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8/19/2019 Schmidt1995 Lukian Über Die Auferstehung Der Toten
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LUKIAN ÜBER DIE AUFERSTEHUNG DER TOTEN
VON
VICTOR SCHMIDT*
Im Streitgesprach des Apostels Paulus mit den Philosophen in Athen
war die Reaktion seiner Gesprachspartner nicht direkt ablehnend:
N. T.Act. 17,18f.: 1;ivwv8ai>ovimv ùoxd x(xcocyyeXe6qilvai 6m r6v 'Ir¡croûv
Xal &vcia-cocatv Abgesehen von der Erwahnung von Jesusist ivdcacocatqdas Wort, das ihre Neugier reizt, weil sie darin eine neue
Gottheit vermuten.' Paulus wird deshalb gebeten, seine Ansichten vor
dem Areopag zu er6rtern. Anfangs h6rt man ihm mit wohlwollendemInteresse zu, das andert sich jedoch, als sich herausstellt, daf3 mit
av&a?camsdie Auferstehung der Toten gemeint ist: V. 32 axovaavTES6i
xed 1t(xÀw.Die letztgenannten reagieren mit eisiger HOflichkeit (»Sie soll-
ten dariber bestimmt noch einmal einenVortrag halten«);
die anderen
sind weniger zurJckhaltend: iXÀ?úcx?O\!:Spott und Hohn.2 Die Fortsetz-
ung lautet deshalb: ouicas 6 Ha3koq iiik0n ix >iJo3 a6,rCov. Ende derDebatte.
Dal3 die ein Skandalon, eine unüberwindliche HJrde fur dieHeiden blieb, ist auch bei Tertullian zu lesen: Tert. Test. 4,2 opinioChristiana etsi honestior multo Pythagorica, quae3 te non in bestias
transfert, etsi plenior Platonica, quae tibi etiam dotem corporis reddit,etsi Epicurea plenior, quae te ab interitu defendit, tamen propter nomen
soli vanitati et stupori, et, ut dicitur, praesumptioni deputatur. Die opi-nio christiana, d.h. in diesem Fall die resurrectio carnis wird abgelehntund als verwegener Wahnsinn betrachtet. Llber die Unsterblichkeit derSeele besteht mit den Heiden keine Meinungsverschiedenheit, die Mehr-zahl der Philosophen nimmt sie an: Adv. Marc. 5,9,2 semper resurrectio
carnis negatur (naml. von Marcion). Ceterum animam et sapientium
plures divinam vindicantes salvam repromittunt.4Auch bei Origenes Cels. 1,7,85 zeigt sich die Ablehnung dieses christli-
chen Glaubenssatzes durch die pagani, und deren vollige Verstandnislo-
67c6-ccov Die Unglaubigen lehnen ihn also nicht nur ab, sondern
verunglimpfen ihn auch und verhalten sich somit wie die Philosophen
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in Athen. Selbstverstandlich wird auch Celsus selber den &7rLarotzuge-rechnet. Auch er verunglimpft den Glaubenssatz der Auferstehung:5,18,1 1 ixd 8' 1tÀiov (sc. Celsus) XEX'qpUy?t6VrIV>ivcrcxpxoçav<xoT<xcyLviV Tavs Exx?r?ai«?S.Der kraftige Ausdruck (»behandelnauf die Weise von deutet darauf hin, daB dieser Lehrsatz von
ihm absolut nicht ernst genommen werden konnte, obgleich er zu der
festen Glaubenslehre der Christen gehbrte (XE-xr¡puj'flivr¡viv
Exx?r?aiacs). Interessant ist auch nog 7,32,39 Tavia 8'
Sta Tov fl1¡vo'Ý¡crcxncx(naml. Celsus) 6 m 7roTe?€Yo?.ev xon 8va
2ouio xai xÀw<x?oncxov oux o181X6yov. Celsus hat die Auferste-
hung nicht verstanden: Deshalb reagiert er YE?c?v?a(vgl. oben 1,7,8) undverdient unsere Aufmerksamkeit. Im N. T. ist
das Verb ein hapax legomenon. Wie wir anfangs gesehen haben, wird
es dort verwendet um die erste uns bekannte Reaktion der Heiden auf
die Lehre der Auferstehung zu kennzeichnen. Von dieser Bibelstelle aus-
gehend hat Origenes von gewissermal3en einen terminus techni-
cus gemacht um pagane Reaktionen auf christliche Auffassungen zu
bezeichnen. Im c. Celsum verwendet er es 15 mal,6 fast immer ist Celsus
das Subjekt, und aul3er in 7,32,39 ist zusatzlich die Auferstehung in2,16,24 das Objekt des Spottes.
Hatte Tertullian die paganen Bekampfer der resurrectio bei Pythago-raern, Platonikern und Epikureern gefunden oder bei Haretikern wie
Marcion, so nennt Origenes den paganen Bekampfer namentlich und
zitiert langere Ausschnitte aus dessen Werk. Ich nenne noch eine Stelle;in 5,14,6 wird der Glaube an die Auferstehung als ineinem langeren Celsuszitat bezeichnet.' Aber besitzen wir aus dem zwei-
ten Jahrhundert noch einen direkten Zeugen der sp6ttischen Ablehnungder Ich meine ein direktes Zeugnis in einem Werk eines paga-nen Autors, statt eines Zitates bei einem christlichen Schriftsteller. Ich
behaupte, diese Frage bejahen zu k6nnen.
Lukian (± 120-± 180) erzahlt in seiner Ihpqplvou wieder Titelheld, nach seiner Meinung ein Scharlatan und Betriiger, bevor
er im Jahr 165 wahrend der olympischen Spiele spektakular Selbstmord
verfbte, eine zeitlang Christ gewesen war. Infolgedessen war er verhaf-
tet worden und wurde im Gefangnis von seinen Glaubensgenossen
finanziell unterstiitzt. Lukian fdhrt dann fort (Peregr. 13): 1tE-1tE-lXCXcrLY«p
1toÀÀoLA.M. Harmon (in der Loeb-Ausgabe, Teil V, London 1955)
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ubersetzt: »the poor wretches have convinced themselves, first and fore-
most, that they are going to be immortal and live for all time«; deshalb
unterwerfen sie sich freiwillig der Gefangenschaft (und der darauffol-
genden Hinrichtung). Diese libido moriendi wird 6fters von contempo-ranen paganen Schriftstellern erwahnt (Marcus Aurelius, auch Celsus)und ist auch in den Martyrerakten das vorherrschende Thema. Dal3 die
Martyrer sich voller Freude und freiwillig dem Tod hingeben, geschieht,so Lukian, auf Grund ihres Glaubens in Unsterblichkeit und ewigesLeben. Aber Glaube in Unsterblichkeit war keine exklusiv christliche
Auffassung: die Unsterblichkeit der Seele wurde in den Mysterien und
auch in Philosophenschulen gelehrt, wie wir in den Zitaten aus Tertul-lian gelesen haben. Dieser Glaube jedoch ist nicht identisch mit der
christlichen Lehre der &viarocatq die Seele und Leib umfaBt.1 DieKombination von Seele und Leib, der christliche Glaubenssatz, wird
aber auch von Lukian, es sei denn implizit, genannt. Er schreibt nam-
lich : To ¡ÛVbxov lcrÉcr8!XL.Die angeffhrte Llbersetzung Harmonsist falsch, weil sie ubereinstimmt mit der allgemein akzeptierten paganenAnsicht und nicht deutlich macht, daB die Christen etwas fur pagane
Ohren v6llig neues verkiindigen.'° Richtig ist eine andere Ubersetzungaus letzter Zeit, und zwar von MacLeod:" »for the poor creatures haveconvinced themselves that they will be completely (meine Kursivierung)immortal and have eternal life and so they despice death«. ro Iiiv bxov
ist als Ganzes eine adverbielle Bestimmung (siehe Liddell-Scott s.v. 4:
»wholly«, »entirely«). ist mit xal zu verbinden und führt somit kei-
nen Gegensatz herbei, sondern ffgt nur etwas hinzu. " z
Nun geht MacLeod nicht auf die Frage ein, was die Bedeutung von
»completely immortal« sein konnte.' Meiner Meinung nach kann aber
To >iv bxov (x6<xv<x-co<.nichts anderes bedeuten als eben »unsterblich nachLeib und Seele«: So wird der Gegensatz zur paganen Auffassung einer
»partiellen« Unsterblichkeit, d.h. nur der Seele, gut zum Ausdruck
gebracht und wird zugleich die Verbindung zwischen &ViG'ZOCaLqund
Unsterblichkeit hergestellt, wie die z.B. von Justinus Martyr Dial. 46,7
&6av&ious1tOL1¡O'e.?formuliert ist.
Der Glaube an die Auferstehung nach Leib und Seele und die daraus
folgende Unsterblichkeit ist also fiir die Christen der Grund den Todgeringzuschatzen. Nachdrfcklich wird diese kausale Beziehung von
Lukian hergestellt: Öxon xcx'tcxcppO\lOG(HTou Eine genaue, fru-
here Parallele fur diese Argumentation fand ich im Brief des Ignatius
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(gest. 117 n.Chr.) an die Smyrnioten, I 3,2 ore 1tpOç 1têPLrl 6,rpovfik0n(sc. der auferstandene Christus), tcpr¡ vi xai
Die Korperlichkeit Christi nach seiner Auferstehung wird in diesemText stark hervorgehoben, und genau wie Lukian fahrt Ignatius ohne
Übergang fort: 6t&To5-co(vergl. xap' 8 bei Lukian) xai 9avaTOUxocTecpp6v7l-aav (vergl. xai xaTacppovoumTou 8<xv<xTou).Der einzige Unterschied ist, daB
Ignatius etwas expliziter ist: die Bereitschaft zum Martyrium basiert auf
dem Glauben an die volle Realitat der Auferstehung Jesu und diese volleRealitat, so kann man hinzufugen, garantiert auch die Wirklichkeit des
ewigen Lebens der M8rtyrer. '? Wenn also Lukians Text tatsachlich mit
dem Text des Ignatius ubereinstimmt, vermute ich, daB man Lukian
nicht ohne weiteres Kenntnis der christlichen Theologie absprechenkann.' I
Die Tatsache, daB Lukian die Christen als xaxo8alvoviq bezeichnet,
zeigt deutlich die Geringschatzung, die die christliche Lehre der
avsbei ihm
hervorrief,eine
Geringschatzung,die auch die
Philosophenin Athen so unmissverstandlich gezeigt hatten. Lukian hatte die Chri-
sten sicher nicht so bezeichnet, wenn diese (nur) die Unsterblichkeit der
Seele verkiindet hatten. Er ist fiir uns der erste pagane Autor, dessen
Verachtung wir in einem authentischen Schriftstfck lesen konnen.
ANMERKUNGEN
* Herr Dr A. Hilhorst(Groningen)
hat dasManuskript liebenswürdigerweisegelesen.Für seine Anmerkungenbin ich ihm sehr verpflichtet.
' Siehe E. Haenchen, Die Apostelgeschichte(Göttingen 1959)455; G. Schneider,DieApostelgeschichteII (Freiburg 1982)236.2 Haenchen,op. cit. 464 »dieAuferstehungsbotschaft(ist)den Heiden unfassbar«. Vgl.auch RAC s. v.Auferstehung932: »völligefremd .... bleibt dem Griechen die Auferste-hung als allgemeinesEreignisam Ende der Tage ... Dieontologischund meistindividuali-stisch verstandene Unsterblichkeit ist überhaupt das, woran das Interesse der Antikehängt. Die Mysterien versprechensie. Für Auferstehungist daneben kein Platz«.3 DerNebensatzmit quae hat kausalenSinn, siehe W. Scholte, Tertullianus' de testimo-nio animae (Diss. Amsterdam 1934)85f.4 Zwar handelt es sichan dieser Stelleum Marcion, aber in der Ablehnungder resurrec-tio carnis sind Häretiker wieMarcion, Basilides,Valentinusund ApellesderselbenAuffas-sung wie die Heiden.5 Für dieDatierungvon Celsus''A sieheM. Borretin seinerAusgabe Origène,
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contre Celse V (SourcesChrétiennes277, Paris 1976)129: zwischen 176-180.So auch H.Chadwick, Origen: contra Celsum(Cambridge21980)XXVIII.6
Siehe den Index in Borrets Ausgabe,516.' SieheG. Greshake und J. Kremer, Resurrectio mortuorum. Zum theologischen Ver-ständnis der leiblichenAuferstehung (Darmstadt 1986)185.8 Siehe M.D. MacLeod, Lucian. A Selection (Warminster 1991)269f. Angenommenwird, daß Lukian dieses Werk kurz nach diesemEreignis geschriebenhat, in derselbenZeit also wie Celsus. Auf dieschwierigeFrageeinermöglichenBeziehungzwischenCelsusund Lukian brauche ich hier nicht einzugehen (sieh dazu z.B. Borret, loc. cit. 192f).9 Siehe Greshake und Kremer,op. cit. 185f. für den Unterschied zwischenchristlicherund paganer Auffassung.10 AuchältereÜbersetzungentreffen hier nicht das Richtige:J. Bernays,Lucian und die
Kyniker(Berlin 1879)72: »denn die Unglückseligenhaben sich imAllgemeinenüberredet,daß usw.«; The Worksof Lucianof Samosata,translatedbyH. W. Fowler and F.G. Fow-ler (Oxford 1905):»you see, these misguidedcreatures start with the generalconvictionthat theyare immortal for all time«. Ebenso K. Mras, DieHauptwerkedes Lukian, Grie-chischund Deutsch(München21980):»dieUnglückseligensind ja überzeugt,daß sie über-haupt unsterblich sind und ewig leben werden«.11 Siehe Anm. 8.12 Vgl. J.D. Denniston, TheGreek Particles (Oxford 21954)374. Für dieseVerweisungdanke ich Prof. Dr. M.A. Harder (Groningen).13 Ebensowenigwieder Kommentarvon J. Schwartz,Paris 1953oder H.D. Betz,Lukianvon Samosata und das Neue Testament
(Berlin 1961).14 SoTh. Baumeister,DieAnfängeder TheologiedesMartyriums(MünsterscheBeiträgezur Theologie 45), Münster 1980,259-260.15 Das behauptet H.D. Betz,Hellenismusund Urchristentum, Tübingen 1990,18 »eine
wenn auch noch so oberflächliche Kenntnis der urchristlichen Theologie hat er (=Lukian) nicht.« Früher schon P. de Labriolle,La réactionpaïenne, Paris 1942, 118: »ilne sait ä peu près rien, semble-t-il,de la doctrineque les chrétiensprofessent«,der sichin dieserFrageausdrücklichbei Harnack anschliesst. Ich schliessemich lieber an beiC.P.Jones, Culture and Societyin Lucian, CambridgeMass.-London 1986, 22:»his(Lucians)knowledge (of Christianity), however it was acquired, is on some points surprisinglyexact.«
9471 HG Zuidlaren, Eltinge 35