Post on 05-Apr-2015
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Streetwork
einbettet niedrigschwellige akzeptierende Drogenarbeit = Brücken-, aber nicht Schlepperfunktion (!)
es gibt keine deutliche "Hilfefrage", im Mittelpunkt steht "nur" Kontakt
Ausstieg aus klassischen Komm- u. Beratungsstrukturen mit ihren klar definierten Rollenmustern, Hierarchien u. Rückzugs-/Schutzmöglichkeiten für Profis
Sozialarbeit bewegt sich in der Lebenswelt der KlientInnen, ist dort "Gast" u. nicht "GastgeberIn" = entbehrt jegliche Definitionsmacht
Sozialarbeit muß sich entsprechend den Regeln u. Normen der Szene verbindlich verhalten, Rahmenbedingungen, Möglichkeiten u. Erfordernisse werden immer von der Szene bestimmt
leistet Arbeit zwischen nicht-hierarchisch agierenden Personen in einem ständig wechselnden u. durch neue Situationen geprägten Umfeld
keine feste Tagesordnung o. klar definierte Strukturen im Arbeitsfeld = auf zufällige Kontakte angewiesen, Termine nur schwer vereinbar
Verbindlichkeit u. Kontinuität liegen im Ermessen der Betroffenen, Tempo der Entwicklung bestimmt die KlientIn
geprägt durch Grenzgang zwischen Gesellschaft u. ausgegrenzten Gruppen
Besonderheiten von Streetwork
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Streetwork
individuell = Verhalten des einzelnen
Gruppenebene = soziokulturelle Veränderungen im Milieu
Arbeitsebenen:
Kontakte legen/aufrechterhalten
Informationen sammeln (Trends, Problemlagen, Bedarf)
Prävention u. Vermeiden von Infektionen (Gesundheit, Safer-use, Safer-sex, Safer work etc.)
Hilfe u. Unterstützung bei Problemen, psychosoziale Begleitung bis hin zur Knast- u. Sterbebegleitung
Beratung u. kurze Information (Botschaften, Hinweise auf Angebote)
Unterstützung bei der Entwicklung von Perspektiven zur Überwindung bestimmter Problemlagen/Ausstieg aus Sucht
Informieren über/Vermitteln in Hilfeangebote, Überlebenshilfe
Vertretung der Interessen der Zielgruppe (gegenüber anderen Institutionen, Bevölkerung) bis hin zum Erhalt der Szenen
Ziele von Streetwork
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Streetwork
"Unerreichbare" = DrogenkonsumentInnen, die:
noch nie Kontakt zum Hilfesystem hatten
keine Kontakte mehr haben
zwar Kontakte haben, aber von den Präventionsbotschaften nicht erreicht werden
von Präventionsangeboten nicht erfolgreich erreicht werden, infolge:
unvollständiger/mangelhafter Informationen
falschen Vorgehens
Faktoren auf seiten der KlientInnen (Motivation, soziale Normen, fehlende Mittel)
Zielgruppe von Streetwork:
beachten: fehlende Homogenität der Drogenszene,
Szenen differenziert nach Präsenz in der Öffentlichkeit, bevorzugten Drogen, Art des Konsums, ethnischer Hintergrund, sexuelle Präferenzen etc.
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Arbeit in soziokulturellen Milieus
"Drogenkultur" - enger Begriff
komplexes Netzwerk unterschiedlicher sozialer Charaktere, die in der Institutionalisierung des Drogenkonsums eine Art gemeinsamen Nenner finden, ansonsten aber z. T. unterschiedliche Lebensstile u. biographische Hintergründe aufweisen
der symptomatische Lebensvollzug innerhalb einer Drogenkultur kann wesentlich aus dem Gebrauch bestimmter Drogen ihrer Mitglieder verstanden/erklärt werden
Droge spielt zentrale Rolle in Unterhaltungen, Aktivitäten u. Kooperationen der Mitglieder
wird zur wichtigsten Initiationsinstanz eines Lebens mit Drogen
verelendete Straßenszene
öffentliche Szene
private Szene
selbstorganisierter isolierter Drogenkonsum
Drogenszenen:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Arbeit in soziokulturellen Milieus
Kriterien von Near-Groups:
Unbeständigkeit, wechselnde Mitgliedschaften
individualisierte, diffuse Rollendefinitionen gemäß augenblicklicher Bedürfnisse
diffuse u. unterschiedliche Mitgliedschaftskriterien
begrenzte Definition von Erwartungen gegenüber den Mitgliedern
gegrenzte Verantwortlichkeit u. Soziabilität als Erfordernis der Mitgliedschaft (nehmen auf begrenzte Fähigkeiten der einzelnen Bezug)
selbsternannte, häufig wechselnde u. ungeklärte Führung
begrenzte Kohäsion
begrenzter Konsens über Funktionen, Ziele u. Normen
Unklarheit über Mitgliedszahlen
emotional motiviertes VerhaltenDifferenzierung zu "echten" Gruppen, deshalb Motivation zum Gruppenaufbau:
um sich gegenseitig zu unterstützen
um Konkurrenz u. Isolation abzubauen
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Offene Drogenszenen
Bedeutung für die KonsumentInnen:
Entfaltungsmilieu f. Drogenschwarzmarkt u. Möglichkeit zur Beschaffung illegalisierter Drogen
Impulsgeber für Entwicklung devianter Verhaltensweisen: Durch-setzungsfähigkeiten gegenüber Verfolgung, Gewalt (Ware-Geld-Be-ziehung z.T. mit Gewalt durchgesetzt), Beschaffungsdruck, Diskriminierung
letztes soziales Netz mit gewissem Unterstützungspotential (Notschlafstelle, Versorgung, gewisse Solidaritätsleistungen)
soziale Bezugsgruppe, in der soziale Kontakte, Status u. Bestätigung erworben werden können
soziales Milieu, in dem Wissen zu Überlebensstrategien u. -hilfen für ein Leben auf der Straße u. mit Drogen entwickelt u. gelernt wird
Instanz, durch die Techniken u. Applikationsrisiken, Informationen zur Qualität v. Drogen, gebotenen Vorsichtsmaßnahmen u.ä. weitergegeben werden
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Drogen
arbeit Zugehörigkeit zu Szenen/Banden/Gangs
Effekte von "Szene" für den einzelnen:
bieten dem einzelnen Teilnahmemöglichkeiten an kollektiven Aktionen, neue Erfahrungen, Spannung, Genuß u. Romantik = Ersatzbefriedigung für nicht vorhandene Bedürfnisbefriedigung,
ein Angebot stabiler Integration für gleichartig Betroffene = mindert Angst-, Versagens- u. Schuldgefühle, Realitätslinderung,
oft einzige Möglichkeit für Statuserwerb = Kriterien sind einlösbar
aus Erfahrungen entstandene Gruppenidentität bringt eine Gemeinsamkeit von Gewohnheiten, Gefühlen, Einstellungen u. Symbolen hervor
rechtfertigt Feindseligkeit u. Aggression gegenüber denjenigen, derentwegen die Selbstachtung leidet
große soziale Kontrolle, bei Verstoß gegen Gruppennorm folgen Sanktionen unterschiedlicher Härte
Sozialisation in Szene leistet jedoch nur bedingt einen Beitrag, um sich außerhalb zurechtzufinden
Anpassung an u. Mobilität in mittelschichtsgeprägten Kulturen nicht geübt, sondern offen diskreditiert u. bekämpft
Gefahr sozialer Isolation, allgemeiner Interaktionsunfähigkeit u. Gruppenabhängigkeit
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Drogen
arbeitStreetwork: Arbeit in soziokulturellen Milieus Drogenkultur = Regeln beziehen sich auf:
soziale Umstände/Situationen, unter denen konsumiert werden darf u. unter denen auf Konsum zu verzichten ist
physische/psychische Befindlichkeit für Konsum u. Abstinenz
Beschaffung, Herstellung, Lagerung
die zu konsumierende Wirkstoffmenge, Darreichungsform, Frequenz
die Kombination mit anderen Drogen o. Lebensmitteln
Arten der Einnahme = Ritual des Konsumierens
Präventionsarbeit = Information, Aufklärung zur Erweiterung von Kenntnissen zu Infektions- u. Erkrankungsrisiken
Arbeit mit Gruppen in Richtung Änderung von Einstellungen, Normen u. Haltungen für ein allgemeines Gesundheitsbewußtsein
Bereitstellen von Kondomen, Spritzen u.a. materieller Grundlagen
Erweiterung der Handlungskompetenzen für Risikomanagement
Streetwork:
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Drogen
arbeit Streetwork: Arbeiten vor Kontaktaufnahme
globale Vorstellungen klären zu:
Zielgruppe = wer soll erreicht werden
Ziele = was soll mit der Arbeit erreicht werden
in welche Situation begebe ich mich
wo trifft sich die Zielgruppe
wann
welche Drogen werden genommen
wie werden sie konsumiert
wo werden die Drogen genommen
welche Probleme gibt es - z.B. Gewalt, Prostitution?Empfehlung:
für Sammlung von Daten eine grobe Planung aufstellen
"Drehbuch" erarbeiten, um Arbeit minimal zu strukturieren = welche Personen, Gruppen u. Themen genießen Priorität
zu bestimmten Zeitpunkten
(Tageszeiten, Wochentagen, Jahreszeiten)
unterschiedlich
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Drogen
arbeit Streetwork: Arbeiten vor Kontaktaufnahme
welche Daten sind relevant
z.B. wieviele User, wieviele Neueinsteiger, Geschlechterverhältnis, Altersverteilung, Konsumformen, Anteil Wohnungsloser, Infektionsraten, ethnischer Hintergrund, Adressen u. Sprechzeiten von relevanten Hilfeangeboten vor Ort
wo sind die Daten zu bekommen
z.B. Studien zu Lebensumständen, Berichte von Hilfseinrichtungen, Statistiken
wer sammelt welche Informationen
Achtung: alle Quellen sind mit Vorurteilen u. Beschränkungen behaftet, deshalb alle Informationen prüfen u. vergleichen
Sammeln von Informationen:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Arbeiten vor Kontaktaufnahme
Kenntnisnahme der gesamten örtlichen Infrastruktur von Hilfeangeboten, die für die Zielgruppe relevant sind: Drogenhilfeeinrichtungen, AIDS-Beratung, medizinische Einrichtungen, Krisenübernachtung, Wohnungsvermittlung, Sozialämter, Schuldner- u. Rechtsberatung, Frauenhäuser, Selbsthilfegruppen etc. mit AnsprechpartnerInnen u. Öffnungszeiten)
persönliche Vorstellung in sozialen Einrichtungen, Werben um Zusammenarbeit u. fachliche Akzeptanz sowie Treffen von Absprachen
Bekanntmachen bei Ermittlungsbehörden, um Behinderungen in der Arbeit auszuschließen; aber keine enge Kooperation mit Polizei, da Vertrauensverhältnis zur Klientel gefährdet u. Arbeit parteiisch für Betroffenen zu leisten ist (!)
Bekanntwerden in der Kommune/AnwohnerInnen/Geschäftsleuten u. gewinnen von KooperationspartnerInnen, um ein Minimum an Infrastruktur für Betroffene zu erhalten
Aufbau u. Pflege eines institutionellen Netzes:
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontaktaufnahme
Beobachtung
defensive = abwartende Kontaktaufnahme
offensive = zugehende Kontaktaufnahme
Arbeitsmethoden der Erstkontaktphase (I):
Beobachtung
Feldanalyse = Beobachten der Interaktion, die wichtigsten Abläufe kennenlernen, Aufnahme der Stimmungslage
Ermitteln der Leitfiguren der Zielgruppe
Kommunikation über Geschehen bietet erste Anknüpfungspunkte für Kontakte
defensive Kontaktaufnahme
Vorstellung durch andere (Schneeballprinzip) o. sich zu einer Gruppe gesellen, in der es schon Bekannte gibt
Verteilen von Präventionsmaterialien u. Rundbriefen/Infolettern, Umfrage mit Hilfe eines Fragebogens
Vertrauen der Gruppe gewinnen durch:
immer ehrlich sein (wer man ist, was man kann)
nur die Unterstützung bei Problemen anbieten, die man wirklich leisten kann
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontaktaufnahme
Arbeitsmethoden der Erstkontaktphase (II):
offensive Kontaktaufnahme
Gespräche anknüpfen, oft über beiläufige Unterhaltung
sich vorstellen u. erklären
welche Aufgaben man hat
für welche Institution/Organisation man arbeitet (Visitenkarte)
wofür man sich einsetzt
was man für die Zielgruppe machen kann
Grundregel:
KlientIn bestimmt Zeitpunkt, Inhalt, Dauer u. Häufigkeit des Kontakts
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Kontaktaufnahme
Arbeitsmethoden der Erstkontaktphase:
zumindest beim Erstkontakt sollte der Kontakt von den Betroffenen ausgehen
Verhalten so, daß man als ansprechbar wahrgenommen werden kann (langsam gehen, stehenbleiben, beobachten, sich hinsetzen/hinhocken, Blickkontakt, unverbindliches Zunicken)
Überprüfen der nonverbalen Kommunikation/Körperhaltung auf seiten der SozialarbeiterIn
unterscheiden, ob "KlientIn" ansprechbar oder aber auf der Szene "arbeitet" (dealt, Stoff organisiert, Sexarbeit)
unverbindlicher Gesprächseinstieg = KlientIn bestimmt, ob Gespräch vertieft, abgebrochen o. auf Small-talk gehalten wird
KlientIn immer die Möglichkeit geben, Kontakt zu vermeiden/zu beenden
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontaktaufnahme
Reflexion der Arbeit in der Erstkontaktphase:
Wo halte ich mich auf? (an welchem Ort, in einiger Entfernung o. in unmittelbarer Nähe zu den Leuten etc.)
Wann suche ich den Ort auf?
Was ist der geeignete Zeitpunkt, um auf Leute zuzugehen?
Mit welchen Leuten spreche ich zuerst?
Wie gehe ich auf Leute zu? (direkt, indirekt)
Was kann ich anbieten?
Wann muß ich - vorübergehend - aufhören/eine Pause machen/weggehen?
regelmäßige feste Zeiten der Präsenz (Tag,
Ort, Zeit) besonders zu Beginn sinnvoll
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Arbeitsmethoden der Phase "Kontakthalten" :
Pflege der Folgekontakte
Informationssammlung
Beratung u. Information
Hilfe u. Unterstützung im Einzelfall
Krisenintervention
Ziel der Phase "Kontakthalten" :
angefangenen Kontakt locker halten, um KlientIn zu ermöglichen, im Bedarfsfall den Kontakt zu intensivieren
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Pflege der Folgekontakte:
meist beschränkt auf Begrüßungsfloskeln u. oberflächliche Gesprächsinhalte
Ziel:
Kontakt aufrecht erhalten
anonyme, informelle Beratung
Krisenintervention in Form von Kurzzeitberatung zu lebensbedrohlichen Ereignissen
Abbau von Interaktionshemmnissen (Phase der Vertrauensbildung)
zielgruppenspezifisch informieren zu Krankheits- u. Infektionsvermeidung
medizinische u. allgemein gesundheitsbezogene Fragen (Ernährung, Hygiene) klären
Information zu Anlaufstellen des sozialen Hilfesystems
Information zu Ansprüchen gegenüber Behörden
Gespräch zu gesellschaftlichem Leben u. Szeneklatsch
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Informationssammlung:
aktuelle Strukturen, Zusammensetzung u. Konsumgewohnheiten in der Szene o. beim einzelnen
Registrieren u. Kontaktvorbereitung zu NeueinsteigerInnen
KlientInnen ausfindig machen, zu denen Kontakt abgebrochen ist
Methode:
nicht bohrendes, Mißtrauen erregendes Nachfragen, sondern zusammen-setzen der benötigten Infos aus vielen bruchstückhaften Gesprächen
Beratung u. Information:
Setting auf der Straße läßt nur bedingt umfangreiche Beratung u. Information zu
Infos möglichst in schriftlicher Form weitergeben - Flyer, Visitenkarten mit Telefonnummern für Folgekontakte übergeben
ideal wäre ein kleiner Raum fußläufig in Szenenähe als Rückzugsmöglichkeit für intensivere Gespräche
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Informationen sammeln
Standardisierter Beobachtungsbogen:
welche Drogen werden konsumiert
wie werden die Drogen genommen
wer nimmt Drogen (Alter, Geschlecht, ethnische Gruppe)
wo wohnen die User
was machen sie tagsüber
wie kommen sie an ihr Geld
wo konsumieren sie
mit wem konsumieren sie
welche Beziehungen bestehen untereinander
gibt es eine soziale Hierarchie in der Szene
welche Normen u. Werte gelten für riskantes Verhalten
besondere Vorkommnisse z.B. Polizeieinsatz, Unfälle, Tod u.ä.
Methode:
Bogen möglichst einfach strukturieren, so daß für Festhalten der Infos nicht mehr als fünf Minuten nötig
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Themen der Beratung:
HIV/AIDS/Hepatitiden: alltagsnahe Begleitung bei Versuchen der Verhaltensänderung, Bewältigung von Lebensängsten, beim Umgang mit Diskriminierung, bei der Auseinandersetzung mit Sterben u. Tod
Drogenabhängigkeit: Aufgreifen der Ambivalenz zwischen Aufhören u. Weitermachen, Stärkung des Überlebenswillens, Entwicklung von Alternativen zum Drogenalltag, berufliche Perspektiven
psychische Stabilisierung: Vorbereitung auf Gerichtsprozesse, Therapie u.ä.
soziale Beziehungen: Partner- u. Familienkonflikte, Gewaltprobleme, Heimunterbringung usw.
Soziales: Ämterangelegenheiten, Schuldnerberatung, Arbeits- u. Wohnungslosigkeit
Methode:
StreetworkerIn = "HausärztIn" unter den SozialarbeiterInnen, die bei speziellen Problemen weiter verweist
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Hilfe u. Unterstützung:
beschränkt auf kurzfristige Krisenintervention
klassische Einzelfallarbeit u. umfangreiche Hilfestellungen gehen zu Lasten der Anwesenheit in der Szene = in der Streetwork nicht möglich
Methode:
primär Arbeit mit Gruppen; intensive, langfristige Einzelfallarbeit muß Ausnahme bleiben
Krisenintervention:
psychisch instabile Phasen
glaubhafte Suizidabsichten
Gewalt in der Szene
Drogennotfall
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Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Gespräche als Methode:
Teilnahme der StreetworkerIn am Alltagsgeschehen der KlientInnen
Motivation, Erzeugen von Problembewußtsein, Übernahme von Eigenverantwortung in der Lebensführung
Vergangenheitsbewältigung
Stärkung des Selbsthilfepotentials
Anzeichen für fehlende Gesprächsbereitschaft:
das Gespräch verflacht, z.B. werden keine Fragen mehr gestellt, nicht mehr von sich geredet, Fragen nur noch kurz angebunden beantwortet
GesprächspartnerIn wird unruhig
Aufmerksamkeit läßt nach, fängt mit anderen Personen Gespräche an, springt in dem Themen
Leute beginnen sich umzuschauen
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Gespräche als Methode:
Frage nicht nach dem "Warum": Ursachen nicht begriffen u. Werturteile gefällt
Vermeide Bevormundung: nicht Ratschläge, sondern relevante Informationen anbieten u. Alternativen diskutieren
Übernimm nicht die Verantwortung: zur selbständigen Lösung motivieren u. unterstützen
Höre gut zu: nicht interpretieren u. selbst reden, sondern Infos zusammenfassen u. über Richtigkeit des Verstehens rückversichern
Halte dich vor allem ans Jetzt u. Hier: Gespräche über Vergangenheit erbringen keine relevante Infos zu gegenwärtigem Risikoverhalten
Achte auf Gefühle der KlientIn: diese erklären, warum sich Leute so verhalten
Zeige Verständnis, Besorgnis u. Interesse: nach Befinden erkundigen
Behandle Menschen mit Respekt: Bedanken für Infos, entschuldigen für Störung
Spiele nicht die TherapeutIn: nicht Phrasen als Gegenantwort auf Bitte um Rat o. Unterstützung, Abwehr wegen negativer Therapieerfahrung
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Kontakthalten
Konfliktpunkte bei Streetwork:
Laß Dich nicht auf Deals o. Hehlerei ein. Drogenkonsum während der Arbeitszeit ist tabu. Solltest Du selbst illegalisierte Drogen konsumieren, regel dies nicht in der Dir als Profi anvertrauten Szene.
Trage immer einen Ausweis o. eine Visitenkarte bei Dir, um Dich der Polizei o. anderen mißtrauischen Mitmenschen gegenüber zu legitimieren.
Sei Dir bewußt, daß intime Freundschaften mit Mitgliedern der Zielgruppe Probleme entstehen lassen, wenn sich die Rollen vermischen u./o. kollidieren.
Frag Dich bei jeder Konfrontation mit Problemen der Szene immer, wann ein Verweisen auf andere Hilfeangebote notwendig ist u. welche Möglichkeiten es dafür gibt.
Kläre für Dich bei der Bearbeitung persönlicher Probleme von KlientInnen, wieweit diese wirklich unterstützt werden können, ohne daß die Arbeit für die Szene leidet.
Persönliche Konflikte bei Streetwork:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Arbeit mit soziokulturellen Milieus
Mißtrauen gegenüber der Entwicklung eigener Lebensformen u. adaptiver Ansätze für das Lösen von Problemen
Isolation = Schwierigkeiten o. Ausschluß aus gesellschaftlicher Kommunikation, z.T. bis zur Aussperrung (Platzverweise)
Verlust der Gesellschaftsfähigkeit
Ausweitung repressiver Kontrollen = Ausweitung polizeilicher Willkür, Aggressionen der AnwohnerInnen, Gewalttätigkeit der DealerInnen, Freier, in der Szene untereinander
Marginalität wird zugewiesen = von außen bewirkte Chancenbeeintächtigung
Gesellschaftliche Reaktion auf Subkulturzugehörigkeit:
Darf nicht auf Verarmung verkürzt werden !
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Drogenszenen
Belästigung/Bedrohung
Unruhe, Lärm
Kleinkriminalität
Verschmutzung
Offene Drogenszenen = öffentliche Präsenz von Drogenkonsum
Nachbarschaft KonsumentInnen
letztes soziales Netz mit gewissem Unterstützungspotential (Notschlafstelle, Versorgung, gewisse Solidaritätsleistungen)
soziales Milieu, in dem Wissen über Techniken u. Applikationsrisiken, Qualität v. Drogen u.ä. weitergegeben werden
Beschaffungsort
Streetwork in diesem Konflikt = Versuche eines Interessenausgleichs
Hinwirken auf Reduktion von Problemen (Spritzenentsorgung, Verschmutzung)
Veranstaltung von Workshops u. Schwerpunktveranstaltungen mit Öffentlichkeit
Gespräche mit PolitikerInnen u. Entscheidungsträgern für Lebensbedingungen
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Erforderliche Kompetenzen von StreetworkerInnen
nicht fordernde Haltung, sondern Sympathie u. Anerkennung = "Liebe zum Milieu"
Bereitschaft zu unkonventionellen Arbeitsformen u. Verzicht auf "übliche" Arbeitszeiten, Bereitschaft, sich auf Szenegewohnheiten einzustellen
persönliche Auseinandersetzung mit Szenethemen (Drogenkonsum, Sexualität)
Konfliktfreudigkeit
Spontaneität, Flexibilität u. Mobilität, Bereitschaft, gewohnte Verhaltens- u. Wertmaßstäbe in Frage zu stellen
Zuverlässigkeit: selbst in chaotischen Szenen müssen Versprechen u. Abmachungen gehalten werden
Fähigkeit zur Selbstreflexion: Motivation u. Arbeitspraxis hinterfragen können
Kontaktfähigkeit: Rolle als "Sozialprofi" aufgeben u. am Szenealltag teilnehmen
Sensibilität: auch Nicht-verbalisiertes erkennen können
hohe Frustrationstoleranz: Elend, Gewalt, persönliche Beanspruchung, Konflikte
Fähigkeit zur Abgrenzung: Balance von Nähe u. Distanz, keine Überidentifikation
Persönliche Fähigkeiten u. Haltungen:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Erforderliche Kompetenzen von StreetworkerInnen
Kenntnisse der Lebenswelt der Szene, Strukturen u. Schwierigkeiten der Zielgruppe sowie Mechanismen gesellschaftlicher Diskriminierung u. Stigmatisierung
Methoden der Sozialarbeit (Gruppendynamik, Krisenintervention, Einzelfallhilfe, Gemeinwesenarbeit)
Kenntnisse zu Erkrankungen durch Verelendung, Drogenkonsum u. Folgekrankheiten sowie Fähigkeit, den angemessenen Zeitpunkt der Intervention u. deren Dringlichkeit bestimmen sowie Maßnahmen zur ersten Hilfe einleiten zu können
Kenntnisse zum Übertragungsgeschehen von HIV, Hepatitiden u. a. übertragbaren Erkrankungen sowie zu entsprechenden Möglichkeiten des Risikomanagements (Safer use, Safer sex, Safer work)
juristische Kenntnisse: BGB, BSHG, BTMG, StGB, StPO, KJHG,
Überblick über die Infrastruktur vor Ort, incl. der medizinischen u sozialen Institutionen
Querschnittsqualifikationen notwendig:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Erforderliche Kompetenzen von StreetworkerInnen
den Strukturen chaotischer Szenen erliegen, weil keine Strukturierung der eigenen Arbeit vorgenommen wird (Arbeitsplan kurzfristig pro Woche u. langfristig über mehrere Monate)
Vorwurf, nicht "wirklich zu arbeiten, sondern nur rumzuhängen" = Dokumentation/ Auswertung der Arbeitsleistung u. deren Ergebnisse (aus wurde gemacht, mit welchem Resultat)
Überidentifikation u. Glorifizierung der Szene mit der Folge, daß professionelles Wissen u. die Rollenstruktur als Professioneller ausgeblendet wird
sich das Verhältnis von Distanz u. Nähe allein durch KlientInnen diktieren zu lassen, statt es auch mit eigenen Ansprüchen auszuhandeln
Distanz zu Drogen wird überschritten mit Risiko von Einbußen im persönlichen Wohlergehen
durch tiefe Einbindung in Szene u. direkte u. konfrontative Kontakte keine Abschirmung gegenüber Enttäuschung u. Gewalt, gegenüber der eigenen Angst, Ohnmacht u. Hilflosigkeit - Teambesprechung, Supervision, ausgewogene private Beziehungen u. ein von eigenen Interessen geleitetes Freizeitverhalten als Schutz
gekünstelte Konversation durch Anlehnung an Gesprächsführungstechniken
Die "Fettnäpfe" von Streetwork:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Ausstattung
Personelle Ausstattung:
Diskussion ob zu zwei o. allein als StreetworkerIn arbeiten
zu zwei:
Schutz u. Reflexionsmöglichkeiten
gemischtes Team (Geschlecht, Ethnographisch etc.) erleichtert Kontakt
allein:
stärkere Konzentration u. Kommunikation mit Betroffenen
Zeitliche Ausstattung:
Angebot möglichst jeden Tag
jede StreetworkerIn mindestens zweimal in der Woche in der Szene (ca. drei Stunden)
regelmäßige Supervision u. wöchentliche Teamsitzung
pro Woche 3-4 Stunden für Einzelfallarbeit u. Dokumentation
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork: Ausstattung
Inhalt eines Streetworker-Rucksacks:
Spritzen u. Nadeln: auf Nachfrage vergeben
Behälter für eingetauschte gebrauchte Spritzen
abgepackte Ascorbinsäure
Kondome
Adress- u. Telefonbuch
Flyer zu den verschiedensten Themen
Telefonkarte
Stadtplan
Papier u. Kugelschreiber
Pflaster u. Verbandmaterial; nur für Ausnahmefall u. mit Verweis auf Kontaktladen
Einweghandschuhe
Beatmungsbeutel o. Maske
Mundkeil
Handgeld zur klientenbezogenen Verwendung
Dienstausweis
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Streetwork
Erstellen einer Statistik:
Arbeitszeit
Fallstatistik, Erstkontakte, Krisenintervention, Betreuungsfälle
Sachmittelstatistik
persönliche Dokumentation:
welche Szenetreffpunkte sollten zu welchen Zeiten besucht werden u. welche Szenebedingungen werden dann vorgefunden
auf welche Weise können welche KlientInnen am besten erreicht werden
wie ist der Gesundheitszustand
welche Präventionsbotschaften sind sinnvoll
regelmäßige Bedarfsanalysen
welche ergänzenden Angebote sollten geschaffen werden
regelmäßige Konzeptanalysen
wer wird nicht erreicht, warum u. wie könnte diese Gruppe erreicht werden
Dokumentation:
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Streetwork u. Kontaktladenarbeit
bei Engpässen wird eher auf Streetwork verzichtet = Kontinuität der Arbeit tendenziell gefährdet
Vorbehalte gegen Einbindung:
Produktivität einer Einbindung
Möglichkeiten zu kollegialer Beratung u. Austausch
höhere Bekanntheitsgrad der MitarbeiterInnen u. bessere Milieukenntnisse
Möglichkeiten eines geschützten Raumes für Einzelfallarbeit
durch Job-rotation besserer Schutz vor bourn-out
es muß klar u. transparent sein:
wann u. wo sich StreetworkerInnen aufhalten u. ansprechbar sind
wann jemand im Kontaktladen erreichbar ist
wann Zeit für Einzelfallarbeit ist
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Pro u. Kontra zu Streetwork
steht dem ordnungspolitischen Ziel "saubere Innenstädte" kontraproduktiv gegenüber
wirkt durch zugehende Überlebenshilfe "suchtverlängernd"
mindert "Leidensdruck" u. fördert Konsummentalität
Vorbehalte gegen Streetwork
Produktivität von Streetwork Informationen aus erster Hand über Entwicklung u. Zusammensetzung der
Szene, Veränderung der Konsumgewohnheiten, Problemlagen etc.
gibt Impulse für institutionelle Innovation durch institutionelle Anpassung in Konzept u. Atmosphäre an (sich verändernde) Szenebedürfnisse
initiert weitere notwendige Hilfeeinrichtungen
Aufsuchen der Lebenswelt der Klienten verbessert das Verständnis für ihre Situation
Prof. Dr. Gundula Barsch
Drogen
arbeit Kontaktarbeit: Streetwork
Voraussetzung ist regelmäßige Präsenz in den Szenen u. an den Treffpunkten sowie Mobilität im Hinblick auf wechselnde Szenetreffpunkte
Arbeitszeiten müssen sich nach den Szenegewohnheiten richten
Basis = Vertraulichkeit, Diskretion, Freiwilligkeit des Kontakts u. Respekt der vom Klientel gesteckten Grenzen (mitunter ist der Aufenthalt unerwünscht)
Voraussetzungen für effektive Streetwork: