde bei den Untersuchungen eine
Anzahl von Indikatoren aufgestellt, mit dem Ziel Innovationsfähigkeit messbar zu
machen. Diese Indikatoren beschreiben Kompetenzen, Ressourcen, Fähigkeiten,
Wissen, usw., die Unternehmen besitzen müssen um innovationsfähig zu sein.31
Aufgrund der Tatsache, dass in dieser Arbeit konkret beobachtet werden soll, ob sich
die Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch den Einfluss
der Gemeinwohl-Ökonomie verbessert, muss eine Konzeptionalisierung des Konstrukts
als Grundlage verwendet werden, die Aufschluss darüber gibt, welche Faktoren die
Innovationsfähigkeit des unternehmerischen Mittelstandes beeinflussen und das
Potential besitzen diese zu verbessern. Anhand dessen kann beobachtet werden, ob
diese Bereiche beeinflusst werden und wenn ja, in welchem Ausmaß. Es ist nicht Ziel
dieser Arbeit die Innovationsfähigkeit der untersuchten Unternehmen genau zu erfassen
durch Methoden wie Benchmarking (Stärke der Innovationsfähigkeit eines
30
Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 36. 31
Vgl. Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. a.a.O. S. 74-102.
Grundlagen
12
Unternehmens im Vergleich zum Branchenführer)32
oder Scoringmodelle (Bewertung
der einzelnen Einflussfaktoren mithilfe von Werteskalen)33
. Es soll eine Methode
angewendet werden, die es ermöglicht die aktuelle und zukünftige Entwicklung der
Innovationsfähigkeit durch den Einfluss der Gemeinwohl-Ökonomie zu erkennen.
Als Basis sollen die Ergebnisse des Verbundprojekts "Verfahren zur Bewertung und
Steigerung der Innovationsfähigkeit produzierender KMU" (InnoKMU) verwendet
werden. Beteiligt an diesem Projekt waren Wissenschaftler des Fraunhofer Instituts für
Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement, des Fraunhofer-Instituts für
Arbeitswirtschaft und Organisation und der Universität Stuttgart; sowie innovative
Unternehmen, Verbände und Vertreter aus Finanzorganisationen.34
Mithilfe von
Fallstudien mit den sechs Industriepartnern und Telefoninterviews mit 151 sehr
innovativen Unternehmen stellte das Forscherteam eine Anzahl von Erfolgsfaktoren auf,
die Bedingungen beschreiben, die ein Unternehmen erfüllen muss um innovationsfähig
zu sein. Um diese Faktoren messbar zu machen, wurden für jeden Erfolgsfaktor
spezifische Indikatoren formuliert.35
Im folgenden Schema wird verdeutlicht, wie die
einzelnen Indikatoren zustande gekommen sind.
32
Vgl. Brandl, Karl H.; Cox, Peter M.; Rundnagel, Regine: Innovationskennzahlen zur
Beschäftigungsförderung. Hg. v. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf 2005. S. 29. 33
Vgl. ebd. S. 33. 34
Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. Hg. v.
Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und
Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 4. 35
Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 8.
Grundlagen
13
Abbildung 2: Operationalisierung eines kritischen Erfolgsfaktors anhand
eines Beispiels. Quelle: Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Hg. v.
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart
2007. S. 12.
Da „es sich bei manchen Kritischen Erfolgsfaktoren zur Bestimmung der
Innovationsfähigkeit um eher diffuse, empirisch nicht direkt fassbare .. Größen“36
handelt, wurden dafür Indikatoren gefunden, die konkret abfragbar sind. Um nun die
Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu erfassen und die Veränderung sichtbar zu
machen, bedarf es einer Abfrage der Ausprägung der einzelnen Indikatoren. Mehr zum
Ablauf der empirischen Untersuchung wird in Punkt 3.1. erläutert.
Die einzelnen kritischen Erfolgsfaktoren sind neun verschiedenen Gestaltungsfeldern
(Innovationskultur, Strategie, Kompetenz & Wissen, Technologie, Produkt &
Dienstleistung, Prozess, Struktur & Netzwerk, Markt, Projektmanagement) zugeordnet,
welche in Vorstudien der Fraunhofer Institute elaboriert wurden. Diese
Gestaltungsfelder beschreiben Bereiche innerhalb und außerhalb des Unternehmens,
welche während des Innovationsprozesses eine Rolle spielen.37
Im Folgenden werden die einzelnen Gestaltungsfelder näher erläutert und einige
Erfolgsfaktoren mit dazugehörigen Indikatoren vorgestellt. Die komplette
36
Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 11. 37
Vgl. Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. 9 Gestaltungsfelder für Innovation. Hg. v.
Universität Stuttgart Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 7-
8.
Grundlagen
14
Operationalisierungs-Tabelle38
, erarbeitet von den beteiligten Fraunhofer Instituten
befindet sich im Anhang 1.
Die Innovationskultur im Unternehmen ist entscheidend für ein positives
Betriebsklima, da sie die Gesamtheit, der „Werte, Normen und Verhaltensweisen“39
ist,
die im Unternehmen gepflegt werden. „Die Innovationskultur eines Unternehmens prägt
entscheidend die Fähigkeit und Bereitschaft der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, neue
Ideen zu entwickeln und umzusetzen.“40
Beeinflusst wird die Innovationskultur vor
allem durch den vorherrschenden Führungs- und Managementstil, die Kommunikation
im Unternehmen, die Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem
Unternehmen, das Vertrauen zueinander und die Motivation der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen.41
Letzeres spielt in der Innovationskultur eine zentrale Rolle. Denn
Motivation ist der „Zustand einer Person, der sie dazu veranlasst, eine bestimmte
Handlungsalternative auszuwählen, um ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen und der
dafür sorgt, dass diese Person ihr Verhalten hinsichtlich Richtung und Intensität
beibehält.“42
Diesem Gestaltungsfeld wurden unter anderem folgende kritische
Erfolgsfaktoren zugeordnet: „Mut für Neues“, „Wertschätzung der Mitarbeiter“, „Hohes
Vertrauen in die Mitarbeiter“, „Freiräume schaffen“, „Schaffung eines ‚Wir-sind-die-
Firma‘-Gefühls“, „Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen bei der Umsetzung“, „Motivation der Mitarbeiter und des gesamten
Projektteams“ und „Offener Umgang mit wichtigen Informationen“.43
Damit zum
Beispiel der Erfolgsfaktor „Wertschätzung der Mitarbeiter“ messbar gemacht werden
kann, wurde diesem der Indikator „Wir gestalten die Arbeitsbedingungen unserer
Mitarbeiter bei Bedarf sehr individuell“44
untergeordnet.
Die klare strategische Ausrichtung des Unternehmens ist ein weiterer wichtiger Bereich,
der zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit mit betrachtet werden muss. Dabei ist
38
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f. 39
Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 17. 40
Ebd. 41
Vgl. Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. a.a.O. S. 7. 42
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Motivation, Online verfügbar
unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/55007/motivation-v6.html, zuletzt geprüft am
14.08.2013. 43
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f. 44
Ebd.
Grundlagen
15
entscheidend auf welche Art und Weise Ziele festgelegt, erreicht und umgesetzt
werden.45
Wichtige kritische Erfolgsfaktoren für das Gestaltungsfeld Strategie sind:
„Vorhandensein einer langfristigen Innovationsstrategie“, „Gezielter Aufbau von
Kompetenzen“, „Klare Definition der Ziele“, usw.46
Demnach wird ein Unternehmen
umso innovationsfähiger je gewillter die Unternehmensführung für die Umsetzung
neuer Entwicklungen und Verbesserungen ist, je klarer die Ziele definiert sind, je größer
der gemeinschaftliche Wille zur Erreichung der Ziele ist und je angepasster die
Qualifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Umsetzung der Ziele ist.
Kompetenz und Wissen ist ausschlaggebend für die Realisierung von
Innovationsprojekten. Wissen ist „die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die
Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Wissen basiert auf Daten und
Informationen, ist im Gegensatz zu diesen aber immer an eine Person gebunden.“47
Die
Kompetenz ist die Vorgehensweise wie dieses Wissen angewendet wird.48
Ohne das
notwendige Know-how können Innovationen nicht oder nur schleppend entwickelt
werden. Demnach muss sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen ihre Fähigkeiten optimal entfalten können und dass diese an der
richtigen Stelle eingebunden werden. Des Weiteren sollten die notwendigen
Qualifikationen und Kompetenzen vorhanden sein und diese dem permanenten Wandel
angepasst werden. Um sicherzustellen, dass die vorhandenen Kompetenzen und das
vorhandene Wissen bestmöglich genutzt und ausgetauscht werden, lohnt es sich eine
Art internes Wissensmanagement zu betreiben, bei dem eine Plattform zu diesem
Zweck aufgebaut und betreut wird. Des Weiteren ist es essenziell das Feedback der
Kunden und Kundinnen mit einzubeziehen, da dies eine Quelle für relevante
Informationen sein könnte.49
45
Vgl. Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. a.a.O. S. 7. 46
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f. 47
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Wissen, Online verfügbar unter
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75634/wissen-v4.html, zuletzt geprüft am 14.08.2013. 48
Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 17. 49
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f.
Grundlagen
16
Neben dem Bereich Wissen und Kompetenz ist es auch elementar über die notwendige
Technologie zu verfügen und entsprechend zu verwenden.50
Technologie wird nach
Günther Schuh wie folgt definiert: „Technologie beinhaltet Wissen, Kenntnisse und
Fertigungen zur Lösung technischer Probleme sowie Anlagen und Verfahren zur
praktischen Umsetzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse.“51
Für die Entwicklung
erfolgversprechender und nutzvoller Innovationen ist es hilfreich den Technologiemarkt
ständig zu verfolgen und zu entscheiden, welche Technologien am besten zu diesem
Zweck im Unternehmen eingesetzt werden können.52
Bei dieser Entscheidung ist es
auch von Vorteil mit zu bedenken, ob die ausgewählten Technologien zukunftsfähig
sind in Anbetracht des schnellen technologischen Wandels und der Veränderung des
Energiekonzeptes. Ebenfalls ein erfolgversprechender Faktor ist der Aufbau von
Technologienetzwerken mit dem Ziel in Kooperation mit anderen Unternehmen die
Stärken des jeweiligen Unternehmens optimal auszunutzen.53
Die Kooperation mit anderen Unternehmen und Zulieferern ist gleichzeitig ein
Erfolgsfaktor für das Gestaltungsfeld Struktur und Netzwerk. Dieses umfasst
allerdings nicht nur die externe Organisation sondern auch die Organisation im
Unternehmen. So ist etwa die passende Zusammenstellung der Projektteams im
Unternehmen genauso wichtig wie die passende Auswahl der externen Projektpartner.
Dadurch kann gewährleistet werden, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den
notwendigen und geeigneten Qualifikationen und innovative und kompetente Partner
und Partnerinnen eingesetzt werden, um den größtmöglichen Erfolg des Projekts zu
erzielen.54
Für das Gelingen eines Innovationsprojekts benötigt es außerdem ein gutes
Projektmanagement. Ziel des Projektmanagement, also der Leitung eines Projekts, ist
es, dass „die einzelnen Teilaufgaben und der Personen- bzw. Ressourceneinsatz
50
Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 51
Schuh, Günther: Technologiemanagement. Handbuch Produktion und Management. 2. Aufl. Berlin:
Springer 2011. S. 33. 52
Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 53
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f. 54
Vgl. ebd. S. 7 f., 51 f.
Grundlagen
17
organisiert, geplant, gesteuert und kontrolliert werden.“55
Erfolgversprechend für diesen
Bereich wirken unter anderem die „Einigkeit über Projektziele“, „klare Zielstellung[en]/
-vorgaben“, „Routinen zur Risikobeherrschung“, „Entscheidungsfreude/ -mut“, und
„Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen der Mitarbeiter“.56
Des Weiteren stellt sich bei „der Steuerung der Innovationsfähigkeit einer Organisation
… die Frage, inwiefern die implementierten Prozesse geeignet sind, Innovationen
hervorzubringen.“57
Nach Jörg Becker und Dieter Kahn ist ein Prozess „die inhaltlich
abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung
eines betriebswirtschaftlichen relevanten Objektes notwendig sind.“58
Demnach steht im
Innovationsprozess das Objekt der Innovation im Vordergrund. Damit die Prozesse im
Unternehmen optimal für das Innovationsprojekt ablaufen bedarf es eines guten
Innovations- und Projektmanagement und Methoden zur Risikobeherrschung.59
Da das Innovationsobjekt die wichtigste Rolle im Innovationsprozess spielt, existiert
das Gestaltungsfeld Produkt und Dienstleistung. Dabei unterscheidet man zwischen
vier verschiedenen Produktarten. Zum einen wird die Dienstleistung an sich als Produkt
gezählt, ist aber meist immateriell. Des Weiteren unterscheidet man zwischen Software,
Hardware und verfahrenstechnischen Produkten.60
Für die Verbesserung der
Innovationsfähigkeit ist in diesem Bereich wichtig, dass das Produkt „die
Kundenwünsche erfüllt bzw. Problemlösungen für den Kunden oder die Kundin
gegeben sind. Zudem muss das Produkt bzw. die Dienstleistung eine Mindestdauer am
Markt aufweisen, um die benötigten Amortisationszeiten aufzuweisen.“61
Zuallerletzt muss der Markt mit in den Innovationsprozess einbezogen werden, wenn
es darum geht die Innovationsfähigkeit im Unternehmen zu erhöhen. Wie bereits
erwähnt, ist es besonders wichtig die Kunden und Kundinnen in den
Entwicklungsprozess mit einzubeziehen um einen Nutzen der Innovation zu
55
Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael: Prozessmanagement. Ein Leitfaden zur
prozessorientierten Organisationsgestaltung. 7. Aufl. Berlin: Springer Gabler 2012. S. 17. 56
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f. 57
Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 58
Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael: Prozessmanagement. a.a.O. S. 6. 59
Vgl. Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. a.a.O. S. 51
f. 60
Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 18. 61
Ebd.
Grundlagen
18
gewährleisten. Die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen müssen, über die direkte
Einbeziehung hinaus, permanent beobachtet und ausgewertet werden, um potentielle
Lücken zu entdecken. Außerdem muss das Unternehmen Wissen über andere
Marktteilnehmer besitzen, um schnell reagieren zu können, falls neue Ideen von
anderen Unternehmen verfolgt werden. Dieses Wissen kann aber auch dazu dienen,
mögliche Entwicklungspartner und -partnerinnen zu entdecken und zu gewinnen.62
Es wird ersichtlich, dass es viele Faktoren zu bedenken gibt, wenn es darum geht die
Innovationsfähigkeit im Unternehmen zu erhöhen. Klar ist allerdings auch, dass nicht
alle Erfolgsfaktoren verbessert werden müssen, um eine Steigerung der
Innovationsfähigkeit zu erreichen. Je nach Unternehmensart, Innovationsprojekt,
Organisationsform, usw., können sich Verbesserungen einzelner Faktoren
unterschiedlich stark auf die Innovationsfähigkeit auswirken.
2.3. GEMEINWOHL-ÖKONOMIE
2.3.1. IDEE UND VISION
Der Grundgedanke der Gemeinwohl-Ökonomie spiegelt sich gut in einem Ausspruch
von dem Schriftsteller Stéphane Hessel aus seinem Essay „Empört euch!“ wieder: „Das
Gemeinwohl sollte über dem Interesse des Einzelnen stehen, die gerechte Verteilung
des in der Arbeitswelt geschaffenen Wohlstandes über der Macht des Geldes.“63
Die Gemeinwohl-Ökonomie ist der Versuch eine neue und alternative
Wirtschaftsordnung zu konzeptionieren, anzustoßen und umzusetzen. Die Basis dieser
neuen Wirtschaftsform bildet ein verändertes oder besser gesagt wiedererwecktes
Wertesystem. Um einen ganzheitlichen Wandel erreichen zu können, ist angedacht, dass
dieses Umdenken sowohl auf gesellschaftlicher, als auch wirtschaftlicher und
politischer Ebene stattfindet. Um den Wertewandel in der Wirtschaft anzustoßen,
wurden ein neues Unternehmensziel und ein neuer Anreizrahmen formuliert. Die
62
Vgl. Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. a.a.O. S. 19. 63
Hessel, Stéphane: Empört euch! 2. Aufl. Berlin: Ullstein 2011. S. 8.
Grundlagen
19
Gemeinwohl-Ökonomie sieht vor, die Steigerung des Gemeinwohls, des Wohles aller,
als neues Ziel des Wirtschaftens zu etablieren.64
Die Gemeinwohl-Ökonomie versteht sich nicht als einzig wahres Konzept für ein neues
Wirtschaftssystem, sondern „als [ein] ergebnisoffener, partizipativer, lokal wachsender
Prozess mit globaler Ausstrahlung.“65
Es ist ein Alternativmodell, bei dem versucht
wurde wichtige Themen auszuarbeiten und weiterzudenken, aber Raum offen gelassen
wurde, um verbessert und vervollständigt zu werden.66
2.3.2. UMSETZUNG DER GEMEINWOHL-ÖKONOMIE
Die Gemeinwohl-Ökonomie ist ein alternatives Wirtschaftsmodell, dessen Grundidee
von dem österreichischen Mitbegründer von Attac und Dozent der
Wirtschaftsuniversität Wien Christian Felber in Zusammenarbeit mit einigen Attac-
Unternehmern und -unternehmerinnen, beschrieben und ausgearbeitet wurde.67
Der
Grundstein für die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie wurde am 6. Oktober 2010,
mit der Gründung des ersten Energiefeldes, in Wien gelegt. Energiefelder „sind
regionale Unterstützungsgruppen, die den Prozess lokal vorantreiben und befördern.“68
Diesen Tag beschreibt Christian Felber ausschlaggebend für den Sprung „von einer Idee
zu einer Bewegung.“69
Das Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ erschien ungefähr zur
gleichen Zeit und wurde innerhalb von einem Jahr rund 10.000 Mal verkauft.
„In derselben Woche im August 2010, in der die Erstversion erschien, publizierte die
Bertelsmann-Stiftung eine Umfrage“70
, bei der deutsche und österreichische Bürger
vom Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid zu verschiedenen Aspekten der aktuellen
Wirtschaftsordnung befragt wurden. 2012 wurde diese Umfrage ein weiteres Mal
durchgeführt und bei beiden Durchläufen kam zu Tage, dass sich in Deutschland sowie
in Österreich 8 von 10 Befragten „die Einführung einer neuen Wirtschaftsordnung,
welche den Schutz der Umwelt, einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen sowie einen
64
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Eine demokratische Alternative wächst. Wien:
Deuticke 2012. S. 21 ff. 65
Gemeinwohl-Ökonomie. Vision und Mission. Online verfügbar unter http://www.gemeinwohl-
oekonomie.org/de/content/vision-und-mission, zuletzt geprüft am 13.06.2013. 66
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 12. 67
Vgl. ebd.. 68
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 165. 69
Ebd. S. 9. 70
Ebd.
Grundlagen
20
sozialen Ausgleich in der Gesellschaft fördert“71
, unterstützen würden. Diese und
weitere Umstände bewirkten den Durchbruch und die erfolgreiche Umsetzung des
Konzeptes der Gemeinwohl-Ökonomie.
Um die Bewegung am Leben zu halten und weitervoranzutreiben, wurde eine Art
Struktur entwickelt. Ein wichtiger Schritt für diese Entwicklung war die Bildung von
verschiedenen Arbeitsgruppen:
Unterstützer und Unterstützerinnen
Pioniere und Pionierinnen
Berater und Beraterinnen
Auditoren und Auditorinnen
Redakteure und Redakteurinnen
Referenten und Referentinnen
Botschafter und Botschafterinnen
Energiefelder
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen72
Momentan unterstützen 1260 Unternehmen, 57 Politiker und Politikerinnen, 3644
Personen und 156 Vereine die Gemeinwohl-Ökonomie.73
Die Pionier-Unternehmen
erarbeiten freiwillig eine Gemeinwohl-Bilanz, welche im folgenden Abschnitt näher
erklärt wird. Es sind bereits über 300 Unternehmen, die eine Gemeinwohl-Bilanz
erstellen.74
Die Erstellung und Weiterentwicklung der Gemeinwohl-Bilanz ist der
zentrale Punkt der Bewegung, denn auf der Bilanz bauen weitere Prozesse auf. Berater
und Beraterinnen und Auditoren und Auditorinnen begleiten den Prozess der
Bilanzerstellung. Die Berater und Beraterinnen unterstützen die Unternehmen nach
Wunsch beim gesamten Prozess der Erstellung der Bilanz und daraus resultierenden
strategischen, organisatorischen und prozessorientierten Fragen. Um die fertige
71
Guzy, Arthur: Kein Wachstum um jeden Preis. Kurzbericht. Hg. v. TNS Emid. Bertelsmann Stiftung
2012. 72
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 159 ff. 73
Gemeinwohl-Ökonomie. Online verfügbar unter http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/de, zuletzt
geprüft am 13.06.2013. 74
Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Der Weg zur Gemeinwohl-Bilanz. Informationen zu Bilanz, Beratung,
Audit & Mitgliedschaft für Interessierte und Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie.
(Infobroschüre) S. 2.
Grundlagen
21
Gemeinwohl-Bilanz auf ihre Richtigkeit zu prüfen, werden die Auditoren und
Auditorinnen eingesetzt. Bei externen Audits wird überprüft, ob die Angaben in der
Bilanz mit der tatsächlichen Situation im Unternehmen übereinstimmen und notfalls
werden Abweichungen korrigiert. Um den theoretischen Rahmen der Gemeinwohl-
Bilanz fortlaufend zu optimieren wurde ein Redaktionsteam aufgestellt. Die Redakteure
und Redakteurinnen versuchen nach bestem Gewissen die einzelnen Punkte der Bilanz
zu definieren. Dabei wird versucht die Verbesserungsvorschläge und Anmerkungen der
Pionier-Unternehmen und anderen Unterstützern und Unterstützerinnen zu integrieren.75
Die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie wird durch geschulte Referenten und
Referentinnen und prominente Botschafter und Botschafterinnen weltweit vorgestellt
und verbreitet. Weiterhin wird die Bewegung durch lokale Energiefelder unterstützt, die
sich aus Personen, Organisationen und Unternehmen, den bereits erläuterten Akteuren
und Akteurinnen und anderen Unterstützern und Unterstützerinnen zusammensetzen.
Ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verschiedener
Fachbereiche soll dafür sorgen, dass das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie durch
wissenschaftliche Forschung gestützt und empirisch belegt ist.76
Weitere wichtige Mechanismen des Gesamtprozesses sind zum einen die Unterstützung
von Gemeinden, die unter anderem lokale Unternehmen über die Gemeinwohl-
Ökonomie informieren und Pionier-Unternehmen fördern. Zum anderen können die
Konsumenten und Konsumentinnen wesentlich zum Prozess beitragen indem sie
Unternehmen auf das Thema hinweisen und womöglich animieren an der Bewegung
teilzunehmen. Zu guter Letzt gilt die Umstrukturierung der Banken als wichtiger Schritt
des Gesamtprozesses.77
2.3.3. MESSUNG DES UNTERNEHMERISCHEN ERFOLGS
Heute ist derjenige unternehmerisch am erfolgreichsten, der den meisten Gewinn
vorweisen kann. Erfolg im wirtschaftlichen Sinne ist demnach an einen monetären Wert
geknüpft. Dieser Wert macht allerdings keinen realen Nutzen für die Wirtschaftakteure
und -akteurinnen erkenntlich. Da dieser Indikator keinen Nutzwert darstellt, ist es
75
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 160 ff. 76
Vgl. ebd. S. 165 ff. 77
Vgl. ebd. S. 166 ff.
Grundlagen
22
fälschlich zu behaupten, dass diese Messungsmethode uns Auskunft gibt, ob alle
Bedürfnisse befriedigt wurden oder das Wohl aller gestärkt wurde.78
Die Gemeinwohl-Ökonomie schlägt vor den monetären Wert als Mittel zum Zweck zu
betrachten, aber nicht als Ziel. Das Ziel des Wirtschaftens sollte die Maximierung des
Gemeinwohls sein und nicht die Gewinnmaximierung. Selbstverständlich kommt damit
die Frage auf, wie man das Gemeinwohl misst, da es sich um ein sehr schwer zu
operationalisierendes Konstrukt handelt. Man könnte es als Befriedigung aller
wichtigen Bedürfnisse der Gesellschaft definieren. Wenn diese Bedürfnisse optimal
befriedigt werden, hat man das Wohl aller erreicht. Doch sobald Teile der Gesellschaft
unter unwürdigen Bedingungen leben, ist nur das Wohl eines Teils der Bevölkerung zu
Gunsten anderer befriedigt.
Viele Firmen haben bereits zusätzliche Methoden zur Messung ihres unternehmerischen
Erfolgs eingeführt wie zum Beispiel Qualitätsmanagementsysteme,
Nachhaltigkeitsberichte oder CSR-Maßnahmen. Diese Methoden kommen der Idee den
unternehmerischen Erfolg auf der Basis der Gemeinwohlmaximierung zu messen etwas
näher. Doch all diese Systeme sind freiwillig und werden nicht durch eine weitere
Instanz überprüft. So kann es schnell dazu benutzt werden das Image aufzubessern, aber
wirklich wirksame Maßnahmen werden nicht hervorgebracht.79
So stellt sich zum
Beispiel die Frage, ob es bei einem weltweit produzierenden Konzern wie Coca Cola an
dem Ausmaß ihrer Eingriffe in Umwelt und Mensch viel verändert, wenn sie einen
jährlichen Nachhaltigkeitsbericht erstellen oder ob es nicht nur dazu dient weiterhin
Kunden und Kundinnen zu binden und zu gewinnen, um den Gewinn weiterhin zu
steigern.
Um die gezielte Beeinflussung solcher Mechanismen zu verhindern, hat die
Gemeinwohl-Ökonomie die Gemeinwohl-Bilanz entwickelt. Sie soll die jetzige zentrale
Stelle der Finanzbilanz übernehmen und ebenso verbindlich werden. Sie wird durch
externe Audits geprüft. Die Finanzbilanz „wird zur Neben- und Mittelbilanz“80
und
wird weiterhin dazu benutzt werden alle finanziellen Gegebenheiten genau zu
78
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 35 f. 79
Vgl. ebd. S. 38 f. 80
Ebd. S. 39.
Grundlagen
23
beobachten, um keine Verluste zu verzeichnen. 81
Die Gemeinwohl-Bilanz ist das
Instrument, welches „misst, wie die zentralen Verfassungswerte, die das Gemeinwohl
komponieren, von den Unternehmern gelebt werden.“82
Die zentralen Verfassungswerte
sind „Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und
Demokratie“83
. Dies sind Werte, die sich so „in den meisten Verfassungen wie auch im
Grundgesetz“ befinden.84
Bei der Gemeinwohl-Bilanz „handelt [es] sich um eine Tabellenkalkulation, die mit
Hilfe eines Rechenprogramms die Erstellung erleichtert und Gewichtungen automatisch
vornimmt.“85
Um die Gemeinwohl-Bilanz transparent und universal zu gestalten, ist sie
mit einem Punktesystem versehen, bei dem maximal tausend Gemeinwohl-Punkte
erreicht werden können. Um die erzielten Punktzahlen und Zusammenhänge zwischen
den einzelnen Werten und Berührungsgruppen sichtbar zu machen, wurde eine
Gemeinwohl-Matrix entwickelt. Die Matrix ist so aufgebaut, dass die fünf essentiellen
menschlichen Werte auf der x-Achse der Grafik aufgelistet sind. Auf der y-Achse
befinden sich die Berührungsgruppen, an die eine Zeile für Negativkriterien anknüpft.
Die Schnittstellen werden mithilfe von achtzehn verschiedenen Indikatoren
ausgedrückt. Zu den achtzehn Indikatoren gehören unter anderem Arbeitsplatzqualität,
innerbetriebliche Transparenz und Mitbestimmung, Solidarität mit Mitunternehmen und
gesellschaftliche Wirkung/ Bedeutung der Produkte und Dienstleistungen.86
Eine
genaue Darstellung der aktuellsten Ausarbeitung der Gemeinwohl-Matrix87
befindet
sich in Anhang 2.
2.3.4. WERTEWANDEL IN DER WIRTSCHAFT
Die in der Gemeinwohl-Bilanz verankerten Werte zeigen bereits an in welche Richtung
die neu ausgerichtete Wertvorstellung gehen soll, denn um die aktuelle Art und Weise
des Wirtschaftens umzudenken, bedarf es eines grundsätzlichen Wertewandels. Im
81
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 39. 82
Ebd. 83
Ebd. 84
Ebd. 85
Bachinger, Eva M.: Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz 2012. S. 3. 86
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 40 ff. 87
Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Gemeinwohl-Matrix 4.1. 2013. Online verfügbar unter
http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/sites/default/files/GWOe-Matrix-4.1..pdf, zuletzt geprüft am
19.08.2013.
Grundlagen
24
Moment ist die Wirtschaft von Egoismus und Konkurrenz geprägt. Die Theorie der
Gemeinwohl-Ökonomie schlägt vor, dass die Wirtschaft durch menschlichere Werte
angetrieben wird. Werte, die unserem alltäglichen Miteinander entspringen und unseren
positiven Charaktereigenschaften ähneln.88
„Die Gemeinwohl-Ökonomie fördert und
belohnt dieselben Verhaltensqualitäten und Werte, die unsere menschlichen und
ökologischen Beziehungen gelingen lassen: Vertrauensbildung, Wertschätzung,
Kooperation, Solidarität und Teilen.“89
Die erste große Veränderung im Wertesystem wäre die Beendigung des eigennützigen
Verhaltens der Wirtschaftsakteure hin zu gemeinnützigem Verhalten.90
Also das
Verhalten, dass dazu beiträgt, das größtmögliche „kollektive Glück der betroffenen
Personen zu realisieren“ 91
, wie es bereits von dem Philosophen John Stuart Mill in
seinem Nützlichkeitsprinzip erläutert wurde. Dieses Prinzip sieht Mills als den
„„Maßstab für Recht und Unrecht“ im moralischen Sinne“ 92
, welcher uns seit klein auf
beigebracht wird. Dieser Maßstab, der uns im alltäglichen Leben begleitet,
unterscheidet sich jedoch wesentlich von dem Handeln in der Wirtschaft. Die
Gemeinwohl-Ökonomie schlägt somit vor den Eigennutz durch ein „wohlverstandene[s]
Eigeninteresse“ 93
mit Bedacht auf das „gemeinsame Wohl“94
zu ersetzen.
Die Unternehmen werden aus lauter Eigennutz maßlos, denn solange es das Ziel ist
Gewinn zu maximieren, wird kaum ein Wirtschaftsakteur versuchen einen mäßigen
Gewinn zu erzielen. Diese Maßlosigkeit wird durch die vorherrschende Konkurrenz auf
dem Markt angetrieben.95
Christian Felber begründet dieses Phänomen damit, dass es
„in der Natur eines Wettbewerbs [liegt], dass sich alle in Richtung des Ziels des
Wettbewerbs entwickeln. In der kapitalistischen Marktwirtschaft ist das Ziel der
Konkurrenz der größte Gewinn.“96
Dabei ist die soziale Verantwortung der
Unternehmen nebensächlich und es bleibt jedem Unternehmen größtenteils selbst
88
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 18. 89
Ebd. 90
Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus und
Kapitalismus. Wien: Deuticke 2008. S. 55 ff. 91
v. Wulff, D. Rehfus (Hg.): Handwörterbuch Philosophie. Stichwort: John Stuart Mill. 1. Aufl.
Göttingen, Oakville: Vandenhoeck & Ruprecht 2003. 92
Ebd. 93
Ebd. 94
Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 59. 95
Vgl. ebd. S. 61 ff. 96
Ebd. S. 62.
Grundlagen
25
überlassen wie sozial und ökologisch korrekt es agiert.97
Das Wohl und die Bedürfnisse
aller wird durch diese Art zu Handeln nie, auch nur annähert erreicht werden, da jeder
einzelne Wirtschaftsakteur nur sein eigenes Wohl verfolgt. Die Europäische
Kommission beschreibt die soziale Verantwortung von Unternehmen „als ein Konzept,
das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und
Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den
Stakeholdern zu integrieren.“98
Wie man anhand der Definition erkennen kann, sind
Maßnahmen zur Minimierung der negativen Auswirkungen auf Gesellschaft und
Umwelt freiwillig und Unternehmen müssen weiterhin nur einige gesetzlich
vorgeschriebene Mindestrichtlinien einhalten. Um dies zu verändern schlägt die
Gemeinwohl-Ökonomie vor, dass Unternehmen miteinander kooperieren und
gemeinnützig handeln. Nur dieses Handeln wird belohnt und derjenige, der am
gemeinnützigsten agiert, kann sich als führendes Unternehmen der Branche betiteln.
Die Konkurrenz in der Wirtschaft wurde zum Teil stark durch die Sozialdarwinisten
geprägt indem sie Begriffe wie Krieg und Überlebenskampf aus den Theorien Darwins
nahmen und sie in einem verfälschten Bild auf die Gesellschaft bezogen. Doch spielen
gerade die Kooperation, Solidarität und der Gemeinschaftssinn in der Tierwelt eine viel
wichtigere Rolle und sind Grundprinzipien zum Überleben in der Wildnis.99
Damit die
Wirtschaft nicht mehr vorherrschend nach den Prinzipien Wettbewerb und Konkurrenz
organisiert wird, werden in der Gemeinwohl-Ökonomie kooperatives und solidarisches
Verhalten systematisch gestärkt. Wie genau diese Anreizsysteme verändert werden,
wird im folgenden Punkt dargestellt. Des Weiteren wird durch das stark konkurrierende
Verhalten eine Vertrauensbasis meist gestört oder komplett abgeschafft. Dabei ist das
Vertrauen eines der wichtigsten „soziale[n] und kulturelle[n] [Güter]“100
der
Gesellschaft. Da sich die Unternehmen untereinander nicht mehr vertrauen können und
nur noch damit rechnen müssen, dass ein Konkurrent davonzieht, wird der
Wettbewerbsgedanke noch mehr geschürt. Eine Vertrauensbasis könnte durch ein
friedliches und solidarisches Miteinander wieder hergestellt werden.
97
Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 62 ff. 98
Europäische Kommission (Hg.): Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der
Unternehmen (CSR). 2011. S. 4. 99
Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 120 ff. 100
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 26.
Grundlagen
26
Außerdem ist die Würde des einzelnen Menschen nicht mehr komplett gewährleistet
und somit auch nicht seine Freiheit. Diese Werte sind in den ersten zwei Artikeln des
Grundgesetzes zu finden, spielen aber derzeit nicht die Hauptrolle in unserer
Gesellschaft.101
Da laut Felber in der Wirtschaft Eigenschaften wie Egoismus,
materielle Erfolgsorientierung und Konkurrenzverhalten selbstverständlich sind, bleibt
es meist nicht aus, dass Personen, die in hierarchisch höheren und machtvolleren
Positionen sitzen andere Personen zu ihren Gunsten einsetzen und ausnutzen.102
Solange
dieses Verhältnis in der Arbeitswelt existiert, ist die Menschenwürde aller nicht
bewahrt.103
Um dies zu ändern, ist die Gemeinwohl-Ökonomie bestrebt
ungerechtfertigte und verhältnismäßig ungleiche Macht- und Eigentumsverhältnisse
nicht entstehen zu lassen. Dies soll unter anderem durch konkrete Maßnahmen zur
Begrenzung der Einkommensungleichheiten geschehen, wie zum Beispiel, dass die
„Spitzeneinkommen .. maximal das Zwanzigfache der Mindestlöhne betragen“104
dürfen. Des Weiteren ist angedacht Leistungen nach Einsatz und ihrem tatsächlichen
Wert zu bezahlen, also das Kriterium für unterschiedliche Entlohnung soll sein, dass
derjenige, der „über persönlichen Einsatz, indem [er] besonders hart oder länger arbeitet
als andere, eine schwierigere Ausbildung in Kauf oder mehr Verantwortung
übernimmt“105
höher entlohnt wird. Diese und andere Maßnahmen, die die
Gemeinwohl-Ökonomie vorschlägt, werden höchstwahrscheinlich viele Gegner und
Kritiker zu widerlegen versuchen, aber Christian Felber hat in seiner ausformulierten
Version der Theorie der Gemeinwohl-Ökonomie für das Gelingen aller Maßnahmen,
sinnvolle und logische Erklärungen, vorgelegt. Eines der häufigsten Einwände ist, dass
Menschen nur dann „Gutes tun, wenn sie sich damit selbst materiell nützen“106
, doch
dies würde sich in einem neuen Anreizrahmen schon alleine dadurch verändern, da
nicht mehr der meist verdienende hoch angesehen ist, sondern derjenige der
„gesellschaftlich wertvolle Leistungen erbringt und keine Zerstörung anrichtet.“107
101
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. S. 23 ff. 102
Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 39. 103
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 24 f. 104
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 285. 105
Ebd. S. 291. 106
Ebd. S. 287. 107
Ebd.
Grundlagen
27
Durch die wieder hergestellte Gleichheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft wird
jeder und jede einzelne im gleichen Maße anerkannt und wertgeschätzt. Das soziale,
ökologische und ökonomische Gleichgewicht könnte so oder so ähnlich
wiederhergestellt werden.
2.3.5. ANREIZE FÜR GEMEINWOHL-STREBEN
Mit diesem veränderten Wertekonzept in der Wirtschaft ändert sich dementsprechend
auch der Anreizrahmen zum Wirtschaften. Um den Unternehmen weiterhin einen
Anreiz zur Zielerreichung zu geben, schlägt Felber vor, verschiedene Instrumente zu
integrieren. Da jedes Unternehmen eine andere Leistung zur Maximierung des
Gemeinwohls abliefert, sollen bessere Leistungen belohnt werden, damit diese auch
weiterhin angestrebt werden.
Anfänglich soll es so aussehen, dass die Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-
Ökonomie einen dritten Wirtschaftssektor bilden, „neben dem privat-orientierten und
dem öffentlichen.“108
Diese Unternehmen werden als erstes von den Vorteilen
profitieren. Laut Felber könnten folgende Maßnahmen nach Gemeinwohl strebende
Unternehmen schützen und fördern:
“Steuererleichterungen,
Vorrang bei öffentlichen Aufträgen,
günstige Kredite durch öffentliche Banken,
Abschreibungsmöglichkeiten für Kooperationskosten,
Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungseinrichtungen,
Vorrang bei der Ansiedlungspolitik von Kommunen und Städten,
Wettbewerbe für humanes Management und soziale Innovationen,
Koordinationszentren für die Kooperation“109
Durch dieses Anreizsystem werden nur noch die Unternehmen finanziell und rechtlich
unterstützt, die daran bedacht sind gemeinnützig zu handeln. Unternehmen, die sich
diesem neuen Wirtschaftssektor nicht anschließen, müssen damit rechnen, dass sie unter
108
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 318. 109
Ebd. S. 318 f.
Grundlagen
28
sozialen Druck geraten werden. Außerdem werden wahrscheinlich Kunden und
Kundinnen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Zulieferer und Zulieferinnen, usw. zu
gemeinwohlorientierten Unternehmen wechseln, da dort angenehmere Bedingungen
herrschen.
Denn ganz im Sinne: „Wer mehr für die Gemeinschaft tut, soll dafür von der
Gesellschaft belohnt werden“110
, würden die Unternehmen, die weiterhin
gewinnorientierend handeln keine finanziellen Erleichterungen genießen. Somit erhöhen
sich die Preise der Produkte oder Dienstleistungen dieser Firmen und weniger Kunden
und Kundinnen wären bereit sich für dieses Produkt oder diese Dienstleistung zu
entscheiden. Schlussendlich wäre das „ethische, fair erzeugte und gehandelte,
nachhaltige und regionale Produkt“111
billiger.
Um diese positive Auswirkung zu fördern und die Leistung eines Unternehmens für
jeden Kunden und jede Kundin sichtbar zu machen, schlägt die Gemeinwohl-Ökonomie
ein Farbsystem für Produkte und Dienstleistungen vor. So könnten die Konsumenten
die genaue „Gemeinwohl-Performance“112
einsehen und anhand dieser Information den
Hersteller oder die Herstellerin auswählen.
Durch diese Maßnahmen und Anreize werden gemeinnützige Unternehmen mit
steigenden Verkaufszahlen belohnt und in ihrem Handeln bestärkt. Gleichzeitig werden
Unternehmen mit schwächerer Leistung angespornt ihre Arbeitsweise zu überdenken
und zu verbessern. Demnach sind diejenigen Unternehmen in der Gemeinwohl-
Ökonomie erfolgreich, die Werte wie Mitbestimmung, soziale Sicherheit, Gerechtigkeit
usw. verkörpern. Diese Unternehmen bekommen Unterstützung vom Staat und werden
von den Konsumenten und Konsumentinnen für ihr verantwortungsvolles Handeln
honoriert.
110
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 47. 111
Ebd. 112
Ebd. S. 46.
Grundlagen
29
2.3.6. ANREIZE FÜR INNOVATIONEN IN DER GEMEINWOHL-ÖKONOMIE
Im Rahmen der folgenden Ausführungen soll aufgedeckt werden, inwieweit der
theoretische Anreizrahmen für die Entwicklung von Innovationen in der Gemeinwohl-
Ökonomie beeinflusst wird.
Bereits in der EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen
wird angenommen, dass im „Sinne einer optimierten Schaffung gemeinsamer Werte ..
die Unternehmen ermutigt [werden], ein langfristiges CSR-Konzept einzuführen und
Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Produkte, Dienstleistungen und
Geschäftsmodelle auszuloten, die zum Wohlergehen der Gesellschaft und zur Schaffung
hochwertigerer und produktiverer Arbeitsplätze beitragen.“113
Wenn nun bereits die
Einführung verschiedener Maßnahmen im Rahmen der sozialen Verantwortung, welche
größtenteils noch freiwillig sind, als Anreiz für Innovationen dienen, lässt sich
vermuten, dass ein allgemeiner Wertewandel in der Wirtschaft, wie es die Gemeinwohl-
Ökonomie vorsieht, Anreiz für sinnvolle und gemeinnützige Innovationen sein wird.
Da der Grundgedanke der Wirtschaft verändert wird, bekommen Neuerungen aller Art
einen anderen Nutzen und Wichtigkeit zugeschrieben. Innovation, Qualität, Effizienz
und weitere Faktoren spielen schon immer eine große Rolle für den Erfolg eines
Unternehmens, aber der wirtschaftliche Erfolg wird letztendlich immer am
Finanzgewinn gemessen. Wenn die Wirtschaft nun so umgestaltet wird, dass der
finanzielle Gewinn nicht mehr das ausschlaggebende Kriterium für den
unternehmerischen Erfolg ist, wäre es möglich, dass die Unternehmen sich nur noch auf
die Entwicklung sinnvoller und nutzenbringender Innovationen konzentrieren. Da der
Zwang zum Wachstum und zur Gewinnmaximierung entfällt, wäre es überflüssig
Neuerungen auf den Markt zu bringen, die alleinig zu diesem Zweck entwickelt
wurden.114
Bislang werden Neuartigkeiten als Mittel zur Erlangung von
Wettbewerbsvorteile gesehen. Laut Felber ist „Innovation .. ebenso wenig ein
Selbstzweck wie einseitige Kosteneffizienz; sie sollte einem menschen-, nicht einem
marktgerechten Rhythmus folgen und – zweitens – würdigen Zielen dienen: der
113
Europäische Kommission (Hg.): Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung der
Unternehmen (CSR). 2011. S. 8. 114
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 60.
Grundlagen
30
Lebensqualität, dem Gemeinwohl, dem menschlichen Maß.“115
So würde es nicht mehr
vorkommen, dass Produkte auf den Markt gebracht werden, die „noch nicht ausgereift
oder fehlerhaft sind“116
, nur um einem Konkurrenten auszuspielen. Innovationskraft und
soziale Verantwortung bekommen einen neuen Stellenwert.
Wenn der Wachstumszwang wegfällt, können viel mehr Energie und Mittel in sinnvolle
Innovationen zum Nutzen aller gesteckt werden.117
Um dies zu fördern sieht die
Gemeinwohl-Ökonomie vor, dass es die Möglichkeit gibt, Spareinlagen als
„ökosoziales Risikokapital“118
zur Finanzierung von „Innovationen mit sozialem und
ökologischem Mehrwert“119
zu erstellen. Des Weiteren schlägt die Gemeinwohl-
Ökonomie vor Techologieagenturen zu gründen, die die Entwicklung von
gesellschaftlich wertvollen Produkten unterstützen. „Sie würden die privaten Erfinder
und Erfinderinnen für die Entwicklungsarbeit entschädigen und die Produktion an
öffentliche Betriebe zuweisen.“120
So könnten Produkte, die auf dem kapitalistischen
Markt teilweise unrentabel sind, wie erneuerbare Energien oder Medizin zur Behebung
verbreiteter Krankheiten wie Malaria, ohne Unterbrechungen und Einschränkungen
erforscht und entwickelt werden. Unternehmen, die diese Produkte letztendlich
vertreiben, wären viel erfolgreicher und angesehener als Unternehmen, die Produkte
verkaufen, die allein wegen Wettbewerbsgründen entwickelt wurden.121
Durch den Wertewandel in der Wirtschaft werden in vielen Firmen auch soziale und
organisatorische Innovationen umgesetzt, da die Gemeinwohl-Ökonomie vorsieht mehr
Demokratie, Mitsprache und Kooperation im Unternehmen voranzutreiben.
Diese Umorientierung verstärkt die soziale Sicherheit, da es zum einen aufgrund der
veränderten Zielsetzung kaum noch nötig sein wird viele Arbeitsplätze auf einmal
abzubauen, um Personalkosten zu senken, um wiederum den Gewinn zu maximieren.
Dadurch ist eine höhere Sicherheit des Arbeitsplatzes gewährleistet.122 Zum anderen
115
Vgl. Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.o.O. S. 110. 116
Ebd. S. 91. 117
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 61. 118
Ebd. S. 76. 119
Ebd. 120
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.o.O. S. 294. 121
Vgl. ebd. 122
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 106.
Grundlagen
31
erhöht sich die Arbeitsplatzqualität und –sicherheit durch die Einführung der
Möglichkeit, vier Freijahre in Anspruch zu nehmen. Felber schlägt vor, dass sich „alle
Menschen pro Dekade ihres Berufslebens ein Jahr Auszeit nehmen und anderweitig
verwirklichen dürfen.“123
Nach einer Befragung der „Fortune’s 100 Best Companies to
Work for in America”, besteht in etwa der Hälfte der Firmen in den Vereinigten Staaten
von Amerika die Möglichkeit ein Freijahr oder Sabbatjahr zu beantragen. Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen, die nach der Vollendung ihres Sabbatjahres befragt wurden,
berichten, dass sie nach dem Jahr Auszeit stärkere Verbundenheit zum Unternehmen
fühlen und in der Arbeit und Unterstützung des Unternehmens mehr Sinn sehen, als
zuvor. Carr und Tang haben herausgefunden, dass rund 75 Prozent aller
Büroangestellten aus großen US-amerikanischen Betrieben das Gefühl haben, die Arbeit
nimmt zu viel von ihrem privaten Leben ein. So entstehen für Firmen schnell ungeahnte
Kosten durch eine hohe Krankheitsrate, geringe Motivation und Produktivität und hoher
Fluktuationsrate.124
Durch diese, von Felber vorgeschlagene Maßnahme, könnte eine
Win-Win-Situation erreicht werden. Angestellte bekommen die Möglichkeit eine
Auszeit zu nehmen, neue Kraft zu tanken, neue Ideen zu sammeln und kommen
motiviert und ausgeruht zurück ins Arbeitsleben. Für den Arbeitgeber oder die
Arbeitgeberin ist es von Vorteil, da zum einen viele durch Krankheit, Stress oder
ähnliches, verursachten Kosten fast komplett wegfallen und zum anderen mehr
Motivation und Kreativität unter den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen herrscht. Es
bedarf natürlich einigen Einschränkungen zum Thema Freijahr, damit es auch den
gewünschten Erfolg trägt, wie zum Beispiel, dass ein Freijahr auf zehn Arbeitsjahre im
gleichen Unternehmen kommt. Durch diese Art Verhältnis zwischen Arbeitgeber/-in
und Arbeitnehmer/-in wird eine Basis für Wertschätzung und Vertrauen aufgebaut.
Laut Christian Julmi und Ewald Scherm schafft Vertrauen Kreativität und somit die
wohl wichtigste Quelle für neuartige Produkte und Dienstleistungen. „Ein
Unternehmen, das Innovationen schaffen und verbreiten will, ist in hohem Maße auf
den Ideenreichtum seiner Mitarbeiter angewiesen.“125
Da Kreativität aber schwer steuer-
123
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 66. 124
Carr, Andrew E.; Li-Ping Tang, Thomas: Sabbaticals and Employee Motivation: Benefits, Concerns,
and Implications 2005. S. 2. 125
Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. Wie ein kreativer Spielraum entsteht.
In: Zeitschrift Führung + Organisation 82, 26.02.2013 (02/2013), S. 103–109. S. 103.
Grundlagen
32
und vorhersehbar ist, muss ein adäquater Spielraum geschaffen werden, damit kreative
Gedanken und Ideen entstehen und sich gegebenenfalls multiplizieren lassen können. In
diesem Spielraum für Kreativität ist es wichtig, dass „sich Menschen offen und
vertrauensvoll begegnen können, ohne Angst vor negativen Sanktionen haben zu
müssen.“126
Wenn „Kreativität nicht blockiert wird, findet [laut Christian Felber]
menschliche Entwicklung statt“127
. Inwiefern ist nun aber die Gemeinwohl-Ökonomie
vergleichsweise besser dazu imstande diesen Raum zu schaffen, als die aktuelle
Wirtschaftsform?
Laut dem Autor des Konzeptes ist im Kapitalismus nicht unbedingt die frei fließende
Kreativität der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gefragt, sondern eine Art
instrumentalisierte Kreativität, da sie in eine konkrete Richtung geleitet wird, in
Richtung Gewinnmaximierung.128
Dadurch bekommt der kreative Spielraum, klare
Einschränkungen. Somit wird es dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin erschwert,
Erfahrungen zu sammeln und aus Fehlern zu lernen, da dies durch das ausgeprägte
Effizienzdenken und aus Kostensenkungsgründen nur minimal zugelassen wird. Die
Gemeinwohl-Ökonomie sieht vor diesen engen Spielraum zu erweitern und
auszudehnen um die angeborene Kreativität eines jeden Mitarbeiters und einer jeden
Mitarbeiterin nutzen zu können. Da die menschliche Kreativität die wichtigste
Eigenschaft ist, um Innovationen zu kreieren und zu entwickeln, wäre es doch nur von
Vorteil diese zu stärken und Raum zur freien Gestaltung zu schaffen. Es entsteht
demnach ein Raum für die freie Entfaltung der Kreativität aller mit dem Ziel sinnvolle
und gemeinwohlnützige Neuerungen hervorzubringen. Klingt dieses Bild nicht viel
mehr nach der Natur des Menschen, nach optimalen Arbeitsbedingungen und nach
Produktivität und Innovationsfähigkeit?
Solch ein Arbeitsverhältnis würde den Schwerpunkt auf die Stärkung der intrinsischen
Motivation legen und extrinsische Motivationsfaktoren wie Bezahlung und
Arbeitsplatzeinrichtung werden zur Nebensache.129
Wenn man das Zweifaktorenmodell
von Herzberg als valide Methode zur Unterscheidung von intrinsischen und
126
Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. a.a.O. S. 104. 127
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 260. 128
Vgl. ebd. S. 260 f. 129
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 110 f.
Grundlagen
33
extrinsischen Motivationsfaktoren heranzieht, wird deutlich, dass die extrinsischen
Faktoren (Hygienefaktoren) bei positiver Gestaltung zur Nicht-Unzufriedenheit führen,
aber erst zielführende intrinsische Faktoren (Motivatoren) können das Gefühl von
Zufriedenheit auslösen.130
Somit lässt sich vermuten, dass die Gemeinwohl-Ökonomie
einen optimalen Rahmen für die Entwicklung der Innovationsfähigkeit im Unternehmen
schafft. Zum einen werden die wichtigsten Hygienefaktoren erfüllt, da annähernd
gleiche Einkommensverhältnisse geschaffen werden sollen und es soll ein
Mindesteinkommen geben, welches ein Leben in Würde ermöglicht.131
Für die
Gestaltung weiterer Hygienefaktoren, zu Gunsten eines angenehmeren Arbeitsumfeldes,
können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dank mehr Mitbestimmungsrechte,
Verbesserungsvorschläge einreichen und durchsetzen. Zum anderen werden intrinsische
Faktoren in der Theorie der Gemeinwohl-Ökonomie in vielerlei Hinsicht erfüllt, da wie
vorangegangen beschrieben, mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen genommen wird, um ein optimales Arbeitsklima entstehen zu lassen.
Die Betriebswirtschaftler Julmi und Scherm sind überzeugt, dass durch „Vertrauen auf
der einen und Verantwortung auf der anderen Seite .. ein Spielraum für Kreativität
eröffnet“132
wird. Mehr Verantwortung entsteht, da mehr Freiräume für Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, mehr Eigenkontrolle und Selbstbestimmung mit sich bringen. Jeder
einzelne und jede einzelne ist zum großen Teil verantwortlich für seine oder ihre Fehler
und selbst dafür zuständig, aus diesen zu lernen. Das dadurch erlangte Selbstvertrauen
bewirkt, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen überzeugter von ihrer eigenen
Kompetenz und Wichtigkeit für das Unternehmen werden und somit gewillter sind gute
Leistungen für Unternehmen und Gesellschaft abzuliefern. Mehr Selbstkontrolle der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bedarf allerdings einer Art und Weise der
Selbstbeobachtung und -bewertung, um die Erreichung der gemeinschaftlichen Ziele
sicher zu stellen. Um dies zu ermöglichen, „sollten Vorgaben stärker als vom
Mitarbeiter selbst gesetzte Standards wahrgenommen werden [und diese] möglichst von
identitätsstiftenden Ingroup-Mitgliedern (z.B. befreundete Kollegen) kommuniziert
130
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Zweifaktorentheorie, Online
verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/77704/zweifaktorentheorie-v6.html, zuletzt
geprüft am 14.08.2013. 131
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 105. 132
Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. a.a.O., S. 105.
Grundlagen
34
werden.“133
Wenn man die Ausrichtung der Gemeinwohl-Ökonomie mit dem Fokus auf
die zwischenmenschlichen Werte und dem Ziel, das Wohl aller zu stärken bedenkt,
scheint es offensichtlich, dass der Großteil der Angestellten von gemeinnützigen
Unternehmen sich mit den vereinbarten Zielen identifizieren kann, weil sie in seinem
oder ihrem Sinne mit entworfen wurden.
Eigenverantwortung und Identifikation mit dem Unternehmen eines jeden Mitarbeiters
und einer jeden Mitarbeiterin, werden zusätzlich durch verschiedene Maßnahmen in der
Gemeinwohl-Ökonomie gestärkt. Zum einen soll eingeführt werden, dass Menschen,
nach dem Maß der Betroffenheit mitbestimmen dürfen. So ist Christian Felber der
Meinung, dass je „größer ein Unternehmen und je mehr Menschen betroffen sind, desto
mehr Menschen müssen mitbestimmen dürfen.“134
So müssen mit steigender
Beschäftigtenzahl, die Vertreter und Vertreterinnen der Beschäftigten und der
Gesellschaft auch anteilmäßig mehr werden. „Auf diese Weise werden die Rechte eines
Unternehmens und seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft in der Balance
gehalten.“135
Weiterhin schlägt Felber vor, dass private Unternehmen eine gewisse
Größe nicht überschreiten dürfen, um nicht zu viel politische Macht zu erlangen, damit
die Demokratie gewahrt wird.136
Weiterhin ist durch einen „wachsenden Anteil genossenschaftlicher und partizipativ
geführter Unternehmen die Möglichkeit für kreative Menschen, ihre Ideen innerhalb
bestehender Unternehmen umzusetzen sehr viel größer .. als heute, wo die
Kapitalbesitzer an eine unsichtbare Erbfolge gebunden sind und Hierarchie das
vorherrschende Organisationsprinzip ist.“137
Dabei soll auch versucht werden durch
gesetzliche Vorteile die Unternehmen anzuregen, partizipative Modelle umzusetzen und
weiter zu verfolgen und somit das „gemeinschaftliche[s] Privateigentum an
Produktionsmitteln“138
zu begünstigen. Weitere Mechanismen für eine demokratischere
Gestaltung von privaten Unternehmen sind zum einen, dass die Mitarbeiter und
133
Becker, Wolfgang; Holzmann, Robert: Selbstkontrolle von Mitarbeitern fördern. Wie aus Vorgaben
selbst gesetzte Ziele werden. In: Zeitschrift Führung + Organisation, 26.02.2013 (02/2013), S. 96–102.
S. 100. 134
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 310. 135
Ebd. S. 311. 136
Vgl. ebd. 137
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.a.O. S. 315. 138
Ebd. S. 303.
Grundlagen
35
Mitarbeiterinnen bei mehr Mitsprache, auch mehr Verantwortung und Risiko tragen
müssen. Kein Angestellter und keine Angestellte soll dazu verpflichtet werden, aber es
wird immer einen Teil geben, der gerne Miteigentümer oder Miteigentümerin sein
möchte, um unter anderem mit verantwortlich für die Verwendung der finanziellen
Mittel zu sein.139
Zum anderen sollen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die am
Gewinn mitbeteiligt sind, in erfolgreichen Jahren anteilig Gewinn ausgeschüttet
bekommen. Dabei müssen jedoch die Höhengrenzen für Löhne in der Gemeinwohl-
Ökonomie beachtet werden.140
Wie bereits im Punkt 2.2.2. erwähnt, steigert die Kooperation und Netzwerkbildung die
Innovationsfähigkeit, wohingegen Wettbewerb keine Verbesserung hervorruft. Diese
Art der Motivation ist eher intrinsisch, da sie von einer gemeinsamen Vision und
erfolgreicher Zusammenarbeit geleitet wird. Daraus resultierend entsteht ein kreativer
Arbeitsraum durch die Absenz von äußerlichem Druck und Stress und die Präsenz von
Inspiration und Freiheit. Da auch die Kooperation mit anderen Unternehmen, mit
Produzenten und Produzentinnen, mit Lieferanten und Lieferantinnen, Konsumenten
und Konsumentinnen, usw. in der Gemeinwohl-Ökonomie belohnt wird, ist davon
auszugehen, dass mehr Unternehmen versuchen werden mit anderen zu kooperieren, da
es von Gesellschaft und Staat die anerkanntere Handlungsweise sein wird. Somit würde
theoretisch auch diese Änderung am Wirtschaftssystem eine Steigerung der Motivation
und Kreativität und daran anschließend der Innovationsfähigkeit bedeuten.141
Durch das Stärken der Kooperation und der Solidarität unter Unternehmen wird viel
Wert darauf gelegt, dass Unternehmen sich untereinander mit Erfahrungen, Wissen,
Technologie, usw. austauschen. Die Kooperation mit anderen Unternehmen spiegelt
sich in der Gemeinwohl-Bilanz positiv wieder und wird somit von Unternehmen
angestrebt um ein besseres Bilanzergebnis zu erreichen. Wenn es nun normal und
wichtig wird Wissen und Technologie mit anderen Unternehmen zu teilen oder Projekte
zusammen zu planen und mit gemeinsamen Kompetenzen auszuführen, wäre die
logische Konsequenz daraus, dass Innovationen schneller und besser vorangetrieben
139
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 89. 140
Vgl. ebd. S. 53, 89 ff. 141
Jungheim, Gregor: Kooperation motiviert Menschen stärker als Wettbewerb. In: Die Stiftung Special,
25.12.2012 (Sonderausgabe Sozial Entrepreneurship/2012), S. 44–46. S. 45.
Grundlagen
36
werden können. Denn oftmals haben Unternehmen gute Ideen, aber für die Umsetzung
fehlt es an Arbeitskraft, Wissen, finanziellen oder technischen Mitteln.
Um sicherzustellen, dass das bereits vorhandene Wissen bestmöglich genutzt werden
kann um Neuerungen aller Art zu finden und zu entwickeln, braucht es laut Felber die
Abschaffung von Patenten, denn sie „begründen ein zwanzigjähriges Monopol,
wodurch die kommerzielle Nutzung des Wissens für alle anderen verschlossen bleibt
und die Anschlussforschung blockiert wird. Je großzügiger geistiges Eigentum
geschützt wird, desto stärker wirken Patente als ››Innovationsbremse‹‹.“142
Wenn
geistiges Eigentum nicht mehr geschützt werden darf, lässt sich schlussfolgern, dass es
vielen Unternehmen und Erfinder und Erfinderinnen möglich wäre bestehende Ansätze
weiterzuentwickeln und zum Wohle aller zu verbessern. Weiterhin können diese Ideen,
laut Felber, zusätzlich belohnt werden, zum Beispiel durch öffentliche Prämien für
gelungene Forschungsprojekte.143
Außerdem bleibt der Anreiz zur Entwicklung von Innovation auch deshalb bestehen, da
es immer noch die Möglichkeit gibt Konkurs zu gehen und es somit notwendig ist, sich
als Unternehmen zu bewähren. Dies gelingt auch in der Gemeinwohl-Ökonomie, am
besten durch die Entwicklung von Neuheiten. Denn durch die Entwicklung sinnvoller
Produkte und Dienstleistungen können gemeinwohlorientierte Unternehmen mehr
Kunden und Kundinnen gewinnen und rechtliche Vorteile erlangen.144
Sieger im
Streben nach Gemeinwohl sind demnach die Unternehmen mit den raffiniertesten
sozialen, ökologischen und humanen Innovationen.
Schlussfolgernd werden viele Faktoren, die die Innovationsfähigkeit verbessern, wie
Identifikation, Verantwortung, Vertrauen, Autonomie, Wertschätzung, Mitbestimmung,
Kooperation, usw., durch die genannten Maßnahmen positiv begünstigt.
142
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. a.o.O. S. 86. 143
Vgl. ebd. 144
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 64.
Empirische Untersuchung
37
3. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG
3.1. METHODIK
3.1.1. ZIELSETZUNG
Um ein alternatives Wirtschaftssystem, wie die Gemeinwohl-Ökonomie großflächig
umsetzen zu können, bedarf es der Klärung einiger Aspekte, die noch nicht empirisch
oder wissenschaftlich untersucht worden sind. Wie bereits erwähnt, ist ein Kritikpunkt
der Verfechter der aktuellen Wirtschaftsform, dass womöglich kein anderes
Wirtschaftsystem imstande sein wird, menschlichen und technischen Fortschritt so
schnell voranzutreiben, wie die freie Marktwirtschaft. Dieser Fortschritt wird momentan
durch einen permanenten Innovationsdrang gefördert, der wiederum seinen Ursprung im
wirtschaftlichen Wettbewerb und der Konkurrenz hat.
Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits theoretisch erläutert, dass das Konzept der
Gemeinwohl-Ökonomie Anreize zur Entwicklung von Innovationen gibt. Zusätzlich zu
diesem theoretischen Konzept, soll nun empirisch untersucht werden, ob sich der
Einfluss der Gemeinwohl-Ökonomie positiv auf die Innovationsfähigkeit im
Unternehmen auswirkt. Es sollen Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie, zu
den einzelnen Erfolgsfaktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit befragt
werden. Dabei soll herausgefunden werden, ob sich diese seit der Einführung und
Beschäftigung mit der Gemeinwohl-Ökonomie, verbessert haben.
3.1.2. ERHEBUNGSMETHODE
Da es bei der Befragung der Pionier-Unternehmen, darum geht Aussagen über
Erfahrungen, Ansichten, Tendenzen und Veränderungen zu sammeln, um in Hinblick
auf das Potential zur Verbesserung der Innovationfähigkeit, eine Aussage treffen zu
können, wird sich einer Methode der qualitativen Forschung bedient. Denn qualitative
Ansätze „zielen .. auf die Entdeckung (Generierung) von Theorieaussagen anhand
empirischer Daten.“145
Eine quantitative Erhebungsmethode kommt bei dieser
145
Brüsemeister, Thomas: Qualitative Forschung. Ein Überblick. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für
Sozialwissenschaften (Lehrbuch) 2008. S. 19.
Empirische Untersuchung
38
empirischen Untersuchung nicht in Frage, da sich quantitative Methoden eher damit
beschäftigen, einen existierenden theoretischen Sachverhalt mithilfe von Variablen
anhand einer großen Menge an Daten zu überprüfen.146
Des Weiteren sind für diese Untersuchung keine spezifischen Theorien vorhanden, die
bereits Aufschluss über die Untersuchungsfrage geben könnten, wie es meistens bei der
quantitativen Forschung der Fall ist.147
Deshalb werden für diese Zwecke qualitative
Forschungsmethoden benutzt, da diese das Ziel haben, Theorien anhand von Fragen zu
generieren und zu diesem Zweck „Wissensbestände und Deutungsmuster bestimmter
Akteurgruppen … zu rekonstruieren.“148
Qualitative Methoden lassen es zu offen und
sensibel während der Untersuchung vorzugehen, um gezielt so viel wie möglich an
Wissen und Informationen erfragen zu können. Dies kommt der Befragung zu gute, da
die Befragten aufgrund der teilweise kurzlebigen und schnell ablaufenden Prozesse im
Unternehmen, einige Punkte selbst noch nicht überdacht haben und womöglich während
der Befragung erstmalig Zeit zum Reflektieren haben.149
Als qualitative Erhebungsmethode wurde das explorative Interview gewählt. Das
explorative Interview verfolgt das Ziel innerhalb der, den Forscher oder die Forscherin
„interessierenden Thematik, möglichst weite, ,unbekannte‘, auch latente Wissensgebiete
der Befragten zu erschließen [und] eignet sich aufgrund seiner Komplexität eher als
Instrument zur Erfassung subjektiv-typischer als zur Erzeugung objektiv-repräsentativer
Daten und mithin eher zum Theorie-Aufbau als zur Hypothesen-Prüfung.“150
Diese
Variante ist meist in drei verschiedene Phasen unterteilt. Diese werden im Punkt 3.1.4.,
in der Gestaltung des Interviewleitfadens aufgezeigt und beschrieben.
Die Art des Interviews lässt sich jedoch, aufgrund der Fülle von Verfahrensformen,
nicht ganz abgrenzen. Das durchgeführte Interview besitzt zum Teil auch Merkmale
eines problemzentrierten Interviews, da es „keinen festen Ablauf [hat und] die
Interviewenden können schon sehr früh strukturierend und nachfragend in das Gespräch
eingreifen, Themen einführen, Kommentare und Bewertungen erbitten oder … bereits
146
Brüsemeister, Thomas: Qualitative Forschung. a.a.O. S. 19. 147
Vgl. ebd. S. 23. 148
Ebd. 149
Vgl. ebd. S. 24. 150
Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. Erkundungen in Lebenswelten. Wissen, Kommunikation und
Gesellschaft. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage 2011. S. 41.
Empirische Untersuchung
39
im Interview selbst beginnen, die eigenen Interpretationen kommunikativ zu
validieren“.151
Es ist auch ein halbstrukturiertes Interview, da es sich um einen Mix aus
offenen, theoriegeleiteten und konfrontierenden Fragen handelt.152
Die meisten
Charakteristiken der Untersuchung finden sich allerdings im explorativen Interview
wieder.
3.1.3. FESTLEGUNG DER STICHPROBE
Allgemein benötigt man in der qualitativen Forschung eher geringe Datensätze, da die
empirischen Daten qualitativ hochwertiger sind. Da die Bewegung der Gemeinwohl-
Ökonomie noch im Anfangsstadium ist und die Anzahl der Pionier-Unternehmen, im
Vergleich zu allen existierenden Unternehmen, noch klein ist, kommt diese Methode
sehr gelegen. Um jedoch möglichst viele empirische Daten sammeln zu können, war es
wichtig gezielt Unternehmen auszuwählen, die sich bereits intensiv mit dem Thema
beschäftigt haben und somit viele Informationen beisteuern können. Demnach handelt
es sich um eine „absichtsvolle Stichprobenziehung“.153
Doch welche Unternehmen
erfüllen dieses Kriterium? Zum einen war klar, dass für die Befragung nur Pionier-
Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie in Frage kommen. Pionier-Unternehmen,
sind diejenigen die „die Gemeinwohl-Bilanz freiwillig erstellen, bevor sie gesetzlich
verbindlich ist“154
. Im Jahr 2012 gab es insgesamt 300 Pionier-Unternehmen in sechs
Ländern.155
Es wurden nur Pionier-Unternehmen aus Deutschland und Österreich
ausgewählt, da es für einen optimalen und zielführenden Interviewablauf von Vorteil
ist, deutschsprachige Unternehmen zu befragen. Weiterhin wurde berücksichtigt, dass
die Unternehmen mindestens zwei von drei Sämchen besitzen. Diese eigens entwickelte
Skala der Gemeinwohl-Ökonomie gibt Auskunft über das Stadium in dem sich das
Unternehmen befindet. (1 Sämchen: „Unterstützer-Unternehmen der Gemeinwohl-
Ökonomie“, 2 Sämchen: „Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie mit
151
Mey, Günter; Mruck, Katja: Qualitative Interviews. In: Eva Balzer und Gabriele Naderer (Hg.):
Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2. Aufl.
Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011. S. 262. 152
Vgl. Mey, Günter; Mruck, Katja: Qualitative Interviews. a.a.O. S. 263 ff. 153
Schreier, Margrit: Qualitative Stichprobenkonzepte. In: Eva Balzer und Gabriele Naderer (Hg.):
Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2. Aufl.
Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien 2011. S. 246 154
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 160. 155
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O., S. 190.
Empirische Untersuchung
40
Gemeinwohl-Bilanz“, 3 Sämchen: „Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie
mit auditierter Gemeinwohl-Bilanz.“)156
In den beiden letzten Stufen wird eine
Gemeinwohl-Bilanz erstellt, der Unterschied ist nur, dass in Stufe zwei die Bilanz in
einer Peer-Gruppe mit anderen Unternehmen zusammen erstellt wird und nicht
veröffentlicht werden muss, während in Stufe drei, die Bilanz veröffentlicht und extern
von einem Auditor geprüft wird. Weiterhin wurde bei der Auswahl der Unternehmen
darauf geachtet, dass sie möglichst heterogen sind. So wird umgangen, dass es sich bei
den Ergebnissen um ein Phänomen einer Branche handelt. Durch die Heterogenität ist
die Wahrscheinlichkeit höher, dass allgemeingültige Aussagen aufgestellt werden
können.
Des Weiteren musste bei der Stichprobenziehung mit bedacht werden, dass nur kleine
und mittelgroße Unternehmen in Frage kommen, da diese untersucht werden sollen.
Laut KMU-Definition der Europäischen Kommission sind es Unternehmen, „die
weniger als 250 Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von
höchstens 50 Mio. EUR erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 43
Mio. EUR beläuft.“157
Letztendlich wurden zwölf Unternehmen befragt. Davon vier aus Österreich und acht
aus Deutschland. Die folgende Tabelle stellt die Unternehmen kurz vor:
Unternehmen Kurzbeschreibung Anzahl
Mitarbeiter/-
innen
Umsatz
(2012)
in €
Anzahl
Sämchen
1 Bodan GmbH Großhandel für Naturkostwaren 170 ca. 50 Mio. 3
2 em-faktor - Die
Social Profit
Agentur GmbH
Fundraising, CSR, Campaigning,
Branding
10 830.000 3
3 Ettl-Software
GmbH (AT)
Software-Entwicklung,
Unternehmensberatung
8 o. A. 3
4 Göttin des Glücks
GmbH (AT)
Textil- und Bekleidungsindustrie,
Fairer Handel
9 660.000 3
5 Gugler GmbH Kommunikation, Campaigning, 96 6,8 3
156
Gemeinwohl-Ökonomie. Gemeinwohl-Bilanz. Erste Schritte. Online verfügbar unter
http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/de/content/erste-schritte, zuletzt geprüft am 14.08.2013. 157
Europäische Kommission (Hg.): Die neue KMU-Definition. a.a.O. S. 5.
Empirische Untersuchung
41
(AT) Branding, Publishing, Druck Mio.(2010)
6 Heckel GmbH &
Co. KG
Forstwirtschaftliche Anlagen und
Maschinen
9 o. A. 2
7 Kirchner
Konstruktion
GmbH
Energiemanagement,
Konstruktion, Programmierung,
Komponentenentwicklung im
Bereich Automotive
123 ca. 14 Mio. 3
8 Märkisches
Landbrot
Lieferbäckerei 47 6,2 Mio.
(2011)
3
9 Ökofrost GmbH Großhandel für Bio-
Tiefkühlwaren
17 9,1 Mio. 3
10 Ökoring Handels
GmbH
Großhandel für Naturkostwaren 140 o. A. 3
11 Sonnendruck
GmbH
Druck, Gestaltung, Reproduktion,
Buchbinderei, Direkt Marketing
12 1,4 Mio. 3
12 Sonnentor
Kräuterhandels
GmbH (AT)
Lebensmittelverarbeitung 184 24,7 Mio. 3
Abbildung 3: Befragte Pionier-Unternehmen, Eigene Darstellung
Für die Untersuchung ist ausschlaggebend, dass Personen befragt werden, die bei der
Erarbeitung der Bilanz mit eingebunden waren und in einer führenden Position,
möglichst viel vom Geschehen im Unternehmen überblicken. Deshalb wurden diese
Personen direkt angeschrieben oder es wurde direkt nach ihnen gefragt. Letztendlich
wurden von allen Unternehmen meist der oder die Geschäftsführer/ -in oder der oder die
Verantwortliche für den Bereich Nachhaltigkeit im Unternehmen befragt. Somit waren
die Informationen zur Person bereits bekannt und mussten meistens während des
Interviews nicht hinterfragt werden. Die befragten Personen werden im Abschnitt 3.2.
vorgestellt.
3.1.4. GESTALTUNG DES INTERVIEWLEITFADENS
Der Interviewleitfaden dient als grobe Richtlinie für das Interview. Der komplette
Interviewleitfaden befindet sich im Anhang 3.
Der Leitfaden ist in drei Phasen unterteilt. Die erste Phase ist laut der
Sozialwissenschaftlerin Anne Honer das quasi-normale Gespräch, bei dem „zunächst
Empirische Untersuchung
42
der gemeinsame thematische Gesprächsrahmen grob umrissen“158
wird. Zuallererst wird
noch einmal auf das Thema eingegangen und die Zielsetzung der Arbeit kurz erläutert.
Da die Informationen zur Person größtenteils bereits schon im Vorfeld gesammelt
wurden, um die geeignete Ansprechperson im Unternehmen zu finden, wird am Anfang
meist nur danach gefragt, wie er oder sie in den Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie
integriert ist. Darauf folgen einleitende Fragen zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie, um
zu erfahren seit wann das Unternehmen die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt und ob
das Konzept an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kommuniziert wurde und wenn ja,
in welcher Form. Für die Transparenz im Unternehmen ist es entscheidend, dass das
Konzept kommuniziert wurde. Die Beteiligung und Integration der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen ist ein wichtiger Aspekt für die Verbesserung der Innovationskultur. In
dieser Phase und am Anfang der nächsten Phase soll durch „Fragen, …, Anmerkungen,
deutliche Zustimmung … [oder] sogar gelegentlich einmal verhaltenen Widerspruch …
sachliches Engagement bekundet“159
werden, so dass der oder die Befragte zum
lockeren Gespräch ohne Struktur angeregt wird.
Die zweite Phase des Interviews berührt in diesem Fall auf den Grundlagen des
Experteninterviews, da es besondere und exklusive Wissensbestände in Erfahrung
bringen möchte.160
In diesem Teil geht es darum zu hinterfragen, ob und wie sich
vereinzelte Erfolgsfaktoren, welche in Punkt 2.2.2. vorgestellt wurden, mit der
Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie verändert haben. Im Folgenden werden die
Leitfragen des Hauptteils den Gestaltungsfeldern aus Punkt 2.2.2. zugeordnet, um sie
besser erläutern zu können. Die theoretische Reihenfolge der Fragen ist im Leitfaden
anders, um einen logischeren Ablauf des Gesprächs zu gewährleisten, der allerdings im
Gespräch selbst, aufgrund der offenen Gestaltung, wiederum verschieden sein kann.
Der Großteil der Fragen wurde anhand der Erfolgsfaktoren der Gestaltungfelder
Innovationskultur, Strategie und Projektmanagement entwickelt, da diesen Bereichen
die Mehrheit der kritischen Erfolgsfaktoren untergeordnet wurde.
Die erste Frage beschäftigt sich damit, ob die Werte („Menschenwürde; Solidarität;
Ökologische Nachhaltigkeit; Soziale Gerechtigkeit; Demokratie, Mitbestimmung und
158
Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. a.a.O. S. 47. 159
Ebd. S. 48. 160
Vgl. ebd. S. 51 f.
Empirische Untersuchung
43
Transparenz“161
) der Gemeinwohl-Bilanz in irgendeiner Art und Weise in die
Unternehmensstrategie verankert werden. Darauf aufbauend sieht der Leitfaden vor,
dass von dem oder der Befragten reflektiert wird, inwiefern die Mitarbeiter sich, mit
dem Unternehmen als Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie und den damit
verbundenen Werten, stärker identifizieren können als ohne dieses Engagement. Diese
zwei Fragen zielen darauf ab zu erfahren, ob sich Erfolgsfaktoren wie „Wir-Gefühl“
und „Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen“ verbessern.
Die Fragen 4 A und B erkunden, ob Projekte und Maßnahmen speziell zur
Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz entwickelt werden. Wenn ja, ob es dafür
Beispiele gibt und ob speziell zu diesem Zweck mehr Freiräume für
Vorentwicklungsprozesse geschaffen werden und wenn ja, welche Art von Freiräumen.
Dieser Teil ist zum einen interessant, weil man erfährt, ob die Gemeinwohl-Ökonomie
direkt zur Entwicklung von Neuerungen animiert. Zum anderen ist es für eine
zielführende Innovationskultur und ein geeignetes Projektmanagement essentiell für
eigenverantwortliches Arbeiten der Mitarbeiter/-innen und Freiräume zu sorgen.
Um zu erfahren, ob die Mitarbeiter, mehr Mitsprache, Wertschätzung und Vertrauen
erleben, dient die Frage 5 A: Versuchen Sie innovative Ideen der Mitarbeiter durch
finanzielle oder nicht-finanzielle Anreize aktiv zu fördern? Die anschließende Frage 5
B, stellt wieder einen direkten Bezug zur Gemeinwohl-Ökonomie her, indem gefragt
wird, ob die Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz ein Anreiz für die Einbringung
neuer Ideen der Mitarbeiter ist. Dadurch soll ersichtlich werden, ob dieser direkte
Anreiz existiert und die Mitarbeiter zu neuen Ideen motiviert werden.
Die letzte Frage, die sowohl den drei genannten Gestaltungsfeldern als auch dem
Gestaltungsfeld Prozess untergeordnet werden kann, ist die Frage 6. Diese soll
untersuchen, ob seit der ersten Bilanzierung nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standard
mehr darauf geachtet wird, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in die
Entscheidungsprozesse einbringen können. Dieser Punkt sagt viel über den
Führungsstil, die Mitbestimmung, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter, das
Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern und die Entscheidungsfreude im Unternehmen
aus.
161
Vgl. Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. a.a.O. S. 42 f.
Empirische Untersuchung
44
Stellvertretend für das Gestaltungsfeld Kompetenz und Wissen sind die Fragen 3 A und
B. Mithilfe dieser zwei Fragen wird konkret hinterfragt, ob sichergestellt wird, dass die
Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dem Wandel durch die
Gemeinwohl-Ökonomie angepasst werden und wenn ja, wie. Außerdem wird geklärt,
ob versucht wird, die speziellen Kompetenzen des Einzelnen bzw. der Einzelnen,
optimal für die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen. Diese Fragen sollen
Aufschluss darüber geben, ob die erfolgversprechenden Faktoren für diesen Bereich
durch die Gemeinwohl-Ökonomie in irgendeiner Art und Weise verbessert werden.
Die siebte Frage versucht zu herauszufinden, ob die Kunden und Kundinnen in den
Entwicklungsprozess von Neuerungen mit einbezogen werden, um den größtmöglichen
Nutzen & Sinn des Produktes/ Dienstleistung zu gewährleisten. Dieser Aspekt ist
besonders für die Gestaltungsfelder Markt und Produkt/ Dienstleistung von Bedeutung.
Die achte Frage ist ebenfalls ausschlaggebend für das zuletzt genannte Feld, da der oder
die überlegen soll, wie sich das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit
eines Produktes/ Dienstleistung im Unternehmen, mit der Einführung der Gemeinwohl-
Bilanz, verändert hat. Diese Überlegung soll Auskunft darüber geben, ob die
Gemeinwohl-Ökonomie zur Optimierung der Produkte/ Dienstleistungen anregt.
Ebenfalls ein Bereich, der zur Optimierung Raum nach oben offen lässt, ist die
Technologie. Deshalb wird laut Leitfaden auch darüber gesprochen, wie sehr man seit
der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie bei der Anschaffung neuer Technologien
darauf bedacht ist, dass sie energie- und ressourcenschonend sind und wie dies
überprüft wird.
Um den Hauptteil des Interviews abzuschließen, wurde gefragt, ob das Unternehmen
anstrebt vorhandene Technologien und Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen.
Diese Art von Kooperation wird als erfolgversprechender Faktor im Gestaltungsfeld
Struktur und Netzwerk genannt.
Die dritte Phase ist gleichzeitig die reflexive Phase. Dabei wurde zuerst der
Interviewverlauf noch einmal kurz reflektiert und eventuell fehlende oder unklare
Informationen hinterfragt.162
Danach soll der oder die Befragte aufgefordert werden zu
162
Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. a.a.O. S. 52.
Empirische Untersuchung
45
entscheiden, ob er oder sie der Meinung ist, dass das Unternehmen innovationsfähiger
geworden ist und wenn ja, in welchem Bereich (Produkt-, Dienstleistungs-,
Prozessinnovation, soziale oder organisatorische Innovation). Abschließend wird der
oder die Befragte planmäßig gefragt, ob sie oder er zusammenfassend sagen würde, dass
das Wir-Gefühl im Unternehmen und die Motivation der Beschäftigten gestiegen sind.
In allen durchgeführten Interviews verliefen Ablauf und Auswahl der Fragen
abweichend von dem aufgestellten Interviewleitfaden. Da die Erhebungsmethode
Spielraum für die offene Gestaltung des Interviews lässt, wurde dies auch immer
genutzt. Meist luden unterschiedliche Fragen die Befragten zu ausführlicheren
Aussagen ein. Dies hing auch ganz von der Art und Größe des Unternehmens ab. Einige
Aussagen wurden zeitgleich konkret hinterfragt.
3.1.5. DURCHFÜHRUNG DER INTERVIEWS
Die Interviews wurden telefonisch gehalten. Die durchschnittliche Dauer der Interviews
beträgt 35 Minuten. Mit den befragten Personen wurde im Voraus ein genauer Termin
vereinbart, um sicher zu stellen, dass mindestens 30 Minuten Zeit von dem oder der
Befragten freigehalten werden konnte, um sich ganz auf das Interview zu konzentrieren.
Des Weiteren wurden per E-Mail- oder Telefonkontakt schon einmal grob die Bereiche
des Interviews genannt, damit der oder die Befragte sich schon in Gedanken etwas auf
das Thema einstellen konnte und vielleicht im Voraus schon interessante Aussagen
generiert, die in der Kürze des Interviews nicht zu Stande gekommen wären. Diesen
Vorteil sieht auch Anne Honer darin und rät zu dieser kurzen Kommunikation im
Voraus.163
Da bei der qualitativen Forschung ein ausgeprägtes Wissen über die Thematik
notwendig ist, wurde sich im Voraus ausführlich mit den Grundlagen auseinander
gesetzt. Außerdem wurden alle wesentlichen Informationen über das, zu untersuchende
Unternehmen, eingeholt. Weiterhin entscheidend für die Interviewvorbereitung, war die
Durcharbeitung der existierenden Gemeinwohl-Berichte der Unternehmen. Wenn ein
Bericht vorlag, wurde ein Überblick über den aktuellen Stand des Unternehmens
verschafft, um an gewissen Stellen gezielter nachfragen zu können. Für den Fall, dass
163
Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. a.a.O. S. 47.
Empirische Untersuchung
46
ein Unternehmen schon seit zwei Jahren den Bericht verfasst, war es bereits vor dem
Interview möglich, Tendenzen und Einflüsse der Gemeinwohl-Ökonomie zu erkennen.
Dies konnte dann konkret hinterfragt werden, wie es aus Sicht des Experten oder der
Expertin zu bewerten ist.
3.2. ERGEBNISSE
Es wurden insgesamt zwölf Interviews durchgeführt verteilt über einen Zeitraum von
anderthalb Monaten. Es wurde mit vier österreichischen und acht deutsche kleinen und
mittelgroßen Unternehmen, die die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen, gesprochen.
Im Folgenden werden die Unternehmen und die dazugehörigen Experten bzw.
Expertinnen kurz vorgestellt. Die ausführlichen Fassungen der Interviews, auf denen die
Aussagen in diesem Abschnitt basieren, mit weiteren Informationen zu den
Unternehmen und Befragten befinden sich im Anhang 4 A-L.
Die Pionier-Unternehmen aus Österreich waren: Ettl-Software. Göttin des Glücks,
Gugler und Sonnentor.
Ettl-Software GmbH entwickelt Software und bietet Dienstleistungen im Bereich
Informationstechnologie an. Im Gespräch wurde der Inhaber und Geschäftsführer Paul
Ettl befragt. Das Modelabel Göttin des Glücks designt Kleidung und organisiert eine
komplett transparente, ökologische, faire und soziale Produktionskette. Die Expertin im
Gespräch ist Lisa Muhr, Geschäftsführerin von Göttin des Glücks und zuständig für die
Bereiche Public Relations, Marketing und Nachhaltigkeit. Die Mediengestalter Gugler
GmbH sind in den vier Unternehmensbereichen Beratung, Kreation von Text und Bild,
Neue Medien und Informationstechnologie, sowie Printmedien tätig. Teresa
Distelberger wurde von Gugler befragt. Sie ist Mitglied im Nachhaltigkeitsteam und mit
zuständig für die Leitung des aktuellen Cradle 2 Cradle-Projekts und dem Gugler
Seminarzentrum. Als letztes Unternehmen Österreichs wurde der Bio-Pionier Sonnentor
näher beleuchtet. Die Sonnentor Kräuterhandelsgesellschaft stellt faire und ökologische
Kräuter- und Kaffeespezialitäten her. Die Marketingleiterin Sonja Aigner sprach über
die Gemeinwohlleistungen und den Prozess der Gemeinwohl-Bilanzierung im
Unternehmen.
Empirische Untersuchung
47
Aus dem deutschen unternehmerischen Mittelstand wurden folgende Unternehmen
interviewt: Bodan, <em>faktor, Heckel, Kirchner Konstruktionen, Märkisches
Landbrot, Ökofrost, Ökoring und Sonnendruck.
Die Bodan Großhandels GmbH ist ein Großhändler von Naturkostprodukten für den
Naturkost-Facheinzelhandel im Süden Deutschlands. Zum Forschungsthema wurde mit
Dieter Hallerbach, dem Leiter der Logistik, gesprochen. Die Social Profit Agentur
<em>faktor ist in den Bereichen Markenentwicklung, Fundraising, Sponsoring,
Sozialkampagnen und Corporate Social Responsibility tätig. Der Geschäftsführer und
CSR-Experte Dr. Oliver Viest sprach über die Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie
im Unternehmen. Das Maschinenbauunternehmen Heckel GmbH & Co. KG entwickelt
Anlagen, vorrangig für die Holzindustrie, sowie Photovoltaikanlagen. Der Inhaber und
Geschäftsführer Wolfgang Heckel erläutert im Interview seine Sichtweise der
Gemeinwohl-Ökonomie. Als weiteres Maschinenbauunternehmen wurde Kirchner
Konstruktionen GmbH befragt, die als Dienstleister für die Automobilbranche tätig
sind. Es wurde mit dem Geschäftsführer Markus Elbs besonders über das Wohl der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesprochen. Die Berliner Lieferbäckerei Märkisches
Landbrot stellt Brote in Demeter-Qualität her und setzt auf ein konsequentes Umwelt-
und Energiemanagement. Im Interview wurde mit dem Geschäftsführer und
Nachhaltigkeitsbeauftragten Christoph Deinert gesprochen. Ebenfalls aus Berlin kommt
der Großhändler für Bio-Tiefkühlwaren Ökofrost. Der Geschäftsführer Florian Gerull
sprach über die Wichtigkeit menschlicher Werte im Unternehmen. Der bayrische
Großhändler für Bio-Produkte Ökoring beliefert neben dem Einzelhandel auch Hotels,
Kantinen, Schulen und Kindergärten. Interviewt wurde die Projektleiterin der
Gemeinwohl-Ökonomie, Sonja Goldbrunner. Zu guter Letzt wurde ein Interview mit
dem Geschäftsführer der Druckerei Sonnendruck, die unter anderem klimaneutrales
Drucken anbietet, Uwe Treiber geführt.
Am Anfang wurde einleitend besprochen, wie es dazu kam, dass das Unternehmen, die
Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt und sich entschieden hat, eine Gemeinwohl-Bilanz
zu erstellen. Im Gespräch mit den Experten und Expertinnen wurde ersichtlich, dass für
viele Unternehmen der Beitritt zur Bewegung, eine logische Konsequenz ihres
bisherigen Handelns, war. Dies war besonders bei den österreichischen Unternehmern
Empirische Untersuchung
48
und Unternehmerinnen der Fall. Teresa Distelberger berichtet, dass der Geschäftsführer
Ernst Gugler, seit langem, zusammen mit Christian Felber, Teil einer Attac-
Unternehmer/-innen-Gruppe ist. Aus diesem Grund, war das Unternehmen bereits
während der gesamten Gründungsphase des alternativen Wirtschaftskonzeptes mit
dabei. Außerdem veröffentlicht das Medienunternehmen seit langem schon
Nachhaltigkeitsberichte, somit verlief der Beitritt fließend. Ähnliches geschah auch im
Unternehmen Sonnentor. Da der Geschäftsführer Johannes Gutmann in Österreich als
Bio-Pionier gilt und sehr vernetzt in der Branche ist, war die Unterstützung der
Gemeinwohl-Ökonomie selbstverständlich. Lisa Muhr traf Christian Felber bei der
Verleihung eines CSR-Preises für Göttin des Glücks. Sie kannte bereits die Bücher und
empfand, dass das Konzept passend für ihr Unternehmen sei. Für Paul Ettl gab es einen
speziellen Vorfall, der für ihn der Auslöser war der Bewegung beizutreten. Er
berichtete, dass er 2006 die komplette Hardware des Unternehmens neu anschaffte, was
ihm in der Finanzbilanz positiv angerechnet wurde und den Gewinn kaum verringerte.
Als er ein Jahr später, Angestellte auf seine Kosten, zu Schulungen schickte,
verzeichnete er einen wesentlich geringeren Gewinn. Er fragte sich, wie es sein kann,
dass gut geschulte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, in der Finanzbilanz nicht vermerkt
werden, obwohl es mit das Wichtigste im Unternehmen ist. Als er von der Gemeinwohl-
Ökonomie hörte, entschloss er sich, genau dieses Konzept zu unterstützen.
Die Geschäftsführer Florian Gerull und Oliver Viest waren, ähnlich wie Paul Ettl, auf
der Suche nach einem passenderen Messinstrument für ihr Unternehmen. Florian Gerull
berichtete, dass mit dem ersten Gewinn im Jahr 2010, sich das Unternehmen zum ersten
Mal mit dem Thema Werte beschäftigt hat. In diesem Prozess kam es zur Äußerung der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dass sie unzufrieden mit der bisherigen
Gehaltsstruktur sind. Aus diesem Grund wurde ein Workshop initiiert, der zur
gemeinsamen Entwicklung eines Gehaltsmodelles diente. Kurz darauf wurde das
Leitbild neu gestaltet und man fragte sich, wie man diese neuen Ideen am besten in die
Tat umsetzen kann. Die Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie war bei Ökofrost,
die Antwort auf diese Frage. Ähnlich beschrieb es Oliver Viest, der auch auf der Suche
nach einer Art Anleitung für die Umsetzung und Reflektion von ökologischen und
sozialen Maßnahmen war. Ihn motivierte, dass man sich transparenter, als guter
Empirische Untersuchung
49
Arbeitgeber positionieren und somit Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen binden und
gewinnen kann. Die Gemeinwohl-Matrix erschien ihm als ein gutes operables Raster.
Markus Elbs von Kirchner Konstruktionen und Christoph Deinert von Märkisches
Landbrot teilen diese Meinung mit Oliver Viest, dass die Bilanz ein besonderes
Instrument ist, das Unternehmen in Hinblick auf seine Gemeinwohlleistungen misst.
Christoph Deinert findet, dass dieses Konzept es das erste Mal möglich macht,
Nachhaltigkeit in Zahlen zu messen und branchenübergreifend vergleichbar zu
gestalten. Zu diesem Thema erzählte Markus Elbs, dass Kirchner Konstruktionen immer
viele Verbesserungen im Sinne der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umsetzt und
menschliche Werte im Unternehmen eine große Rolle spielen. Die Gemeinwohl-Bilanz
erschien ihm perfekt, um diese Maßnahmen einmal genau aufzuzeichnen, zu
strukturieren und zu beobachten.
Dieser Meinung waren auch Uwe Treiber, Wolfgang Heckel und Robert Dax, der
ehemalige Geschäftsführer von Ökoring, als sie bei einem Vortrag Felbers, die
Gemeinwohl-Ökonomie kennenlernten. Sonja Goldbrunner von Ökoring berichtet, dass
Robert Dax 2010, begeistert von dem Vortrag, beschloss der Regionalgruppe Bayern
beizutreten. Daraufhin entschied man sich den Bericht zu erstellen, um den aktuellen
Stand des Unternehmens und Potential zur Verbesserung zu erkennen. Der
Geschäftsführer von Sonnendruck war ähnlich angetan von der Präsentation des
Konzeptes und entschloss, die Bewegung zu unterstützen, da sie im Einklang mit seiner
Firmen- und Lebensphilosophie ist. Ebenfalls wünscht er sich Verbesserungspotential
im Unternehmen zu erkennen und Kunden und Kundinnen zu gewinnen, die ähnlich
denken wie er. Wolfgang Heckel war im Februar 2011 bei der Vorstellung des Buches
von Christian Felber und war überzeugt davon, dass dies der richtige Ansatz für die
Zukunft ist. Da bereits ein Regelwerk mit der Beschreibung der Indikatoren vorlag,
erschien es ihm geeignet zur Umsetzung im Unternehmen und zur Gewährleistung der
eigenen Weiterentwicklung. Abschließend sprach auch Dieter Hallerbach von Bodan
davon, dass man dieses Instrument hervorragend nutzen kann, um potentielle neue
Ideen und Verbesserungen zu entdecken und umzusetzen.
Anschließend sprachen die Experten und Expertinnen darüber, wie der Prozess der
Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz ablief und wer mit eingebunden war. In allen Fällen,
Empirische Untersuchung
50
waren die Befragten mitbeteiligt gewesen. Es gab jedoch Unterschiede in der Art der
Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Die Mehrheit der Pionier-Unternehmen erarbeitete die Bilanz in einer Gruppe,
bestehend aus Geschäftsleitung und stellvertretenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
Im Unternehmen Ökofrost mit 17 Angestellten, arbeitete Florian Gerull immer
zusammen mit drei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die untereinander rotierend mit
in der Runde saßen, so dass alle in den gesamten Prozess mit einbezogen waren. Im
ähnlich großen Unternehmen Göttin des Glücks wurde der erste und der zweite Bericht
von Lisa Muhr verfasst, wobei der erste noch völlig alleine erarbeitet wurde. Beim
zweiten Mal wurden der Gemeinwohl-Bericht sowie die Bilanz in Zusammenarbeit mit
der gesamten Belegschaft zusammengestellt. Sie erzählte, dass durch die geringe Größe
der Firma, das alternative Konzept schnell kommuniziert und von allen unterstützt
wurde.
Beim Großhandel Bodan wurde anfangs zu einer Gesamtbesprechung eingeladen, bei
der Matrix und Bilanz vorgestellt wurden. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die
Interesse hatten mitzuwirken, konnten sich selbst in eine der Gruppen von A-E, die
anhand der Schwerpunkte der Gemeinwohl-Matrix (siehe Anhang 2) erstellt wurden,
nach ihren eigenen Kompetenzen, einteilen. Dieter Hallerbach ist Teil der Gruppe E. Er
geht davon aus, dass je mehr diese Gruppen zusammen arbeiten und Veränderungen
einleiten, je mehr Interesse wird auch von weiteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
kommen, die noch nicht freiwillig am Prozess beteiligt sind. Diese Gruppen bestehen
demnach weiter und sollen die Ziele, die im Bericht festgelegt wurden (siehe Anhang 4
A), weiter verfolgen und den Prozess beobachten. Bei dem Großhändler Ökoring
beschäftigt sich das Nachhaltigkeitsteam zusammen mit einem Stellvertreter bzw. einer
Stellvertreterin aus allen Bereichen, mit der Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz. Die
Gruppenmitglieder wiederum sind beauftragt, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus
ihren Abteilungen vom Prozess zu informieren. Sonja Goldbrunner fügte hinzu, dass es
außerdem ein firmeninternes Intranet gibt, auf dem alle Informationen zum Thema
veröffentlich wurden.
Sonja Aigner von Sonnentor (184 Mitarbeiter/-innen) berichtete, dass sie und drei
weitere Personen in Teamarbeit, die Gemeinwohl-Bilanz und den Bericht erstellen.
Empirische Untersuchung
51
Sonnentor erarbeitet bereits zum dritten Mal die Bilanz und in Hinblick auf die
Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich im Vergleich zum ersten
Durchlauf, laut der Marketingleiterin, viel verändert. Während 2011 gezielte
Befragungen mit Angestellten zu einzelnen Indikatoren durchgeführt wurden, wurde
2012 und 2013 darauf geachtet, dass ein Großteil der Mitarbeiterschaft mit einbezogen
wird. Ebenfalls in Teamarbeit wurde die Bilanz und der Bericht von dem
Kommunikationshaus Gugler erarbeitet, berichtete Teresa Distelberger, die in der
Projektgruppe mitarbeitete. In kleineren Gruppen mit anderen Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen wurde über die Kriterien diskutiert, aber erst im Rahmen der
halbjährlichen Informationsveranstaltung gugler* dialog, wurde die Bilanz allen
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vorgestellt.
Der Geschäftsführer Markus Elbs berichtet, dass die Gemeinwohl-Bilanz von dem
firmeninternen Martin Ströhle und dem externen Berater Armin Hipper erstellt wurde.
Markus Elbs und die Abteilungsleiter und –leiterinnen lieferten die notwendigen
Informationen und präsentierten das Ergebnis den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, in
der halbjährigen Betriebssitzung. Im Maschinenbauunternehmen Heckel entschied man
sich ebenfalls dazu, die Bilanz in einer kleinen Gruppe zu erarbeiten. Wolfgang Heckel,
seine Frau, der Konstrukteur und der stellvertretende Fertigungsleiter beschäftigten sich
2011 intensiv mit dem Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie. Beim zweiten Durchlauf
im darauffolgenden Jahr wurden Befragungen in der Wertschöpfungskette
(Lieferanten/-innen, usw.) durchgeführt. Bei beiden Vorgängen diente die im
Unternehmen festgelegte Freitagsbrotzeit, bei denen alle neun
Unternehmensangehörigen einmal im Monat zusammenkommen, als
Kommunikationsplattform um Neuigkeiten und Anregungen zum Verlauf der
Erstellung auszutauschen und die endgültigen Versionen vorzustellen.
In die Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz und des Berichtes waren im Unternehmen
Märkisches Landbrot 2011 und 2012, jeweils drei Personen involviert. Der
Nachhaltigkeitsbeauftragte und Geschäftsführer Christoph Deinert war der
Hauptverantwortliche im Prozess, da er bereits verantwortlich für die Ökobilanzierung
ist und sich mit dem Thema bestens auskennt. Bisher wurden die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen nur informiert, aber langfristig möchte das Unternehmen die
Angestellten mehr einbinden.
Empirische Untersuchung
52
Die Geschäftsführer von <em>faktor, Ettl-Software und Sonnendruck entschieden sich
die erste Gemeinwohl-Bilanz fast gänzlich allein zu erarbeiten. Oliver Viest schilderte,
dass die erste Phase für ihn eine reine Datenerhebung war. Diese Daten hinterfragte er
zusammen mit einer externen Beraterin. Da <em>faktor nur zehn Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen beschäftigt, wussten alle sehr schnell über den Prozess Bescheid. Er
bat eine Angestellte darum, die fertige Bilanz auf grobe Fehleinschätzungen von seiner
Seite aus, zu überprüfen. Uwe Treiber erstellte die Bilanz für Sonnendruck anfänglich
zusammen mit anderen Unternehmern und Unternehmerinnen, der mitbegründeten
Gemeinwohlinitiative Rhein-Neckar, in einer sogenannten Peer-Gruppe. Doch da dies
nur sehr langsam ablief, entschloss er sich die Bilanz und den Bericht mit einer weiteren
Person aus der Druckerei, zu verfassen. Zur Information der Angestellten gab es ein
spezielles Meeting zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie. Paul Ettl von Ettl-Software
durchlief den Prozess der Erstellung alleine, informierte aber stets die acht Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen in den alle sechs Wochen stattfindenden Meetings im
Unternehmen. Außerdem führte er zum ersten Mal, eine Mitarbeiterbefragung durch,
die ihm dabei half, die entsprechenden Indikatoren, wahrheitsgetreu beschreiben zu
können.
Nach einem kurzen Gespräch über den Prozess der Bilanzerstellung im Unternehmen,
äußerten die Experten und Expertinnen ihre Erfahrungen und Meinungen zu den
einzelnen Erfolgsfaktoren für Innovationsfähigkeit.
Hinsichtlich des Bereichs Strategie waren sich die Vertreter und Vertreterinnen der
Pionier-Unternehmen einig, dass die Verankerung der Werte der Gemeinwohl-
Ökonomie in der Unternehmensstrategie, bereits vor Beitritt der Bewegung vollzogen
wurde. Meist wurde sich aus diesem Grund, bewusst für die Unterstützung der
Bewegung entschieden, da sie genau, die im Unternehmen gelebten Werte, verkörpert.
Viele Unternehmen erkannten durch die neuartige Bilanzierungsweise jedoch, dass
diese Werte und die strategische Positionierung noch nicht ausreichend kommuniziert
und umgesetzt werden. Dies war bei allen vor allem bei dem Faktor ‚Innerbetriebliche
Demokratie und Transparenz‘ der Fall. Diesbezüglich berichtete Sonja Goldbrunner von
Ökoring, dass die Werte bereits in fast allen Aspekten des Unternehmens gelebt und
gefördert werden. Nur beim Thema Mitarbeitereinbindung ist dies noch nicht ganz der
Fall, aber das Unternehmen ist seit einer Weile dabei, Maßnahmen zur Verbesserung
Empirische Untersuchung
53
einzuleiten, wie zum Beispiel die Mitbestimmung bei der Ernennung neuer
Abteilungsleiter. Der Geschäftsführer der Social Profit Agentur <em>faktor bemerkte
im Gespräch mit der Auditorin, dass viele Prozesse im Unternehmen teilweise ohne
strategische Verankerung ablaufen. Dies fördert seiner Meinung nach, nicht die
Transparenz und Klarheit der strategischen Ausrichtung. Demnach wird die Agentur
daran arbeiten, die Werte und Ziele fest in der Unternehmensstrategie zu verankern,
sodass zum Beispiel bei der nächsten Suche nach einer Druckerei, alle genau wissen,
auf welche Aspekte geachtet werden muss, um die Druckerei zu engagieren. Der
Maschinenbauer Wolfgang Heckel meinte dazu, dass das Wertesystem im Unternehmen
gleich geblieben ist, da man wegen der gleichen Wertvorstellung, die Gemeinwohl-
Ökonomie unterstützt. Der Inhaber von Ettl-Software erläuterte, dass von Anfang an,
die menschlichen Werte im Unternehmen, mitentscheidend für den Unternehmenserfolg
waren. Er wünscht sich, dass mithilfe der Gemeinwohl-Bilanz diese Denk- und
Verhaltensweisen von den Stakeholdern honoriert werden. Auch Christoph Deinert
(Märkisches Landbrot) und Lisa Muhr (Göttin des Glücks) sind sich einig, dass Werte
wie Solidarität, Wertschätzung, Menschenwürde, ökologische Nachhaltigkeit und
soziale Gerechtigkeit, seit der Gründung fester Bestandteil der Unternehmensstrategie
sind. Der Geschäftsführer von Märkisches Landbrot bemerkte aber auch, während der
Erarbeitung der Bilanz, Spielraum für Verbesserungen im Bereich ‚Innerbetriebliche
Demokratie und Transparenz‘. Somit wurde deutlich, dass dieser Bereich in Zukunft
optimiert werden muss. Florian Gerull von Ökofrost ist sich sicher, dass für ihn, sowie
für die meisten Pionier-Unternehmen der Beitritt zur Gemeinwohl-Ökonomie, eine
logische Konsequenz ihres bisherigen Handelns war. Er meinte, dass die Werte und
Kultur eines Unternehmens eher in diese Richtung gehen müssen, damit die Idee
entsteht die Bewegung in ihren Anfängen, zu unterstützen. Ähnlich äußerte sich auch
Teresa Distelberger von Gugler zu diesem Thema. Sie schilderte, dass diese
Wertentwicklung schon weit vor der ersten Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz
begonnen hatte und sich nun parallel dazu weiterentwickelt. Sie ist auch der Meinung,
dass das Leben und Verkörpern dieser Werte aus der Eigeninitiative heraus entstanden
sein muss, um die Gemeinwohl-Ökonomie als zukunftsfähiges Konzept ansehen zu
können. Weiterhin glaubt sie, dass transparent gelebte Werte dazu führen, dass sich die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr mit dem Unternehmen identifizieren. Zum
Empirische Untersuchung
54
Thema Identifikation mit dem Unternehmen, hat die Mehrheit der Experten und
Expertinnen eine ähnliche Meinung, wie Frau Distelberger. Sonja Goldbrunner
(Ökoring) vermutet, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich, mit einem
Unternehmen, welches die Gemeinwohl-Ökonomie unterstützt, stärker identifizieren
können, als ohne dieses Engagement. Sie kann es von sich selbst bestätigen, da es für
sie sehr motivierend ist in solch einem positiven Unternehmen zu arbeiten. Sonja
Aigner von Sonnentor ist sich sicher, dass besonders die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, die den Prozess mitgestaltet haben und mitbekommen haben, wie sehr
das Unternehmen im Sinne der Belegschaft und der Gesellschaft arbeitet, sich mehr als
Teil der Sonnentorfamilie identifizieren können. Die Modedesignerin Lisa Muhr hat die
Zufriedenheit und Begeisterung der Angestellten für das Unternehmen, besonders in
den Geschäften erlebt, da mehr Wissen über das Unternehmen vorhanden ist. Diese
positive Einstellung soll sich auch sehr auf die Kunden und Kundinnen widergespiegelt
haben. Uwe Treiber (Sonnendruck) und Markus Elbs (Kirchner Konstruktionen)
glauben aus einem anderen Grund heraus daran, dass sich die Identifikation der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit der Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie
gesteigert hat. Uwe Treiber meint, dass der Belegschaft womöglich zum ersten Mal
bewusst wird, dass durch den hohen Wettbewerbsdruck in der Druckbranche, viele
Druckereien schließen oder Lohnkürzungen vornehmen müssen, was bei ihm nicht der
Fall ist. Somit glaubt er, dass die Mehrheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stolz
und froh darüber ist, dass sie in einem Unternehmen arbeiten, das andere Ziele und
Ideale verfolgt. Markus Elbs ist ebenfalls der Meinung, dass durch den Gemeinwohl-
Bericht, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, zum ersten Mal bewusst geworden ist,
dass viele Maßnahmen (wie zum Beispiel täglich gemeinsames kostenfreies Frühstück)
in ihrem Sinne unternommen werden, die weder vertraglich geregelt, noch in anderen
Unternehmen die Regel sind. Dadurch wird es wahrscheinlich schon Personen geben,
die glücklicher mit der Arbeit bei Kirchner Konstruktionen sind. Eine etwas andere
Sicht haben die Unternehmer Paul Ettl und Wolfgang Heckel. Beide Unternehmen
haben rund zehn Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und sind deshalb der Meinung, dass
man sich in einem Unternehmen solcher Größe von Anfang an sehr nahe steht und sich
als Team mit gleichem Ziel identifiziert. Somit bezweifelt Paul Ettl, dass sich die
Identifikation seiner Angestellten gesteigert hat, da sich diese bereits bewusst für sein
Empirische Untersuchung
55
Unternehmen entschieden haben, weil sie wissen, dass menschliche Werte im Betrieb
gelebt werden. Für Wolfgang Heckel steht fest, dass die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen sich umso stärker mit dem Unternehmen identifizieren, je wohler sie
sich darin fühlen. Das ist immer schon ein wichtiges Kriterium für ihn gewesen. Er
weiß von seinem Team, dass es neugierige und abwechslungsfreudige Personen sind.
Somit werden immer wieder innovative Ansätze eingebracht und auch umgesetzt, damit
sie sich wohl fühlen und ihre eigenen Stärken ausleben können. Deshalb weiß er, dass
die Angestellten, sich schon immer sehr mit dem Unternehmen identifizieren.
Da es in allen zwölf Firmen mit der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie nicht zu
einem kompletten Wertewandel kam, ist die Weiterentwicklung und Sensibilisierung
der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Richtung nachhaltige Entwicklung, auch kein
neues Thema. Die meisten Unternehmen bieten bereits Weiterbildungen zu betreffenden
Themen an. Das österreichische Unternehmen Gugler stellt, laut Teresa Distelberger,
Workshops zum Thema Nachhaltigkeit, Persönlichkeit, Gesundheit, usw. im einem
Qualifizierungsverbund, namens ‚Momentum‘, mit anderen Unternehmen, zur
Verfügung. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Ökofrost haben ebenfalls die
Möglichkeit kostenfreie Workshops über Holakratie164
, Selbstcoaching, usw. zu
besuchen. Auch Sonja Goldbrunner von Ökoring berichtete, dass schon lange
Produktschulungen und Maßnahmen zur Sensibilisierung, von ökologischen und
sozialen Themen durchgeführt werden. Die Tatsache, dass das Unternehmen nach
Gemeinwohlstandard bilanziert, bewirkt laut Frau Goldbrunner eine Verstärkung dieses
Bestrebens. Im Unternehmen Sonnentor werden ebenfalls kostenlose
Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Sonja Aigner berichtete jedoch, dass während
der Bilanzierung, im Gespräch mit dem Auditor, sichtbar wurde, dass nur etwa zwei
Drittel der Belegschaft diese Angebote nutzt. Um herauszufinden, wie dies zustande
kommt, werden demnächst die einzelnen Abteilungen zum Thema befragt. Markus Elbs
von Kirchner Konstruktionen entscheidet situativ, ob eine Weiterbildung der
Qualifikation eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin notwendig ist, indem er
gezielte Einzelgespräche führt, bei denen über die vereinbarten Ziele gesprochen wird.
164
Definition: „Führungsmodell, das den Anspruch hat, den Antagonismus zwischen den
Führungsprinzipien Autokratie und Demokratie auf einer neuen Ebene dialektisch zu überschreiten.“
(Weller, Dirk; Hunschock, Regina: Holakratie. In: Wirtschaftspsychologie, 12.11.2012 (3/2012), S. 89.)
Empirische Untersuchung
56
Jede Art von Weiterbildung wird vom Unternehmen finanziert, die Angestellten müssen
lediglich die Arbeitszeit selbst stellen. Markus Elbs hat jedoch entschieden die
Schulungen zum Thema Energiemanagement komplett zu bezahlen, um mehr
Motivation für dieses Thema zu generieren. Für den Inhaber von Ettl-Software ist die
Gemeinwohl-Bilanz ein Ansporn weiterhin die Kompetenzen der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen zu fördern, da diese Art der Investition erstmals honoriert wird. Lisa
Muhr von Göttin des Glücks berichtet, dass seit langem der Wunsch besteht, Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen Schulungsmöglichkeiten anzubieten, aber leider fehlen dem
Unternehmen noch die finanziellen Mittel. Abschließend erzählte der Logistikleiter von
Bodan, dass bei der Erstellung des ersten Berichtes in 2011, die Mitwirkenden den
Wunsch nach einer Erweiterung der Personalentwicklung geäußert haben. Aus diesem
Grund gibt es seit neuestem, die Veranstaltung von zweitägigen Seminaren, bei denen
alle Neuzugänge eines Halbjahres aus allen Bereichen, Wissen über die Firma, Branche,
Ziele, Struktur, usw. vermittelt bekommen.
Während des Prozesses der Bilanzierung und dem Verfassen des Berichtes kamen in
vielen der befragten Unternehmen potentielle Angriffspunkte für Verbesserungen zum
Vorschein. Alle Unternehmen waren der Meinung, dass die Beschäftigung mit den
Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie und die Zusammenarbeit mit dem Auditor, es
ermöglichen, gezielt alle Bereiche des Unternehmens zu beleuchten und kritisch zu
hinterfragen. Somit sind zum Teil ganz neue Beobachtungen zustande gekommen, die
neue Ideen und Verbesserungen mit sich gebracht haben. Markus Elbs von Kirchner
Konstruktionen erzählte, dass bezüglich der Gesundheitsvorsorge der Angestellten
durch die Bilanz ersichtlich wurde, dass man an diesem Punkt noch etwas unternehmen
könnte. Zum einen hat man diesbezüglich zwei Gesundheitswochen eingeführt, in
denen demnächst eine Physiotherapeutin in die Firma kommt, die vom Unternehmen
bezahlt wird. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können sich eine dreiviertel Stunde
behandeln lassen, die lediglich von der Arbeitszeit abgezogen wird. Zum anderen ist ein
Belohnungssystem für Personen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf Arbeit kommen,
in Planung. Um dies fair zu gestalten, ist in Überlegung, dass die fünf Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, die am meisten Strecke zu Fuß oder per Fahrrad zurücklegen, an einer
Verlosung teilnehmen dürfen. Frau Aigner von Sonnentor berichtete, dass zur
Verbesserung der Arbeitsqualität und physischen Gesundheit in Produktion und
Empirische Untersuchung
57
Verpackung, Gymnastikbälle angeschafft wurden. Außerdem wechselte man, im Zuge
der Gemeinwohl-Bilanzierung, von einer konventionellen Mitarbeitervorsorgekasse auf
die ‚fair-finance‘, die neben ihrem Kerngeschäft, sinnvolle Projekte unterstützt. Bei
Bodan wurde aufgrund des Berichtes von 2011 ein neuer Angestellten-Arbeitsvertrag
entworfen, der die Verhältnisse neu regelt und mehr im Sinne der Gemeinwohl-
Ökonomie ist. Außerdem wurde die Vergabe von Genussrechten und
Mitarbeiterbeteiligungen in Höhe von je bis zu 100.000 Euro in 2012 vorbereitet und
wird 2013 umgesetzt. Bei Gugler wurde ebenfalls beim Thema Gehalt durch den ersten
Bericht etwas verändert. Zu Gunsten zweier Angestellter wurden die Gehälter
angehoben, um den Kriterien der Gemeinwohl-Bilanz zu entsprechen. Uwe Treiber von
Sonnendruck berichtete, dass er auf einige Aspekte gestoßen ist, die verbessert werden
können. Besonders fiel ihm auf, dass beim Einkauf des Papiers mehr darauf geachtet
werden sollte, dass der Lieferant oder die Lieferantin eine ähnliche
Unternehmensphilosophie vertritt. Demnach ist man momentan auf der Suche nach
einem passenderen Papierhändler oder –händlerin. Ebenfalls im Bereich Einkauf achtete
der Großhändler Ökoring beim aktuellen Neubau des Gebäudes speziell darauf, dass
nachhaltig hergestellte Möbel beschafft wurden. Für Florian Gerull und Paul Ettl war
die Erstellung der Bilanz momentan erst einmal eine Möglichkeit die bisherigen und
aktuellen Maßnahmen zusammenzufassen und nach außen zu kommunizieren. Paul Ettl
erzählte, dass er bei einigen Themen erkannt hat, dass man sich noch einmal genauer
damit beschäftigen sollte wie zum Beispiel mit der Energieeinsparung oder
Abfallreduktion, aber diese Themen werden seit langem diskutiert. In einigen der
befragten Unternehmen sind während des Prozesses der Bilanzierung Themen wieder
zur Sprache gekommen, die in Vergessenheit geraten waren. So wird sich zum Beispiel
bei Gugler seit kurzem wieder mit dem Thema Betriebsrat auseinandergesetzt. Im
Unternehmen Bodan wird versucht, die vor sechs Jahren angeschaffte Fahrradflotte
wieder für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zugänglich zu gestalten und zu
kommunizieren, dass die Möglichkeit der Fahrradnutzung besteht. Im Unternehmen von
Wolfgang Heckel war man sich seit einer Weile bewusst, dass man die Auslastung der
Kapazitäten besser planen muss, um einen Teil der Überstunden zu vermeiden. Deshalb
wurde im Zuge der Bilanzierung von 2011 auf 2012, eine Optimierung diesbezüglich
umgesetzt.
Empirische Untersuchung
58
Mit einem Viertel der Unternehmen wurde darüber gesprochen, ob speziell für die
Entwicklung und Umsetzung der Verbesserungen im Unternehmen, Freiräume für die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geschaffen werden. Wolfgang Heckel schilderte, dass
er die Freiheit und den kreativen Spielraum seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
unterstützt, da er den Ideenreichtum und die Neugier seines Teams schätzt. Dies und die
Toleranz gegenüber Fehlern, führen immer wieder dazu, dass bei den vorwiegend
kundenspezifischen Einzellösungen des Maschinenbauunternehmens, neue und
innovative Ansätze hervorgebracht werden. Oliver Viest würde sich wünschen, dass
solche Art der Freiräume geschaffen werden können, aber da die Agentur nur aus zwölf
Angestellten besteht, ist die Arbeitszeit bereits mit den aktuellen Aufträgen ausgefüllt.
Somit stellt er sich eher vor, dass gute Lösungen schnell und mit möglichst geringem
Aufwand gefunden werden. Bei Ökoring werden ebenfalls keine direkten Freiräume für
Vorentwicklungsprozesse geschaffen, aber diese Vorentwicklungsarbeiten für
Verbesserungen übernimmt das Nachhaltigkeitsteam. Sonja Goldbrunner erzählte, dass
innovative Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jedoch immer gerne gesehen sind
und auch meistens umgesetzt werden. Direkte finanzielle oder nicht finanzielle Anreize
werden nicht geschaffen, aber sie glaubt, dass das Wissen darüber, dass neue Ideen
mehr als willkommen sind und gerne umgesetzt werden, ein Anreiz sein könnte.
Letztens erst hätte ein Mitarbeiter vorgeschlagen, dass man ergonomische Stühle in den
Büros einführen könnte, da er Rückenbeschwerden hat. Daraufhin wurden diese Art
Stühle für die Büros besorgt.
Einige der Befragten haben auch mitbekommen, dass durch den Prozess der
Bilanzerstellung im Unternehmen, einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen neue Ideen
und Verbesserungsvorschlage geäußert haben. In fast der Hälfte der Unternehmen war
das der Fall. Dabei handelte es sich um die Unternehmen, bei denen früher oder später
ein Großteil der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, in den gesamten Prozess integriert
waren. Die Experten und Expertinnen der Unternehmen Bodan, <em>faktor, Göttin des
Glücks, Heckel und Ökofrost erfuhren, dass bei erhöhter Einbindung der Belegschaft in
den Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie, neue Ideen und Verbesserungsvorschläge
bereits geäußert wurden bzw. der Raum dafür geschaffen wurde. Oliver Viest
berichtete, dass er nach der Erstellung des Berichtes, eine Liste mit Punkten gesammelt
hatte, die nun in Gruppen diskutiert und erweitert wird. Auf diesem Wege können alle
Empirische Untersuchung
59
ihre Anmerkungen und Vorschläge mit einbringen. Wolfgang Heckel meinte, dass
während der ersten Erstellung der Bilanz, in den Freitagsbrotzeiten, viele Fragen und
Anregungen, aufkamen. Bei Göttin des Glücks waren beim zweiten Durchlauf der
Bilanzierung 80 Prozent aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingebunden.
Diesbezüglich berichtete Lisa Muhr, dass sie beobachten konnte, wie die Angestellten
in den Geschäften neue Ideen einbrachten, wie zum Beispiel die Organisation von
Vorträgen in den Göttin des Glücks-Boutiquen.
In einigen befragten Unternehmen ist es der Fall, dass der Geschäftsführer oder der
Inhaber, derjenige ist, der die neuen Ideen im Unternehmen hat und die
Unternehmensvision voranbringt und entwickelt. Teresa Distelberger von Gugler
erzählt zum Beispiel, dass der Geschäftsführer Ernst Gugler ein sehr starker Visionär ist
und das Unternehmen meist an seinen neuen Ideen arbeitet, die wiederum dem ganzen
Betrieb dienen wie zum Beispiel ein firmeneigener Gemüsegarten für die Kantine.
Es wurde in den Interviews ersichtlich, dass 58 Prozent der befragten Pionier-
Unternehmen, seit der ersten Bilanzierung nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standard mehr
darauf achten, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in die
Entscheidungsprozesse einbringen können. Bei Sonnentor war dies der Fall. Sonja
Aigner berichtete, dass in der Geschäftsleitung, besonders durch die Erarbeitung des
zweiten und dritten Berichtes, der Wunsch besteht, die Belegschaft mehr mit
einzubeziehen. Um eine Mitsprachemöglichkeit für alle zu gewährleisten, wurde bei
einer Mitarbeiterinformationsrunde in Erfahrung gebracht, ob alle das Handbuch und
die Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie verstehen. Zusätzlich fanden sich in der
Informationsrunde, pro Kriterium etwa zwei Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen
zusammen, die das ausgewählte Kriterium kritisch betrachteten und Ideen und
Verbesserungsvorschläge zum Thema sammelten. Im Unternehmen Märkisches
Landbrot werden mithilfe eines Trainers und der gesamten Belegschaft die
Entscheidungsprozesse überdacht. Christoph Deinert stellte in diesem Punkt, durch die
Bilanz Potential für Verbesserungen fest. Das Gleiche fiel auch Sonja Goldbrunner und
dem Projektteam auf, so dass sie beschlossen haben, beim anstehenden Neubau der
Büro- und Lagerflächen, die Angestellten mitentscheiden zu lassen. Dieter Hallerbach
von Bodan berichtete, dass die, vor einiger Zeit gewählten Mitarbeitervertretungen,
geprüft werden sollen, inwiefern sie das notwendige Know-how besitzen, um die
Empirische Untersuchung
60
Belegschaft angemessen vertreten zu können. Wenn dies nicht der Fall wäre, würde es
im Rahmen von Schulungen verbessert werden. 25 Prozent der Unternehmen arbeiten
an diesem Thema schon lange. In den Pionier-Unternehmen Ökofrost und Gugler wird
sich seit einer Weile mit den Organisationsmodellen Holakratie und Soziokratie165
beschäftigt. In diesem Sinne wurde bereits bei dem Tiefkühl-Großhändler das
sogenannte Kreismodell eingeführt. Dabei wissen alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
über ihren Verantwortungsbereich Bescheid, welcher anhand ihrer Kompetenzen
entworfen wurde, so dass immer der-, diejenige oder das Team mit der größten
Qualifikation, entscheidet. Bei Gugler ist das Thema präsent, braucht aber aufgrund der
größeren Belegschaft mehr Zeit zur Realisierung. Das Maschinenbauunternehmen
Heckel nutzt die monatlichen Freitagsbrotzeiten, um sich zu versammeln und über die
Bereiche Administration, Fertigung, Lebens- und Arbeitsqualität und seit Neuestem
Gemeinwohl-Ökonomie, auszutauschen und gemeinsam Entscheidungen über
Verbesserungen zu treffen. In den restlichen 17 Prozent der befragten Unternehmen
bewirkte der Prozess keine signifikanten Veränderungen bezüglich der
Entscheidungsprozesse im Unternehmen.
Mit zehn der zwölf Pionier-Unternehmen wurde darüber gesprochen, ob die Kunden
und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von Neuerungen mit einbezogen werden.
Die Hälfte der Unternehmensvertreter und -vertreterinnen erzählte, dass sie zum Teil
durch die Gemeinwohl-Ökonomie Anregungen bekommen haben, wie sie das
Verhältnis zu den Geldgebern, verbessern könnten. Oliver Viest berichtete, dass
während der Erarbeitung der Bilanz, diesbezüglich interessante Impulse aufkamen. Zum
Beispiel der Vorschlag, dass man einmal überdenkt, ob die Kunden und Kundinnen am
Unternehmen mitbeteiligt sein wollen. Eine weitere Idee, war der „Sozialpreis“. Dies
bedeutet, dass bei der Gestaltung der Preise, die Kaufkraft des Kunden oder der Kundin,
mit einbezogen wird. Bei Ökoring werden die Abnehmer und Abnehmerinnen seit einer
Weile, mit in den Prozess der Neulistungen der Produkte einbezogen, indem man
Probeprodukte vergibt und abstimmen lässt. Lisa Muhr plant seit einer Weile die
Einführung eines Kundenbindungssystems bei dem unter Anderem, die Stammkunden
165
Definition: „Form kreativer Mitbestimmung, Entscheidungsfindung, organisatorischer Selbststeuerung
und .. innovativer .. Organisationspraxis“ (Weller, Dirk; Hunschock, Regina: Holakratie. In:
Wirtschaftspsychologie, 12.11.2012 (3/2012), S. 89.)
Empirische Untersuchung
61
und –kundinnen mit in den Designprozess eingebunden werden sollen. Des Weiteren ist
eine Reise nach Mauritius zum Produzenten mit den Kunden und Kundinnen geplant.
30 Prozent der Unternehmen berichtete, dass es sich bei ihren Produkten bzw.
Dienstleistungen um kundenspezifische Einzellösungen handelt und somit immer mit
dem Kunde oder der Kundin zusammengearbeitet wird, um die optimalste Lösung zu
schaffen. Die restlichen 20 Prozent der Unternehmen arbeiten bereits eng mit den
Verbraucher und der Verbraucherin zusammen, um deren Wünsche weitestgehend zu
erfüllen. Dies ist bei Märkisches Landbrot und Sonnentor der Fall. Sonja Aigner
erzählte, dass die Kunden und Kundinnen gerne mitsprechen und Vorschläge
einbringen. Dies geschieht mithilfe des Reklamationswesens von Sonnentor und dem
Botschafter-Meeting, in dem Kundenwünsche ausgetauscht und diskutiert werden um
diese eventuell in die Entwicklung mit einzubeziehen. Bei Märkisches Landbrot werden
die 40 größten Einzelhandelskunden und –kundinnen monatlich besucht und zum Teil
finden gemeinsame Jahresgespräche statt.
Das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit eines Produktes oder einer
Dienstleistung hat sich, mit der Einführung der Gemeinwohl-Bilanz, bei allen
Unternehmen kaum verändert, da dies bereits einen hohen Stellenwert hatte. Speziell
die Pionier-Unternehmen, die ökologische und/oder fair gehandelte und/oder regionale
Produkte vertreiben, besitzen diesbezüglich kaum noch Spielraum. Bodan, Göttin des
Glücks, Märkisches Landbrot, Ökofrost, Ökoring, sowie Sonnentor berichten, dass
konstant versucht wird, den Anteil der regional gehandelten Produkte, immer weiter zu
steigern. Diesbezüglich berichtete Christoph Deinert von Märkisches Landbrot, dass das
Unternehmen bereit ist, den Bauern und Bäuerinnen bis zu dem Zehnfachen des
Marktpreises zu bezahlen, um regionale Rohstoffe einkaufen zu können. Des Weiteren
berichtete Sonja Aigner von Sonnentor, dass überdacht wird, wie man die
Barrierefreiheit der Produkte gewährleisten kann, so dass zum Beispiel auch
sehbehinderte Personen Zugang zum Produkt bekommen. Für den zweiten Teil der
befragten Unternehmen ist die weitere Optimierung der Produkte und Dienstleistungen
in Hinblick auf Umweltfreundlichkeit schwieriger, da es sich um Maschinenbau-,
Druck-, und Informationstechnikunternehmen handelt und somit ein aufwändigerer und
wenig energiesparender Herstellungsprozess damit verbunden ist. Trotz alledem
Empirische Untersuchung
62
versuchen zum Beispiel die Druckereien Gugler und Sonnendruck den
Herstellungsprozess umweltfreundlicher zu gestalten, indem nachhaltige Druckprodukte
beschafft werden und klimaneutrales Drucken angeboten wird. Gugler ist diesbezüglich
seit langem Branchenführer und eröffnet immer wieder neue Qualitätsstandards. Vor
über drei Jahren startete das Kommunikationshaus das wohl größte Innovationsprojekt
in ihrer Unternehmensgeschichte. Gugler entwickelt Cradle 2 Cradle-Druckprodukte,
die komplett schadstofffrei sein werden und „in den biologischen Ressourcenkreislauf
zurückgeführt werden können.“166
Hinsichtlich der Optimierung der Technologie im
Unternehmen sind auch besonders die Maschinenbauunternehmen daran bedacht etwas
zu verändern. Das bayrische Unternehmen Heckel hat 2012 an einem Forschungsprojekt
der Hochschule Rosenheim teilgenommen, mit dem Ziel eine neue Methode zu finden,
mit der noch mehr Material aus einem Holzstamm entnommen werden kann, um den
kostbaren Rohstoff möglichst effizient zu nutzen. Markus Elbs berichtete, dass man
während der Arbeit an der Gemeinwohl-Bilanz darauf gestoßen ist, dass das Heizsystem
in der Firma veraltet ist. Daraufhin hat man es moderner und effizienter gestaltet, indem
jetzt die Abwärme der vielen Rechner, zum Heizen des Gebäudes, durch ein spezielles
Rückkopplungsverfahren, genutzt wird. Im technologischen Bereich sind auch die drei
befragten Großhandelsunternehmen darauf bedacht, dass die Transportwege verkürzt
und optimiert werden und die Fahrzeuge ressourcenschonend funktionieren. Dazu
berichtete Sonja Goldbrunner von Ökoring, dass auch durch die Gemeinwohl-
Berichterstellung eine Optimierung der Fahrstrecken angeregt wurde. Um dies zu
erreichen, sollen die Kunden und Kundinnen befragt werden, ob es möglich wäre eine
Tour, die an einem Tag fern ab der eigentlichen Strecke liegt, ausfallen zu lassen. Der
Großhandel Bodan am Bodensee hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 eine
dekarbonisierte Logistik zu besitzen. Diesbezüglich wurde im letzten Gemeinwohl-
Bericht der Richtwert von 140g CO2 pro km für Fahrzeuge, die neu angeschafft werden,
festgelegt. Außerdem überlegen die Unternehmen Sonnendruck und Göttin des Glücks
auf Ökostrom umzustellen. Viele der befragten Unternehmen wie zum Beispiel Ettl-
Software beziehen schon Ökostrom. Des Weiteren ist ein Teil der Unternehmen, wie
Märkisches Landbrot und Gugler, bereits nach EMAS-Richtlinien
(Umweltmanagementsystem) zertifiziert.
166
Gugler (Hg.): Gemeinwohl-Bilanz. Melk, Österreich 2011. S. 4
Empirische Untersuchung
63
Abschließend wurde mit elf der Pionier-Unternehmen darüber gesprochen, ob sie
anstreben vorhandene Technologien und Wissen mit anderen Unternehmen zu teilen.
Fast alle der Unternehmen pflegen bereits eine oder mehrere Formen der Kooperation
mit Marktteilnehmern und -teilnehmerinnen. Sonja Aigner von Sonnentor berichtete,
dass mit Unternehmen wie Hessnatur (Naturmode), BioPlanète (Bio-Öle), Rapunzel
(Naturkostprodukte) bereits viel Wissen ausgetauscht wird. Man trifft sich auch mit
anderen Unternehmern und Unternehmerinnen wie Joseph Zotter
(Schokoladenmanufaktur), um verschiedene Initiativen und Projekte
weiterzuentwickeln. Göttin des Glücks kooperiert auch mit Sonnentor, indem sie
Wissen und Erfahrungen in Bezug auf neue Geschäftsflächen und Lagen austauschen.
Des Weiteren bekamen sie eine besondere finanzielle Unterstützung, bei der Sonnentor,
vertraglich geregelt, in den nächsten Jahren GDG-Gutscheine für Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, sowie Kunden und Kundinnen abnehmen wird. Außerdem wird in
Zusammenarbeit mit der Firma Gugler das neue EDV Projekt für das Modelabel
gestaltet. Teresa Distelberger von Gugler erzählte, dass der Mediengestalter Wissen und
Material der entwickelten Cradle 2 Cradle-Produkte in einer Art Lizenzmodell für
andere Betriebe zugänglich machen möchte. Die drei Naturkost-Großhändler und -
händlerinnen berichteten, dass bereits mit anderen Großhandelsunternehmen und
Transporteuren zusammengearbeitet wird, um vor allem Transportwege zu optimieren
und Gebietsvorteile auszunutzen. Zum Beispiel hatte sich Ökofrost, mit der
Entwicklung der Marke ‚Biopolar‘ entschieden, diese auch anderen zur Verfügung zu
stellen. So können auch kleinere Kunden und Kundinnen in ganz Deutschland beliefert
werden.
Außerdem schilderte Oliver Viest von <em>faktor, dass mit der Erstellung der Bilanz
deutlich wurde, dass es hilfreich wäre, mehr darauf zu achten, welcher der
Marktteilnehmer oder Marktteilnehmerinnen der Branche, in welchen Bereichen die
meiste Erfahrung und Kompetenz hat, um diese optimal zu nutzen. Aus diesem Grund
trifft sich die Agentur jetzt immer regelmäßig zum Austausch, mit seinen Mitbewerbern
und Mitbewerberinnen. So kam es schon zu einer ersten Kooperation ganz in diesem
Sinne, bei der Aufträge untereinander ausgetauscht wurden. Märkisches Landbrot pflegt
eine andere Art der Kooperation. Für die Lieferbäckerei ist die Qualität der Produkte
von hoher Wichtigkeit und somit wird eng mit den Produzenten und Produzentinnen
Empirische Untersuchung
64
zusammengearbeitet, um optimale Arbeitsbedingungen und Bezahlung zu
gewährleisten. Christoph Deinert berichtete von dem sogenannten runden Tisch (seit
1981), bei dem sich im Sommer mit den Bauern und Bäuerinnen zusammengesetzt und
darüber gesprochen wird, welche Mengen gebraucht werden und wie viel geliefert
werden kann. Dann wird konsensual abgestimmt, wer wann wie viel liefern soll, wobei
eventuelle Lagerschwierigkeiten mit einbezogen werden und zum Schluss wird geklärt,
welchen Preis die Produzenten und Produzentinnen brauchen. In Bezug auf die
Zusammenarbeit mit Lieferanten und Lieferantinnen fiel Markus Elbs im Laufe der
Gemeinwohl-Bilanzierung auf, dass er nichts über die Arbeitsbedingungen des
indischen Lieferanten von Kirchner Konstruktionen weiß. Deshalb ist man jetzt dabei
Informationen zu den Arbeitsumständen einzuholen und bei notwendigen,
nachweisbaren Änderungen, ist Markus Elbs bereit, höhere Stundensätze zu zahlen.
Außerdem erzählten die Unternehmer Paul Ettl und Uwe Treiber, dass die
Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie generell neue Netzwerke eröffnet, um mit
Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und Erfahrungen auszutauschen. Dieser Meinung
waren auch viele, der anderen befragten Pionier-Unternehmen.
Im Verlauf der Interviews und auch in der reflektiven Phase wurde sichtbar, dass die
Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz und dazugehörige Prozess, den befragten
Unternehmen dabei helfen, alle bisherigen und geplanten Maßnahmen zu betrachten
und zu dokumentieren. Alle befragten Unternehmen sind bestrebt sich permanent
weiterzuentwickeln und im Sinne der Gesellschaft zu Handeln Dieses Instrument gibt
ihnen das erste Mal die Möglichkeit, alle Handlungen im Sinne des Gemeinwohls
zusammenzufassen, vergleichbar zu gestalten, zu messen und kritisch zu hinterfragen.
Einige Experten und Expertinnen haben erzählt, dass dies bisher nur zum Teil durch die
Erstellung der Nachhaltigkeitsberichte der Fall war, denn diese Art Bericht stellt nur die
positiven Aspekte im Unternehmen dar, aber beleuchtet nicht Bereiche, die vielleicht
noch verbesserungsfähig sind. Wolfgang Heckel äußerte, dass es vor allem eine Art
Regelmäßigkeit in den Betrieb bringt, da man kontinuierlich alle Bereiche im
Unternehmen beleuchtet und hinterfragt.
Außerdem teilten sich alle die Auffassung, dass der Bericht dem Unternehmen dient,
ihre Arbeit und ihr Handeln nach innen und nach außen hin zu kommunizieren. Denn
Empirische Untersuchung
65
sowohl die Kommunikation mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, als auch die
transparente Offenlegung der Fakten für die Belegschaft und die Stakeholder, hat sich
verbessert. Dadurch kamen in den meisten Pionier-Unternehmen mehr Fragen und
Anregungen von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, weil sie sich als Teil des
Prozesses sahen. Dies kommt auch dadurch zustande, weil viele der befragten
Unternehmen durch die Bilanz erkannt haben, dass sie besonders in Bezug auf die
vorherrschenden Organisationstrukturen und Entscheidungsprozesse, noch Potential zur
Verbesserung besitzen. Somit befand sich die Mehrheit der entstandenen
Verbesserungen im organisatorischen Bereich. Oliver Viest sagte abschließend, dass die
Gemeinwohl-Bilanz, ein wunderbares Organisationsentwicklungsinstrument sei. Alle
Pionier-Unternehmen schilderten, dass der Prozess der Bilanzierung neue Impulse und
Anregungen gegeben hat. Bei einigen war dies mehr und bei anderen weniger der Fall.
Der Großteil der befragten Personen berichtete, dass das Wir-Gefühl im Unternehmen
seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz gestiegen ist. Sie vermuten, dass durch mehr
Kommunikation untereinander und die Diskussion über menschliche Werte, das
Unternehmen mehr als großes Team angesehen wird. Lisa Muhr von Göttin des Glücks
glaubt, dass durch die Diskussion über die Werte der Gemeinwohl-Ökonomie, das
Bewusstsein über die Wichtigkeit und Präsenz der gleichen Werte innerhalb des
Unternehmens gestärkt wurde und damit auch das Wir-Gefühl. Bezüglich der
Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen findet sie, dass man in den Geschäften
stark deren Zufriedenheit und Begeisterung für das Unternehmen spürt. Dies überträgt
sich vor allem auf die Kunden und Kundinnen. Reflektierend fiel Lisa Muhr speziell
auf, dass dieser Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie besonders für die Transparenz des
Unternehmens von Vorteil ist, da er hilft Maßnahmen, die das Unternehmen unternimmt
besser darzustellen und zu verbreiten. Dieter Hallerbach von Bodan glaubt auch, dass
mehr Motivation bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu spüren ist, da insgesamt
mehr Wissen bei mehr Personen vorhanden ist. Dadurch kommt mehr Mitdenken und
Entscheidungsfreude zustande.
Zum Thema Motivation schilderte Florian Gerull, dass die Gemeinwohl-Ökonomie
bewirkt, dass der Mensch als Person im Unternehmen anerkennt und wertgeschätzt
wird. Dabei werden wesentliche innere Motivationsfaktoren wieder gestärkt und somit
Empirische Untersuchung
66
auch das kreative Potential. Er ist der Meinung, wenn sich jemand im Unternehmen
widergespiegelt, wohl und verstanden fühlt, dann mobilisiert er oder sie ganz andere
Kräfte, als wenn er oder sie nur eine Aufgabe verordnet bekommt. Dieser neue Ansatz
wäre sowohl positiv für die Geschäftsführer, da die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
kreativ und produktiv sind, als auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, da sie mit
der Arbeit ihre persönlichen Ziele verfolgen können. So kommt eine Win-Win-Situation
zustande.
Alle Unternehmen sind sich jedoch einig, dass die Motivation etwas zu verändern,
menschlichere Werte zu unterstützen und anders zu wirtschaften, erst von der
Geschäftsleitung selbst kommen muss. Aber die meisten könnten sich auch vorstellen,
wenn die Gemeinwohl-Ökonomie stark vertreten ist, das Konzept aufgeht und die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wesentlich zufriedener (zum Beispiel: weniger
Krankheitsfälle) und die Kunden und Kundinnen begeisterter sind, dass andere
Unternehmen, ihre bisherige Wirtschaftsweise kontinuierlich umstellen.
3.3. DISKUSSION DER ERGEBNISSE
Besonders bedacht werden muss bei dieser Art der Datenerhebung, dass keine
hundertprozentige Objektivität gewährleistet werden kann, da bei qualitativen
Forschungsprozesses, die Interviewer bzw. -innen „bereits durch die Entscheidung,
welche Inhalte sie aufgreifen und vertiefender hinterfragen oder mit welchen
Widersprüchen sie die befragten Personen konfrontieren, die Analyse
prädeterminieren.“167
Außerdem muss berücksichtigt werden, dass aus jedem Unternehmen, nur ein Vertreter
oder eine Vertreterin befragt und somit nur eine Sichtweise zur Thematik aufgenommen
wurde. Aufgrund des begrenzten Umfangs einer Bachelorthesis wurde darauf verzichtet
eine Art Kontrollgruppe zu befragen, um absichtliche Verzerrungen der Realität durch
die Befragten, mithilfe von Meinungen der außenstehenden Personen, in diesem Fall
zum Beispiel die Auditoren und Auditorinnen, abzuschwächen.
167
Naderer, Gabriele: Auswertung & Analyse qualitativer Daten. In: Eva Balzer und Gabriele Naderer
(Hg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2.
Aufl. Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien 2011. S. 413.
Empirische Untersuchung
67
Weiterhin wurde bei einigen Interviews nicht der gesamte Themenbereich abgedeckt.
Die geschah aufgrund einer Vielzahl von interessanten und wichtigen Aussagen zu
einem Aspekt und dem daraus entstandenen Zeitmangel.
Des Weiteren wurde ersichtlich, dass die Innovationsprozesse und die Arten von
Innovationen in jedem Unternehmen unterschiedlich sind. Außerdem variieren die
finanziellen Mittel, die zur Verfügung stehen und die Anzahl der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen. Somit wird die Innovationsfähigkeit in jedem Unternehmen
unterschiedlich stark beeinflusst. Zum anderen basieren die Annahmen zum Thema
Innovationsfähigkeit auf einer Forschungsstudie, mit deren Hilfe die grundlegenden
Erfolgsfaktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit des unternehmerischen
Mittelstandes erläutert wurden. Somit gibt es durchaus noch weitere Faktoren, die mit
einbezogen werden könnten.
Abschließend darf nicht vergessen werden, dass die Gemeinwohl-Ökonomie momentan
noch ein Vorschlag und eine theoretische Ausarbeitung für eine neue Wirtschaftsform
ist, die bislang nur von einigen Unternehmen übernommen und umgesetzt wurde. Somit
existiert noch kein einheitlicher politischer und wirtschaftlicher Rahmen für dieses
Konzept. Das in der Theorie vorgeschlagene Vergünstigungs- und Belohnungssystem
für Firmen, die im Sinne, der Gemeinwohl-Ökonomie wirtschaften, besteht auch noch
nicht. Die Befragten konnten demnach nur über die Auswirkungen und Erfahrungen in
dieser Anfangsphase berichten.
Schlussfolgerung
68
4. SCHLUSSFOLGERUNG
Diese Arbeit wurde mit dem Ziel erstellt, zu erkunden, inwieweit das alternative
Wirtschaftskonzept der Gemeinwohl-Ökonomie die Innovationsfähigkeit von kleinen
und mittelgroßen Unternehmen verbessert. Es sollte erforscht werden, ob ein anders
konzeptioniertes Wirtschaftsystem weiterhin die Innovationsfähigkeit von
mittelständischen Unternehmen am Leben hält und fördert.
Grundlegend wurde zu Beginn betrachtet, welche Faktoren entscheidend für die
Verbesserung der Innovationsfähigkeit sind. Dabei wurde ersichtlich, dass die
Innovationsfähigkeit von Unternehmen ganz stark von der Innovationskultur im
Unternehmen abhängig ist. Besonders intrinsische Motivationsfaktoren wie Vertrauen,
Identifikation, Eigenverantwortung und Wertschätzung, müssen gepflegt werden, damit
ein geeigneter Spielraum für die Entfaltung der Kreativität entsteht um neuartige Ideen
zu generieren. Außerdem erfolgversprechend sind Faktoren wie eine klare strategische
Zielsetzung, der gezielte Aufbau von Kompetenzen, Schaffung von Freiräumen für
Vorentwicklungsprozesse, der optimale Einsatz von Technologie, Netzwerke und
Kooperationen zum Wissens-, Informations-, Qualifikationsaustausch, Einbeziehung
und Erfüllung der Kundenwünsche.
Weiterhin wurde zu Beginn betrachtet, wie sich der Anreizrahmen für Innovationen in
der Gemeinwohl-Ökonomie verändert, da das alternative Wirtschaftssystem, im
Gegensatz zur freien Marktwirtschaft, anders konzeptioniert ist. Somit wird der
Innovationsdrang nicht mehr vorrangig durch die Zielsetzung der Gewinnmaximierung
und dem Überleben des Konkurrenzkampfes gefördert. Der vorrangige Zweck ist die
Entwicklung von sinnvollen und gemeinnützigen Innovationen mit dem Ziel der
Gemeinwohlmaximierung. Denn es werden diejenigen Firmen durch finanzielle
Erleichterungen gefördert, die am verantwortungsvollsten Wirtschaften. Durch die
Betrachtung der Rahmenbedingungen und vorherrschenden Werte in der Gemeinwohl-
Ökonomie wurde offensichtlich, dass weiterhin viele Anreize zur Umsetzung von
erfolgversprechenden Innovationen bestehen.
Schlussfolgerung
69
Aufbauend auf dieser theoretischen Grundlage wurden explorative Interviews mit
Vertretern und Vertreterinnen von zwölf Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-
Ökonomie aus Deutschland und Österreich durchgeführt. Diese wurden anhand einiger
Kriterien gezielt ausgewählt, so dass Unternehmen und Vertreter/-innen möglichst viel
Erfahrung mit dem neuen Konzept mitbrachten. Hauptsächlich wurde mit den Experten
und Expertinnen darüber gesprochen, wie sich verschiedene Erfolgsfaktoren für
Innovationsfähigkeit im Unternehmen mit der Unterstützung der Gemeinwohl-
Ökonomie und der dazugehörigen Gemeinwohl-Bilanzierung, sowie der
Berichterstellung verändert haben.
Anhand der gewonnenen Aussagen zeigte sich, dass die befragten Unternehmen die
Gemeinwohl-Ökonomie unterstützen, weil sie bereits seit langem die gleichen Werte
(Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit,
Demokratie, Mitbestimmung und Transparenz) vertreten und nach einem geeigneten
Instrument, parallel zur Finanzbilanz, gesucht hatten, um Maßnahmen im Sinne des
Gemeinwohls zusammenzufassen, zu beobachten und nach außen zu kommunizieren.
Während der Erarbeitung der Gemeinwohl-Bilanz stellte sich in fast allen Firmen
heraus, dass nicht alle Werte ausreichend umgesetzt und innerhalb des Unternehmens
ausreichend kommuniziert werden. Da alle Unternehmen inhabergeführt und meist noch
hierarchisch strukturiert sind, fehlte es vor allem an Maßnahmen zur Gewährleistung
der Demokratie und Mitbestimmung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im
Unternehmen. Viele Unternehmen leiten bereits Verbesserungen ein oder suchen noch
nach geeigneten Organisationsmodellen. Des Weiteren verbesserte sich die
innerbetriebliche Transparenz in allen Betrieben, durch die Erarbeitung und
Veröffentlichung der Gemeinwohl-Bilanzen, da viele Informationen erstmals für alle
einsehbar gestaltet wurden. Durch die Offenlegung der gelebten Werte und Maßnahmen
zum Wohl der Stakeholder, wird von den Befragten vermutet, dass die Zufriedenheit
und somit die Identifikation der Angestellten mit dem Unternehmen sich erhöht.
Außerdem erkannten einige Firmen durch den Prozess der Gemeinwohl-Bilanzierung
Potential zur Verbesserung zum Thema Aufbau und Anpassung der Kompetenzen der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und versuchten diese auch zu nutzen. Weitere soziale
und organisatorische Verbesserungen wurden in einigen Firmen in den Bereichen
Gesundheitsvorsorge und Beschaffungswesen vorgenommen. Hinsichtlich der
Schlussfolgerung
70
Schaffung von Freiräumen für Vorentwicklungsprozesse von Neuerungen wurde
deutlich, dass aufgrund der kleinen Unternehmensgröße, in den meisten Firmen keine
Freiräume geschaffen werden können und Vorentwicklungsarbeiten meist von der
Geschäftsleitung übernommen werden. Außerdem wurde ersichtlich, dass neuartige
Ideen auch vorrangig von der Geschäftsleitung kommen. Dies verbesserte sich durch die
Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den gesamten Prozess der
Bilanzerstellung. In diesem Prozess kamen auch neue Ideen und
Verbesserungsvorschläge von den Angestellten. In Bezug auf die Verbesserung der
Produkte und Dienstleistungen der befragten Firmen gibt es kaum Spielraum, da diese
in den befragten Unternehmen bereits qualitativ hochwertig, sinnvoll und nutzbringend
sind. Bezüglich der Optimierung der Energienutzung und der Fahrstrecken kam es
durch die Gemeinwohl-Bilanz zu Anregungen und Verbesserungen. Zum Thema
Kooperation berichteten viele der Befragten, dass das Unternehmen bereits eine oder
mehrere Formen der Kooperation mit Marktteilnehmern und -teilnehmerinnen pflegt.
Mit der Erstellung der Bilanz wurde vielen allerdings bewusster, dass unterschiedliche
Erfahrung und Kompetenz der Marktteilnehmer oder Marktteilnehmerinnen der
Branche bei Aufträgen optimal ausgenutzt werden sollten. Außerdem eröffnet die
Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie neue Netzwerke, um Erfahrungen
auszutauschen.
Insgesamt wird ersichtlich, dass die Beschäftigung mit den Kriterien der Gemeinwohl-
Ökonomie und die Zusammenarbeit mit dem externen Auditor bzw. mit der externen
Auditorin während der Erarbeitung der Gemeinwohl-Bilanz, es ermöglichen, gezielt alle
Bereiche des Unternehmens zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen. Somit sind zum
Teil ganz neue Beobachtungen zustande gekommen, die neue Ideen und
Verbesserungen mit sich gebracht haben. Vor allem im Bereich der Innovationskultur
wurde erkannt, dass man die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr einbinden und
mitentschieden lassen muss. Es wird deutlich, dass der Prozess der Gemeinwohl-
Bilanzierung viele der Erfolgsfaktoren zur Verbesserung der Innovationsfähigkeit
positiv beeinflusst. Demnach findet eine Art der Organisationentwicklung statt. Dabei
muss allerdings bedacht werden, dass für alle der befragten Unternehmen der Beitritt
zur Bewegung eine logische Konsequenz ihres bisherigen Handelns war. Die
Gemeinwohl-Bilanz dient als Gegenstück zur Finanzbilanz, um ökologische und soziale
Schlussfolgerung
71
Maßnahmen aufzuzeichnen, vergleichbar zu gestalten und nach außen zu
kommunizieren. Es wurde in keiner der befragten Firmen ein kompletter Wertewandel
durch die Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie hervorgerufen. Deshalb basiert die
beobachtete Verbesserung der Innovationsfähigkeit nicht nur auf der Gemeinwohl-
Ökonomie. Dieser positiven Entwicklung liegt ebenfalls ein Prozess des Umdenkens
zugrunde.
Abschließend kann gesagt werden, dass die Gemeinwohl-Ökonomie die Verbesserung
der Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelgroßen Unternehmen ermöglicht und vor
allem Potential für soziale und organisatorische Innovationen aufzeigt.
Ausblick
72
5. AUSBLICK
Alle Unternehmen waren sich einig, dass die Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie
keinen signifikanten Wertewandel im Betrieb ausgelöst hat. Dieses Umdenken ist meist
schon mit der Gründung der Firma präsent gewesen oder entwickelte sich im Laufe der
Jahre. Viele der Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen der befragten Unternehmen
besitzen bereits selbst die Motivation an der bestehenden Wirtschaftsform etwas zu
ändern und ein verantwortungsvolleres Unternehmen zu gestalten. Dieses Verhalten
wird auch immer mehr von den Kunden und Kundinnen honoriert, weil auch diese
umdenken. Es wurde ersichtlich, dass momentan die Gemeinwohl-Ökonomie von
Unternehmen mit gleichen Werten unterstützt wird. Die Mehrheit der Pionier-
Unternehmen gehört dem unternehmerischen Mittelstand an, da die Beschäftigtenanzahl
und die Unternehmensform wahrscheinlich eher ein Umdenken und Umstrukturieren
zulassen, als in großen Aktiengesellschaften. Diese Unternehmen und die weiteren
Unterstützer und Unterstützerinnen leisten Pionierarbeit und optimieren und verbessern
das Konzept, damit es vollständig umsetzbar wird. Es ist zu vermuten, dass bei einem
zukünftigen Zuwachs des gemeinwohlorientierten Sektors gegenüber dem
privatorientierten Sektor, der rechtliche Rahmen dementsprechend umgestellt wird. Dies
würde bedeuten, dass das Gemeinwohl-Streben mit steuerlichen Begünstigungen,
günstigeren Kredite, usw. gefördert wird. Dadurch werden womöglich mehr
Unternehmen umdenken und sich dieser Bewegung anschließen. Mehr Unternehmen
werden so auch den Anreiz haben gemeinnützige und sinnvolle Innovationen zu
entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Literaturverzeichnis
73
LITERATURVERZEICHNIS
Bachinger, Eva M.: Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz 2012. Online verfügbar unter
http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/sites/default/files/Handbuch.4.1.2.pdf,
zuletzt aktualisiert am 29.10.2012, zuletzt geprüft am 07.05.2013.
Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael: Prozessmanagement. Ein Leitfaden
zur prozessorientierten Organisationsgestaltung. 7. Aufl. Berlin: Springer Gabler
2012.
Becker, Wolfgang; Holzmann, Robert: Selbstkontrolle von Mitarbeitern fördern. Wie
aus Vorgaben selbst gesetzte Ziele werden. In: Zeitschrift Führung + Organisation,
26.02.2013 (02/2013), S. 96–102. Online verfügbar unter http://www.wiso-
net.de/genios1.pdf?START=0A1&ANR=2341023&DBN=ZECO&ZNR=1&ZHW=-
4&WID=45342-3290273-81228_6, zuletzt geprüft am 03.05.2013.
Brandl, Karl H.; Cox, Peter M.; Rundnagel, Regine: Innovationskennzahlen zur
Beschäftigungsförderung. Hg. v. Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf 2005. Online
verfügbar unter http://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_110.pdf, zuletzt aktualisiert am
26.07.2007, zuletzt geprüft am 06.05.2013.
Brüsemeister, Thomas: Qualitative Forschung. Ein Überblick. 2. Aufl. Wiesbaden: VS
2008.
Carr, Andrew E.; Li-Ping Tang, Thomas: Sabbaticals and Employee Motivation:
Benefits, Concerns, and Implications 2005. Online verfügbar unter
http://content.ebscohost.com/pdf9/pdf/2005/JEB/01Jan05/16069882.pdf?T=P&P=A
N&K=16069882&S=R&D=buh&EbscoContent=dGJyMMTo50SeprM4yOvqOLCm
r0ueprVSsK64S7eWxWXS&ContentCustomer=dGJyMPGqsVCurbFNuePfgeyx44D
t6fIA, zuletzt aktualisiert am 15.02.2005, zuletzt geprüft am 05.07.2013.
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (Hg.): Bericht über die
menschliche Entwicklung 2013 (Kurzfassung). Berlin: UNO-Verlag 2013. S. 5.
Online verfügbar unter
http://hdr.undp.org/en/media/HDR2013%20Summary%20German.pdf, zuletzt
geprüft am 14.08.2013.
Europäische Kommission (Hg.): Eine neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale
Verantwortung der Unternehmen (CSR). 2011. Online verfügbar unter http://eur-
lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0681:FIN:DE:PDF,
zuletzt aktualisiert am 26.10.2011, zuletzt geprüft am 18.06.2013.
Europäische Kommission (Hg.): Die neue KMU-Definition. Benutzerhandbuch und
Mustererklärung. 2006. Online verfügbar unter
http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/files/sme_definition/sme_user_guide_de.p
df, zuletzt aktualisiert am 16.06.2006, zuletzt geprüft am 02.08.2013.
Felber, Christian: Die Gemeinwohl-Ökonomie. Eine demokratische Alternative wächst.
Wien: Deuticke 2012.
Literaturverzeichnis
74
Felber, Christian: Neue Werte für die Wirtschaft. Eine Alternative zu Kommunismus
und Kapitalismus. Wien: Deuticke 2008.
Feldmann, Sebastian et al.: Serviceinnovation. Potenziale industrieller Dienstleistungen
erkennen und erfolgreich implementieren. Berlin [u.a.]: Springer 2012.
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Projekte. Patterns of
Organisational Change in European Industry (PORCH). Online verfügbar unter
http://www.isi.fraunhofer.de/isi-de/i/projekte/porch.php, zuletzt geprüft am
14.08.2013.
Gemeinwohl-Ökonomie. Online verfügbar unter http://www.gemeinwohl-
oekonomie.org/de, zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Der Weg zur Gemeinwohl-Bilanz. Informationen zu
Bilanz, Beratung, Audit & Mitgliedschaft für Interessierte und Pionierunternehmen
der Gemeinwohl-Ökonomie. Online verfügbar unter http://www.gemeinwohl-
oekonomie.org/sites/default/files/FO-Gemeinwohlbilanz-f%C3%BCr-mein-
Unternehmen-A4-121.pdf, zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Gemeinwohl-Matrix 4.1. 2013. Online verfügbar unter
http://www.gemeinwohl-oekonomie.org/sites/default/files/GWOe-Matrix-4.1..pdf,
zuletzt geprüft am 19.08.2013.
Gugler (Hg.): Gemeinwohl-Bilanz. Melk, Österreich 2011.
Guzy, Arthur: Kein Wachstum um jeden Preis. Kurzbericht. Hg. v. TNS Emid.
Bertelsmann Stiftung 2012. Online verfügbar unter http://www.bertelsmann-
stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-5CD3418E-
7C352C6F/bst/xcms_bst_dms_36359_36360_2.pdf, zuletzt aktualisiert am
14.08.2012, zuletzt geprüft am 13.06.2013.
Hagedoorn, John; Duysters, Geert: External Sources of Innovative Capabilities. The
Preference for Strategic Alliances or Mergers and Acquisitions. In: Journal of
Management Studies, 27.09.2007 (03/2002), S. 167–188. Online verfügbar unter
http://arno.unimaas.nl/show.cgi?fid=9840, zuletzt geprüft am 25.07.2013.
Hartschen, Michael; Scherer, Jiri; Brügger, Chris: Innovationsmanagement. Die 6
Phasen von der Idee zur Umsetzung. Offenbach: Gabal Verlag 2009. Online
verfügbar unter http://www.wiso-
net.de/Innovationsmanagemen.pdf?START=0A1&ANR=257&DBN=GABA&ZNR
=1&ZHW=-8&DRMART=2&FSIZE=7&DOMAIN=www.wiso-
net.de&WID=43652-9450353-71221_2, zuletzt geprüft am 24.05.2013.
Hauschildt, Jürgen; Salomo, Sören: Innovationsmanagement. 4. Aufl. München: Vahlen
(Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) 2007.
Hessel, Stéphane: Empört euch! 2. Aufl. Berlin: Ullstein 2011.
Honer, Anne: Kleine Leiblichkeiten. Erkundungen in Lebenswelten. Wissen,
Kommunikation und Gesellschaft. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für
Literaturverzeichnis
75
Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage, Wiesbaden 2011. Online verfügbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-531-92839-5_3.pdf, zuletzt
geprüft am 01.05.2013.
Julmi, Christian; Scherm, Ewald: Vertrauen schafft Kreativität. Wie ein kreativer
Spielraum entsteht. In: Zeitschrift Führung + Organisation 82, 26.02.2013
(02/2013), S. 103–109. Online verfügbar unter http://www.wiso-
net.de/genios1.pdf?START=0A1&ANR=2341024&DBN=ZECO&ZNR=1&ZHW=-
4&WID=45342-3290273-81228_5, zuletzt geprüft am 03.05.2013.
Jungheim, Gregor: Kooperation motiviert Menschen stärker als Wettbewerb. In: Die
Stiftung Special, 25.12.2012 (Sonderausgabe Sozial Entrepreneurship/2012), S. 44–
46. Online verfügbar unter http://www.wiso-
net.de/genios1.pdf?START=0A1&ANR=1540938&DBN=ZGEN&ZNR=1&ZHW=-
4&WID=65922-2620363-01925_4, zuletzt geprüft am 25.04.2013.
Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit.
Hg. v. Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung Fraunhofer-Institut
für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart 2007. Online verfügbar unter
http://wiki.iao.fraunhofer.de/index.php/Kritische_Erfolgsfaktoren_zur_Steigerung_d
er_Innovationsf%C3%A4higkeit, zuletzt aktualisiert am 06.08.2012, zuletzt geprüft
am 05.04.2013.
Mey, Günter; Mruck, Katja: Qualitative Interviews. In: Eva Balzer und Gabriele
Naderer (Hg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen -
Methoden - Anwendungen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer
Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011. S. 257–288. Online verfügbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-8349-6790-9_14.pdf, zuletzt
geprüft am 01.05.2013.
Naderer, Gabriele: Auswertung & Analyse qualitativer Daten. In: Eva Balzer und
Gabriele Naderer (Hg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis.
Grundlagen - Methoden - Anwendungen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler Verlag /
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011. S. 405–434. Online verfügbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-8349-6790-9_20.pdf, zuletzt
geprüft am 01.05.2013.
Sammerl, Nadine: Innovationsfähigkeit und nachhaltiger Wettbewerbsvorteil. Messung,
Determinanten, Wirkungen. 1. Aufl. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag
(Gabler Edition Wissenschaft : Marktorientierte Unternehmensführung und
Internetmanagement) 2006. Online verfügbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-8350-9436-9_2.pdf, zuletzt
geprüft am 16.04.2013.
Sammerl, Nadine; Wirtz, Bernd W.; Schilke, Oliver: Innovationsfähigkeit von
Unternehmen. In: DBW - Die Betriebswirtschaft 68, 27.03.2008 (2/2008), S. 131–
158. Online verfügbar unter http://www.wiso-
net.de/genios1.pdf?START=0A1&ANR=1056822&DBN=ZECO&ZNR=1&ZHW=-
4&WID=31132-2050573-72120_6, zuletzt geprüft am 25.07.2013.
Literaturverzeichnis
76
Schreier, Margrit: Qualitative Stichprobenkonzepte. In: Eva Balzer und Gabriele
Naderer (Hg.): Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis. Grundlagen -
Methoden - Anwendungen. 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer
Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011. S. 241–256. Online verfügbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-8349-6790-9_13.pdf, zuletzt
geprüft am 01.05.2013.
Schuh, Günther: Technologiemanagement. Handbuch Produktion und Management. 2.
Aufl. Berlin: Springer 2011.
Sommerlatte, Tom; Beyer, Georg; Seidel, Gerrit; Sommerlatte, Tom (Hg.)
Innovationskultur und Ideenmanagement. Strategien und praktische Ansätze für
mehr Wachstum. 1. Aufl. Düsseldorf: Symposion 2006.
Spitzley, Anne et al.: Überholspur Innovation. Messung, Bewertung, und Steigerung der
Innovationsfähigkeit durch www.innoscore.de. Hg. v. Fraunhofer-Institut für
Arbeitswirtschaft und Organisation IAO. Stuttgart 2007. Online verfügbar unter
http://www.innovation.iao.fraunhofer.de/content/dam/innovation/de/documents/uebe
rholspur_Innovationtcm481-103592.pdf, zuletzt aktualisiert am 10.09.2007, zuletzt
geprüft am 12.04.2013.
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort:
Innovationsfähigkeit, Online verfügbar unter
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/82551/innovationsfaehigkeit-v6.html,
zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Motivation,
Online verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/55007/motivation-
v6.html, zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort:
Produktinnovation, Online verfügbar unter
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/57695/produktinnovation-v8.html, zuletzt
geprüft am 14.08.2013.
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Innovation, Online
verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/54588/innovation-v8.html,
zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Wissen, Online
verfügbar unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75634/wissen-v4.html,
zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Springer Gabler Verlag (Hg.), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort:
Zweifaktorentheorie, Online verfügbar unter
http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/77704/zweifaktorentheorie-v6.html,
zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Statistisches Bundesamt. Zahlen & Fakten. Kleine & mittlere Unternehmen. Online
verfügbar unter
Literaturverzeichnis
77
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHa
ndwerk/Kleine
MittlereUnternehmenMittelstand/KleineMittlereUnternehmenMittelstand.html, zuletzt
geprüft am 14.08.2013.
v. Wulff, D. Rehfus (Hg.): Handwörterbuch Philosophie. Stichwort: John Stuart Mill. 1.
Aufl. Göttingen, Oakville: Vandenhoeck & Ruprecht 2003, Online verfügbar unter
http://www.philosophie-woerterbuch.de/online-
woerterbuch/?title=Mill%2C%20John%20Stuart&tx_gbwbphilosophie_main%5Bact
ion%5D=show&tx_gbwbphilosophie_main%5Bcontroller%5D=Lexicon&tx_gbwbp
hilosophie_main%5Bentry%5D=33&cHash=fa7d5cc5ba1395fab03c577ca6410814,
zuletzt geprüft am 14.08.2013.
Wagner, Kristina et al.: Fit für Innovationen. 9 Gestaltungsfelder für Innovation. Hg. v.
Universität Stuttgart Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.
Stuttgart 2007. Online verfügbar unter
http://www.innovation.iao.fraunhofer.de/content/dam/innovation/de/documents/Fit_f
uer_Innovationentcm481-91407.pdf, zuletzt aktualisiert am 28.02.2013, zuletzt
geprüft am 05.04.2013.
Weller, Dirk; Hunschock, Regina: Holakratie. - ein systemisch-integraler
Entwicklungsansatz für Führung und Organisation. In: Wirtschaftspsychologie,
12.11.2012 (3/2012), S. 89–99. Online verfügbar unter http://www.wiso-
net.de/genios1.pdf?START=0A1&ANR=2568985&DBN=ZECO&ZNR=1&ZHW=-
4&WID=77432-6210373-52520_4, zuletzt geprüft am 12.08.2013.
Eidesstattliche Erklärung
78
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich versichere hiermit, dass ich, Sophie Erdmann, die vorliegende Bachelorthesis mit
dem Titel „Potential der Gemeinwohl-Ökonomie zur Verbesserung der
Innovationsfähigkeit in KMU“ eigenständig und ohne unzulässige fremde Hilfe verfasst
habe. Ich habe keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt
sowie wörtliche und sinngemäße Zitate kenntlich gemacht. Die Arbeit hat in gleicher
oder ähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.
Immenstadt, 23.08.13_______
Ort, Datum
Anhang
80
(Quelle: Kirner, Eva et al.: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit. Hg. v.
Fraunhofer-Institut für System-und Innovationsforschung Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und
Organisation IAO. Stuttgart 2007. S. 51 f.)
Anhang
81
ANHANG 2: GEMEINWOHL-MATRIX 4.1
(Quelle: Gemeinwohl-Ökonomie (Hg.): Gemeinwohl-Matrix 4.1. 2013.)
Anhang
82
ANHANG 3: INTERVIEWLEITFADEN
Erste Phase:
Einleitung zum Thema und zur Problemstellung
Fragen zur Person (falls notwendig)
a. Wie lange arbeiten Sie bereits für das Unternehmen?
b. Was sind Ihre Verantwortungsbereiche?
c. Haben Sie den Prozess der Bilanzierung nach dem Konzept der
Gemeinwohl-Ökonomie mit begleitet?
Warm-up Fragen zur Gemeinwohl-Ökonomie
a. Seit wann unterstützt das Unternehmen die Gemeinwohl-Ökonomie?
b. Wurde das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie an alle Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen kommuniziert? Wenn ja, wie, in welcher Form?
Zweite Phase:
1) Werden die Werte der Gemeinwohl-Bilanz in der allgemeinen
Unternehmensstrategie verankert?
2) Glauben Sie, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich, mit dem
Unternehmen als Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie und den
damit verbundenen Werten, stärker identifizieren können als ohne dieses
Engagement?
3) A. Wird sichergestellt, dass die Kompetenzen der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen diesem Wandel angepasst werden? Wenn ja, wie?
B. Wird versucht, die speziellen Kompetenzen des Einzelnen bzw. der
Einzelnen, optimal für die Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen?
4) A. Werden Projekte und Maßnahmen speziell zur Verbesserung der
Gemeinwohl-Bilanz entwickelt? Könnten Sie mir dafür Beispiele nennen?
B. Werden speziell zu diesem Zweck mehr Freiräume für
Vorentwicklungsprozesse geschaffen? Worin genau bestehen diese Freiräume?
(zeitlich, räumlich, inhaltlich)
5) A. Versuchen Sie innovative Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch
finanzielle oder nicht-finanzielle Anreize aktiv zu fördern?
Anhang
83
B. Glauben Sie, dass die Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz ein Anreiz für
die Einbringung neuer Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist?
6) Wird seit der ersten Bilanzierung nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standard mehr
darauf geachtet, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich in die
Entscheidungsprozesse einbringen können?
7) Werden die Kunden und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von
Neuerungen mit einbezogen um den größtmöglichen Nutzen und Sinn des
Produktes bzw. der Dienstleistung zu gewährleisten? Könnten Sie mir dafür
Beispiele nennen?
8) Wie hat sich das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit eines
Produktes bzw. einer Dienstleistung im Unternehmen, mit der Einführung der
Gemeinwohl-Bilanz, verändert?
9) Wie sehr ist man seit der Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie bei der
Anschaffung neuer Technologien darauf bedacht, dass sie energie- und
ressourcenschonend sind? Wie wird das überprüft?
10) Streben Sie an, vorhandene Technologien und Wissen mit anderen Unternehmen
zu teilen? Wenn ja, wie? Was ist dabei die Zielsetzung aus ihrer Sicht?
Dritte Phase: reflexive Phase
Unklarheiten beseitigen
Grobe Tendenz herstellen
a. Würden Sie zusammenfassend sagen, dass ihr Unternehmen durch die
Unterstützung der Gemeinwohl-Ökonomie innovationsfähiger geworden
ist? Wenn ja, in welchem Bereich? (Produktinnovation,
Serviceinnovation, Prozessinnovation, organisatorische Innovation,
soziale Innovation)
b. Ist das Wir-Gefühl im Unternehmen seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz
gestiegen?
c. Gab es aus ihrer Sicht eine Veränderung in der Motivation der
Beschäftigten? Inwiefern?
Anhang
84
ANHANG 4: DARSTELLUNG DER INTERVIEWS
Anhang 4 A: Interview mit Dieter Hallerbach von „Bodan Großhandels GmbH“
Dieter Hallerbach ist Leiter des Bereichs Logistik und arbeitet seit 2008 bei der „Bodan
Großhandels GmbH“. Das Unternehmen ist als Großhandel für Naturkost-
Facheinzelhändler und -händlerinnen tätig und hat seinen Sitz in Überlingen am
Bodensee.
Die „Bodan GmbH“ beschäftigt 170 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Bodan“ hat
unter allen Großhändlern in Deutschland den größten Anteil an Demeter-Produkten. Bei
den Produktauflistungen wird außerdem darauf geachtet, dass sie möglichst regional
bezogen werden. Es ist Pionier-Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie mit drei
Sämchen.
Dieter Hallerbach war mit, am Prozess der Bilanzierung nach Gemeinwohl-Standards
und der Erstellung des Berichtes, beteiligt. Die Einbeziehung der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen in den Erstellungsprozess der Gemeinwohl-Bilanz und des Berichtes,
beschreibt Herr Hallerbach wie folgt: Am Anfang des Prozesses wurden die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen zu einer Gesamtbesprechung eingeladen. Dabei wurde die Bilanz
und die Matrix vorgestellt. Diese Zusammenkunft sollte als Einladung an die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dienen, dass diejenigen, die interessiert sind gerne am
Bericht mitwirken können. Aus dieser Startrunde heraus, haben sich Gruppen gebildet,
die sich um die einzelnen Bereiche kümmern, jeder Einzelnen und jede Einzelne in dem
Bereich, wo er oder sie, der Meinung waren, dass sie am meisten mit dazu beitragen
können. So haben sich dann unterschiedlich starke Gruppen für die einzelnen
Schwerpunkte (Matrixfelder A-E, siehe Gemeinwohl-Matrix Anhang 2) gebildet. Der
Logistikleiter ist in der Gruppe E mitbeteiligt. Dieter Hallerbach geht davon aus, dass je
mehr diese Gruppen zusammen arbeiten und Veränderungen einleiten, desto mehr
Interesse wird auch von weiteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen kommen, die noch
nicht freiwillig am Prozess beteiligt sind. Diese Gruppen bestehen demnach weiter und
sollen die Ziele, die im Bericht festgelegt wurden auch weiter verfolgen und den
Prozess beobachten:
Anhang
85
Kurzfristige Ziele
- „Naturnahe Gestaltung des BODAN Firmengeländes in Überlingen,
- ausschließlicher Einsatz umweltfreundlicher Kühlmittel im Neubau,
- Dekarbonisierung (Minimierung des Verbrauchs fossiler Brennstoffe) der
Kühllogistik“
Langfristige Ziele
„Die Inhalte der Gemeinwohl-Ökonomie werden wir in süddeutschen Raum mit
unseren Partnern vorantreiben und praktizieren. Das Motto heißt „Kooperation statt
Konkurrenz“.“
(entnommen aus dem Gemeinwohl-Bericht 2012)
Während dieses Prozesses kamen auch direkt neue Ideen von den beteiligten
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Dieter Hallerbach berichtet, dass Ideen, die wieder
in Vergessenheit geraten waren, wieder neu entdeckt wurden. Zum Beispiel aus der
Gruppe C (Mitarbeiter, Transparenz, Arbeitsplatzqualität, usw.) kam wieder zur
Sprache, dass man das Dienstfahrradprojekt von vor sechs Jahren, wieder auf die
Agenda nimmt. Also, dass die Menschen, die ein Fahrrad nutzen möchten, eines der
damals gekauften Dienstfahrradflotte nutzen können. Des Weiteren kam heraus, dass
das Thema der Mitarbeitervertretungen noch einmal darauf geprüft werden muss,
inwiefern wirklich die Möglichkeit besteht mitzusprechen und ob es Raum zur
Verbesserung gibt. Falls dabei herauskommen sollte, dass die Personen, die damals
gewählt wurden, nicht ganz das notwendige Know-how besitzen, um die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen entsprechend zu vertreten, soll geklärt werden, inwieweit dies
durch entsprechende Schulungen behoben werden kann. Der Wunsch, dass die
Mitarbeitervertretungen sich mehr in die Entscheidungsprozesse mit einbringen können,
entstand mit Erstellung des ersten Berichtes.
Bezüglich der Entwicklung und Verbesserung der Qualifikationen aller Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Erstellung des ersten
Berichtes von 2011 gesagt, dass sie die Personalentwicklung erweitern möchten. Mit
diesem Ziel besuchen nun alle Neuzugänge eines Halbjahres aus allen Bereichen ein
zweitägiges Seminar, um Wissen über die Firma, Branche, Ziele, Struktur, usw. zu
erlangen.
Anhang
86
Dieter Hallerbach berichtet, dass sich das Verständnis von Qualität und
Umweltfreundlichkeit eines Produktes mit der Einführung der Gemeinwohl-Bilanz
nicht verändert hat, da für „Bodan“ seit Anfang an der Leitspruch „Regional ist erste
Wahl“ ganz oben steht und nur Produkte in Bio-Qualität verkauft werden.
Im technologischen Bereich hat der Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie nur noch eine
Bestärkung der bisherigen Zielsetzungen gebracht, aber keine speziellen
Veränderungen. Dieter Hallerbach berichtet, dass das Ziel bis 2020 eine dekarbonisierte
Logistik zu besitzen seit langem im Unternehmen existiert. Der Prozess der energie-
effizienten Verteilung der Ware ist seit Firmengründung am Laufen. Die Festlegung des
Richtwertes von 140g CO2 pro Kilometer bei Fahrzeugen, die neu angeschafft werden,
schreibt er speziell der Erstellung des Gemeinwohl-Berichtes zu.
Weitere Maßnahmen, die speziell auf die Einführung der Gemeinwohl-Ökonomie
zurückzuführen sind, wurden im Gemeinwohl-Bericht von 2012 des Unternehmens
gefunden und wurden im Gespräch aufgrund des zeitlichen Rahmens nicht
angesprochen. Zum einen wurde aufgrund des Berichtes von 2011 ein neuer
Angestellten-Arbeitsvertrag entworfen, der die Verhältnisse neu regelt und mehr im
Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie ist. Zum anderen ist die Vergabe von Genussrechten
und Mitarbeiterbeteiligungen in Höhe von je bis zu 100.000,-€ in 2012 vorbereitet
worden und wird 2013 umgesetzt.
Nach Herrn Hallerbach wurde der Austausch mit direkten Mitbewerbern und
Mitbewerberinnen am Markt bereits gepflegt. Teilweise wird auch mit konventionellen
Transporteuren zusammengearbeitet, weil es dafür im Moment noch keine ökologisch
bessere Lösung gibt. Wenn es ökologisch für einen gewissen Zeitraum noch keine
bessere Lösung gibt, möchten sie auch weiterhin auf diese Lösungen zurückgreifen.
Dies soll aber auch so kommuniziert werden, damit für den Fall, dass eine bessere
Variante existiert, der konventionelle Transporteur durch diese ersetzt werden kann.
Dabei wird auch in Kauf genommen, dass sich jeder die Ware anschauen kann. Der
Mitbewerber oder die Mitbewerberin kann ruhig wissen, wie die Fahrzeuge gebaut
werden, denn letztendlich sind die Menschen im Unternehmen, diejenigen die den
Unterschied gestalten. Dadurch könnte vielleicht auch erreicht werden, dass andere
Transporteure bessere und umweltschonendere Standards übernehmen.
Anhang
87
Dieter Hallerbach ist der Meinung, dass dieser Prozess, bei dem das erste Mal mehrere
Personen sich alle Handlungen des Unternehmens genau anschauen, viel Potential für
neue Ideen und Verbesserungen, besitzt. Er erläutert, dass der Prozess teilweise dabei
hilft vieles transparenter zu gestalten und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
zugänglich zu machen, aber dies funktioniert nicht bei allen Themen. Er beschreibt
dieses Phänomen anhand eines Malers, der ein Bild vor Augen hat und dieses auch
erklären kann, aber solange das Bild noch nicht vollständig zu sehen ist, wird der
Betrachter nie ganz verstehen, wie es endgültig sein wird. So etwa geschieht es bei
einigen Ideen und Visionen der Geschäftsleitung, die bis zu ihrer Umsetzung vielleicht
nicht das ganze Verständnis auf ihrer Seite haben.
Zusammenfassend glaubt er, dass mehr Motivation bei den Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen zu spüren ist, da insgesamt mehr Wissen bei mehr Personen vorhanden
ist. Dadurch ist auch mehr Mitdenken und Entscheidungsfreude vorhanden und es wird
mehr diskutiert und nachgefragt, was es früher nicht gab. Man schaut einmal mehr über
den Tellerrand hinaus.
Anhang
88
Anhang 4 B: Interview mit Oliver Viest von „<em>faktor – Die Social Profit
Agentur GmbH“
Dr. Oliver Viest ist Geschäftsführer der Agentur und Experte in Sachen Corporate
Social Responsibility und Fundraising.
Das Unternehmen wurde 2003 gegründet, beschäftigt zehn Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen und ist in den Bereichen Markenentwicklung, Fundraising,
Sponsoring, Sozialkampagnen und CSR tätig. Ihre Kunden und Kundinnen sind vor
allem Non-Profit-Organisationen. Die Agentur verfolgt das Ziel „Social-Profit“ zu
generieren, also einen Nutzen für die Gesellschaft und für das Gemeinwohl. Seit 2012
unterstützt das Unternehmen die Gemeinwohl-Ökonomie und vor Kurzem erst ist der
Gemeinwohl-Bericht 2012/13 erschienen. Die Bilanz wurde extern auditiert und
veröffentlicht.
Oliver Viest ist vor etwa anderthalb Jahren bei einem Vortrag auf das Thema gestoßen
und war überzeugt davon, dass das die Werte sind nach denen wir als Menschen zu
leben streben. Denn er selbst möchte etwas verändern und war schon seit langem der
Meinung, dass vieles ungerecht geregelt ist. Da er aber mitten im Geschäftsleben steht,
hat er momentan leider wenig Zeit für zusätzliches politisches und soziales
Engagement. Des Weiteren war ein ausschlaggebender Punkt, dass es bereits ein gut
operables Raster gibt, welches als eine Art Anleitung für den Unternehmer oder die
Unternehmerin dient. Die Gemeinwohl-Matrix erschien ihm so kompakt und so gut
zusammengefasst, dass er selbst als Unternehmer sich nicht noch einmal alle Kriterien
selbst erarbeiten musste, sondern es fast genauso übernehmen konnte. Weitere zwei
Punkte, die ihn zum Beitritt motiviert haben, waren zum einen die Möglichkeit der
Mitarbeiterbindung und -gewinnung, da man sich so transparenter als guter Arbeitgeber
positionieren kann und zum anderen auch das positive Image der Agentur nach außen
reflektieren kann.
Herr Viest berichtet, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anfangs nur darüber
informiert waren, dass das Unternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie beitritt und was
das bedeutet, aber sie waren nicht in den Prozess mit einbezogen. Für ihn selbst war die
erste Phase eine Erhebung aller Daten, welche er zusammen mit einer externen
Anhang
89
Beraterin noch einmal kritisch hinterfragt hat. Er ist der Meinung, dass bei einem solch
kleinen Unternehmen alles so transparent und übersichtlich gestaltet ist, dass man alles
relativ genau einschätzen kann. Um grobe Fehleinschätzungen von seiner Seite aus zu
vermeiden, überprüfte eine Mitarbeiterin die fertige Bilanz, bevor sie dem Auditor
übergeben wurde. Bei der zweiten Bilanzerstellung sollen die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen mehr eingebunden werden.
Momentan wird angefangen im gesamten Team die Bilanz durchzuarbeiten. Dazu hat
Herr Viest einzelne Punkte vermerkt, die womöglich verbessert werden können. Diese
und weitere Punkte sollen nun in der Gruppe diskutiert werden. In dieser Phase ist ihm
wichtig, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einbezogen werden, da sie
konkret davon betroffen sind. Als Beispiel nennt er den Bereich Einkauf. Da in diesem
Bereich eine nachhaltige und sozialgerechte Beschaffung von Leistungen gewährleistet
werden soll, braucht es die Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern und
Mitarbeiterinnen, da es von ihnen letztendlich umgesetzt wird.
Laut Oliver Viest gab es eine ganze Reihe von Anregungen während der Bearbeitung
der 17 Indikatoren, die von der Gemeinwohl-Ökonomie aufgestellt wurden. Dabei gab
es bereits schon Aspekte, die sofort umgesetzt wurden, zum Beispiel im Bereich
Strategie. Diesbezüglich wurde während der Gespräche mit der Auditorin ersichtlich,
dass viele Prozesse im Unternehmen teilweise ohne strategische Verankerung ablaufen.
So kann es sein, dass innerhalb von einem kurzen Zeitraum konkrete Aspekte auf eine
andere Art und Weise verlaufen als zuvor. Dies fördert natürlich nicht die Transparenz
und klare strategische Ausrichtung des Unternehmens. Herr Viest meint, dass daran
gearbeitet werden muss, damit alle Werte und Ziele in der Unternehmensstrategie
verankert sind und dementsprechend gelebt werden. So dass zum Beispiel bei dem
Engagieren einer Druckerei, von allen genau gewusst wird, auf welche Aspekte geachtet
werden muss, damit diese Zusammenarbeit in Kohärenz mit den Zielen des
Unternehmens abläuft.
Hinsichtlich der Schaffung von Freiräumen, um aufgekommene
Verbesserungsvorschläge umzusetzen, würde Herr Viest sich wünschen, dass Freiräume
geschaffen werden könnten. Da die Agentur aber nur aus zehn bis zwölf Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen besteht und die Arbeitszeit meistens ausschließlich für die
Anhang
90
Projekte und Aufträge genutzt wird, ist es schwierig zu realisieren. Somit stellt er sich
eher vor, dass gute Lösungen schnell und mit möglichst geringem Aufwand gefunden
werden.
Das Unternehmen ist mit einer sehr flachen Hierarchie aufgebaut und ein Großteil der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist in der Beratung und Betreuung von Kunden tätig.
Somit ist das Unternehmen nicht exakt in einzelne Verantwortungsbereiche unterteilt,
sondern ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin kann mehrere Bereiche abdecken. Somit
liegen die einzelnen Bereiche der Gemeinwohl-Ökonomie eher ganzheitlich in der
Verantwortung von allen und es ist schwer einen Bereich, entsprechend der Tätigkeit,
zuzuordnen.
Zum Thema Motivation und Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schildert
Oliver Viest, dass bereits viel zur Förderung der Transparenz umgesetzt wird. Zum
Beispiel liegen genaue Geschäftszahlen offen. Trotzdem ist noch längst nicht alles
transparent. Die Löhne sind zum Beispiel nicht transparent, aber dabei stellt sich die
Frage, ob das überhaupt gewollt wird. Weiterhin wurde auch noch nicht geklärt, ob und
wie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Unternehmenserfolg beteiligt werden sollen.
In Bezug auf die Einbeziehung der Kunden und Kundinnen in den
Entwicklungsprozess, erzählt Herr Viest, dass es bei einem Dienstleistungsunternehmen
wie bei „<em>faktor“, generell eine große Rolle spielt mit den Kunden und Kundinnen
zusammenzuarbeiten. Bei der Erarbeitung der Bilanz kamen ganz neue Fragen
diesbezüglich auf. Zum Beispiel die Idee, ob die Kunden und Kundinnen mit am
Unternehmen beteiligt sein wollen, also dass man zusätzlich zur Finanzierung durch
Banken, vielleicht auch direkt von den Kunden und Kundinnen unterstützt werden kann
und diese so am Unternehmen mitbeteiligt sind. Eine weitere Idee, die aufkam, war der
„Sozialpreis“. Das bedeutet, dass die Preise für die Dienstleistungen, je nach Kaufkraft
des Kunden oder der Kundin, aber immer kostendeckend, gestaltet werden. Herr Viest
meint, dass es ganz spannende Impulse sind und jetzt daran liegt, diese geeignet
umzusetzen.
Zum Thema Kooperation schildert Oliver Viest, dass mit der Erstellung der Bilanz
deutlich wurde, dass es hilfreich wäre mehr darauf zu achten, welcher der
Anhang
91
Marktteilnehmer oder Marktteilnehmerinnen dieser Branche in welchen Bereichen die
meiste Erfahrung und Kompetenz hat, um diese optimal auszunutzen. Aus diesem
Grund trifft sich die Agentur jetzt immer regelmäßig zum Austausch mit seinen
Mitbewerbern und Mitbewerberinnen. Es kam auch schon zu einer ersten Kooperation
ganz in diesem Sinne, bei der „<em>faktor“ einen Auftrag an einen „Konkurrenten“
abgegeben hat, der in diesem Bereich einfach erfahrener ist und dafür einen Auftrag
bekommt, der der Agentur mehr liegt.
Zusammenfassend meint Herr Viest, dass es ein wunderbares
Organisationsentwicklungsinstrument mit guten Impulsen ist, die Anregungen zu
Verbesserungen geben.
Anhang
92
Anhang 4 C: Interview mit Paul Ettl von „Ettl-Software GmbH“
Paul Ettl gründete 1983 die Firma „Ettl-Software“ in Salzburg. Seitdem ist er
Geschäftsführer der Firma. Das Unternehmen entwickelt Individualsoftware und
kaufmännische Software, bietet Internet-Dienstleistungen an und betreibt ein
Seminarzentrum in Linz.
Ettl-Software ist ein Pionier-Unternehmen der ersten Stunde. Für das Unternehmen war
es eine logische Konsequenz ihres bisherigen Handelns, der Gemeinwohl-Ökonomie
beizutreten, da man sich bereits viel mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt
hatte. Außerdem meint Paul Ettl, dass mithilfe des Berichtes eine gute
Momentaufnahme des Unternehmens erstellt wird und Lücken für Verbesserungen
ersichtlich werden.
Paul Ettl berichtet, dass er 2006 die komplette Hardware, (Server, Bildschirme, etc.)
ausgetauscht hat, was ca. 10 000 Euro kostete. Dieses Handeln wurde bilanztechnisch
positiv bewertet und schmälerte kaum den Gewinn. Ein Jahr später schickte er
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu Schulungen. Dafür bezahlte er Fahrtkosten,
Unterkunft usw., aber diese sind in der Bilanz nicht aktivierbar und werden auch nicht
positiv widergespiegelt. In diesem Moment wurde ihm klar, wie absurd die Regelungen
der Finanzbilanz teilweise sind. Der Ertrag wird minimiert und keiner weiß, dass die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gut ausgebildet sind. Ab diesem Zeitpunkt war er
darauf bedacht eine Möglichkeit zu finden, bei der diese Art der Investition auch positiv
anerkennt wird. Er beschäftigte sich anfangs viel mit dem Thema Corporate Social
Responsibility. Als er von der Gemeinwohl-Ökonomie hörte, entschloss er sich der
Bewegung beizutreten.
Die Gemeinwohl-Bilanz und der Bericht von 2011 wurden von Paul Ettl allein erstellt.
Paul Ettl erzählt, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer Bescheid gewusst
haben, dass er daran arbeitet. Die Firma hat aller sechs Wochen ein Mitarbeiter/-innen-
Meeting bei dem er jedes Mal den Verlauf der Erstellung des Berichtes und der Bilanz
vorgestellt und erläutert hat. Außerdem wurde parallel zur Erstellung des Berichtes eine
Mitarbeiterbefragung durchgeführt, die ihm dabei half die entsprechenden Indikatoren
der Bilanz wahrheitsgetreu zu beschreiben.
Anhang
93
Auf die Frage, ob die Werte der Gemeinwohlbilanz in der allgemeinen
Unternehmensstrategie verankert sind oder werden, hatte Herr Ettl am Anfang des
Interviews schon erwähnt, dass er genau nach solch einem Konzept, wie der
Gemeinwohl-Ökonomie für sein Unternehmen gesucht hatte, weil genau diese Werte
wie Wertschätzung, Solidarität, usw. ihm wichtig sind und im Unternehmen bereits
gelebt, aber von außen noch nicht honoriert werden.
Eine stärkere Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Unternehmen
als Pionierunternehmen der Gemeinwohl-Ökonomie, als ohne dieses Engagement,
bezweifelt er. Er ist der Meinung, dass man sich mit einer Beschäftigtenzahl von zwölf
Personen von Anfang an sehr nahe steht und sich somit auch mit dem Unternehmen als
Ganzes stark identifiziert. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich entschieden
haben bei ihm im Unternehmen zu arbeiten, wissen, dass menschliche Werte im
Unternehmen gelebt werden.
Beim Gespräch mit Herrn Ettl wurde klar, dass der Gemeinwohl-Bericht ein Ansporn
ist, die Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern, da diese Art Investition erstmals
positiv aufgezeichnet wird.
Momentan werden Projekte und Maßnahmen nicht speziell zur Verbesserung der
Gemeinwohl-Bilanz entwickelt. Es war ihm schon immer wichtig, wertorientiert zu
handeln und da hat sich durch den Gemeinwohl-Bericht nichts geändert. Der
Gemeinwohl-Bericht gibt eine Möglichkeit diese Maßnahmen aufzuzeigen und nach
außen zu kommunizieren. Trotz alledem ist er durch die Erstellung der Bilanz und des
Berichtes und dem Lesen anderer Berichte von Pionier-Unternehmen, auf neue Ideen
und Anreize für Änderungen gestoßen. Die Befragung der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen war solch eine Idee, die durch den Prozess der Berichterstellung
zustande gekommen ist. Zuvor wurde noch keine Befragung durchgeführt. Diese
Befragung soll in den nächsten Jahren wiederholt werden. Außerdem ist ihm bewusst
geworden, dass man vielleicht am Verhältnis zu den Kunden und Kundinnen noch
einiges verbessern könnte. Des Weiteren war der Aspekt der Reduktion der
ökologischen Auswirkungen in der Gemeinwohl-Bilanz für Paul Ettl ein Hinweis einige
Sachen noch genauer zu beobachten, aber diese Themen (Energieeinsparung,
Abfallreduktion, usw.) spielten schon immer eine wichtige Rolle im Unternehmen.
Anhang
94
Zum Thema Kooperation berichtet der Geschäftsführer von Ettl-Software, dass die
Teilnahme an der Bewegung auf jeden Fall neue Netzwerke ergeben hat, aber in der
Softwarebranche ist es auch kostenbedingt teilweise nicht möglich mit anderen
Unternehmen zu kooperieren. Er ist der Meinung, dass dieser Punkt stark von der
Branche, in dem das Unternehmen tätig ist, abhängt.
Zusammenfassend ist der Beitritt der Gemeinwohl-Bewegung für Paul Ettl eine
Möglichkeit die positiven und menschlichen Werte, die im Unternehmen gelebt werden,
nach außen zu kommunizieren. Außerdem hilft es wieder in engeren Kontakt zu den
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu treten und diese Werte noch einmal genau zu
besprechen und zu diskutieren. Laut Herrn Ettl wird die Gemeinwohl-Ökonomie
momentan von Unternehmen unterstützt, die seit langem einen Großteil der Werte
verkörpern. Somit sind es bereits Unternehmen, die für solche positiven Neuerungen
offen sind.
Anhang
95
Anhang 4 D: Interview mit Lisa Muhr von „Göttin des Glücks“
Lisa Muhr legte 2005 zusammen mit drei Kollegen und Kolleginnen den Grundstein für
das Unternehmen „Göttin des Glücks“. Sie und Igor Sapic leiten momentan das
Unternehmen. Lisa Muhr ist zuständig für die Bereiche PR, Marketing und
Nachhaltigkeit.
„Göttin des Glücks“ ist das erste Modelabel aus Österreich, das komplett transparent,
ökologisch, fair und sozial produziert. Es beschäftigt 16 Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen und einige Springer und Springerinnen. Das Unternehmen unterstützt
seit Ende des Jahres 2010 die Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie. In diesem Jahr
wurde das Unternehmen für herausragende soziale Verantwortung mit einem CSR-
Award ausgezeichnet. Christian Felber gratulierte dem Unternehmen zu diesem Anlass
und dies war der Beginn der Zusammenarbeit mit der Gemeinwohl-Ökonomie. Lisa
Muhr kannte bereits die Bücher Felbers und empfand das Konzept als perfekt für das
Unternehmen. “Göttin des Glücks“ besitzt die volle Anzahl an Sämchen und lässt somit
ihre Gemeinwohl-Bilanz extern auditieren und nimmt an den Bilanz-Pressekonferenzen
teil.
Lisa Muhr schrieb den Bericht zur Gemeinwohl-Bilanz 2012/13 in Zusammenarbeit mit
Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens. Da
die Beschäftigtenzahl des Unternehmens sehr überschaubar ist, wurde die Unterstützung
des alternativen Konzeptes sehr schnell an alle kommuniziert und stieß bei allen auf
Begeisterung.
Die Werte der Gemeinwohl-Bilanz waren von an Anfang an im Unternehmen verankert.
Genau aus diesem Grund hatte sich das Unternehmen entschieden, der Bewegung
beizutreten, da diese genau die Werte verkörpert, die auch das Unternehmen vertritt.
Lisa Muhr ist der Meinung, dass sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf jeden
Fall noch einmal mehr mit dem Unternehmen, seit dem Engagement für die
Gemeinwohl-Bewegung, identifizieren können, da man seitdem im Unternehmen direkt
und offen darüber diskutiert und für dieses Engagement Anerkennung bekommt.
Zum Thema Anpassung und Weiterentwicklung der Kompetenzen der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen erzählte Lisa Muhr, dass dafür momentan leider noch keine
Anhang
96
finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, da bis 2012, durch die hohen Kosten der
ökologisch-fairen Produktion, noch kein Gewinn erwirtschaftet wurde. Auf die Frage
hin, ob speziell Projekte und Maßnahmen zur Verbesserung der Gemeinwohl-Bilanz
entwickelt werden, antwortete Frau Muhr, dass man auf jeden Fall mit der Erstellung
der Gemeinwohl-Bilanz viele Verbesserungsmöglichkeiten erkennt und auch durch die
Auditor und Auditorinnen direkt darauf hingewiesen wird. Laut Lisa Muhr lässt sich
auch beobachten, dass besonders die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Shops
ambitioniert sind neue Ideen bezüglich der Gemeinwohl-Ökonomie mit einzubeziehen.
Diesbezüglich kam zum Beispiel der Vorschlag Vorträge in den Geschäften zum Thema
zu halten, um noch mehr Bewusstsein für diese Angelegenheit zu schaffen.
Die Verbesserung der Einbeziehung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die
Entscheidungsprozesse machte sich am meisten bei der Erstellung des Gemeinwohl-
Berichtes bemerkbar. Während der erste Bericht fast gänzlich von der Geschäftsführerin
erstellt wurde, erzählte Frau Muhr, dass zur Erarbeitung des zweiten Berichtes alle
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auf freiwilliger Basis eingeladen wurden. Man
erklärte die Inhalte der Gemeinwohl-Matrix. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
waren willkommen daran mitzuarbeiten. Zusätzlich erstellte man eine Auflistung der
Indikatoren, mit dem Hinweis auf den jeweiligen Arbeitsbereich, der jeweils betroffen
ist. So konnten sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die gerne an einem oder mehr
Indikatoren mitschreiben wollten, schnell und unkompliziert, den oder die geeigneten
Indikatoren heraussuchen und eigenständig den dazugehörigen Abschnitt für den
Bericht erstellen. 80% der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben am Bericht
mitgeschrieben und die Texte für einzelne Indikatoren geschrieben. Die Texte wurden
vollständig und unzensiert in den endgültigen Bericht aufgenommen. Weiterhin meinte
Lisa Muhr zu diesem Prozess: „Das Schöne an dem Prozess war auch, dass unsere
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – obwohl sie ja schon vorher begeistert von der
Gemeinwohl-Ökonomie waren – mit diesem Arbeitsprozess erst richtig Einblick
bekommen haben in die Inhalte der Gemeinwohl-Ökonomie und damit auch jetzt im
Nachhinein täglich davon profitieren, weil sie die Werte und Inhalte – vor allem im
Verkauf – ganz anders herüberbringen können.“
Anhang
97
Die Kunden und Kundinnen sollen in Zukunft durch die Einführung eines
Kundenbindungssystem auch noch mehr mit einbezogen werden. Ziel dieser Maßnahme
ist es Stammkunden und -kundinnen zu binden und diesen eine ausführlichere
Betreuung zu bieten durch zum Beispiel After-Work-Shopping, Reise- und
Erfahrungsberichte in den Geschäften über die faire Produktionskette, die Möglichkeit
Kleidungsstücke vor der Auslieferung in die Läden zu erwerben und selbstverständlich
Rabattsysteme. Weiterhin ist laut Frau Muhr im nächsten Jahr eine Reise nach
Mauritius zum Produzenten mit den Kunden und Kundinnen geplant. Außerdem sollen
die Kunden und Kundinnen in Zukunft mehr in den Designprozess mit einbezogen
werden. So haben sie direkt die Möglichkeit ihre Vorlieben bei Modellen und
Farbkombination mit einzubringen. Abgesehen davon werden die Kundenwünsche
schon seit Anfang an stark mit in den Entwicklungsprozess einbezogen. Die
Verbesserungsvorschläge werden von den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den
Geschäften immer vermerkt und weitergegeben.
Da das Produkt im Unternehmen „Göttin des Glücks“ bereits ein absolut hohes Maß an
Qualität und Umweltfreundlichkeit hat, gibt es in diesem Bereich nur geringen
Spielraum zur Verbesserung, aber Lisa Muhr meinte, dass man versucht, ein neues
zusätzliches Projekt in einer lokalen Zusammenarbeit zu entwickeln. Dies ist aber in der
Textilbranche vor allem in Bezug auf transparente Materialbeschaffung sehr schwierig.
Trotz alledem wird nach Lösungen für dieses Problem gesucht. Außerdem ist die
Umstellung der Energieversorgung auf Ökostrom in allen Geschäften und in der
Zentrale in der Umsetzung.
„Göttin des Glücks“ kooperiert im Rahmen der Gemeinwohl-Bewegung viel mit den
Pionier-Unternehmen „Gugler“ und „Sonnentor“, die ebenfalls im Rahmen dieser
Arbeit befragt wurden. Im Gemeinwohl-Bericht von „Göttin des Glücks“ wird diese
Kooperation wie folgt beschrieben: Zum einen wird in Zusammenarbeit mit der Firma
„Gugler“ das neue EDV Projekt für „Göttin des Glücks“ gestaltet. Zum anderen steht
„Göttin des Glücks“ im permanenten „Wissens- und Erfahrungsaustausch in Bezug auf
neue Geschäftsflächen und Lagen mit der Firma Sonnentor“. Des Weiteren bekamen sie
eine besondere finanzielle Unterstützung von „Sonnentor“, in der Form einer
„vertraglich geregelte Kooperation“, bei der „Sonnentor“ in den nächsten Jahren
Anhang
98
„Göttin des Glücks“-Gutscheine für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sowie Kunden
und Kundinnen abnehmen wird.
Abschließend ist Lisa Muhr auf jeden Fall der Meinung, dass das Wir-Gefühl im
Unternehmen seit der ersten Gemeinwohl-Bilanz gestiegen ist. Man merkt besonders,
dass sich das Bewusstsein verstärkt hat durch die Diskussion über die Werte der
Gemeinwohl-Ökonomie und gleichzeitig des Unternehmens. Bezüglich der Motivation
der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen findet sie, dass man in den Geschäften ihre
Zufriedenheit und Begeisterung für das Unternehmen spürt. Dies überträgt sich vor
allem auf die Kunden und Kundinnen. Reflektierend fiel Lisa Muhr speziell auf, dass
dieser Prozess der Gemeinwohl-Ökonomie besonders für die Transparenz des
Unternehmens von Vorteil ist, da es hilft Maßnahmen, die das Unternehmen
unternimmt besser darzustellen und zu verbreiten. So kann man den Kunden und
Kundinnen auch besser das Zustandekommen des hohen Preises erklären und man stößt
dabei auf Verständnis und Begeisterung.
Anhang
99
Anhang 4 E: Interview mit Teresa Distelberger von “Gugler GmbH“
Teresa Distelberger arbeitet seit Juli 2010 bei „Gugler“. Sie ist Mitglied des
Nachhaltigkeitsteams, Projektleiterin für den Bereich Cradle 2 Cradle und in der
Projektleitung des Seminarzentrums von „Gugler“ in Melk, Österreich.
Das österreichische Unternehmen „Gugler“ ist in den Bereichen Marketing und Medien
tätig. Die rund 95 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen sich mit den vier
Bereichen Beratung, Kreation (Text und Konzept, Grafikdesign, Bildbearbeitung, usw.),
Neue Medien und Informationstechnologie und Printmedien. Das Unternehmen startete
2009 ein Cradle 2 Cradle- Forschungsprojekt, bei dem mit dem EPEA-Institut
(Internationale Umweltforschung GmbH) zusammengearbeitet wird, um alle Produkte,
die beim Drucken verwendet werden, wiederverwendbar zu gestalten, so dass keine
Abfälle entstehen. Außerdem führte das Unternehmen 2010 das
Umweltmanagementsystem EMAS ein.
Der Geschäftsführer Ernst Gugler ist seit langer Zeit Teil einer Attac-Unternehmer/-
innen-Gruppe, gemeinsam mit Christian Felber. Das Unternehmen war bereits während
der ganzen Gründungsphase der Gemeinwohl-Ökonomie mit dabei. Deshalb und weil
schon seit längerem mit der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten diese Ziele verfolgt
werden, war es eine logische Schlussfolgerung, die Bewegung zu unterstützen.
Teresa Distelberger war in den Prozess der Bilanzierung nach der Gemeinwohl-
Ökonomie mit einbezogen. Sie war Teil einer fünf-köpfigen Gruppe, die die Bilanz und
den Bericht erstellten. Da die Zeit für die Berichterstellung damals sehr knapp war,
erzählt Frau Distelberger, wurden die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leider weniger
mit einbezogen, als wünschenswert gewesen wäre. Es hat in kleinen Gruppen Sitzungen
gegeben, bei denen man über gewisse Kriterien diskutiert hat, aber es gab keine
Zusammenschlüsse mit der gesamten Mitarbeiterschaft. Im Rahmen von gugler* dialog,
was halbjährliche Informationsveranstaltungen im Unternehmen sind, wurde der Bericht
nach der Veröffentlichung vor allen präsentiert. Ein Exemplar wurde auch an jeden
Mitarbeiter und an jede Mitarbeiterin ausgeteilt. Vorher wurden nur gezielt Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen mit dem entsprechenden Know-how mit einbezogen.
Anhang
100
Zum Thema Wertentwicklung im Unternehmen meint Teresa Distelberger, dass bei
„Gugler“ diese Entwicklung schon weit vor der Erstellung der ersten Gemeinwohl-
Bilanz begonnen hat und dass sie sich parallel dazu weiterentwickelt. Die Gemeinwohl-
Bilanz ist einfach ein Instrument, um diesen Prozess abzubilden. Außerdem ist es
ermutigend zu wissen, dass sich auch andere Unternehmen auf diesen Weg machen.
Man kann solche Entwicklungen, aber nicht mit dem Berichtzeitpunkt festmachen. Sie
sieht den Bericht mehr als eine Art Bestandsaufnahme von Maßnahmen, die das
Unternehmen so oder so unternimmt und als Inspiration genau so weiterzumachen und
sich weiter zu verbessern. Sie ist der Meinung, dass das Leben dieser Werte eine
Eigeninitiative ist, die vorher schon vorhanden sein muss. Weiterhin glaubt sie, wenn
solche Werte offensichtlich gelebt werden, können sich die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen auf jeden Fall mehr mit dem Unternehmen identifizieren.
Die Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden seit einigen Jahren im
Verbund mit anderen Unternehmen, dem Qualifizierungsverbund „Momentum“, durch
die Organisation von Weiterbildungen gestärkt. Es gibt viele Workshops zum Thema
Nachhaltigkeit, Persönlichkeit, Gesundheit, usw., die auch bereits vor der Erstellung des
ersten Berichtes angeboten wurden, um die Wertentwicklung voranzutreiben. Auch
davor, gab es schon Vorträge zum Thema Bewusstseinsbildung, bei denen Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen, sowie Kunden und Kundinnen eingeladen werden.
Als konkrete Maßnahmen, die durch die Erstellung des Berichtes zustande gekommen
sind, nannte Frau Distelberger zum einen die Thematik eines Betriebsrates. Bis jetzt
gibt es noch keinen Betriebsrat und durch die Beschäftigung mit der Gemeinwohl-
Ökonomie wurde dieses Thema wieder zum Leben erweckt. Es gibt Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, die sich zurzeit mehr damit auseinander setzten. Es gab dazu auch
schon eine Gesprächsrunde bei dem die Geschäftsführung mit einem gewählten
Gremium der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, sich mit verschiedenen Themen
diesbezüglich beschäftigt haben und geschaut haben, wie dies in anderen Unternehmen
gehandhabt wird. Aber es hängt ganz von der Energie und dem Willen der Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen ab, ob ein Betriebsrat gegründet wird oder nicht. Zum anderen
wurden mit der Erstellung der Bilanz zwei Gehälter direkt angehoben, um den Kriterien
Anhang
101
zu entsprechen. Dies wäre wahrscheinlich nicht ohne die Erstellung des Berichtes
geschehen.
Teresa Distelberger berichtet, dass innovative Ideen eher von der Geschäftsleitung
kommen, da der Geschäftsführer Ernst Gugler ein sehr starker Visionär ist. Das
Unternehmen ist immer sehr damit beschäftigt, seine Ideen umzusetzen. Er hat meistens
die neuen Ideen, wie kürzlich erst die Umsetzung eines firmeneigenen Gemüsegartens
für die Kantine. Es kann durchaus sein, dass aus den einzelnen Bereichen des
Unternehmens Ideen kommen, aber leider nicht immer durchdringen. Das möchte Sie
nicht ausschließen, kann es aber schwer nachvollziehen, da sie keinen kompletten
Überblick darüber hat.
Um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mehr in die Entscheidungsprozesse mit
einzubeziehen, wird seit mehreren Jahren mit Modellen wie Holakratie oder Soziokratie
geliebäugelt, also Modelle, die mehr Mitbestimmung vorsehen. Diese Überlegungen
befinden sich allerdings noch in einem sehr frühen Stadium. Es ist auch bereits Teil
vom Nachhaltigkeitsprogramm, die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stärker mit
einzubinden. Das Thema ist präsent, aber es braucht viel Zeit, einen Wandel
diesbezüglich hervorzurufen.
Wenn es darum geht, Kunden und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von
Neuerungen mit einzubeziehen, wird diesbezüglich bei „Gugler“ viel unternommen, da
das Unternehmen sich oft mit kundenspezifischen Lösungen (besonders im Bereich
„Neue Medien“) beschäftigt. Dadurch werden die Kunden und Kundinnen generell viel
in den Entwicklungsprozess mit einbezogen. Teresa Distelberger meint: „Das liegt in
der Natur der Sache.“ Für das Unternehmen „Gugler“ sind das Aspekte, die bereits
normal sind und man nicht in Verbindung mit der Gemeinwohl-Ökonomie bringen
kann. Bei der Entwicklung des C2C-Produktes wurden die Kunden und Kundinnen
kaum mit einbezogen, da es sich dabei um eine Innovation handelt, bei der viele
technische Entscheidungen notwendig waren. Außerdem war von Anfang an klar, dass
dieses Produkt, so eingeführt werden wird. Dies war sicherlich bislang das größte
Innovationsprojekt der Firma.
Anhang
102
In Bezug auf das Verständnis von Qualität und Umweltfreundlichkeit der Produkte und
Dienstleistungen, hat sich bei „Gugler“ durch die Einführung der Gemeinwohl-
Ökonomie laut Frau Distelberger nichts verändert, da die Firma diesbezüglich schon
seit langem Branchenführer ist. „Gugler“ produziert energiesparend, bietet seinen
Kunden und Kundinnen die Möglichkeit die CO2-Emissionen ihres Auftrages zu
kompensieren, entwickelt schadstofffreie Druckprodukte, usw.
Auch im Bereich der Technologie hat sich nicht signifikant etwas verändert. Die
Motivation diesen Bereich weiter zu optimieren, kommt aus eigenem Antrieb, da es
eine Strategie von „Gugler“ ist, neue Qualitätsstandards zu eröffnen und diesbezüglich
Marktinnovationsführer zu sein. Andere Unternehmen der Branche übernehmen dann
meist diese Standards.
Kooperation mit anderen Unternehmen der Branche wurde mit Beginn der Entwicklung
der C2C-Produkte im Jahr 2009 in Betracht gezogen. Während die Entwicklung noch
im Alleingang gemacht wurde, was auch sehr hohe Forschungs- und
Entwicklungskosten mit sich brachte, plant „Gugler“ eine Art Lizenzmodell
aufzubauen, um dieses Wissen und Material weiter zu verbreiten und nutzbar für andere
Firmen zu machen.
Zusammenfassend ist im Gespräch mit Frau Distelberger ersichtlich geworden, dass
„Gugler“ schon immer ein sehr innovatives Unternehmen ist und menschliche Werte
verkörpert. Es ist schwer abzustecken, ob der Bericht daran etwas geändert hat. Sie
meinte, dass die Bilanz und der Bericht einem die Möglichkeit geben, zu erkennen und
beobachten, wo das Unternehmen momentan steht. Des Weiteren verbindet es das
Unternehmen mit einer größeren Bewegung und bestärkt die Firma in seinem Handeln.
Das Unternehmen will so auch im Rahmen seiner Möglichkeiten, den gesellschaftlichen
Wandel mit vorantreiben. Sie erklärte, dass die Motivation im Sinne des Gemeinwohls
zu handeln, eine intrinsische Motivation ist, die von den Entscheidungsträgern und -
trägerinnen selbst kommen muss. Die Bilanz sieht sie als extrinsische Motivation, weil
man von außen einen Anreiz hat und von außen belohnt wird. Aber sie glaubt, dass es
viel motivierender wirkt, wenn es Menschen wie Ernst Gugler gibt, die diese
Motivation veranlagt haben und den Drang besitzen, im Sinne der Gesellschaft zu
agieren. Sie beschreibt die Gemeinwohl-Ökonomie als eine Art Sammelplatz, wo sich
Anhang
103
diese Menschen treffen können. Wenn dieses „Label“ demnächst stärker
wahrgenommen wird, könnte es sein, dass auch andere Unternehmen sich anschließen,
weil sie merken, dass vor allem die Kunden und Kundinnen diese Art Unternehmen
bevorzugen. Momentan jedoch glaubt sie, dass dies noch nicht der Fall ist, sondern dass
es die intrinsische Motivation vorerst noch braucht, um sich der Bewegung
anzuschließen.
Exkurs: Thematik Punktevergabe/ Gemeinwohl-Bilanz
Teresa Distelberger ist der Meinung, dass man die Punkteanzahl nicht so wichtig
nehmen kann, dazu haben sie zu wenig Nachvollziehbarkeit. Der Prozess der Vergabe
hat zum Teil auch willkürliche Momente. Es geht mehr um den Inhalt, den man im
Bericht zeigt. Die Punkte sind von Branche zu Branche schwer vergleichbar. Es ist
meistens mehr eine Einschätzungssache. Es fallen so viele verschiedene Aspekte unter
einen Bereich, die von jedem Unternehmen unterschiedlich stark gewichtet werden. Bei
dem Aspekt Arbeitsplatzqualität schaut „Gugler“ zum Beispiel sehr darauf, dass es ein
Gebäude besitzt, das nach ökologischen Richtlinien erbaut wurde und eine Cafeteria mit
gesunden Lebensmittel, wo andere Betriebe vielleicht wieder ganz andere
Gesichtspunkte positiv bewerten. Darüber hinaus kommt außerdem noch das Gespräch
mit dem Auditor, bei dem wieder gewisse Aspekte in Frage gestellt werden und auf ihre
Auswirkung untersucht werden. Laut Frau Distelberger reichen diese Punkte allein nicht
aus, um etwas zu verbessern.
Anhang
104
Anhang 4 F: Interview mit Wolfgang Heckel von „Heckel GmbH & Co. KG“
Wolfgang Heckel leitet zusammen mit seiner Frau Petra das Unternehmen „Heckel
GmbH & Co. KG“, das zwölf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt. Das
Unternehmen „projektiert, entwickelt, fertigt, vertreibt und betreut kundenspezifische
Anlagen und Sondermaschinen zur effizienten Ressourcennutzung (besonders in der
Holzindustrie) und Photovoltaikanlagen“. (Gemeinwohl-Bericht 2012)
Das Unternehmen setzt sich seit 2008 für die Entwicklung der erneuerbaren Energien
ein und fügte deshalb den Bereich der Photovoltaikanlagen zum Tätigkeitsfeld hinzu.
Das Unternehmen erstellte 2011 und 2012 eine Gemeinwohl-Bilanz und besitzt zwei
Sämchen. Im Gemeinwohl-Bericht 2012 steht, dass man im Februar 2011 mit der
Vorstellung des Buches von Christian Felber, sich das erste Mal mit dem Thema
auseinandergesetzt hat und der Beitritt der Bewegung eine logische Konsequenz des
bisherigen Handelns war. Herr Heckel ist überzeugt davon, dass das der richtige Ansatz
für die Zukunft ist. Zum einen war die Motivation des Unternehmens, ein Regelwerk
mit der Beschreibung der Indikatoren vorliegen zu haben, an dem man sich orientieren
kann, um die eigene Weiterentwicklung zu gestalten. Zum anderen möchte man diese
Bewegung unterstützen und sie voranbringen.
Herr Heckel, seine Frau, der Konstrukteur und der stellvertretende Fertigungsleiter
haben den Bericht gemeinsam entwickelt. Der Bericht von 2011 wurde aufgrund eines
kürzeren Zeitrahmens ohne Befragungen in der Wertschöpfungskette (Lieferanten/-
innen, usw.) erstellt, wohingegen diese im folgenden Jahr durch den Praktikanten der
Universität Halle durchgeführt wurden. Genauere Informationen von Lieferanten und
Lieferantinnen zum Herstellungsprozess der einzelnen Materialien waren jedoch schwer
zu bekommen. Die im Unternehmen festgelegten Freitagsbrotzeiten, bei denen alle
Unternehmensangehörigen einmal im Monat zusammenkommen um Neuigkeiten und
Anregungen auszutauschen, dienten dazu den Verlauf der Erstellung zu kommunizieren
und die endgültigen Versionen vorzustellen.
Wolfgang Heckel meint, dass sich an den Werten im Unternehmen, mit der Einführung
der Gemeinwohl-Ökonomie, nichts verändert hat. Einzelne Schwerpunkte wurden
wieder neu besprochen, wie zum Beispiel das Thema der Gleichberechtigung. Dazu ist
schon seit langer Zeit die Frage in der Luft, ob man nicht Frauen in der Fertigung mit
Anhang
105
beschäftigen kann, aber da sich an den Rahmenbedingungen in der Fertigung nichts
geändert hat, bleibt es nach wie vor schwierig in diesem Bereich Frauen mit
einzubeziehen. Er ist der Meinung, dass die Punkte der Gemeinwohl-Ökonomie bereits
mit der Überzeugung im Unternehmen übereinstimmen.
Da die Produkte und Dienstleistungen der Firma, alle kundenspezifische Lösungen sind,
werden generell die neuesten Materialien und Komponenten, die am Markt vorhanden
sind für die jeweilige Lösung verwendet. 2012 hat das Unternehmen an einem
Entwicklungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Rosenheim teilgenommen,
bei dem es darum ging nach einer Methode zu suchen, mit der noch mehr Material aus
einem Holzstamm entnommen werden kann, um diesen möglichst ganz auszunutzen.
Wolfgang Heckel empfindet diese Arbeit äußerst wichtig, da es sich bei Holz um einen
kostbaren Rohstoff handelt, der nur langsam nachwächst und man darauf bedacht sein
sollte wenig zu verschwenden.
Zum Thema Identifikation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, erklärt er, dass diese
sich umso stärker mit dem Unternehmen identifizieren, je wohler sie sich darin fühlen.
Das ist immer schon ein wichtiges Kriterium für ihn gewesen. Von seinem Team selbst
sagt er, dass es alles Menschen sind, die neugierig sind und denen es langweilig wird,
wenn sie mehrmals das Gleiche erledigen müssen. Dadurch werden immer wieder
innovative Ansätze eingebracht und auch umgesetzt. Dies unterstützt die Freiheit und
den Spielraum eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin und keiner muss Angst haben,
dass er oder sie etwas Falsches sagt oder Fehler macht. Er ist der Meinung, dass von
dieser Seite her schon immer ein innovatives Klima im Unternehmen herrscht.
Im Bereich Arbeitsqualität wurde von 2011 auf 2012 eine Besserung erzielt indem das
Arbeitsvolumen und die Auslastung der Kapazitäten besser geplant wurden, so dass
weniger Überstunden erzielt wurden. Dieses Vorhaben war allerdings schon vor der
Erstellung des ersten Berichtes geplant. Allgemein hat das Unternehmen laut Herrn
Heckel durch die hohe Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und den daraus
resultierenden geringen Krankheitsausfall eine hohe Produktivitätsrate, was dem
Unternehmen in der überfüllten Branche einen Wettbewerbsvorteil bietet. Außerdem
berichtet er, dass sie einzelne Bewerbungen bekommen, weil sie die Gemeinwohl-
Ökonomie unterstützen und somit authentischer sind.
Anhang
106
Des Weiteren beschreibt Herr Heckel, dass die Indikatoren der Gemeinwohl-Bilanz
konkret genutzt wurden, um an diesen Stellen die Realität im Unternehmen zu
hinterfragen. Dieser Prozess ist laut Herrn Heckel aber nichts Neues im Unternehmen.
Wolfgang Heckel erzählt, dass bei dem durchgeführten Peer-Audit mit anderen Pionier-
Unternehmen, die Geschäftsführer und –führerinnen in das Unternehmen gekommen
sind und Fragen gestellt haben, auf welche er und seine Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen selbst nicht so einfach gekommen wären. Das dient als Anreiz für die
nächste Periode, diese angesprochenen Themen immer wieder zu hinterfragen. Das
ganze Jahr über, betrachtet man anhand der Werte und Indikatoren, wo man steht und
wo man etwas verbessert kann. Das passiert über die Freitagsbrotzeiten, die in drei
Kategorien unterteilt sind. Der erste Bereich beschäftigt sich mit Verbesserungen
innerhalb des administrativen Bereichs, der zweite mit Verbesserungen in der Fertigung
und der dritte mit der Lebens- und Arbeitsqualität. Zusätzlich gibt es nun noch den
Bereich der Gemeinwohl-Ökonomie. Außerdem meint er, dass man durch die Auditoren
und Auditorinnen, die zu einem festen Zeitpunkt in das Unternehmen kommen, einen
stärkeren Anreiz hat, sich mit gewissen Verbesserungen auseinanderzusetzen. In den
zwölf Freitagsbrotzeiten im Jahr wird kontinuierlich an den einzelnen Themen
weitergearbeitet.
Die Gemeinwohl-Bilanz ist für Wolfgang Heckel ein Instrument, das einen zwingt die
einzelnen Punkte genau zu betrachten und zu dokumentieren. Außerdem hilft es auch
den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gegenüber, alles transparent zu gestalten. In den
ersten Monaten in 2011, als man sich mit dem Thema erstmalig beschäftigt hat, konnte
man feststellen, dass sehr viele Fragen und Anregungen von den Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen kamen. Bei der Erstellung des zweiten Berichtes war dies nicht mehr
der Fall, da man sich während des Jahres konstant mit dem Thema beschäftigt hatte.
Zusammenfassend beschreibt Wolfgang Heckel die Einbindung der Gemeinwohl-
Ökonomie in das Unternehmen als eine positive Maßnahme, die vor allem eine Art
Regelmäßigkeit in den Betrieb bringt. Das Unternehmen und seine Handlungen werden
dadurch permanent hinterfragt und verbessert.
Anhang
107
Anhang 4 G: Interview mit Markus Elbs von „Kirchner Konstruktionen GmbH“
Markus Elbs führt zusammen mit Gerhard Schwichtenberg seit 2003 das Unternehmen,
welches 1990 gegründet wurde. „Kirchner Konstruktionen“ ist ein
Dienstleistungsunternehmen für die Automobilindustrie und umfasst folgende Bereiche:
„Automatisierung; Planung; Konstruktion; Robotersimulation, Offline-
Programmierung; Roboter-Inbetriebnahme vor Ort; CAD/CAM Programmierung;
Komponentenentwicklung; Herstellung und Vertrieb; sowie Beratung im Bereich
Energiemanagement (im Aufbau seit Frühjahr 2012)“. (Gemeinwohl-Bericht 2012)
Das Unternehmen beschäftigt 123 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und wurde in
diesem Jahr (2013) mit dem „CSR Job Award“ zu einem Mitarbeiter der Zukunft
ausgezeichnet, bei dem die Maßnahmen zur Gemeinwohlorientierung besonders
gewürdigt wurden.
„Kirchner Konstruktionen“ wurde 2012 nach Gemeinwohl-Ökonomie-Standards
bilanziert. Die Bilanz ist bereits auditiert und veröffentlicht. Da das Unternehmen schon
immer viele Verbesserungen für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen umgesetzt hat und
die menschlichen Werte eine wichtige Rolle spielen, entschieden sie sich dazu die
Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen, um diese Maßnahmen einmal genau aufzuzeichnen, zu
strukturieren und zu beobachten. Den Bericht erstellten der firmeninterne Martin
Ströhle und der externe Berater Armin Hipper. Markus Elbs und die Abteilungsleiter
und –leiterinnen lieferten die notwendigen Informationen und präsentierten das
Ergebnis den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in der halbjährigen Betriebssitzung.
Markus Elbs sieht die Bilanz so, dass wenn man bei null Punkten steht, man in etwa den
gesetzlichen Standard erreicht hat und alles was darüber hinausgeht, sind zusätzliche
freiwillige Leistungen, die dem Unternehmen positiv angerechnet werden.
Bezüglich einer Veränderung der Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
glaubt er, dass vielen durch diesen Bericht zum ersten Mal bewusst geworden ist, dass
im Unternehmen viele Maßnahmen in ihrem Sinne (zum Beispiel täglich kostenfrei
Frühstück, Obst, und Getränke für alle) vorgenommen werden, ohne dass diese
vertraglich geregelt sind, und dass das nicht in allen Unternehmen der Fall ist.
Schlussfolgernd wird es demnach wahrscheinlich schon Personen geben, die glücklicher
Anhang
108
mit der Arbeit bei „Kirchner Konstruktionen“ sind. Um diese Maßnahmen besser zu
kommunizieren, entstand ein Plakat mit einer Auflistung aller sozialen Leistungen im
Unternehmen.
Um die Anpassung der Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu
gewährleisten, werden mit allen immer Einzelgespräche geführt bei denen gemeinsame
Ziele vereinbart werden. In diesem Zusammenhang wird auch ein Schulungsbedarf
festgestellt. Jede Art von Weiterbildung wird von dem Unternehmen bezahlt, aber die
Arbeitszeit muss von dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin selbst erbracht werden.
Speziell zu dem Themenbereich Energiemanagement hat das Unternehmen beschlossen
die Weiterbildung und die Arbeitszeit zu bezahlen, um mehr Motivation für dieses
Thema zu generieren.
Markus Elbs berichtet, dass sich durch die Erstellung der Bilanz konkrete Maßnahmen
herauskristallisiert haben. Die Geschäftsleitung fokussiert sich dabei stark auf die
Berührungsgruppe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Zum einen hat man zum
Thema Gesundheitsvorsorge zwei Gesundheitswochen eingeführt, da ersichtlich wurde,
dass in diesem Bereich noch wenig unternommen wird. Zu diesem Anlass kommt
demnächst eine Physiotherapeutin in die Firma, die vom Unternehmen bezahlt wird. Die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können sich eine dreiviertel Stunde behandeln lassen,
welche lediglich von der Arbeitszeit abgezogen wird. Außerdem ist ein
Belohnungssystem für Personen, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf Arbeit kommen,
in Planung. Dafür wird gerade ein faires System entwickelt, da die Streckenlänge und
die Beweggründe teilweise sehr unterschiedlich sind. Markus Elbs erzählt, dass es die
Überlegung gibt, die fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die am meisten Weg zu Fuß
oder per Fahrrad zurücklegen, an einer Verlosung teilnehmen dürfen.
Hinsichtlich der Einbringung von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen berichtet Herr
Elbs, dass von der gesamten Belegschaft noch keine Vorschläge mit eingebracht
wurden, da sie es erst mit Veröffentlichung des Berichtes erfahren hat. Von den sieben
Teamleitern, die mit in den Prozess integriert waren, kamen bereits Anregungen wie die
Gesundheitswoche. Außerdem gibt es bereits Vertrauensmitarbeiter und
Vertrauensmitarbeiterinnen, die die Belange der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
vertreten und bezüglich einer getroffenen Prämienvereinbarung mitbestimmen dürfen.
Anhang
109
Dabei wird bei einem Gewinn von mehr als zehn Prozent vom Umsatz, der
überschüssige Teil zwischen der Geschäftsleitung und den Angestellten aufgeteilt,
während die ersten zehn Prozent im Unternehmen bleiben. Es wird in Stunden
ausgezahlt oder als Urlaub vermerkt, sodass jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin
gleich viel bekommt, aber seine unterschiedliche Ausbildung und Tätigkeit
berücksichtigt werden. Die Vertrauensmitarbeiter/-innen schauen sich am Ende vom
Jahr die Zahlen an und legen die Prämienstunden fest (2012: 160 Stunden pro
Mitarbeiter/-in).
In Bezug auf die Berührungsgruppe Kunden und Kundinnen hat sich nicht viel durch
die Erstellung des Berichtes geändert, da die meisten Aufträge Einzellösungen sind und
aus diesem Grund immer eng mit den Kunden zusammengearbeitet wird. Es wird aber
noch einmal genauer auf die Zusammenstellung und Arbeit der Projektteams geschaut
und auch direkt beim Team nachgefragt, ob zum bestmöglichen Auftragsergebnis noch
etwas fehlt. Aus diesem Prozess heraus, wurde zum Beispiel bei einem aktuellen
Projekt noch eine Person zusätzlich eingesetzt, weil es an Arbeitskraft gefehlt hatte.
Im Bereich Technologie berichtet Markus Elbs, dass man darauf gestoßen ist, dass das
Heizsystem in der Firma veraltet ist. Um es aktueller und effizienter zu gestalten, nutzt
man jetzt die Abwärme der vielen Rechner zum Heizen des Gebäudes, durch ein
spezielles Rückkopplungssystem.
Aufgrund der Branche und der Tätigkeitsbereiche wird bereits viel mit anderen
Unternehmen zusammengearbeitet und kooperiert. Im Zuge der Berichterstellung,
berichtet Herr Elbs, ist allerdings aufgefallen, dass man sich etwas näher mit den
Arbeitsbedingungen des einzigen Subunternehmers in Indien beschäftigen sollte. Zu
diesem Zweck sollen konkrete Informationen angefordert werden, um die Umstände
etwas näher kennenzulernen, denn Markus Elbs ist klar geworden, dass auch die
indischen Angestellten unter guten Verhältnissen arbeiten sollen. Dafür wäre er auch
bereit, für nachweisbare Änderungen in dem indischen Unternehmen, höherer
Stundensätze zu zahlen. Ihm ist auch bewusst, dass es wahrscheinlich schwer
nachvollziehbar sein wird, aber er glaubt, dass es ein erster Schritt ist, wenn sein
Unternehmen neue Standards setzt und dies auch von mitbeteiligten Unternehmen
verlangt und fördert.
Anhang
110
Rückblickend ist Markus Elbs der Meinung, dass dieser Prozess viel zur Motivation der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beitragen kann und es auch ermöglicht diese zu
erhalten, da man konstant die einzelnen Maßnahmen aufzeichnet und hinterfragt.
Anhang
111
Anhang 4 H: Interview mit Christoph Deinert von „Märkisches Landbrot GmbH“
„Märkisches Landbrot“ ist eine Lieferbäckerei aus dem Raum Berlin, die Brote in
Demeter-Qualität herstellt. Christoph Deinert, der seit 1993 im Unternehmen tätig ist,
leitet es seit kurzem zusammen mit dem Eigentümer Joachim Weckmann. Bei
„Märkisches Landbrot“ spielt der Ansatz des „Total Quality Environmental
Management“ eine große Rolle. Das Unternehmen glaubt daran, dass die Kunden- und
Mitarbeiterzufriedenheit, der gesellschaftliche Nutzen und der unternehmerische Erfolg
umso höher sind, je größer die Qualität und Umweltfreundlichkeit der Produkte ist.
„Märkisches Landbrot“ beschäftigt 47 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, wobei 44
Prozent der geleisteten Arbeitsstunden in Teilzeit vollbracht werden. Das Unternehmen
hat für das Jahr 2011 die erste Gemeinwohl-Bilanz erstellt und besitzt drei Sämchen.
Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren bei der Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz
nur geringfügig integriert, da das Nachhaltigkeitsmanagement ganz oben in der
Geschäftsleitung angesiedelt ist. Christoph Deinert hat Versorgungs- und
Energietechnik studiert und kann dieses Thema gut bewerten, sodass er als
Nachhaltigkeitsbeauftragter der Brotbäckerei auch den kompletten Prozess der
Ökobilanzierung bearbeitet. Somit kamen die Idee und die Umsetzung von der
Geschäftsleitung und die Bilanz selbst wurde von Herrn Deinert und einem Mitarbeiter
und einer Mitarbeiterin der Gemeinwohl-Ökonomie durchgearbeitet. Damals war das
Unternehmen in Berlin noch das einzige Pionier-Unternehmen und somit kam es noch
nicht zur Zusammenarbeit mit anderen, in einer sogenannten Peer-Gruppe. Die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden darüber informiert und bekamen Unterlagen
zum Thema. Langfristig will die Geschäftsleitung die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
noch wesentlich mehr einbinden.
Aufgrund dieser genauen Aufstellung der Daten in den einzelnen Bereichen wurde
offensichtlich, dass es im Unternehmen speziell beim Thema innerbetriebliche
Demokratie und innerbetriebliche Transparenz von strategischen Themen einen
signifikanten Einbruch gibt, wie wahrscheinlich bei vielen inhabergeführten
Unternehmen, glaubt Herr Deinert. Dadurch wurde klar, dass dieses Thema im
Anhang
112
Gegensatz zur Ökologie, die bei „Märkisches Landbrot“ schon auf einem hohen Niveau
ist, in Zukunft mehr beachtet werden muss.
Zum Thema Mitbestimmung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird momentan
einiges überarbeitet. Zum einen wurde das Instrument der Mitarbeiterbefragung bereits
institutionalisiert (alle drei Jahre). Zum anderen werden seit 2013 bei der
Personalentwicklung durch einen externen Trainer nicht mehr ausschließlich der
Führungskreis und die Meisterrunde einbezogen, sondern alle Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen. Dabei muss aber auch bedacht werden, dass es nicht in Frage kommt
alles konsensual zu entscheiden, weil das, für viele andere Bereiche auf die Effizienz
bezogen, Nachteile bringen würde. Diesbezüglich erläutert Christoph Deinert, dass im
Unternehmen zwar bereits schon viele Gesprächsrunden und ähnliche demokratische
Formen gepflegt werden, aber da die Geschäftsführung ein Vetorecht besitzt, honoriert
die Gemeinwohl-Ökonomie das nicht. Aber letztendlich geht es dem Unternehmen auch
nicht unbedingt darum, auf 1000 Punkte zu kommen. Das bisherige Ziel liegt zwischen
600 und 700 Punkten und wurde bereits bei der ersten Bestandsaufnahme schon
erreicht.
Hinsichtlich des Themas Werte und dessen strategische Verankerung, beschreibt
Christoph Deinert, dass diese zum großen Teil in den veröffentlichten Firmenzielen
verankert sind. Vor allem geht es um das Streben nach einer ökologisch-sozialen
Wirtschaftsweise in der Region. Dementsprechend werden die Produkte nach Demeter-
Qualität hergestellt und Bauern/Bäuerinnen und Mitarbeiter/-innen fair bezahlt.
In Bezug auf Qualität und Sinn der Produkte, ist bei „Märkisches Landbrot“ kaum eine
Steigerung möglich, da bereits 93 Prozent der Rohstoffe in Demeter-Qualität und sechs
Prozent in anderer Bio-Qualität bezogen werden. Das restliche eine Prozent ist nicht in
einer hochwertigeren Qualität auf dem Markt erhältlich. Die Bauern werden beim
Anbau von alten und seltenen Getreidesorten unterstützt, um die Artenvielfalt zu
erhöhen. Außerdem ist man bereit den Bauern einen bis zu zehnmal höheren Marktpreis
zu bezahlen, um regionale Rohstoffe einkaufen zu können. Innerbetrieblich gibt es im
technologischen Bereich seit 1995 ein nach EMAS zertifiziertes
Umweltmanagementsystem mit dessen Hilfe man permanent bestrebt ist, den Betrieb
ressourcenschonender und energieeffizienter zu gestalten. Des Weiteren wird in der
Anhang
113
Produktion nur nach Demeter-Richtlinien gearbeitet, also unter minimalem Einsatz von
Zusatzstoffen.
Zum Thema Kooperation berichtet Christoph Deinert, dass seit Anfang an die
Kooperation mit den Bauern eine wichtige Rolle gespielt hat. Zum einen, um hohe
Qualität zu garantieren und zum anderen um den Produzenten und Produzentinnen
vernünftige Arbeitsbedingungen und Entlohnung zu bieten. Seit 1981 gibt es zu diesem
Zweck den sogenannten runden Tisch, bei dem sich im Sommer mit den Bauern,
Bäuerinnen und interessierten Bäckern und Bäckerinnen zusammengesetzt und darüber
gesprochen wird, welche Getreidemengen benötigt werden und wie viel davon die
Produzenten liefern können. Dann wird konsensual bestimmt, wer wann wie viel liefern
soll, wobei eventuelle Lagerschwierigkeiten mit einbezogen werden. Ein wesentliches
Element der Runde ist die Preisfindung. Die Getreidepreise werden dabei unter der
Prämisse einer guten Auskömmlichkeit für die Bauern und Bäuerinnen konsensual
festgelegt und gelten zeitlich unbegrenzt. Ist ein Mitglied der Runde nicht mehr mit den
Preisen einverstanden, wird neu verhandelt. Seit neuesten kommt zu dem noch die
„fair+regional“-Runde (Berlin-Brandenburg) hinzu, bei dem alle Bauern und
Bäuerinnen, jedes Jahr anonym abstimmen, ob der jeweilige Abnehmer oder die
jeweilige Abnehmerin, ihrer Meinung nach fair handelt. Falls ein Bauer oder eine
Bäuerin verneint, muss der Abnehmer oder die Abnehmerin sein „fair+regional“-Sigel
abgeben.
„Märkisches Landbrot“ hat etwa 270 Kunden und Kundinnen (Einzelhandel). Die 40
größten Kunden und Kundinnen werden monatlich besucht und zum Teil finden auch
gemeinsame Jahresgespräche statt. Außerdem ist man auch gemeinschaftlich organisiert
in verschiedenen Verbänden wie zum Beispiel der FÖL (Fördergemeinschaft
Ökologischer Landbau e.V.), bei denen man sich gelegentlich trifft.
Abschließend meint Christoph Deinert, dass die Gemeinwohl-Bilanz ein interessantes
Instrument ist, um sich an den Erwartungen der Gesellschaft an das Unternehmen zu
messen. So ist durch die Gemeinwohl-Ökonomie das erste Mal möglich, Nachhaltigkeit
in Zahlen zu messen und branchenübergreifend vergleichbar zu gestalten. Dieses
Instrument ermöglicht dem Unternehmen zu sehen, wo es im Vergleich zu anderen
gerade steht und wo es noch Raum für Verbesserungen gibt. Besonders aufgefallen ist
Anhang
114
dem Unternehmen, dass es an der Organisation und Entscheidungsstruktur noch etwas
verbessern kann.
Anhang
115
Anhang 4 I: Interview mit Florian Gerull von „Ökofrost GmbH“
„Ökofrost“ ist ein Großhändler für Bio-Tiefkühlkost und beschäftigt derzeit 17
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Florian Gerull ist der Geschäftsführer des
Unternehmens, welches er 1996 mit gegründet hat. In diesen Jahren hat „Ökofrost“ den
Bio-Tiefkühlmarkt wesentlich vorangetrieben, indem viele Produkte umgesetzt,
verbessert und neu entwickelt wurden.
In der Unternehmensvision kann man lesen: „(...) Wir sind Mitgestalter einer neuen
Wirtschaftsethik, für deren Verbreitung in der Gesellschaft wir uns engagiert einsetzen.
Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Offenheit, Authentizität, gesunde Entwicklung,
permanentes Lernen und Sinnhaftigkeit für Mensch und Gesellschaft sind dabei die
Basiswerte, nach denen wir unser Handeln ausrichten. (...)“ (Auszug aus der
Unternehmensvision, entnommen aus der Gemeinwohl-Bilanz 2012)
Das Unternehmen erstellte 2012 das erste Mal die Gemeinwohl-Bilanz, veröffentlichte
den dazugehörigen Bericht und besitzt drei Sämchen.
Zu Anfang wurde darüber gesprochen, dass es momentan wahrscheinlich schon noch
eher so ist, dass für die meisten Pionier-Unternehmen der Beitritt zur Gemeinwohl-
Ökonomie eine logische Konsequenz ihres bisherigen Wirtschaftens ist und eine
Gelegenheit eine Momentaufnahme ihres bisherigen Handelns herzustellen. Florian
Gerull meinte dazu auch, dass Werte und Kultur des Unternehmens schon eher in diese
Richtung gehen müssen, damit man überhaupt auf die Idee kommt der Gemeinwohl-
Ökonomie beizutreten. Dementsprechend ist es momentan noch nicht der Fall, dass der
Beitritt zur Gemeinwohl-Bewegung einen sehr großen Bewusstseinswandel auslöst. Er
wird jedoch in Firmen, die bereits nachhaltiger wirtschaften, verstärkt. Er glaubt aber
trotzdem, dass die Gemeinwohl-Ökonomie bzw. die Beschäftigung damit, dazu in der
Lage wäre, einen Kulturwandel hervorzurufen.
Bei ihm in der Firma hat sich dieser Kulturwandel in Bereichen des Unternehmens
eröffnet, in denen er noch nicht gestartet war, wie zum Beispiel im Punkt Hierarchie.
Herr Gerull berichtet, dass es während dieses Prozesses zu einer Trennung in der
Geschäftsebene kam, weil die Zielrichtungen nicht mehr zusammenpassten. Ende des
Jahres 2011 ging sein Kollege aus der Geschäftsführung. Er erzählt, dass viele Jahre die
Anhang
116
erste Antwort auf die Frage „Warum machen wir das?“, um Geld zu verdienen, war. Mit
dem ersten brauchbaren Gewinn in 2010, also einer finanziellen Sicherheit, wurde
erstmals die Frage nach dem eigentlichen Sinn gestellt. Von diesem Zeitpunkt an,
wurde sich im Unternehmen das erste Mal mit Werten auseinandergesetzt. So kam es
auch, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen äußerten, dass sie nicht ganz mit der
Gehaltsstruktur zufrieden sind. Dadurch wurde ein Workshop initiiert, bei dem
herausgefunden werden sollte, was für eine Art Gehaltsmodell sich die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen wünschen. Aus diesem Grund haben sich alle zum ersten Mal mit
diesen Wert- und Sinnfragen auseinander gesetzt. Resultierend aus diesem Impuls,
wurde sich mit der Entwicklung eines neuen Leitbildes beschäftigt. Aus diesem Prozess
wiederum resultierte die Frage, wie diese neuen Ideen in die Praxis umgesetzt werden
sollen. So kamen weitere Fragen auf: Wie können wir das messen?, Wo stehen wir?,
usw. Etwa Zeitgelich, fiel ihm das Buch von Christian Felber in die Hand. Diese
Methode der Bilanzierung war für den Geschäftsführer eine passende Antwort auf seine
Fragen. Demnach war die Gemeinwohl-Bilanz für „Ökofrost“ weniger der Anstoß
etwas zu unternehmen, sondern mehr eine Möglichkeit die bisherigen Maßnahmen zu
messen.
Florian Gerull schildert, dass der Prozess der Erstellung der Bilanz dann relativ zeitnah
gestartet wurde und in diesem Prozess auch noch viele Punkte aufkamen, die man noch
verbessern könnte. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden abwechselnd in die
Erstellung der Bilanz mit einbezogen, sodass man immer in einer Runde von vier
Personen zusammensaß und an der Bilanz gemeinsam weitergearbeitete. Es kam aber
auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Kriterien der Bilanz. Herr Gerull
ist der Meinung, dass dieser Prozess die Bewusstseinsbildung im Unternehmen stärkt.
Alleine die Auseinandersetzung mit den Kriterien fördert sehr stark das eigene
Bewusstsein und die Kommunikation untereinander. Teilweise hat man auch
Widersprüche zur Bilanz erkannt und war sich einig, dass man nicht an allen Stellen die
volle Punktzahl erreichen möchte.
Ein Punkt, der durch die Bilanzerstellung wieder ins Leben gerufen wurde, war die
Transparenz im und außerhalb des Unternehmens. Herr Gerull sagt: „Wir haben sehr
viel schon intern gemacht, aber noch nicht alles davon nach außen kommuniziert.“ Er
glaubt, dass durch die erste Generation der Bilanzersteller und –erstellerinnen das
Anhang
117
Konzept automatisch weitergetragen wird. Man dient als Multiplikator, denn es wird
den Kunden und Kundinnen, Lieferanten und Lieferantinnen, usw. kommuniziert. Auf
diese Art und Weise werden vielleicht auch Personen erreicht, bei denen dieser Wandel
noch nicht stattgefunden hat. Er glaubt, dass sie sich davon hingezogen fühlen, wenn
Sie von Verbesserungen hören, wie die Entwicklung eines neuen Gehaltsmodelles durch
das die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen total motiviert und zufrieden sind. Er berichtet,
dass ein Vertriebsmitarbeiter von „Ökofrost“ begeistert mit Einkaufsmitarbeitern eines
Kunden gesprochen hat. Solche Ereignisse könnten sehr inspirierend wirken.
Die Gemeinwohl-Ökonomie bewirkt, dass wieder erkannt wird, dass nicht jeder nur
eine Funktion trägt, sondern auch ein Mensch ist, der anerkannt und wertgeschätzt
werden möchte. Dadurch haben die Menschen umso mehr Begeisterung in den Augen
und sind authentischer. Florian Gerull erklärt, dass es in der Wirtschaft bisher so ist,
dass weiche Motivationsfaktoren ein Thema sind, aber die Umsetzung meist zu teuer
erscheint. Dabei sind es die wesentlichen Faktoren, die Motivation fördern. So werden
Kreativität und Potential systematisch abgeschnitten. Meistens ist es aber eigentlich so,
dass wenn jemand für etwas brennt, er oder sie ganz andere Kräfte mobilisiert, als wenn
er oder sie nur eine Aufgabe verordnet bekommt. Dieser neue Ansatz wäre sowohl
positiv für die Geschäftsführer, da die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen kreativ und
produktiv sind, als auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, da sie mit der Arbeit
ihre persönlichen Ziele verfolgen können. So kommt eine Win-Win-Situation zustande.
Genaueres zum Thema Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen kann man im Gemeinwohl-Bericht 2012 finden. Die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen von „Ökofrost“ haben die Möglichkeit kostenfrei Workshops zu
besuchen zu Themen wie Holakratie, Selbstcoaching, usw.
Hinsichtlich der Entscheidungsprozesse im Unternehmen verfolgt Florian Gerull das
Ziel, dass zukünftig alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen genau über ihren
Verantwortungsbereich Bescheid wissen, welcher anhand ihrer Kompetenzen entworfen
wurde, sodass immer der-, diejenige oder das Team mit der größten Qualifikation
entscheidet (sogenanntes Kreismodell). So wird es ermöglicht, dass die betroffenen
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entscheiden können und für den Prozess und die
Anhang
118
Entscheidung selbst verantwortlich sind. So hat jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin
eine gewisse Macht im Unternehmen.
Zum Thema Kooperation berichtet Florian Gerull, dass „Ökofrost“ anfangs noch relativ
wenig Vernetzung in der Branche hatte. Mit der Entwicklung der Marke „Biopolar“ vor
einigen Jahren, haben sie sich entschieden, diese dem ganzen Markt zu Verfügung zu
stellen. Dadurch war es möglich mit anderen Großhändlern eine Art Netzwerk
aufzubauen. Auf diesem Weg ist es möglich die Regionalität einiger
Kooperationspartner und –partnerinnen zu nutzen. Da diese in ihrer Region besonders
gut vernetzt mit dem Einzelhandel sind. Während „Ökofrost“ deutschlandweit operiert
und kleine Abnehmer und Abnehmerinnen teilweise aufgrund zu kleiner Bestellzahlen
nicht beliefern kann, können regionale Großhändler und Großhändlerinnen diese
Mengen liefern. Auf dieser Ebene wurde bereits mit anderen Unternehmen kooperiert.
Durch die Gemeinwohl-Ökonomie unterhält man sich auch einmal über die Werte, die
in den verschiedenen Unternehmen vorherrschen, also nicht nur über Zahlen und harte
Fakten. Herr Gerull meint, der Gedanke allein, dient schon als Plattform.
Abschließend erläutert der Geschäftsführer, dass dieser Prozess motivierend für die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein kann, aber es kommt auch darauf an wie er
gestaltet wird. Wenn der Bericht zum Beispiel vom Geschäftsführer alleine erstellt wird,
hat dies natürlich eine ganz andere Wirkung auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,
als wenn sie selber daran beteiligt sind. Er ist der Meinung, dass es wahrscheinlich nur
funktioniert, wenn das Modell von oben initiiert wird, aber jeder muss mit entscheiden
können
Weitere Erkenntnisse aus dem Interview:
Florian Gerull sieht die Gefahr bei der Gemeinwohl-Ökonomie darin, dass sie
womöglich auch sehr wissenschaftlich und technisch wirkt. So dass man aufpassen
muss, dass es nicht nur ein weiteres technisches Instrument wird, mit dem etwas
messbar ist. Es sollte schon kritisch hinterfragt und überlegen werden, was wie im
eigenen Unternehmen sinnvoll ist.
Außerdem erzählt er, unterscheidet sich der Gemeinwohl-Bericht von anderen Berichten
ähnlicher Natur, wie zum Beispiel dem Nachhaltigkeitsbericht, da er nicht nur die
Anhang
119
positiven Dinge auflistet, sondern auch kritisch hinterfragt und negative, noch
verbesserungswürdige Aspekte aufzeigt.
Anhang
120
Anhang 4 J: Interview mit Sonja Goldbrunner von „Ökoring“
Sonja Goldbrunner ist bei der „Ökoring Handels GmbH“ im Verkauf und als
Projektleitung der Gemeinwohl-Ökonomie tätig. Sie hat den ersten Bericht (2011) mit
erstellt und auch den des Jahres 2012, der noch nicht veröffentlicht wurde, da er
demnächst erst vom Auditor geprüft wird.
Die „Ökoring Handels GmbH“ ist ein Naturkostgroßhandel von ökologisch
produzierten Produkten auf regionaler Ebene und beschäftigt derzeit 140 Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen. Die Kunden und Kundinnen der „Ökoring Handels GmbH“ sind
unter Anderem Naturkostfachgeschäfte, Hofläden, Außer-Haus-Verpflegung, wie
Hotels, sowie Kantinen und Kindergärten. Das Unternehmen berät die Kunden auch
zum Thema Sortiment- und Ladengestaltung.
Zu den Anfängen der Gemeinwohl-Ökonomie im Unternehmen erzählt Frau
Goldbrunner, dass das Unternehmen schon immer Nachhaltigkeitsberichte erstellt und
sich stark mit diesem Thema beschäftigt. Der ehemalige Geschäftsführer Robert Dax
besuchte 2010 einen Vortrag von Christian Felber und war sofort begeistert von der
Idee und beschloss der Regionalgruppe Bayern beizutreten, um am Prozess
teilzunehmen. Man entschied sich dazu, um den aktuellen Stand des Unternehmens und
Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Gemeinwohlleistungen, zu erkennen. Auf der
Unternehmenswebseite kann man folgenden Ausspruch finden: „Der Ökoring hat sich
einer Gemeinwohl Bilanz unterzogen. Der Gemeinwohl Bericht, sowie unsere Bilanz
2011 zeigen umfangreich auf, wo wir bereits viel erreicht haben. Gleichsam aber
bedeuten sie uns auch: weiter zu gehen, an unserer Firmenphilosophie festzuhalten und
uns konstant zu optimieren.“ (http://www.oekoring.com) Das Unternehmen besitzt drei
Sämchen. Die Gemeinwohl-Bilanz wurde durch einen autorisierten Auditor geprüft und
der Presse vorgestellt.
Um das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie an alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
zu kommunizieren, wurde eine Projektgruppe zum Thema Nachhaltigkeit mit einem
Stellvertreter oder einer Stellvertreterin aus allen Unternehmensbereichen (Einkauf,
Verkauf, Marketing, Qualitätsmanagement, Lager und Geschäftsführung) gebildet,
damit sie sich mit dem Thema beschäftigen können und es in ihren jeweiligen
Anhang
121
Bereichen kommunizieren. Außerdem gibt es ein firmeninternes Intranet auf dem alle
Informationen zum Thema veröffentlich wurden, aber es liegt letztendlich an dem oder
der Einzelnen in wieweit er oder sie sich damit beschäftigt. Da das Unternehmen mehr
oder weniger in Büro und Lager geteilt ist, kann man sagen, dass der Bürobereich
besser Bescheid weiß als die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Lager, aber die
Erstellung des Berichtes gibt auf jeden Fall Ansporn die Idee im Unternehmen mehr zu
verbreiten.
Auf die Frage, ob die Werte der Gemeinwohl-Bilanz in der allgemeinen
Unternehmensstrategie verankert werden, antwortet Sonja Goldbrunner mit teils, teils.
Im Bereich der Demokratie ist noch vieles ausbaufähig. Maßnahmen diesbezüglich sind
geplant, aber noch schwer durchsetzbar. Maßnahmen zu erhöhter Mitbestimmung der
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden eingeleitet, wie zum Beispiel die
Mitbestimmung bei der Ernennung neuer Abteilungsleiter und -leiterinnen.
Ob sie glaubt, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich mit dem Unternehmen als
Pionierunternehmen stärker identifizieren können als ohne dieses Engagement,
beantwortet sie mit einer Vermutung, da dieser Punkt kaum messbar ist. Sie vermutet
und kann es auch von sich selbst bestätigen, dass das Wissen darüber, dass man für so
eine Art Unternehmen arbeitet viel motivierender wirkt als bei Unternehmen, die nur
wirtschaftlich denken.
Um die Kompetenzen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an den allgemeinen Wandel
bezüglich nachhaltiger Entwicklung anzupassen, werden Produktschulungen und
Maßnahmen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durchgeführt.
Die Tatsache, dass das Unternehmen einen Gemeinwohl-Bericht erstellt, bewirkt laut
Frau Goldbrunner eine Verstärkung dieses Bestrebens.
Es werden auch Projekte und Maßnahmen speziell zur Verbesserung der Gemeinwohl-
Bilanz entwickelt. Zum Beispiel wird beim Neubau des Gebäudes speziell darauf
geachtet, dass nur nachhaltig hergestellte Möbel gekauft werden. Außerdem sollen
zukünftig die Auslieferungstouren optimiert werden, um CO2 einzusparen.
Freiräume für Vorentwicklungsprozesse werden nicht direkt geschaffen. Diese
Vorentwicklungsarbeiten übernimmt das Nachhaltigkeitsteam. Sonja Goldbrunner
Anhang
122
erzählt, dass innovative Ideen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jedoch immer gerne
gesehen sind und auch meistens umgesetzt werden. Direkte finanzielle oder nicht
finanzielle Anreize werden nicht geschaffen, aber sie glaubt, dass das Wissen darüber,
dass neue Ideen mehr als willkommen sind und gerne umgesetzt werden, ein Anreiz
sein könnte. Letztens erst hätte ein Mitarbeiter vorgeschlagen, dass man ergonomische
Stühle in den Büros einführen könnte, da er Rückenbeschwerden hat. Daraufhin wurden
diese Stühle für die Büros besorgt.
Des Weiteren wurde sowohl im Gespräch als auch im Gemeinwohl-Bericht deutlich,
dass die Optimierung der Demokratie im Unternehmen eines der wichtigsten Punkte ist,
die bei der Erstellung des Berichtes und der Bilanz deutlich wurden. So etwa wurden
die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Neubau der Büro- und Lagerflächen mit
einbezogen und die Baupläne wurden transparent offengelegt.
Zum Thema Einbeziehung der Kunden und Kundinnen in den Entwicklungsprozess von
Neuerungen berichtet Frau Goldbrunner, dass seit zwei Jahren die Kunden und
Kundinnen bei Neulistungen von Produkten mit einbezogen werden, indem man
Probeprodukte vergibt und dann abstimmen lässt. So wird gewährleistet, dass die
Produkte, die neu übernommen werden auch wirklich gebraucht und verkauft werden.
Qualität und Umweltfreundlichkeit der Produkte hat sich nach Sonja Goldbrunner mit
der Einführung der Gemeinwohl-Bilanz nicht verändert, da dieser Aspekt seit Anfang
an einer der Hauptpunkte im Unternehmen ist, aber durch den Bericht kann genau
kontrolliert werden wie viele Produkte wirklich aus der Region kommen und wo
vielleicht noch Raum zur Optimierung wäre.
Um ressourcenschonender zu Wirtschaften wurde die Optimierung von Fahrtstrecken
bei der Auslieferung durch die Erstellung des Berichtes angeregt. Dazu sollen die
Kunden und Kundinnen befragt werden, ob es möglich wäre eine Tour, die an einem
Tag fern ab der eigentlichen Strecke liegt, ausfallen zu lassen. Die Befragung ist
wichtig, da man generell daran bedacht ist die Abnehmer und Abnehmerinnen so oft
wie möglich beliefern zu können.
Bezüglich des letzten Themenbereichs Kooperation erwähnt Sonja Goldbrunner, dass
das Unternehmen bereits versucht mit anderen Unternehmen zu kooperieren. Deshalb
Anhang
123
wird seit Kurzem eingeleitet mit vier anderen Großhandelsunternehmen in anderen
Regionen Deutschlands zusammenzuarbeiten um Zahlen und Wissen auszutauschen.
Außerdem hatten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit eines der anderen
Unternehmen in ihrem Tätigkeitsbereich zu besuchen und zu vergleichen.
Laut Sonja Goldbrunner kann das Unternehmen besonders bezüglich
Dienstleistungsinnovationen, was die Zusammenarbeit mit den Kunden und Kundinnen
angeht und sozialen und organisatorischen Innovationen, da die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen mehr in Entscheidungen und Neuerungen mit einbezogen werden,
Fortschritte vorweisen.
Anhang
124
Anhang 4 K: Interview mit Uwe Treiber von „Sonnendruck GmbH“
Seit 2010 ist Uwe Treiber der Geschäftsführer des Unternehmens, welches neun
Vollzeit- und drei Teilzeitmitarbeiter und -mitarbeiterinnen beschäftigt. „Sonnendruck“
ist eine Offset-Printdruckerei, die Prospekte, Kataloge, Magazine, Verpackungen, usw.
herstellt. Uwe Treiber hat im Unternehmen einige Änderungen durchgeführt, in dem er
2010 die FSC-Zertifizierung vollzogen hat und seit 2011 klimaneutrales Drucken
anbietet.
Das Unternehmen ist seit 2012 Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie und besitzt drei
Sämchen. Im Gemeinwohl-Bericht kann man lesen, dass Herr Treiber durch einen
Vortrag von Christian Felber auf der Messe „Karma Konsum“ auf die Gemeinwohl-
Ökonomie aufmerksam geworden ist. Da dieses Konzept im Einklang mit seiner
Firmen- und Lebensphilosophie ist, entschloss er sich beizutreten und die Bewegung zu
unterstützen. Ihm fiel seit Jahren auf, dass in dem wirtschaftlichen Rahmen, wie er
momentan aufgestellt ist, Menschen leiden müssen und ausgebeutet werden, um
Gewinne zu maximieren. Dadurch nutzte er die Gelegenheit, um schauen zu können, wo
sein Unternehmen steht und wo Verbesserungspotential vorhanden ist. Außerdem
wünscht er sich in diesem Kreis neue Kunden und Kundinnen, die ähnlich denken wie
er.
Uwe Treiber berichtet, dass er Anfang 2012 die Gemeinwohlinitiative Rhein-Neckar
mit ins Leben gerufen hat und daran anschließend den ersten Bericht erstellte und
veröffentlichte. Am Anfang wurde der Bericht in einer Peer-Gruppe mit anderen
Unternehmern und Unternehmerinnen der Initiative erstellt. Dies lief allerdings sehr
schleppend und somit entschloss sich Herr Treiber zusammen mit einer weiteren Person
aus dem Unternehmen den Bericht fertigzustellen.
Um das Thema den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu kommunizieren, gab es eine
Besprechung speziell zu diesem Zweck. Außerdem meint er, dass zwischendurch jeder
und jede in den alltäglichen Gesprächen die Neuigkeiten mitbekommt, da es ein kleiner
Betrieb ist. Er hat seit Anfang an und noch bevor er das Unternehmen geleitet hat, mit
den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen darüber gesprochen in welche Richtung, sprich
nachhaltige Entwicklung, soziales Engagement, usw., er gehen möchte. Die
Anhang
125
Bilanzvorstellung vor der Presse ereignete sich im Unternehmen, bei der auch alle
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anwesend waren.
Auf die Frage, ob sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dieser Art von
Unternehmen mehr identifizieren können, war er der Meinung, dass das schon der Fall
ist, da die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mitbekommen, dass in anderen Druckereien
eher Lohnkürzungen als -erhöhungen vorgenommen werden und momentan auch viele
Druckereien schließen müssen. Er glaubt, dass sie zum Teil stolz darauf sind in so
einem Unternehmen arbeiten zu dürfen. Er teilt auch alle Neuigkeiten immer
konsequent mit. Weiterhin berichtet er, dass zurzeit die Druckbranche sehr angespannt
ist, da jeder und jede versucht sich preislich zu unterbieten, aber ihm ist auch klar, dass
diese Differenz meist die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bezahlen müssen. Auch aus
diesem Grund ist er der Gemeinwohl-Ökonomie beigetreten, damit bei ihm im
Unternehmen diese Mentalität nicht zustande kommt. Ein weiterer Fakt, der für ihn
unbegreiflich ist, ist der, dass die Kommune Wiesloch, in der er tätig ist, Steuern
bezahlt und Arbeitsplätze schafft, die Druckaufträge grundsätzlich über
Ausschreibungen an die billigsten Druckereien vergibt und nicht an die Druckerei im
Ort. Deshalb ist er in Kontakt zu Politikern und Politikerinnen in Baden-Württemberg
und Berlin um diese Missstände zu kommunizieren, aber eine Veränderung von Seiten
der Politik wird wohl so schnell nicht eingeleitet werden.
Durch den Prozess der Erstellung und Auditierung der Bilanz ist er auf viele Aspekte
gestoßen, die noch verbessert werden können. Beim Thema Papiereinkauf könnte zum
Beispiel mehr hinterfragt werden, inwiefern dieser Lieferant oder Lieferantin die
gleichen Werten teilt und wenn nicht, ob man vielleicht einen passenderen
Papierhändler oder -händlerin finden könnte. Zu diesem Zweck führt er ständig
Einzelgespräche mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, um die Potentiale zur
Verbesserung zu besprechen und ihnen die Möglichkeit zu geben, diese in
Eigeninitiative umzusetzen.
Zum Thema Kundeneinbeziehung, erklärt Herr Treiber, dass er die Kunden und
Kundinnen über die Gemeinwohl-Ökonomie informiert, da er selbst sein Engagement,
als eine Form des Marketings, mit nach außen tragen möchte. Diesbezüglich kam sehr
Anhang
126
viel positives Feedback von den Kunden und Kundinnen. Er meint, dass man so mehr
mit den Interessenten und Interessentinnen ins Gespräch kommt.
Im technologischen Bereich würde er gerne noch Neuerungen einleiten, wie zum
Beispiel das Anbringen einer Photovoltaikanlage, aber da die Räume gemietet sind und
der Vermieter daran kein Interesse hat, ist es schwer umsetzbar. Bezüglich der Anlagen
ist es finanziell unmöglich immer die neuesten Druckmaschinen anzuschaffen. Durch
den Bericht wird das Bewusstsein dafür geschärft und man versucht aus dem, was man
hat, das Beste herauszuholen.
Bezüglich der Kooperation mit anderen Unternehmen ist Uwe Treiber bestrebt ein
Netzwerk aufzubauen, indem er in diversen Foren und der Gemeinwohl-Initiative Rhein
Neckar tätig ist. Er möchte den Gedanken weiterverbreiten. Die Kooperation mit
anderen Druckereien ist eher schwerfällig, da die Druckereien mittlerweile um jeden
Auftrag konkurrieren, aber er pflegt eine Kooperation mit einer Druckerei aus
Heidelberg. Dabei übernimmt die Heidelberger Druckerei größere Aufträge von
„Sonnendruck“ für die die Kapazitäten nicht vorhanden sind und „Sonnendruck“
bekommt im Austausch dafür kleinere Aufträge vermittelt.
Zusammenfassend beschreibt er, dass besonders in den Bereichen des
Beschaffungswesens und der Transparenz nach außen, Potential zur Verbesserung
existiert. Die Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich nach Uwe
Treiber noch nicht allzu sehr verändert, er würde sich aber mehr diesbezüglich
wünschen. Obwohl er im Großen und Ganzen das Gefühl hat, dass sie froh sind bei
„Sonnendruck“ zu arbeiten. Er meint, dass es nicht möglich ist, Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen mit unterschiedlichem Interesse, einfach davon zu überzeugen. Er hat
zum Beispiel ein Fahrrad für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zur Verfügung
gestellt, damit auf diesem Wege das Mittagessen um die Ecke geholt werden kann, aber
der einzige, der mit diesem Fahrrad fährt, ist bislang er. Er ist aber weiterhin bestrebt
mehr Engagement von Seiten der Belegschaft zu gewinnen.
Anhang
127
Anhang 4 L: Interview mit Sonja Aigner von „Sonnentor Kräuterhandelsgesell-
schaft mbH“
Sonja Aigner ist Leiterin des Unternehmensbereiches Marketing bei der „Sonnentor
Kräuterhandelsgesellschaft mbH“ und seit sechs Jahren im Unternehmen tätig. Das
Unternehmen wurde 1988 von Johannes Gutmann mit der Idee, die Kräuterspezialitäten
der Region (Waldviertel, Österreich) in Bio-Qualität zu vermarkten, gegründet.
„Sonnentor“ ist bestrebt traditionelle bäuerliche Strukturen der Region zu unterstützen
und zu bewahren. Für diese besondere Arbeit bekam das Unternehmen bislang viele
Auszeichnungen wie den Innovationspreis der Niederösterreichischen
Wirtschaftskammer oder den österreichischen Klimaschutzpreis. Das Unternehmen
beschäftigt derzeit 170 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und besitzt drei Sämchen in
der Gemeinwohl-Ökonomie.
Der Beitritt zur Gemeinwohl-Ökonomie war eine logische Konsequenz des bisherigen
Handelns. Sonja Aigner ist im Kernteam, von vier Personen, zur Erstellung der
Gemeinwohl-Bilanz. Momentan wird an der Finalisierung der Gemeinwohl-Bilanz 2013
gearbeitet. Sonja Aigner berichtet, dass bei dieser Bilanz viel mehr versucht wurde die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Prozess zu integrieren als im Vorjahr. Damit es
eine Bilanz wird, die wirklich alle Bereiche anschaut und jeden Mitarbeiter und jede
Mitarbeiterin diesen Prozess als Plattform nutzen kann, um Verbesserungen
anzubringen und voranzutreiben. Bei der Erstellung des ersten Berichtes 2011 wurden
die Abteilungen durchgegangen und befragt, wie der Stand der Bereiche in Bezug auf
die Gemeinwohlleistungen bereits ist. Aber dies verlief noch ausschließlich in dem
Rahmen von gezielten Interviews und Befragungen. So wurde der erste Bericht auch
relativ technisch. 2012 wurde versucht, den Bericht generell etwas anders zu schreiben,
damit dieser verständlicher für den Leser und die Leserin wird. Beim aktuellen Bericht
wird darauf geachtet, dass wirklich ein Großteil der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
einbezogen wird, um auch zu erkennen, ob es neue Ideen im Unternehmen gibt, die
umgesetzt werden können. Dies verlief so, dass bei einer Mitarbeiterinformationsrunde
das Konzept und die Kriterien der Gemeinwohl-Bilanz noch einmal genau vorgestellt
wurden und eingeleitet wurde, dass sich pro Kriterium etwa zwei Mitarbeiter oder
Mitarbeiterinnen finden, die sich bereit erklären diesen Bereich kritisch zu betrachten
Anhang
128
und Ideen bzw. Verbesserungsvorschläge zu sammeln. Dieser Fortschritt bezüglich der
Einbeziehung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen resultierte aus dem Wunsch die
Bewegung voranzutreiben und in Erfahrung zu bringen inwieweit das Konzept von der
Belegschaft bereits angenommen und verstanden wird. Dadurch sollte geprüft werden,
wo das Unternehmen nach den ersten zwei Berichten steht und ob wirklich alle
Formulierungen und Beschreibungen im Handbuch der Gemeinwohl-Ökonomie von
allen verstanden werden, denn nur so kann Mitbestimmung und Demokratie
gewährleistet werden.
Sie berichtet, dass durch diesen Prozess zum ersten Mal festgehalten wurde, was das
Unternehmen im Sinne des Gemeinwohls alles leistet. Frau Aigner hatte schon das
Gefühl, dass viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr beeindruckt von dieser
Zusammenfassung waren. So wurden alle Informationen zum Unternehmen für jeden
Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ersichtlich und zugänglich. Es gab aber auch
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die nicht so gerne den Bericht ganz lesen und
durchgehen wollten, da sie dies eher als zusätzliche Arbeit ansehen. Sie ist sich aber
auch bewusst, dass man akzeptieren muss, dass dieses Thema nicht für jeden gleich
wichtig ist.
Durch die Erarbeitung der einzelnen Berichte und die anschließende Befragung durch
den Auditor haben sich viele Aspekte aufgezeigt, auf die man zuvor noch nicht geachtet
hat. Zum Thema Kommunikation gab es öfters kritische Nachfragen durch den Auditor,
da sich das Unternehmen „Sonnentor“ als sehr positiv empfindet und dies auch auf die
gleiche Art und Weise kommuniziert, wurde hinterfragt, ob dies auch wirklich genauso
im Unternehmen kommuniziert und gelebt wird. Denn durch die sehr positive Sprache
kann auch schnell Ungläubigkeit bei dem Leser oder der Leserin aufkommen. An
diesem Punkt soll in Zukunft gearbeitet werden. Ein weiterer Aspekt der aufkam, war
die Arbeitsqualität in der Produktion und Verpackung. Hinsichtlich der Verbesserung
der physischen Gesundheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden
Gymnastikbälle beschafft. Laut Frau Aigner ist dieser Prozess im Unternehmen sehr
spannend, da dadurch Kleinigkeiten ans Licht kommen, die oft sehr viel bewirken.
Bezüglich der Weiterentwicklung der Qualifikationen der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen, werden bei „Sonnentor“ permanent kostenlose
Anhang
129
Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten. Durch die kritische Beobachtung des Auditors
wurde aber sichtbar, dass nur etwa zwei Drittel der Belegschaft dieses Angebot nutzt.
Somit stellte sich die Frage, aus welchem Grund nicht alle daran teilnehmen. Zukünftig
soll an diesem Punkt gearbeitet werden. Dazu sollen die einzelnen Abteilungen befragt
werden. Sonja Aigner schildert, dass eine weitere konkrete Maßnahme durch diesen
Prozess entstanden ist, nämlich die Umstellung von der konventionellen
Mitarbeitervorsorgekasse auf die „fair-finance“, die neben ihrem Kerngeschäft noch
einen „Beitrag zur Lösung von sozialen und ökologischen Problemen“ (http://www.fair-
finance.at/ueber-uns/) leistet.
Hinsichtlich der Arbeit mit den Auditoren beschreibt Frau Aigner, dass es teilweise
noch sehr kompliziert ist, da der Auditor sehr viel über das Unternehmen wissen muss
und einen genauen Einblick bekommen muss, um richtig urteilen zu können. So kam es
zum Beispiel dazu, dass bei einem Zusammentreffen mit dem Auditor in der Firma,
dieser das Thema der 60 zusätzlich beschäftigten freien Dienstnehmer und
Dienstnehmerinnen bemängelte. Aber die Verantwortlichen im Unternehmen wissen,
dass diese Personen, genau dieses Beschäftigungsverhältnis wertschätzen, da es optimal
für ihren Alltag ist, der gleichzeitig zur Betreuung von Kindern, pflegebedürftigen
Personen, usw. genutzt werden muss. Diese Personen stammen auch alle aus der
Region. Laut Frau Aigner wünscht nur eine der Personen eine Volleinstellung. Solche
und ähnliche Themen bedürfen immer einem extra Gespräch mit dem Auditor, um
Verständnis dafür aufbringen zu können und zu realisieren, dass an dieser Stelle kein
Veränderungsbedarf vorhanden ist. Das Problem dabei ist, dass der Auditor all diese
Themen schriftlich verlangt um sie bewerten zu können. Dafür besteht aber aus Sicht
des Unternehmens einfach nicht genug Zeit. An dieser Stelle müsste man an der
Handhabung vielleicht noch etwas optimieren.
Auf die Frage hin, ob sich in Bezug auf die Einbindung der Kunden und Kundinnen in
die Entwicklungsprozesse etwas verbessert hat, erzählte Sonja Aigner, dass man bei
„Sonnentor“ die Erfahrung gemacht hat, dass die Kunden und Kundinnen gerne
mitsprechen und Vorschläge einbringen. Dies geschieht bereits mithilfe des
Reklamationswesens und dem Botschafter-Meeting, in dem Kundenwünsche
ausgetauscht und diskutiert werden, um diese eventuell in die Entwicklung mit
Anhang
130
einzubeziehen, aber die eigentliche Entwicklung neuer Produkte wünschen sich die
Kunden und Kundinnen vom Unternehmen selbst, da sie gerne überrascht werden
möchten.
Sonja Aigner erklärte, dass an den Produkten selbst nicht mehr viel Spielraum zur
Optimierung vorhanden ist, da diese bereits ein hohes Niveau an Qualität und
Umweltfreundlichkeit besitzen. Es werden aber Bereiche überdacht, wie zum Beispiel
die Barrierefreiheit zum Produkt, also dass vielleicht auch sehbehinderte Personen den
Zugang zum Produkt bekommen. Dies ist momentan technisch leider noch nicht
umsetzbar. Außerdem wird die Ursprungsthematik noch einmal genau besprochen, so
dass hundertprozentig sicher gestellt wird, dass direkt mit den Bauern und Bäuerinnen
zusammengearbeitet. Denn nur so kann gewährleitet werden, dass „Sonnentor“ als
verlässlicher Partner der Bauern und Bäuerinnen agiert, damit diese wirklich faire Preise
bekommen und unter guten Bedingungen arbeiten können. Es wird auch versucht, die
vereinzelten Produkte, die bislang noch von einem Bio-Großhändler bezogen werden,
direkt in Zusammenarbeit mit kleinen Produzenten, zu beziehen.
Hinsichtlich der Kooperation mit anderen Unternehmen wird bereits bei „Sonnentor“
schon sehr viel unternommen. Frau Aigner berichtet, dass mit Unternehmen wie
Hessnatur (Naturmode), BioPlanète (Bio-Öle), Rapunzel (Naturkostprodukte) bereits
viel Wissen ausgetauscht wird. Für den Biofach-Handel existiert bereits ein Netzwerk
mit dem BNN, dem Bundesverband Naturkost Naturwaren, bei dem Daten und
Informationen zusammengefasst und zugänglich gemacht werden, um zu erkennen, wo
man steht. Man trifft sich auch mit anderen Unternehmern und Unternehmerinnen wie
Joseph Zotter (Zotter Schokoladen), um verschiedene Initiativen und Projekte
weiterzuentwickeln. Ganz im Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie wurde das Pionier-
Unternehmen „Göttin des Glücks“ auch finanziell unterstützt. (siehe Interview mit Lisa
Muhr)
Zusammenfassend meinte sie, existiert mehr Bewusstsein im Unternehmen für diese
Thematik und speziell die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die direkt mitgearbeitet
haben, können sich mehr mit dem Unternehmen identifizieren.