Schöppner, Alexander - Sagenbuch der bayrischen Lande I

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Alexander Schöppner

(1820–1860)

Katholischer Theologe und Schriftsteller

Alexander Schöppner

Sammlung

• Sagenbuch der Bayerischen Lande Schöppner, Alexander: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München: Rieger 1852/52/53.

Alexander Schöppner

Sagenbuch der Bayerischen Lande

Aus dem Munde des Volkes, der Chronik und der Dichter

Erster Band.

Einleitung.

»In seinen Sagen vererbt jedes Volk einen großen Theil seines Lebens, Glaubens und seiner Dichtung auf die Nachkommen.«A. Nodnagel.

1. Vorwort.

Seine Majestät Maximilian II., König von Bayern, gewährten mir allerhuldvollst Gelegenheit, dieses Buch, das bei der beschränkten Muße des Lehramtes nur äußerst langsam gedeihen mochte, in verhältnißmäßig kurzer Frist zu Stande zu bringen. Dafür sei dem erhabenen Förderer vaterländischer Forschung innigster Dank gesagt. Sodann erfordert nicht nur Dankespflicht, sondern einfache Ehrlichkeit, die Namen jener Männer bekannt zu geben, welche mich durch schätzbare Mittheilungen gefördert haben. Da jedoch die Zahl derselben noch zur Stunde, da ich dieses schreibe, im Zunehmen begriffen ist, so will ich erst am Schlusse des Werkes einer mir angenehmen Pflicht genügen1.

Es ist hier nicht der Ort, mit einer Abhandlung über Sagenforschung und Sagenpoesie hervorzutreten, einmal weil ich mir bei diesem Buche nicht Zwecke der Forschung, sondern vorerst der Sammlung und Erweiterung des Materials gesetzt habe; zum andern, weil die Bedeutung der Sagen für mythische und geschichtliche Forschung, Sitten- und Literaturgeschichte, Kunst und Poesie schon längst durch eine hinreichende Zahl von Beispielen dargethan ist. Ich beschränke mich daher auf etliche Andeutungen und Bemerkungen, welche zur Rechtfertigung, zum Verständnisse, und zum Gebrauche dieses Buches nothwendig scheinen.

2. Literatur und Quellen bayerischer Sagenkunde.

Die Bedeutung der Volkssagen neuerdings zum Bewußtsein geführt zu haben, muß als gemeinsames Verdienst der Romantiker und der Germanisten bezeichnet werden. Man hatte vordem alle diese Dinge, welche das gutmütige Volk als Sagen, Märchen und Legenden im Munde führte, von Seite der kritischen Meister als eitel Lug und Trug, Aberglauben und Fabelwerk gebrandmarkt. Wenn Geschichtsforscher des vorigen Jahrhunderts, wie der ehrliche J.H.v. Falkenstein, dergleichen Lappalien ja noch der Aufzeichnung werth hielten, so geschah es nur mehr, um den Lesern hie und da einen Spaß zu machen, nicht ohne männigliche Verwahrung von wegen anzumutender Leichtgläubigkeit. Ein späteres Geschlecht – jener Periode, da man mit dem Aberglauben zugleich den Glauben austrieb–hielt solcherlei Dinge nicht mehr der Rede werth. Das hat ein Halberstädtischer Bauer gar treffend gesagt: »Der alte Fritz hat die Zwerge verjagt, aber Napoleon hat allen Spuk aus dem Lande vertrieben«2. Gerade um diese Zeit des Napoleon erfuhr die deutsche Literatur einen raschen und seltsamen Umschwung durch die Romantiker. An die Stelle der französischen Verstandeseinseitigkeit trat eine bis an Fieberhitze grenzende Gefühlsinnigkeit. Nun ward das Mittelalter und mit ihm das alte romantische Land der Märchen und Sagen betreten. Dichter, Sprach- und Geschichtforscher wanderten gemeinsam dahin und brachten Vieles, was vordem der Verachtung Preis war, in der Wissenschaft wie beim Volke zu Ehren. Von diesem Zeitpunkte schreibt sich ein eifriges Streben, jene einfältigen, von Poesie durchhauchten, Klänge der Sage aus dem Munde des Volkes zu erlauschen und für Zwecke der Forschung wie der Unterhaltung zusammen zu bringen. Die Dichter fanden nämlich, daß in diesen verachteten Kleinigkeiten ein reichhaltiger Fond urfrischer Begeisterung verschlossen liege. Den Mythenforschern ging eine neue Welt auf: man denke nur an Grimm's Mythologie. Die Geschichtschreiber bemerkten, wie die Sage oft wunderbaren Beleg für anderweitig Erkanntes oder Fingerzeige und Wege zu erfolgreicher Weiterforschung, oder Einblicke in den Geist der Zeiten gewähre. Als nun die beiden Grimm nach unbedeutenden Vorgängern den ersten Versuch machten, die deutschen Sagen mit Ausnahme der größeren Heldensagen in einer dem Volke mundgerechten Sammlung an's Licht zu stellen, war der Anstoß zu einer ganzen Literatur gegeben; denn nun setzten sich allerorts in Deutschland die literarischen Bergleute in Bewegung, stiegen nieder in Gruben und Schachte, in Grüfte und Klüfte, zu den Zwergen und Wichtlein, den Kobolden und Elfen, und förderten das edle Metall der Sage klumpenweise zu Tage. Es wurde gesammelt in allen Gegenden Deutschlands, mit mehr oder weniger Treue, mit mehr oder weniger Vollständigkeit. Heutzutage ist diese Literatur dergestalt angewachsen, daß eine bibliographisch-kritische Ueberschau zu wünschen wäre. Vielleicht liefert sie A. Nodnagel in Darmstadt, der sich seit Jahren mit einer deutschen Sagenkunde beschäftigt. Mir, der ich zunächst Bayern vor Augen habe, kann es nur gestattet sein, die das bayrische Sagengebiet berührenden neueren Schriften namhaft zu machen. Der Erste, welcher um jene Zeit der wiedererwachenden Studien des germanischen Mittelalters zu einer Sammlung der Sagen von Bayern aufforderte, ist Radlof gewesen. Sein Aufruf scheint indessen, gleichwie ein solcher von Docen, überhört worden zu sein3. Eine dritte Mahnung erging aus dem Munde eines Ungenannten in den Bayrischen Annalen 1833. Auch diese Aufforderung scheint wie die früheren keine sichtbaren Früchte getragen zu

haben. Warum? Ich deute das so. Einmal bietet das Volk selbst, in welchem die Sage lebt, die größten Hindernisse der Erforschung, denn es verhält sich dem Gebildeten und Fremden gegenüber scheu und schweigsam in Mittheilung seiner Spinnstubengeheimnisse, aus begründeter Furcht, von den »studierten Herren« des Aberglaubens willen verspottet oder verlacht zu werden. So sagen- und märchenreich die Spinnstube ist: in dem Augenblicke, wo ein Studierter eintritt, verstummt sie. Zum Andern scheint der Gewinn aus Mittheilung noch unbekannter lebender Sagen zu hoch angeschlagen worden zu sein. Ein großer Theil der Sagen findet sich in Zeit- und Reisebüchern, Landes- und Ortsbeschreibungen, belletristischen, Unterhaltungs- und andern Blättern bereits aufgezeichnet, so daß es nicht sowohl einer Reise durch das Land, als durch die Literatur des Landes bedarf, um eine sehr große Anzahl jener Sagen kennen zu lernen. So fand ich viele Sagen, welche mir als neue und unbekannte warm aus dem Volksmunde mitgetheilt wurden, bereits in Schriftquellen aufgezeichnet; daher ich vermute, daß die Herausgabe einer bayerischen Sagensammlung auch darum hinausgeschoben wurde, weil man zuviel von Originalmittheilungen erwartete und immer vergebens wartete. Es soll damit nicht im Geringsten verkannt werden, welcher Schatz von Sagen noch aus dem Volke zu erheben sei; man will nur andeuten, auf welchem Wege wenigstens ein Anfang gemacht werden konnte. Denn es war eine schöne und verdienstliche Arbeit, wenn man einstweilen die geschichtlichen Sagen des Landes gesammelt hätte. Die Gebrüder Grimm hatten ein Beispiel gegeben. Unter 951 von ihnen gesammelten Sagen find schwerlich dreißig nicht aus Schriftquellen geschöpfte. Deßgleichen – um etliche Beispiele zu bringen – sind die märkischen Sagen von A. Kuhn, die preußischen von Tettau und Temme, die deutschen von J.W. Wolf beinahe ausschließlich aus Schriftquellen gesammelt. Den Vorwurf, welcher überhaupt wegen der Aufnahme von Sagen aus Chroniken gemacht werden könnte, hat bereits Temme (die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840 S. VIII.) zurückgewiesen. Nicht der Chronikschreiber hat die Sage erfunden und gemacht; sie existirte vielmehr im Volke, der Chronikschreiber fand sie schon vor und theilte sie nur weiter mit. »Es ist hiernach also die Aufnahme der Sage in die Chroniken gerade ein Beweis für ihre Echtheit als Sage; denn das Volk hatte sie sich so ganz und gar zu eigen gemacht, daß selbst der gelehrte Chronikant sie gläubig, als Wahrheit mittheilte. Rührte aber auch die Sage wirklich von dem Chronikanten als dessen Erfindung her, so würde sie auch hierdurch nichts von ihrem Charakter verlieren. Denn auch die echteste Volkssage ist, sofern sie nicht einen geschichtlichen Boden hat, zuerst von Einem, gläubig oder ungläubig, aufgenommen und weiter erzählt, und so zur Sage geworden. Ob dieses ursprüngliche Erzählen von Einem aus dem Volke oder von einem Chronisten ausgegangen ist, bleibt gleichgültig, denn die Sage ist nur dadurch geworden, daß das Volk sie in sich aufnahm, sie als einen denkwürdigen Theil seines Lebens betrachtete, als solchen sie zu seinem Eigenthum machte und sie weiter erzählte. Auch das läßt dieser Gattung der Volkssagen sich nicht zum Vorwurfe machen, daß sie nicht mehr im Volke leben, sondern nur noch in den todten Büchern stehen. Es genügt, daß sie einmal als Sage des Volks wirklich gelebt haben.« Haben wir nun seit den Aufrufen von Radlof und Docen auf eine das Königreich Bayern umfassende Sagensammlung vergebens gewartet, so ist dagegen für einzelne Gebiete und Oertlichkeiten mitunter Erhebliches geschehen. Einer der ersten Versuche dieser Art waren die Sagen und Legenden der Bayern in einer Reihenfolge von Romanzen und Balladen. Von Adalbert Müller und Franz X. Müller. Regensburg 1833. Die wenigen (27) hier mitgetheilten Sagen sind poetisch behandelt und gehören nur der Oberpfalz, Ober- und Niederbayern an. Auf Quellen wird nicht verwiesen. Uebrigens sind die Herausgeber treue Erzähler und begabte Dichter, leider – was Süddeutschen oft widerfährt –4 nicht der verdienten Beachtung gewürdigt. – Ein neuer Versuch wurde in den Geschichten, Sagen und Legenden des Bayerlandes von B. Mertel und G. Winter gemacht. Die Herausgeber dieser seit 1845 zu Nürnberg ohne Verlagsangabe in vier Bändchen erschienenen Sammlung haben die Sagen

keineswegs in ihrer Einfachheit und Treue belassen, sondern auf unverantwortliche Weise umgestaltet, erweitert, in Erzählungen und Novellen verwandelt. Das Gleiche geschah in einem früheren Buche: Bayerische Volkssagen von H. Willing. Nürnberg 1826. 2 Bdchen., worin von »Volkssagen« in der That keine Spur zu finden. Dieser Art sind manche der schönsten und gehaltvollsten Sagen von unverständigen Schreibern für Unterhaltungsblätter bearbeitet, zugestutzt, entstellt und vernichtet worden. – Nach solchen Verirrungen mußte F. Panzer's Beitrag zur deutschen Mythologie. München 1848. allen Freunden vaterländischer Sagenkunde willkommen sein. Der Verfasser hat sich indessen nur das Feld der mythischen Sage und auch da wieder die Sage von den drei Schwestern zur besonderen Aufgabe gesetzt, so daß seine Schrift nicht als Sagensammlung von Bayern, sondern als eine Monographie zur deutschen Sage, geschöpft aus bayerischen Quellen, zu gelten hat. – Außerdem ist mir kein Buch bekannt geworden, das sich mit dem Sagengebiete von ganz Bayern beschäftigte. Unter den Monographieen stehen die unterfränkischen von Ludwig Bechstein (die Sagen des Rhöngebirges und des Grabfeldes, Würzburg 1842) und Adalbert von Herrlein (die Sagen des Spessarts, Aschaffenburg 1851) oben an. Beide Schriften enthalten zwar Vieles eher der Geschichte als der Sage Angehöriges, Bechsteins Sammlung außerdem eine große Anzahl außer Bayern fallender, Thüringischer Sagen; jedoch haben beide das Verdienst, die Sagen treu und volkstümlich erzählt zu haben, so daß ich nur wünschen wollte, es möchten sich alle Gauen des Vaterlandes so vollständiger Monographieen als die Rhön und der Spessart zu erfreuen haben. Quellen sind in beiden Schriften leider nicht verzeichnet. Ein sogenannter Sagenschatz von Oberfranken von Bernhard Görwitz, Bayreuth 1846, aus vier sehr mageren Heftchen bestehend, enthält außer wenigen, theilweise entstellten und verblümten Sagen, noch Geschichten, Novellen, Reiseschilderungen, Humoristika5. Sagen der Pfalz in Gedichten sind erschienen von Fr. Baader, L. Mooris und Fr. Otte, Stuttgart 1842. Die Mehrzahl dieser Gedichte haben außer poetischem Werthe das Verdienst, den Kern und das Wesen der Sage treuer gewahrt zu haben, als die sogenannten Sagen von Mertel, Winter, Willing u.A., von welchen ich für meine Sammlung fast gar keinen Gebrauch machen konnte. Bamberger Legenden und Sagen von Dr. A. Haupt, Bamberg 1842, lassen als Gedichte Manches zu wünschen übrig; deßgleichen die von Dr. Th. Mörtl fleißig gesammelten Bilder aus dem Bayerwalde. Straubing 1848, und Lieder und Sagen. Straubing 1846. Dieser Art sind auch die Augsburgischen Sagen in der Augusta von F. Oldenburg. Augsburg 1846. Gelungener nenne ich G. Neumanns Erinnerungen an die fränkische Schweiz. Nürnberg 1842. Eine gute Anzahl Sagen der Oberpfalz und Nachbarschaft enthalten die Gedichte in altbayrischer Mundart von J.A. Pangkofer. 2 Bände. München, Kaiser. 1846. Die schlichte und naive Weise der Mundart, welche der Verfasser vortrefflich handhabt, ist auch den Sagen gut zu Statten gekommen. – Ein Regensburger Sagenbuch desselben ist nur unter Freunden des Verfassers bekannt geworden. Nächst diesen von Dichtern gelieferten Beiträgen zur bayerischen Sagenkunde sind etliche Monographieen in Prosa zu nennen. Ein Schriftchen über die Sagen vom Untersberg von Dr. H.F. Maßmann, München 1831 hat meines Wissens keine Fortsetzung erfahren. Dafür hat L. Steub in seinen Skizzen: Aus dem bayerischen Hochlande, München 1850, Nachbarsagen des Untersbergs treu und volkstümlich mitgetheilt. Das Gleiche ist zu rühmen von der Schrift: Alterthümer, Inschriften und Volkssagen der Stadt Rotenburg von H.W. Bensen, Ansbach 1841; nur Schade, daß der Verfasser keine Quellennachweise liefert. – Sagen schwäbischer Städte hat ein Ungenannter ( L. Mittermaier) treu und fleißig gesammelt: Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen, Dillingen, Höchstädt und Donauwörth. Augsburg 1849 und Sagen- und Geschichtbuch von Burgau, Günzburg, Gundelfingen, Dillingen und Wertingen, 1851 ohne Druckort und Verleger6.

Das ist nun meines Wissens Alles, was seit Grimms Anfängen deutscher Sagenforschung in besonderen Schriften für bayerische Sagenkunde geschehen. Kleinere Beiträge finden sich zerstreut in einer Masse der verschiedenartigsten Schriften, geschichtlichen, topographischen, belletristischen Inhalts, dann in Landes-, Provincial- und Lokalblättern: eine sehr bunte und bändereiche Literatur, deren Beschreibung hierorts erläßlich ist, weil die Quellen vor jeder Sage verzeichnet stehen. Dabei habe ich nutzlosen Citatenprunk absichtlich gemieden. Oft hätten sich die genannten Schriftquellen um eine stattliche Zahl von Namen vermehren lassen, allein es kam mir mehr darauf an, das Vorkommen einer Sage zu erweisen, als ihre Literaturgeschichte zu liefern. Ein Buch wie Maßmanns Schriftchen über die Untersbergssagen mag einen Gelehrten erbauen; für das Volk, d.h. die Gebildeten unter dem Volke ist es umsonst geschrieben. Dennoch glaube ich, die Ansprüche derjenigen, welchen Sagenerforschung nur für wissenschaftliche Zwecke Werth hat, im Ganzen befriedigt zu haben. Kenner werden noch manche Quellennachweise vermissen: indessen erwäge man, was es heiße, nur die Literatur einer einzigen Stadt, z. B. Nürnbergs, geschweige denn die Literatur von Bayern, Schwaben, Franken und Pfalz bis in's Einzelnste kennen zu lernen.

3. Anlaß und Zweck dieser Sammlung.

Aus vorstehender Uebersicht erhellet, daß eine größere, die Sagen des Königreiches Bayern, vorab die geschichtlichen, umfassende Sammlung nicht bestehe. Ob es an der Zeit sei, mit einer solchen hervorzutreten, lehrt ein Blick auf die Sagenforschung in benachbarten Landen. Es drängt die Aufsuchung und Sammlung dieser Schätze um so mehr, als die alte Zeit und mit ihr die alte Sage gleich einer schwindenden Burg hinabsinkt und ein Stein um den andern sich ablöst. Wo vollends Heerstraßen und Eisenbahnen die Landstriche, vorab der Ebene, durchziehen, ist die Sage gar merklich im Abnehmen begriffen. Denn hier hat die Aftercultur tabula rasa gemacht und mit dem Aberglauben die Poesie verscheucht, also daß keine Zeit zu verlieren, der enteilenden nachzugehen, weil binnen Kurzem vielleicht der eifrigste Forscher »anstatt der Rosen nur mehr dürre Halmen und stachlichte Hagenbutten findet.«7 Von diesem Gedanken beseelt ging ich daran, ein Sagenbuch von Bayern herauszugeben, ohne mir je träumen zu lassen, durch meine Sammlung fernere Arbeiten überflüssig zu machen, im Gegentheil von dem Wunsche erfüllt, dadurch weitere Forschungen anzuregen und so erschöpfende Monographieen als die von Herrlein und Bechstein, für alle Theile des Landes hervorzurufen. Zunächst war die Frage nach meinem Leserkreise zu erledigen. Etliche Sagenforscher hatten die Gelehrten, etliche das Volk, etliche Beide zugleich vor Augen. Mir schien es vor Allem ein verdienstliches Unternehmen, dem Volke den Sagenschatz des Vaterlandes in die Hand zu geben. Das ist der Standpunkt, von welchem aus diese Sammlung erwachsen ist. Denn wie die Sage ein treuer Spiegel ist, in welchem sich des Volkes innerstes Sinnen und Leben, Glauben und Lieben offenbart, so hat die Sage hinwiederum für das Volk unverkennbaren ethischen Werth, denn sie erfreut, erhebt und rührt nicht nur die Gemüter, sondern lehret, warnet, tröstet durch die Macht des Beispiels und der überall in starken Zügen hervortretenden göttlichen Gerechtigkeit8. Die Sage ist die eigentliche und echte Volkspoesie. Diese neben dem religiösen Glauben hat eine viel höhere Bedeutung für die Veredlung und Sittigung des Volkes, als Leute, welche neuerdings über die Abhilfe der Nothstände des Volkes geschrieben, vermuteten. In dem Grade als trostlose Afterbildung und sogenannte Aufklärung das Volk seines Gemüts- und Gefühllebens beraubte, hat der Materialismus, die Ungenügsamkeit und die Unseligkeit zugenommen. Die Aufgabe der Lehrer und Erzieher des Volkes wird es sein, gegenüber dürrer Verstandescultur und einseitiger Unterrichterei mit allen Mitteln auf die Bewahrung eines der Natur des Volkes gemäßen edlen Gemütslebens hinzuwirken. Wie das geschehen könne, mag an anderem Ort entwickelt werden: hier genüge die Bemerkung, daß die Beachtung ureigener Sitte und alten Herkommens, die Bewahrung heimatlicher Geschichte und Sage in örtlicher Beschränktheit, kein unbedeutendes Moment wahrhafter Volksbildung ist, wie das vor mehr als dreißig Jahren die Brüder Grimm

angedeutet haben, wenn sie die »deutschen Sagen« mit den Worten einleiten: »Es wird dem Menschen von Heimatswegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wann er in's Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nach einander die Vorzeit als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen streben.«9 Dieser erklärten Hauptrücksicht meines Sagenbuches auf einen größeren Leserkreis aus dem Volke widerstreitet die wissenschaftliche Rücksicht so wenig, daß ich nur auf Grimm's Sammlung oder zehn andere hinweisen darf, um den augenscheinlichen Beweis zu liefern, wie gut sich jene beiderseitigen Anforderungen vereinigen lassen. Demgemäß blieb vergleichende Sagenforschung zur Gewinnung wissenschaftlicher Resultate von meinem Vorhaben ausgeschlossen. Es sollte vorerst das Materiale gesammelt und vermehrt, eine Art Codex vaterländischer Sage aufgestellt, Zwecke der Forschung aber nicht abgewiesen, sondern nur auf andere Zeit und Gelegenheit verwiesen werden. Darum enthielt ich mich alles Hervorhebens verwandtschaftlicher Beziehungen der Sagen, so nah es oft lag, weil außerdem die Sammlung einen ganz veränderten Charakter annehmen mußte.

4. Darstellung der Sagen.

Wie schon angedeutet, enthält dieses Sagenbuch keine romantisch umgekleideten Sagen nach Art der Märchen von Benedikte Naubert, Tiek, Fouqué und Anderen. Das Erste und Heiligste war mir Treue und Wahrheit. Ich habe mit Sorgfalt und Mühe der Ursprünglichkeit und Echtheit vieler Sagen nachgestrebt und Verdächtiges ferngehalten. Aus solcher Rücksicht auf Treue geschah es, daß in den meisten Fällen die Sagen mitgetheilt wurden, wie sie gegeben waren, mit der eigenen Ausdrucks- ja Schreibweise der Erzähler, wo diese nicht allzugrell von der üblichen abwich. Es schien auch tadelhafter, Alles über Einen Leisten geschlagen, als stylistisches Mosaik geliefert zu haben. Zuweilen ist die schlichte, einfältige, kindliche Sprache der alten Zeitbücher beibehalten worden; zuweilen hat sich die Mundart vernehmen lassen, ich hoffe nur zum Vortheil der Sage, deren heimischer und örtlicher Charakter dadurch bestimmter und lebendiger hervortritt. Die Bedeutung der Mundart für Sprachgeschichte und Sprachcultur und demnach für jedes Buch, das als Lesebuch für's Volk hinausgeht, ist nunmehr allgemein anerkannt, auch haben Grimm in den Kinder- und Hausmärchen, Vonbun in den Vorarlberger, Bechstein in den Fränkischen, Herrlein in den Spessartsagen u.A. bereits Proben mundartlicher Erzählung geliefert. Mehr als diese bedarf die Aufnahme von Sagen aus dem Munde der Dichter der Rechtfertigung. Ich weiß, was die streng wissenschaftlichen Herrn davon halten. Sie betrachten die Dichter der Sagen wie Tempelräuber und ihre Poesie wie Versündigung an der Wahrheit. Daher wissen sie nichts Besseres zu thun, als poetisch eingekleidete Sagen, wo sie sich vorfinden, in die nackende Prosa aufzulösen. Auch hier ist gefehlt worden außer und inner der Mauern. Es ist wahr, daß die Dichter der Gegenwart nicht selten die Sage verfälscht, ihrer wesentlichen Grundzüge beraubt und willkürlich auf einen fremden Boden übertragen haben; allein es ist Unrecht, auf diese Anschuldigung ein Vorurtheil zu Ungunsten der Dichter überhaupt zu gründen. Viele von ihnen haben die der Sage schuldige Treue so gut gewahrt, als die prosaischen Erzähler. Wem ist es unbekannt, wie unsere besten und edelsten Dichter, die Arnim, Brentano, Chamisso, Ebert, Geibel, Göthe, Kerner, Platen, Rückert, Schlegel, Schiller, Schwab und hundert Andere, Sagen der Vorzeit in herrlichen Liedern erneuet und dem Volke gleichsam wieder gegeben haben? Und daß diese Klänge aus dem Munde der Dichter von dem Volke mit Lust vernommen werden, beweisen wiederholte Sammlungen derselben von August Nodnagel, J. Günther, Karl Simrock u.A., obwohl ich die Einseitigkeit solcher Bücher nicht verkenne, weil weder alle Sagen sich von Dichtern leidlich bearbeitet finden, noch alle zur poetischen Behandlung tauglich erscheinen. – Unter den von mir aufgenommenen Gedichten befinden sich auch historische Volkslieder

älterer Zeit. Die bekannten Sammlungen von Büsching, Görres, Arnim und Brentano, Hormayr, Soltau, Erlach, Wolff, Körner, Uhland u.A. enthalten noch mehrere, als die hier mitgetheilten; allein die Trockenheit und Ausgesponnenheit vieler Stücke dieser Art machten eine Beschränkung der Auswahl wünschenswerth10. – Was den poetischen Werth der aufgenommenen Stücke angeht, so werden die Kenner dieser Literatur finden, daß ich viele mittelmäßige Sagengedichte oder wiederholte Bearbeitungen eines und desselben Stoffes ausgeschlossen habe. Wenige minder gelungene Gedichte sind um ihres strofflichen Werthes willen eingereiht worden. Die vaterländische Schule wird vieles für ihre Zwecke, namentlich deutschen Unterricht, Dienliches in dieser Sammlung finden; wenigstens ist es Zeit, Stoffe für Muttersprachübungen mehr im Bereiche der Heimat als in Hindostan und China, in Lappland und Sibirien zu suchen. Dabei will ich mich aber ausdrücklich gegen die Zumutung verwahren, als ob dieses Buch unmittelbar für die Jugend bestimmt sei.

5. Abgrenzung und Anordnung.

Das Feld der Sage berührt in weiter, unsteter Begrenzung die Geschichte, Legende, Poesie, selbst die Naturwissenschaft. Ihr Begriff ist ein unbestimmter, mehr durch stillschweigendes Übereinkommen, als scharfe Definition festgestellter, daher man in verschiedenen Büchern den Umfang des Sagengebietes verschieden bezeichnet findet. Ich bemerke hier ausdrücklich, was ich Mehr oder Weniger als Andere aufgenommen habe. Einmal wurden (nach dem Vorgange der Grimm, deutsche Sagen II. S. XII.) diejenigen größeren Heldensagen ausgeschlossen, welche im eigenen und lebendigen Umfang ihrer Dichtung auf unsere Zeit gekommen sind. Alsdann waren der Legende (Heiligen- und Wundersage) gegenüber enge Schranken zu ziehen, weil ihr Begriff ein so schwanker ist, daß sich Verbürgtes und Unverbürgtes, Geschichtliches und Sagenhaftes darin berührt. Uebrigens haben die meisten Sagensammler gerade dieses Gebiet auffallend vernachläßigt. Was Aventin (ann. l. III. p. 363 Ingolst. 1554) über die Menge und häufige Wiederholung legendenartiger Sagen bemerkt, gibt dem Forscher einen Wink zur Behutsamkeit11. Ich stellte an die Mehrzahl dieser Sagen zur Aufnahme in diese Sammlung die Forderung, daß Etwas wirklich vom Volke gesagt, nicht bloß in einer Schrift behauptet worden. Noch bemerke ich gegen unverständige Folgerungen aus der Aufnahme von Legenden, daß ein Sagenbuch kein Lügenbuch ist. Schwierig, in vielen Fällen unmöglich war es, eine scharfe Grenzlinie zwischen Geschichte und Sage zu ziehen. Die Sage ist oft nichts Anderes, als die neben der urkundlichen Geschichte bestehende mündliche Ueberlieferung. Ich habe mich beflissen, beide Gebiete auseinander zu halten, nur einige Ausnahmen sind mit historischen Gedichten gemacht. Es gibt nämlich gewisse romantische und ritterliche Ereignisse vaterländischer Vorzeit, welche gleich Sagen im Munde des Volkes leben, auch von den Dichtern besungen worden. Ich weiß keinen schicklicheren Ort für Mittheilung derselben, als ein Sagenbuch. Nodnagel, Günther, Simrock haben vor mir das Gleiche gethan. Mit ihnen will ich Recht oder Unrecht haben. Auch die Gebräuche und Sitten stehen in naher Beziehung zur Sagenwelt. Ich höre, daß sich ein Forscher dafür gefunden (Lentner) und beschränke mich auf Mittheilung dessen, was sagenhaften Ursprungs und Herkommens ist. Deßgleichen bleibt auch das Märchen von dem Bereiche dieses Buches ausgeschlossen. Es unterscheidet sich wesentlich von der Sage, indem es reines Spiel der Phantasie ist, während jene – wenn auch nur mit losen Fäserchen – auf historischem Grund und Boden haftet. Wie die Vollständigkeit dieser Sammlung ohne Abdruck oben verzeichneter Monographieen angestrebt wurde, lehrt am Besten der Augenschein. Ich bemerke nur Folgendes. Viele der hier gesammelten Sagen, die bereits in oben erwähnten Schriften gedruckt erschienen, sind doch keineswegs aus diesen, sondern aus den ursprünglichen Quellen entlehnt, was ganz einfach durch meine Quellenangaben, die bei jenen fehlen, erwiesen wird. In Mittheilung neuer, d.h. in jenen Monographieen zuerst erzählter Sagen, hielt

ich verhältnißmäßig das Maaß ein, welches die Verfasser dieser Schriften ihren Vorgängern gegenüber eingehalten haben. So nahm Bechstein eine Reihe von Sagen aus Mone's Anzeiger (ohne jedoch die Quelle zu nennen), deßgleichen Panzer eine Anzahl aus Bechsteins Sammlung. Häufig wiederkehrende Sagen, die auch bereits von Andern gesammelt waren und keine neuen und wichtigen Züge darboten, sind nur einmal oder auch gar nicht aufgenommen, sobald sie namentlich den Charakter alltäglicher Spuk- und Gespenstergeschichten trugen12. Denn wer da alle Geschichten von verwünschten Schätzen, schwarzen Hunden, feurigen Männern, umgehenden Geistern auflesen und nacherzählen wollte, der würde in jedem Pfarrsprengel sattsames Material zu einem Sagenbuche finden. Im Uebrigen verfuhr ich meinen Vorgängern gegenüber in der von Grimm (D.S. II., Vorr. S. XXII. u. XXIII.) angedeuteten Weise. Das äußere Gebiet dieser Sammlung bezeichnen die Grenzen des Königreichs Bayern in seiner jetzigen Gestalt. Nur wo der Zusammenhang es erforderte, oder die jenseits lebende Sage auch diesseits vorkam, fand ausnahmsweise Ueberschreitung der politischen Grenze statt. Bei der Anordnung konnte das alphabetisch- topographische Princip zu Grunde gelegt werden. Das wäre zum Nachschlagen bequemer, auch für Einsicht in den Sagenschatz eines Ortes dienlich gewesen. Dagegen war zu bedenken erstens, daß bei solcher Anordnung ganze Sagenkreise, wie von Karl dem Großen, auseinander fielen; zweitens, daß sehr viele Sagen nicht einem bestimmten Orte, sondern einer ganzen Gegend, einem Berg- oder Flußgebiete, einem Geschlechte u.s.w. angehören. Weiter konnten die Sagen nach der inneren Zusammengehörigkeit und Verwandtschaft geordnet werden. Auch dieses Princip ließ in sehr vielen Fällen keine Anwendung zu aus dem einfachen Grunde, weil keine Zusammengehörigkeit vorhanden ist. Ich glaube, daß auch hier die Grimm den richtigsten Weg eingeschlagen haben, indem sie keine Ordnungsweise, weder die örtliche, noch die inhaltliche, noch, bei geschichtlichen Sagen, die chronologische steif und hartnäckig befolgten, sondern diejenige Anreihung der Sagen für die natürlichste und vorteilhafteste hielten, »welche überall mit nöthiger Freiheit und ohne viel herumzusuchen,« unvermerkt auf einige geheim und seltsam waltende Uebergänge führt. Solche Uebergänge sind bald innere, bald äußere. Mir schien die Rücksicht auf äußere vorwalten zu müssen, weil ein Uebergewicht innerer Zusammengehörigkeit die Leser ermüden würde, wie wenn z.B. eine große Anzahl Zwergsagen oder Wundersagen oder Versteinerungssagen zusammengehäuft wäre. Zum Theil aus demselben Grunde sind die Sagen eines und desselben Ortes nicht zumal und zusammen geliefert, was auch weder thunlich noch nothwendig war; thunlich nicht, weil alsdann, wie schon bemerkt, gewisse Sagenkreise zerrissen, auch später einlaufende Mittheilungen dennoch nachgetragen werden müßten; nothwendig nicht, weil die aus topographischer Zusammenordnung ersprießenden Vortheile für Uebersicht und wissenschaftliche Benützung ebensowohl durch Register erzielt werden können. Solcher Register gedenke ich drei am Schlusse der Sammlung zu verfertigen. Einmal soll ein vollständiges topographisches Verzeichniß die geographische Vertheilung der Sagen sowie den Sagenreichthum jedes Ortes veranschaulichen; ferner soll ein Sachregister die Benützung des Materials für wissenschaftliche Zwecke erleichtern; endlich soll ein Verzeichniß der Dichter, von welchen die Sammlung Beiträge enthält, ein literärgeschichtliches Interesse befriedigen. Nach dieser Zusicherung werden die Leser Nichts dawider haben, wenn ich sie auf einer Reihe von Wanderungen durch die Gauen des Vaterlandes geleite, bald dahin bald dorthin ablenkend, bald dem Laufe eines Stromes, bald dem Zuge eines Gebirges folgend, mit aller Freiheit und Unbedenklichkeit. Nur so konnte schon der Erste Band Sagen aus allen Theilen des Königreiches liefern, während außerdem die Leser in Franken oder der Pfalz nur altbayerische oder schwäbische Sagen erhalten hätten. Wenn also die Sagen eines Ortes, z.B. Nürnbergs im ersten Bande nur theilweise oder gar

nicht mitgetheilt worden, so folgt daraus nur, daß man sie im nächstfolgenden Bande zu erwarten habe. Hiermit empfehle ich mein Buch allen Liebhabern nicht nur bayerischer, sondern deutscher Volkspoesie, Geschichte und Sprache, vorab allen denjenigen, die gerne dem Geräusch des Lebens in die stille Natur, in die frische Waldeinsamkeit, in das Gebüsch verfallener Burgen enteilen, um dort den Stimmen der Berg- und Waldgeister, dem Wehklagen verwünschter Jungfrauen, den Sirenenklängen der Feeen und Nixen ihr Ohr zu leihen. Irre ich nicht, so hat unsere neueste Poesie einen Anfang gemacht, aus der Dürre politischer und socialer Tendenzreimerei in die frische, einfältige und wahrhaftige Natur zurückzukehren. Möge sie zur Einsicht gelangen, welche lebendige und reiche Quellen ihr auf dem Boden der heimatlichen Sage, dieser reinsten und tiefsten Volkspoesie, entgegensprudeln.

Fußnoten

1 Jede weitere Mittheilung von Sagen aus dem Volksmunde wird mir willkommen sein; Sagen aus gedruckten Quellen waren mir großentheils bekannt und so leider vergebens mitgetheilt.

2 A. Kuhn und W. Schwatz Norddeutsche Sagen etc. S. XVIII. Ebendaselbst liest man, wie die Gensdarmen »dem Aberglauben« zu Leib gegangen.

3 K. bayr. Intelligenzblatt von 1814, S. 30. – Aus Docens Aufrufe geht hervor, daß er nicht sowohl die Ortssagen, als die geschichtlichen Heldensagen vor Augen hatte, indem er folgende, als von ihm bereits bearbeitete Sagen namhaft macht: die Anklänge bayrischer Heldensage im Nibelungenlied, die Sagen von Adelger, Amelger, Wolfrat von Tengelingen, Theudelinge (nach Füterer), Karl d.G., Herzog Naymes und Ernst von Bayern.

4 Nicht ohne Schuld ihrer süddeutschen Brüder.

5 Daß ich diesem Buch nicht unrecht thue, kann Ein Beispiel statt vieler zeigen. S. 55 wird eine Sage auf die Losburg verlegt, welche nicht dem Fichtelgebirge, sondern Schlesien angehört, wie zu ersehen in Henelii ab Hennenfeld Silesiographia renov. c. 11 §. 13 und Ausführl. Beschreib. des Fichtelbergs, Leipzig 1716 S. 59.

6 Zu beziehen von Kollmann in Augsburg.

7 Zingerle, Sagen aus Tirol S. III.

8 Vgl. Ueber den ethischen Werth der deutschen Volkssagen. Von L. Bechstein 1837. Etliche Hauptresultate dieser Schrift: Die Kindheit steht unter Engelschutz; die Unschuld unter Gottes Hut; Tugend findet ihren Lohn, das Laster stets seine Strafe; nie malt die echte Volkssage das Laster reizend; Reue versöhnt, bedrängte Unschuld wird gerettet u.s.w.

9 Wie wenig ist Grimm's Wort verstanden und beachtet worden. Kennt unsere »gebildete« Jugend die Sagen von Hellas und Rom nicht besser als die des Vaterlandes? Und doch ist die deutsche Sage gegenüber der antiken viel reiner und unschuldiger.

10 Vgl. eine Bemerkung von K. Gödeke Elf Bücher deutscher Dichtung I.S. 259. – Meinem Zwecke widersprach es nicht, ältere Volkslieder auch nach der Erneuerung des Wunderhorns

aufzunehmen, da diese Sammlung kein Liedercodex zu sein beansprucht, dessen erstes Erforderniß diplomatische Treue.

11 Vgl. Schard im Vorw. zu Aventins Chronik. Frankfurt 1566, und Aretins liter. Handb. I., 126.

12 So haben es die Herausgeber der trefflichen Sammlung: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche: Kuhn und Schwartz gehalten; vgl. Vorw. S. XI.

1. Die Sage vom Untersberg.

Von A.A.L. Follen. – Der Untersberg bei Berchtesgaden auf Bayerns und Oesterreichs Grenzscheide, gleich dem Kyffhäuser ein wahrer Königspalast der Sage. Vergl. Frater Felizian's merkwürdige Reise zum Kaiser Karl im Untersberg. Salzburg, 1787. Beschreibung vom Untersberg. Brixen, 1850. H.F. Maßmann der Untersberg. München, 1831. L. Bechstein Volkssagen Oesterr. I., 72. Grimm deutsche Myth. II., 190. L. Steub Aus dem bayerischen Hochlande, S. 161. ff. Wiederholungen der Sage in Gedichten von E.v. Schenk, J.N. Vogl, Th. Creizenach, F.G. Pocci, G. Mühl u.A.

Nun höret Wunder sagen Vom tiefen Untersberg: Ihn hat in Heidentagen Gehöhlt ein wild Gezwerg; Der Wölbung Breit' und Länge Ist mächtig ausgespannt, Und gehn zwölf Geistergänge Hinauf in's deutsche Land.

Auf unterird'schen Matten Dort athmet fremde Luft, Wo nie getrübt sich gatten Der Blumen Licht und Duft; Dort stehn zwei reiche Bronnen In Marmel wohlgethan, Die treiben recht mit Wonnen Thausprudel himmelan.

Zur Rechten draus und Linken In tiefem Wiesengrün Die Blumen sieht man trinken Und mannigfach erblühn: Bis beide Flüss' im Strome Zum Marmelbecken gehn, Und vor dem goldnen Dome Als Silberspiegel stehn.

Dem Dom genüber spiegelt Vier Riesen diese Fluth, Die Arme sind versiegelt, Ihr Stolz gelähmte Wuth; Es ruht ihr demantsteinern Arm-, Brust- und Nackenband

In eines viermal kleinern Gekrönten Helden Hand.

Dringt unsre Sonne nimmer In's unterird'sche Haus, Doch geht ein Heil'genschimmer Von Domes Kuppel aus; Empor zwei Thürme schießen Von buntem Edelstein, Und ihre Blumen sprießen Und sonnen sich im Schein.

Zwei Säulenbündel tragen Die Heil'gen ob dem Thor, Und stehn in's Kreuz geschlagen Zwei Kreuzesschwerter vor; Das ein' ist diamanten, Das ander' ist Rubin, Smaragd- und Saphirkanten Die Griff' und Knäuf' umziehn.

Hoch donnernd und ergötzlich Das Domgeläut' erschallt, Und schafft lebendig plötzlich Den Palm- und Eichenwald; Dann ziehn viel reine Pfaffen Voll Eifer nach dem Dom, Und Volk in hellen Waffen, Ein wogenvoller Strom.

Zweifach den Bart gespreitet Auf goldnes Brustgewand, Voran mit Krone schreitet Ein Held, den Stab in Hand: Das sind die Streiter Christes Und die vom deutschen Reich, Und Karl der Kaiser ist es, Ein Hirt und Held zugleich.

Im Klang geweihter Harfen, Im Waffenblitz und Licht, Geht Karl mit einem scharfen, Tiefsinnigen Gesicht; In all' dem Volk wie einsam: Ein heilig Herrscherbild, Und doch so treu gemeinsam, Mit Allen traut und mild.

Wie lang' die deutschen Helden Dort unten halten Wacht: Das muß die Zukunft melden

Und steht bei Gottes Macht; Imgleichen was sie singen, Und segnen leis und laut, Ist von verborgnen Dingen Und Gottes Herz vertraut.

Auch dämmert in der Nische Dort Kaiser Friederich. An einem Marmeltische Bezaubert hält er sich; Doch wann den Tisch zum dritten Sein Funkelbart umreicht, Dann kommt er vorgeschritten Und Bann und Zauber weicht.

Dann fängt im Walserfelde Der Baum zu grünen an, – Und das ist sichre Melde: »Bald wird die Schlacht gethan!« Und wird er Früchte tragen Am strotzenden Geäst: »Dann wird die Schlacht geschlagen, Dann kommt das Erntefest.«

Dann hebt es an zu raunen Im Volk von Land zu Land, Dann blasen Heerposaunen Die Welt in Waffenbrand, Drängt Alles zum erdorrten, Ergrünten Baume schon: Aus Unterberges Pforten Steigt Karl zum hohen Thron.

Dann soll'n die Guten richten Die Bösen allzumal, Zerschlagen und zernichten Bei Wals im Rachethal. Dann strahlt in hehrem Feiern Vom Baum der Welfenschild, – Und Keiner kann entschleiern Den Geist von diesem Bild.

2. Der Kaiser im Untersberg.

Histor. Schatzkästlein für Bayern. München, 1832. I., 7.

Noch waren zehn Jahre nicht vorüber, als Luther seine Reformation begonnen. Da ging ein andächtiger Bürger von Reichenhall eines Sonntags nach der Frühmesse weit aus lustwandeln. Er kam an den Untersberg, sah mit Erstaunen den Berg offen wie durch ein Kapellenthörlein, darüber eine Inschrift mit silbernen Buchstaben, einer Sprache, die kein Sterblicher gehört. Ihm entgegen schritt ein eisgrauer, ehrwürdiger Mönch mit einem mächtigen Schlüsselbund, ganz in ein großes Buch vertieft. Eine ungeheure Pforte flog

klirrend und prasselnd auf und auf einer schönen Wiese stand eine unendliche Kirche mit zweihundert Altären und mehr als dreißig Orgeln. Zweimal dreihundert Mönche sangen die Horen. Darauf schlug die große Glocke markerschütternd und doch lieblich an, und aus allen Winkeln kam zahlloses Volk zum Hochamt. Nach dem Gottesdienst bewirthete der Mönch den Reichenhaller Bürger köstlich und führte ihn umher in den Wendungen des Berges. Da sah er den Barbarossa, der einst in den Pabsthändeln Salzburg mit Feuer und Schwert verwüstete, unter betäubendem Kriegeslärm, Trommelwirbel und Trommetengeschmetter und wehenden Fahnen, – dann wieder in einsamer Majestät den großen Karl mit dem langen Silberbart. Reicht der das zweite Mal die ganze lange Tafel herum, so bricht der jüngste Tag herein. – Lustwandelnd begegneten sie auch vielen unlängst verstorbenen Bayerfürsten, Herren und Frauen, Salzburger Erzbischöfen, Pröbsten von Bertholsgaden und St. Zeno. – Auf die Frage, was diese hier thäten, gab das Mönchlein dem Reichenhaller Bürger eine solche Maulschelle, daß er glaubte, alle neun Chöre der Engel singen zu hören und diesen Backenstreich bis an sein Lebensende verspürte. Doch wurde er wieder freundlich und schlug ihm uralte, mächtige Bücher auf aus Thierhäuten und Baumrinden. Darin stand Vieles von den Strafen der Gottlosen, von Türken und Schweden, vom Gräuel der Verwüstung, daß die Wölfe wieder in die Städte dringen und in Salzburg ihre Jungen hinter St. Ruperts Altar legen würden; von zwei großen Schlachtfeldern am Rhein und auf den Walserfeldern bei Salzburg und wie zuletzt der Barbarossa mit den Seinen aus dem Bergesdunkel steigen und den Sieg entscheiden werde. – Dann zeigte der Mönch dem Reichenhaller Bürger die zwölf betretenen Ausgänge aus dem Untersberg in verschiedenen Gegenden. In einer derselben wies er ihm einen dürren Birnbaum, der schon einmal umgehauen worden, aber aus der Wurzel frisch wieder ausgetrieben. Wenn der wieder umgehauen, noch einmal grüne und Früchte trüge, werde ein wehrhafter Bayerfürst zu dem Baume treten, seinen Schild daran hängen, allen Neidern und Widersachern obsiegen und Bayern groß machen. Gütig entließ der Mönch den Reichenhaller Bürger auf den alten Weg. Bei jäher Todesstrafe verbot er ihm, sich umzusehen und bevor fünfunddreißig Jahre verflossen, Etwas von diesen Geschichten irgend einer lebendigen Seele zu offenbaren.

3. Karl der Große im Untersberg.

Von Karl Ulmer.

Da wo der Alpen Gruppe Umgränzt den bayrischen Gau, Erhebt mit hoher Kuppe Ein Berg sich düstergrau.

Dort hört man bald ein Gedröhne, Wie schaurigen Waffenklang, Bald rauschende Orgeltöne Und hehren Festgesang.

Tief in des Berges Schooße Erstreckt sich ein hoher Saal; Drin hauset Karl der Große, Die Recken mit ihm zumal.

Mit Zepter und Kaiserkrone, Mit langem, weißen Bart, So sitzt er auf marmornem Throne, Und waltet nach alter Art.

Oft fragt er nach seinem Volke, Ein Herold gibt Bericht; Da mehrt sich stets die Wolke Auf Karol's Angesicht.

Und neben steigt im steilern Geschicht ein Gewölb empor, Getragen von strebenden Pfeilern, Mit Orgelruf und Chor.

Hier steht, umstrahlt von Lichtern, Der Bischof am Altar, Um ihn mit strengen Gesichtern Der Priester greise Schaar.

»Die Kirche – sie ist zerfallen,« Erschallt des Bischofs Wort: »Doch lebt in unsern Hallen Der wahre Glaube fort.«

»Das Reich – es liegt in Trümmern,« So ruft der Kaiser mit Macht: »Doch webt es, ohne Verkümmern, Hier unten in firner Pracht.«

»Und sind erfüllt die Zeiten,« Erwiedern Alle zugleich: »Dann wappnen wir und bereiten Das neue, heilige Reich.«

4. Friedrich der Rothbart im Untersberg.

Koch-Sternfeld, Geschichte von Berchtesgaden I., 75. G. Maßmann a.a.O.

Die Marmorgewölbe des Untersberges umschließen den gebannten Kaiser Friedrich, sein Hoflager und seine Heerschaaren; in langen Zügen wallen die vertriebenen Mönche durch Erdklüfte unter Seen und Flüssen nach den benachbarten Kirchen und feiern in St. Bartholomä, in Gredig, im Münster Berchtesgadens und im hohen Dom der Hauptstadt zur Mitternachtsstunde unter Glockenklang und Orgelton den Gottesdienst. Kriegerische Musik und Waffengeklirr schallt, besonders bei nahendem Kriege, aus des Berges Höhlen; wilde Ritter und Knappen durchstürmen, dem Landvolk zum Schrecken und sich zur Pein, auf feurigen Rossen, in glühenden Panzern, mit sprühenden Waffen, die benachbarten Gefilde. Sie eilen mit scheidender Nacht wieder in den Berg zurück, dessen eherne Pforte zwischen den eingestürzten Oefen (Felsklüften) beim Hallthurm hinter den Trümmern der Burg Planen dem Wandrer nur selten und augenblicklich sichtbar wird. Hier harren diese Gebannten unter Gebet und guten Werken ihrer Erlösung und jenes furchtbaren Tages, da Unglauben und Gewalt den höchsten Grad erreichen und die Völker sich wie im Wirbelwind an einander drängen werden, um auf der weiten Ebene von Wals die Völkerschlacht zu schlagen, in der Kaiser Friedrich mit seinen Heeren der guten Sache den Sieg erringt.

5. Ein Wanderer in den Untersberg.

L. Bechstein, die Volkssagen, Mährchen und Legenden Oesterreichs. I., 75 ff. Maßmann a.a.O.

In der Salzburger und Berchtesgadner Gegend geht ein altes, seltenes Büchlein von Hand zu Hand, das beschreibt eine gar wundersame Mähr, die sich mit einem Manne, Namens Lazarus Aigner (nach Andern Gitschner), zugetragen und in dem Büchlein von ihm selbst für wahrhaftig beschrieben wird. Es war im Jahre 1529, als dieser Mann, ein Diener des Stadtschreibers zu Reichenhall, mit seinem Herrn, dem Pfarrer Martin Elberger und noch zwei andern Männern aus Reichenhall auf den Untersberg gingen. Da kamen sie zu einer Felsenschlucht, der hohe Thron genannt, wo ein Loch in den Berg ging. Unter dem Felsen stand eine Kapelle, die trug eine Schrift von silbernen Buchstaben, welche die Wanderer ansahen und lasen. Nachher sind sie wieder nach Hause gegangen. Später kam unter ihnen das Gespräch auf die Schrift, deren Buchstaben ihnen entfallen waren, und der Pfarrer sprach zu Aigner, er möge doch nochmals hinaufgehen und die Schrift abschreiben. Dieser ging an einem schönen Septembertage, der ein Mittwoch war, allein auf den Berg, fand die Schrift mit uralten Buchstaben in die Wand gehauen, und schrieb sie ab: S.O.R.C.E.I.S.A.T.O.M. Ueber dem Aufschauen und Abschreiben dieser alten Inschrift wurde es Abend und zu spät, den Rückweg anzutreten. Daher bettete sich Lazarus nahe der Höhlung auf weiches Moos und entschlief. Am andern Morgen machte er sich auf und wollte wieder hinab nach Reichenhall, sah sich jedoch zuvor im Gehen ein wenig in die Weite um und siehe! plötzlich steht vor ihm ein barfüßiger Mönch, der betet aus einem Buche und trägt eine große Bürde Schlüssel auf der Achsel. Jetzt redet der Mönch ihn an: »Wo bist du gewesen? Wo gehst du hin? Hast du gegessen oder bist noch hungrig?« Lazarus antwortete schlecht und recht, und der Mönch hieß ihn mit sich gehen. Sie gingen aufwärts gegen den hohen Thron, kamen wieder an eine Felskluft, die war mit einer eisernen Thür versperrt, welche der Mönch mit einem seiner Schlüssel aufschloß, und dann traten sie in den Berg ein. Der Mönch sprach zu Lazarus Aigner: »Lege deinen Hut allda nieder, so kannst du wieder heraus; innen aber sprich zu Niemand ein Wort, es sage einer zu dir, was er wolle. Mit mir darfst du reden und mich fragen, was du willst. Merke auch wohl, was du siehest und hörest.« Innen zeigte sich ein großer Thurm mit einer goldgezierten Uhr. Da sprach der Mönch: »Schau auf die Uhr, auf welcher Stund' der Zeiger steht und um welche Stund es ist.« Es war sieben Uhr. Als Lazarus Aigner aufschaute, sah er ein herrliches Gebäu mit einem doppelten Glockenthurm, wie ein ansehnliches Kloster, das auf einer schönen weiten Wiese lag. Ein Brunnen war daneben mit schneekaltem Wasser, rundum war schöner grüner Wald. Der Wanderer kam mit dem Mönch in eine Kirche, die so weit war, daß er von der hintern Kirchthür kaum auf den Chor hinaufsehen konnte. Dort beteten Beide, und der Mönch hieß den Mann in einem Stuhle bleiben und sagte ihm, daß die Kirche zweihundert Altäre habe und über dreißig Orgeln. Als Lazarus in dem Stuhle saß, kamen eine Treppe herunter mehr als dreihundert Mönche, alte und junge, blickten ihn scharf an, gingen auf den Chor und sangen die Horas andächtiglich. Nun erklangen alle Glocken, und unzählbare Schaaren Andächtiger, angethan mit herrlichen Kleidern, erfüllten das unterirdische Gotteshaus. An allen Altären wurde Messe gelesen und das Hochamt gesungen, und alle Orgeln erdröhnten, und zahllose Instrumente wurden laut mit himmlischer Musik. Dann verlor sich das Volk und die Mönche wandelten wieder an dem Erstaunten vorüber. Hernach führte der Mönch Jenen eine Treppe von achtzig Staffeln hinauf in einen Speisesaal voll hoher doch unverglaster Kirchenfenster zu beiden Seiten, daraus man hinabsah auf die Wiese. Daran stieß der Convent, oben gewölbt und mit schönen Fenstern wohl versehen. Darinnen standen lange Tische, und an einem derselben speiste der Mönch den Lazarus Aigner mit üblicher Klosterkost und einem Becher Wein. Zur Nonzeit (drei Uhr Nachmittags) gingen Beide wieder in die Kirche, die wieder voll Volkes war. Nach der Non gingen sie in die Bibliothek, da sah Aigner viele Leute auf dem Anger hin und her gehen, und auf Befragen, wer diese seien, antwortete der Mönch: »Es sind alte Kaiser, Könige, Fürsten, Bischöfe und andere Ritter, Herren und Knechte, Edle und Unedle, auch Frauen, christliche Leute, welche

den christlichen Glauben zur letzten Zeit Untergangs der Welt helfen erretten und vertheidigen.« Die Bücher in der Bibliothek waren uralt, aus Baumrinden und Häuten und mit alten unbekannten Buchstaben beschrieben. Vieles las und erklärte der Mönch. Zur Vesperzeit gingen Beide abermals in die Kirche, dann in den Convent zum Speisen, dann in die Complet. Darauf ordnete sich ein langer Zug der Mönche mit Büchern und Laternen, und gingen je zwei und zwei nach dem hohen Thurme, durch welchen Lazarus eingegangen war in den Untersberg. Da sah man zu zweien Seiten sechs Thüren, und der Mönch nannte zwölf verschiedene Kirchen in der Umgegend, in welche man durch diese Thüren gelange, nach Salzburg, Reichenhall und andere. Er sprach: »Jetzt gehen wir nach St. Bartholomä bei Berchtesgaden;« und so that sich die eine Thür auf, und sie gingen in einem breiten und schönen Gange fort und fort. Einmal sagte der Mönch: »Schau, Lazarus, jetzt gehen wir tief unter dem See,« damit er den Königssee meinte, an welchem St. Bartholomä gelegen ist. In der Kirche sangen sie die Metten und gingen dann zurück. Der folgende Tag wurde vollbracht, wie der erste, nur daß sie zur Nacht in den Dom zu Salzburg gingen und dort ihr Gebet verrichteten. Hernach lasen sie in der Bibliothek die großen Bücher voll alter Geschichten und zukünftiger Ereignisse, und der Mönch sprach viele Weissagungen, wie es dermal einst in der Welt sich zutragen werde. Als sie so lasen und mit einander sprachen, ersahen sie einen Kaiser unter dem Volke, mit Kron' und Scepter, der hatte einen grauen Bart vom Haupte bis zum Gürtel, und der Mönch sagte: »Das ist Kaiser Friederich, welcher einstens auf dem Walserfelde ist verzuckt worden. Schau ihn wohl an, er ist in solcher Gestalt, wie er ist, verloren gegangen.« Auch andere verstorbene Fürsten und edle Herren mehr erblickte Lazarus, auch seiner noch lebenden Bekannten Etliche, und fragte den Mönch was diese in dem Berge machten und ihr Thun und Lassen sei? Da gab ihm der Mönch eine solche derbe Maulschelle, daß er sie sein Lebelang empfand, und sprach zornig: »Was bedarfst du Wissens und Forschens nach den Geheimnissen Gottes?« – So waren nun bereits sieben Tage vergangen, als der Mönch sprach: »Lazarus, nun ist es Zeit, daß du wiederum hingehest, oder willst du hierinnen verbleiben, so magst du es auch thun.« Aigner antwortete: »Ich will hinausgehen.« So geleitete ihn der Mönch zu dem Thurme, versah ihn mit Zehrung und guter Ermahnung, hinfort demüthig zu leben, hieß ihn auch wieder auf die Uhr schauen, deren Zeiger eben wieder auf sieben stand, und den Hut aufsetzen, der noch dort lag. Dann redete er noch Manches von künftigen jämmerlichen und kümmerlichen Zeiten, so noch kommen würden, und schlüßlich befahl er ihm, er solle Alles, was er gehört und gesehen in dem wunderbaren Berge, fleißig merken und beschreiben, doch nicht eher, als nach fünfunddreißig Jahren. Zuletzt segnete er ihn und sprach: »Nun gehe hin im Namen des Friedens, du wirst schon dermal einst wieder zu mir kommen! Schaue dich auch nicht um!« Und so kam Lazarus Aigner mit Zittern wieder hervor aus dem Schooße des Untersberges und herab nach der Stadt Reichenhall, und war ganz stille.

6. Das Schloß der Zwerge.

Von Schöppner. – S. Beschreibung vom Untersberg, Brixen, 1850.

Ein Bauer hat erzählt: ich fuhr ein Fuder WeinAm Untersberg vorbei von Salzburg nach Hallein.

Es war bei Niederalm am Brückenkopf gerade,Als mir von ungefähr ein graues Männchen nahte.

»Grüß Gott! mein lieber Hans, wohin mit deinem Wein?

Ei folge mir zum Berg, ich will dein Käufer sein.«

Ich schüttelte den Kopf, der Antrag schien mir Posse,Und trieb mit hellem Knall zu rascher Fahrt die Rosse.

Da springt der Zwerg mit Wut hervor und donnert: halt!Und zähmt der Rosse Mut mit riesiger Gewalt.

Mir gruselte vor Angst, es sträubten sich die Haare:»In Gottes Namen denn! befehlet nur, ich fahre.«

Das Wichtlein ging voraus, ich fuhr bedenklich nach,Da überkam mit Macht ein Schlaf mich allgemach.

Doch hielt der Schlaf nicht lang, und als ich jetzt erwachte,Ein wunderschönes Schloß vor meinen Augen lachte.

Auf einem Felsen hoch gebaut von Marmelstein,Die Fenster von Krystall im Morgensonnenschein.

»Wolan, mein lieber Hans!« begann hierauf der Kleine,»Das ist der Markt, dahin du fährst mit deinem Weine.«

So fuhr ich durch das Thor mit hellem Peitschenknall,So daß des Hofes Raum erklang vom Wiederhall.

Da kamen wie geweckt viel hundert kleine LeuteUnd hüpften auf mich zu und grüßten voller Freude.

»Willkommen lieber Hans! sei froh und wohlgemut,Bei uns ist Ueberfluß und Küch' und Keller gut.«

Sie spannten hurtig dann die Rosse von dem WagenUnd sorgten in dem Stall für deren leeren Magen.

Mich selber brachten sie in einen Speisesaal,Darinnen duftete der Tisch vom besten Mahl.

Doch schmeckte leider mir kein Trinken und kein Essen,Ich konnte meinen Wein und Wagen nicht vergessen.

Und als ich nun gespeist, da zog der Zwerge TroßMit Ungestüm mich fort, zu zeigen mir das Schloß.

Ein Flügel that sich auf, da ward ein Saal betretenGeschmückt mit Stickerei auf seidenen Tapeten.

Doch war ein zweiter Saal noch herrlicher an Pracht,Die Decke und die Wand von purem Gold gemacht.

Die Fenster von Krystall und spiegelglatt der Boden

Mit Steinen wohlgefügt, mit weißen und mit rothen.

Und an den Wänden rings erblickt' ich RitterwehrUnd Waffen mancherlei von edlem Golde schwer.

Und mitten in dem Saal da standen erzgegossenDer Riesenbilder vier, mit Ketten angeschlossen.

Und ob den Vieren stund ein gülden Königlein,Das schien der Recken Herr und Oberster zu sein.

Da fragt' ich einen Zwerg, was dieser Bilder Sinn sei;Der gab mir den Bescheid, daß Wissen kein Gewinn sei.

So sah ich manchen Saal von wunderbarer Pracht,Doch endlich traten wir in einer Wölbung Nacht.

Nur spärlich drang der Tag durch eines Loches Spalte,Ich schaute flugs hindurch in eines Hofes Halde.

Da sah ich eine Schaar der schönsten Frauen gehn,Dergleichen nie mein Aug' hat Schöneres gesehn.

Doch faßte flugs ein Zwerg mich an dem Zopf behendeUnd machte süßem Schaun gewissenhaft ein Ende.

Darnach gelangten wir in eines Kellers Raum,Der war so riesengroß, ich sah das Ende kaum.

Da lagen ohne Zahl die Fässer goldnen Weines,Der Nektar von Tirol, der Himmelsthau des Rheines.

Da setzten sich die Herren auf eine Bank von SteinUnd sagten schönen Dank für meine Fuhre Wein;

Und Einer kam daher mit schwerem Sack beladenUnd zählte auf den Tisch die prächtigsten Dukaten.

»Das nimm,« begann der Wicht, »an Zahlung für den Wein!« –Ich schob mit großem Dank die goldnen Füchse ein.

Darauf entließen mich die Wichtlein aus dem Schlosse,Schon harrten wolgeschirrt am Wagen meine Rosse.

Ich schwang mich lustig auf und fuhr in leichtem TrabDes goldnen Glückes froh den Wunderberg hinab.

7. Vom Hans Gruber und der goldenen Kette.

Die vor. Schrift.

Hans Gruber, Bürger und Gastgeber zu Salzburg, der auch Holzmeister auf dem Untersberg war, ein schlichter rechter Mann, saß einst auf dem Untersberg auf seinem grünen Plätzlein, wo er immer gesessen war, und sah den Holzknechten zu, wie sie Holz machten. Als er nun an einem Tage sein Brod gegessen und von einem Brünnel, das in der Nähe seines Plätzchens war, getrunken hatte, trug sich Folgendes zu. Während er den Knechten, über die er Holzmeister war, zuschaute, stand auf einmal zunächst der steinernen Wand eine eiserne Thüre offen, und eine Person, die wie ein Mönch aussah, sagte zu ihm: »Hans, geh herein!« Aber der Holzmeister getraute sich nicht, und ging nicht. Abermals sprach der Mönch: »Hans, geh herein!« Aber der Hans ging nicht; denn er fürchtete sich. Zum drittenmale sprach der Mönch: »Sieh! wenn du hereingehst, so gebe ich dir die goldene Kette, die ich hier am Arm trage!« Hans sah die Kette an seinem Arm wohl, aber er sprach: »Gib mir nur ein Glied von dieser Kette, so bin ich zufrieden, aber hinein gehe ich nicht, denn ich fürchte mich.« Da riß der Mönch drei Glieder von seiner Kette ab und warf sie dem Holzmeister in den Hut, in den sie gerade fielen. Laß diese Niemanden unter drei Tagen sehen, und sei froh, daß du sie gerade in deinem Hute aufgefangen hast. Denn wäre ein Glied neben hin gefallen, so würdest du mir nimmer entkommen sein dein Leben lang, bete fleißig! Hierauf ging der Mönch in den Berg und schlug die Thüre zu, daß es wiederhallte. Vorher hatte der Holzmeister schon durch die Thüre in den Berg geschaut, und er hatte nicht anders gedacht, als sähe er einen neuen Himmel und eine neue Welt. Als der Holzmeister zu seinen Knechten, die wohl den Schall vernommen, aber da sie weiter entfernt waren, den Mönch nicht gesehen hatten, zurückkam, erzählte er ihnen von dem Mönche, was er gesagt hatte, und wie er durch die Thüre eine neue Welt zu sehen geglaubt habe. Von den goldenen Ringen aber schwieg er still. Diese hatte er in seinen Rockbusen gesteckt, und drei Tage behalten. Sie waren Gold, und als er sie am vierten Tag wog, hatten sie drei Pfund drei Vierling an Gewicht. Nachher ging der Holzmeister wiederum mit den Knechten auf den Wunderberg, um die eiserne Thüre zu suchen; aber sie fanden sie nicht. Diese ganze Geschichte betheuerte Hans Gruber, und es ist ihm bei seiner Redlichkeit und Geradheit zu glauben.

8. Des Hirten Stab.

Mündlich.

Es ging einmal ein Hirtenknabe den Untersberg hinab, und weil es sehr schwül war, so streckte er sich in's weiche Gras an einer frischen Quelle nieder und schlief ein. Als er erwachte, griff er nach seinem Stabe, den er in die Quelle gelegt hatte. Aber o Wunder! anstatt des alten mit Eisen beschlagenen Stockes blitzte ein nagelneuer Hirtenstab von purem Golde aus dem Wasser. Voll Freuden nahm ihn der Knabe und eilte damit spornstreichs den Berg hinunter seinem Dorfe zu. Daselbst entstand ein großes Aufsehen über den kostbaren Fund, und alles Volk machte sich unverweilet, schwer mit altem Eisen beladen, auf den Weg nach dem Goldbrünnlein. Alldort wollte Jeder zuerst seine Bürde von Eisen in's Wasser werfen. Bald war die Quelle angefüllt. Aber vergeblich warteten die guten Leute auf die Vergoldung; am Ende mußten sie ihr Eisen wieder aus dem Wasser ziehen und beschämt nach Hause wandern.

9. Goldsand, Goldkohlen und Goldzacken vom Untersberg.

Grimm. Brixener Volksbuch. L. Steub a.a.O.

Im Jahre 1733 ging Paul Mayr, Dienstknecht zum Hofwirth von St. Zeno auf den nahen Untersberg, in der Absicht, um vielleicht zu seinem Unterhalte etwas finden zu können. Denn schon stand der Berg im Rufe, daß in seinem Innern Gold verborgen sei. Da nun dieser Unweit des Brunthals fast die halbe Höhe des Berges erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe, worunter ein Häuflein Sand lag. Er dachte, dieß könnte vielleicht für ihn taugen, und füllte zur Probe alle Taschen mit solchem Sande. Freudig eilte er nach Hause zurück, als

ihm plötzlich ein Mann begegnete und ihn fragte: »Was trägst du da?« Vor Furcht und Schrecken blieb Paul stumm vor ihm stehen! Da ergriff ihn der Fremde, leerte ihm die Taschen und sprach zu ihm die warnenden Worte: »Jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, sondern einen andern! Und wenn du dich hier wieder sehen läßt, so fürchte für dein Leben.« Paul ging. Aber das Gold war zu reizend, als daß er die Stelle nicht noch einmal zu finden versuchte. Er nahm aber dießmal, um der frühern Gefahr zu entgehen, einen gut bewaffneten Freund mit. Doch ihr Suchen war umsonst: die Stelle fand sich nicht mehr. Zwei Holzknechte sahen einmal in der Nähe eines Hügels Kohlen in der Sonne liegen. Der Eine hob drei davon auf, der Andere fünf. Während sie weiter gingen, warf der Erste seine Kohlen in einen nahen kleinen Weiher, bei dem sie vorüberkamen, indem er sich dachte, sie seien ihm zu nichts nütze. Aber kaum waren die Kohlen in's Wasser gefallen, so färbte sich dieses, und er hatte es zu bereuen, daß er sie hineingeworfen, denn es war Gold. Der Andere behielt seine Kohlen und als er nach Hause kam, war es Gold. Es ging zwar jener wieder zurück, um sich andere Kohlen zu holen, allein anstatt Goldkohlen fand er Nattern und Schlangen. Es ist noch nicht so lange her, so kam Sebastian Fletscher, Scheuerbauer zu Fagen, an den Untersberg und sah da an einem Felsen lange Goldzacken herunterhängen. Er versuchte etwas davon abzusprengen, aber da sie mit der Hand nicht loszubrechen waren, so ging er nach Hause, um eine Hacke zu holen, legte aber vorher noch einen großen Steinhaufen zusammen unter den Felsen hin, um die Stelle nicht zu verfehlen. Als er mit der Hacke wieder zurückkam, fand er zwar den Steinhaufen, aber die Goldzacken waren nirgends mehr zu erschauen.

10. Die wilden Frauen.

Von Friedrich Beck.

Sie kommen hervor aus den felsigen Höh'n Vom Berge die Frauen, die wilden; Da hütet die Ziegen ein Knabe so schön; »O hüt' uns die Schäflein, die milden!« Sie flehen und locken mit schmeichelndem Wort, Sie haschen ihn eilig, sie ziehen ihn fort Am ringsum bebüschten, am schattigen Ort; Das Kind ist hinweg und entschwunden, Noch hat es kein Auge gefunden.

Es forschte der Vater; wie schmerzlich dringt Zum Mutterherzen die Wunde; Ein Jahr ist vergangen; kein Hirte bringt, Kein Jäger den Aeltern noch Kunde; Da gingen sie einstmals im Walde hinan: »Wer sitzet so säuberlich angethan Mit dem grünen Röcklein auf schattigem Plan? Der Knabe, der ist es! O Wonne, Heut schien uns die glücklichste Sonne!«

Sie rufen ihm freudig, sie rufen ihm laut: »O eil' in die Arme der Deinen! Wir haben gesund dich und blühend erschaut, Den längst wir als Todten beweinen; Wer gab dir Gewande so zierlich und neu?

Wer pflegte wohl deiner so lieb und treu? Bekenne nur Alles, verkünd' es uns frei; Wer immer uns schützte den Knaben, Wir wollen's ihm danken mit Gaben!«

Sie traten ihm näher, sie priesen ihr Glück, Das Kind, das betrachtet sie lange, Es heftet mit Schweigen den staunenden Blick Auf beide gar furchtsam und bange; Und als sie ihm reichen zum Gruße die Hand, Da hat es sich eilend zum Fliehen gewandt, Hat Vater und Mutter nicht wieder erkannt, Schon ist es im Dickicht entschwunden, Kein Aug' hat es wieder gefunden.

Und abermals stiegen von felsigen Höhn Die Frauen des Berges, die wilden; Ein Brüderlein hatte der Knabe so schön, Er war es, auf den sie nun zielten; Er saß auf dem Rosse, das zog vor dem Pflug, Den jubelnden Reiter es willig ertrug, Da gab es wohl Scherze und Lust genug, Der Vater, er weilte von ferne; Wie hatt' er sein Söhnlein so gerne!

Und als er die wilden Frauen ersah, Da kam er zur Rettung geflogen; Bald war er dem Kinde, dem sträubenden, nah, Sie hatten's vom Pferde gezogen; Doch furchtlos schalt er die Frechen aus: »Gebt meinen Knaben mir schnell heraus, Was treibt euch so kühn aus dem Felsenhaus? Schon habt ihr geraubt mir den Einen; Nicht will ich den Zweiten beweinen!«

Da sahen die wilden Frauen sich um, Ihr Haar flog nieder im Winde, Sie standen mit Thränen, sie standen stumm, Sie ließen die Hand von dem Kinde: »O wehe, wie wehe ist uns doch gescheh'n! Wir dürfen dich, Kindlein, nicht wiederseh'n!« So hörte man klagend zum Walde sie geh'n; Sie schwanden wie Nebelgedüfte Auf immer dahin ins Geklüfte.

11. Das Bergmännlein auf der Hochzeit.

Brixener Volksbüchlein a.a.O.

Im Dorfe Glas, eine Stunde vom Untersberge, war einmal eine Hochzeit. Alles war heiter und lustig. Da kam auf einmal ein Bergmännlein, das seinen Berg verlassen hatte, in die Wirthsstube, wo eben getanzt wurde. Sogleich bat er, auch mittanzen zu dürfen, und als man

es ihm bewilligte, da machte er mit mehreren Jungfrauen allemal drei Tänze. Er tanzte so zierlich und schön, daß alle Anwesenden Freude und Lust fanden, ihm zuzuschauen. Nachdem er getanzt hatte, schenkte er jeder der Brautpersonen eine kleine Münze, die vier Kreuzer werth war, und sagte ihnen, sie sollten sie zu ihrem übrigen Gelde legen, und der Segen werde ihnen dann gewiß nicht fehlen. Zugleich gab er ihnen Allen Ermahnungen, sie sollten lustig und fröhlich sein, aber in Ehren, sie sollten in Frieden und Eintracht mit einander hausen, und ihre Kinder christlich und fromm erziehen. Zu den Brautleuten sprach er, sie sollten nicht hoffärtig werden, und von dem Ueberflusse, der ihnen werden würde, auch ihren Nachbarn mittheilen; denn nur dann werde der Segen und der Reichthum ihnen bleiben. Nach diesen Ermahnungen blieb er noch bei der Hochzeit, bis es Nacht ward, trank und aß mit ihnen, aber nur weniges. Endlich bedankte er sich und verlangte einen Mann unter den Holzleuten, der ihn über den Fluß Salzach zu seinem Berg führte. Dazu erbot sich auch ein Fischer, Namens Johann Ständl, und das Bergmännlein ging mit ihm an den Fluß zur Ueberfahrt. Während sie überfuhren, verlangte der Fuhrmann seinen Lohn, und das Bergmännlein gab ihm in Demuth drei Pfennige. Dieß verschmähte der Schiffer und beklagte sich auch darüber, daß es ihm zu wenig sei. Das Bergmännlein gab ihm aber zur Antwort, er sollte die drei Pfennige nur behalten; denn er würde dann an seiner Baarschaft keinen Mangel zu erleiden haben, wenn er anders seinem Uebermuthe Einhalt thäte. Zugleich gab das Männlein dem Schiffmann ein kleines Steinlein, und sprach zu ihm die Worte: »wenn du dieses an den Hals hängen wirst, so wirst du nie zu Grunde gehen!« Zuletzt ermahnte er den Fuhrmann noch zu einem demüthigen Lebenswandel, und ging schnell, nachdem er ausgestiegen war, von dannen und dem Berge zu. – Was ihm das Männlein von der Wunderkraft des Steinleins gesagt hatte, ging in demselben Jahre noch in Erfüllung; denn es rettete ihn wirklich vom Ertrinken.

12. Der Jäger im Untersberg.

L. Steub Aus dem bayerischen Hochlande, S. 167.

Vor Zeiten kam einmal ein Jägerbursch in den Untersberg und blieb ein Jahr darinnen. Als er wieder herausging, hörte er in der Gmain zur Kirche läuten und ein Mädchen sagte ihm, daß ein Seelengottesdienst gehalten werde für einen Jäger, der vor'm Jahr auf dem Berge verloren gegangen sei. Darauf begab er sich in die Kirche, kniete vor das Speisegitter, und als es Zeit zum Opfer war, stand er zuerst auf und ging voran. Nun erkannten ihn erst seine Verwandeten und Befreundeten und verwunderten sich gar sehr, daß der mit dem Opfer ging, für dessen arme Seele sie den Trauergottesdienst hatten halten lassen. Der Jäger hat's aber nur dem Erzbischof von Salzburg erzählt, und sonst Niemanden, wo er gewesen und was er erlebt, starb übrigens schon ein Vierteljahr darnach.

13. Der Birnbaum auf dem Walserfeld.

Von Adalbert Chamisso. – Der Zusammenhang dieser Sage mit den Sagen des Untersberges wird die Ueberschreitung der politischen Grenze rechtfertigen.

Es ward von unsern Vätern mit Treuen uns vermachtDie Sage, wie die Väter sie ihnen überbracht,Wir werden unsern Kindern vererben sie aufs neu':Es wechseln die Geschlechter, die Sage bleibt sich treu.

Das Walserfeld bei Salzburg, bezeichnet ist der Ort,Dort steht ein alter Birnbaum verstümmelt und verdorrt,Das ist die rechte Stätte, der Birnbaum ist das Mal,Geschlagen und gewürget wird dort zum letzten Mal.

Und ist die Zeit gekommen und ist das Maaß erst voll, –Ich sage gleich das Zeichen, woran man's kennen soll,So wogt aus allen Enden der sündenhaften WeltDer Krieg mit seinen Schrecken heran zum Walserfeld.

Dort wird es ausgefochten, dort wird ein Blutbad sein,Wie keinem noch die Sonne verliehen ihren Schein,Da rinnen rothe Ströme die Wiesenrain' entlang,Da wird der Sieg den Guten, den Bösen Untergang.

Und wann das Werk vollendet, so deckt die Nacht es zu,Die müden Streiter legen auf Leichen sich zur Ruh,Und wann der junge Morgen bescheint das Blutgefild,Da wird am Birnbaum hangen ein blanker Wappenschild.

Nun sag' ich euch das Zeichen: ihr wißt den Birnbaum dort,Er trauert nun entehrt, verstümmelt und verdorrt,Schon dreimal abgehauen, schlug dreimal auch hervorEr schon aus seiner Wurzel zum stolzen Baum empor.

Wann nun sein Stamm, der alte, zu treiben neu beginnt,Und Saft im morschen Holze auf's neu lebendig rinnt,Und wann den grünen Laubschmuck er wieder angethan,Das ist das erste Zeichen: es reift die Zeit heran.

Und hat er seine Krone erneuert dicht und breit,So rückt heran bedrohlich die langverheißne Zeit,Und schmückt er sich mit Blüthen, so ist das Ende nah,Und trägt er reiche Früchte, so ist die Stunde da.

Der heuer ist gegangen zum Baum und ihn gefragt,Hat wundersame Kunde betroffen ausgesagt,Ihn wollte schier bedünken, als rege sich der Saft,Und schwöllen schon die Knospen mit jugendlicher Kraft.

Ob voll das Maaß der Sünde: ob reifet ihre SaatDer Sichel schon entgegen? ob die Erfüllung naht?Ich will es nicht berufen, doch dünkt mich eins wohl klar:Es sind die Zeiten heuer gar ernst und sonderbar.

14. Die letzte Schlacht.

Von F.W. Rogge.

Saht ihr die Ebne drüben? Das ist das Walserfeld, Wo einst in künft'gen Zeiten Der Schlachten letzte fällt.

Die Guten und die Bösen Befehden sich darauf, Daß von dem Blut geschwollen,

Hinbraust der Ströme Lauf.

Und in dem Walserfelde Da steht ein Birnenbaum, Daß zwier die Art ihn fällte, Gewahrt das Auge kaum.

Nun ragt er fast verdorret Gespenstisch durch den Plan, Ohn' ein geheimes Grausen Mag ihm kein Wand'rer nahn;

Doch wenn er wieder grünet Und sich mit Blüthen schmückt, So wißt, es sind die Zeiten Schon nah heran gerückt!

Und wenn die Blüthen gefallen, Die Frucht zur Reife schoß, Bricht rasch von allen Enden Der Sturm gewaltig los.

Dann hängt der Fürst der Bayern Sein Wappenschild daran, Und Niemand weiß zu deuten, Warum er das gethan.

15. Friedrich der Rothbart zu Kaiserslautern.

Grimm deutsche Sagen I., 382. C.v. Falkenstein das Buch der Kaisersagen S. 13. Fr. Weiß die maler. und romant. Pfalz. S. 146.

Etliche wollten, daß Kaiser Friedrich, als er aus der Gefangenschaft bei den Türken befreit worden, gen Kaiserslautern gekommen und daselbst seine Wohnung lange Zeit gehabt. Er baute dort das Schloß, dabei einen schönen See oder Weiher, noch jetzt der Kaisersee genannt, darin soll er einmal einen großen Karpfen gefangen und ihm zum Gedächtniß einen güldenen Ring von seinem Finger an ein Ohr gehangen haben. Der selbige Fisch soll, wie man sagt, ungefangen in dem Weiher bleiben, bis auf Kaiser Friedrichs Zukunft. Auf eine Zeit, als man den Weiher gefischt, hat man zwei Karpfen gefangen, die mit güldenen Ketten um die Hälse zusammen verschlossen gewesen, welche noch bei Menschen-Gedächtniß zu Kaiserslautern an der Metzler-Pforte in Stein gehauen sind. Nicht weit vom Schloß war ein schöner Thiergarten gebauet, damit der Kaiser alle wunderlichen Thiere vom Schloß aus sehen konnte, woraus aber seit der Zeit ein Weiher und Schieß-Graben gemacht worden. Auch hängt in diesem Schloß des Kaisers Bett an vier eisernen Ketten und, als man sagt, so man das Bett zu Abend wohl gebettet, war es des Morgens wiederum zerbrochen, so daß deutlich jemand über Nacht darin gelegen zu haben schien. Ferner: zu Kaiserslautern ist ein Felsen, darin eine große Höhle oder Loch, so wunderbarlich, daß niemand weiß, wo es Grund hat. Doch ist allenthalben das gemeine Gerücht gewesen, daß Kaiser Friedrich, der Verlorne, seine Wohnung darin haben sollte. Nun hat man einen an einem Seil hinabgelassen und oben an das Loch eine Schelle gehangen, wann er nicht weiter könne, daß er damit läute, so wolle man ihn wieder heraufziehen. Als er hinab gekommen, hat er den Kaiser Friedrich in einem güldenen Sessel sitzen sehen, mit einem großen Barte. Der Kaiser hat ihm zugesprochen und gesagt, er solle mit Niemand hier

reden, so werde ihm nichts geschehen, und solle seinem Herrn erzählen, daß er ihn hier gesehen. Darauf hat er sich weiter umgeschaut und einen schönen weiten Plan erblickt und viel Leut, die um den Kaiser standen. Endlich hat er seine Schelle geläutet, ist ohne Schaden wieder hinauf gekommen und hat seinem Herrn die Botschaft gesagt.

16. Barbarossa.

Von Friedrich Rückert.

Der alte Barbarosse Der Kaiser Friederich, Im unterird'schen Schlosse Hält er bezaubert sich.

Er ist niemals gestorben, Er lebt darin noch jetzt, Er hat im Schloß verborgen Zum Schlaf sich hingesetzt.

Er hat hinabgenommen, Des Reiches Herrlichkeit, Und wird einst wiederkommen Mit ihr zu seiner Zeit.

Der Stuhl ist elfenbeinen, Worauf der Kaiser sitzt, Der Tisch ist marmorsteinen, Worauf sein Haupt er stützt.

Sein Bart ist nicht vom Flachsen, Er ist von Feuers Gluth, Ist durch den Tisch gewachsen, Worauf sein Kinn ausruht.

Er nickt als wie im Traume, Sein Aug' halb offen zwinkt Und je nach langem Raume Er einem Knaben winkt.

Er spricht im Schlaf zum Knaben: Geh' hin vor's Schloß, o Zwerg, Und sieh, ob noch die Raben Herfliegen um den Berg!

Und wenn die alten Raben Noch fliegen immerdar, So muß ich auch noch schlafen Verzaubert hundert Jahr.

17. Die Fahrt der Todten zu Kaiserslautern.

Mündlich.

Längst ruht kein Stein mehr auf dem andern, wo weiland die stolze Veste Barbarossa's prangte. Nur einmal im Jahre, an dem Sterbetage des großen Kaisers, erhebt sich um Mitternacht die untergegangene Burg aus der Erde und leuchtet in altem Glanze. Alsdann steigen Ritter und Knappen aus ihren Gräbern hervor und versammeln sich in stummer Trauer. Auf den zwölften Glockenschlag setzt sich des Kaisers Trauerzug in Bewegung. Lange Reihen von schwarzen Rittern ziehen ohne Sang und Klang aus den geöffneten Thoren des Schlosses. Der erste derselben trägt Barbarossa's Haupt; oft glaubt man dumpf den theuren Namen des Kaisers aussprechen zu hören. Also bewegt sich der feierliche Zug durch alle Straßen der Stadt ungefähr bis zur Zeit der Hahnenkrähe, dann nimmt er seinen eiligen Rückzug in die Veste, die Gestalten verschwinden, die Ritter legen sich wieder in's Grab, die Kaiserburg ist wieder versunken, und nur die Raben bezeichnen flatternd und krächzend die Stätte, wo weiland Barbarossa in seiner Herrlichkeit thronte.

18. Der Roßkauf.

Altes Volkslied.

Durch den Wald hin ritt der Müller, Will verkaufen seinen Schimmel; Finster ist's, kein Mondenschein, Und die lieben Sternelein Halten sich verborgen.

Aus dem Busch tritt da ein Alter: »Müller mag dich Gott erhalten; Ist der Schimmel dir nicht feil? Vierzig Thaler sind dein Theil, So du ihn willst geben.«

Voran geht der Alte schnelle, Und der Müller folgt zur Stelle: Schau hier an das Felsenhohl, Hier ist unser Stall sowohl! Folge mit dem Schimmel.

»Sag', was sollen all' die Rosse An die Krippen angeschlossen In dem ungeheuern Raum, Und daneben Sattel, Zaum: Geht es bald zum Reiten?

Sag', was sollen all die Krieger, Die dort in den Zellen liegen, All' in Waffen fein und blank Schlafen sie auf harter Bank: Wollen sie an's Fechten?

Sag', wer ist dort eingeschlafen Auf der weißen Marmortafel? Und sein Bart wie Feuersgluth Wächst ihm durch den festen Tisch, Sag' es mir du Alter?«

Der da schläft, ich will ihn nennen: Sollst den röm'schen König kennen! Wenn es an der rechten Zeit Wacht er auf und sein Geleit, Auf wohl zu den Waffen!

All' die Ross' in diesen Höhlen, Viele thuen uns noch fehlen, Laufen dann in weiter Welt, Wo der Herr die Fahne hält, Unser röm'scher König!

19. Der Kaiser im Guckenberg.

Bei Gemünden am Main. – F.J. Mone Anz. IV., 409.

Bei Gemünden liegt der Guckenberg; von diesem geht die Sage, daß vor langen Zeiten ein Kaiser mit seinem ganzen Heere in ihn versunken sein soll. Nun sitzt er darin an einem steinernen Tische, und wenn sein Bart um den Tisch gewachsen ist, so wird der Kaiser mit all' seinen Wappnern wieder hervortreten. Einstmals kam ein armer Knabe auf den Berg, welcher in der Gegend Semmeln zum Verkaufe trug, und traf daselbst einen steinalten Mann an, der sprach freundlich mit dem Knaben; dieser klagte ihm sein Leid, daß er so wenig verkaufen könne, und sein Verdienst so gering sei. Da sprach der Alte: »Höre Kleiner, ich will Dir wohl einen Ort zeigen, wo Du alle Tage so viel Wecke verkaufen kannst, als Du zu tragen im Stande bist; aber Du darfst bei Leibe Niemanden etwas davon offenbaren.« Darauf führte der alte Mann den Buben in den Berg hinein, und es war im Berg wie in einer großen Stadt, und gar ein reges Leben darin. Viele Leute trieben Handel und Wandel, andere gingen in die Kirche, noch andere hielten einen Bittgang. Und an einem Tische saß der Kaiser gewaltig, und sein langer Bart war schon zweimal um den Tisch gewachsen. Dahin brachte nun tagtäglich der Knabe seine Semmelwecke, und empfing dafür uraltes Geld. Da aber nun in seinem Orte dessen bald zu viel umlief, wurden die Leute stutzig, mochten es nicht mehr annehmen, und drangen endlich in den Jungen, zu sagen, wo er dieses alte Geld bekäme. Da offenbarte er seinen ganzen Handel. Ein junger Freund von ihm drang sich ihm nun beim nächsten Berggang zum Begleiter auf, um des Guckenberges innere Herrlichkeit auch wahrzunehmen; allein der Semmelbube fand nicht nur den Eingang nicht wieder, sondern nicht einmal den Berg, und kam ihm die ganze Gegend anders und schier verwandelt vor.

20. Karl der Große im Karlsberg bei Fürth.

Von B. Baader in F.J. Mone's Anzeiger V., 174.

Zwischen Nürnberg und Fürth liegt der Kaiser-Karls- Berg, woraus in früherer Zeit oft ein schöner Gesang von unbekannten Stimmen ertönte. Damals kam zu einem Nürnberger Bäckerjungen, der Abends an dem Berg vorbei ging, ein unbekanntes Männlein, und sagte zu ihm: »Bringe von morgen an, täglich in der Frühe einen Korb voll Brod hierher in den Berg; Du wirst an dieser Stelle den Eingang sehen, und kannst ohne alle Furcht hineingehen. Jedesmal wird Dir Dein Brod baar bezahlt, und Du erhälst einen Sechser Trinkgeld; wenn Du aber die Sache verräthst, kostet es Dir das Leben!« Am andern Morgen sagte der Junge seiner Meisterin, es sei ein großer Korb voll Brod bestellt worden, nahm und trug denselben an den Berg, woran er jetzt zum erstenmal eine Oeffnung sah, durch die er hineinging. Alsbald kam ihm das Männlein mit einem Licht entgegen, und führte den Jungen in ein kostbar eingerichtetes Gewölbe, worin ein Kronleuchter brannte und viele geharnischte Männer schlafend umhersaßen. Hier legte der Knabe das Brod ab, und wurde von dem Männlein mit

lauter neuem Gelde ausbezahlt, worauf er sogleich wieder aus dem Berg gehen mußte. Bis zum dritten Tage ging alles gut; an diesem aber fragte die Meisterin, wer den Korb Brod bekomme und dafür das schöne neue Geld bezahle? Der Junge gab zur Antwort: wenn sie nur das Geld erhalte, solle sie nicht nach dem Weitern fragen. Damit war die Meisterin aber nicht zufrieden und schlich das nächste Mal dem Jungen bis in die Nähe des Berges nach, worauf sie ihm bei seiner Zurückkunft sagte: sie wisse jetzt, daß er das Brod zum Kaiser-Karls-Berg bringe, wenn er nun nicht Alles gestehe, werde er aus dem Dienste gejagt. Durch diese Drohung wurde der Junge erschreckt, und erzählte nun, wie es sich zugetragen hatte, aber klagte dabei, daß er jetzt sein tägliches Trinkgeld, ja vielleicht gar sein Leben verlieren werde. Am andern Morgen ging er mit dem Korbe Brod wieder fort, kam aber nicht mehr nach Hause und es ward auch keine andere Spur von ihm gefunden, als seine Kleider, die auf dem Wege zum Berg hie und da zerstreut lagen. Seitdem ist der Gesang im Berge verstummt, dagegen hört man daraus zuweilen Wehklagen und Weinen.

21. Karl der Große im tiefen Bronnen zu Nürnberg.

Grimm, deutsche Sagen I., 28. J. Günther großes poet. Sagenb. II., 23.

Die Sage erzählt, daß Kaiser Karl der Große sich in den fünfzig Klafter oder dreihundert Nürnberger Fuß tiefen Brunnen der Burg zu Nürnberg verflucht habe und in demselben hause, wo ihn dann ein Verbrecher, den die Nürnberger Herren in den Brunnen hinabgelassen, um der Sache auf den Grund zu kommen, leibhaftig gesehen haben soll, und zwar an einem Tische sitzend, um welchen ihm der Bart schon zweimal herumgewachsen.

22. Wie Karl der Große geboren ward auf der Reismühle am Würmsee.

Erzählt von Hormayr, goldene Chronik S. 17. Vgl. Aretin älteste Sage über die Geburt und Jugend Karls des Großen. München 1803. U. Füterer Cod. mon. C.p. 69 membr. 4. (Klökl) der Petersbrunnen. München 1817. S. 46. Gedichte von de la Motte Fouqué, J. Sutner, Heiler, K. Geib. H. Föringer im Oberb. Archiv I., 397

Pipin wohnte eine Zeit lang auf der Burg zu Weihenstephan bei Freising. Nun gedachte er sich zu vermählen und schickte seinen Hofmeister, einen bösen Ritter, die Braut abzuholen. Da wurde der und sein ruchloses Weib mit einander eins, die fremde Prinzessin zu tödten und statt derselben ihre eigene Tochter unterzuschieben, die jener sehr ähnlich sah. Der Hofmeister führte die fremde Königstochter von ihres Vaters Hof im prächtigen Zuge fort. Der Abschied war unendlich traurig, als hätte die Aermste geahnt, welch' Unglück ihrer warte. Nach dem letzten Nachtlager vor Weihenstephan nahm der Hofmeister einen starken Umweg in die tiefe Wildniß zwischen dem Würm- und Ammersee. Dort harrte seiner verborgen Weib und Tochter. Er nahm bei der Nacht der Prinzessin königliche Gewänder und ihren Fingerring, legte ihr dafür seiner Tochter Anzug vor ihr Lager und befahl Zweien seiner treuesten Knechte, wie er in aller Stille abgezogen sei, die Königstochter ungestüm aufzuwecken mit dem Begehren, sie sollte ihnen ohne Widerrede folgen. Das that sie, obgleich mit großem Schrecken. Ihr geliebtes Hündlein folgte ihr. Auch vergaß sie nicht ihr Werkzeug und Gold und Seide, denn sie konnte gar herrlich wirken. Als sie nun mitten im finstersten Dickicht waren, sagten ihr die Knechte, sie hätten geschworen, sie zu tödten, ließen sich aber doch erbarmen an so viel Schönheit und Jugend, und brachten als Wahrzeichen, daß sie gethan, wie ihnen befohlen, dem bösen Hofmeister ihr blutiges Oberkleid und ihres Hündleins Zunge. Der war dessen froh und die Hochzeit seiner Tochter mit Pipin wurde vollzogen. Die arme Königstochter in der Wildniß trieb aber der Hunger wieder zu den Leuten. Ein häßlicher Köhler, dessen sie anfangs gar sehr erschrack, weil sie ihn für den leibhaften bösen Feind hielt, der ihrer Seele nachstelle, führte sie zum Müller in der Reismühle bei dem alten Heidenorte Gauting. Dem Müller war nun des edlen Königs Tochter eine Magd, nur sagte sie nicht, wer sie sei und was mit ihr geschehen. Sie

machte wunderschönes Kunstwerk in Gold und Seide, das trug der Müller auf ihr Bitten gen Augsburg und verkaufte es dort fränkischen Handelsleuten. So schwanden Jahre und Tage dahin. Da verirrte sich einst Pipin in dem weiten Wald mit seinem Knecht, seinem Arzt und Sterndeuter. Der Abend brach herein. Von den Hörnern der Gefährten hatten sie schon seit vielen Stunden keines mehr erschallen gehört. Der Knecht war auf eine Tanne gestiegen, und sah ganz in der Nähe Rauch. Sie ritten rasch darauf los und fanden den Köhler, und verlangten zu essen. Er konnte ihnen nichts geben, denn er hatte selbst nichts, aber er führte sie auf die Reismühle gen Gauting, da erquickten sie sich. Der Sterndeuter trat vor die Hütte und blickte an den Himmel und kam hocherstaunt wieder herein und sprach zu Pipin: »Herr! ihr sollt diese Nacht von Eurer Hausfrau einen Sohn gewinnen vor dem die Christenkönige und die Heidenkönige sich neigen.« Da sprach Pipin: »Wie kann das sein? Es ist halb Mitternacht und noch weit auf Weihenstephan.« Der Sterndeuter ging noch einmal hinaus und sprach: »Dennoch ist es so, Ihr werdet bei der sein, die Euere Hausfrau ist und schon lange war.« Da stürmte Pipin auf den Müller, er solle sagen, ob nicht jene Frau bei ihm verborgen. Der König hätte ihn getödtet, als er gestand, es sei wohl schon sieben Jahre eine engelschöne Jungfrau bei ihm, die keines Menschen Auge gesehen. Da mußte die Jungfrau herfürgehen, und Pipin schmeichelte ihr: »es stehe in den Sternen, sie sei sein ehelich Weib.« Da war zwischen ihnen viel Frage und Antwort, obgleich die Jungfrau ihr Geschick lange nicht offenbaren wollte, wegen des schweren Eides, bis der König ihr erklärte, er sei durch Todesfurcht erzwungen und ungültig. Die edle Bertha zeigte ihm nun seinen eigenen Brautring, den er ihr durch den verrätherischen Hofmeister gesendet und Pipin war außer sich vor Freude, gebot den Seinigen Schweigen, so lieb ihnen ihr Leben sei, nahm zärtlichen Urlaub und erreichte des Abends noch die Burg, die jetzund Pael heißt und kam des andern Tages gen Weihenstephan. Dort erzwang er das Geständniß der Knechte, die Bertha verschont, ließ seine Weisesten rufen, den Hofmeister dazu, erzählte seine Falschheit und Missethat, als wäre sie einem andern geschehen, fragte darauf mit schrecklichem Blick und Ton den Hofmeister: »Was gebührt einem für solche Missethat?« Blaß und zitternd sprach dieser: »Ich will kein Urtheil fällen über mich selbst.« Da verdammte ihn der gemeine Rath zum schmählichen Tode. Die Hofmeisterin, die den verdammlichen Rath gegeben, ward eingemauert, und ihre Tochter, die unterschobene Königin, in einem besondern Gemach verwahrt, doch starb sie bald aus Gram. Wie Pipin heimkam aus dem langen Feldzug wider die Sachsen, eilte er auf die Reismühle am Würmsee. Der Müller trat ihm entgegen und reichte ihm einen Pfeil zum Wahrzeichen, in der Mühle sei ihm ein Sohn geboren von der schönen Bertha. Das war der große Karl. Pipin führte seine Fürsten und Ritter zu seiner Frau, zeigte ihnen ihr armes Kämmerlein, und ihr Lager blos von weichem Moos, und zog dann mit ihr ab unter lautem Schall und Ruf und Waffenklang auf Weihenstephan zuerst und dann nach Frankreich, wo sie als Königin des Landes gegrüßt, und ihr schöner, kühner Knabe getauft wurde, Carolus Magnus, dessen Ruf durch alle Welt ging.

23. Karl der Große auf der Salzburg.

Von J.B. Goßmann. – Die Salzburg bei Neustadt an der Saale (auf welcher Karl der Große im Jahre 790 gefahren sein soll), einst Palatium der fränkischen Könige, wo Bonifacius die Bischöfe weihte, wo Karl der Große eine byzantinische Gesandtschaft empfing und mit den Sachsen Frieden schloß. Gropp Wirztb. Chronik I., 423.

Wer ist der Held so groß, so kühn, Flußaufwärts dort zu Schiff? Das ist Karolus Magnus, In seine Salzburg einzuzieh'n So eben im Begriff!

Wer hat sich dort zu Thron gesetzt Mit Kron' und Kaiserstab? Das ist Karolus Magnus, Wie er den Sachsen Frieden jetzt Nach dreißig Jahren gab!

Wer zieht denn dort, als ging's zum Strauß Waldeinwärts hoch zu Roß? Das ist Karolus Magnus, Er reitet früh zum Jagen aus Mit seines Hofes Troß!

24. Feuchtwangens Ursprung.

Erzählt von K.A. Böhaimb. Vgl. C.v. Falkenstein Buch der Kaisersagen S. 9.

Auf seiner Reise durch Frankenreich kam Karl der Große auch in den alten Rießgau. Hier überkam ihn ein Fieber auf der Jagd. Ermattet setzte er sich auf einen Fichtenstock und rief lechzend nach Wasser. Allein die ausgesandten Boten kehrten wieder, ohne dem erkrankten Kaiser den ersehnten Labetrunk reichen zu können. Da flog plötzlich eine wilde Taube aus dichtem Gesträuch in die Höhe, man folgte sogleich ihrer Spur, und die reinste Quelle floß aus dem Gestein. In gierigen Zügen trank Karl von dem Wasser, das Fieber verließ ihn, neugestärkt bestieg er sein Roß, hob seine Hände dankend zur himmlischen Jungfrau empor und gelobte, an der rettenden Quelle ein Kloster zu stiften, und es der Verehrung Mariens zu widmen. So entstand das Stift Feuchtwangen und die Stadt gleichen Namens. Bei der Reparatur der Stiftskirche 1572 fand man einen versteinerten Fichtenstock, auf dem einst der schmachtende Kaiser saß. Unweit des Dechanthofes ist der Brunnen, mit Quadersteinen gefaßt, noch jetzt zu sehen und wird das »Taubenbrünnlein« genannt. Auch werden auf dem Petzenberge noch Grundmauern eines alten, grabenumzogenen Jagdschlosses Karls des Großen angetroffen.

25. Der Altmühlfluß und die Fossa Carolina.

Nach Aventin, Chron. Ursp., Falkenstein in Verh. des hist. V.f.O.u.R. 1838, 2. u. 3. H. S. 332.

Der heilige Willibald nennt die Altmühl in seinem Schreiben an den Papst einen heiligen Fluß, und Wägemann schreibt: Die Altmühl, Alchmona, war vor Alters ein heiliger Fluß. Die Altmühl ist auch aus den Zeiten Karls des Großen berühmt. Dieser wollte die Donau mit dem Rhein verbinden und diese Verbindung sollte durch die Altmühl und Rezat bewerkstelligt werden. Es wurde mit vielen Arbeitern der Anfang gemacht, allein stark eingefallenes Regenwetter und sumpfiges Erdreich sollen die Ausführung verhindert haben. Aventin gibt noch eine andere Ursache an. Es sollen sich nämlich wunderliche Dinge während der Arbeit zugetragen haben; ganze Haufen Getreidkörner wurden auf den Feldern gefunden, und wenn das Vieh davon genoß, so starb es augenblicklich. Das daraus gemachte Mehl verschwand unter den Händen; zur Nachtszeit wurden die Arbeiter durch Gespenster erschreckt; man hörte schreien und lärmen und schreckliches Geräusch, wie wenn das wüthende Heer im Anzug wäre und Alles zu Grunde gehen wollte. In der Nähe von Weissenburg am Sand sieht man noch die Spuren des Unternehmens.

26. Heidenschlacht Karls des Großen vor Regensburg.

Aus einem Lobgedicht von Hans Sachs in Verh. des hist. V.v.O.u.R. 1845, Bd. IX., S. 5. Arnpekh chron. l. II. c. 2. ap. Pez thes. anecd. T. III. Merian top. Bav. S. 55. u.A.

Kayser Carl der Groß genannt,

Der führt ein Krieg mit Taffilo, Ein Herzog nennt Bayern also; Ihm das ganz Bayerland einnahm. Nachdem er auch für Regenspurg kam, Thät mit den Hunnen ein Feldschlacht, Ein große Summa der Feind umbracht, Die von dem Kayser wurden erschlagen, Auf's Kaysers Seiten auch etlich lagen, Die man herrlich begraben hat Zu St. Peters-Kirch vor der Stat. Zu der Zeit Kayser Carl bezwungen, In der Stadt Regenspurg alt und Jungen, Daß sie den christlichen Glauben annahmen; Ließen sich tauffen allesammen.

Dieser Sieg Karls des Großen über die Heiden vor Regensburg soll in der Gegend, wo das alte Schottenklösterlein Weihsanktpeter gestanden ist, errungen worden sein. Da wo gegenwärtig die gothische Gelübdsäule auf der sogenannten »Predig« sich erhebt, soll während des ungleichen Kampfes ein Engel dem Kaiser das Schwert überreicht, und hier und um die ganze südliche Seite der Stadt sollen 30000 christliche Ritter den Tod im Kampfe gegen die unzählbaren Heiden gefunden haben. Nach gewonnener Schlacht ließ der Kaiser die Leiber der in der ersten und zweiten Schlacht gefallenen Christen in einer großen Grube sammeln und über sie einen Hügel errichten, den man nachmals den Siegberg (collis victoriae) nannte.

27. Des Gotteshauses Metten Ursprung.

Adlzreiter P. I. l. 9. p. 198 u. Brunner P. II. l. 1. p. 20.

Ein frommer Hirte zu Michaelbuch, Gamelbert mit Namen, fand einst, unter einem Baume erwachend, ein Buch auf seinem Herzen, und nachdem er darin heiligen Unterricht gefunden, wurde er Priester und weidete die geistliche Heerde. Er pilgerte später nach Rom und taufte unterwegs einen Uto, der, als er herangewachsen, zu ihm kam und von ihm zum geistlichen Hirten geweiht wurde. Später ging der fromme Uto über die Donau, und diente Gott als Einsiedler an einer Quelle im Walde, die noch heute der Utosbrunnen heißt. Dort traf ihn Kaiser Karl der Große, der sich auf der Jagd in jene Gegend verirrt hatte, als er so eben von der Arbeit ausruhte und sein Beil an einem Sonnenstrahl in der Luft aufgehängt hatte. Staunend sah der Kaiser das Wunder und nahte sich dem heiligen Einsiedler gar ehrerbietig. Da fiel ihm dieser zu Füßen mit der Bitte, an dem Orte ein Gotteshaus zu errichten. Also erbaute Karl Kirche und Kloster zu Metten, und ernannte Uto zum ersten Vorsteher daselbst im Jahre des Heils 801, wie Hund berichtet.

28. Der Hahnenkampf zu Kempten.

Von A. Schöppner. – Nach Crusius ann. Suev. dod. I. p. 330 bei Grimm deutsche Sagen II., 104. Hormayr a.a.O. S. 20: »Noch zur Zeit der Reformation stellten die lateinischen Schüler zu S. Mang den Hahnenschlag oder Hahnenkampf dar, der einst dem schwachen Ludwig den Vorzug über seine Brüder gegönnt.«

Der Kaiser Karol saß mit seinem EhgemahlZu Kempten auf der Burg vergnügt im Speisesaal.

Sie sahn in guter Ruh mit wonnerfülltem HerzenDer Prinzen frohes Spiel und jugendliches Scherzen.

Da trat des Spielens satt der älteste, PipinMit diesem Worte schnell zu Hildegardis hin:

Sag' Mutter: »kommt einmal der Vater in den Himmel:Nicht wahr, als König sitz ich dann auf seinem Schimmel?«

Da sprang der Bruder Karl sogleich herfür und sprach:»Auch ich will König sein, ich geh nicht hintennach!«

Zuletzt kam Ludewig, der jüngste von den Knaben:»Nicht wahr, lieb Mütterchen, die Krone werd' ich haben?«

Da sprach Frau Hildegard: »Ei Kinder, hört mich an:Ein jedes geht hinaus und holt sich einen Hahn;

Die kämpfen dann für euch und wessen Hahn der Meister:Des Frankenreiches Herr und deutscher König heißt er!«

Die Knaben hatten bald die Hähne bei der Hand,Im Augenblicke war der heiße Kampf entbrannt.

Vergebens wehrten sich Pipins und Karols Krieger,Am Ende blieb der Hahn des kleinen Ludwig Sieger.

Und der als König so zu Kempten ging davon,Bestieg als König auch des Frankenreiches Thron.

29. Hildegardis und Taland.

Von F.A. Schulze – Nach Annal. campid., Nic. Frischlin Comoedia: Hildegardis magna, Vincent. bellov. spec. hist. VII., c. 90-92 und dem Gedicht: Crescentia, bei Grimm d. Sagen II., 102. Hormayr goldene Chronik von Hohenschwangau S. 20: »bis in die Tage der Reformation führten die Kinder der Sanct Hildengardenschule beim Münster zu Kempten um Fastnacht das Spiel von der frommen Königin auf.«

Der große Karl, er saß einmal Zu Worms in seines Thrones Saal, Und zwischen Grafen und Herren stand Dicht vor dem Throne Herr Taland.

»Herr Taland, lieber Bruder mein, Ich muß in's Sachsenreich hinein, Muß dort das heil'ge Kreuz zu rächen, Der falschen Götter Altar zerbrechen.

Und bis ich solches Werk beend't, Führt Ihr allhier das Regiment, Damit – Gott gebe das in Gnade! – Kein Unheil meinen Landen schade.

Daneben seid mit guter Wacht Auf mein Gemahl und Kind bedacht! Denn diese Lieben sind mir eben

Das beste Theil von meinem Leben.«

Als Hildegardis nun von fern Fortziehn sah den Gemahl und Herrn, Und fast ihr Aug' in Thränen brach, Trat zu ihr Herr Taland und sprach:

»O Dame, wie ich keine sah, Was geht mir dein Geschick so nah! Drum sage, was zu dieser Frist Ein Trost in deinen Nöthen ist?

Ich schafft' ihn dir, auch noch so fern, Und wär's vom Firmament ein Stern, Und wär's mein armes Leben gar, Ob deiner Ruh' gäb' ich's fürwahr!«

»Was hätte mit dem Leben dein, Herr Taland, wohl mein Trost gemein? Mein einz'ger Trost, mein einz'ger Stern Zog fort mit dem Gemahl und Herrn.«

Als sie nun immer nicht vergißt, Daß der Gemahl beim Feinde ist, Und Herr Taland mit List und Mühn Sie strebet von ihm abzuziehn;

Als nun die Frau so tugendlich Herr Taland überall beschlich, Und ihres Herzens fromme Huld Verkehren wollt' in arge Schuld:

Da lud die Treue ihn zum Schein In ein geheim Kloset hinein, Entschlüpfte drauf und hielt den Bangen An diesem dunkeln Ort gefangen.

Doch kaum erschallt der Kunde Ton: Der Sieger kehrt nach seinem Thron! So läßt, in Freude mild und groß, Die Königin den Armen los.

Und als er so der Haft entrann, Und drauf das freie Feld gewann Eilt unter wilden Herzensschlägen Er dem verrathnen Karl entgegen.

»Mein Herr und König, ach verzeiht, Wenn ich statt Wonn' Euch bringe Leid, Wenn jetzt das Unheil aus meinem Munde Vergiftet des Sieges süße Kunde.«

»So sprecht, Herr Taland, doch sogleich, Welch' Unfall traf mein armes Reich, Oder wohl gar mein liebes Gemahl, Oder mein Kind, oder alle zumal?«

»Nicht Reich und Kind! zu dieser Stund Ist beides, Herr! stark und gesund, Aber, o dürft ich doch nimmer sprechen Von dem verruchten, schwarzen Verbrechen!«

Schon wacht des Königs ganzer Grimm: »Sprich, Unglücksbote!« zürnt er ihm, Und was auch Taland's Gewissen sagt, Die schuldlose Gattin wird verklagt:

Sie habe verletzt der Treue Band, Gesündigt frech an König und Land, Und daß kein Hüter ihr Aug' bewache, Verschlossen Herrn Taland im finstern Gemache.

Und Karl befiehlt, im Zorn entbrannt: »Die Buhlerin, sie sei verbannt! Und daß ihr Blick ferner dem Frevel nicht tauge So raubt auf immer das Licht ihrem Auge!«

Wie drauf Herr Karl auf seinem Schloß Erscheint, da ist die Lust nicht groß, Denn Hildegardis' Mißgeschick Betrübet jeden guten Blick;

Noch fühlen All' ihr herbes Leiden, Als sie vom Kinde mußte scheiden, Und durch den Spruch, den Karl gefällt, Hinausziehn in die fremde Welt. –

Inzwischen wankt in düsterm Sinn Die tiefgebeugte Königin, Das Herz beim Kind und beim Gemahl, Der Gränze zu und neuer Qual.

Die niedern Knechte, ihr Geleit, Gedenken jetzt in Traurigkeit Zum Erstenmal, daß um zu enden, Sie ihr die Augen sollen blenden.

»O Gott,« ruft ihre Dienerin, »So richtest du die Tugend hin!« Doch jene zürnt: »Mit Gott kein Rechten!« Und wendet mild sich zu den Knechten:

»So nehmet dieses Auges Licht! Seitdem das Liebste mir gebricht, Erregt die Erde mir nur Schmerzen, Den Himmel schau' ich mit dem Herzen!«

Allein das Auge, wie verklärt, Das nach den Knechten hin sich kehrt, Macht, daß das Herz der Harten zagt, Und Keiner sie zu blenden wagt.

»Lebt wohl, Frau Königin! wir gehn, Mag auch, was will, mit uns geschehn! Das hohe Licht des Himmels spricht Aus Euerm Blick, die Erde nicht.«

»Sieh Gottes wundervolle Hand!« Ruft sie, zur Dienerin gewandt, Und nimmt vereint mit ihr den Pfad Gen Rom nun hin, der heil'gen Stadt.

Doch Karl'n dem König fehlt die Ruh Und Herrn Talanden auch dazu; Ja dieser Arge büßt den Schein Der Augen nun von selber ein.

Umsonst ist aller Aerzte Fleiß – Da zieht er, wie auf Gott's Geheiß, Zu baden sich im Segensstrom, Mit seinem Bruder Karl gen Rom.

Und siehe da, kaum sind sie hier, Da tritt die hohe Frau herfür, Berührt den Blinden, und sogleich Umfängt ihn neu des Lichtes Reich.

Und vor ihr nieder sinkt Taland, Und spricht: »So hat's der Herr gewandt!« Bekennt freiwillig jede Schuld Und fleht um Hildegardis' Huld.

»Das gilt dein Leben, arger Knecht!« Ruft Karl; doch Gnad' ergeht für Recht, Auf Hildegardis' frommes Flehn Darf er nur aus dem Reiche gehn.

Drauf durch des heil'gen Vaters Mund Fleußt neuer Segen auf den Bund Des hohen Paars, zu Gottes Ehr'; Den scheidet forthin Keiner mehr.

Und zum Gedächtniß der Geschicht

Hat Hildegardis aufgericht Ein Kloster, welches, hoch erhöht, Zu Kempten diesen Tag noch steht.

30. Wie Sancimon und Celebrand das Kloster zu Kempten gebauet.

P.F. Hueber Unsterbl. Gedächtniß etc. der Helden von Thaurn, Andechs und Hohenwarth. Ingolstadt 1670. S. 190. Brusch chron. p. 98.

Der erste Stein des fürstlichen Klosters Kempten ist von Rolando, so dazumal aus den Franzosen der stärkste soll gewesen sein, im Beisein vieler Fürsten und Herren mit großer Majestät gelegt worden. Zu Verfertigung des ganzen Gebäues aber hat Hildegardis zween an Größe und Stärke unvergleichliche Riesen gebraucht, Sancimon und Celebrand mit Namen, welche so viel Stein und Mörtel alltäglich herzugetragen haben, als sechzehn gemeine Taglöhner hätten ausrichten können; waren aber dabei dermaßen gefräßige Leut, daß sich Jedermann mit Lachen über sie verwundert, da sie wie andere Herkules ganze Ochsen hinweggefressen. Einer derselben, Celebrand, ist nach dem Tode der Stifterin nach Welschland gekommen, Sancimon aber zu Kempten gestorben und mitten in des Klosters Kirche begraben worden.

31. Heinrich Findelkind von Kempten.

Nach dem Volksbuch: Historisches Schatzkästlein für Bayern. München 1832. I., S. 21. Vgl. Hormayr goldene Chronik S. 128.

Der Mayr von Kempten, von seinem Abte geliebt, und durch diese Gunst, durch rastlosen Fleiß und Segen von Oben bereichert, hatte neun Söhne. Dazu wurde ihm ein zehnter Knabe bei Nachtszeit vor die Thüre seines Hauses gelegt. Die Hausfrau und Ehewirthin murrte: es seien der Kinder ohnehin schon genug. Aber der Hausherr erbarmte sich des armen Wurmes, seiner schönen Gestalt und rührenden Unschuld, und so hatte er nun zehn Kinder und zog sie alle glücklich auf. Aber er hatte Bürgschaft gethan für einen Freund, dem war das Glück untreu. Betrüger brachten ihn um einen großen Theil des Seinigen. Meeresstürme begruben mehrere seiner Schiffe in den Abgrund. – »Bürger muß man würgen,« – sagt ein altes, aber nicht gutes Sprichwort, und so erging es auch dem armen Mayr von Kempten. Er verdarb gänzlich. Mit sich und der Welt zerfallen, wurde der fröhliche Mann ein Menschenfeind und selbst den eigenen Kindern abhold. Er schlug sie und trieb sie aus dem Hause, daß sie dienten und ihm aus dem Brod kamen. Der zehnte, der arme Heinrich Findelkind, war am schlimmsten daran. Aber er lief doch lieber in die unbekannte große, weite Welt hinaus, als daß er sich zu Hause todtschlagen ließ. Da fanden an der Heerstraße zwei Priester, die nach Rom zogen, den weinenden Knaben, trösteten ihn, gaben ihm Brod; mit ihnen ging er über den Arlberg. Drüben wohnte ein rauher und streitbarer, aber frommer Ritter. Man hieß ihn nur den Jackl über Rhein. Der gab den Priestern reichlich Almosen und fragte: »Wo wollt Ihr mit dem Knaben hin?« Sie erwiederten: »Er ist zu uns gelaufen auf dem Feld.« Darauf der Ritter: »Laßt ihn mir, daß er meine Schweine hüte.« Die Priester antworteten: »Er kann thun, was er will,« und Heinrich Findelkind wurde Knecht und Schweinehirt beim Jackl über Rhein, erhielt des Jahrs zwei Gulden Lohn, ging fleißig jeden Sonntag mit dem Ritter in die Kirche und trug ihm das Schwert nach. Wie sie da, dem fernen Geläute nach, den Berg hinabsteigen, brachte man ihnen oft viele Leichen entgegen von unglücklichen Pilgern, die des Winters auf dem Arlberg in Schneegestöber oder unter Lawinen zu Grund gegangen. Raubvögel und Raben hatten ihnen die Augen ausgehackt, die Kehlen abgefressen, und sie auf mannigfache Weise verunstaltet. Das erbarmte den Heinrich Findelkind so sehr, daß er bitterlich weinte und ein heiliger Eifer in ihn drang, solches Unglück zu verhüten. In vollen zehn Jahren hatte er fünf Gulden in Allem ausgegeben und also noch fünfzehn Gulden übrig von seinem Verdienst mit dem Hirtenstab. Da trat er eines hohen Festtages vor die Kirchthüre mit dem

Ausrufe: Ob Jemand die fünfzehn Gulden nehmen wollte und damit einen Anfang machen auf dem Arlberge, daß die armen Pilger nicht also verdürben. Aber die Leute lachten vielmehr des thörichten Beginnens eines Betteljungen und Niemand wollte die erste Hand anlegen. Da rief Heinrich Findelkind von Kempten zu Gott dem Allmächtigen und zu St. Christoph dem starken Nothhelfer, und rettete gleich den ersten Winter sieben Menschen das Leben und ein paar Jahre darauf über fünfzig Menschen. Darauf stiftete er eine eigene Bruderschaft St. Christophs auf dem Arlberg, und zog für diese edle Bruderschaft bettelnd durch alle Länder und erhielt reiche Gaben. Die Kirchenfürsten von Salzburg, Chiemsee, Freising, Passau, Regensburg, Augsburg und Würzburg gaben ihm reichen Ablaß. Das Bruderschaftsbuch nennt unter den vorzüglichsten Wohlthätern der Stiftung unter andern auch die Landgrafen von Leuchtenberg und Grafen von Montfort und Ortenburg und viele andere Ritter. Herzog Leopold der Stolze von Oesterreich bezeigte im Dezember 1386, nachdem im Juli vorher sein Vater bei Sempach wider die verachteten und verspotteten Schweizerbauern mit dem Kern seines stolzen Adels gefallen, es sei der arme Knecht Heinrich von Kempten, in seiner Jugend ein Findelkind, mit großer Andacht und Begierde vor ihn gekommen, daß er wollte gern ein Haus bauen auf dem Arlberg und in dieser Wildniß wohnen und sitzen, vorzüglich damit die armen Pilger und Kaufleute nicht ferner so elend zu Grunde gingen. Es seien ja viel gute Dinge angefangen worden von einfältigen Leuten. Darum befehle er allen seinen Hauptleuten und Richtern, ihn dabei zu schützen und zu schirmen. Des armen Hirtenknaben und Findelkindes von Kempten edles Werk begann und bestand durch mehrere Jahrhunderte. Es erhielt Tausenden das Leben und sicherte einen für den Handel wichtigen Straßenzug.

32. Sankt Mang, des Allgäu's Apostel.

P. Braun Gesch. v. Bisch. v. Augsburg, I., 90. Hormayr goldene Chronik von Hohenschwangau, S. 19. Tafrathshofer der h. Magnus, Apostel des Allgäu's. Kempten 1842. Augsb. Unterhaltungsbl. 1843, S. 169.

Es geht die Sage, daß Sankt Mang, der Apostel des Allgäu's, vorerst in das Pfrontner Thal gekommen sei, und er habe anfangs am Breitenberg und auf dem Roßberg sich aufgehalten. Jetzt noch heißt ein Brunnen der Mangenbrunnen, der auf dem Berge droben entspringt; man sieht ihn aber nur acht Tage vor bis acht Tage nach Sankt Mangenfest, wie eine glitzernde Fahne, die zur Feier ausgesteckt wird. Weiter zeigt man auf dem Roßberg den Mangenacker, und weiter unten den Mangensitz, wo er gerastet hat. Darauf aber ist der Heilige hinübergezogen gegen Füssen, zuerst an den Aletsee, wo noch die Sankt Mangenalpe ist, und dann nach Julienbach, welches jetzt Faulenbach heißt; und endlich ist er mit Gottes Hülfe hinüber geschritten über die Klamm des Lechs, an der »Lusalten«, wo noch im Felsgrund Sankt Mangentritt zu sehen ist bis auf den heutigen Tag.

33. Sankt Mang zu Kempten und Roßhaupten.

Die vor. Schriften.

Magnus, der Apostel des Allgäus, kam auf seiner Wanderschaft mit Thosso nach Kempten. Dort hatten sich seit geraumer Zeit die Bewohner vor schrecklichen Drachen und Schlangen geflüchtet, welche ihrer statt die Häuser bewohnten. Magnus erkannte darin einen Wink des Himmels, die Heiden durch wunderbare Hilfe für den wahren Gott zu gewinnen. So geschah es eines Tages, als Magnus und sein Gefährte betend für das Volk auf den Knieen lagen, daß ein ungeheurer Drache aus dem Gemäuer hervorbrach. Der heilige Magnus befiehlt ihm im Namen Jesu Christi, des lebendigen Gottes, sich vor ihm zu beugen, und schlug ihm mit dem Stabe des heiligen Gallus auf den Kopf. Augenblicklich stürzte das Unthier todt vor ihm nieder, und auch alles übrige Gewürm und Ungeziefer verschwand. So hauste auch in der Gegend, wo jetzt das Pfarrdorf Roßhaupten liegt, in tiefer Schlucht ein scheußlicher Lindwurm, der Menschen und Vieh erwürgte. Die Sage erzählt, derselbe habe besonders Pferden nachgestellt und in seiner Höhle einen ganzen Berg von Roßhäuptern

angelegt, woher denn nachmals dem Dorfe der Name Roßhaupten. Der heilige Magnus kam dahin, ging, mit einem Kreuze auf der Brust, seinen Stab in der einen und einen Pechkranz in der andern Hand, auf den Lindwurm los, und schleuderte ihm unter Anrufung Gottes den Pechkranz in den Rachen. Das Unthier zerbarst vor seinen Füßen, der Heilige aber dankte Gott auf den Knien für die wundervolle That.

34. Sankt Mang und die Bären.

Ermenr. u. Theodor. Vit. S. Magni bei Falkenstein Antiqq. Nordg. I., 227, (e).

Der heilige Magnus war einmal auf Befehl seines Meisters Columban in den Wald gegangen, um Aepfel zu holen, als sich ein Bär vor ihm dort eingefunden hatte und in gleicher Verrichtung dort beschäftiget war. Sankt Mang befahl ihm, er solle mit Aepfelauflesen inne halten, bis er zuvor für sich gesammelt habe, welchem Befehl der Bär auch zur Stelle nachgekommen. Demselben Gottesmann sind die Bären wie Lämmer, zahm und sanftmüthig nachgefolgt, auch zu Dienst und Befehl gewesen, wie Theodorus im Leben des heiligen Magnus umständlicher berichtet.

35. Der Mangensprung bei Füssen.

Von? – Bei Füssen bildet der Lech einen Durchbruch durch steile Felsen; das ist der Mangensprung. A.C. Cammerer Naturwunder S. 123.

Wer immer heut' nach Füssen kommt, Der sieht den Mangenstab; Er betet, was dem Herzen frommt, Und fragt nach Magnus Grab.

Drauf weiß wohl Keiner ihm Bescheid, Weil keines nah und fern, Doch gibt man Jedem das Geleit Zum Mangen-Sprunge gern.

Da ist ein harter Felsenstein, Ganz nah' am wilden Fluß, Ein Tritt gar tief gegraben ein, Er ist von Magnus Fuß.

Von da herüber sprang Sankt Mang Zum nächsten Schroffen hin, Wo er mit wilden Mächten rang, Die zitterten vor ihm.

Und staunend sieht der Wandersmann Den Tritt und weiten Sprung, Und glaubt, daß Heilige gethan, Was Keinem sonst gelung.

Und glaubt, daß Glaube stärker ist, Als jeder Marmelstein, Daß frommer Eifer schneller ist, Als jedes Vögelein.

Und kommt auch mancher Jungherr hin, Und mißt den großen Tritt, Und ist zu weit nach seinem Sinn Von Fels zu Fels der Schritt:

So spricht der Führer artiglich Zu ihm an seiner Seit': »Wohlweiser Mann, du irrest dich, Dein Messen fehlet weit,

Der Mann, der solches hat gethan War eine Kraftnatur; Bemiß doch nicht den großen Mann Nach deiner Zwergstatur!«

36. Das Kirchlein des Auerbergs.

Mündlich.

An der Nordgrenze des Landgerichts Füssen im schwäbischen Allgäu, liegt der Auerberg mit einem dem heiligen Georg geweihten, von dem umwohnenden Volke häufig besuchten Kirchlein, von dessen Erbauung sich im Munde des Volkes eine Sage erhalten hat. In grauer Vorzeit kam ein gewaltiger Rittersmann in diese Gegend. Er saß milden Anblicks auf einem blendend weißen Rosse, mit Purpur angethan, einen silberstrahlenden Helm auf dem Haupte. Man sah ihn niemals, nach Anderer Art, von wildem Trosse gefolgt, den Edelhirsch und den Eber jagen, auch hörte man nichts von Schmausen und Gelagen auf seinem Schlosse. Nur mit den Drachen und grausen Unthieren, welche das Land bedrängten, lag er in Fehde, und wo es eine Unschuld zu retten oder zu schirmen gab, da war er männiglich bereitet. Es ward überhaupt nichts Edles und Gutes gethan, was er nicht aus allen Kräften beförderte. Damals gedachten die Bewohner jener Gegend auf der Höhe des Auerberges eine Kirche zu bauen. Sie begannen das Werk, allein es ging wider Erwarten langsam von Statten, weil das Herbeischaffen der Steine auf den Berg gar beschwerlich war. Da flehten sie inbrünstig zu Gott um Förderung und Segen ihres Beginnens, und siehe da, von selbem Augenblicke an gedieh der Bau auf wunderbare Weise. Denn Gott hatte ihnen einen wackern Helfer geschickt, das war kein Anderer, als jener treffliche Rittersmann, welcher mit den Ungeheuern und Drachen Krieg führte. Dieser arbeitete Nachts, während die Leute ruhten, an dem Bau der Kirche, schleppte auf seinen gewaltigen Schultern Steine herbei und fügte sie mit kunstreicher Hand aufeinander. In wenigen Tagen stand die Kirche vollendet da, also daß man ob des wunderbaren Anblickes kaum seinen Augen trauen mochte. Mit der Vollendung des Werkes war aber auch der wackere Bauhelfer verschwunden, und Nichts als die Erinnerung ist dem Volke geblieben, daß es der heilige Rittersmann – Georg gewesen.

37. Der Schatz am Kienberg.

Augsb. Unterhaltungsblatt, 1843. N. 43, S. 169.

Bei Pfronten, am Fuße des Kienbergs, wo man in das Achthal hineingeht, liegen großmächtige Felsstücke, darunter ein Schatz verborgen ist. Es haben nämlich zur Schwedenzeit die geistlichen Herren umher sich dahin gerettet und ihr Zeug geflüchtet, als: eine Kiste voll Geld, eine Kiste voll Leinwand und eine Kiste voll »digenem« (geräuchertem) Fleisch. Darauf ist aber die Pest gekommen, daran sie alle gestorben sind; und so liegen denn die Schätze alle noch unter den Felsblöcken. Aber der muß noch gefunden werden, der sie heben könnte.

38. Die wilden Männer.

Die vor. Schrift a.a.O.

In den Engen des Achthals bei Pfronten haben ehedem viele »wilde Männer« gehauset, wie alle Leute noch erzählen. So ist einer auf dem Bärenmoos gewesen, ein gar arglistiger Geist. Man sagt, er habe zu seinen Lebzeiten mit einem seiner Freunde einen Handel gehabt wegen einer Wiese, und habe deßhalb einen falschen Eid geschworen. Nach seinem Tode nun, da er noch keine Ruhe gegeben und besonders seine Freunde aus Haß und Neid verfolgt habe, sei er durch geistliche Mittel in's Bärenmoos hinaus verbannt worden. Seit der Zeit blieb zu Nachts kein Mensch mehr dort in der Nähe, und man trieb sogar das Vieh hinweg, damit demselben der Geist nicht schaden könne. – So hat auch der Schaidbachmann viel Uebels gestiftet, wo ihm ein Mensch ist in die Nähe gekommen, der kein gutes Gewissen gehabt hat. Höret nur eine Geschichte: Eines Tages gehen mehrere »Buben« in's Holz auf den Schaidbach. Spät Abends, als sie nun zusammen kommen in einer Heuhütte, um da zu übernachten, hören sie auf einmal »Juche!« schreien. Die »Buben«, wie sie eben sind, antworteten sogleich mit einem »Juchezer«. Da aber rappelt's plötzlich über ihren Köpfen, als wenn ein Haufen Steine über das Dach ausgeschüttet würde. Jetzt sind die drinnen in der Hütte freilich nicht wenig erschrocken und haben kein Wörtlein gesagt, sondern sind mäusleinstill geblieben. Da ruft der wilde Mann von außen: »Gebt mir nur ein Härlein heraus von eurem Haar, so habe ich euch sammt und sonders.« Ihr könnt denken, daß sie das wohl haben bleiben lassen. So ist er denn wieder ruhig geworden. Seit vielen, vielen Jahren aber hört man nichts mehr von diesen und andern wilden Männern, denn, wie man sagt, so hat sie der Papst Pius VI. »verbetet«, als er in den achtziger Jahren in diese Gegend gekommen; andere aber sagen, es habe sie Kaiser Joseph II. auf immer gebannt.

39. Das Aelplein bei Wertach.

Von Karl Fernau.

Zu Wertach nah bei Hindelang Lebt einstmal unter Sing und Sang Und manchem Weltentand ergeben Herr Bach ein lustig Pfarrerleben. Es war ein Männlein, schlau, verdreht, Und wie es leider manchmal geht, Obwohl zum Streiter auserkoren, Zum Heil der Kirche nicht geboren, Leicht glitt er über alles hin Und nahm es kurz nach seinem Sinn.

Nun hört: ein Aelplein war gelegen Auf hohem Berg, ein Weide-Segen, Voll Gras und Saft und Blumenduft, Recht in der freien Gottesluft, Doch mühten sich in altem Streite Drum Hindelang und Wertach beide, Mit Zeugen und mit Dokumenten War dieser Zank gar nicht zu enden.

Da fiel zuletzt es Einem ein: Weil Ende muß bei Allem sein, So soll's zum Schiedsspruch kommen! – Bach Stand eben unter seinem Dach,

Als eine Schaar von Freund' und Feinden Der eifersüchtigen Gemeinden Zum Pfarrdechanten eilend kam Und ihn zum Friedensrichter nahm. Da waren sie am rechten Orte; Denn alsogleich sprach er die Worte:

»Ich will nach Glaub' und Wissen schalten, Zu keiner der Parteien halten –« Indessen lächelt er gar fein, Denn schnell fiel eine List ihm ein. Schon freut' er sich, ein weltklug Männlein, Im Geist der abgefallnen Spänlein, Womit er seine Pfründ' und Pfarr' Gesonnen zu bereichern war.

An Ort und Stell' der fetten Weiden Wollt er den langen Zwist entscheiden; Und als der Tag kam, den er wählte, Auf den er die Partei'n bestellte, Da hielt ein Jeder Arbeitsrast, Und eilte hoffend und in Hast Herbei, hinan den Bergeshang, Ganz Wertach und ganz Hindelang. Die Sonn' erheiterte die Herzen, Vergessen wurden manche Schmerzen; Denn auf der freien Gotteshöh' Vergißt der Mensch so gern sein Weh.

Und nun Herr Bach? Den Spruch zu sprechen Macht ihm wohl großes Kopfzerbrechen? – Nicht doch! o, der geübte Mann Der griff sein Ding viel leichter an. Zerhau'n den Knoten! Alexandern Gleich auf das Aelplein hinzuwandern, Dacht' er im Geist: kaum konnt' er warten, Ging schon beim Frühroth in den Garten, Und nahm vom Brünnlein, das dort fließt, Den Schöpfer, draus man Wasser gießt, Und stellt ihn keck und wohlgemuth Ueber dem Haupt in seinen Hut. Drauf von dem Boden, wo er stand', Faßt' er den feinsten Gartensand Und streut' ihn sorgsam und verstohlen Inwendig auf der Schuhe Sohlen, Und stieg zu Pferd! O Doktor Bach, Das geht gewiß dem Rechte nach!

Versammelt standen sie schon all', Als Bach heraufritt durch das Thal; Er stieg gar froh von seinem Pferde,

Fest trat er auf des Aelpleins Erde; Und da er in der Mitte stand, – Die Augen Aller aufgespannt – Sprach er, der kleine Pfarrdechant: »Ihr Leute, habt mich kommen lassen: Seid ihr bereit, den Spruch zu fassen? Seid ihr bereit, ihn zu vollziehen?« – Ja! ward vom Bauernvolk geschrieen. – »So will ich nun auf euer Klagen Als Schiedsmann richten, thun und sagen, Was Rechtens ist und bleibt: hört ihr! So wahr ein Schöpfer über mir, Steh' ich auf Wertach-Boden hier.« Das konnt' er leicht sagen mit seinen Sohlen, Und mit dem Schöpfer zum Wasserholen!

Der Spruch gar Manchen schlimm verdroß! Des theuren Guts war Hind'lang los; Durch Doktor Bach nun war es klar, Bei wem das Recht auf's Aelplein war; Auf Erden ließ sich's nicht mehr nehmen; Die Andern mußten sich bequemen. – Doch der im Himmel oben ist, Der Herr vernahm des Dechants List, Befand die Weise arg und schlecht Und selbst das Urtheil ungerecht. Der Schöpfer ließ ihn nimmer ruh'n, Der Boden brannt' ihm in den Schuh'n; Und als Herr Bach in kurzer Zeit Gesegnet drauf die Endlichkeit, Sah man – so hört man Leute sagen, – Ihn oft zu Pferd um's Aelplein jagen, Im schwarzen Mäntlein, wie er war, Da er das Recht fand also klar. – Ein Kreuz steht auf den Felsenhöh'n, Wo einst das Aelplein grün und schön Im reichen Gottessegen lag; Es wurde kahl nach kurzem Tag.

40. Nehmet die Goggeler nicht mit.

Sage von Wiedemannsdorf, Landg. Immenstadt in Schwaben, mitgeth. von K.A. Böhaimb.

Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges flohen die Bewohner von Wiedemannsdorf, zur Pfarrei Thalkirchdorf gehörig, in die Bergschluchten, packten Alles auf, was lebte und schwebte, steckten die Hennen und Hähne in Säcke; da habe eine Dirne die andern Bewohner ermahnt: »nehmet die Hahnen nicht mit, sie könnten uns mit ihrem Krähen verrathen.« Daher besteht daselbst das Sprichwort: »nehmet die Goggeler nicht mit,« was nach dortiger Deutung heißt: schafft die Schwätzer bei Seite.

41. Die Isenbrechen.

Mitgeth. von A.v. Böhnen. – Isenbrechen (Eisenbreche) im Ostrachthal bei Hindelang. A.C. Cammerer Naturwunder, S. 40.

Unfern Hindelang im Allgäu, ist eine wilde Gebirgsschlucht, die Isenbrechen genannt. Dahin sind die verstorbenen Landammänner gebannt, welche im Leben ungerechtes Gericht gehalten. An Sonn- und Festtagen sieht man sie wohl auf den nahegelegenen Alpen auf- und abgehen in ihren rothsammtnen Wamsen und großen Perücken. Die schlimmsten aber aus ihnen sind zu ewiger Nacht verurtheilt und hausen, in scheußliche Kröten verwandelt, zwischen den Felsklüften, durch welche die Ostrach fließt. Männer, welche zur Triftzeit in die Schlucht hinabgelassen werden, um das angestauchte Holz weiter zu schaffen, haben sie oft bemerkt und ihre glotzenden Augen gesehen, die so groß sind, wie Salzbüchseln. Sie können aber Niemanden mehr ein Leid thun.

42. Schwank von Balderschwang.

Balderschwang, im Landg. Immenstadt im Allgäu. – Denkwürdigk. a. Bayern im Kal. für kath. Christen. Sulzbach 1851, S. 8.

Von den Balderschwangern gehen mancherlei Sagen und Geschichten im Land. So hat einmal eine gottesfürchtige Mutter ihr Söhnlein vermahnet, wie es vor jedem Krucifixe nicht nur das Käpplein abziehen, sondern auch, wo es gerade sein könnte, dasselbe andächtig küssen sollte. Das ließ sich der Sohn nicht zweimal gesagt sein, und ging mit guten Vorsätzen seines Weges. Da sah er von ungefähr auf dem Felde ein eisernes Ding, wie ein Krucifix, es war aber eine Mausfalle. Alsogleich entblößte das Büblein ehrerbietig sein Haupt und warf sich nieder, das Kreuzbild zu küssen. Aber wehe! Die Mausfalle schlägt zu und nimmt dem frommen Büblein die halbe Nase hinweg. Das hat sich aber dessen nicht allzusehr gegrämt, sondern nur verwundert ausgerufen: »O g'rechter Herrgott, wie g'schnell bist Du!«

43. Die »Haiden«1 zu Kettershausen.

Kettershausen unweit Babenhausen in Schwaben. – Augsb. Unterhaltungsbl. 1843. N. 43. S. 170.

Zu Kettershausen vor dem Ort liegt in einem Hohlweg des Wagners Haus. Vor Zeiten ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen, denn die »Haiden« haben in der Nähe gehauset in einem Berge, und sie kehrten oft beim Wagner ein und halfen der Wagnerin in ihrem Hauswesen. Zu Nachts, wenn die Wagnersleute geschlafen, sind sie insgeheim in's Haus gekommen, und haben Wasser getragen, die Stube ausgekehrt, den Stall gemistet. Und so ist es in allen Dingen gewesen. Dafür wußte aber auch die Wagnerin es drauf anzulegen, die »Haiden« bei gutem Muthe zu erhalten; denn alle Abende legte sie ein Brödlein unter die Thür, und stellte ein Krüglein mit Wasser dazu; und so oft etwas mehr zu thun war im Hauswesen, gab sie drei Brödlein und drei Krüglein, und man hat allezeit reinen Tisch gefunden. So ist es viele Jahre gewesen. Aber plötzlich sind sie ausgeblieben und nicht wieder gekommen; wahrscheinlich hat die Wagnerin das Ding ausgeschwätzt, und so etwas können sie nicht leiden, die »Haiden«, wie man dieß aus vielen andern Geschichten weiß.

Fußnoten

1 Wichtelmännchen.

44. Der betrogene Geiger.

Von A. Schöppner. – Sage von Blonnhofen, unweit Kaufbeuern in Schwaben. C.v. Falkenstein das Buch der Kaisersagen, Burg- und Klostermährchen. S. 123. Volksbüchlein von Auerbacher, II., 178.

Es zog einmal des Weges sacht Vom nahen Kirchweihschmaus

Ein Geigerlein um Mitternacht Gen Blonnhofen nach Haus.

Urplötzlich wird es lichterhell Und laut im finstern Wald, – Das schönste Wirthshaus steht zur Stell', Daraus der Lärmen schallt.

Ein Wirthshaus, das mein Geigerlein Sein Lebtag nicht gesehn, Was tuhn? Ein Musikantenbein Kann nicht vorübergehn.

»Ei! Ei! du lieber Fiedelmann, Du kommst uns eben recht, Nun fiedle wacker drauf und dran, Wir zahlen dir nicht schlecht.«

Da streicht auf seiner Violin' Mit Lust der Musikant; Für jedes Stückchen lohnet ihn Ein Goldstück auf die Hand.

So lärmte die Gesellschaft lang, Bis von dem nahen Ort Der Morgenglocke Ave klang, – Husch! war das Völkchen fort.

Und husch! mein armes Geigerlein Dort unter'm Galgen saß, Und zählte seine Goldstücklein – Glasscherben waren das.

45. Der Hüllenweber.

Auerbacher u. Falkenstein a.a.A.

Unter dem Galgen von Blonnhofen liegt ein Schatz. Eines Tages thaten sich vier Männer aus dem Ort zusammen, die wollten ihn heben; und als sie tief genug gegraben hatten, kamen sie auf den Schatz. Auf dem Schatz aber saß ein feuriger Hund, der sagte: »Eins, zwei, drei, vier; und einer gehört mir; und einer muß des Teufels sein, und soll's der Hüllenweber sein!« Der Hüllenweber erschrak, und sagte: »Gott will nit!« Und in dem Augenblick ist der Schatz verschwunden.

46. Die Schlacht auf dem Lechfeld.

Von Georg Rapp. – Um das geschichtliche Ereigniß hat sich die Sage eingefunden.

Es wimmelt schwarz vom Hügel, Durch Rauch und Brand einher, Die Flamme weht als Flügel Falb um das Ungarheer. Der Lech, er kommt gezogen

Voll Leichen, grimm und bleich, Die soll er niederwogen Dem Ungar in sein Reich.

O Augsburg, Augsburg, mitten In ihrem Schlachtenruf! Sie kommen angeritten, Sie traben Huf an Huf; Sie jagen Mähn' an Mähne, Nach deiner Pracht gewandt, Die Pfeile an der Sehne, Die Pfeile in der Hand.

Der Kaiser Otto kümmert Sich heut' zum erstenmal, Daß er im Stahle flimmert Hinaus zur Todeswahl. Verlierer und Bezwinger Hat er ein Leid zum Lohn: Der Räuberhorden Bringer Ist sein empörter Sohn.

Drum klagest du so bange, O alte Stadt, empor, Im tiefen Orgelklange Aus deinem Münsterchor. Nur Einer unverzaget Stellt sich noch ein für dich: Als Licht im Dunkel taget Dein Bischof Udalrich.

Er betet am Altare, Er ringt, der Gottesmann, Bis er von Gott erfahre, Was dich erretten kann. Dann hat er sich bewehret, Das Kruzifix gefaßt: »Jetzt hat er uns erhöret, Der einst am Kreuz erblaßt!«

Auf seinem weißen Zelter, In seiner Priestertracht, So trägt er den Vergelter Im Fluge nach der Schlacht. Und seine Diakone, Sie fliegen durch die Luft, Mit dem Posaunentone, Mit Fahn' und Weihrauchduft.

Da kommt der Herr geflossen In jede Brust mit Macht,

Da hat er sich ergossen Als Richter in der Schlacht; Die Arme seiner Streiter Mit seinem Arm berührt, Und weiter, immer weiter Sie in den Feind geführt.

Den haben sie gelichtet Und abgehauen gar, Er liegt umher geschichtet, Zum Fraß der Rabenschaar. Vor seines Sohnes Leiche Der Kaiser Otto steht, Da hoch aus seinem Reiche Der Siegesjubel weht.

47. Der Schuster zu Lauingen.

Nach Crusius, Zeiler, M.A. Pappenheim: Grimm d.S. II., 162.

Auf dem Hofthurm der Stadt Lauingen findet sich folgende Sage abgemalt. Zur Zeit, als die Heiden oder Hunnen bis nach Schwaben vorgedrungen waren, rückte ihnen der Kaiser mit seinem Heere entgegen und lagerte sich unweit der Donau zwischen Lauingen und dem Schloß Faimingen. Nach mehreren vergeblichen Anfällen von beiden Seiten kamen endlich Christen und Heiden überein, den Streit durch einen Zweikampf entscheiden zu lassen. Der Kaiser wählte den Marschall von Calatin (Pappenheim) zu seinem Kämpfer, der den Auftrag freudig übernahm und nachsann, wie er den Sieg gewiß erringen möchte. Indem trat ein unbekannter Mann zu ihm und sprach: »Was sinnst du? ich sage dir, daß du nicht für den Kaiser fechten sollst, sondern ein Schuster aus Henfwil (später Lauingen) ist dazu ausersehen.« Der Calatin versetzte: »Wer bist du? Wie dürfte ich die Ehre dieses Kampfes von mir ablehnen?« »Ich bin Georg, Christi Held,« sprach der Unbekannte, »und zum Wahrzeichen nimm meinen Däumling.« Mit diesen Worten zog er den Däumling von der Hand und gab ihn dem Marschall, welcher ungesäumt damit zum Kaiser ging und den ganzen Vorfall erzählte. Hierauf wurde beschlossen, daß der Schuster gegen den Heiden streiten sollte. Der Schuster übernahm es, und besiegte glücklich den Feind. Da gab ihm der Kaiser die Wahl von drei Gnaden sich eine auszubitten. Der Schuster bat erstens um eine Wiese in der Nähe von Lauingen, daß diese der Stadt als Gemeingut gegeben würde. Zweitens, daß die Stadt mit rothem Wachs siegeln dürfte, welches sonst keinem mittelbaren Ort verstattet war. Drittens, daß die Herren von Calatin eine Möhrin als Helmkleinod führen dürften. Alles wurde ihm bewilligt, und der Daumen St. Georgs sorgfältig von den Pappenheimern aufbewahrt, die eine Hälfte in Gold gefaßt zu Kaisheim, die andere zu Pappenheim.

48. Der Mohrenkopf im Lauinger Wappen.

Von Schöppner. – Variante der vor. Sage. S. das Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen etc. Augsburg 1849.

Ein Schuster war zu Lauingen, im Frieden flickt' er Schuh,Im Kriege schlug er ritterlich mit seiner Klinge zu.

Da kamen die Hungaren von Osten in das LandAuf ihren schnellen Rossen mit Morden und mit Brand.

Bei Augsburg auf dem Lechfeld geschah die große Schlacht,

Da hat der Kaiser Otto den Hunnen warm gemacht.

Da war auch unser Schuster von Lauingen dabei,Der schlug gar manchen Schädel auf einen Hieb entzwei.

Ein Goliath der Andre im Hunnenheer sich fand,Wohl mancher deutsche Degen erlag von seiner Hand.

Da kam der wackre Schuster von Lauingen daher:»Ei! lasset mich zusammen mit diesem alten Bär'.«

Nun ging ein scharfes Klingen der blanken Schwerter los,Es dröhnten Schild und Panzer von manchem harten Stoß.

Ein Hieb durchbrach den Schädel, er stürzt: Victoria!Da lag der große Esel in seinem Blute da.

Und lauter Jubel schallte durch's ganze deutsche Heer,Der Kaiser selber eilet auf seinem Roß daher.

Und eine goldne Kette, ein Mohrenkopf daran,Die hängt der deutsche Kaiser dem braven Schuster an.

Darnach beschloß zu Lauingen ein hochwolweiser Rath,Zu ehren eines Lauinger Schuhmachers Heldenthat:

»Es soll derselbe Mohrenkopf hinfort im Wappen stehn.«Und also ist zu selber Stund' in Lauingen gescheh'n.

49. Ursprung des Pferdemarktes zu München und Keferlohe.

Historisches Schatzkästlein f. Bayern. I., 18.

Als Kaiser Otto der Große mit den Hunnen auf dem Lechfelde stritt, neigte sich anfangs der Sieg auf die Seite der auf kleinen, windschnellen Rossen sich gar leicht bewegenden Feinde. Den Deutschen gebrach es an leichter Reiterei, daher sie plötzlich in große Fährlichkeit kamen, so daß der Kaiser selbst einen Augenblick den Tag verloren gab und ausrief: »Dawider vermögen Menschen nichts, da muß Gott helfen!« Um so größer war seine Freude, als er die Bayern mit ihren vielen und zahlreichen Pferden herankommen sah. Mehrere Anführer schlug er zu Rittern, ob sie gleich nur Bauernkittel trugen, auch soll er das Volksfest der Wettrennen, sowie den Münchner und Keferloher Pferdemarkt gestiftet haben. Zwei Hauptleute jenes Tages sollen eifersüchtige Nebenbuhler gewesen seyn. Niklas und Balthauser waren ihre Namen. Einer wollte es dem Andern bevorthun an Pracht der Waffen und der Rosse, des Hauses und des Kirchganges, der Knechte und Marställe. Der Wetteifer entartete in Neid und Haß. Zuletzt wollten sie einander nicht einmal mehr in der Kirche erblicken. Jeder baute sein eigenes, jener das Jakobs-, dieser das Niklaskirchlein. Ein dritter Nachbar auf der Georgenschwaige zu Milbertshofen, der Keferloher, ließ sich beiden zum Trotz einen Pflug von purem Silber machen aus der unermeßlichen ungarischen Beute. Er spannte die schönsten vier Pferde dran, und setzte den Silberpflug mit dem Viergespann in sein Wappenschild.

50. Vom heiligen Ulrich, dem Lechfeldhelden.

Sagen- und Geschichtsbuch von Burgau, Günzburg etc. (Von Mittermaier.) 1851. S. 129.

Die Geschichte erzählt, welchen Antheil der heilige Ulrich an dem Siege über die Hunnen auf dem Lechfelde nahm. Die Sage meldet Denkwürdiges aus seinem übrigen Leben. Dieser fromme Held, von edlem Stamm entsprossen, wohnte als Knabe auf dem Schlosse seines Vaters zu Wittislingen. Von hier aus besuchte er täglich das nahegelegene Dillingen. Manchmal verirrte er sich in dem Ried, Söfe genannt, und darum ließ seine Mutter Thietberga um neun Uhr ihm zum Zeichen regelmäßig ein Glöcklein läuten. An einem Herbstabende hatte er sich verspätet, und um auf dem von Regen erweichten Boden leichter fortzukommen, zog er einen Grenzpfahl aus und bediente sich dessen als Stütze, um über die Gräben zu kommen. Er wunderte sich, daß er heute die Glocke nicht höre, und zu gleicher Zeit fiel ihm ein, daß er sehr unrecht gethan, den Pfahl herauszuziehen, weßhalb er mühsam die Stelle, wo er selben genommen, suchte, und wieder befestigte. Und jetzt hörte er auch das Glöcklein, und kam in Kurzem im Schlosse an, wo Niemand geläutet haben wollte, denn es war schon Nachts zwei Uhr. Zur Erinnerung an die Begebenheit wurde fortan um zwei Uhr in der Nacht ein Zeichen mit der Glocke gegeben.

51. Der heilige Ulrich mit dem Fisch.

Berno vita S. Udalr. in M. Velser opp. p. 617. Khamm Hierarch. Aug. I., 130.

Einmal saß der heilige Ulrich in stiller Zelle des St. Afrastiftes zu Augsburg, vertieft in dem Lesen der heiligen Schriften. Da läutete es an der Pforte des Hauses, und Konrad, des Bischofs lieber Bruder von Konstanz, ward angemeldet. Freudigen Herzens umarmte ihn der Bischof, weil er ihn lange nicht gesehen, und unterhielt sich mit ihm in vertraulichen Gesprächen. Auch wurde ein mäßiges Mahl bereitet, den willkommenen Gast zu erfrischen. Während sie noch bei Tische saßen, kam ein Bote des Herzogs von Bayern, welcher ein Schreiben seines Herrn überbrachte. Der Bischof befahl, den Boten auf's beste zu bewirthen und ließ ihm, im Augenblicke nicht bedenkend, daß Fasttag war, gebratenes Fleisch vorsetzen. Der Bote ließ sich das schmecken, und nahm auch soviel davon mit auf die Reise, als er konnte. Unterwegs aber bedachte er, wie er den frommen Bischof von Augsburg in der guten Meinung und Achtung seines Herzogs herabsetzen sollte. Also begab er sich mit dem noch übrigen Stück von Braten an den Hof und zeigte es seinem gnädigen Herrn mit den Worten: »Sehet doch her, das sind die Fastenspeisen des frommen Ulrich zu Augsburg!« In dem Augenblick aber, da ihm das Wort entfahren hielt er keinen Braten, sondern einen gebratenen Fisch in Händen, also daß er selbst vor Bestürzung kaum seinen Augen traute. Der Herzog aber erkannte wohl das Gottesgericht, wodurch die Ehre des frommen Bischofs gerettet, die Schande des Verläumders aber aufgedeckt worden. Der Diener bereute es jedoch von Herzen, einen Heiligen Gottes gelästert zu haben, und bat den Herzog kniefällig um Verzeihung. Zum Angedenken an diese Begebenheit wurde der heilige Ulrich allezeit auf Bildwerken mit einem Fischlein in der Hand vorgestellt.

52. Was ein Vaterunser werth ist.

Von Theodor Holscher. – Mündlich, u. B. Mertel u. G. Winter Gesch., Sagen u. Leg. d. Bayerlandes I., 64.

Zu Augsburg an dem Palast des Bischofs steht ein Mann,Dem wird jedweden Mittag die Pforte aufgethan.Dann reicht der Küchenmeister auf seines Herrn GebotDem greisen Bettelmann ein reichlich Mittagbrod.Und dieser nassen Auges verzehret das Geschenk,Und betet drei Vaterunser des Gebers eingedenk.Einst drang manch trübe Mähre bis zu des Bischofs Ohr,Daß er darob den Frohsinn und alle Ruh verlor.

Er wandelte, um sich zu erheitern, hinaus in den duftigen Mai,Da führt ihn seine Straße an dem greisen Bettler vorbei.»Sieh da,« so sprach Sankt Ulrich, »wie geht es dir mein Gast?«»Wie immer, Euer Hochwürden,« sprach der Alte ernst und gefaßt.»Mir geht es nicht wie immer,« entgegnet Jener, »mir kamSo manche Kunde gestern, die alle Ruh mir nahm.Vergessen hast du sicher zu beten gestern für michDie heiligen Vater unser, doch speis ich täglich dich.«Der Bettler sprach: »o Vater, ich betete gestern nicht,Denn euer Küchenmeister der machte ein finster Gesicht,Als ich erschien, und murrte und wies mich von der Thür:Such' heut' dein Brod wo anders, heut' findest du nichts hier.«Und zornig kehrt der Bischof zurück in den Palast,Beschied vor sich zur Strafe den Küchenmeister in Hast,Und sprach: »Sieh' an, welch Elend und welches schwere KreuzDu über mich gehäufet durch deinen bösen Geiz!«Der Küchenmeister trotzig und allzudreist fragt frei,Ob an einem Vaterunser so viel gelegen sei.»Was?« ruft entrüstet der Bischof, »du fragst noch also kühn?Wohlan, du sollst mir nach Roma zum heiligen Vater ziehn,Den sollst du fragen, wie viel wohl ein Vaterunser sei werth.Und seine Antwort bringst du, dann sei dir Verzeihung gewährt.« –Und als er kommt nach Roma in vieler Pilger Chor,Geht er zum heiligen Vater und legt die Frag ihm vor:Wie viel ein Vaterunser an Gelde wohl sei werth?Der spricht: »ein Vaterunser eines güldnen Pfennigs ist werth.«Der Küchenmeister brachte Sankt Ulrich den Bescheid,Der fragt: »Der gülden Pfennig, wie breit ist er, wie breit?«So muß nach Roma wieder der Küchenmeister zurückUnd geht zum heil'gen Vater und fragt mit trübem Blick:»Wie breit ist der güldne Pfennig, der ein Vaterunser werth?«Der Papst versetzt: »er ist wohl so breit wie die ganze Erd.«Als das Sankt Ulrich hörte, sprach er mit ernstem Blick:»Doch kannst du mir auch sagen, der güldne Pfennig wie dick?«Da murrte der Küchenmeister, doch weil er es nicht wußt,Hat er zum dritten Male gen Roma wandern gemußt.Und als den Papst er fraget: der Pfennig von Golde reinAn Werth ein Vaterunser, wie dick der müsse sein?Da tönt's: »So weit der Himmel entfernt ist von der Erd,So dick sei der goldne Pfennig, der ein Vaterunser werth.Denn was der Mensch gewinnt, woran er labet den Muth,Ein andächtig Vaterunser ist besser als alles Gut.«Beschämet kehrt zum Bischof der Küchenmeister zurückUnd bringt ihm diese Antwort mit niedergeschlagenem Blick.Da sprach der heilige Ulrich und hub zu reden an:Nun siehe, solchen Schaden hast du mir angethan;Drum geh' und schätze künftig ein Vaterunser mehrUnd gieb dem Bettler wieder die Gabe zu Gottes Ehr,Daß er andächtig bete, so oft er das GeschenkGenießt, drei Vaterunser, des Gebers eingedenk.

53. Radiana zu Wellenburg.

Die Augsb. Geschichtschreiber Stengel, Kham, Gullmann u.A. – P. Braun Lebensgeschichten, S. 183. Fr. Loe maler. Skizze, S 20 v. Raiser Antiquar. Reise von Augusta nach Viaca, S. 34.

Ein Stündlein von Augsburg entfernt, liegt auf einer Anhöhe das alte Schloß Wellenburg1, vormals dem edlen Geschlechte der Portner gehörig. Dort lebte um das Jahr 1290 eine fromme Magd, Radiana oder Radegundis mit Namen. Nicht weit vom Schlosse an der Stelle, wo später die St. Radegundis-Kapelle stand, war ein Siechenkobel (Spital). Dahin richtete die fromme Jungfrau alltäglich ihre Schritte, sobald sie die Geschäfte ihres Dienstes abgethan hatte. Alles, was sie selbst am Munde ersparen konnte, Milch und Butter, Brod und Fleisch, trug sie den armen Kranken unbemerkt in ihrem Körblein zu. Dennoch wurde sie von arglistigen Augen beobachtet und bei ihrem Herrn des Diebstahls bezüchtiget. Also stellte sich dieser eines Tages auf die Lauer, die untreue Dienerin auf der That zu betreten. Nichts Böses ahnend, kam sie daher, ein Körblein am Arm, in welchem sie abermals das von ihrem Munde Ersparte den Kranken zutrug. »Wohin mit Deinem Korbe? wohin Du Treulose mit gestohlenem Gut?« so donnerte ihr das Wort des Gebieters entgegen. Betroffen erwiederte Radiana, sie trage nur Kamm und Bürste zur Reinigung der Kranken in ihrem Korbe. Zornerfüllt befiehlt ihr jener den Korb zu öffnen, mit Widerstreben und Zittern gehorcht Radiana. Doch siehe, was Lüge ersonnen, hat sich im Korbe wunderbar zugetragen. Anstatt des Brodes und der Butter sind nur Kamm und Bürste zu sehen. Zufrieden läßt der Herr die Geprüfte des Weges ziehen, allein diese sollte die Strafe der Lüge hart erstehen. Denn, als sie des Abends wieder nach Hause wandelte, ward sie plötzlich von gierigen Wölfen angefallen und so jämmerlich zugerichtet, daß man sie für todt in die Wellenburg brachte. Dort ist sie nach drei Tagen eines seligen Todes entschlafen. Die Portner, damals Besitzer der Wellenburg, wollten den Leichnam der frommen Magd in ihr Familienbegräbniß nach Augsburg bringen, allein das vorgespannte Zugvieh blieb bei dem Siechenkobel stehen und konnte nicht weiter gebracht werden, worauf Radiana dahin begraben worden.

Fußnoten

1 Urkundlich stets Wellenburg; nicht Wöllenburg.

54. Otto Seemoser, der Thorwart zu Freising.

C. Meichelbeck hist. Frising. II., 9. J.v. Obernberg Reisen II. 448 u.A.

Rechts beim Eingange in den Freisinger Dom, befindet sich an einer Seitenkapelle aufgestellt der Grabstein des frommen fürstbischöflichen Thorwarts Otto Seemoser, auf welchem er lebensgroß mit einem Laib Brod abgebildet ist. Dieser alte Diener war ein Wohlthäter der Armen, nur spendete er oft reichlicher, als seines Herrn Gerold Willen war. Einmal begegnete ihm Gerold, als er eben drei Brode, welche er unter dem Kleide barg, den Armen zutragen wollte. Der Bischof fragte, was er da trüge? »Steine!« entgegnete der betroffene Thorwart. Und siehe, die Brode waren Steine, als er sie vorzeigen mußte, darnach aber wieder Brode, als die Gefahr vorüber war.

55. Das Brod des heil. Kastulus.

Lexikon von Bayern. Ulm 1796., II., 119. Grimm d.S. I., 326.

In der dem heiligen Kastulus geweihten Hauptkirche zu Landshut, hängt mit silberner Einfassung ein runder Stein in Gestalt eines Brodes, in dessen Oberfläche sich vier kleine Höhlungen befinden. Davon geht folgende Sage. Kurz vor seinem Tode kam der heilige

Kastulus als ein armer Mann zu einer Wittwe in der Stadt, und bat um ein Almosen. Die Frau hieß ihrer Tochter das einzige Brod, das sie noch übrig hatten, dem Dürftigen reichen. Die Tochter, die es ungern weggab, wollte vorher noch eilig einige Stücke abbrechen, aber in dem Augenblick verwandelte sich das dem Heiligen schon eigene Brod in Stein, und man erblickt noch jetzt darin die eingedrückten Finger deutlich.

56. Der versteinerte Ritter.

Sage von Chammerau unweit Cham im Bayerwalde. B. Grueber u. A. Müller der bayerische Wald. S. 296.

Der Ritter von Chammerau hatte sein Auge auf die schöne Tochter eines Müllers im Regenthale geworfen, fand aber bei der sittsamen Maid kein williges Gehör. Eines Tages, als er in gewohnter Weise von seiner Veste auf Raub auszog, überraschte er die Jungfrau auf der Wiese ihres Vaters, wo sie das Linnen bleichte. Straks faßte er den Entschluß, mit Gewalt zu nehmen, was ihm nicht in Gutem gegeben wurde, und lenkte sein Roß vom Wege ab auf den Grasplatz hin. Das Mädchen aber merkte noch zeitig genug des Ritters bösliche Absicht und suchte sich durch die Flucht zu retten. Wie ein gescheuchtes Reh lief es über die Fluren hin; nicht lange jedoch, so stand es an dem Ufer des Regen, über welchen an jener Stelle weder Brücke noch Steg führt. Vor ihr der Tod im Flusse, hinter ihr Entehrung und Schande; die Wahl war kurz, denn schon sprengte der Ritter mit seinem Trosse näher heran. Mit dem Rufe: »Gott genade meiner Seele!« stürzte sich die Jungfrau in die Fluthen. Diese waren barmherziger als die Menschen, und trugen sie nach einer Untiefe hin, wo sie festen Fuß fassen konnte. Doch war sie noch nicht nicht gerettet, denn der Verfolger setzte ihr auch in den Fluß nach, und bald hörte sie dicht hinter sich das Schnauben der Rosse und das Hohngelächter der wilden Schaar. Mit einem Male aber war Alles still, und als die Jungfrau sich umwendete, sah sie weder Ritter noch Knappen mehr, wohl aber eine lange Reihe ungestalter Felsblöcke, die vom Ufer bis über die Mitte des Flusses sich erstreckte. Die Hand Gottes hatte strafend den Wüstling und seine Helfershelfer erreicht. Die Steine liegen noch heute im Regen, und man sieht sie, wenn man von Chammerau nach Roßbach hinunter geht.

57. Der Jungfernsprung bei Dahn.

Von Franz Weiß. – Dahn in der Pfalz. Nach Andern diente die Stelle zu Gottesurtheilen. Eine angeklagte Jungfrau habe durch einen Sprung vom Felsen ihre Unschuld bewiesen. Wo sie aufsprang, soll die noch fließende Quelle hervorgesprudelt sein. J.K. Bruckner, das Haardtgebirge. S. 164. F. Weiß, die mal. u. rom. Pfalz. S. 36.

»Unheimlich ist's in eurer Nähe, Und Furcht und Grauen faßt mich an, Wenn ich euch vor mir stehen sehe, In euerm wilden Liebeswahn.«

»Nie wird mein Herz euch Liebe spenden: Es hasset euch, und wird hinfort Sich stets mit Abscheu von euch wenden, Dies sei für euch mein letztes Wort!«

Die Jungfrau spricht's, und Rache tobet Wild in des Jägers schnöder Brust; Mit fürchterlichem Eid gelobet Er sich zu stillen seine Lust.

In weichem Purpurscheine blühen Die Berge von des Morgens Hauch,

Und tausend Demanttropfen glühen Hellfunkelnd rings an Busch und Strauch.

Da wandelt in der duft'gen Frühe Die Jungfrau zur Kapelle hin, Sie scheuet nicht des Weges Mühe, Zum fernen Gnadenschrein zu zieh'n.

Schon hält die Waldnacht sie umfangen, Da hemmt sie angstvoll ihren Schritt, Als plötzlich, lüsternes Verlangen Im Blick, der Jäger vor sie tritt.

»Willkommen hier in meinem Reiche!« Spricht er mit arger Freundlichkeit; »Hier darf ich schlürfen bis zur Neige Den Becher eurer Lieblichkeit.

Hier endlich wird sich mir erschließen Der Liebe Quell an eurer Brust! Wohlauf, mein Lieb', laß uns genießen Der flücht'gen Stunde süße Lust!«

Und schon mit schreckenden Gebärden Streckt er nach ihr die rohe Hand. Wer soll ihr nur ein Retter werden, Vom Himmel gnädig ihr gesandt?

Rasch hat sie sich zur Flucht gewendet; Doch wie ein wutherfülltes Thier Ihr nach der Jäger, bald geendet Wird sein der Wettlauf, wehe ihr.

Schon fühlt sie ihre Kraft ermatten, Und jeder Hoffnungsstrahl entschwand Als sie, entflohn des Waldes Schatten, Sich sieht an eines Abgrunds Rand.

Sie starrt, als ob der Tod ihr riefe, Und schaudernd blicket sie hinab, Wo in der schreckenvollen Tiefe Sich öffnet ein gewisses Grab.

Und niederstürzt sie auf die Knie, Und hebt die Hände himmelan; »Der Unschuld Schützerin, Marie, Nimm gnädig deiner Magd dich an.«

Sie ruft's, und zwischen Tod und Schande Hat sie getroffen schnell die Wahl, Und muthig springt sie von dem Rande

Der Felsenwand hinab zu Thal.

Doch sieh, vom sanften Rosenlichte Erglänzt die Tiefe hell und hehr, Und von des Himmels Angesichte Ergießet sich ein Düftemeer.

Die Himmelsmutter hat vernommen Das Flehen ihrer treuen Magd, Und ihre Engel sind gekommen, Ob ihr zu halten sich're Wacht.

Und leichten Fluges schwebt sie nieder, Zur Seiten ihr der Engel Schaar, Die als der Unschuld treue Hüter Vor Tod sie schützen und Gefahr.

Noch steht das Kreuz, des Wunders Zeichen, Auf steiler Felsenstirn erhöht, Oft in der Nächte stillem Schweigen Von lichtem Heil'genschein umweht.

58. Die stoaner' Agnes bei Reichenhall.

Erzählt von F.v. Kobell.

Wann d' vo' Reichehall auf Hallthurn hi' gehst, da sichst 'es Lattngebirg mit 'n Dreisesselberg. Da drobn ist vor alti Zeitn a' wunderbari G'schicht' gschegn und die will 'Enk verzähln, wier i' s' g'hört ho'. Es is selm a jungi Sennderinn auf der Alm gwest, a' gar a' sauberni und frumm und brav aa' dabei, wie's es nit allewei' geit. In aller Frua wann d' Sunn aufganga is und hat der Luft frisch abagwaht vo' die Boifn, na' hat ma s' wandln segn durch dees thauigi Gras und hi' auf an' Eck, wo ma' weit hat 'rumschaugn kinnt, und selm is a' Kreuzl gstandn und da hat s' na' 'bet't. Und wie dees gschegn gwest is, hat s' a'fanga singa und juchezn und is fröhli' der Arbeit nachganga, bis 's Nacht worn is, da hat s' wieder bei'n Kreuz betn mögn. Es is halt scho' a' recht a' guats Diendl g'wen, dees d' Leut all' gern ghabt hamm. Schau, just auf selleni macht der Teufi am liebstn sei' Jagd und grad bei die probirt er zum erschtn seini Künstn, denn die andern, die koan' frumma Wandl führn, die arbetn ihm scho' selm in d' Händ', da braucht er ihm nit viel plagn. Und drum is er auf die Sennderinn scho' b'sunders verpicht' gwest und hat g'moant, wann er die fanget, so hätt' er aar amal ebbas Fei's dawischt für sei' Hofhaltung, wo ihm die grausinga Schlangen und Gaankerln und sei' andri loadigi Gsellschaft leicht an diem zwider worn is. Na hat er allerhand probirt und is bald als a' junga Hüatabua in ihra Hüttn kemma und hat gsagt, er hätt' ihm bei'n Schafsuacha verirrt, oder als a' Wurzngraber, der geign kinnt hat und Winterszeit bei die Hochzetn aufgspielt und hat d' Fidl aa' bein ihm ghabt, daß er sei' Kunst nit vergißt und hat ihr halt a so fürgschwatzt, und geigt und Gschpaßln gmacht und recht o'draaht tho', daß se si' verliebn sollt in ihm und a so furt. Aber 's Diendl hat aus sein' Redn bald g'mirkt, daß er nix Guats nit in Sinn hat, und hat ihm nit viel Aacht gebn und z'letzt hat 's allzeit, wann a so oana kemma is, vo' die andern Sennderinna oani herg'ruafa und is nit alloa dabei 'bliebn. Jetz is der Teufi no' fuchtiger wor'n und hat ihm a' Stückl ausdenkt, daß er s' weglocket auf an' oa'sama Platz. Na hat er ihr a' weißi Kua wegtriebn und allewei furt bis auf an Alm, die mar Almgartn hoaßt, sie g'hört auf St. Zeno. Jetz' hat halt 's Diendl um sei' Kua g'suacht und sicht s' endli' weit weg auf derselln Alm, wo niem'd drobn

gwest is. Ganz verwundert, wie die Kua dort hi' kemma ko', schleunt se si' auf den Platz und wie s' na' dazua kimmt, steht der Teufi in an grean' Jaagagwand vor ihra und hat feurigi Augn g'macht und g'sagt, wann s' nit mit ihm geht, so z'reißt er s' auf'n Fleck. Da hat 's Diendl an' Schroa tho' und is in größtn Schricka davo g'loffa und aber der Teufi nach und hat s' auf a' Gwänd von' Rothofa hi'triebn, wo s' g'segn hat, daß s' ninderscht mehr aus ko. Da hat s' laut aufg'schrien. »O heiligi Muatta Gottes hilf! hilf!« und da hat si' die ganz' Wand ausenanda tho' und sie is durchg'rennt in die oa' Seit'. Aber der Teufi hat oanaweg nit auslassn und sie hat 'n nachkeucha hörn durch die Schlucht. Da hat s' no' zu unsern Herrgott bitt' und is auf d' Knie hi'g'falln und da san zwoa weißi Engl daherg'flogn und hamm s' in 'Himmi aufitragn. Und wie der Teufi auf den Platz hi'kemma is, hat er statt ihra a' stoanerni Sennderinn g'fundn und die is heunt no' da und hoaßt die stoanern Agnes, weil sie aar a so ghoaßn hat. Dees is g'schegn um Johanni am Sunnwend und daß 's dem Diendl dabei guat ganga is und no' guat geht, da hat mar a' bsunderin Zoagschaft dafür wann mar oani bräucht', denn alli Jahr' hört ma' s' juchezn, wann's gschicht, daß d' Sunna grad durch denselln Felsnspalt, der 's Teufisloch hoaßt, durchscheint und dees is am Sunnwend um die Zeit, wo s' der Teufi verfolgt hat und wo ihr unser Herrgott und unser liebi Frau g'holfa hamm.

59. Die drei Jungfrauen auf dem Kirnberg bei Berchtesgaden.

Fr. Panzer, Beitrag zur deutschen Myth. S. 10.

Auf dem Kirnberg bei Berchtesgaden sind drei Felsenspitzen, welche man die drei Jungfrauen heißt. Diese flochten einander die Haare, als zur Wandlung geläutet wurde; sie bekreuzten sich nicht und eine sagte: »Wandlung hin, Wandlung her!« drauf sind alle drei zu Stein geworden.

60. Die stoanern Jager.

Von F.v. Kobell. – Sage vom Staufen bei Reichenhall.

Zwoa Jager steig'n in an Gwänd', 'S red't koana nit a Wort, Sie steig'n langsam nach der Höh', Es is a schiecher Ort.

Und wie s' jetz kemma gegen d' Schneid, Da rastn s' auf an Eck, Sie segn schier zum Ferchtn aus, So barti, wild und keck.

Just graut der Tag, der Nebi liegt No' tief herunt' in Thal, Von selln Platz, da sicht ma schö' Viel' Dörfer aufamal.

Und wie s' a weil so rast'n thien, So hörn s' Kirche'gläut, In d' Fruhmeß ruft a Glöckl' zamm, Dees Läute hört man weit.

Da stopft der oa a Pfeif' Tabak, Der ander putzt sei' Bix Und Branntwein trinkn s' aar an Schluck, Aber betn thien s' nix.

Und wieder üb'r a kloani Weil, Da läut't dees Glöckl drunt, »Jetz wandeln s' erscht, lacht da der oa, Wir wandeln scho' zwoa Stund'.«

»Ja Wandeln hin und Wandeln her, Hat wild der ander gsagt, A Gamsbock ischt mer allweil mehr,« Und hat sein Stutzn 'packt.

Und weiter steign s' über 's Eck Und schaug'n in Graben 'nei. Da steht a starker Gamsbock drinn, Der werd bald ihna sey'.

Da schießt der oa', er fallt no' nit, Der ander aa zünd't o', Und auf die Schuß, da hat's an Hall, Als wie a Dunner tho'.

Als schlüg a Weterstroach grad ei', Was dees bedeut'n soll? Die Schützn rumpin in anand, 'S is ihna nimmer wohl.

Denn schau der Bock in Grabn drunt' Werd zozet wie a Bär, Die Krikln werrn großi Horn Und feuri' schaugt er her.

Dees is koa Gamsbock gnad' da Gott, Dees muaß der Teufi sey', – Da packn gschwind die Jaga 'zamm Und laafa woltern fei.

Auf oamal aber laßn s' aus, Es werrn d' Füß so schwaar, Und grad als wann der jüngsti Tag Auf Erdn komma war,

So ziegt a Nacht im Weter 'rei. Koa Schrittl kinnes geh', Und' Blut is worn so kalt und starr, Als sollt's auf ewi' steh'.

Und horch in Weterstum da hallt A Schroa weit über's Land, – Da war a grausi Wandlung gschegn, Verhängt von Gottes Hand. –

Wohl wieder drunt zum Betn läut't Dees Glöckl aus der Fern', Die drobn aber warn Stoa', Sie kinne's nimmer hör'n.

Bei Salzburg steht a hocher Berg, Der Staufn, wer'n kennt, Da san zwoa langi Fels'n obn, Die stoanern Jager gnennt.

Die Fels'n stenga heut no' da, Als Zoacha von den G'richt, – Der Kruag, schau, geht so lang zum Brunn', Bis er amal dabricht.

61. Das Weidwiesenweiblein bei Reichenhall.

L. Steub aus dem bayr. Hochlande. S. 170.

In den Jahren 1782 und 1783 ging in hiesiger Gegend viel Gerede von dem Weidwiesenweiblein. Es war dieß ein ganz winziges Weiblein mit schwarzem Gewande und mit einem kleinen Tiegel in der Hand, in welchem ein Lämpchen brannte. Das Gesicht sah man nicht, man meinte eher, sie hätte keines, denn ein großer Hut lag ganz flach auf ihren Schultern. Wenn nun die Leute bei Nacht über die Weidwiesen nach Hause gingen, so war oft auf einmal, und ohne daß man sehen konnte, woher es gekommen, das Weidwiesenweiblein da, ging nebenher und leuchtete ihnen. Dieß that sie meistens recht getreulich und zuverlässig, zuweilen aber, wenn es ihr so ankam, führte sie die Leute an ganz abgelegene Oerter, wo sie gar nicht hin wollten, ließ sie da stehen, und war nicht mehr zu erschreien. Sie sprach nichts und doch hatte Niemand einen Schrecken vor ihr, vielmehr kam es allen so vor, als wenn es so sein müßte, gab ihr auch Niemand einen Dank für ihre Begleitung. Einmal aber zerbrach einem Fuhrmann in finsterer Nacht beim Kalkofen ein Rad, und da stand plötzlich das Weiblein neben ihm und leuchtete mit einem Lämpchen. Dem Fuhrmann war dieß ein großer Trost und er sagte deßwegen: »tausend Dank!« Darüber sprach das Weiblein voller Freuden: »Hätte an einem Dank schon genug gehabt; jetzt sieht mich Niemand mehr,« und war verschwunden. Hatte auch ganz Recht, denn von dieser Stund' an hat sie Niemand mehr gesehen.

62. Spucksagen von der Wegscheid bei Reichenhall.

L. Steub a.a.O. S. 173.

Ein Schneiderssohn von Unken ging einmal mit seinem großen Fanghunde bei Mondenschein über die Wegscheid. Da sieht er plötzlich einen schwarzen Mann neben sich, der in gleichem Schritt und Tritt mit ihm geht, aber kein Wort spricht. Der Fanghund voll Schrecken, läuft auf der Stelle davon. Der Schneiderssohn zieht Messer und Gabel aus seiner Hosentasche und bewehrt sich damit, traut sich aber vor Entsetzen nicht, den Schwarzen anzureden. Dieser blieb auf der Säumerbrücke stehen, der Schneidersohn aber kam todtenbleich, Messer und Gabel noch krampfhaft in den Fäusten haltend, in's Wirthshaus zu Schnagelreit, und nahm Nachtherberge daselbst, wollte auch um tausend Gulden nicht mehr weiter gehen. – Etwas anderes Seltsames hat sich vor zehn oder zwölf Jahren mit dem Knecht im Kaitl, Lenzl Niederberger zugetragen. Dieser war nämlich auf Vorspann gewesen, und ritt mit seinen zwei Pferden bei hellem Mittag über den Allerseelenbühel, nahe an der Wegscheid, heimwärts. Da stürzt auf einmal ein langer, dicker Baumstamm, oben und unten abgesägt, aus dem Gebüsch heraus auf die Straße, und schickt sich an, ihm nachzukugeln. Der Niederberger schlug nun

kurzen Trab an, aber auch der Baumstamm beeilte sich, und als jener hielt oder langsam ritt, that es ihm auch der Baumstamm nach, also, daß er immer eine Spanne hinter den Pferden daherkollerte. Dieß kam dem Lenzl gar zu absichtlich vor, und da er einen Spuck vermuthete, auch jählings einen Schrecken fühlte, so sprengte er im Galopp den Berg hinab bis in's Kaitl, wobei er den Baumstamm noch lange in wilder Hatz hinter sich dreinjagen hörte. Gleich darauf ging er mit den andern Knechten hinaus, um nachzuspüren, konnte aber von dem Baumstamm nichts mehr sehen. Auf der Wegscheid thut es auch oft bei Nachtszeit vom Felsen herab grauenvolle Schreie, aber so arg war es seit Menschengedenken nicht, wie im Jahre 1831. Damals hörte man in dieser Gegend ein jämmerliches Winseln und Heulen von den höchsten Wänden herunter, welches gegen vierzehn Tage sich vernehmen ließ und zu keiner Stunde des Tages oder der Nacht verstummte. Endlich hat sich der Brunnenwärter vom Nesselgraben aufgemacht, um in den Bergen oben umzusehen, woher das Winseln käme. Als er auf den höchsten Matten sich befunden, mußt' er wahrnehmen, daß dasselbe nicht aus dieser Gegend, sondern gerade unter ihm aus den Klüften der Wand hervordringe, wo sie am steilsten abschließt, so daß sich keine Gemse da halten kann. Er verwunderte sich höchlich, erachtet es aber zu gefährlich, den Laut weiter zu verfolgen, und begab sich unverrichteter Dinge wieder bergabwärts. Nun kam aber der Kreuzer von Helmbach, ein muthiger Bergsteiger von den besten, der seine Schafe suchte, dieses Weges, und als er von dem Andern den Hergang gehört, bedachte er sich, dem Abenteuer nachzugehen; legte also seine Joppe und seinen Hut ab, kletterte mit äußerster Gefahr seines Lebens, was keiner glauben möchte der die Wand betrachtet, durch die Schrunden auf den Ort zu, woher das Winseln kam, und sah da ein uraltes zusammengehocktes Weiblein in einer Felsenspalte sitzen, so zu winseln fortfuhr und auf seine Fragen, wie sie um Gotteswillen an diesen Ort gekommen, keinerlei Antwort gab, vielmehr mit den dürren Händen ihm geradenwegs in's Gesicht fahren wollte. Hierauf hat sie der Kreuzer ohne Umstände herausgerissen und mit sich zu gehen gezwungen, was sie gleichwohl ganz sichern Trittes that. So kam er mit ihr wieder auf die Matte, wo er seine Joppe und seinen Hut niedergelegt, und bückte sich nach diesen und zog sie wieder an. Als er sich nun aber nach dem Weiblein umdrehte, war dasselbe verschwunden, und konnte von ihm trotz alles Suchens da herum nicht mehr gefunden werden. Jetzt kam aber auch das ganze Ding dem Kreuzer nicht mehr geheuer vor, vielmehr erfaßte ihn ein jähes Grauen, also daß er mühselig nach Hause kam und eine Woche krank lag vom Schrecken. Selbigen Tages ist das Weiblein noch bei dem Bauern am See gesehen worden, wo sie sich auf die Bank vor die Hausthüre setzte. Die Bäuerin gab ihr einen Krapfen, erhielt aber keinen Dank dafür und auch keine Antwort auf die Fragen, die sie ihr stellte. Gleich darauf saß sie unten am Kaitl auf der Sommerbank, erhielt eine Nudel, gab aber auch kein Wort von sich, sondern nur ein leises, unverständliches Flüstern. Das Winseln wurde von diesem Tage an nicht mehr gehört, das Weiblein aber auch in der ganzen Gegend nicht mehr erkundet. Es wird aber dieses Weiblein von denen, die es gesehen, übereinstimmend als ein kleines Mütterlein beschrieben, von uraltem Gesichtchen mit vielen hundert Fältchen darin, übrigens im Anzuge recht reinlich und sauber, aber ganz altmodisch. Sie hatte auf dem Kopf ein schwarzes Häubchen mit schmalem schwarzem Pelzbräm, das fast bis auf die Augen hereinging; ein rothes Corsett von älterem Schnitte, als man sich erinnern kann, mit ganz langen Schößen auf dem Rücken, ein blaues Schürzchen und schwarzes Röcklein.

63. Das Edelweiß.

Sage von der Mordau, erzählt von Franz Englert.

Auf dem Grenzgebirge Berchtesgadens gegen Reichenhall, liegt die Alpe Mordau. Im Jahre 1382 bezog Kathei, das schönste Diendl im Berchtesgadner Land, dieselbe als Sennerin. Manch stattlicher Bua stieg hinan zur Alpe, um Kathei zu besuchen, allein die

Aelplerin hatte gar früh schon ihr Herzchen an Lenzei verschenkt, der, ein treuherziger Gebirgssohn, kein anderes Madl anschaute. So machte es freilich Kathei nicht, denn es schien ihr gar lustig, von allen Aelplerinnen weit und breit die schönste zu heißen, und sah es gerne, wenn manch schmucker Bua in Sonntagsjoppe, mit Goldquaste und Spielhahnfeder auf dem Hut, zu ihr heraufstieg. Leider war der arme Lenzei eben so eifersüchtig als Kathei schön, und das verbitterte ihm gar viele Stunden. Es war auch der Kathei nicht mehr so recht ernst mit dem Lenzei, denn ein »Jager« gefiel ihr jetzt besser, der sie gar oft auf der Alm heimsuchte. Das merkte denn Lenzei bald und krämte sich sehr. Kathei aber sann darauf, wie sie den Bua sich vom Hals schaffen könne. Und wie sie einmal wieder darüber nachsann, da hörte sie den »Jager« am Fenster, der juchzte ihr zu und sang:

Steig' i' aufi auf d' Alma, Ja da werd' ma's Herz weit – und Sich i' d' Senndrinn geh', Thuat's mi grüß'n schö', Ko's nit sag'n, wie's mi' freut.

Als der Jäger in den Kaser trat, erzählte sie ihm, worüber sie nachgedacht. Der Jäger wußte bald Rath, meinte, Kathei sollte ihn nur ausschicken, um ein schönes Edelweiß1 von den Felswänden zu pflücken und das könne ihm schon einmal den Hals kosten. Da schauderte freilich Kathei zusammen, aber sie ging doch darauf ein und schickte den Lenzei, als er wieder kam, auf den hohen Göhl, um das schönste Edelweiß zu pflücken, das er finde, und je größer und schöner es sei, desto mehr sei es ein Zeichen seiner treuen Liebe. Lenzei war heute gekommen, um Kathei zu sagen, daß Herzog Friedrich von Bayern, vom Propsten Ullrich aufgereizt, ins Berchtesgadner Land komme, um es zu verwüsten. Darum wolle er heut auf der Alm sie beschützen, damit ihr kein Leid geschehe. Aber Kathei lachte und meinte, sie brauche ihn nicht zum Beschützer, und bestand darauf, daß er ihr das Edelweiß hole. Der gute Lenzei bestieg die Berghöhe des Göhl, wo das Edelweiß gedeiht, und je größer er Blüthen sah, desto mehr pochte sein Herz vor Freude. Schon glaubte er sich im Besitz manch' schöner Blüthe, die er an gefahrvoller Felswand gepflückt und womit er Kathei zu überraschen gedachte, da sah er am äußersten Felsrand ein ungewöhnlich großes Edelweiß. Das mußte ihm, wie er wähnte, das Herz der geliebten Aelpnerin sicher wieder ganz zuwenden. Nicht sah er die Gefahr, nur die Blüthe erblickte sein Auge. Er nahte dem Edelweiß, brach die schöne Blüthe, aber der einstürzende Felsenrand nahm ihn mit sich hinab und zerschmettert an den unzählig hervorstehenden Felsspitzen stürzte er todt in den Abgrund. Als er zur Sennhütte nicht wiederkehrte, da ahnte die treulose Aelpnerin, was geschehen, und schloß sich furchtsam in des lachenden Jägers Arme. Und wie schon die Nacht düster und dunkel wurde, da wurde es geräuschvoll um die Sennhütte und von Herzog Friedrichs von Bayern Soldaten drang eine Schaar, die den Weg über die Mordau genommen, herein, stießen den Jäger und die Sennerin nieder und thaten sich wohl im Milchkeller des Kasers. Sterbend errinnerte sich noch Kathei, wie Lenzei sie zu retten gekommen war, und reuevoll erkannte sie des Himmels heilige Rache. Ihre letzten Worte waren noch ein reuevoll Gebet; des Jägers letzter Laut aber war – ein Fluch. Seitdem aber heißt die Alpe Mordau und behält den Namen wohl auch für immer.

Fußnoten

1 Das Edelweiß ist eine der Lieblingsblumen der Gebirgsbewohner, und bildet ihre schöne, weiße Sammtblüthe, welche sich Jahre lang hält, die Hauptzierde auf dem Hute der Gebirgsbäuerinnen.

64. Der König Wazmann.

Erzählt von F. Englert. – Vgl. Maßmann a.a.O. L. Bechstein, die Volkss. Oesterreichs, I., 67. Auerbacher Volksbüchlein I., 123.

Es herrschte einmal vor alter Zeit im Berchtesgadener Lande ein König, Namens Wazmann. Derselbe liebte weder Menschen noch Thiere, und süße Lust war es seinem grausamen Herzen, die Menschen zu quälen und die Thiere zu martern. Darum war auch die wilde Jagd seine höchste Freude, wo ihn Rüdengeheul und Hörnerschall umgab, daß die Wälder davon widertönten. Doch nicht allein er, auch Weib und Kind fanden hohe Lust an der wilden Hetzjagd, wenn die dampfenden Rosse unter ihnen zusammenstürzten, und das todtgehetzte Wild von den Hunden zerfleischt wurde. So ging es Tag und Nacht, sonder Ruh und Rast, über Stock und Stein, bergauf und ab, der Saat des Landmannes spottend. Lange Zeit trieb er es so, aber Gottes strenges Strafgericht ereilte den Gottlosen. »Halloh, hinaus zur wilden Jagd!« tönte es einst wieder durch den Schloßhof; die Hörner schallten, die Rüden heulten, und bald ging es mit Weib und Kindern wieder dahin in wildem Zug. Im Dämmerlicht sieht der König ein Mütterlein, die Enkelin auf dem Schooß, und lenkt sein Pferd vor die Hütte hin, daß Reiter und Roß sie zerstampfte. Und wie der Bauersmann und sein Weib aus der Hütte trostlos traten, um die sterbende Mutter im Hause zu betten, da hetzt der König die schnaubenden Rüden auf sie, daß auch sie unter den Zähnen der Bestien verscheiden. Lachenden Blicks sieht der König zu, und mit ihm die Gattin und Kinder, wie sterbend im Blute Menschen sich winden. Da hebt das Mütterlein mit gebrochenem Blick empor die zerfleischte Rechte und flucht fürchterlich im Sterben dem König und der Königin mit ihren sieben Kindern, daß sie die Strafe der Gottheit erreiche und in Felsen verwandle. Und die Erde erbebt, der Sturmwind braust, als ob das Weltende gekommen; Feuer sprüht aus dem Schooße der Erde und wandelt Vater, Gattin und Kinder zu riesigen Felsen um. So steht Wazmann mit Gattin und sieben Kindern in riesige Felsen verwandelt, und blickt als ewiges Wahrzeichen herab in's Berchtesgadener Land.

65. Der Ritter vom Marquardstein.

Von Eduard Duller. – Marquardstein über dem Dorfe gl. N. südlich vom Chiemsee gelegen – Hund metrop. III., 81. Falkenstein, Geschichten des Herz. Bayern, II., 481. u.A.

1. Tief im Wald mit Pfeil und Bogen Sitzt der Ritter finster lauernd, Spähend nach dem blut'gen Ziele Von dem Morgen bis zur Nacht.

»Hei! das ist ein seltsam Jagen (Ruft er) – nach dem Edelhirschen; Selbst gehetzt in bösen Tagen Lüstet's mich nach sichrem Ziel.«

»Cuno! Cuno! böser Waidmann, Sag', warum du mich befehdet,

Aus dem Eigen schnöd vertrieben; – Arger Nachbar! sieh dich vor! –

Hast du mir doch nichts gelassen Als den Wald, das Haus der Eule, Als den Bogen und die Pfeile Und den nimmersatten Haß.

Diesen Forst wirst du durchjagen, Komm! ich harre – laß nicht warten! Sieh! die Rache spannt den Bogen Und der Haß wetzt diesen Pfeil.« –

Ritter Marquard sprach's im Forste Schärfend seines Pfeiles Spitze, Lauerd nach des Feindes Herzen Von dem Frühroth bis zur Nacht.

Horch! da kams durch Busch und Zweige. 'S ist der Feind! – Empfiehl die Seele! – Daß der Haß in Blut sich neige, Schmiegt zur Sehne sich der Pfeil.

Und es trat aus dunklem Laube Hell hervor im Himmelsglanze, »Wie? das sind des Feindes Züge?! Schläft der Haß in diesem Blick?

Ja! sie sind's die Augensterne, Rache flammend aufgegangen Wie? das Sternbild strahlet heute Mild im liebevollem Glanz?

Ja! sie sind's die dunklen Locken, Die mein Unglück arg umrankten, Wie? in die verwünschten Banden Jagt mich jetzo süße Lust?

Ist der Schmerz denn in die Freude, Ist die Rach' verkehrt in Sehnen, Ist der Trotz verthaut in Thränen Und der Haß gelöst in Lieb'?

Weib in deiner Zauberschöne Ob du lächelst, weinest, tödtest, – Jagdbewehret, kampfgerüstet, Gleich der Heidengöttin dort. –

Cunos Tochter, Adelheide Wärst du? Ja! das sind die Züge! Rollt nicht in der Jungfrau Busen

Auch des Vaters böses Blut?!

Sind nicht ihre Blicke Pfeile, Die den Weg zum Herzen finden, Die die Rache kühn bezwingen Und ertödten allen Haß?

Weh! was ich im Vater hasse, Liebend tritt mir's hier entgegen, Lieb' ich, was ich sollte hassen, Haß ich, was mir liebend naht?«

Schönheit hat die schärfste Waffe; Diesen Blicken stirbt sich's selig; – Senk den Speer und brich die Pfeile Ernster Jäger tief im Wald!

2. »Niemals ruh'n will ich, noch rasten, Bis der Feind, der Nachbarritter, Flüchtig geht', der ärmste Bettler In der Bayern reichem Land.«

»Feindlich stehn die beiden Burgen, Hoch auf Felsen hie und drüben, Starrt dieß unversöhnte Herz. Feindlich wie der Bau der Felsen.«

Also sprach auf hoher Veste Cuno ernst, die finstern Brauen Runzelnd und mit scharfen Blicken Spähend nach dem fernen Forst.

»Kehrt die Tochter noch nicht wieder, Die mit mir zum Wald geritten Auf dem blüthenweißen Zelter In das heitre Spiel der Jagd?«

»Hat der Knapp' sie nicht gefunden, Der da naht, der altergraue, Trüben Blicks gesenkten Hauptes Vor das Thor der Mögling-Burg?«

»Zäume frisch den schnellsten Rappen Rasch zurück zum düstern Walde; – Bricht mir doch das Herz vor Grauen Um mein einzig, theures Kind!«

3. »Wehe! daß ich Vater heiße Und die Tochter schnöd' verloren,

Weh! die mürbe Kraft zerschmettert', Weh! in Schand erbleicht dieß Haar!

Kind! wie hab' ich dieß verschuldet, Daß du flohst vom lieben Vater Und dem Todfeind, dem verhaßten, Am Altar gereicht die Hand?

Hab' dich, als du warst geboren Freudevoll an's Herz gehoben, Meine Lieb' war deine Wiege, Deine Untreu' wird mein Sarg.

Alle Liebe hab' ich wuchernd Dir allein nur zugewendet, Daß kein Deut mir überblieben Für die große, weite Welt.

Fluch dem Wahn, der mich betrogen, Dem geliebten, süßen Wahne, Daß an meinem Sterbebette Trauernd stünd' ein liebend Kind.

Einsam in der öden Halle Werd ich mich zur Ruhe legen, Keine Thräne rinnt mir labend, Und sie brechen unsern Schild.

Denn wenn sie zur Gruft mich senken, Wird mein Stamm mit mir begraben; Nur der Haß, der wechsellose, Sitzt dann treu an meinem Sarg.«

4. In der Kammer eng und traulich Koset Marquard mit der Lieben, Kurze Stunden, kurze Monden Auf dem festen Marquardstein.

Sind die Liebenden gefangen, Daß sie nie in's Freie wandeln, Liegt wohl in des Schlosses Mauern Eng in Grenzen ihre Welt?

Nur die Lieb hält sie gefangen Nur das Glück schlägt sie in Fesseln, Nur die Wonne ist ihr Kerker, Und ihr Himmel ist das Herz.

Aber in der Rose Kelche Schläft der Haß, die gift'ge Schlange,

Harrend, bis der helle Morgen Froh der Blume Brust erschließt.

Auf der Rose liegt von Thränen Schwerer Thau, der eisig lastet, Vaterfluch zehrt an den Keimen, Vaterschmerz beugt tief den Kelch.

Zweier Monde barg sie heimlich Marquardstein, die Burg des Ritters; Schläft wohl jetzt des Vaters Rache, Hat der Fluch noch immer Kraft?

Und es zieht sie mächt'ges Sehnen Aus dem Schloß zu Lenzesauen, Einmal wieder dort zu wandeln, Wo sie sich zuerst gesehen,

Wo der Pfeil mit süßen Schmerzen Schütz und Opfer sanft getroffen, Wo auf Zwei beglückte Herzen Eine Liebessonne schien.

Das ist Blühen! das ist Duften In der schönen Zeit des Maien, Spiegelt nicht die klare Welle Sonn' und Glück im reinen Blau?!

Doch im Westen fern und drohend Wächst die Wolke, finster brütend, Schweren Fluges immer näher Wälzt sie sich in sich'rer Bahn.

Weh! wer je dem Glück vertraute! – Wenn es jetzt auch sonnig lächelt, Eh' man mag den Blick verwenden, Fährt der Blitz aus heitrer Höh'.

5. Tief im Schilf am schönen Chiemsee Sitzt ein Weib mit zweien Jungen, Schön und schrecklich anzuschauen Riesenhaft in Wahnsinnsgluth.

Sieh! zwei Bogen, straff gespannte, Legt sie in die Hand der Knaben Und zwei Pfeile, schnell beschwingte, Reicht sie dar mit glüh'ndem Blick.

»Zwillingssöhne! Zwillingssöhne!« Ruft sie, »lernt die Waffen brauchen,

Seht! ich will das Ziel euch zeigen. Dran verdient das Ritterthum!«

»War der Trug nicht euer Vater? Ist die Rach' nicht eure Mutter? Zwillingssöhne, Zwillingssöhne! Seht das Ziel dort! trefft mir's gut!

Zwei der Söhne, zwei der Pfeile, Eine Sünde, tausend Schmerzen, – Faßt ihr's? – Söhn'! die ich geboren, Mutter und kein ehlich Weib!

Bergt euch tiefer! spannt die Bogen, Seht! da kommen sie gezogen. – Zwillingssöhn! Jetzt Zwillingspfeile Auf ein zwiefach treulos Herz!«

Und es kam der falsche Ritter Mit der Gattin Adelhaide, Marquard war's, mit süßen Worten Schmeichelnd dem entführten Kind.

Horch! da kam's herangeflogen – Zischend von dem Zwillingsbogen; Von dem Doppelpfeil getroffen Lag der Ritter wund im Blut.

Tief im Schilf am schönen Chiemsee Sank die Mutter mit den Knaben, Von den Fluthen still begraben, Dumpf verbarg der See die That.

»Doppelliebe! – Doppelpfeile!« Ruft der Ritter, – »Wehe! Wehe! Muß ich hier in Sünden sterben? Weh! wer trägt mich hin zur Burg?

Daß ich möge Ruhe finden, Daß ein Priester, mild vergebend Mich entledigt meiner Sünden, Weh! wer trägt mich zur Kapell!«

Und es hob die treue Gattin An die Brust den wunden Ritter, Schreitend durch die öden Auen Zur Kapell im Marquardstein.

»Richter! laß mir Gnad ergehen.« Stöhnt der Ritter – »fromme Seelen Möchten sie mir Gnad erflehen

Im Gebet vor Gottes Thron.«

»Ueppig wächst der Baum der Sünden Aus des Herzens tiefem Grunde, Bis die Last der eignen Früchte Kron, und Aest' und Stamm erdrückt.

Wer die Burg auf Sand gebauet, Sehe zu, daß sie nicht stürze, Daß der Hallen stolze Wölbung Nicht den Bauherrn selbst begräbt.

Wie der Baum brech' ich zusammen Mit der Burg werd' ich zertrümmert; – Baut aus meinem Schatz ein Kloster Baumburg soll es seyn genannt.«

Reuig lag der wunde Marquard; – Sein Gelübde fromm beschwörend Sank die Gattin Adelhaide Treu dem Todten an das Herz.

Wer zu Stunde sey verschieden? Schwer zu nennen war die Leiche; – War's der Ritter dort, der Bleiche? Ist's die Frau, versteint in Schmerz?

66. Adalbert und Otkar, die Gründer von Tegernsee.

Erzählt von M.v. Freyberg, älteste Gesch. v. Tegernsee. München 1822, S. 15 ff. Andr. Presb. in v. Freybergs Samml. hist. Schriften II., 385 ff. Pez thes. anecd. III., 473. Ertl rel. II., 161. Hund metrop. III., 389 u.A.

Adalbert und Otkar, zwei Brüder aus fürstlich Burgundischem Stamme, von einer Mutter Agilolfingischen Geschlechtes, lebten als fromme, erleuchtete, tapfere Männer an König Pipins, ihres Blutsverwandten Hofe. Da begab es sich, daß des Königs Sohn, jenen Herrn Otkars in der Hitze des Streites erschlug. Pipin, die Rache jener Brüder fürchtend – denn sie waren so groß an Macht als Gesinnung, und reich begütert in Bayern und Burgund – wußte durch eine weise List dem Ausbruche ihres Schmerzes zu begegnen. Noch ehe der Todtschlag ruchbar geworden, versammelte er seine Großen und unter diesen Herrn Otkar bei sich. Als sie erschienen, sprach Pipin zu jenen: »Wie bedünkt euch wohl, daß einem Uebel, dem in keinem Falle abzuhelfen, zu begegnen sei?« Nicht ahnend das Ziel dieser Rede, erwiederte Herr Otkar: »Solches Uebel wahrlich ist mit Gleichmuth zu ertragen.« Als ihm nun der König hierauf den entsetzlichen Unfall entdecket, verhüllte der unglückliche Vater seinen gränzenlosen Schmerz in ein tiefes, anhaltendes Schweigen. Nach langer Trauer aber kamen beide Brüder des Entschlusses überein, der Welt auf immer zu entsagen. Nun hatten sie schon früher am Tegrinsee, im bayerischen Südgau, das Kirchlein St. Salvators auf ihrem Vatergut gegründet. Sie befahlen jetzt, den Wald an dem Ufer des Sees zu lichten, und beschlossen dicht an jener Kirche ein Gotteshaus zu stiften, und all' ihr Besitzthum in diesen Gegenden, dem Altare zu weihen. Um aber andächtige Sehnsucht zu stillen, und für die zu gründende Kirche ein hochgefeiertes Heilthum zu erwerben, erhob sich das erleuchtete Brüderpaar vor Allem zu einer Pilgerfahrt nach Rom. Versehen mit St. Winfrieds Briefen, der sie in so herrlichem Entschluß mächtig bestärket, erreichten sie die sieben heiligen Hügel gerade in

dem Augenblick, als jener Königin der Städte durch einen Einfall heidnischer Seeräuber das fürchterlichste Unglück drohte. Da erhoben sich die gottbetrauten Männer, angeflammt durch die Rede des Hirtens der Christen, und erschüttert durch das Bedrängniß der Kirche, noch einmal zu Uebung ihrer Ritterpflicht; stellten sich an die Spitze der Römer, überwanden und züchtigten die Frevler, und kehrten mit Sieges-Trophäen zum Grab der Fürstenapostel zurück. Zum Lohne so herrlicher That erbaten sich die frommen Helden nun den Leib St. Quirins vom heiligen Vater zum Geschenke. Quirinus, ein Sohn Kaiser Philipps, hatte durch seine Mutter Severa zur christlichen Lehre hingewendet, durch Papst Fabian in die Kirche aufgenommen, den Umgang ihrer trefflichsten Bekenner durch zwanzig Jahre genossen. In ihrer Mitte blühte der heilige Jüngling, bis Claudius den Thron der Cäsaren bestieg, und die Verfolgung der Christen mit neuer Wuth begann. Da ward denn auch Quirin gewürdigt, ein Blutzeuge Christi zu werden. Der Kaiser ließ ihn ergreifen, peinigen, enthaupten und seinen Körper in die Tiber versenken. Doch ward der Leichnam durch einen Priester gefunden und in dem Kirchhof St. Pontiani bestattet. Aber bald verbreitete sich der Ruf der diesem Grabe entströmenden Wunder durch Rom und die Welt. Ja das Zutrauen der Römer zu St. Quirin war nun so hoch gestiegen, daß der Papst Bedenken nehmen mußte, in Adalberts und Otkars Bitte geradehin und öffentlich zu willigen. Doch versprach er den erbetenen Schatz einem Boten, den sie später senden sollten, unter dem Siegel des Geheimnisses zu übergeben. Beruhigt durch diese Zusage kehrten die frommen Brüder mit dem Segen des Papstes über die Alpen zurück. Und während sie nun hier beschäftigt waren, Alles für den Empfang des erwählten Patrons ihrer Stiftung zu bereiten, eilte ihr Schwestersohn Uto nach Rom, um das zugesagte Kleinod in der Stille zu erheben und über die Alpen zu geleiten. Dort, wo das Heiligthum den letzten Abend geruht, unfern des Sees, entsprang eine Quelle voll Heilkraft. So war denn schon die erste Stunde der Ankunft des Patrones segenbringend für die Gegend, alle Bewohner strömten im Festkleide dem Zuge entgegen, und geleiteten den Sarg mit Gebeten und Hymnen zur Salvatorskirche, wo er ruhen sollte, bis das neue Gotteshaus vollendet. Endlich, im siebenhundert vier und fünfzigsten Jahre der Geburt des Erlösers, ward die feierliche Weihe der Klosterkirche vollzogen. Die Bischöfe von Salzburg, Regensburg und Freising verherrlichten das Fest, und geleiteten an der Spitze der Priester, das Heiligthum aus dem Kirchlein in die Gruft des neuen Tempels. In dieser Stunde vollzogen auch die Stifter ihr Gelübde, der Welt für immer zu entsagen, vertauschten ihre Waffen mit dem Ordenskleide Benedikts, und legten den Stiftungsbrief nieder auf St. Quirins Altar. Der Papst, der König und der Fürst des Landes genehmigten die heilige Handlung, und nicht minder bestätigten sie den unter Leitung des Bischofs von den Mönchen einstimmig zum Abte gewählten Graf Adalbert, in dieser seiner neuen wohlverdienten Würde.

67. Der Traam.

Von F.v. Kobell. – Sage vom Birkenstein, Wallfahrt bei Fischbachau in Oberb.

Es hat amal an' Diendl traamt, Sie hätt' si' in an' Wald verganga, Und is ihr da, hat nie g'wißt wie, A Graus'n kemma und a Banga; Und wie se si' so g'forcht'n hat, Da hört s' in Laabern 'was rebell'n, Und kimmt a Wolf nett auf sie her, Als wollt er ihr n' Weg verstell'n. Und in der Angst da hat sie g'lobt, Zu'n Birkastoa' a Wallfahrt z'macha, Da is der Wolf gar g'schwind davo' Sie hat scho' gmoa't, er hätt' s' in Racha', –

Und wacht na' auf und hat wohl g'schnauft Und hat lang denkt an ihra Traama Und an den Wolf, und wie's wohl waar, Wann s' ebber amal so 'zammakaama. Und ob s' die Wallfahrt macha sollt', Hätt s' freili grad in Traam versprocha, In selli Sach'n aber moant s', Da waar halt leichtli' 'was verbrocha. Sie fragt an' Holzknecht, der hat oft Sein Retsl1 kocht in ihra Hütt'n, Der ab'r is gwest a Teufisstrick Koa Freund von Bett'n und von' Bitt'n. »Jetzt roas' mit deiner Wallfahrt da, So sagt er, is da' ja nix g'schegn, Was werst denn bett'n weg'n an Wolf, Hast deiner Lebta' no' koan g'segn. –« Dees Diendl aber, woltern frumm, Hat denkt, es kunnt' ja nie nix schad'n, Wann s' ebber gaang, sie kaam so mehr Bei unsrer lieb'n Frau in Gnad'n. So geht s' halt hi' gon Birkastoa' Und thuat ihr Andacht wohl verricht'n, Und fröhli' na' geht s' wieder hoam, Hat denkt an manchi Wunderg'schicht'n. Und wie s' am Kuhzack auffi kimmt, Da thuat der Holzknecht Baam ausstocka, Der lacht s' wohl aus und sagt dazu: »Host oan dawischt an' Wunderbrocka? –« Kaam aber, daß dees Wort heraus, So rühr'n si' die nächst'n Bosch'n, Und wüethi' rumpit her a Wolf, Da ist den oan der Mueth verlosch'n, Da san s' wohl g'loffa alli zwee, A Wolf kann aber besser laaffa, Den kimmst nit aus, wann er grad mag, Hilft a koa' Wihr'n und koa Raaffa. Und schau den' Diendl thuat er nix, Dees so viel frumm gwest in sein G'wiss'n, Den Holzknecht aber hat er packt Und hat 'n grausamli' zerriss'n –. No' heutig's Tags, wie Alles g'scheg'n, Ko'st auf an g'molt'n Taferl seg'n, Dees hängt dort, in den heiling' Haus Am Birkastoa' in Gang heraus.

Fußnoten

1 Eine Mehlspeise.

68. Die übergoßn' Alm.

Von F.v. Kobell. – S. Volksbüchlein von Auerbacher I., 122., woselbst der nördliche Abhang der Kaiser am Wendelstein als Oertlichkeit der Sage benannt ist. M. Schottky, Bilder aus der südd. Alpenwelt, S. 172 u. 241.

Bals d' aufi steigst zum Blimbachthor, Da sichst den ewign Schnee, Wo dort jetz' All's d' erfrorn, is sunst Wohl gstanden schöner Klee Und Woad für vieli hundert Küh', An' Alm, wie koani mehr, Dees aber is vor Alters gwest Und is scho' hübsch lang her. Und selm, da hab'n Diendl'n g'haust Auf dera Alm da drobn, Die san wohl gwest gar schö' und reich, Sunst weiter nit viel z'lobn. Sie habn a' lusti's Leb'n g'führt, Denn was die Alm d' ertragn, Wie Milch und Kaas' und Butter g'west, Dees ko' ma' gar nit sagn; Und weil's halt so d' ergebn hat, San d' Diendln fürnehm worn Und übermüthi', wie 's halt geht, Voll Hoffarth hint' und vorn. Und hamm die Küh' mit Glockna ziert Vo' Silber, Narr, a' Pracht, Und d' Stier' die Horn auf's schönst' vergold't, Und selli Sachan g'macht. Und Wein vo' Salzburg Faßlweis Hamm s' in die Keller g'habt, Da hat an diem a Jagabua Sei' Noagl eini g'schnappt. Statt aber, daß s' aa 'was d' erkennt, Und bet't hätt'n fruh und spat, Hamm s' nie an unsern Herrgott' denkt, Nie dankt für soviel Gnad! Amal in ihnern Uebermuth Hamm s' gar a' Straßn g'macht Vo' lauter Butter über 'n Berg Und hamm d'rauf tanzt und g'lacht Unb daß der Teufi aa' was hätt' Ham s' gmoant, so soll er s' habn Die Straßn, frißt er s' über Nacht Mit seine Brüderln zamm; Dees habn s' g'jurt und g'ruafa laut Hi' geg'n die Teufishorn Und g'schrie'n: Du lus' auf da drent Mit deini lange' Ohrn. Und hamm so furt tho', bis die Stern Am Himmi scho' zun segn,

A' selles Volk is kaam amal Mehr auf 'ra 'n Alma g'legn. O Uebermuth, du findst dei' End, Du findst es oft gar gschwind – Um zwölfi Nachts an's Fenster stößt Und pfeift a' scharfa Wind, Und wie wann oana sterb'n thaat, Hat 's nacha draußtn tho', A' schreckli's Seufzen hat ma g'hört (An' dieweiln hört ma's no), Und drauf a' Sturm is rüber g'saust Von Funtntauern her, Und war, als war's lebendi worn In groß'n stoanern Meer', Als schlüg'n Felsn ananand Wie Welln, grausi schwaar, Als wann der Teufi mit der Höll' Da aufi kemma war. Und 'kracht und dunnert hat's, als wann Der Watzmann stürzet ei', Als kaam vom Himmi a' Lawin' Und schlüg' in d' Alm nei'! – O heilige Muatta, steh' uns bei, O schauderhafti Nacht Da hat wohl All's in Berg und Thal Mit Angst und Bet'n gwacht. Und wie der Tag na' kemma is, Ko' so was Grausi's g'schegn? Schau d' Alm und d' Sennderinne' d'rauf, Koa Mensch hat s' nimmer g'segn. In Schnee und Eis vergrabn san's Mit Hüttn, Kuh' und Kalbn, D'rum hoaßt mar 's aa no heuntigs Tags Die übergoßn' Alm. Und is die Alm a' Zoacha, gel', Wie 's geht mi'n Uebermuth Und wann ma blind vor lauter Glück Auf Gott vergeß'n thuat.

69. Weihenlindens Ursprung.

Erzählt von Nagler nach handschriftl. Quellen im Vat. Mag. Erlangen 1838, S. 185. Vgl. Maria, ein Bronn usw. Erster Theil. München 1745. Kurzgef. gesch. Darst. des Wallf. Maria in Weihenlinden von M. Reither. Högling 1835. S. 6.

In der Gegend, wo Weihenlinden liegt, schwärmten die Hunnen umher und vertrieben die erschreckten Bewohner. Wer sich ihnen nahte, starb von roher Hand, und so erzählt die Sage, daß da, wo sich jetzt die Kapelle der heiligen Jungfrau befindet, die umzäunten Gräben dreier von den Hunnen erschlagener Männer gewesen. Niemand konnte es ungestraft wagen, darüber leichtsinnig hinzugehen und selbst das Vieh fiel todt darnieder, wenn es versuchte, darüber wegzuspringen. So stand der Ort bald unter dem Schutze öffentlicher Verehrung, und als endlich die Schweden jene Gegend heimsuchten, gelobten die Höglinger, aus Furcht, Gustav Adolphs Soldatesca möchte, wie überall, auch hier plündern und verwüsten, auf jener

heiligen Stätte eine Kapelle zu bauen, falls sie und ihre Habe verschont bleiben sollten. Sie litten nichts von den Feinden, aber nach verschwundener Gefahr dachte die Gemeinde Högling nicht mehr an das Gelübde, bis endlich die Pest kam und daran erinnerte. Jetzt bauten sie über den Gräbern eine Kapelle von Stein und in dieser wurde eine Bildsäule der heiligen Jungfrau aufgestellt, ein beinahe drei Fuß hohes Holzbild, welches früher in der Pfarrkirche zu Högling gestanden. Es stürzte zu jener Zeit, man wußte nicht durch welche Veranlassung, plötzlich vom alten Stande herab, ohne sich jedoch im Mindesten zu beschädigen, was man durch ein Wunder erklären zu müssen glaubte. Das Bild wurde nun für heilig gehalten und in jene neue Kapelle übertragen, wo sich Wunderbares ereignete. Die Bewohner der ganzen Gegend kamen zum Gnadenbild, reichliche Opfer floßen, so daß man bald auf den Bau einer größern Kirche bedacht war. Der Ort, wo die Kapelle sich erhob, hatte anfänglich keinen Brunnen, und man mußte das Wasser weit herbei tragen. Als die Höglinger beim Beginne des zweiten Baues nun auch einen Brunnen graben wollten, stießen sie dabei auf große Schwierigkeiten und es schien, daß sie keine Ader treffen sollten. Ganz entmuthigt über das wahrscheinliche Mißlingen ihrer Arbeit, sahen sie ermüdet eines Tages drei Pilgrime daher kommen und diese munterten die Arbeiter zur Fortsetzung des Werkes auf, indem sie freundlich versicherten, daß sich in kurzer Zeit ein Ring finden werde, der ihnen die Spur des heilsamen Wassers zeigen würde. Und siehe da, bald darauf fanden sie einen silbernen Ring mit zwei Steinen und den Quell lebendigen Wassers. Nun gingen die Fremdlinge und Niemand sah sie wieder. So glaubten die Bewohner, es seien drei Engel gewesen, zum Zeichen des dreieinigen Gottes gesandt, weßwegen sie die neue Kirche der heil. Dreieinigkeit weihten.

70. Wie die Kirche zu Ebersberg ihren Anfang genommen.

Ebersberg in Oberb. – Oefele scriptor. II., 4. F.X. Paulhuber Gesch. von Ebersberg, S. 234.

Es war, wie die alten Geschichtsbücher melden, um das Jahr 879, als Graf Siegfried von Ebersberg ruhig auf seinem Schlosse zu Sempt im Kreise seiner Familie lebte und unter andern sein Vergnügen am Waidwerke in den umliegenden Wäldern fand. Dazumal war die Gegend von Ebersberg noch gar wild und schauerlich. Gewaltige Eichen und Buchen, von Schlingpflanzen durchflochten, reihten sich zu einem undurchdringlichen Urwald aneinander. Nur auf einzelnen schmalen Stegen und Wegen konnten die Jäger in dieser Wildniß vordringen, in welcher große schwarze Eber ihren Aufenthalt hatten. Eines Tages pflegte der Graf von Ebersberg des gewohnten Waidwerkes, als man urplötzlich eines gewaltigen Ebers ansichtig ward, der durch seine Größe und Stärke in Erstaunen setzte. Auch sein Lager oder Bett wurde bald ausgekundschaftet; es war auf einer Anhöhe in einer Sandsteinhöhle unter einer uralten Linde gewählt. Alle Mühe und Anstrengung des Grafen und seiner Leute, das schreckbare Thier zu fangen oder zu erlegen, waren vergebens. Einmal war man ihm nahe auf der Spur, so daß es den Augen der Jäger und Rüden ansichtig war, als es urplötzlich zum Entsetzen Aller verschwand, also daß man erkannte, es sei kein natürlicher Eber, sondern der leibhaftige Teufel aus der Hölle gewesen. Solches wollte sich aber auch noch später bestätigen, indem an jener Linde vor dem Höhlenlager des Thieres das umwohnende Volk zusammenströmte und heidnischen Aberglauben und Götzendienst trieb. Das vernahm ein heiliger Mann, Konrad von Heuwa, welcher am Bodensee wohnte. Da sendete er Boten an den Grafen Siegfried von Ebersberg und ließ ihm sagen: »Haue die Linde um und zerstöre die Höhle von Grund aus; an ihrer Stelle erbaue dem wahren Gott ein Kirchlein, denn es ziemt sich, daß er angebetet und dem Götzendienste ein Ende gemacht werde.« Die nämliche Botschaft ist von einem andern Einsiedler, Namens Gebhard von Straßburg an den Grafen gekommen, worauf dieser nicht länger gesäumt und nicht nur ein schon früher erbautes, aber verfallenes Valentinskirchlein erneuet, sondern auch eine Kapelle zu Ehren der Mutter Gottes Maria gegründet hat.

71. Richardis von Ebersberg.

Rader. Bav. S. II., 159. Paulhuber a.a.O. 546.

Es geschah um das Jahr 1012, als der Graf Ulrich von Sempt mit seiner Gemahlin Richardis auf einer Burg unweit Ebersberg wohnte, daß die fromme Gräfin alltäglich des Morgens frühe nach dem Kirchlein zu Ebersberg wandelte, um Gott zu dienen und die heilige Messe zu hören. Sie versäumte keinen Tag in diesem frommen Beginnen und ließ sich auch durch Regen oder Schneegestöber nicht davon abwendig machen. Einmal ging sie früh Morgens ganz allein ihres Weges durch den einsamen Wald dem geliebten Kirchlein zu. Stille war rings umher, kein Rauschen des Laubes vernehmbar, selbst die Vöglein ließen kaum vereinzelte Morgengrüße ertönen. Da schlug auf einmal ein ungewisses Summen wie von fernem Glockenklang an ihr Ohr. Sie blieb stehen und lauschte, es war die wohlbekannte Stimme des Glöckleins von Ebersberg, welches ihr deutlich zurief, daß sie nun heute zu spät kommen werde. Da entfiel ihr vor Betrübniß ein Handschuh, den hatte im Augenblick eine Elster im Schnabel und flog damit durch die Lüfte. Richardis eilte jedoch des Weges weiter, um wenigstens dem Beschlusse des heiligen Opfers mit anzuwohnen. In dem Augenblicke aber, als der Priester zu Ebersberg den Altar betreten wollte, flog die Elster mit dem Handschuh zur Thüre herein und legte ihn ohne Scheu auf dem Altare nieder. Niemand wußte sich das zu deuten, bis man den Handschuh der edlen Gräfin von Sempt erkannte und daraus schloß, daß sie noch unter Weges sei. So hielt denn der Priester mit der heiligen Handlung ein, bis Richardis erschienen war. Das Bild der Elster am heiligen Orte gibt noch zur Stunde der im Volke lebenden Sage Zeugniß.

72. Die Münchner Sauerbäcken.

Ertl relatt. cur. Bav. II., 289., v. Hormayr goldene Chronik. S. 104.

Als man zehlt ein tausend dreyhundert, und zwei und zwanzig auch besundert, nach Christi Geburth ausserwählt, thet regieren der threye höldt, Kaiser Ludwig gantz offenbahr, ein frommer Fürst von Bayern war. Wider ihn zog gewaltigleich herzog Friederich von Oesterreich Mit einer großen Heeresmacht bei Mühldorf da geschah die Schlacht Unglikh thet ob dem Kaiser schweben, Der Feind hett ihn gar hart umgeben, da solches die Becker-Knecht ersachen, theten sie sich dem Kaiser nachen, triben mit ihrer Gegen währ zurukh das österreichisch hör und errötteten den Kaiser baldt, gewunnen die Schlacht mit grossen Gewalt darauf der Kaiser ihnen mit Zier den Adler setzet in ihr Panier bestett ihnen auch mit großer Krafft, unser lieben Frauen Bruederschaft, Bauet ihnen zu München auch zu mahl ein Haus, welches liegt in dem Thal hängt an der hochbruckmill darneben

Gott gab dem Kaiser das ewige Leben winschen all Brüder und Schwester eben.

73. Diez Swinburg.

Andere nennen ihn Schaumberg. Trithem. chron. Hirs. II., 181. Fries Würzb. Chr. p. 622 bei Falkenstein Hochst. Eichstett II., 175. Grimm d.S. II., 203 Vat. Mag. 1841, S. 344.

Der Ritter Diez von Swinburg hatte in Ludwig des Bayers Kriegen unvergleichlich tapfer und uneigennützig gedient, namentlich war er ein rechter Verfechter am heißen Tage von Ampfing gewesen, wo der Gegenkönig Friedrich der Schöne von Oesterreich den Sieg an den Schweppermann, die Freiheit an dessen Schwager den Rindsmaul, verlor. Man war ihm einige tausend Pfund Berner schuldig. Er konnte sie nicht erlangen. Ihm dagegen nahmen unbarmherzige Gläubiger was sie nur konnten. Er war für dieses Gesindel zu ehrlich, zu gutmüthig, von allzugroßer Leichtgläubigkeit. So verlegte er sich denn darauf, sein vier Heerstraßen überschauendes Schloß als das beste Saatfeld kommenden Reichthums anzusehen. Bald klagten bei Ludwig dem Bayer, dem ersten deutschen Bürgerkönig, Augsburg und Nürnberg, aber auch Donauwörth, Rothenburg, Wissenburg und Schweinfurt über Diezens wilde Gewalt, die den ganzen Handel beeinträchtigte. Der Kaiser gab ein strenges Mandat gegen den Landfriedensbrecher. Diez wurde geächtet und gebannt und bald von einem Exekutionsheere überzogen. Er unterlag nach tapferem Widerstande. Die meisten seiner Knechte ließ man laufen, weil sie geglaubt, nichts Böses zu thun; einige behielt man zurück, zu gütlicher oder peinlicher Frage über Dietrich Swinburgs offnen Anhang, heimliche Gönner, Hehler oder Anstifter. Diez hatte sich auf Entscheidung des Kaisers berufen. Die half aber wenig, man wollte ein abschreckendes Beispiel, die Städte galten Alles, die Raubritter blutwenig. So wurden der Diez und seine vier besten Knechte zu außerordentlicher Hinrichtung nach München geführt im Jahre 1337. Diez Schwinburg bat nicht einen Augenblick für sich selber, so sehr es ihm auch nahgelegt war, denn im Kaiser schlummerte noch immer ein altes Wohlwollen für ihn, der Ritterspruch lautete auf's Schwert für Alle. Da bat Diez Swinburg die Ritter um Gnade für die vier ehrlichen, trefflichen Gesellen, so die Treue gegen ihn mit in seinen Untergang gezogen, zumal für den jungen, schönen, tapfern Georg. Es wurde geweigert. Nun that Diez noch einmal ein gewaltiges Bitten, so weich und flehentlich, daß es aus des alten, wilden Kriegers Munde einen Stein erbarmte. Bei der Hinrichtung sollte man ihn und seine vier Knechte in eine Zeile stellen, jeden acht Schuhe von einander, und mit ihm die Enthauptung anfangen. Er wolle dann mit abgeschlagenem Haupt aufstehen und vor seinen wackern Knechten vorbeilaufen. Vor so vielen er vorbeigelaufen, denen möchte das Leben begnadigt sein. Als ihm dies die Richter spottweise gewährt, stellte er seine Knechte, je den liebsten am nächsten zu sich, kniete herzhaft nieder und wie sein Haupt auf einen raschen Streich abgefallen, stand er alsbald ohne Kopf auf, lief vor allen vier Knechten hinaus, fiel alsdann hin und blieb todt liegen. Die Richter getrauten sich doch nicht, den Knechten ein Leid zu thun. Sie berichteten alles dem Kaiser, und erlangten, daß denselben das Leben geschenkt wurde.

74. Der Teufel und der Wind.

Von G.F.N. Die Sage mündlich.

München in dem Bayerlande zieren Thürme manigfalt,Zwei doch ragen hoch vor allen von gewaltiger Gestalt.

Viel der Jahre sind entflohen, seit man sie so stolz gebaut,Seit von ihrer Kuppel nieder schon des Wächters Auge schaut.

Als die Kirche schön vollendet prangte über Stadt und Au,Und zum Dome man sie weihen wollte Unsrer lieben Frau,

Aergerniß der böse Satan ob des schönen Bau's empfand,Den er alsbald zu zerstören mit dem Nordwind sich verband.

Dieser stürmte um die Mauern, zu verwandeln sie in Staub,In den innern Hallen strebte Jener nach der Schätze Raub.

Doch als er am Hinterthore unterm Chore trat hinein,Und er durch die hohen Säulen sah nicht eines Fensters Schein,

Ist er wieder fortgegangen, hat den eitlen Bau verlacht,Dessen Inn'rem (wie er meinte) strahlet nie der Sonne Pracht.

Wo des Satans Fuß gestanden, ist er eingeprägt in Stein,Und die Frauenthürme werden Zeuge später Nachwelt sein,

Daß die Gott geweihte Kirche, daß des Glaubens frommes LichtBeugen kann des Teufels Sinnen, kann der Winde Wüthen nicht;

Denn ob seit vierhundert Jahren mächtig auch der Nordwind schnaubt,Ragt, trotz Allem, sonder Wanken, hoch der Thürme festes Haupt.

75. Was von der Frauenkirche gesagt wird.

R.u. H. Marggraff München. S. 181.

Noch heutiges Tags erzählt man sich nach Ueberlieferung aus alter Zeit, daß der Mörtel zum Baue der Frauenkirche mit bayrischem Weine angemacht worden. – Auch wissen noch Viele, daß es im linken Thurme, der nicht bestiegen werden kann, nicht geheuer ist. – Endlich wird gesagt, daß Kaiser Ludwig unter seinem Mausoleum in aufrechter Stellung sitzt.

76. Von Barbara, Herzog Albert III. in Bayern Tochter.

A. Grammer dritte verb. Aufl. des deutschen Roms. München 1784. S. 45. Rader. Bav. sancta II., 338.

Als der König von Frankreich Barbara, Herzogs Albert III. Tochter, zu einer Braut für seinen Kronprinzen begehrte, wollte sie lieber dem himmlischen Bräutigam für beständig eigen sein. Sie ist auch gar bald in dem achtzehnten Jahre ihres Alters von ihm zur himmlischen Freude abgeholt worden, im Jahre 1474, vierzehn Tage vor ihrem Abscheiden ist der Majoranstock, der vor ihrem Fenster blühte, ganz verwelket. Den Tag darauf haben alle Gattungen der im Käfig befindlichen Vögelein zu singen und auch zu leben aufgehört. Den achten Tag vor ihrem Ende versprang die von ihrem Herrn Vater ihr verehrte goldene Kette auf ihrer Brust. Nach ihrem seligen Hintritte hat sich noch ein größeres Wunder ereignet, dergleichen in keiner Kirchengeschichte gelesen wird. An dem vierzehnten Tage nach ihrem Tode ist ihr eine andere Ordensschwester in die Ewigkeit nachgefolgt, nach dieser in gleicher Frist wieder eine andere, nach Verlauf solcher Zeit wieder eine andere, bis endlich zwanzig an der Zahl, jede nach vierzehn Tagen, als unschuldige Tauben zu ihr nach dem Himmel geflogen sind. Sie wurde in der St. Jakobskirche auf dem Anger zu München begraben. Als im Jahre 1642 ein großer Stein, unter welchem ihr Leichnam lag, in etwas hinweggerücket worden, hat ein annehmlich himmlischer Geruch alle Anwesenden mit Erstaunung erfüllet.

77. Herzog Christophs Stein.

In der Residenz zu München unter dem Thorbogen zwischen Kapellen- und Brunnenhof. Ueber demselben liest man auf einer Marmortafel an der Mauer, an welcher auch drei Nägel übereinander die Sprunghöhen andeuten, folgende Reime:

Als nach Christi Geburt gezählet war Vierzehnhundert neunzig Jahr. Hat Herzog Christoph Hochgeboren Ein Held aus Bayern auserkohren Den Stein gehebt von freier Erd Und weit geworfen ohn gefehrd. Wigt drey hundert vier und sechzig Pfund, Das gibt der Stein und Schrift Urkund.

* * * Drey Nägel stecken hie vor Augen, Die mag ein jeder Springer schaugen, Der höchst zwölf Schuh von der Erd, Den Herzog Christoph ehrenwerth Mit seinem Fuß herab thät schlagen. Kunrath lief bis zum andern Nagel, Wohl von der Erd zehnthalb Schuech, Neunthalb Phillipp Springer luef, Zum dritten Nagel an der Wand. Wer höher springt wird auch bekannt.

78. Herzog Christophs Stein.

Von Guido Görres.

Zu München in dem Bayerland Da ist's gar hübsch und fein; Zu München in dem Königsschloß Da liegt ein großer Stein.

Er liegt gebunden gut und fest An einer Kette dort, Doch sagen kann ich nicht warum, Ihn trüg ja keiner fort.

Der jungen Herren gehen viel Zu München aus und ein, Doch alle lassen ruhig stehn, Denselben großen Stein.

Ein Herzog war im Bayerland Vor Allen keck und kühn, Der warf den Stein mit leichter Hand Ein gut Stück Wegs dahin.

Und Christoph hieß der Herzog kühn Ein Held so wohlbekannt, Wie weit er warf, wie hoch er sprang, Das steht dort an der Wand.

Und kömmst du einst nach München hin Und gehst in's Schloß hinein, Vergesse mir vor Allem nicht Des Herzogs großen Stein.

Und wirfst du ihn wie er so weit Und springst du so gewandt: Dann schreibt man deinen Namen auch Zum Herzog an die Wand.

Doch weil noch keiner kam und sprang Und warf so weit den Stein, Drum soll der Fürst der Bayern stets Von uns gepriesen sein.

Und möge unsern Fürsten all Der liebe Gott verleihn, Aus jeder Noth den rechten Sprung Und Kraft für jeden Stein.

79. Turnier zu Landshut.

Von Schöppner. – Adlzreiter P. II. l. IX. p. 190 Falkenstein, Gesch. d. Herz. Bayern III., 431 u.A.

Zu Landhut in dem Schlosse schallt Der Hochzeit Jubel laut, Des Polenkönigs Tochter ward Dem Herzog angetraut.1

Da fanden sich von nah und fern Der tapfern Ritter viel, Auf Rossen hoch und blank in Stahl Zum edlen Waffenspiel.

Vor allen war ein Ritter stark Vom Polenlande her,2 Der führt den Degen so behend Und schwang so leicht den Speer.

Durch einen Herold macht er kund: Wer ihn besiegen wollt', Der möge tausend Gulden baar, Empfah'n des Sieges Sold.

Doch keinen von den Herren all Gelüstet nach dem Geld, – Da springt erzürnt ein Herzog auf: Herr Christoph war der Held.

Und mächtig schwingt er seinen Speer Zum Kampf mit starker Hand,

Ein Stoß – es lag der Polenheld Getroffen in dem Sand.

Da bliesen die Trompeten hell Zu Herzog Christophs Ehr, Es war kein Held im Bayerland So ritterlich als er.

Fußnoten

1 Hedwig an Georg den Reichen.

2 Graf von Lublin.

80. Teufel in der Bierschenke.

Sprenger malleus II. qu. 1. c. 3. J.W. Wolf d.M.u. S. 446.

In einem Städtchen bei Landshut waren eines Tages mehrere Studenten in einer Bierschenke versammelt; sie beschlossen, daß der, welcher das zu trinkende Bier zutrage, Nichts zu zahlen habe. Einer von ihnen erbot sich, das Geschäftchen zu übernehmen; als er aber die Thür öffnete, um Bier zu holen, sah er einen so dichten Nebel vor der Thür, daß er erschrocken zurücktrat und sprach, er gehe um keinen Preis Bier holen. Da sagte ein Anderer, welcher ein kühner und frecher Bursche war: »Ei und wenn der Teufel vor der Thüre stände, ich schaffe uns Bier;« ging also und riß die Thür auf, wurde aber gefaßt und weg durch die Luft geführt, daß Alle ihn sahen und hörten, wie er jämmerlich schrie. Weit von dem Orte ab wurde er auf die Erde niedergesetzt. Er ging von da an in sich und ist später geistlich geworden.

81. Herzog Otto's Liebe auf der Gretlmühl bei Wolfstein.

Von Wolfgang Müller. – Die Gretlmühl bei Wolfstein unterhalb Landshut. S. Oefele II., 573. Grimm d.S. II., 204. Eos I., 93. Das Volk wußte lange davon zu sagen. – Eine Bearbeitung in 7 Romanzen von Büssel in Hormayrs Taschenb. 1830, S. 421.

Ei, Herzog Otto sprich, wohin? Wo ziehst du träumend in den Wald! Kommt dir der Krieg nicht in den Sinn Der durch dein Bayerland erschallt?

Er denkt nicht an den heißen Streit, Ihm thut so wohl des Waldes Grün, Als wollt vergeßne Jugendzeit Noch einmal fröhlich um ihn blühn.

Das Laubwerk rauscht ihm Märchen vor, Die Blumen duften süß ihn an: Aus Baum und Busch der Vögel Chor, Sie grüßen all' den schönen Mann.

Der Abend kommt, er merkt es kaum, Der Traum entweicht, da ist es Nacht.

Er ist verirrt im Waldesraum; Ei woran hat er denn gedacht?

Da blinkt ein Licht, ein Mühlwerk geht, Er folgt dem Rauschen, folgt dem Schein, Er klopft an's Haus, das vor ihm steht; Die schöne Müllerin läßt ihn ein.

Es staunen beide ohne Laut, Kaum bieten schüchtern sie den Gruß; Doch wird die Schönheit bald vertraut, Sie kosen wechselnd Kuß um Kuß.

Er kehrt erst, wie der Morgen lacht. – Ei Herzog Otto sprich wohin? Er geht durch grüne Waldesnacht Mit träumend ahnungsvollem Sinn.

Zu Wolfstein auf dem Jägerschloß Läßt ihm die Liebe keine Ruh, Er geht des Ritterschmuckes bloß Bei Tag und Nacht der Mühle zu.

Er pflanzet grüne Ulmen hin Auf seinen Weg zum Mühlengrund, Geht zwischen durch zur Müllerin Und pflegt den süßen Liebesbund.

Ei Herzog Otto schöner Held, Weil deine Liebe war so stark, Verlor dein Heer auf blut'gem Feld Die schöne Brandenburger Mark.

Doch ach, was soll ihm Reich und Kron? Er gäbe Alles hin sogleich, Denn er beherrscht vom schönsten Thron Der Liebe helles Wunderreich.

Da wölbt der Himmel stets sich blau, Die Blumen weckt der Sonnenschein, Es sinkt und klingt durch Wald und Au, Nicht schöner kann's im Himmel sein.

Ob Schloß und Mühle längst zerfiel, Die Ulmen deuten noch die Zeit, Und flüstern oft des Abends viel Von süßer Liebe Heimlichkeit.

82. Sattlern bei Vilsbiburg.

Sattlern Feldkapelle der Pfarrei Gaindorf unfern Vilsbiburg. – Adlzreiter P. II. l. 1. p. 19. Hormayr goldene Chronik, S. 106. Eos 1825, N. 178, S. 722.

Als der siegreiche Ludwig nach der Schlacht bei Ampfing seinen hohen Gefangenen, Friedrich den Schönen, nach Regensburg führte und durch das grüne Waldthal an der Vils, bei Görzen, im schlechten Wege ritt, stürzte urplötzlich das Roß unter ihm zusammen und konnte durch kein Mittel wieder emporgebracht werden, ja selbst der Reiter saß vor Schrecken ganz betäubt auf dem gestürzten Rosse wie angeheftet. Da meinte der edle Marschalk, nun Stallmeister des Königs, Parzival von Sporneck, das sei ein deutliches Zeichen von Oben, wie Ludwig der himmlischen Frau noch Dank schulde, dieweilen sie ihn im Gewühl der Schlacht mit ihrem Schilde gedecket. Solche Vermahnung ward von dem Sieger mit Dank angenommen und das Gelübde gethan, an dem Orte des Unfalles der lieben Frau ein schönes Betkirchlein aufzurichten. Alsobald soll sich des Königs Roß ermannt und freudig wiehernd aufgesprungen sein. Ludwig erbaute das Kirchlein und schenkte das edle Roß sammt herrlichem Sattel und Zeug zur neuen Kapelle, welche davon den Namen Sattlern empfing.

83. Der Natternberg.

Mündlich.

Deggendorf genüber am rechten Ufer der Donau erhebt sich der Natternberg, auf dessen Gipfel noch die Trümmer eines Schlosses, des Grafen von Bogen, stehen, in welchem Herzog Heinrich der jüngere von Landshut, genannt der Natternberger, erzogen ward. Wie dieser seltsame Felsen mitten in die Donauebene gekommen, weiß die lebendige Volkssage zu berichten. Die Deggendorfer waren vor Zeiten ein braves, gottesfürchtiges Völklein, daran der Teufel, wie natürlich, kein Wohlgefallen fand. Schon lange war er bemüht, denselben einen recht boshaften Streich zu spielen. Da fand er im Land Italia einen gewaltigen Felsblock, gerade hoch und breit genug, um einen Strom wie die Donau zu stemmen und ihm ein anderes Rinnsal anzuweisen. Also faßte er das schöne Felsstück und trug es in raschem Fluge durch die Lüfte bis in die Gegend, wo Deggendorf liegt. Schon freute er sich in Gedanken, den Berg in die Donau zu schleudern und das fromme Deggendorf durch Ueberschwemmung zu vertilgen: da klang urplötzlich das Aveglöcklein vom nahen Kloster zu Metten herüber, und in demselben Augenblick ließ der Böse den Felsen wie gelähmt in's flache Land an der Donau fallen. Und daß diese Geschichte sich also wahrhaftig zugetragen, beweiset der Natternberg, welcher noch heutiges Tags an derselben Stelle ruht.

84. Die Braut von Fürstenstein.

Von Adalbert Müller. – Fürstenstein, Schloß im Bayerwalde, Ldg. Passau.

»Wohin, wie die Windsbraut, mein edler Herr! Wohin im Hochzeitgewand? Es blutet der Sporn, es schäumt die Mähr', – Es glüht unter'm Hufe der Sand.«

So sprach zum Junker von Falkenau Ein Frauenbild wohlgethan; Die Fremde saß früh im Morgengrau Am Hochgerichte und spann.

»Ich reit fürbaß gen Fürstenstein, Zum Schlosse, wohl stattlich erbaut; Die Fahrt ist eilig, es wartet mein Mit Sehnsucht die herzliebe Braut.«

»Ach, guter Ritter! Jetzt ist nicht Einst –

Aus Rosen weht Leichenduft; Die du in's Brautbett zu führen meinst, Sie schlummert in modriger Gruft.«

»Ha Natter! den Stich bezahlst du zur Stund; Nicht straflos sagst du mir Spott; Erst gestern küßt' ich Süßliebchens Mund, So warm und so purpurroth.«

Er rief's und zuckte das scharfe Schwert, Und hieb mit Zornesgewalt – Doch spurlos, wie duftigen Nebel, durchfährt Das Erz die Frauengestalt.

Da bäumt sich der Rappe von Geisternäh' Und stürzt mit dem Reiter thalab; Dem Armen wird es um's Herz so weh: »Ach Liebchen! so lägst du im Grab?«

Es flattert im Winde sein blondes Haar, Sein Busen athmet mit Noth; Er klagt und seufzet wohl immerdar: »O weh mir! ist Liebchen todt?«

Und als die Sonne zu Rüste ging, Beschien sie des Fürstensteins Thurm; Vom Giebel ein schwarzes Fähnlein hing, Drin sauste gar traurig der Sturm.

Die Sterbeglocke klang dumpf an's Ohr, Sie klang sonder Unterlaß – Drauf sprengte ein Rappe herein zum Thor – Im Sattel kein Ritter saß.

85. Schneiderburg.

Von A.v. Platen. – Schneiderburg oder Krempenstein auf österr. Boden, doch ganz nahe Passau am rechten Donauufer. Auch von J.N. Vogl besungen.

Ein Schneider flink mit der Ziege sein Behauste den Krempenstein, Sah oft von der felsigen Schwelle Hinab zu der Donauwelle, In reißenden Strudel hinein.

So saß er oft und so sang er dabei: Wie leb' ich sorgenfrei! Meine Ziege die nährt und letzt mich, Manch' Liedchen klingt und ergötzt mich, Fährt unten ein Schiffer vorbei!

Doch ach, die Ziege, sie starb und ihr Rief er nach: Wehe mir!

So wirst du mich nicht mehr laben, So muß ich dich hier begraben; Im Bette der Donau hier?

Doch als er sie schleudern will hinein, Verwickelt, o Todespein! Ihr Horn sich ihm in die Kleider; Nun liegen Zieg' und Schneider Tief unter dem Krempenstein.

86. Handlab.

Handlab Wallfahrtskirche, 11/2 Stunde von Flintsbach, Ldg. Vilshofen in Niederbayern. – A. Müller u. B. Grueber der bayerische Wald S. 109.

In einer hohlen Eiche des Bannwaldes von Engelsberg hatte ein frommer Hirt das Bildniß der Himmelskönigin aufgestellt. Täglich in den Abendstunden fand sich dort die Burgfrau ein, um der Gottesmutter ihr Leid zu klagen. Anna, so hieß sie, lebte in unglücklicher Ehe, denn ihr Gatte war rauhen Gemüthes, über dem blutigen Waffenspiele und der wilden Lust der Jagd und des Trinkgelages die Pflege der häuslichen Freuden vernachlässigend. Wenn die arme Dulderin betete, kniete immer der Hirt ihr zur Seite; so wollte sie es, damit er sein Flehen mit dem ihrigen vereinige. Doch der Weltsinn faßt die Reinheit solcher Seelenverwandschaft nicht; er kann Mann und Weib sich nicht nähern sehen, ohne an Unerlaubtes zu denken. Ein Knappe im Schlosse, dem guten Hirten gram, flüsterte dem Eheherrn schlimmen Verdacht in's Herz. Dieser, dem falschen Buben nur zu willig Gehör leihend, eilt in den Wald hinaus, sieht das Paar an der Gnadenstätte knieen, reißt in blinder Zorneswuth das Schwert aus der Scheide und trennt mit gewaltigem Hiebe der Gattin die Hand vom Arme. Ohne einen Laut der Klage auszustoßen, hob Anna voll Vertrauen auf die mächtige Fürbitte Mariens, den blutigen Stumpf gegen Himmel, und im Augenblicke war die Hand wieder an ihrer Stelle. Nur ein rother Streifen, rings um das Handgelenk sich ziehend, blieb als Denkzeichen der gräßlichen Verwundung zurück. Der Ritter, dem das Walten der höhern Mächte so augenfällig sich kund gethan, ging in sich, änderte sein wildes Leben und war fortan ein frommer, christlicher Hausvater. Die Kirche, welche an der Wunderstätte errichtet wurde, nannte das Volk in seiner Sprachweise »Maria Handlab.«

87. Der Schatz auf dem Hohenbogen.

Sage vom Burgstall, Gipfel des Hohenbogens im Bayerwalde. A. Müllers u. B. Gruebers bayer. Wald. S. 265.

Von diesem Schatze gehen wunderliche Sagen. Er liegt hundert Lachter unter dem Burgstall in einem kupfernen Kessel. Alle hundert Jahre einmal wird ein Mensch geboren, der ihn unter gewissen Bedingnissen zu heben vermag. Ein solcher war ein Hirte von Schwarzenberg, welcher eines Tages seine Heerde auf der sogenannten kleinen Ebene am Flusse des Burgstallkegels weidete. Als er Abends eintreiben wollte, vermißte er ein junges Rind, und nach einigem Suchen hörte er es hoch oben im Walde Laut geben. Er stieg eilig den Burgstall hinan und war schon nahe dem Gipfel, als plötzlich eine wunderschöne, aber seltsam und fremdartig gekleidete Jungfrau vor ihm stand und ihn mit einschmeichelnder Stimme anredete: »Du kommst zu guter Stunde hieher. Wisse, daß es in meiner Hand liegt, dich zum reichsten Manne im Lande zu machen. Ich kann dir offenbaren, auf welche Weise du den unter unsern Füßen vergrabenen Schatz heben magst.« Der Hirt, welchen beim ersten Anblicke der Erscheinung ein heimliches Grauen beschlichen hatte, faßte Muth und entgegnete, daß er bereit sei, die Unterweisung zu vernehmen. Freudig fuhr die Jungfrau fort: »Finde dich heute über acht Tage zu Beginn der Mitternachtsstunde am Fuße des Burgstalls

ein, begleitet von zwei Priestern, welche die Beschwörungen zu sprechen wissen. Ihr werdet den Schatz erhoben auf dem Gipfel des Berges liegen sehen. Schreitet nur muthig darauf los und laßt euch nicht irren, was euch immer in den Weg trete, sähe es auch noch so schrecklich aus; denn es ist eitel Blendwerk des Bösen, das euch weder an Leib noch Seele schaden kann. Bist du an die Schatztruhe herangekommen, so greife mit beiden Händen keck in den Goldhaufen ein, und er ist dein für immer. Aber wehe, so du durch die Künste Satans dich zur feigen Flucht bewegen ließest, wehe dann mir! Abermal müßt' ich hundert Jahre umherirren und könnte nicht zur ewigen Ruhe eingehen. Siehe dieses zarte Reis!« hier wies sie auf ein dem Boden entsprossendes Ahornbäumchen, »es muß zum starken Baume heranwachsen, aus seinem Stamme müssen Bretter geschnitten und diese zu einer Wiege gefügt werden; der Knabe, welcher in dieser Wiege ruhen wird, muß Mann geworden sein, dann erst darf ich wieder auf Erlösung hoffen. Gedenke der unaussprechlichen Leiden einer armen Seele und erbarme dich meiner, wie du willst, daß Gott der Herr sich deiner erbarme!« In den letzten Worten lag der Ausdruck eines so herzzerreißenden Jammers, daß der Hirt davon auf's Tiefste ergriffen ward und mehr durch den Wunsch, so große Pein zu lindern, als durch die Begierde nach den verheißenen Reichthümern zu dem Wagnisse der Schatzhebung sich getrieben fühlte. Eben wollte er der Jungfrau seinen Entschluß kund geben, als sich die Gestalt derselben in leichten Nebelflor auflöste, den der Abendwind über den Gipfel des Burgstalls hinwegtrieb. Aus dem Gebüsche aber, an welchem die Erscheinung gestanden, kam das verlorene Rind hervor und folgte willig seinem Herrn auf den Weideplatz hinab. Des andern Tages hatte der Hirt nichts eiliger zu thun, als nach Neukirchen zum Kloster der Franziskaner zu gehen, und dem Pater Guardian den wunderbaren Vorfall zu berichten. Dieser hielt mit den Vätern Rath, was in der Sache zu thun sei, und man kam zu dem Entscheide, daß es sich hier um die Erlösung einer armen Seele und einen Triumph über den Satan handle, wozu die Diener der Kirche hilfreiche Hand bieten müßten. Nachdem der Guardian seinem Kloster von dem Hirten einen erklecklichen Antheil an dem Schatze ausbedungen hatte, ertheilte er zwei Mönchen, welche als die geübtesten Exorcisten der Gemeine galten, den Auftrag, sich durch Beten und Fasten zu dem heiligen Werke vorzubereiten. Zur bestimmten Zeit trafen die Väter und der Hirt am Burgstalle zusammen, und eben schritten sie über den Weideplatz hin, als die Thurmuhr zu Neukirchen die eilfte Stunde angab. Mit dem letzten Schlage loderte auf dem Gipfel eine hohe Flamme empor, und die Mönche erkannten dieß als das Zeichen, daß der Schatz sich erhoben habe. Nachdem sie den Hirten gewarnt, nicht von ihrer Seite zu weichen, schickten sie sich an, dem bösen Feinde tapfer zu Leibe zu gehen. Aber kaum hatten sie einige Schritte bergan gemacht, als im Walde ein seltsames Leben rege ward. Eulen und Fledermäuse flatterten den nächtlichen Wanderern in dichten Schwärmen entgegen, aus dem Unterholze links und rechts warf es mit Todtenbeinen nach ihnen, und grinsende Schädel kollerten unter ihren Füßen hin. Die frommen Söhne des heiligen Franziskus ließen sich von diesem Spucke keineswegs anfechten, sondern drangen mit lauter Stimme, die Bannformeln hersagend und nach allen Seiten hin Weihwasser sprengend, rastlos voran. Schon mochten sie die Hälfte des Weges zurückgelegt haben, als der bisher mondhelle Himmel sich plötzlich verfinsterte und ein Sturm losbrach, welcher den ganzen Berg aus seinen Grundvesten heben zu wollen schien. Die Blitze fuhren hageldicht auf die Baumwipfel nieder, der Donner krachte Schlag auf Schlag, die Gießbäche stiegen im Nu brausend über ihre Ufer und wälzten mannshohe Fluthen gegen die Drei herab. Diese meinten bis an den Hals im Wasser zu gehen; aber wie sie näher zusahen, fanden sie, daß nicht ein Faden ihres Gewandes naß war. Darum achteten sie es auch nicht weiter, als ihnen noch allerlei Schreckbilder, bald thierähnlich, bald menschlicher gestaltet, in den Weg traten, und erreichten den Gipfel, ohne daß ihnen ein Haar gekrümmt worden wäre.

Hier sahen sie wenige Schritte vor sich, hell von der noch immer lodernden Flamme erleuchtet, ein kesselartiges Gefäß, das bis zum Rande mit funkelnden Goldmünzen gefüllt war. Eben wollte der Hirt vortreten, um, wie ihm die Jungfrau geboten, den Schatz zu erfassen, da wankte der Boden unter ihm, und von unterirdischer Kraft gehoben, wich ein mächtiger Felsblock polternd von seinem Platze. Aus der Oeffnung, die sich gebildet, kroch ein scheußlicher Lindwurm hervor und ringelte seines Leibes endlos gestreckte Glieder dreimal um den Gipfel des Burgstalls herum, einen furchtbaren Schutzwall vor dem gefährdeten Mammon aufthürmend. Das Erscheinen dieses Ungeheuers setzte die Herzhaftigkeit der guten Mönche auf eine zu harte Probe. Sie glaubten sich schon gepackt von scharfen Zähnen des Drachen und purzelten mehr als sie liefen, den steilen Abhang hinunter. Dem Hirten, der sich von seinen geistlichen Helfern verlassen sah, blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen. Wohl vernahmen sie hinter sich die Stimme der Jungfrau, welche in kläglichen Lauten zum Ausharren ermahnte, aber die Flüchtlinge waren nicht mehr zum Stehen zu bringen. Nur einmal hatte der Hirt umzuschauen gewagt und gesehen, wie der Gipfel des Berges sich spaltete und in seinem weiten Risse die Schatztruhe verschlang. Darauf erhob sich ein tausendstimmiges Geheul, welches ihm das Blut in den Adern gerinnen machte. Es war das Hohngelächter der Hölle.

88. Die Riesengeis auf dem Hohenbogen.

Der Hohenbogen im Bayerwalde. – A. Müller u. B. Grueber der bayer. Wald. S. 268.

Vor uralten Zeiten weidete eine Geis auf dem Hohenbogen, welche so ungeheuer groß war, daß ihr Rücken die Wipfel der höchsten Bäume überragte. Tag für Tag fraß das Unthier zwei Morgen Landes ab. Einmal schlief es am Rande eines Hohlweges und ließ seine strotzenden Euter über diesen herabhängen. Ein Holzwagen, der aus dem Hochwalde herabkam, riß ihm im Vorüberfahren eine Zitze weg, und aus der Wunde ergoß sich ein Wolkenbruch von Milch, welcher sieben Dörfer am Fuße des Berges hinwegschwemmte. Das war das erste und letzte Mal, daß stromweise Milch geflossen ist im gelobten Lande Bayerwald.

89. A Mährlein von der Rusel.

Von J.A. Pangkofer, Gedichte in altb. Mundart 1846. Anm. S. XLI. – Sage aus dem Bayerwalde auf der Rusel bei Deggendorf, wo auf beiden Seiten der Strafe viele Quellen hervorsprudeln.

Duat drob'n af en Beag is a Beagerl, Im Beagerl drin wiathschaft a Zweagerl Wos sie hot am Beagerl zuatrog'n Mit'n Zweagerl, miakt's af, will i sog'n.

Dea Zweagerl is duaten scho hausat Wohl iatza a voll's Joahrtausat Und lebt schö still und alloa Im olten, kluftinga G'stoa.

So olt ols a is und so leizi So fleißi is a, und freut si, Doß a thuat no so kräfti si spüan, Und ko drin im Beagerl handthian.

Z' eascht hot a im Fels mit sein Hammerl Sie ausg'haut a wundanetts Kammerl, Na Gangerl dee Kreuz und dee Quea Tiaf unten und ob'n drüba hea.

Daß drinna net is goar so dunkel, Hängt af ea viel liachte Karfunkel. Mit Gold und mit edeln Kristall Ziat Kammerl und Gangerl ea all.

Diamal ja z' Mittogen in Summa Thuat's Mannerl zon Beagerl 'raus kumma Schaut nieda neugieri in's Thal, Und waarmt si am sunninga Strahl.

Do sicht a drei Lamperl springa, Do höat a a Deanerl singa, Und wiar a dees Deanerl schaut, Do schlagt sei olts Heazerl so laut.

Do hockt a si hi und thuat sinna: Wiar is 's so langweili do drinna Wia schö waar's net, wann i drin hätt', Dees Dannerl so liab und so nett.

Do thuat a si putzen und waschen, Viel Edelstoa schiabt a in Taschen Posiali macht ea 's Kumplament Und 's Deanerl, dees lacht ohne End.

Na thuat a afwoarten maniali Mit dee Edelstoa, fei und ziali, Und 's Deanerl, dees freut si so viel Am glanzenden, blitzaden G'spiel.

Dem Deanerl voneascht is fast grauli, Do wiad's nach und nach goar votrauli, Da Zweag so guatmüathi als wild Wiar a Kind mit en Deanerl spielt.

Da Zweagl, voliabt do geduldi, Und's Deanerl, so sanft und unschuldi, Treib'n 's so bis da Winta kimmt hea, Do is mit en Spiel'n nix meha.

Zon Deanerl sogt schmeichlat do Zweagl: Geh', schliaf da 'nei in mei Beagl, 'S is trauli und waarm in mein Haus Und ziat hab' i 's wundavoll aus.

Wia thuat si dees Deanerl freua An oll dem Schöna und Neua Vowändt so voständi und schlau Im Zweagerl sein prächtiga Bau.

Sichst, sagt a, da wohn' wiar a Prinz i, Mei Hausrath is künstli und winzi Und Alles von Silba und Gold, Wia 's a Weiberl nua wünschen si wollt'.

Ea gibt ihr dee Sachan in d' Hand'l: Da spiel nua, sagt a, und tand'l So lang und so viel als di freut Meintweg'n fuat in Ewikeit.

Und's Deanerl dees loßt si 's net schaffa, In lauta Tandl'n und Gaffa Vogißt si si ganz und goar, Dabei genga hi zeha Joahr.

Da sollt iah und bricht af en Pflasta A Lilienkranz von Alabasta. Und si und da Zweagl daschreckt Foahrn af wia vom Schlafa afg'weckt.

Da Zweagerl no kloa und no schmächti Si oba a Riesin hochprächti, A Jungfrau liebreizat und hold Nua g'wickelt in Lockerln wia Gold.

As klingt ihra schmerzlichs Jamman Durch alle Gangerln und Kamman, Da Zweagl ringt d' Handeln und woant, Und steht in da Eck wia vostoant.

Durch dee Gangeln, so schmohl und so nida, Ko d' Riesin net aussa meah wida. As hilft aus der schrecklinga Noth Da Arma nua endli da Tod.

An Soarg vo lauta Korallen Mit an Deckel von liachten Krystallen Voll goldna und Edelstoa-Pracht Da Zweag füa sei Schatzerl hot g'macht.

Do sitzt a bei ihran Füaßen Und laßt seine Zahra draf fliaßen Ohne End' und im ewinga Schmeaz; Denn an Beagzweag bricht niemal sei Heaz.

Da Zweag, dea muaß woana und trauan, So lang nua dee Welt no mag dauan, Zwoa Brünnerln, dee rieseln da h'raus Seine Zahra vom Zweagen sein Haus.

Viel Veicherl und Röserl pranga

Wo kemma dee Brünnerl ganga, Eiskalt und kristallen rei, Und fassen dee Ranfterln ei.

As murmeln wehmüathi und rieseln In Schatten af glanzaden Kieseln, Und Jeden, dea trinka draus thuat, Wiad weh und wiad woanale z' Muath.

Und fragst mi, wo is dees Beagl, Wo ewi drin woant 's arm Zweagl Um 's Riesendeandl; 's is halt Af da Rusel im boarischen Wald.

90. Die Lichtenegger.

Ruine Lichtenegg bei Rimbach nächst Kötzting im Bayerwald. B. Grueber u. A. Müller der bayer. Wald. S. 262.

Das Volk erzählt, die Ritter von Lichtenegg und vom Hohenbogen seien lange Jahre gegen einander in Fehde gewesen. Endlich stellte sich der Lichtenegger an, als sei er des Haders müde, und wußte durch gleißnerische Botschaften seinen Gegner und dessen Söhne dahin zu bringen, daß sie zu einem Sühnversuche auf seinem Schlosse einritten. Hier bewirthete er sie auf's köstlichste, aber während sie, keines Argen sich versehend, dem Weine ihres falschen Gastwirthes wacker zusprachen, ließ dieser verrätherischer Weise durch seine Leute die ihrer besten Vertheidiger beraubte Burg Hohenbogen ersteigen und in Brand stecken. Als die Flammen thurmhoch aufloderten, führte er seine Gäste schadenfroh an's Fenster und warf dann die hinterlistig Getäuschten in das Burgverlies.

91. Herkommen des Pfingstlritts zu Kötzting.

Kötzting im Bayerwalde. – Das Königr. Bayern in seinen Schönheiten, III., 7.

Aus nah und ferne kommen zu Kötzting am Pfingstmontage morgens berittene Männer und Bursche zusammen, die in paarweiser Ordnung zur Kirche des heiligen Nikolaus in Steinbühl einen Kreuzgang ausführen. Voraus reitet ein Geistlicher mit dem Allerheiligsten, dann der Meßner, Fahnen- und Bildträger. Nachdem der feierliche Gottesdienst abgehalten, und in einer wunderherrlichen Waldgegend und den um das Kirchlein aufgeschlagenen Wirthszelten einige Rast gemacht ist, steigt Alles wieder zu Pferd und man kehrt in fröhlicher Stimmung zurück nach Kötzting. Selten daß es beim Heimritte im Gedränge ungeschulter Rosse und meist unsicherer Reiter zu einem Unfalle kommt. Der außerhalb des Marktes auf einem freien Wiesplatze angekommene Wallfahrtszug schließt sich zu einem Kreise und es empfängt hier ein Kötztinger Bürgerssohn, der nach dem Urtheile und der Auswahl des Magistrates und des Pfarrers vor Anderen als tugendreich gehalten wird, aus der Hand des Geistlichen ein aus Flieder, rothem Band und Silberdraht geflochtenes Ehrenkränzchen um den linken Arm. Es gehen verschiedene Ueberlieferungen über die Entstehung dieses Rittes; unter andern die folgende. Noch bedeckte der Urwald die Gegend und ringsher herrschte finsteres Heidenthum. Unten im Thale von Chammerau aber bestand schon eine Christenkirche, zu welcher Steinbühl weit oben in der Bergwaldung als Tochterkirche gehörte. Es geschah nun, daß der Chammerauer Pfarrherr noch nächtlicher Weile in seinen Filialbezirk gerufen wurde, es verlangte ein Sterbender nach der letzten Wegzehrung. Weil aber die Heiden nicht nur, sondern auch grimmige Raubthiere den Pfad unsicher machten, entschlossen sich unterwegs die jungen Männer von Kötzting freiwillig, dem Geistlichen zu Pferd ein Schutzgeleite zu geben. Mit anbrechendem Tage brach eine

Heidenschaar hervor und des Priesters Leben sammt dem Allerheiligsten schien in Gefahr. Da wurden die Gottlosen von den Kötztinger Jünglingen hart angefallen und in hitzigem Kampfe theils erschlagen, theils zur Flucht in die Wälder getrieben. Von solch mannhafter That soll das erwähnte Ehrenkränzlein ein Erinnerungszeichen sein.

92. Sagen von Chameregg.

Chameregg unweit Chamerau im Bayerwalde. – A. Müller u. B. Grueber a.a.O. S. 297.

Wenn man über den Grund innerhalb des Wallgrabens hinschreitet, dröhnt es dumpf unter den Füßen, als ob man über ein Gewölbe schritte. Daher die Sage von dem verschütteten Burgkeller, in welchem auf steinernen Gantern uralter Rheinwein liege, ohne Reife und Dauben, von seinem eigenen Weinsteine gefaßt. Auch Schätze läßt das Landvolk hier vergraben sein und gibt an, zur Herbstzeit, an stillen Tagen, wo kein Lüftchen sich spüren lasse, drehe oft das auf dem Boden liegende Laub von freien Stücken sich im Wirbel herum, und es funkle dann vor den Augen der Zuschauer wie Gold. Eine Frau, die eines Tages im Burggraben Streu sammelte, hatte den Muth, mit dem Rechen in das tanzende Laub zu schlagen, und es sprangen drei Goldstücke hinweg, die jene aufraffte, während der übrige Haufen sich schnell wieder in dürre Blätter verwandelte. Wie eine andere Sage erzählt, waren Chameregg, die Burg auf dem benachbarten Lamberge, Chamerau, Buchberg und Püdenstorf einst gefürchtete Raubnester. Fünf Brüder hausten in diesen Schlössern und fügten, vom Sattel und Stegreife lebend, den vorübergehenden Handelsleuten viel Unheil zu. Wenn sie Beute oder Feindesgefahr witterten, verständigten sie sich von ihren Wartthürmen herab gegenseitig durch Sprachrohre. Endlich erhoben sich, des ewigen Unfriedens müde, die wehrhaften Männer der Grafschaft und trieben die Unholde von dannen.

93. Der Drachenstich zu Furth im Walde.

In der Oberpfalz. – A. Müller's Beiträge zur Gesch. u. Topogr. von Furth in Verh. des hist. Ver. f.O.u.R. 1846, X. Bd. S. 162. Vaterl. Mag. von Dr. Fr. Mayer. München 1840. S. 353.

Dieses Fest, welches alljährlich am Sonntage nach dem Frohnleichnamsfeste begangen wird, verdankt seinen Ursprung wahrscheinlich einer jener alten Lindwurmssagen, die ehedem fast in allen Gebirgsländern unter dem Volke verbreitet waren. Das Schauspiel, welches zum Nutzen der Wirthe, Bäcker und Metzger noch immer sehr viele Zuseher aus der Umgegend herbeizieht, geht in den ersten Nachmittagsstunden des genannten Tages auf dem großen Stadtplatze vor sich. Die auftretenden Personen sind: Ein Rittersmann zu Pferd, in Harnisch und Blechhaube, umgeben von einer Schaar Trabanten, dann eine Königstochter aus unbekanntem Lande, welche zum Zeichen ihres hohen Standes ein Goldkrönlein auf dem Haupte trägt und mit so viel Silbergeschnür und Schaumünzen behängt ist, als man nur immer auftreiben kann. Eine Ehrendame, die »Nachtreterin« genannt, begleitet die Prinzessin. Letztere nimmt auf einer erhabenen Bühne Platz, und ihr gegenüber stellt sich in einiger Entfernung der Drache auf, ein gräuliches Ungethüm, dicken, ungestalten Leibes, freilich nur ein Holzgerippe, mit bemalter Leinwand überzogen und von zwei im Innern verborgenen Männern bewegt. Ein dichtes Gewühl sammelt sich jedesmal um diese abenteuerliche Erscheinung, und dann macht sich der Drache bisweilen den Jux, mit weit aufgesperrtem Rachen unter die Menge zu rennen, die eilig zurückweicht und dabei in den possirlichsten Lagen über einander purzelt. Der Hauptspaß aber ist, wenn es dem Ungethüm gelingt, eine Böhmin aus dem Haufen herauszupacken und ihr mit den Zähnen die breite Tellerhaube vom Kopfe zu reißen. Inzwischen sprengt der Ritter zur Prinzessin heran, und es entspinnt sich zwischen beiden nachfolgender Dialog in altväterischen Knittelversen:

Ritter.

Grüß Gott, grüß Gott, ihr königliche Tochter mein! Was macht ihr auf diesem harten Stein? Mich dünkt's, ihr seid ganz trauervoll, Die Sach', die Sach' steht nicht gar wohl.

Prinzessin.

Ach, edler treuer Rittersmann! Mein' Noth und Treu' zeig ich euch an, Ich wart dahier aus Drachengräul, Er wird mich schlucken in schneller Eil.

Ritter.

Schad't nicht, schad't nicht, seid wohlgemuth! Die Sach', die Sach' wird b'währt und gut; Rufet zu mir und betet zu Gott, Er wird uns helfen aus aller Noth.

Prinzessin.

Ach edler treuer Rittersheld, Flieht weit hinweg; flieh't weit in's Feld! Sonst müßt ihr euer ritterliches Leben Mit mir bis in den Tod aufgeben.

Ritter.

Ich als starker Rittersmann, Das grausam' Thier macht mir nicht bang; Mit meinem Degen und Rittershand Will ich ihn räumen aus dem Land.

Prinzessin.

Seht, seht, ihr Ritter und Herr; Das grausam Thier tritt schon daher.

Während dieser Worte rückt der Drache gegen die Bühne vor und stellt sich an, als wollte er die Prinzessin verschlingen. Doch der kühne Ritter sprengt ihm entgegen und stößt seine Lanze tief in den Rachen des Ungeheuers. Bei diesem Manöver muß aber derjenige, welcher die Rolle des Ritters spielt (immer ein junger Bürgerssohn) sich wohl in Acht nehmen, daß er die in der Gaumenhöhlung verborgene Blase trifft. Das Volk will heute Blut sehen, sey es auch nur unschuldiges Ochsenblut, und wenn der Held des Tages fehl sticht, so überschüttet ihn ein Hagel von Spottreden. Ist der Lanzenstoß glücklich beigebracht, so zieht der Ritter sein Schwert, und haut den Drachen ein paarmal über den Schädel, dann macht er ihm mit einem Pistolenschusse vollends den Garaus. Nachdem er auf diese Weise das Scheusal unschädlich gemacht hat, kehrt er zu der Prinzessin zurück und ruft siegesfroh aus:

Freud', Freud' ihr königliche Tochter mein! Jetzt könnt ihr frisch und fröhlich sein; Dem Drachen hab' ich geben seinen Rest, Weil er die Stadt hat lang geprest.

Die Prinzessin dankt ihm darauf mit diesen Worten:

Ach edler treuer Rittersheld Weil er den Drachen hat angefällt, Zu seinem Degen und Ritterlanz Verehr' ich ihm ein schön Ehrenkranz.

Hiemit steigt sie von der Bühne herab und spricht, indem sie dem Ritter den Kranz um den Arm bindet, die Schlußverse:

Der Herr Vater und Frau Mutter werden kommen sogleich,Und werden uns geben das halbe Königreich.

Die Trabanten nehmen jetzt den Ritter und die Prinzessin in die Mitte, und geleiten sie in die Herberge zum Rittertanze. Auch die Zuschauer zerstreuen sich in die Schenken, und das Fest endet, wie die Volksfeste immer, mit einem allgemeinen Trinkgelage.

94. Der Hirschenritt.

Sage von Furth in der Oberpfalz. – A. Müller Beiträge zur Gesch. u. Topogr. der alten Grenzstadt Furth im Walde, in Verh. d. hist. Ver. f.O.u.R. 1846. Bd. X., S. 144, A. 18.

Die Schützen von Furth und ihre Jagdabentheuer waren vormals weit und breit berühmt. Lange Zeit hat sich im Munde des Volkes die Ueberlieferung von gewaltigen Kämpfen dortiger Jäger mit Wölfen und Bären, sowie die Kunde von einem schlimmen Ritte erhalten, den vor etwa hundert Jahren den Stadtschreiber Lanner von Furth auf einen Hirschen gethan. Lanner hatte auf einer Jagd in Daberg, an welcher mit ihm mehrere Bürger Antheil nahmen, einen Hirschen erlegt und in übermüthiger Waidmannslust sich auf den Rücken des vermeintlich todt daliegenden Wildes gesetzt. Plötzlich aber sprang dieses auf die Läufe, warf den Kopf zurück und preßte mit seinen Geweihen den Stadtschreiber so fest an sich, daß dieser sich nicht mehr losmachen konnte. Und nun ging's im windschnellen Laufe dem Dickichte zu. Erreichte dieses der Hirsch, so war Lanner verloren; die spießigen Aeste des Unterholzes rissen ihm das Fleisch vom Leibe. Da schlug einer der Jagdgefährten, ein entschlossener Mann und sicherer Schütze, seine Büchse an und brannte in Gottes Namen auf Tod und Leben los. Der Hirsch, tödtlich getroffen, brach zusammen, und der Stadtschreiber war gerettet. So oft dieser sein Abenteuer erzählte, versicherte er, daß er beim Niederstürzen des Hirschen eine Erschütterung in allen Gliedern gefühlt habe, als seien Himmel und Erde auf ihn gefallen.

95. Der Notthaffte Herkunft.

Runding alte Veste unweit Cham im Bayerwalde, lange Zeit Besitz der Notthaffte, deren Abkunft von einem friesischen Ritter Radibold die Sage erzählt. – Das Gedicht aus einer Reimchronik etwas geändert im Oberpfälzer Anzeiger, 1845, S. 109 und Bayer. Wald von A. Müller u. B. Grueber. S. 289.

Es lebt' ein Ritter in Friesenland, Herr Radibold von Eggemont, Auf Erden war kaum seines Gleichen,

An Stamm und Tugend königlich, Keinem Ritter durft' er weichen.

Bevor der Vater kam in's Grab, Dem Sohn ein reiches Weib er gab, Dem Ritter war's nicht eben; Sie kränkt' ihn bis an ihren Tod, Und war untreu daneben.

Er zog vor Unmuth aus seinem Land, Bekriegte Böhmen mit starker Hand; Manch' Abenteuer er triebe, Bis eines edlen Ritters Kind Mit ihm verfiel in große Liebe.

Die Mutter zu der Tochter spricht: Trau du dem fremden Ritter nicht, Dem Vater will's nicht gefallen, Du bist im ganzen Nordgauland Die schönste Maid von allen.

Mit ihr durch manchen Wald er reit' In Lieb' vertreiben sie die Zeit; Er jagt nach wilden Thieren, Seine liebste Frau in gleicher Lust Thut er im Wald verlieren.

Drei Monat er's nicht finden mag, Deß führten Beide große Klag', Sein Herz litt Todesquale. Er dacht' an ihren schwangern Leib, Mit ihm weint Berg und Thale.

Seine Hündlein jagten auf einer G'spar Da erst ein Hirsch hingangen war, Der Hirsch lauft schnell zum Felse, Wo er so lang ernähret hat Die wunderschöne Else.

Der Ritter eilt den Hündlein nach, Im Fels seine liebste Frau er sach, Züchtiglich er sie umfinge; Desselben Tags drei Knäblein schön Er froh von ihr empfinge.

Kein Mensch auf Erden aussprechen mag, Was große Freud' war auf Ungemach; Im Wald nach längs und zwerche Seine Ritter kamen und schrieen all: Das heißt der Elsenberge.

Der Hirsch von den Knaben nimmer wich, Kein Hund den Hirschen mehr anficht, Sie dankten Gott gar feine, Und fingen drauf zu bauen an Das feste Schloß Hirschsteine1.

Er baut's für seine Söhnlein klein, Daß sie gute Ritter möchten sein. Von ihm drei Geschlechter kamen: Die Warter, Hürnheim und Notthafft Sind Eksenberger eines Stammen.

Ein jeder kriegt selbst Leut' und Schloß, Ein G'schlecht des andern schier vergaß; Nach etlich hundert Jahren Waren Herrn Radibold viel zerstört Und meisten Theils verloren.

Fußnoten

1 Gemäuer von Hirschstein rechts der Straße von Waldmünchen über das Mauthhaus nach Münchsdorf in Böhmen.

96. Zum Brünnlein bei Roding.

Volksbüchlein von Aurbacher II., 122.

Unfern Roding, im Regenthale, liegt ein Berg, auf dem eine Kirche steht, zum Brünnlein genannt. Schon in uralten Zeiten floß dort eine frische, klare Quelle, deren Wasser sich fernab in einem Becken sammelte. Der Rasen umher war so üppig und der Born so erquicklich, daß der Hirt gern seine Heerde dahin trieb, wo sie sattsame Nahrung fand und Kühlung unter Buchen und Tannen. Eines Abends, als die Dämmerung ihn zur Rückkehr mahnte, wollte er noch vorerst seinen Durst stillen am Brunnen. Da, wie er an den Rand des Beckens tritt, sieht er auf dem Wasser ein schönes Marienbild schwimmen. Mit freudiger Begierde will er es haschen; aber je länger er darnach greift, desto tiefer sinkt das Bild, bis es zuletzt seinen Augen ganz entschwindet. Als er nach Hause gekommen, erzählte er die wundersame Erscheinung dem Pfarrer. Dieser zog des andern Tages, von vielen Gläubigen begleitet, zur Stelle, und siehe da! das Marienbild erschien wieder, wie es der Hirte berichtet, auf der Oberfläche des Wassers. Der Priester hob es ohne Mühe heraus, und trug es in die Kirche des Ortes. Von der Zeit an geschehen große Wunder an der Quelle. Viele, die an den Augen litten, oder lahme Glieder hatten, oder sonst von Kräften gekommen waren, erlangten wieder ihre Gesundheit. Es ward daher zu Ehren Mariä ein Gotteshaus zur Stelle erbaut, und das Bildniß dahin übertragen. Noch heutiges Tages fließt die Quelle inmitten der Kirche, und es finden immer noch viele Kranke Linderung und Genesung am Gnadenorte »zum Brünnlein.«

97. Burg Steffling im Bayerwalde.

J.K. Schuegraf in: Das Königreich Bayern in seinen Schönheiten, III., 82.

In dem Schlosse Steffling oder Stefaning sollen ungeheure Schätze verborgen sein. Die Landgräfin Adelheid, eine geborne bayerische Prinzessin, hat hier im alten Thurme viel Geld aufbewahrt; allein es glückte bisher keinem Menschen, den Schatz zu erheben, weil dieses erst zu Ende des gegenwärtigen Jahrhunderts geschehen kann. Erst dann, wann diese Zeit

gekommen und der Schatz gehoben sein wird, wird die Landgräfin von ihrer Strafe, als Burggeist umzugehen, erlöst sein. Johann Christoph Münster, der im Rufe eines Teufelsbeschwörers stand, soll einmal mit Hülfe eines in seinem Schlosse anwesenden Franziskaners alle Hexen seiner Hofmark um die Geisterstunde im Schloßhofe versammelt haben. Als sie nun alle da auf dem Platze waren, mußten sie auf seinen Ruf in den Backofen spazieren und darin tanzen; aber dieser Spott wäre den beiden Frevlern bald theuer zu stehen kommen. Die Hexen fielen nämlich nach dem Glockenschlage Zwölf alsobald über die Beschwörer her, banden und kitzelten sie so heftig und anhaltend, daß sie ihr Leben würden geendigt haben, hätte man nicht schleunigst aus der Burgkapelle den Kreuzpartikel herbeigebracht, und ihnen beiden auf Kopf und Brust gelegt. Noch bis zum Jahre 1802 war dieser merkwürdige Hexentanz am Backofen abgemalt zu sehen.

98. Der Frauenstein bei Bogen.

L. Aemil. Hemauer Chronik von Ober-Alteich. Aswinische Bogen usw. Straubing 1679. A. Kiefl der Bogenberg. Passau 1847. S. 33.

Der Frauenstein ist ein Felsen in der Donau, auf welchem der Sage nach das jetzt in der Kirche auf dem Bogenberg befindliche Gnadenbild sich vorgefunden hat. Davon meldet die Oberalteicher Chronik: Im Jahre nach Christi Geburt 1104, als Graf Aswinus, ein Bruder Friedrichs I., des Stifters unsers Klosters, auf seiner festen Burg Bogenberg Hof hielt, ist das wunderbare Bildniß der Muttergottes auf der Donau dem Flusse zuwider heraufschwimmend ankommen und hat auf einem Steinfelsen so lange Stand gehalten, bis es von den Einwohnern ersehen und dem Grafen aller Verlauf mit Verwunderung angedeutet worden. Aswin verordnete alsobald, daß das Wunderbild aus dem Wasser an das Land gebracht, dann mit höchster Ehre und Andacht zur Zeit der Regierung Abts Egino in seine Residenz getragen und in deren Kapelle eingesetzt wurde.

99. Ludmilla von Bogen.

Wo sich der Bogenberg jetzt mit seiner Wallfahrtskirche erhebt, stand früher die Stammburg der mächtigen Grafen von Bogen. Ludmilla, Alberts III., des letzten Bogeners, Wittwe wurde im Jahre 1204 die Gemahlin des Herzogs von Bayern, Ludwigs I. des des Kelheimers. Die Bearb. von einem Meistersänger, Monum. Boica XII., 92.

1.Ein Fürst von payren kom gein pogen geriten;Zw einer Gräfin Schön und Klug mit siten,Er begert ir zu Freiden spil,Si sprach, ich (nit) ein wil,Er erwellet dann sein mein eelich manSo wil ich darumb ratt han.Der Herr rayt in Freyem mut von danne,Dy Gräfin vodert ir ratmanne:Rat ir Herren edel und weis,Ein her von payrn sezt seinen vleißWie er mich äffen wolldetWenn ich das mit worten verscholdetDer Rät ainer sprach vor Inn allen,Fraw ir sult drey ritter an ainen tebich malen,Und drey ritter dar under wol behutDy des Fürsten wortt merchken und ewren mut,Das er seine wort, so taugen

Nicht mochte gelangen.Der Fürst kom gein pogen widernMit gar frölichen gelidernIn der Gräfin Kammer verholenDa dy rytter under dem tebich lagen verstolen.Der Fürst redt der Frawen zu,Ob sy seinen willen wolde thun.Dy Fraw sprach und zeigt an den tebich,Gelobt mir vor den ryttern dy ee frölich.Der Fürst gelobt dy ee in heldes mut,Dy Gräfin nam zu Zeugen dy ritter gut.Gingen dy rytter frölich her für,Der Fürst getrawrt und gedacht fur dy tür,Er rait von dan zu landtIm ein ander Landt.Und da vergangen was ein ganz Jar,Da kom der Fürst gein Landaw spatt,Er wolt nicht da benachtenZu seiner Hausfraw gein pogen was (wolt) er trachten.Da sy kommen zu samen bayde,Da vergassen sy alles ires LaideSy lebten mit einunder eelich (eeleich)Als es zugehörtt der Fürsten reichDer edlen Grafen von pogenHelm Schilt und wappenIst komen an dy hochgeporen Fürsten loblichVon payren mit erbschafft und name ewigklich.

100. Ludmilla von Bogen.

2.

Von Heinrich Döring.

Die Blume der Frauen, des Landes Zier, War Gräfin Ludmilla von Bogen,Längst fühlte durch Neigung und Liebe zu ihr Sich Ludwig der Bayer gezogen.Ihr Gatte, Graf Albrecht, in Fehden gewandt, Und rings als ein männlicher Ritter bekannt,War jüngst mit dem tapferen Degen, Freund Hein, im Zweikampf erlegen.

Dem Herzog schien's als die Nachricht erklang, Nicht länger daheim zu behagen;Es trieb ihn, die Ufer der Donau entlang, Zum Schlosse der Gräfin zu jagen,Er pries auf des Berges waldigen Höhn Die Lage der Burg als bezaubernd und schönUnd bat, ihm als Huld zu gewähren, Bisweilen hier wiederzukehren.

Bestürzt stand Ludmilla, voll sittiger Scham, Und ließ nur mit Müh' sich erbitten,Doch als er ihr Jawort errungen, da kam Nun Ludwig fast täglich geritten,Und fiel als ein loser und tändelnder Gast Der Gräfin mitunter recht herzlich zur Last,Die, weil sie im Stillen ihn liebte, Sein Wesen verdroß und betrübte.

»Fürwahr,« sprach sie einst, »ein vergebliches Spiel, Mit leerem Geschwätz mich zu quälen,Ihr werdet so, glaubt mir's, auf immer das Ziel, Wonach euch gelüstet, verfehlen;Bekräftiget redlich durch Trauring und Hand Gefühle, die längst euer Mund mir gestand!«»Laß beides,« rief Ludwig, »als Zeichen Der innigsten Liebe dir reichen.«

»Mit Gunsten, Herr Herzog, so weit sind wir nicht!« Sprach lächelnd die Gräfin: »Laßt hören,Geliebt es euch morgen den Treueid der Pflicht Vor diesen drei Zeugen zu schwören?«Sie sprach es, und deutete links mit der Hand, Dort wies sich als Zierde der gothischen WandGeschmückt mit Wappen und Fahnen, Ein Kleeblatt von tapferen Ahnen.

»Ho, ho!« rief der Herzog und lachte fast laut: »Welch wunderliches Begehren!Ihr scheint mir bei Laune, holdselige Braut, Und unrecht wohl wär's, sie zu stören,Drum füg' ich in seltsame Bitte mich gern, Und leiste vor diesen gewappneten HerrnEuch morgen den Eidschwur der Treue, Durch den ich mich ewig euch weihe!«

Drauf reicht er am Morgen Ludmillen die Hand Und sagte: »Ihr Ritter, seid Zeugen!«Da dünkt's ihm, als tönte dicht hinter der Wand Ein hallendes Echo: »Wir zeugen!«Sie rollte sich leicht wie ein Vorhang empor: Es traten drei stattliche Ritter hervor,Und neigten mit ernster Geberde Sich vor dem Erstaunten zur Erde.

Der Herzog warf starr, mit geöffnetem Mund Den Blick auf die lebenden Büsten;Es schien ihm, als hab er wohl reichlichen Grund, Sich über den Schwank zu entrüsten.Doch hielt von Ludmillen ein zärtlicher Blick Gewaltsam den Ausbruch des Unmuths zurück;

Auch schien's, vor den peinlichen Zeugen, Gerath'ner, sein Leid zu verschweigen.

»Fürwahr!« rief er lächelnd, »der Einfall gereicht Dem weiblichen Scharfsinn zum Lobe;Doch glänzt er in anderer Hinsicht vielleicht, Nicht eben als rühmliche Probe!Dem sei wie ihm wolle! Hier reich ich die Hand Der Holden, die längst ich mein Eigen genannt,Und schmück' auf erhabenem Throne Ihr Haupt mit der bayrischen Krone.«

101. Peter Ecker von Eck.

Von A. Schöppner. – Schloß Eck unweit Metten in Niederb. Die Begebenheit eine der hochtragischen bayrischer Geschichte, sichtlich von der Sage gestaltet. Peter v. Eck, Feldhauptmann Kaiser Ludwigs, später Vizedom zu Straubing. Um 1347 fielen die Böhmen von Karl gesandt, verheerend in Bayern ein. Brusch u. Ertl bei Hormayr, Taschenb. 1831. S. 246. Ein Gedicht von Th. Mörtl. A. Müller u. B. Grueber, der bayer. Wald S. 230.

Aus Böhmen zog ein wütendes Heer, Die bayrischen Lande zu drängen, – Dem Strome gleich, der entfesselt braust, So ward im Bayerwalde gehaust Mit Rauben und Morden und Sengen.

»Frisch auf! mein Sohn, was säumest du lang, Zu eilen mit Rossen und Mannen? Schon zogen die tapfersten Ritter, bereit Dem König zu helfen im blutigen Streit, Mit reisigen Schaaren von dannen!«

Wie flammte dem alten Ecker von Eck Das Wort vom zürnenden Munde; Er selber an Jahren und Thaten reich Vermochte nimmer mit kräftigem Streich Zu versetzen die tödtliche Wunde.

Wie Blitz durchzuckte des Sohnes Sinn Die schneidende Rede des Alten; Den Panzer umgürtet er sich zur Stell', Der Damascener er blitzt so hell, Die böhmischen Schädel zu spalten.

So tritt er gerüstet zur Gattin ein, Von der lieben und treuen zu scheiden; »Wohin?« so fleht sie, »o Trauter, wohin?« – »Mich ruft die Pflicht, gen Böhmen zu ziehn, Für Herd und König zu streiten.«

»O Gott, was hör ich? Gen Böhmenland Und gegen Vater und Brüder? So kühle zuerst blutdürstenden Mut

In meinem eigenen Böhmenblut, Dann stoße den Bruder darnieder!«

Sie sprach's und sank in der Zofe Arm Besiegt von Jammer und Schmerzen; Im Herzen des Ritters da kocht es und wallt, Die Liebe so heiß, die Pflicht so kalt Sie kämpfen im blutenden Herzen.

Schon tönt Trommetengeschmetter im Hof, Schon klirren die Waffen im Schlosse, – Nicht länger schwanket der Ritter mehr, Er eilet hinaus zum harrenden Heer Und hebt sich gewappnet zu Rosse.

Bei Furth im Walde stunden zum Kampf Bereit die böhmischen Horden, Da brauset wie Wetter der Ecker daher, Es rasseln die Schwerter, es klirret der Speer Zu blutigem Schlachten und Morden.

Und mitten im heißesten Waffengedräng Wen schaut der Ritter mit Zagen? Der Gattin Bruder, ein junger Gesell Er naht sich dem Ecker verwegen zur Stell', Den Kampf mit dem Helden zu wagen.

Der Ecker gewahrt es und bebet zurück Und ruft mit warnenden Worten: »Hinweg von mir, Bethörter, hinweg! Nicht zog zum Kampfe der Ecker von Eck, Den eigenen Schwäher zu morden.«

Und heftig drückt er dem bäumenden Roß Den zürnenden Sporn in die Weichen, Und flüchtet von dannen und flüchtet in Hast, Wie wenn ihn Wahn der Verzweiflung erfaßt, Die heimische Burg zu erreichen.

Zu Straubing saß der Alte von Eck Als Vizedom zu Gerichte, Da nahet ein Schreckensbote zur Stund', Und kündet dem Ecker mit bebendem Mund Des flüchtigen Sohnes Geschichte.

Es wanket der Alte, es starret der Blick, Das Blut gerinnt in der Ader: »Zum Amt, ihr Richter, mahnet die Pflicht, Ich fordre von euch des Verräthers Gericht – Der unglückseligste Vater!«

Und rings im Kreise da wird es still, Es fühlen die Richter Erbarmen, Da hebt sich der Ecker so bleich und kalt Und von dem donnernden Munde hallt Das Todesurteil dem Armen.

Nach dreien Tagen blitzte das Beil Des Henkers zum tödtlichen Streiche; Es schaute der Ecker mit kaltem Mut Des pflichtvergessenen Sohnes Blut Entstrahlen dem Rumpfe der Leiche.

102. Aelteste Sage von Regensburg.

Aus des Hans Sachs »Lobgedicht auf Regensburg« in Verh. des hist. Ver. v.Q.u.R. Bd. IX., 1845, S. 5. Vgl. Andr. Presb. Chronik von Bayern in v. Freybergs Sammlg. hist. Schriften II., 374.

Regensspurg die alte berühmte Reichsstat Tyberius Nero erbauet hat, Ein Stiffsohn Kaysers Augusto, Nachdem er ihn ausgesendet do Mit einem großen gerüsten Heer Dem Feind zu thun stark Gegenwehr, In der Norckhauer und Beyern Krieg. Als nun man gewahn glücklichen Sieg, Fing er an zu bauen die Stat, Die erstlich nach ihm den Namen hat: Tyberiana genennet wurd Um die Zeit des Herrn Geburt Jesu Christi unsers Heiland, In der Gräntze, das Norca genannt, Die lang hernach den Namen hat: Quadrata die viereckigte Stat.

103. Sankt Emmeram.

Von A. Schöppner. – Oefele II., 752. Hochwart I., c. 6. u.A.

Sankt Emmeram der Gottesmann ergriff den Pilgerstab,Zu wandeln nach Italia zu der Apostel Grab.

O Heiliger! du wandelst fürbaß in deinen Tod:Die bösen Geister wüten, die That der Hölle droht.

Des Bayernfürsten Tochter, die schöne Uta warDer jungfräulichen Würde durch einen Ritter baar.

Was sollte sie beginnen? Schon reift der Sünde Frucht,Bald wird von ihrem Vater der Sünderin geflucht.

Da keimt ein Rath der Hölle in ihrem Sinn empor,O Gott die wahnbethörte, sie leiht ihm willig Ohr.

»Du trittst vor deinen Vater und klagst den frommen Mann,

Der jetzt gen Rom gepilgert, des Ehrenraubes an.

Wie kann's dem Pilger schaden, der fern von hinnen weilt,Den nicht so leicht die Rache im fremden Land ereilt?«

Dem bösen Rathe folget die unglücksel'ge Maid,So wird der fromme Bischof der Lasterthat gezeiht.

Wie das der Herzog höret, er traut den Ohren kaum,Doch rasch gewinnt der Argwohn in seinem Herzen Raum,

Und wie ein Tiger wütet Landpert, des Herzogs Sohn:»Weh dir, verfluchter Pfaffe! Du sollst empfah'n den Lohn!«

Es schwingt der Wutentflammte zur Stunde sich auf's Roß,Mit Sturmeseile sauset hinaus der wilde Troß.

Und schäumend fliegen Reiter und Roß durch Flur und Wald,Bei Helfendorf erjagen den heil'gen Mann sie bald.

Da ward nicht lang gerichtet, da zuckten Schwerter blank,Von Landperts Stahl getroffen der Heil'ge niedersank.

Er sank, den Blick zum Himmel erhoben mild und rein,Um's Haupt der Unschuld Leuchten wie Abendsonnenschein.

Sein Blut, das reich geflossen, es ward ein Frühlingssaft,Dem Baum der Christuslehre zu neuer Triebeskraft.

104. Emmeramskapelle bei Helfendorf.

Helfendorf unweit München. – Panzers Beitrag S. 220.

Der heilige Emmeram wollte nicht an der Stelle seines erlittenen martervollen Angriffes den Geist aufgeben. Er wurde bei Helfendorf auf einen Karren gelegt, an welchem zwei Ochsen gespannt, sich selbst überlassen waren. Diese kamen mit ihrer heiligen Ladung bis an den bezeichneten Platz eine Viertelstunde von Feldkirchen, in der damaligen Gemeinde Aschheim, wo sie Rast machten. Die Kunde hiervon verbreitete sich, man erkannte den entstellten Leichnam des heiligen Emmeram, der bei seinem Hinscheiden das Haltmachen des Gespannes veranlaßte. Derselbe wurde nun nach Aschheim gebracht und in der dortigen St. Peterskirche beigesetzt. Vierzehn Tage ruhte hier die irdische Hülle des Heiligen, aber eben so lange regnete es ununterbrochen. Dieses wurde für eine Mißbilligung der Ruhestätte aufgenommen, und ohne zu wissen, wie hiergegen Rath zu schaffen wäre, wurde der Karren mit den beiden Ochsen wieder bespannt, der heilige Leichnam aufgelegt, und den Ochsen überlassen, wohin sie denselben führen wollten, oder welche Leitung ihnen die Vorsicht nach dem Wunsche des heiligen Bischofes geben werde. Also kam der Zug an die Isar, an jene Stelle, wo bei Oberföhring bis in die neueste Zeit ein Kirchlein stand und auch ein die Schule haltender Eremit lebte, was nun in ein Wirthshaus verwandelt worden ist. Von da konnte das Fuhrwerk nicht mehr weiter; aber es war angedeutet, daß der Entseelte auf dem Wasser an seinen bischöflichen Sitz nach Regensburg gebracht werden wollte, was dann auch geschehen ist.

105. Das Evangelienbuch von St. Emmeram.

Codex aureus zu München. Arnolf de mir. B. Emmer. I., 6. Ertl rel. II., 125. Hund metrop. I., 191. Oefele I, 548. P. Colom. Sanftl's Abh. Regensburg 1786. Vat. Mag. 1841. S. 229 u.A.

Nach alter Sitte zog der König Conrad nach St. Emmeram, um zu beten an den Gräbern seiner Vorfahren im Reiche, der beiden letzten Carolinger, Arnulf und Ludwig. Er legte den zehnten Theil des Regensburger Zolles als Seelgeräth auf den heiligen Altar. Gleichwohl führte er, von einem gelehrten Hofkaplan angeregt, im Schilde, dem Kloster seine schönste Zierde zu rauben, das kostbare Evangelienbuch, das Karl der Kahle nach St. Denys geschenkt hatte, und das darauf nach St. Emmeram gediehen war. Die Mönche, fürchtend die mächtige Bitte, fragten Tuto, den Bischof. Der befahl ihnen, das Buch auf den Altar zu legen, und sprach zum Könige: »Der, so dies Buch dem Kloster entzieht, den wird der Heilige zu Rede stellen am großen Tage des jüngsten Gerichtes, wenn ihn nicht früher noch des Himmels Strafruthe züchtiget.« Der König, der unsanften Mahnung zürnend, befahl das Buch gleich vom Altar zu nehmen, verließ das Gotteshaus und stieg zu Pferde. Die Trabanten reichten ihm das Kleinod. Aber er fühlte plötzlich einen so nagenden Schmerz in den Eingeweiden, daß er augenblicklich vom Pferde mußte, mächtig gerührt in sich ging und das Buch wieder zurücktragen ließ. Doch blieb ihm ein beständiges Nachgefühl dieses Wehes bis an seinen, nur zwei Jahre darauf, zwei Tage vor der Weihnachtsfeier, erfolgten Tod. – Dem Bischof Tuto aber ging das Wunder, so er gewirkt, und seines Fluches rasche Erfüllung nicht minder zu Herzen. Er ließ St. Emmeram einen Altar von Goldblech machen und durch einen berühmten Meister aus Griechenland mit Perlen und Edelsteinen gar herrlich verzieren. Das Buch aber ziert jetzo König Ludwigs Bücherschatz in München.

106. Hans Dollinger.

Die Literatur der Sage in: das Königr. Bayern. München 1846, II., 74. Dazu: Kurzgefaßte Nachrichten usw. Regensburg 1723, S. 172. Ertl relat. S. 72. Merian top. Bav. S. 52. Hormayr Taschenb. 1835, S. 337. Soltau hist. Volksl. XXX.

1.Es rait ein Turk aus Türckhen-Landt,Er rait gen Regenspurg in die statDa Stechen ward von Stechen war im wohlbekhannt.Da rait er fuer des Kaisers ThuerIst niemant hie der kumb herfuerDer stechen well um Leib und Seel und Gut umb EhrUnd das dem Teuffl die Seel wer.Da warn die Stecher all verschwiegenKainer wollt dem Türckhen nit obligenDem laidigen MannDer so freflich Stechen khan.Da sprach der Kayser zornigklich,Wie steht mein Hof so lästerlichHab ich kain ManDer Stechen khanUmb Leib umb Seel umb guet umb EhrUnd das unsern Herrn die seel wer.Da sprang der Dollinger herfuerWol umb wol umb ich muesHinfuer an den laidigen MannDer so freflich Stechen khan.Das erste reuten, das sie da theten.

Sie fuerten gegen einander zway scharffe SpeerDas ein ging hin das ander ging herDa stach der Türckh den Dollinger abDas er an dem rückhen lag.O Jhesu Christ steh mir jetz beySteck mir ein zwey sind Irer dreyBin ich allain1 und fuer mein SeelIn das Ewig himmelreiche,Da rait der Kayser zum Dollinger so behenndtEr fuert ein Kreuz in seiner HendtEr strichs dem Dollinger über sein mundtDer Dollinger sprang auf war frisch undt gsundt.Das ander raiten, das sie thetenDa stach der Dollinger den Türckhen abDas er an dem ruckhenn lag.Du verheuter Teufl nun Stehe ihm beySeid irer drey bin ich allainUnd fuer sein Seel in die bitter helle Beyn.

Fußnoten

1 Zur Seite Hunnen ritten zwei schwarzgepanzerte Helfer, das sah Dollinger im Spiegel des blanken Schildes.

107. Der Dollinger.

2.

Von Adelh. v. Stolterfoth.

Nach Regensburg am Donaustrand Kam einst ein Riese hingerannt; Craco war er geheißen Und trug einen Helm von Eisen, Der hat gewogen zwanzig Pfund; Sein ehrner Schild war groß und rund, Sein breites Schwert drei Ellen lang, Ein Baum die Lanze, so er schwang, Und einen Panzer hatt' er an, Da stunden spitze Schuppen d'ran. Sein Koller war ohn' alle Zier, Die Haut vom Elephantenthier. Der Ries' war gräulich anzuschaun, Und Keiner mochte sich getrau'n Mit ihm zu halten einen Reih'n, Weil er ein Zaub'rer sollte sein, Gefei't und fest, so wunderbar, Als einst zu Worms Herr Siegfried war. Da trieb er denn mit Allen Spott,

Schlug Mensch und Vieh, verlästert' Gott, Und forderte den Kühnsten 'raus, Mit ihm zu kämpfen blut'gen Strauß. Doch alle Recken blieben stumm Und wandten ihre Häupter um. Darüber höhnte Craco sehr, Rief: »keinen Tapfern gibt es mehr In Kaiser Heinrich's ganzem Heer!« Dies freche Wort aus Heidenmund Ward auch dem Hans Dollinger kund; Der aber saß in Kerkerhaft, Weil er Verrath am Herrn geschafft. Da ließ er nun ihn bitten sehr, Daß er ihn doch um Deutschlands Ehr' Sollt' aus dem Kerker lassen geh'n Mit Gott den Zweikampf zu besteh'n; Gleich käm' er wieder dann zurück, Erwartend sein verdient Geschick. Als nun der tapfre Kaiser hört, Daß der allein den Kampf begehrt, Sn läßt er gleich ihn freudig los, Gibt ihm ein Roß auch, stark und groß, Und ehr'nen Schild und blankes Schwert; Doch was zumeist im Kampf ist werth, Das bringt der Ritter selber mit – Der Andre ließ ihn warten nit. Und als nun die Trommet' erklang, Ein Jeder seine Lanze schwang. Die Rosse bäumten sich empor, Den Bügel Dollinger verlor, Er stürzte nieder in den Sand, Erhob sich aber gleich gewandt. D'rauf nahm man andre Lanzen an, Doch Keiner hat was Rechts gethan. Das Drittemal mit Löwenkraft Schwingt Dollinger der Lanze Schaft, Die saust dem Riesen durch's Visier Und theilet Helm und Schädel schier. Da jubeln alle Franken laut, Und Alles auf den Sieger schaut; Der aber kniet und danket Gott, Daß er gesiegt ob Heidenspott. Dann macht er wieder sich bereit, Zu geh'n in Kerkernacht und Leid. Da ruft der Kaiser: »Hans, wohin? Ich hab' von Herzen dir verzieh'n: Zieh' nur dem Feind die Waffen aus Und häng sie in ein Gotteshaus.«

108. Der Dollinger.

3.

Von Franz Schmidt.

Wer denkt wol auf dem Heidplatz im grauen RegensburgNoch, wie der Heide Craco wild ritt die Straßen durch.Mit rohem Hohngelächter rief er: all ChristenkindBewähr mit mir im Kampfe, was Christengötter sind.Er kam an Körperlänge nah einem Reiterspeer,Gleich einer Hand an Breite war seine Seitenwehr.Die Haut vom Elephanten umzog ihm Hals und Brust,Er schwang die Eisenstange, als übt er Jägerlust.Es dröhnten bang die Straßen von seines Rosses Huf,Es weinten Kind und Mutter, erscholl sein Todesruf.Da klirrten auf die Riegel von eines Bürgers Haus –Es ritt hervor mit Muthe Hans Dollinger zum Straus.Sie haben hart gerungen, mit Stoßen, Hieb und Stich,Bis Hansens Adern floßen, und er wie leblos wich.Es scholl der Heiden Jubel, bang schwieg die Christenschaar –Als zwischen beiden Streitern man ward ein Kreuz gewahrVon frommer Hand erhoben, wie Mondenflimmerlicht.Da bäumt sich Cracos Märe, und seine Lanze bricht.Vom Christenspeer getroffen sank er erblaßt und schrie:»Daß ich der Christen Götter zum Kampf gefordert nie!«Ihr Regensburger Bürger, die ihr am Heidplatz wohnt,Merkt euch, wie Gottvertrauen stets unser Heiland lohnt.

109. Wie Gunthar Bischof von Regensburg ward.

Oefele I., 175. Hund metrop. I., 192. Hochwart l. II., c. 13. Adlzreiter l. XIV. p. 328.

Als man zählte neunhundert und achtunddreißig Jahre von des Herrn Geburt, waltete Otto, der Deutschen Kaiser, zu Regensburg in der Stadt. Da fand es sich, daß der Bischofsstuhl gerade erledigt war, dieweilen Konrad das Zeitliche gesegnet. Nun gedachte Herr Otto, einem andern Hirten den erledigten Stab in die Hand zu geben. Da ward ihm im Traum befohlen, denjenigen an des Verstorbenen Statt zum Hirtenamte zu rufen, welcher ihm früh Morgens auf seinem Kirchengange zuerst begegnen sollte. Wie er nun des andern Tages seinen gewohnten Weg nach St. Heimeram ging, öffnete ihm ein schlichter, frommer Bruder, Gunthar mit Namen, die Pforte des Klosters. Da fragte ihn der Kaiser: »Mönchlein! was gibst du mir, wenn ich dir heute den Bischofsstab überreiche?« Ob solchem Worte lächelte der Bruder Gunthar und sprach: »Wenn's euch genügt, Herr Kaiser: der Schuhe kann ich entbehren, die solltet ihr haben von mir.« Wie das der Kaiser hörte, lächelte er freundlich und that seinem Worte nach. So ist Gunthar Bischof von Regensburg geworden.

110. Kaiser Heinrichs Traumgesicht.

Von Gustav Schwab. – Arnpekh chron. l. IV. c. 11. Adlzreiter l. XV. p. 358. Brunner II., 147. Coelestin Mausol. p. 55. Ludewig script. Bamb. II., 222.

1. Herzog Heinrich war's von Bayern, Der sich in der Mitternacht, Wo die frömmsten Brüdern feiern, Hin zur Kirchen aufgemacht. Ernste Bilder nach ihm fassen,

Treiben ihn zum Beten an, Durch die Regensburger Gassen Geht er nach Sankt Heimeran.

Junges Heldenantlitz betend Möcht' ein schöner Anblick sein! Dieser zum Altare tretend Kniet umnachtet und allein. Vor den Augen gar die Hände, Drückend jedes Bild zurück, Fleht er um ein sel'ges Ende, Nicht um irdisch Heil und Glück.

Als er aufstand, schien's vom Rücken Ueber ihm, als wie ein Licht, Staunend thät er um sich blicken, Sieht ein heil'ges Angesicht. Hochaltar und Kreuz verklärend Dort ein lichter Bischof stand, Der mit hoher Hand wie schwörend, Zeiget nach der Kirchenwand.

Mit den Fingern, wie mit Kerzen, Leuchtet er auf eine Schrift, Wo der Fürst mit bangem Herzen Auf ein römisch Sechse trifft. Will mich Gott so bald erhören? Herr, ich glaub's auf Eure Hand, Hebt sie nicht so ernst zum Schwören! Sprach der Held, und alles schwand.

Wie sechs Stunden sind vergangen, Harrt er fromm auf seinen Tod; Doch es schien ihm auf die Wangen Lebenshell das Morgenroth. Wie der sechste Tag gekommen, Er bereit und fertig ist; Doch es gibt der Herr dem Frommen Neue heit're Lebensfrist.

Darum hält er an mit Beten, Bis der sechste Mond erscheint, Würd'ger stets vor Gott zu treten; Doch es war nicht so gemeint. Aber ernste Todsgedanken Wandeln mit ihm immerdar, Und so lebt er sonder Wanken Heilig bis in's sechste Jahr.

Und in hoher Kirche stand er Leuchtend um das sechste Jahr,

Und auf seinem Haupte fand er Röm'sche Königskrone gar. König Heinrich war's der Zweite, Herr von allem deutschen Land, Der von dort an ward bis heute Stets der Heilige genannt.

Zwei und zwanzig Jahre heilig Herrscht' er ohne Fluch und Spott; An die röm'sche Sechse treulich Dacht' er und an Tod und Gott. Weil er fertig war zum Sterben, Hielt ihn Gott des Lebens werth, Weil den Himmel er konnt' erben, Ward ihm auch das Reich bescheert.

111. Heinrich der Heilige.

Von Franz Kugler.

Er stieg den Herzogstuhl herab: »Du goldner Reif! du goldner Stab! Du edles Hermelingewand! Nun ist kein andrer Herr im Land!« – Und nächtens war es ihm, im Schlaf, Als ob ein Wort das Ohr ihm traf, Ihm dünkt, als ob sich aus der Wand Hervorhub eine Riesenhand, Die mit dem Finger Zeichen schrieb: – »Nach sechsen« – und dann stehen blieb. Verwirrt fuhr er vom Schlaf empor, »Nach sechsen« dröhnt's in seinem Ohr, Nach sechsen! – Menschensohn, das ist Der Tod! Sechs Tage nur sind Frist. Da beugt er seinen stolzen Sinn, Da warf er sich in Demuth hin Vor dem, der einzig hält Gericht; Und als des sechsten Morgens Licht Das Erdenrund begann zu färben, War willig er, bereit zu sterben. Der Tag ging hin, die Nacht brach an, – Die sechste Woche kam heran, – Der sechste Mond, – er blieb ergeben, Noch fristete der Herr sein Leben, Und als das sechste Jahr entflohn, Ward ihm verliehn der Kaiserthron.

112. Heinrichs des Heiligen Stuhl zu Regensburg.

Ertl relatt. cur. Bav. S. 87.

Kaiser Henricus der Zweite, Herzog in Bayern, hat sich nit geschämt, zu Regensburg in den öffentlichen Prozessionen mit entblößtem Haupt und Füßen das heilwerthe Kreuz voranzutragen. In den von ihm erbauten Klöstern, vierundzwanzig an der Zahl, welchen er

vor dem Kirchenportal jedem einen andern Buchstaben aus dem Alphabet, etliche Pfund feines Gold schwer, eingraben lassen, hat er zum öftern mit den Ordensbrüdern zu psalliren und die Lectiones mit heller Stimm abzulesen sich gewürdiget. Als er auf eine Zeit zu Abach ober Regensburg an der Donau seinen Aufenthalt genommen, pflegte er alle Nacht von diesem Ort zehntausend Schritte weit nach der Stadt auch im strengsten Winter zu gehen und allda in St. Emmerams Gotteshaus mit andern Ordensmännern die Metten zu singen. Man sieht noch bis auf diese Stund einen sehr großen Stein als Sessel ausgehauen, auf welchem der damals noch junge Fürst auszuruhen gepflegt, bis die Kirchenthore eröffnet worden, welchen Dienst mehrmalen die heiligen Engel verrichtet, damit er desto ehender seiner Andacht abwarten konnte.

113. Die Regensburger Brücke.

Von A. Schöppner. – Die steinerne Brücke zu Regensburg. Stadtamhof 1821. S. 13, wo nebst dem Hund noch zwei Hähne als Opfer des Teufels genannt sind. Nork Myth. d. Volkss. S. 1050. Lexikon v. Bayern, Ulm 1796 II., 741. Ein Ged. v. Th. Mörtl.

Ein Herzog hub zu bauen an die Regensburger Brücke,Doch hatte selber Ehrenmann die sonderbarste Tücke.

»Elf Jahre, lieber Meister mein, sind euch zum Bau vergonnen,Doch wisset: ist des Werkes Frist im elften Jahr verronnen

Und steht der Brücke Bau nicht da, vollendet fix und fertig,So seid bei meinem Barte mir des Eselritts gewärtig.«

Wie rührte da der Meister sich, wie richteten die Metzen,Wie regten die Gesellen sich mit Hauen und mit Setzen.

So schlich das elfte Jahr herbei, die Brücke noch nicht fertig,Es war der gute Meister schier des Eselritts gewärtig.

Und immer näher dräuet schon des Jahres letzte Stunde –Da ruft er in Verzweifelung den Teufel an zum Bunde.

Wie flog der Meister Urian herbei mit Blitzesschnelle:»Die Brücke da, mein lieber Mann! vollend' ich euch zur Stelle;

Doch weil die Arbeit Lohnes werth, so sei die Seele dessen,Der auf die Brücke geht zuerst, als Preis mir zugemessen.«

Dem Meister macht die Forderung das Herz im Leibe beben,Doch drängt der Schicksalsstunde Schlag, sein Ja zum Pakt zu geben.

Und eh' das elfte Jahr verstrich, erhub sich hoch und mächtigMit Pfeilern und mit Bogen schwer die Brücke stolz und prächtig.

Und von dem hohen Dome her in festlichem OrnateZum Weihespruch des Werkes zog der Bischof mit dem Rathe.

Es sieht der gute Meister schon das Volk zur Brücke drängen, –O Gott! es will dem Armen schier das Herz im Leibe sprengen.

Da zuckt ihm durch die Seele schnell ein Rath zu gutem Glücke:Er reißt den Hut von seinem Kopf und wirft ihn auf die Brücke,

Und husch! sein Pudel hinterdrein, den Hut zu apportirenUnd husch! der Teufel diesem nach, den Pakt zu exequiren.

Da stöhnt entsetzliches Geheul aus des Betrognen Munde,Er bricht in seinem Höllengrimm den Hals dem armen Hunde,

Und raffte sich im Augenblick von der verwünschten BrückeUnd ließ den dicksten Schwefeldampf und Höllenstank zurücke.

Es mahnt der Pudel ohne Kopf zu Regensburg noch heute,Wie sehr der dumme Teufel dort den Brückenbau bereute.

114. Das Männlein am Dome zu Regensburg.

Ertl relatt. S. 98. Coelestin Ratisp. pol. S. 197. Die steinerne Brücke zu Regensburg. Stadtamhof 1821. S. 12. J.R. Schuegraf a.a.O. II., 56 u.A.

Wer dieses Männlein nicht gesehen hat, ist nicht zu Regensburg gewesen. Dasselbe befindet sich am äußern Chor gegen Norden, unweit des Eselsthurmes1, hält einen Topf über den Kopf und steht im Begriffe, sich herabzustürzen. Dieses Männlein stellt den Dombaumeister vor, der mit dem Baumeister der steinernen Brücke eine Wette machte, daß derjenige, welcher seinen Bau früher vollendete, dem Besiegten eine Leibesstrafe auflegen dürfte. Als die Brücke nun früher vollendet war, so ließ ihr Baumeister dem Dombaumeister zum Hohne auf einem Häuschen in Mitte der Brücke ein steinernes Männchen setzen, welches, die eine Hand über die Augen haltend, und gegen den Dom schauend, in der andern einen Zettel mit der Inschrift hielt: »schuck, wie heiß.« Wegen dieses Schimpfes gerieth der Dombaumeister in Verzweiflung und stürzte sich jählings vom unvollendeten Dome herab.

Fußnoten

1 Eselsthurm, weil in ihm ein Weg ohne Treppen hinaufführt, worauf beim Dombaue die Steine durch Esel hinaufgetragen worden.

115. Der Bienenkorb am Dome zu Regensburg.

Die vor. Schrift II., 66. Grienewalt Beschr. der Stadt Regensburg I.c. 15.

Zu den Zeiten des gelehrten Karthäusers Hieremias Grienewalt (1615) setzte man einen zuhöchst des Domes und zwar gegen den Domfriedhof zu befindlichen Bienenkorb unter die Wahrzeichen von Regensburg, so daß man sagte, wer ihn nicht gesehen, auch Regensburg nicht gesehen habe. Es sollen nämlich die Bienen in diesem steinernen Häuslein (der Spitze einer Pyramide) oftmals ihre Wohnung gesucht und zu Sommerszeit aus- und eingeflogen sein, wobei zu wundern, wie sie sich in einem so harten und kalten Stein haben behelfen können, und wo sie ihre Nahrung gefunden.

116. Was weiter vom Dome zu Regensburg gesagt wird.

Die vor. Schrift. S. 61.

Im Einwärts der beiden Flügelthüren des großen Domportales gegen Westen, befinden sich in den beiden Nischen Steinbilder, welche den Teufel vorstellen. Er ist auf der linken Seite mit einer Mönchskappe in einem Thore oder Nische vorgestellt, wie er auf die Ein- und Ausgehenden lauert; sein Leib endigt in einen Drachenschweif. Auf der andern Seite hat er die Gestalt eines Drachen mit Ausnahme des Kopfes, der hier mit rückwärts gekämmtem struppigem Haare bedeckt ist. Beide Bilder scheinen den Teufel und seine Großmutter vorzustellen. Der Baumeister des Domes zu Regensburg liebte eine Jungfrau, welche ihm untreu wurde. Er ließ sie aus Rache vom Teufel holen, mit welchem sie denn auch die Luftfahrt nach dem Blocksberg machen mußte. Diese Begebenheit ist durch ein Steinbild vorgestellt, welches zuhöchst des Domes gegen Südost an der Thurmspitze der rechts liegenden Schneckenstiege etwas versteckt, als Wasserrinne angebracht ist.

117. Die drei Scharfrichter zu Regensburg.

Von F.J. Freiholz. – Hormayr Taschenb. 1832. S. 377.

Zu Regensburg der Donaustadt Es einstmal sich begeben hat Daß drei Verbrechern auf einen Tag Ihr Todesurtheil der Richter sprach. Doch weil gerad zu jener Frist Kein Scharfrichter da gewesen ist So suchte man vor allen Dingen Erst einen solchen aufzubringen. Drum schrieb der hohe Rath sogleich Die Botschaft aus im ganzen Reich Daß männiglich erscheinen sollt Wer des Scharfrichters Stelle wollt. Es meldeten in kurzer Zeit Sich drei zu dieser Stell bereit, Und jeder gelobt' mit hohen Schwüren, Er könnt' am besten das Richtschwert führen, Da faßt ein hoher Rath den Schluß Daß Jeder sich erst zeigen muß Weil's drei Verbrecher zu gutem Glück, Langt's auch für Jeden ein Meisterstück. Als nun der Probetag erschien Strömt alles Volk zur Richtstatt hin, Gefüllt mit Menschen sind die Gassen Will Kein's das Schauspiel gern verpassen. – Und stolz mit siegsgewissem Schritt Der Erste das Gerüst betritt, Mit sorglos unbefangnem Blick Besieht er des armen Sünders Genick; Flugs langt er in die Tasch hinein Bringt heraus einen Röthelstein, Fährt damit um den Hals im Ring Der so einen rothen Strich empfing Dann hebt er hoch das scharfe Schwert Das risch des Sünders Hals durchfährt: Wie er den rothen Ring gezogen,

So ist das Haupt vom Rumpf geflogen. – Der Zweite naht' dann mit Bedacht Hat nicht der gaffenden Menge Acht, Ihm dünkt es schier als stünd er oben, Zur Kurzweil seine Kunst zu proben, Des armen Sünders nackter Hals Scheint ihm ein Krautstängel allenfalls; Zwei Fäden aus der Tasch er bringt, Die er fest um den Hals ihm schlingt So nah zusammengerückt die beiden Daß man sie kaum konnt unterscheiden; Er prüft sein Schwert ob's scharf genug, Dann holt er aus zum Todeszug Und zwischen den Fäden in der Mitten Hat er des Sünders Hals durchschnitten, Am Kopf und Rumpfe kann man traun Noch unverletzt die Fäden schau'n. – Als das Gerüst der Dritt' besteigt Ein Zweifel durch alle Lippen schleicht: Wie soll denn dem der Sieg verbleiben, Nicht höher kann die Kunst er treiben? Ihm aber schien es ganz gewiß Daß Keiner ihm den Sieg entriß; Den Blick hat er emporgewandt, Und mit dem Schwerte spielt die Hand, Die zwei Gesellen eilen bei, Zeigen ihm Kunstgriffe mancherlei, Und suchen ihm mit falschen Tücken Den ruh'gen Sinn wohl zu berücken, Doch er schwingt rasch sein treues Schwert, Das wie ein Blitz die Luft durchfährt, Ab haute er mit einem Streich Die Köpfe allen Drei'n zugleich. Er hatt' das beste Stück vollbracht, Und sich des Amtes werth gemacht. Ob er's erhielt, das weiß ich nicht, Weil davon nichts die Sage spricht.

118. Graf Babo von Abensberg.

Von Franz v. Gaudy. – K.H.v. Lang schrieb über »die Fabel« von des Grafen Babo von Abensberg 30 Söhnen, worauf R. Zirngibl mit Beweisen antwortete.

Als Kaiser herrschte im deutschen LandHenricus, der Zweite zubenannt,Der sprach: »Geendet ist der Krieg,Gott und mein Recht erstritt den Sieg,Von Eisenhelmes schwerem Druck,Von gold'ner Kette schwererem Schmuck,Von Krieges, von des Herrschens Last,Sei mir gegönnt die kurze Rast.Des Kaiserhofes HerrlichkeitErblühe wie in früh'rer Zeit,

Und des Regensburger Schlosses Halle,Vereine die Großen des Reiches alle.«

Von Ost und West, von Nord und SüdHerbei die Schaar der Edlen zieht:Dorther, wo begränzend die Eider fließt,Vom Ufer des Rheins, wo die Rebe sprießt,Von der Donau königlichem Strom,Weither aus dem ewig herrlichen Rom,Sie nahen, die Fürsten, die Grafen, die Herrn,Die Edelfrauen von nah' und fern.

Und zu dem mannlichen TurneyStrömt müß'ger Kämpfer Schaar herbei,Den funkelnden Ring herabzustechen,Mit befiedertem Pfeil' zu spalten das Ziel,Den Speer an stählerner Brust zu brechen,Des Armes Kraft im SchwerterspielZu proben vor der Schönheit Gericht –Weß Edlen Herz begehrt es nicht?Auf des Altans erhöhtem RundGar oft aus lieblicher Frauen MundEin bang Gelübd' gen Himmel steigt,Wenn wohlbekannter Busch sich neigt;Manch' ros'gen Mädchens Wang' erbleicht,Wenn ihrer Farbe Träger weicht;Gar manche dunkleres Roth umzieht,Wenn beneideter Sieger vor ihr kniet,Den Dank, erkämpft auf der Ehrenbahn,Aus zitternden Händen zu empfah'n.

Hell klingt der silberne Pokal,Hell Zink' und Pauk', im hohen SaalDrängt sich das üppig bereitete Mahl,Das laute Bankett in den fürstlichen Hallen.Die Hand, die das Schwert so kräftig schwang,Entlockt den Saiten zarten Klang,Und die Frauen mit zärtlichem Wohlgefallen,Sie lauschen dem zierlichen Minnesang.

Und der Kaiser sich rings umschauend spricht:Nur einen der Edlen gewahr' ich nichtIn meines Hofes festlichem Kreis,Den Grafen Babo, den trefflichen Greis,Entsendet flugs den hurtigen Boten;Zur Waidmannslust in Waldesgrün,Die uns am Morgen soll erblüh'n,Sei auch Graf Abensberg entboten.

Die junge Sonne schwingt sich herauf,Da zieht der Jäger lärmender Hauf'

Dem Forste zu. Der Kaiser sprengtVoran; der Schwarm der Ritter drängtSich hinterher. In grünem GewandFolgt langsam die Blüthe edler Frauen,Norweg'sche Falken auf der Hand,Mit Schellenkapp' und gefesselten Klauen.Gefleckter Schweißhund durchkreuzt die FlurVon Thau benetzt, auf des Wildes Spur,Die Koppel zerrt an der hemmenden SchnurMit lautem Geheul. Der Jagdruf erschallt –Es birgt sich das Wild im dichten Wald.

Und der Kaiser den Palatin befragt:»Ein Haufen Reisiger zieht dort heran;Wer ist der kecke Edelmann,Der unsers Gebotes zu spotten wagt?Jedwedem Herren folg' ein Knecht,So will's das alte Waidmannsrecht,Wer ist der Vasall, der sich erfrecht,Mit Hunderten einher zu reiten,Als gält' es gegen den Feind zu streiten?«

Die fremden Reiter sind zur Stell',Der Führer schwingt vom Pferd sich schnellWie'n Jüngling behend, wenn gleich die JahreVersilbert die dünn geringelten HaareUnd beugt vor dem Kaiser das Knie zur Erde;Der spricht mit zürnender Geberde:»Seid ihr's, Graf Babo, der das MandatSo arg verletzt? Wohl bessern RathHätt' ich verseh'n von grauem Haar;Wozu der Knecht' unbillige Schaar?«

Darauf der Graf: »Des Kaisers WortBefolgt' ich getreulich immerfort,Nach eurem Gebote bin ich hier,Und einer der Diener nur folgte mir;Dort jenen Junkern, den dreißig und zwei'nEin Knecht zieht Jedem hinterdrein,Die zwei und dreißig allzusammSind aber Sprossen von Einem Stamm,Es sind meine Söhne lieb und werth,Die mir des Himmels Gunst gewährt,Die will ich dem Dienste meines HerrnGewidmet haben freudig und gern.Nehmt meine Knaben, nehmt sie all',Treu halten die Abensberger Wacht,Der Kaiserbrust ein eiserner Wall,Im Frieden, im Getümmel der Schlacht.«

Mit Staunen vernimmt die seltsame Kunde

Der Kaiser aus des Grafen Munde,Mit Staunen erblickt er der Brüder Schaar,Wie gleiche Bildung wunderbarSich stellt im Knaben, im Manne dar.Dann bricht er das Schweigen und spricht: »Ihr habtDen Kaiser kaiserlich begabt,Wo lebt ein Fürst, der solchen BannUm seine Fahne sammeln kann?Habt Dank, habt Dank, mein treuer Vasall,Habt Dank für eure Söhne all',Und nehmt mein kaiserliches Wort:Der Söhne Sorg' ist mein hinfort.Und wenn der edle Stamm verdorrt,Der sprossenreiche, so entsteigeEin neuer Stamm jedwedem Zweige!«

119. Die Töchter des Abensbergers.

Verh. des hist. Ver. f.O.u.R. 1838. 2. u. 3. H.S. 389.

Im Weltenburger Nekrolog kömmt der Graf Babo von Abensberg mit dreißig Söhnen und nur sieben Töchtern vor, während alle andern Nachrichten ihm acht solche zuschreiben. Das Volk erzählt sich, Graf Babo habe, so oft ihm ein Kind geboren worden, einen Thurm an der Stadtmauer aufrichten lassen und dabei zu seinen Kindern gesagt, daß dasjenige lebendig in den Thurm eingesperrt und von dem Hunger aufgezehrt werden solle, welches ausarten würde. Es sei aber geschehen, daß eine der Töchter sich verfehlt und die angedrohte Strafe sich wirklich zugezogen habe. Deßhalb wäre noch wirklich einer der Thürme vermauert, während die übrigen offen sind. Wahrscheinlich haben die Weltenburger Mönche von dieser Sage gehört, und derselben eingedenk, mögen sie in ihrem Todtenbuch diese ausgeartete achte Tochter nicht bemerkt haben.

120. Die Templer zu Altmühlmünster.

Altmühlmünster, Pfarrdorf zwischen Ritenburg und Dietfurt in der Oberpfalz. S. Verhandl. des hist. V.f.O.u.R. 1838. 2. u. 3. H.S. 205.

Vor Alters war Altmühlmünster ein Ordenshaus der Tempelherren. Noch erzählt das Volk, es seien einmal mitten in der Nacht Bewaffnete gekommen und hätten die dahier wohnenden Templer gefesselt fortgeführt. Sie sollen der Nüchternheit nicht sehr beflissen gewesen sein, daher sich das Sprichwort erhalten hat: »Du saufst wie ein Templer!«

121. D' Wallfoarth.

Von J.A. Pangkofer. – Sage des Altmühlthals von der Burg Brunn und dem Kirchlein Emmerthal. –

Duat ob'n af da Höch'n, is g'weh'n a olt's G'schloß,Jatz sichst meah dee Trümma und d' Graben holt bloß.

'S is g'weh'n duat a Brunna tiaf zwoahundet Ell'nDuach Felsen nab brocha – zo na lebaden Quell'n.

Und unten im Thal steht a Kirchl goar kloa,No älta ols 's G'schloß und voruckt is koa Stoa.

Und olle Joahr kemma viel singade Gäst'

Wallfoarten zon Kirch'l af's Hoagartenfest.

Hänga umma viel Taferl, san d' Wunda draf g'maln,Und betade Leut' und dee Liabfrau in Strahl'n.

Und drunta a Tofel und 's G'schloß draf no ganz,Und a betat's schö's Deandl mit an Almrosenkranz.

Am Beag drob'n a Ritta, a scheuliga Mo,Hot g'haust, und a Hüata im Thal unten dro.

Dem Hüata sei Deandl da Ritta hot g'seg'n,Und hätt's zo sein Weib, naa – zon Schatzerl sched mög'n.

Und wael eahm dees Deandl so unbändi g'fallt,So stiahlt a eahm 's draussen af da Woad am Beagwald.

Setzt 's naf af sein Hengsten, wia's raft aa und schreit,Und damit im Galopp in sei G'schloß afi reit.

Dee Moad in da Angst in sein Heazen drin bet't:Hilf heilige Muata, wael mi sunst Neamat ret't.

Da Ritta loßt's nieda vom Roß drob'n im Hof,Und freudi sicht's Deandl, da Brunna is off.

Do wiaft sa si obi dee kohlschwoaze Tiaf,Ols hätt 's füa sei Rettung vom Himmel an Briaf.

Da Ritta schaugt nache, und wos hot a g'seg'n?A Wunda, so wundali ols nua oas is g'scheg'n,

Da Brunna is z'tiafast voll himmlischen Schei,Und 's Deandl steht unten und d' Liabfrau dabei.

Dee füaht's durch den Felsen zon Kiachaaltoa,Wia da Hüata h'neischaut, grod kemma s' ollzwoa'.

D' Liabfrau streicht dem Deandl dee Wangerl no zoartUnd steigt nacha afi zon schö putzten Oart.

Da Ritta im Schrecka is g'sunka af d' Ead',A G'lüabd hot a tho und a hot si bekeaht.

Hot selba sei G'schloß af en Beag nidabrennt,Und hot si als Pilga in's g'lobte Land g'wändt.

Sei Leut unn sei Güata dem Klösterl voneh',Drei 's Deandl is ganga, hot a g'schenkt af da Höh.

Wiar a wida is kemma eisgrau noch Joahrn,

Is a unten beim Kircherl a Oasiedla woarn. 122. Das Marienbild zu Ingolstadt.

Von Erfurt. – A. Müller die obere Donau, S. 47.

Sie halten heilige Messe Im Dom zu Ingolstadt; Sie bitten vom himmlischen Helfer, Was Jeder zu bitten hat.

Es dampfen die Opferschalen, Die Kerzen am Hochaltar. Dort steht der greise Priester Und fleht für seine Schaar.

Einsam am letzten Pfeiler Kniet eine Beterin Und wendet zum steinernen Bilde Die Augen in Thränen hin.

»Du heil'ge Mutter Gottes, Du Mittlerin bei Gott, Wollst gnädig niederschauen Auf meine Angst und Noth.

Daheim im öden Stüblein Mein krankes Söhnchen ruht: Wenn du nicht rettest, Maria, Verzehrt ihn des Fiebers Gluth.

Der Vater ist gestorben, Nimmst du mir auch das Kind, So kann ich fürder nicht leben; Ach, sei mir gnädig gesinnt!

Du heilg'e Gottes-Mutter, So öffne nur den Mund; Und laß mich, laß mich hören: Dein Knäblein ist gesund!« –

Die steinerne Maria Beweget nicht den Mund; Die arme verlass'ne Mutter Ringt sich die Hände wund.

Doch jetzt – es blitzt ihr Auge, Sie geht – o Gott erbarm' – Und nimmt der heil'gen Jungfrau Das Jesulein vom Arm.

Und trägt's in einen Winkel

Und kehret ernst zurück Und spricht mit dumpfer Stimme Und spricht mit trübem Blick:

»Du harte Mutter Gottes, Jetzt fühle, wie es schmerzt, Wenn wir das Kindlein verlieren, Das wir so süß geherzt!« –

Entsetzen erfaßt die Gemeine, Sie sammeln sich um das Bild Und ergreifen die Frevlerin bebend, Der schaut das Auge so wild.

Doch Wunder, heil'ges Wunder! Das Marmorbild sich regt Und lächelt, als in die Arme Das Jesulein man ihm legt.

Die arme Mutter betet, Maria öffnet den Mund – Das Knäblein kommt gesprungen: »Lieb' Mutter, ich bin gesund!«

123. Die Teufelsmauer.

Döderlein Antiqq. in Nordgav.Rom. p. 29. Falkenstein ant. Nordg. II., 62. Verh. des hist. Ver. f.O.u.R. 1838. 2. u. 3. H.S. 198. Grimm d.S. I., 270.

Von der Nordgauer Pfahlhecke oder Teufelsmauer erzählen die Leute noch heutigen Tages: Der Teufel habe von Gott dem Herrn einen Theil der Erde gefordert und dieser insoweit dreingewilligt, dasjenige Stück Land, das er vor Hahnenkrähe mit Mauer umschlossen habe, solle ihm zufallen. Der böse Feind habe sich stracks an's Werk gemacht, doch eh' er die letzte Hand angelegt und den Schlußstein aufgesetzt, der Hahn gekrähet. Vor Zorn nun, daß das Geding und seine Hoffnung zunicht geworden, sei er ungestüm über das ganze Werk hergefallen und habe alle Steine übern Haufen geworfen. Noch jetzt spucke es auf dieser Teufelsmauer.

124. Die Teufelsmauer, der wilde Jäger und Frau Holla.

Döderlein Antiqq. in Nordgav. Rom. p. 34 bei J.W. Wolf d.M.u. S. S. 578.

Ich bin von einer sonst wohl resolvirten Person versichert worden, daß, als sie zwischen Ober-Hochstatt und Burg Salach, auf dasiger ordentlichen Straße, der Römer Vallum, die Teufelsmauer insgemein genannt, mit einem guten Pferde nächtlicher Weile passirt, so habe das Pferd ungemein geschnaubet und geschnarcht und ganz ungemeine Posituren und Sätze gemacht. Ingleichen erzählet man, also fährt belobter Döderlein fort, daß zu gewissen Zeiten in der Gegend Theilenhofen und Riedern bei dem dicken Walde, Herleshohe genannt, zum öftern ein abscheuliches und fürchterliches Jagdgetöse, bellende Hunde, nebst einem gräßlichen Geheul, Schreien und Rufen der Jäger, und was sonst bei hitzigen, zumal Parforcejagden vorgeht, gehört wurde, welches bei einem furieusen Trieb bald nahe, bald in der Ferne zu sein erachtet wird. Ich selbst bin einst durch diese Gegend gereist, und da hat mir ein Bauer erzählt, daß ihm dieses wüthende Heer einst bei Tage aufgestoßen sei. Er habe nämlich von ferne lauter Schatten auf sich zukommen sehen, da sei er nun aus dem Wege

getreten, weil den Bauern dieses Blendwerk nicht unbekannt und habe Pferde, Jagdhunde und Menschen mit Spießen, doch aber nur im Schatten und ohne Geschrei wahrgenommen. Daher halten die gemeinen Leute dafür, wenn eine Weibsperson den Tag vor Weihnachten ihren Rocken nicht abspinne, so käme die Frau Holla und thäte ihr einen stinkenden Possen darein. Weil sie für die heidnische Diana oder Jagdgöttin gehalten wird, so gibt man auch von ihr vor, sie durchstreiche das Land mit einem wilden oder wüthenden Heer, bei welchem man Hunde bellen, Jagdhörner, Jägergeschrei u. dgl. m. höre, aber meistentheils nur bloßen Schatten sehe.

125. Der wilde Jäger in Heidenheim.

Mittelfr. – Fr. Panzer, Beitrag S. 133.

Der Weber Günther, Zolleinnehmer, wohnte im letzten Häuslein zu Heidenheim, gegen Sammenheim hin. Als einst das wilde Heer vorbeibrauste, sah er zum Fenster hinaus und rief: »Alles zam nei in Markt!« Er konnte aber den Kopf nicht zurückziehen, weil ihm der wilde Jäger Hörner aufgesetzt hatte; so mußte er eine Stunde harren.

126. Das wilde Heer zu Eichstädt.

Von J. Heß.

Ich weiß ein schmuckes Städtlein dir In einem lieben Thal, Ein stilles Wasser fließt dafür, Sein Bett ist tief und schmal.

Schon mürb und grau von Wind und Sturm Steht an des Wassers Rand Ein Thor, ein alter dicker Thurm, Das Ostenthor genannt.

Und kommst du einmal da hinein, So schau zur rechten Hand, Da siehst ein Loch, nicht eben klein, Hoch oben an der Wand.

Einst fuhr in mancher schwarzen Nacht – So sagt die Wundermähr', – Wenn Blitz auf Blitz im Wetter kracht, Durch's Thal das wilde Heer.

Es kam herab vom Eichenhorst Und zog den Fluß entlang, Es schallt, als ob der Himmel borst, Gebell und Hörnerklang.

Bald fliegt's hinauf im Wirbelwind, Und wimmert weit umher, Bald streicht es über'n Weg geschwind, Und heult so bang und schwer.

Am Klösterlein, am Berg vorbei, Da mag es wohl nicht gern, Da singt man schon beim Hahnenschrei

Den Lobgesang des Herrn.

Und hebt das Mettenglöcklein an Im stillen Gotteshaus, Dann flieht das Heer, nimmt seine Bahn Zum Ostenthor hinaus.

Da tobt es durch mit Hundgebell, Daß Thurm und Bogen kracht, Und drob des Thores Wächter schnell Vom süßen Schlaf erwacht.

Im Thurme hält es keiner aus, Wer möcht' auch wachen hier, Und auch der Schelm, der Meister Klaus Büßt theuer die Begier.

Er zieht im alten Stübchen ein, Wo mancher schon gehaust, Zu warten, bis am Fensterlein Das Heer vorüber braust.

Ihm pocht das Herze laut und schwer, Ihm möcht' die Lust vergeh'n, Doch will er baß das wilde Herr Mit eignen Augen seh'n.

Schon wird's am Morgenhimmel grau, Schon tönt der Hahnenschrei, Da saust es rüber von der Au, Bei St. Walburg vorbei.

Da ruft des Glöckleins Silberklang So freundlich in der Fern'; Ruft fromme Frauen zum Gesang, Zum Lob und Preis des Herrn.

Wie vor dem Kreuz der Feind entflieht, Mit Ingrimm schnell entweicht, So, wenn ertönt der Frauen Lied, Das wilde Heer entfleucht.

Es tobt in Wuth der Geister Chor, Und naht in wilder Flucht, Und stürmt heran zum Ostenthor, Wo es den Ausgang sucht.

Und Meister Klaus das Köpflein hebt, Gar flink vor's Fensterlein, Da saust, daß Thurm und Bogen bebt Die schwarze Schaar herein.

Und Meister Klaus er hat's geseh'n Und schaut es nimmermehr, Will nimmermehr an's Fenster geh'n, Wann kommt das wilde Heer.

Ihm wuchs das Köpflein, sonst so fein, Zum größten Schädel an, Darob er aus dem Fensterlein Nicht vor noch rückwärts kann.

Da half kein Poltern, kein Geschrei, Er sitzet nagelfest, Bis man mit Kreuz und Klerisei Den Pfarrer holen läßt.

Da brach der Kreuzstock endlich los, Und Klaus zieht sich hinein, Doch muß sein Kopf noch lang so groß Wie der in Passau sein.

Vom Thurme zog er schleunig aus Zu aller Welt Gespött, Verschworen hat es Meister Klaus, Daß er's wohl nimmer thät.

127. Teufelsbündler zu Ostendorf.

v. Raiser, der Ober-Donaukreis II., 96.

In der Kirchenmauer zu Ostendorf (nordöstlich von Dietfurt in der Grafschaft Pappenheim) befindet sich ein römisches Grabdenkmal, das vorher zweihundert Schritte vom Orte entfernt an der Römerstraße lag, welche westlich an Ostendorf vorbei zu der Treuchtlinger Kapelle führt. Die Volkssage hält dieses Grabdenkmal für einen Gedächtnißstein an die traurige Geschichte eines sogenannten Teufelsbündlers. Dieser hatte seine Seele dem Teufel verschrieben unter der Bedingung, daß er vor ihm her während scharfen Rittes eine gepflästerte Straße bauen müsse. Der Teufel vollbrachte die Arbeit bis »zum rauhen Thale,« wo das Pflaster noch nicht fertig war, als der Reiter daherbrauste, mit dem Pferde stürzte und den Hals brach.

128. Das Auernweiblein.

Mitgeth. v. K.A. Böhaimb. Vgl. v. Raiser der Ober-Donaukreis II., 96, 215.

Auf dem Auernfelde bei Mörn unweit Dietfurt in Mittelfranken spuckt das Auernweiblein. Es ist eine weiße Jungfrau mit einem Schlüsselbunde, die in der »alten Burg« haust und zuweilen in das ehemalige sogenannte »Birkemers-Häuslein« lustwandeln geht. Einmal sah ein Hirtenknabe das Weiblein, lief ihr nach und wollte sie festhalten, allein des andern Morgens wurde er auf dem Felde todt gefunden.

129. Die Gründung der Wülzburg.

Von F.J. Freiholz. – Falkenstein Antiqq. Nordgav. II., 191. Die Wülzburg Bei Weissenburg am Sand in Mittelfranken.

In des Nordgau's dichten Forsten Hält der König Pipin Jagd, Hoch zum Fels wo Adler horsten Steigt er aus des Waldes Nacht.

Doch wie hoch er auch gestiegen Keine Beute bringt ihm Lohn, Fern am Himmel sieht er fliegen Freier Lüfte freien Sohn.

Müde von dem langen Jagen Wird der König allgemach, Aber nirgend sieht er ragen Einer Hütte gastlich Dach.

Nur der Eiche grünbelaubte Zweige wölben sich zum Zelt Wo dem müden Herrscherhaupte Weiches Moos zum Pfühle schwellt.

Und am deutschen Eichenbaume Schlummernd Deutschlands König ruht Dessen Seele bald im Traume Wunderbares kund sich thut:

Vor ihm liegt die öde Wildniß Die er wachend kaum durchschritt, Aber schnell ein andres Bildniß An die düstre Stelle tritt.

Licht wird Alles rings und helle, Freundlich mild der Himmel blaut, Und vom Berge die Kapelle In die Ebne niederschaut.

Felder wogenden Getreides Sieht sein froher Blick zumal Und als Gürtelband, als breites, Zieht die Wiese sich durch's Thal.

Menschenreiche Städte schweben Jetzt an seinem Aug' vorbei Stille Dörfer sich erheben Aus der alten Wüstenei.

Doch vom schönen Traumgesichte Ist der König bald erwacht, Und ihn deckt dieselbe dichte Wildverwachs'ne Waldesnacht.

Was er sah im Traumgebilde

Dünkt ihm höhrer Deutung voll: Daß zur Wandlung der Gefilde Er nach Kräften wirken soll.

Und die schönste seiner Pflichten Wird dem Fürstenherzen klar, Daß mit muth'ger Hand er lichten Soll, was finstre Wildniß war.

Da in jenen frömmern Zeiten Nur das Kreuz als Führer galt Um zum Licht emporzuleiten Was in Finsterniß gewallt;

Darum an derselben Stelle Hat der König aufgebaut Eine heilige Kapelle Wie er sie im Traum geschaut.

Und nun ist nach langen Jahren Schier der ganze Traum erfüllt, Eine Stadt kann man gewahren Dörfer sind dem Aug' enthüllt.

Doch wo einst in frühern Tagen Segnend die Kapelle stand Sieht man eine Feste ragen Weithinaus in's Frankenland.

130. Marienburg.

Bei Abenberg. – Falkenstein Hochst. Eichstädt II., 377. Brunner ann. Boic III., 78. Vat. Mag. II., 71.

Stilla, Rapoto und Konrad, drei Kinder des edlen Grafen Wolfram II. von Abenberg, hatten jedes einen Wunsch. Erstere, daß die Kapelle, welche sie unfern Abenberg bauen ließ, und Letztere, daß das Kloster in Heilsbrunn, welches sie stiften halfen, bald vollendet dastehen möchte. Im Jahr 1152 wurde der Bau dieses Klosters beendigt und schon ein Jahr früher stand Stilla's Kapelle. Bischof Otto von Bamberg (aus dem Hause der Grafen von Andechs) weihete letztere zur Ehre St. Peters und erhielt von Stilla das Versprechen ewiger Keuschheit. Von nun an sah man Stilla täglich hinabgehen zum neuen Gotteshaus, ihre Andacht dort zu verrichten. Es wurde ihr so theuer, daß der Wunsch, auch noch ein Kloster dort zu erbauen, in ihrer Seele entstand. Leider wurde dieser Wunsch zu Stilla's Lebzeiten nicht erfüllt. Die fromme Gräfin ging nie allein zu ihrem geliebten Andachtsort, sondern immer war sie, in frommer Rede sich unterhaltend, von ihren Kammerfrauen Gewehra, Widikuna und Winterbring geleitet. Einstmals verließ Stilla mit ihrem weiblichen Gefolge wieder die Kirche, ernst und wehmüthig gestimmt. Tod und Grab waren der traurige Inhalt ihrer Unterhaltung, in deren Lauf die Genossinnen den aufrichtigen Wunsch äußerten, daß Gott noch lange den Augenblick ferne halten möge, wo Stilla's irdische Hülle in dem von Rapoto und Konrad gestifteten Kloster ruhen würde. »In Heilsbrunn?« fragte Stilla, »das kann nicht geschehen,« und so gingen sie schweigend vollends den Burgberg hinauf. »Nicht wahr,« sprach Stilla, »ihr lieben Jungfrauen, ihr versprecht mir getreu und fest zu halten, um was ich euch jetzt bitten werde?« Feierlich gelobten die Mädchen, daß ihnen der Wille ihrer

Gebieterin heilig sein werde. »Nun seht,« sprach jene und streifte den Handschuh von der schönen Hand – »nun seht, wohin jetzt die Winde diesen Handschuh tragen werden, dort und nur dort will ich einst begraben sein.« Und der über die Burgzinne hinausgestreckten Hand entflog der Handschuh. Wie eine weiße Taube wurde er von den Winden dahingetragen und sank bei der Kapelle nieder. »Ja, so sei es,« rief Stilla entzückt über die so heiß erflehte Erfüllung ihres innigen Wunsches, »dort, wo ich mir so oft Ruhe erflehte und Trost, dort in jener Kapelle will ich einstens ausruhen von diesem Leben und harren auf den Ruf des Herrn zur Ewigkeit. Daß dieser mein Wille erfüllt werde, darauf Freundinnen, darauf haltet eures Versprechens eingedenk, wenn euch meine Ruhe im Grabe lieb ist.« Stilla starb und ihre Leiche sollte, so beschlossen die Ihrigen, im Kloster zu Heilsbrunn beigesetzt werden. Da erinnerten sich Gewehra, Widikuna und Winterbring Stilla's Wunsches und ihres eigenen Versprechens. Jetzt unverzüglich baten sie um Gehör bei dem gräflichen Familienrathe, dem sie erzählten, was sie von Stilla gehört, von der Burgzinne aus gesehen und dort gelobt hatten, und baten ihn flehentlich, Stilla in ihrer Kapelle ruhen zu lassen. Darauf einzugehen war man nicht geneigt und doch trug man Bedenken, Stilla's letzten Willen zu verachten. Gott möge entscheiden, war der Beschluß. Jammernd und weinend standen des andern Tages am frühen Morgen die Armen der ganzen Umgegend vor der Burg Abenberg, erwartend die Leiche Stilla's, ihrer Wohlthäterin, welche von ihren treuen Freundinnen auf einen stattlichen Wagen gehoben wurde. Mit zwei glänzend weißen Stieren wurde dieser bespannt, und wohin jene die Leiche bringen würden, da sollte sie begraben werden. Niemand dürfte, so war bedungen, die Thiere leiten oder antreiben. Kaum war die Leiche auf dem Wagen, so zog das Gespann und führte diesen langsamen Schrittes zur Kapelle hin, wo er stehen blieb. »Gott hat entschieden!« rief das Gefolge, und Stilla's Leichnam wurde nun der von ihr erbauten Kapelle übergeben. Still ruhte Stilla in der dunkeln Gruft, bei der mannigfache Wunder geschehen sein sollen, und welche eben deßwegen von zahlreichen Wallfahrten andächtiger Christen besucht worden ist. Bischof Raimbotto von Eichstädt weihte den Altar in der Kapelle zu Ehren der heiligen Stilla und Bischof Wilhelm von Reichenau erbaute 1488 an die Stelle der Kapelle ein Frauenkloster, Marienburg genannt, Augustinerordens. So wurde auch dieser im Leben oft gehegte Wunsch Stilla's erfüllt. Noch heutiges Tages, erzählt Falkenstein, sieht man ihr erhöhtes Grab linker Hand beim Eingang in die Klosterkirche.

131. Gründung des Klosters Heilsbrunn

J.H.v. Falkenstein Hochstift. Eichstädt II., 351.

Ein Ritter von Heideck siechte schon Jahre lang am Fieber. Kein Mittel half, Niemand konnte rathen. Nun geschah es, daß er an einem fieberfreien Tage sein Roß bestieg, um sich in der frischen Luft ein wenig zu erreiten. Als er schon lange in Feld und Wald herumgeschweift war, befiel ihn brennender Durst, so daß er verschmachten zu müssen glaubte. Endlich kam er auf einen schönen grünen Rasenplatz; da hüpften und sangen die muntern Vöglein, da warfen die hohen Bäume kühlenden Schatten, und was das Beste war: da sprang ein Brünnlein des herrlichsten Wassers mit lustigem Sprudel aus dem Felsen hervor. Alsogleich war der Heidecker vom Pferde und schlürfte in langen Zügen das erfrischende Wasser. Von selber Stunde an genas der Ritter von allem Fieber. Daher nannte er die Quelle Heilsbrunnen, und erbaute aus Dankbarkeit eine Kapelle zu Ehren des heiligen Michael. Bald zog die Wunderkraft des Wassers zahlreiche Pilger herbei, so daß die Kapelle nicht Raum für die Betenden hatte. Daher bauten die Brüder Rapoto und Conrad, Grafen zu Abenberg, eine größere Kirche und ein der Gottesmutter geweihtes Mönchskloster, Cisterzienserordens.

132. St. Sebaldus zu Nürnberg.

Von A. Nodnagel. – Nach C. Celtes, Trith. Chron. Hirs. u. A. Rader. Bav. S. II., 56. Brunner ann. B. I, 165. Falkenstein Antiqq. Nordg. I., 249. Adlzreiter ann. I., 163 u.A.

Wie ist das Holz so theuer, Der Winter stürmisch kalt, O gieb, o gieb uns Feuer, Du heiliger Sebald!

Wenn du es einst gegeben, Warum versagst du jetzt, Was unser nacktes Leben Mit hellen Gluthen letzt? –

Es lebt ein Rademacher Zu Nürnberg fromm und gut, Dem war Sebald Anfacher Der wunderbaren Gluth.

Einst stürmte wild und eisig Durch's Feld der rauhe Nord, Kein Holz, kein Bündlein Reisig Besaß der Arme dort.

Der Heilige nahm vom Dache Eiszapfen viel herein, Daß er zur Gluth sie fache Im niedern Kämmerlein.

Im Ofen stieß zusammen Seine Hand das Bündel Reis, Aufschlugen da die Flammen, Den Armen ward es heiß.

Das Holz ist selten heuer, Der Winter stürmt so kalt. O gieb vom Eis uns Feuer, Du, heiliger Sebald!

133. Wie St. Sebaldus über die Donau geht.

Der heilige Sebaldus kam an den Donaufluß; es war aber von ungefähr kein Fahrzeug zu Handen. Also bedachte sich der Heilige nicht lange, breitete seinen Mantel aus und steuerte wie auf einem Schifflein über das Wasser. So ist er wohlbehalten und trockenen Fußes am jenseitigen Ufer angekommen. Davon weiß noch heutiges Tages das Volk zu sagen.

134. Wie St. Sebaldus begraben worden.

Als der heilige Sebaldus auf dem Todsbette lag, da soll er befohlen haben, ihn nach seinem Tode auf einen Wagen zu legen, vier ungezähmte Ochsen davorzuspannen, und wo diese still stehen würden, den Körper zu begraben. Da nun die Ochsen zur St. Peterskapelle gekommen, sind sie daselbst still gestanden, daher der Leichnam auch dahin bestattet worden.

135. Wie St. Sebaldus nach seinem Tode einen Zweifler besiegt.

Von J.N. Vogl. – Nach Gamansius bei A. Crammer, das gotts.u. heil. Eichstädt. 1780 S. 133.

1.

Aufgebahrt liegt Sanct Sebaldus In der Zelle, eng' und dunkel; Zu des Todten Füßen sitzet Hütend, stumm, ein schwarzer Bruder.

Ringsum herrschet Nacht, es schallet Nicht ein Laut in öder Runde; Trübe brennen ab die Kerzen – Nur der Hüter ist noch munter.

Da, mit frevlem Sinne wendet, Zu dem Todten sich der Bruder: »Ei, wie bist du nun so stille! Sprich, was wirkst du keine Wunder?«

»Nur getäuscht hast du die Menge, Die gehuldigt deinem Ruhme; Blendwerk war, was du verübtest, Und die Einfalt nannt es: Wunder.«

»Konntest wirklich Wunder üben, Gib mir jetzt davon die Kunde; Will dir deine Zeichen glauben, Wirkst du eins zu dieser Stunde.«

Aber kaum, daß ausgesprochen Solches Wort aus seinem Munde, Sieh' – da richtet sich Sebaldus Plötzlich auf in seiner Truhe.

Aus den tiefen Augen schießend, Grimmer Blicke Zornesgluten Rufet er mit dumpfer Stimme: »Wehe über dich, Verruchter!« –

Und im selben Nu verlöschen Alle Lichter in der Stube, Und, in's Antlitz schwer getroffen, Stürzt zur Erde hin der Bruder.

2. Hört ihr's nicht bei'm Todten drinnen Weheklagen, Hülferufen? Und es eilen hin die Mönche, Wo Sebaldus liegt in Ruhe.

Seht – im Sarge liegt die Leiche, Doch der Hüter wimmernd d'runter, Bleich voll grimmer Schmerzen heulend, Aus den beiden Augen blutend.

Und er kündet nun voll Jammer, Wie gelästert seine Zunge, Und ihn d'rauf der Todte strafend, Also schmerzlich hab' verwundet.

Und den Blinden, der verzweifelt, Führen sie in seine Stube, Gießen Balsam, legen Kräuter, Aber fruchtlos, auf die Wunde.

»Wehe!« ruft er, »weh' mir Armen, Daß ich also mich verschuldet; Nimmer werd' ich Gnade finden, Ew'ge Nacht hält mich umwunden!« –

3. Einsam sitzt der blinde Bruder, Stillen Grams, in öder Stube, Reue nagt an seinem Herzen Ob dem Frevel seiner Zunge.

Und auf seine Kniee sinkt er, Also zu dem Heil'gen rufend: »O verzeih', um Jesus Willen, Was an dir ich hab' verschuldet!«

»Sieh zerknirscht im Staub' mich liegen, Der in ew'ge Nacht versunken; Sieh' mein Herz von bitt'rer Reue Ob der schlimmen That durchdrungen.«

Und er fühlt ein lind' Berühren Plötzlich auf den Augen wunde Und er hört Sebaldus Stimme: »Blicke auf, du bist gesundet!« –

Und in namenloser Wonne Ist des Bruders Herz entzunden, Da der Quell des Lichtes wieder Wunderthätig ihm entsprungen.

Wohl erstaunen all' die Mönche Ob dem neuen kräft'gen Wunder, Preisen laut Sebaldus Milde Der verzieh dem reu'gen Bruder.

136. Burglinde zu Nürnberg.

Von Schöppner. – Eine Kunigundenlinde hat auch Gräfenberg. G.K. Adler Gesch. u. Beschr. v. Gräfenberg. S. 93.

Zu Nürnberg saß im Garten die edle Kunigund,Mit eigner Hand zu warten der Blümlein zart und bunt.

Da dachte sie mit Schmerzen an ihren lieben Herrn,Er war von ihrem Herzen so viele Meilen fern.

Und sinnend brach die Gute sich einen LindenzweigUnd pflanzt mit stillem Mute ihn in das Erdenreich.

Der war zur selben Stunde gewurzelt und erblüht;Da sprach Frau Kunigunde mit fröhlichem Gemüt:

»So blühe meine Liebe, o Heinerich, zu dir,Hinfort mit solchem Triebe, wie dieses Bäumchen hier.«

Das Bäumchen sproßte mächtig und ward ein RiesenbaumUnd grünt noch heute prächtig empor zum Himmelsraum.

137. Kaiser Rudolph und der Freihart zu Nürnberg.

Von Karl Förster. – Zeit der Sage: 1274. M.M. Mayers kleine Chronik von Nürnberg I., 49.

Der Kaiser zog zum Münsterthor Und viel des Volks ihm nach; Da trat ein Freihartsbub' hervor Und zupft den Herrn und sprach:

»Herr Bruder, nicht so stark fürbaß! Es ist noch einer hier!« Der Kaiser schaut ihn an; der Spaß Bedünkt ihm Frevel schier.

»Was ficht dich an? – Mein Bruder du? Ich kenne traun dich nicht!« Der Freihart aber lacht dazu Und blinzt ihn an und spricht:

»Ich denke so: der Kaiser stammt, Wie ich, von Adam her, Und sind wir Brüder allesammt, Sind wir's auch, ich und Er.«

»Drum wollt Ihr – was die Zeit verbrach – Ausgleichen baar und blank, So theilt mit mir, und tilgt die Schmach, Und nehmt dann meinen Dank.«

Der Kaiser lacht und spricht: »Gesell, Jetzt muß ich beten geh'n; Schaff einen Sack derweil zur Stell', Dann laß uns weiter seh'n!«

Der Bub' eilt flink und flugs nach Haus Und kehrt in vollem Lauf,

Da tritt der Herr zur Kirch' heraus Und ruft: »Nun, Bursch', thu auf!«

Der zieht den Sack die Läng' und Quer, Ihm dünkt er noch zu klein; Der Kaiser wirft – es klang nicht schwer – Wirft einen Heller drein.

Und spricht: »Nun weiter Bursch! Durch's Reich; Der Brüder sind noch mehr! Gibt jeder dir dem ersten gleich, Bist du so reich, wie der.«

138. Henricus Rumel.

Von J.N. Vogl. – Henricus Rumel der erste Buchdrucker in Nürnberg, erhielt daselbst Bürgerrecht im J. 1463.

Zu Mainz am grünen Ufer, im Sonntagsmorgenschein,Da geht ein züchtig Mädchen, die schönste Blum' am Rhein,Und ihm zur Seite wandelt ein Mann in Bürgertracht,Umwallt den Spitzenkragen von dunkler Lockennacht.

Der spricht: »Es prangt die Erde in ihrem schönsten Glanz,Doch kann ein Wort sie wandeln zum Paradies mir ganz,O sprich das Wort, Brigitte, das kleine Wörtchen sprich,Du, die mein Glück und Hoffen, o sag': ich liebe dich!«

Wohl zögert noch die Jungfrau mit holdverwirrtem Sinn,Dann sinkt mit heißen Thränen an seine Brust sie hin,»Henricus,« spricht sie leise, »was Gott will, mag gescheh'n,Doch sprecht erst mit dem Vater, bis wir uns wiederseh'n.«

Drauf ist die Magd entschwunden; erfüllt von seinem Glück,Bleibt lang' auf selber Stelle Henricus noch zurück,Doch schon am nächsten Morgen zum reichen Pankraz tritt,Er hin mit seiner Bitte, allein mit festem Schritt.

»Seid mir nicht ungehalten, dem ungeruf'nen Gast,Dieweil mich mein Geschäfte antreibt zu solcher Hast;Ich liebe eure Tochter, als rechtlich frommer Mann,Und wünschte zur Gefährtin durch's Leben sie fortan.«

»Auch, denk' ich, fühlt ein Gleiches für mich die fromme Magd,Es hat mir's eine Thräne in ihrem Aug' gesagt,Henricus Rumel heiß' ich, bei Sorgloch einst zur Lehr',Und drucke selbst nun Bücher und Schriften so wie er.«

Da blickt der greise Pankraz den Werber lange an,Und spricht: »Henricus Rumel, ihr seid sehr wohlgethan,Von unbescholt'nen Sitten, einnehmend von Gestalt,Auch, sagt man, wohl erfahren in Künsten mannigfalt.«

»D'rum will ich nicht verweigern euch meines Kindes Hand,Obgleich es mir ein Kleinod, dagegen Alles Tand,Und setze euch nur eines vorerst noch als Geding,Und liebt ihr meine Tochter, so däucht's euch wohl gering.«

»O redet,« spricht Henricus, »was könnte das wohl sein,Das ich nicht froh erfüllte, damit Brigitte mein?« –»Wohlan,« erwiedert Jener, »so laßt von eurer Kunst,Um die ihr eitel Sorge erwerbt statt Lohn und Gunst.«

»Zerschlagt die Druckertafeln, vernichtet eure Schrift,Die allem Volk verdächtig, als wär's ein tödtend Gift,Ergreift ein ander Handwerk, und gebt das Drucken auf,Dann sind wir Handel einig, hier meine Hand darauf.«

Lang' steht Henricus Rumel, die Wang' wie Schnee so bleich,Das war aus heit'rem Himmel ein unheilschwang'rer Streich,Lang' steht er dort, dann rollt es ihm heiß vom Angesicht:»Herr Pankraz, dieses Eine kann ich erfüllen nicht.«

»Wohl lieb' ich eure Tochter, wie sie kein Zweiter liebt,Doch kann ich ab nicht lassen von dem was ich geübt,Und mag mein Herz verbluten in namenlosem Gram,Der Weisung muß ich folgen, die mir von Oben kam.«

»Buchdrucker muß ich bleiben, so will es meine Pflicht,An der nun Lieb' und Hoffen, und all mein Glück zerbricht,Doch schuld ich dieß dem Meister, der mich die Kunst gelehrt,Dem Volk, dem ich entsprossen, dem väterlichen Herd.«

»Buchdrucker muß ich bleiben, auf daß im deutschen Reich,Das Schöne nun gedeihe, so wie in keinem gleich;Daß durch das Wort entfesselt, und frei von langer HaftAusgeh' nach allen Zonen des Geistes ew'ge Kraft.«

»Drum bringt nun eurer Tochter mein letztes Lebewohl,So wie ich's euch jetzt sage, des inner'n Kummers voll;Und zürnet nicht der Thräne, die mir noch etwa fließt,Und sorgt, daß sie vergesse den, der sie nie vergißt.«

Erstickt von heißen Thränen Herr Rumel spricht dieß Wort,Und eilt zerriss'nen Herzens vom reichen Pankraz fort,Allein wohin er eilet, mit noch so flücht'gem Schritt,Der Harm ist sein Begleiter, den Gram, den nimmt er mit.

Der folgt ihm allerwegen, der geht mit ihm in's Haus,Aus seinem mruckerkasten schaut der auf ihn heraus,Er geht mit ihm nach Nürnberg, wo er von nun an weilt,Jetzt nur der Kunst noch lebend, die nicht sein Sehnen heilt.

So schwinden Monde, Jahre, der Gram bleibt ihm getreu,

Doch wirkt und schafft der Wackre, ganz sonder Furcht und Scheu,Wie sehr auch Neid und Mißgunst nach ihm die Krallen kehrt,Er druckt so wie Johannes von Sorgloch ihn gelehrt.

Schon hat sich grau gefärbet sein Haupt im Lauf der Zeit,Doch hat sich auch verbreitet sein Ruhm im Lande weit,Geehret und geachtet ist er von Alt und Jung,Doch ist sein Glück, sein einz'ges, nur die Erinnerung.

Längst schon ist sie begraben für die sein Herz erglüht,Doch denkt er oft noch ihrer, mit Trauer im Gemüth,Und als nach vielen Jahren der Herr auch ihn berief,Da lispelte: Brigitte, er nochmals, und entschlief.

139. Paul Cruz zu Nürnberg.

Prätorius Glückstopf. S. 177. Grimm d.S. I., 48.

Zu Nürnberg ist einer gewesen mit Namen Paul Cruz, der eine wunderbare Beschwörung gebraucht hat. In einen gewissen Plan hat er ein neues Tischlein gesetzt, ein weißes Tuch darauf gedeckt, zwei Milchschüßlein darauf gesetzt, ferner zwei Honigschüßlein, zwei Tellerchen und neun Messerchen. Weiter hat er eine schwarze Henne genommen und sie über einer Kohlpfanne zerrissen, so daß das Blut in das Essen hineingetropft ist. Hernach hat er davon ein Stück gegen Morgen, das andere gegen Abend geworfen und seine Verschwörung begonnen. Wie dies geschehen, ist er hinter einen grünen Baum gelaufen und hat gesehen, daß zwei Bergmännlein sich aus der Erde hervorgefunden, zu Tisch gesetzt und bei dem kostbaren Rauchwerke, das auch vorhanden gewesen, gleichsam gegessen. Nun hat er ihnen Fragen vorgelegt, worauf sie geantwortet; ja, wenn er das oft gethan, sind die kleinen Geschöpfe so vertraut geworden, daß sie auch zu ihm ins Haus zu Gast gekommen. Hat er nicht recht aufgewartet, so sind sie entweder nicht erschienen oder doch bald wieder verschwunden. Er hat auch endlich ihren König zu Wege gebracht, der dann allein gekommen in einem rothen Scharlachmäntelein, darunter er ein Buch gehabt, das er auf den Tisch geworfen und seinem Banner erlaubt hat, so viel und so lange er wollte drinnen zu lesen. Davon hat sich der Mensch große Weisheit und Geheimnisse eingebildet.

140. Weißer Geist zu Nürnberg.

Happel. rell. cur. IV., 316. De Vries, de Satan I., 418. J.W. Wolf, deutsche Märchen und Sagen S. 328.

Gegen das Jahr 1672 lebte in Nürnberg ein Goldschmied mit seiner Frau und sechs Kindern. Diese Frau hatte einen Familiargeist, der immer um sie war und ihr vorhersagte, was ihr begegnen würde. Er zeigte sich ihr in Gestalt eines weißgekleideten Kindes, welches eine Sanduhr in der Hand trug. Einmal sprach er zu ihr: »Frau, ihr wäret todt gewesen, hätte nicht ein Sandkörnchen, welches ein Loch in diesem Gläschen gestopft hat, euch geholfen.« Eine Woche darnach fiel sie in ein gefährlich Fieber, entkam demselben aber glücklich. Auf ein ander Mal warnte er sie, nicht aus dem Hause zu gehen, denn sonst stürze sie sich in große Gefahr. Gern hätte sie dem Rathe gefolgt, doch drängten ihre häuslichen Geschäfte zu sehr und sie hatte in der That ein großes Unglück. Bei Nacht sprach sie häufig mit dem Geiste, sang mit ihm sehr schöne andächtige Lieder und Psalmen, was ihr Mann am Tage nie an ihr bemerkte. Einmal bekam sie Lust, den Geist, der gewöhnlich unsichtbar um sie war, zu sehen, und sie bat ihn so lange darum, bis er es ihr zugestand, doch warnte er sie dabei und sprach, ihre Neugier werde sie zu spät bereuen. Als sie nun wenige Tage später in ihrer Kammer etwas zu thun hatte, sah sie an der Mauer, wie im

Schatten ein Kind von derselben Gestalt, wie oben vermeldet, welches aber gleich darauf verschwand. Kurz darauf fiel sie in eine schwere Krankheit und – der Geist hatte sie verlassen.

141. Wie Kaiser Ludwig Pillenreuth errichtet.

Adlzreiter P. II., l. 3., p. 61. Brusch chron. mon. Geam. p. 361. Frankonia. Ansbach 1813, II., 2.

Als Kaiser Ludwig der Bayer sich im Jahre 1345 mit seiner Gemahlin zu Nürnberg befand, befanden sich unter den Hoffräulein der Kaiserin etliche, welche den Beschluß faßten, in's Kloster zu gehen. Also baten sie den Kaiser, ihnen in der Stille des Nürnberger Waldes ein Klösterlein zu erbauen, allwo sie ihr Leben gottselig verbringen könnten. Da ließ sich der Kaiser ein Pferd vorführen und ritt hinaus in den Wald, um einen bequemen Platz für das Klösterlein ausfindig zu machen. Wie er nun so eine Weile im Walde umherritt, hörte er einen überaus schönen Gesang, nach welchem er hinlenkte, und als er dahin gekommen, sah er auf einer Eiche das Bildniß des gekreuzigten Erlösers. Darin erkannte er einen Fingerzeig Gottes, stieg vom Rosse, zeichnete eigenhändig mit dem Beile den Baum und befahl, daß an dieser Stelle das Kloster errichtet würde, welches von dem aufgefundenen Bilde und dem ausgereuteten Hain den Namen Bildenreuth davontrug.

142. Sankt Hiltegund zu Münchaurach.

Ladisl. Sunthem. monast. Franc. ap. Oefele script. rer. Boic. II., 605. Vita S. Hilteg. ap. Oefele I., 625. usw.

Sankt Hiltegund ward mit sechs Schwestern von ihren Eltern adelich und in Gottesfurcht auferzogen. Als aber ihr Vater und Mutter starben, gelobte sie Gott, Keuschheit ihres Leibes zu bewahren. Hierauf nahm sie Graf Göswein von Höchstat, der ihr Freund war, zu sich und hielt sie als seiner Töchter eine. Da ward Sankt Hiltegund durch Graf Herman von Höchstat, Pfalzgrafen bei Rhein, an einen bayrischen Herrn verlobet, der mit großem Volk zu Höchstat lag. Als nun Graf Herman mit dem Bräutigam gen Aurach kam, das zu der selbigen Zeit nur ein Schloß war mit einer Kapelle geweiht St. Peter, ging Sankt Hiltegund früh in die Kapelle, beichtet und empfängt den Fronleichnam unsers Herrn Jesu Christi. Der Bräutigam aber und seine Leute aßen und tranken und wollten darnach gen Bayern auf die Hochzeit reiten. Wie das Sankt Hiltegund vernahm, ging sie abermals in die Kapelle und bat Gott, daß er sie eh ihren Geist aufgeben, als ihre Reinigkeit verlieren lasse. Da verschied Sankt Hiltegund vor dem Altar und ihre Seel ward von den Engeln geführt zu den ewigen Freuden. Darnach wollt sie der Bräutigam todt heim gen Bayern führen, aber Niemand konnte den Leichnam bewegen, also ward sie auf selber Statt ehrlich begraben. Nach einiger Zeit erschien Sankt Hiltegund Graf Hermans Kapellan und vermahnt ihn, daß er dem Grafen sage, daß er ihren Erbtheil an das Kloster gebe. Aber dieser getraute es ihm vor Furcht nicht zu sagen. Da erschien Sankt Hiltegund dem Kaplan zum drittenmal und gab ihm ungestüm einen Backenstreich, davon er das Zeichen sein Lebtag trug. Da sagte der Kaplan dem Grafen das Wunderwerk, aber der Graf glaubt ihm nicht. Nun ritt Graf Gosweins Sohn, Graf Herman, nach Lamparten zu König Conrad auf den Tag von des römischen Reichs wegen. Und als sie in eine Stadt kamen, da fiel ein Berg über die Stadt, und ward der junge Graf Herman mit vielen andern Menschen erschlagen. Als das Graf Goswein hörte, daß sein Sohn also todt war, da baut er das Kloster und gab all sein Gut darzu, und verließ mit seiner Hausfrau Luitgard Alles, was sie hatten und kamen in das Kloster. Hie wohnte der Graf in Gottesfurcht bei den Menschen, und die Gräfin ließ sich verschließen mit fünf Jungfrauen und lebten tugendlich bis an ihr Ende. Diese liegen zu Münchaurach im Kapitel begraben.

143. Das Quackenschloß.

Von G. Neumann. – Felsenmasse im Wiesentthale. Der Name » Quackenschloß« mag sich im Munde des Landvolks nach dem Bestandtheil der Felsen: Rauchwacke, gebildet haben.

Es träuft der letzte Schnee in leichten WassertropfenVom grünen Tannenzweig, die lust'gen Vögel klopfenDie Schnäbel in den Stamm und fliegen auf und ab;Der Blumen Knospe schwillt, und junge Kräuter sprießenAn grünen Bächen, die im Thale plätschernd schießen,Dem Lenz zu Dank, der Freiheit gab.

Durch Thal und Berg seht ihr den muntern Jäger schweben,Vergessend selbst das Wild im frischen Frühlingsleben,Da rennt vor ihm ein Hirsch in scheuem Sprung vorbei,Ihm nach! – Thalwärts, bergauf eilt er, die flücht'gen Spuren –Verfolgend durch's Geheg, durch Wald und Feld und Fluren –Bald ist von Hirsch und Weg er frei.

Wohin trug ihn so schnell das übereilte Jagen?Hoch stemmt sich mancher Berg, deß Gipfel Wälder tragen,Die Felsenklippe steht so kalt und fremd ihn an.Von allen Klüften nur der eig'nen Worte Schallen,Auf stein'gem Boden nur des bangen Fußtritts Wallen,Kein Himmelsstern scheint seiner Bahn!

Nur irre Lichter sieht er auf- und nieder tanzen,Und hohe Felsen rings wie aufgeworf'ne SchanzenMit knappem Grase steh'n, das ihre Stirne deckt.Ist das der Zauberberg, in dem so unermeßlichGehäuft die Schätze sind? – Noch war ihm unvergeßlichDie Sage, die sein Träumen weckt.

Und wie er sinnt und wählt, sieht er des Berges SpaltenVon Lichterglanz umwebt hell blinken, und GestaltenSo zahlreich, schwarz und klein, flieh'n hüpfend draus hervor,Sie grüßen nickend ihn, sie winken und sie flüsternZu ihm, der näher tritt und nach den Schätzen lüsternSchon muthig steht am engen Thor.

Durch einen Bogengang von weißem AlabasterBegleitet ihn die Schaar, im weitern Gehen faßt erSich Muth, daß ihm sein Werk gelingt.Indeß das Gnomenvolk auf feinen luft'gen SohlenBuntscheckig ihn umtanzt in lust'gen CapriolenUnd durch den Gang voraus ihm springt.

Welch' bunter Zauberglanz, welch' farbenreiche Helle!Mit zagem Herzen hält er an der innern Schwelle,Komm! – ruft es ihm, indem er staunend sich besinnt.Sein Fuß tritt Mosaik vom Grüne der Smaragden,Von Jaspis und Opal, und was aus tiefen SchachtenNoch sonst der Gnomen Fleiß gewann.

Die Decke strahlet von Beryllen und Saphiren,

In deren blauem Spiel Topase sich verlieren;Von hohen Wänden blitzt der feurige Rubin.Die Säulen sind Kristall, und ihre KapitäleVon lilla Amethyst, – so geh'n die ZaubersäleIn funkelnd weiter Ferne hin.

Da naht ihm von dem Thron, den tragen gold'ne Greife,Die Feenkönigin, umringt von einem ReifeDer schönsten Elfen, die zu ihrem Dienste steh'n,Wie der Juwel im Gold des Ringes schön sich malet,Und aus der Sterne Kreis die holde Venus strahlet,So hier die herrlichste der Feen.

Von ihrer Stirne blitzt des Diamants Agraffe,Aus ihrem Augenpaar der Liebesflamme Waffe,Und durch der Lippen Roth der Zähne Elfenbein.Sie lächelt hold und spricht mit wundersüßen Lauten,Die ihrer Liebe Gluth dem Staunenden vertrautenUnd tief in's Herz ihm dringen ein.

Er wird von diesem Schau'n, von diesen Worten trunken,Es flammen lockend süß des Zauberreiches FunkenUm ihn, ihr Auge winkt, es reizt ihr Blüthenmund.Verschwieg'ne Bitte spricht nun kühn vom Sang der Elfen,Es klingt ein schallend Lied, die Gnomen alle helfen,Und ihn umschlingt des Tanzes Rund.

Und des Gesanges Macht, der Liebe gold'ne Töne,Die reiche Herrlichkeit, der Königin JugendschöneWeckt aller Wünsche Drang im ahnenden Gemüth.Die heiße Gluth brennt ihm durch Adern und durch Nerven, –Darf er ein solches Herz, ein solches Glück verwerfen,Wie's keinem Sterblichen geblüht?

Weh' ihm! – es lockt ihr Bild in des Kristalles SpiegelSo tausendfach ihn an, ihr Brautkuß ist das SiegelDas ihn in Fesseln schlägt; sein Busen schwillt vor Stolz.Er schwelgt im höchsten Glück, im seligsten Entzücken,Er schwört's: es soll mich nichts zur Heimath mehr entrücken,Zur alten Hütte schlecht von Holz! –

Doch bald ist er am Gold- und Edelsteine-Schimmer,Am reichsten Glanze satt, er reizt und lockt ihn nimmerManch unerfüllter Wunsch tritt bitter in sein Glück.Mit längst gewohnter Pracht will neue Sehnsucht streiten,Er mißt in banger Furcht langweil'ge Ewigkeiten,Und nie, o nie darf er zurück!

Des Taumelkelches Schaum ist raschen Zugs verflogen,Um wahre Seligkeit sein Herz so kalt betrogen,Nun düstert sich sein Blick selbst auf dem gold'nen Thron,

Vom vollen Marmortisch, von der Geliebten Seite,Von ihrer Elfen Tanz zieht Schwermuth ihn in's Weite;Doch nie, o nie darf er davon!

»O laß mich noch einmal die Sonne an dem blauen,Am nächt'gen Himmelszelt die gold'nen Sternlein schauen,Bei lust'gem Hörnerklang im Wald mich jagen früh;Und dann im Abendroth umarmen die Geliebte,Die mit so heiterm Wort mir jeden Schmerz zerstiebte, –Sie liebt ich – Königin, dich nie!«

Ein lauter Todesschrei entringt sich der Getäuschten;Indeß die Gnomen all' ihn täppisch roh umkreisten,Die Elfen jammernd steh'n, rafft er sich wild empor.Rasch rennet er hinaus, ihn graust der bunte ZauberWie Macht der Hölle an, er löst den Bann, denn tauberAls harter Fels ist nun sein Ohr.

Da schallt ein Donnerschlag dumpf durch der Erde Gründe,Es kracht im jähen Sturz der Berg, in seine SchlündeSinkt tief des Schlosses Pracht mit seinem Strahlenmeer.Ihn jagt die Angst zur Flucht, es packt ihn kalt im Nacken,Doch endlich sieht er um – da ragen graue Wacken,An ihrer Fläche kahl und leer.

Ist dieß der Wände Glanz, sind dieß die stolzen Säulen,Wo jetzt in finst'rer Nacht ein schauerliches HeulenIn engen Spalten tobt und durch die Höhlung braust?Es wuchert Farrenkraut am Fels bei braunem Ginster,Und des Gewölbes Schlund gähnt schauerlich und finster,Wo Lieb' und Zauber einst gehaust.

Der Gnomen Haß verfolgt die Menschen und sie lockenIn ihre Nähe sie mit hellen Feuerflocken,Scharf lauert ihre List auf den, der fürbaß zieht.Denn in der Zaubernäh' trifft ihn bald Regenschauer,Bald ein geworf'ner Stein aus sichrer Felsenmauer,Daß der Erschreckte ängstlich flieht.

144. Der Streitberger Ende.

J. Heller Muggendorf, S. 208. G. Neumann Erinnerungen an die fränkische Schweiz, S. 93.

Der letzte Herr von Streitberg soll nur einen Sohn gehabt haben; die Kindswärterin trug ihn einmal an einem siedenden Kessel mit Wasser vorbei; das Kind sah hinein, wurde durch seinen eigenen Schatten getäuscht, wollte nach jenem langen, fiel in den Kessel und fand seinen Tod. Kurz darauf kam Streitbergs Frau nieder, gebar aber ein Mädchen; zu gleicher Zeit wurde die Frau eines Webers zu Veilbrunn von einem Knaben entbunden. Der alte Streitberg suchte beide Kinder auszutauschen, doch konnte sich der Weber nicht dazu verstehen. Streitberg hielt sich einst lange zu Bamberg auf, und kehrte des Nachts nach Hause. Auf der Höhe bei Burggrund verfehlte der Kutscher den Weg, und der Wagen mit den vier Pferden stürzte über einen hohen Felsen in das Thal hinab, so daß Alles verloren war.

Dieß soll auch die Veranlassung seyn, daß man den Felsen den Todtenstein nennt. Das Ereigniß fällt in's Jahr 1690.

145. Burggeist zu Heilsberg.

Mitgetheilt von Frhr. von Böhnen.

Auf der Burg zu Heilsberg bei Wiesent sollen vor Zeiten Raubritter ihr Unwesen getrieben, die nahen Dorfbewohner belästigt und die vorüberziehenden Handelsleute ausgeplündert haben. Der Geist eines der ruchlosesten dieser Ritter muß zur Strafe noch heute um Mitternacht in den Ruinen der Burg umgehen. Er kann erst dann erlöset werden, wenn eine aus dem Wartthurm entsprießende Tanne so groß wird, daß man von ihr Bretter zu einer Wiege sägen kann. In diese Wiege wird ein Knabe gelegt, der muß sich dem geistlichen Stande weihen und als neugeweihter Priester den Burggeist mit seinem Gebete erlösen.

146. Das Kreuz.

Von Franz Schmidt. – Sage der Gegend von Ebermannstadt in Oberfr. – Biene, Bamberg 1837, S. 158.

Im Schweizerland der Franken trägt eine FelsenwandEin Kreuz von schlichtem Holze, wie's graue Zeit schon stand.Hat wohl das Kreuz erhöhet die Trauer, war's der Dank?Es denken Christi Opfer die Herzen froh und krank.Von einem Sterbebette eilt einst ein Priester spät,Dem Sturm voran zu schreiten, der auf am Himmel steht,Es stellt dem kühnsten Läufer im Gang der Sturm sich gleich,Es stand ereilt der Pfarrer bald in der Nächte Reich.Des Priesters Silberlocken durchfurcht des Regens Guß,Und vor dem Abgrund tastet des Greises schwanker Fuß.Da sendet Gott zur Leuchte den allgewalt'gen Blitz,Daß rückwärts tritt der Priester vom grausen Felsenritz,Und auf den Knieen betet: »Herr, deiner Rache GluthVerwandelst du in Lämplein zu deiner Wand'rer Hut.«Da, wo das Kreuz sich hebet, erschien das RettungslichtUns Allen recht zum Zeichen: Gott läßt die Seinen nicht!

147. Der goldene Fuchs zu Rothenbühl.

Rothenbühl Weiler Lbg. Ebermannstadt in Mittelfranken. – Vat. Mag. Erlangen 1837. S. 374. J. Heller Muggendorf, S. 167.

Das Sprüchwort sagt: Mancher sucht sein Glück in der Ferne, das er doch ganz in der Nähe hätte. Dieß traf einst buchstäblich bei dem Manne ein, aus dessen Leben wir nachfolgende Geschichte erzählen wollen. Von Streitberg nach Ebermannstadt ziehen sich angenehme und fruchtbare Wiesengründe, bewässert durch Schöpfräder aus der nahen Wiesent. Links im Thale, nicht ferne von Ebermannstadt, erhebt sich der stattliche Weiler Rothenbühl. Vor langen, langen Jahren stand hier ein verfallenes Kapellchen und daneben die ärmliche Hütte eines Landmanns, der sich kümmerlich im Schweiße seines Angesichtes mit seinem zahlreichen Kinderhäuflein ernährte. Aber Gottesfurcht wohnte in der ärmlichen Hütte und täglich wurden in ihr betende Hände zum Geber aller Gaben empor gehoben, daß der den nöthigen Unterhalt verleihen und auch für die heranwachsenden Kleinen sorgen wolle. Und Gott erhörte dieses Bitten in reichster Fülle. Einst als der bekümmerte Hausvater nach des Tages Last und Hitze der Ruhe pflegte, hatte er einen gar sonderbaren Traum. Denn es erschien ihm eine Gestalt, ernst und ehrwürdig, die

gebot ihm und sprach: »Mache dich auf und reise nach Regensburg, und wenn du dort angekommen, so gehe auf die große Brücke, daselbst wirst du Glück und Wohlstand finden.« Und als der Mann erwachte, erzählte er der treuen Hausfrau seinen Traum und beide lächelten darüber. Aber in der nächsten Nacht kam die Gestalt wieder; da ward der Hausvater ernster und nachdenkender, denn die Geschichte ging ihm im Kopfe herum. Die sorgliche Frau jedoch wendete ein, daß es denn doch zu gewagt sei, auf einen bloßen Traum hin eine so weite Reise zu machen. Und siehe, in der dritten Nacht kam die Gestalt noch einmal, ermahnte den Mann nachdrücklich, daß er sein Glück ja nicht versäumen solle, und bezeichnete ihm den Tag, an dem er auf der Brücke zu Regensburg sich einfinden solle. Nun half nichts mehr. »Weib!« sagte er, »ich muß dem dreimaligen Wink des Himmels folgen, packe mir mein Ränzchen zur Reise.« Und die Frau selbst war jetzt leicht überzeugt, daß man solchem Ruf zu folgen nicht versäumen dürfe. So wanderte also der Mann am frühen Morgen gen Regensburg und nach mehreren Tagen mühseligen Marsches gelangte er endlich dahin, und stand am bestimmten Tage schon mit Sonnenaufgang auf der ihm im Traum bezeichneten Stelle der Donaubrücke. Reiter und Wagen und Fußgänger zogen hier von Stund zu Stunde in buntem Gedränge an ihm vorüber, eilig ihren Geschäften nachgehend. Und obgleich unser Reisender Jeden betrachtete, weil er meinte, von diesem oder jenem müsse das Glück ihm angeboten werden, so kümmerte sich doch Niemand um ihn und vergebens harrend und verlassen sah unser Wanderer in ängstlicher Stimmung, der Erfüllung seines Traumes entgegen. Die Sonne brannte heiß auf die Brücke, kein Schatten bot sich dar, und so gerne der Mann sich dieser unbequemen Stellung entzogen hätte, so getraute er sich doch nicht fortzugehen, aus Furcht, sein Glück zu versäumen, denn die Erscheinung hatt' es ihm ja so bestimmt verkündet. Es wurde Mittag. Unser Bauersmann hielt sein Mittagsmahl aus der Tasche auf der Brücke und die Hoffnung würzte ihm die einfache Kost, daß es ihm besser schmeckte, als wenn er bei einer reichen Tafel gesessen. Mancher guckte ihn darüber an; da glaubte der Bauer immer, der wird es wohl sein. Doch drehten sie alle den Kopf und gingen ihren Weg weiter. So ging es nun den Nachmittag hindurch, die Schatten wurden länger, der Abend kam heran; die Glocke des nahen Doms tönte zum Abendgebet. Da wurde der Reisende betrübt über sein hoffnungsloses Warten, und er zog sein Käpplein ab, betete und empfahl dem Vater in der Höhe sein Schicksal, sein Weib und seine Kinder in der fernen Heimath. »Ich will ja gerne arm bleiben,« sagte er, »wenn es so über mich beschlossen ist, hilf nur mir und den Meinigen überall durch, bewahre mir Zufriedenheit und ein gottesfürchtiges Herz.« Auf solches Gebet ward dem armen Mann leicht und froh um's Herz. Und er schickte sich an, seinen bisher so standhaft behaupteten Platz zu verlassen, um in der Herberge eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Da kommt ein Bürgersmann vorüber, der bleibt verwundert vor ihm stehen und redet ihn also an: »Ei, guter Mann! schon zum drittenmale bin ich heute vorübergegangen und immer seh' ich dich hier stehen. Was erwartest du denn hier?« Bei solcher Anrede geht dem Begrüßten das Herz auf und er erzählt dem Fragenden seinen Traum und den Kummer über die bisherige Täuschung. Der Bürgersmann aber lacht und spricht: »Wer wird aber auch auf einen Traum gehen; Träume sind Fäume! Wenn einer auf Träume achten und ihnen zu Gefallen gar weite Reisen machen wollte, der hätte fürwahr viel zu thun! Träumte mir nicht auch gestern: an einem Orte, genannt Rothenbühl, steht eine verfallene Kapelle; dort unter dem Platz, wo ehemals der Altar gestanden, liegt ein goldener Fuchs begraben. Wie, wenn ich nun darauf achten wollte? Weiß ich doch nicht einmal, ob es nur ein Rothenbühl auf Erden gibt und ein goldener Fuchs – wo sollte der herkommen? Darum rathe ich dir, gutes Bäuerlein! gehe du morgen wieder nach Hause, und hebe lieber meinen goldenen Fuchs in Rothenbühl, den ich dir gerne überlasse, anstatt daß du auf der

Brücke hier auf einen Schatz wartest!« Unser Bauersmann, der bisher das Maul verwundert aufgesperrt, ließ sich das auch nicht zweimal sagen. Gar schön bedankte er sich bei dem Bürger, nahm freundlichen Abschied von ihm, schlief die Nacht hindurch vor lauter Begierde nur wenig und der erste Strahl der Sonne fand ihn schon weit weg von Regensburg. Rastlos wanderte er fort und fort und kam glücklich heim zu den Seinen. Erstaunt empfingen die den mit froher Miene eintretenden Hausvater, der sich kaum Zeit nahm, ihre Frage zu beantworten, sondern sogleich Schaufel und Hacke ergriff und an dem bezeichneten Ort zu graben anfing. Und nicht lange, so glänzte ihm etwas Goldenes entgegen und das war wirklich ein schwer in Gold gearbeiteter Fuchs. Von seinem Staunen wollen wir nichts weiter erzählen, sondern nur noch beifügen, daß er einen Theil des reichen Fundes dem Landesherrn überlieferte, aber das, was er behielt, war immer noch genug, daß er sich bald ein neues, stattliches Wohnhaus erbauen, die umliegenden Felder und Wiesen ankaufen und seine Tage in Ruhe und Frieden durchleben konnte.

148. Die Riesenburg.

Von G. Neumann. – Die Riesenburg bei Engelhardsberg unweit Muggendorf in Oberfr.

Es liegt des Sommertages Gluth Schwer auf dem stillen engen Thal, Und Alles sucht des Schattens Hut Vor glüh'nder Sonne Stich und Strahl.

Des Berges Inn'res thut sich auf. Wo Felsenmassen ragend stehn, Und über Steinesstufen auf Erklimm' ich diese kühlen Höh'n.

Hier weht der Vorzeit Geist mich an, Der riesige Gedanken zeugt, Indeß was unten liegt im Plan Dem schwindelhohen Blick entfleucht.

Hier haben Riesen einst gehaust, Die Felsenburg sich aufgethürmt, Die nie der Welt Geräusch umbraust, Die jetzt den müden Wand'rer schirmt.

Aus dem vielzackigen Geklüft, An dem das Echo donnernd kracht Les' ich geheime Zauberschrift, Die Schauer alter Märchenpracht.

Zwei Brüder lebten einig lang Von Raub und Mord, sie trafen gut Und machten rings der Gegend bang, Denn Mancher lag in seinem Blut.

Was fern kam, hat ihr Blick erspäht Vom nahgeleg'nen Adlerstein, Der hoch auf freier Fläche steht, Und schauet weit in's Land hinein.

Aus des Versteckes offnem Rund Entsenden sie den Todespfeil; Sie schonen Keinen, tief im Grund Hemmt ihr Geschoß des Wand'rers Eil.

Doch Keiner wagt's, das Räuberpaar Zu stören in dem wüsten Raub; Der Berg ist nicht erkletterbar, Sie sind für alle Bitten taub.

In ihrer Höhlen tiefer Wand Birgt ihre Gier der Schätze Hauf'. Mit Felsen schließt die Riesenhand Die Oeffnung immer zu und auf.

Doch endlich, da sie lange Zeit In ihrer Burg vereint gelebt, Sind sie ob einem Raub entzweit, Den zu besitzen jeder strebt.

Und da der Eine einst entwich, Will ihn der Bruder schließen aus, Verrammelt rings zum Schutze sich Mit Stein und Fels das Riesenhaus.

Der Andre kommt, stürmt wild empor Laut fluchend, als der droben nimmt Den schwersten Stein zur Wehr hervor, Den treffend, der rasch aufwärts klimmt.

Er fällt. – Doch rüttelt seine Faust Im jähen Sturz die Felsen all', Daß auf das Haupt des Feindes braust Der Steine rascher Niederfall.

Und Beide geh'n in Einer Stund Zum Tod, der endigt ihren Zwist: Der Riesen Bild im Stein thut kund, Was einstmals hier geschehen ist.

Noch steht die Riesenburg so kühn Und trotzt der Zeit Vernichtungszahn, Die ihrem grauen Stein mit Grün Das schönste Kleid hat umgethan.

Der Finken lustig Lied erschallt Jetzt in der unbewohnten Burg, Es zieht den dunkeln Tannenwald Ein holder Friede sich hindurch.

149. Epple1 von Geilingen.

Altes Volkslied. Uhland deutsche Volksl. I, 341. M. Ph. Körner, histor. Volksl. S. 195. – Eppelein von Gailingen oder Gailenreuth, Nürnbergs unversöhnlicher Feind, wurde 1381 zu Neumarkt gerädert. Waldau's verm. Beitr. zur Gesch. d. Stadt Nürnberg I., 221. J. Heller Muggendorf, S. 48. Joh. ab Indagine Beschr. d. Stadt Nürnberg, S. 511. Grimm d.S. I., 199, woselbst die Literatur. – Burg Gailenreuth im Wiesentthale in Oberfranken.

1. Es was ein frisch freier reutersman, der Epple von Geilingen ist ers genant.

Er reit zu Nürnberg auß und ein, ist der von Nürnberg abgsagter feind.

Er reit zu Nürnberg fürs schmids haus: hör, lieber schmid, trit zu mir herauß!

Hör, lieber schmid, nu laß dir sagen: du solt mir meim roß vier eisen aufschlagen!

Beschlag mirs wol und beschlag mirs eben! ich will dir ein guten lon drumb geben.

Da greift er in die taschen sein, gab im vil der roten gülden fein.

Schmid, du solt nit vil davon sagen! dein herren müßen mirs wol bezalen.

Er reit wol für das wechselhaus, nam in ir silberins vogelhaus.

Er reit wol auf den Geiersperg und machet in ir vogelhaus lär.

Sie schickten im ein boten hinnach wo Eppele wolt ligen die nacht?

Hör, lieber bot! so ich dich muß fragen: was hörst du vom Epple von Geilingen sagen?

Das magst wol für ein warheit jehen: du habst in mit dein augen gsehen.

Da reit er unter das Frawentor, da hieng ein par reuterstifel vor.

Torwechter, lieber torwechter mein! wes mag diß par reuterstifel sein?

Sie seind eins freien reutersman, Epple von Geilingen ist ers genant.

Er nam die stifel auf sein gaul und schlugs dem torwechter umb das maul.

Se hin, torwechter! da hast du dein lon, das zeig dein herren von Nürnberg an!

Der torwechter was ein bhender man, sagts seinen herrn und der gmeinde an.

Sie schickten sibenzig reuter on gfär: wo der Epple hin kommen wär?

Söldner! eur gfangner will ich nit sein, eur seind sibenzig, ich nur allein.

Si triben in auf ein hohen stein, der Epple von Geilingen sprangt in den Main.

Ir söldner! ir seind nit eren wert, eur keiner hat ein gut reuterpfert.

Wie bald er sich auß dem sattel schwang! und zog im selbs das par stifel an.

Da reit er über ein awen, was grün, begegnet im ein kaufman, der daucht sich kün.

Hör, lieber kaufman, laß dir sagen! wir wöln einander umb dtaschen schtagen.

Der kaufman was ein bhender man, er gurt dem Epple sein taschen an.

Des kaufman er gar wol vernam, ein beurin im auf der straßen bekam.

Die beurin er fraget auf der stet: was man vom Eppele sagen tet?

Die beurin im ein antwurt gab: der Eppele wär ein nasser knab.

So sag mir, liebe beurin schon! was hat dir Eppele leids geton?

Epple von Geiling sich bald bedacht, wie bald er da ein feur aufmacht!

Er nam das schmalz und macht es warm, stieß ir die hend drein biß an die arm.

Se hin! da hast du den rechten lon, und sag: der Eppele hab dirs geton!

Er schickt sein knecht gen Farnbach hinab: man solt im bereiten ein gutes mal.

Da kam der Epple von Geilingen ein, da bot im der wirt ein külen wein.

Der Eppele lugt zum fenster hinauß, da schub man im vil wägen fürs haus.

Lieber wirt, tu mir die türen auf und laß mich sprengen über auß!

Da sprangt er über acht wägen auß, am neunten gab er den gibel auf.

So ligt mein muter am Rein, ist tot darumb muß ich leiden große not.

Da zog er auß sein gutes schwert, erstach damit sein reisig pfert.

Eppele! hetst du das nit geton beim leben wolten wir dich lon.

Den Epple von Geilingen namens an, brachten gen Nürnberg den gfangnen man.

Und fürten in auf den rabenstein, man legt im den kopf zwischen die bein.

Fußnoten

1 Eppelein, urkundlich stets Eckkelein. S. Dorfmüller, Archiv f.G.u.A. in Oberfr. II., 63.

150. Eppelin von Gailingen.

2.

Von V.B. Strauch.

In's Thal der Wiesent schaut kühn und festEin Schloß von felsigem Rande,Dieß war einst Epplins von Gailingen Nest,Berüchtigt im fränkischen Lande,Und noch heut zu Tag'

Erzählet die Sag'Von Epplins Schwänken und KniffenUnd seinen verteufelten Pfiffen.

Er war ein gar trotziger, wilder Kumpan,Mocht' keinem der Nachbarn gefallen,Was war in der Gegend wo immer zu fah'n,Schnell war es in Eppelins Krallen,Und flink wie die Well',Wie der Blitz so schnell,War er hier und dort und zu Hause,Und schwelgt beim gestohlenen Schmause.

Dieß ging wohl mit richtigen Dingen nicht zu,Sonst hätte man längst ihn gezwungen,Doch wenn man ihn angriff, da war er im NuVon vierzehn Gesellen umrungen;Drum war auch im LandDie Sage bekannt:Der Epplin von Gailing und Dramaus,Der reit' allemal zu vierzehnt aus.

Einsmals der Ritter an's Freien ging,Er liebte die schöne Mathilde,Der Knapp' ihm die stattliche Wehr umhing,Und schmückt ihn mit blinkendem Schilde;Sein kühner BlickGab bei Schönen ihm Glück,Er hatte sich nimmer betrogen,Mathilde war ihm gewogen.

Und er ging zum Vater mit keckem Sinn,Die Tochter zum Weibe begehrend.Nie wird meine Tochter Euch Gaudieb Gewinn!Sprach der Burgherr von Nürnberg verwehrend;Euch gebühret ein StrickUm's freche Genick,Flugs packt Euch aus unseren Mauern,Sonst werdet zu spät ihr's bedauern.

Und der Ritter zieht ab mit der langen Nas'Und macht sich behend aus dem Staube,»Ha! wart' nur du Alter, dir nehm' ich den Spaß,Der Geier holt dennoch die Taube.«Und sein zärtlich WortFind't ein gutes Ort,Sie folgt dem verkleideten Knappen,Der sie holt mit gesatteltem Rappen.

Dieß macht nun die Nürnberger Herren gar wild,Sie können's nicht länger ertragen,

Sie ziehen hinaus mit Lanze und Schild,Den Dieb auf die Finger zu schlagen,Und gefangen im StreitKriegt Eppelin Zeit,Im tiefsten Verließe bescheidenZum Galgen sich vorzubereiten.

Schon ist zum Tode die Stunde bereit',Doch Epplin sollte noch nützen;Sein Rößlein gar flink und gar tüchtig im Streit,Mocht' gerne der Burgherr besitzen.Doch das Roß trägt den HerrnUnd sonst Niemanden gern,Drum sollt' es erst Epplin besteigen,Dem Burgherrn die Führung zu zeigen.

Man bringt ihn zum Walle, er schwingt sich auf's RoßUnd tummelt's in mächtigen Kreisen,Und lenkt es so zierlich, daß Ritter und RoßHoch Gaul und Reiter wohl preisen;Da kocht ihm das Blut,Es durchblitzt ihn der Muth,Und im Nu ist die Rettung gelungen,Der Graben der Burg übersprungen.

Nun lachet sich Epplin die Haut erst recht voll,Den Nürnberger Herren zum Spotte,Und treibt er sein Wesen erst ernstlich und tollMit seiner verwegenen Rotte.Kein Eimerchen WeinKam nach Nürnberg hineinVom Leisten und Stein und Randsacker,Den er nicht gezehntet, der Racker!

Die Nürnberger Herren, die stehen und schau'n:»Ha, das ist des Teufels Genosse!«Doch eh' sie dem eigenen Auge noch trau'n,Ist längst er staubaus mit dem Rosse.Und von der StundIst das Sprüchwort kund:In Nürnberg wird keiner gehangen,Es sei denn er wäre gefangen.

151. Eppelein von Gailingen.

3.

Von Georg Neumann.

Was braust mit Staubgewölke herab in's enge Thal?Voran ein hoher Ritter in rauhen Panzers Stahl,Sein Blick so siegesmuthig, die Schaar so keck und kühn,

Als wollten sie zur Schlacht nicht, nur zum Bankette zieh'n.

Der Tag ist heiß und schwüle, es lechzet Mann und Roß;Noch ist es Zeit zum Fange, die Schenke winkt dem Troß;Es lohnt sich zu verweilen, dann gilt's dem Waarenzug,Von welchem ein Verräther die falsche Kunde trug.

Der Ritter, sommermüde, schläft in der Schenke Gemach,Der ausgesandte Späher macht ihn wohl zeitig wach.Doch hat am hellen Tage umsponnen ihn Verrath,Schon ruft, da er noch schlummert, blutfordernd rasche That.

»Hie Eppelein!« – »Hie Nürnberg!« – erklingt das Feldgeschrei,Trompetenstoß, Schwertklirren ruft jeden Mann herbei.Ha! das ist nicht die Beute, das ist der Reichsstadt Heer,Heran stürmt ihr Geschwader, wie Windsbraut über's Meer.

Der Ritter greift die Waffen. Hei! wie sein starker ArmGleich einem Blitzstrahl schmettert auf dichten Söldnerschwarm,Die Seinen zittern nimmer, so lang sein Zuruf klingt,Und wallend hoch zu Rosse sein rother Helmbusch winkt.

Wild rasseln Schild und Kolbe, das Schwert nach Blute lechzt,Daß unter seinen Streichen der Feinde mancher ächzt;Bezeichnet ist am Boden mit Blut ein jeder Schritt,Da sinkt mit jedem Städter ein Gailinger auch mit.

Und ob auch Zornesflammen von Epplein's Augen sprüh'n,Und heiß, sich durchzuhauen, die Eisenarme glüh'n,Die Feinde, übermächtig, steh'n um ihn dicht geballt,Der Speere scharfe Spitzen gebieten höhnisch: Halt!

O weh! wo sind die Treuen? – Was Flucht nicht trieb voraus,Das haucht in Todesröcheln die Räuberseele aus.Die Städter schlugen tapfer; nun muß Herr Eppelein,Gefangen und gebunden, auch ihr Triumphzug sein.

Auf einem dürren Klepper nimmt ihn der ganze TroßEntwaffnet in die Mitte und hinter ihm sein Roß.Im Fluge geht's zur Reichsstadt, es freu'n sich Alle jetztDes Preises, den die Ratsherrn auf seinen Kopf gesetzt.

In's enge Thurmgefängniß sogleich der Ritter kam,Dieweil der Bürgermeister vom Fange Kunde nahm.»Der Vogel sitzt im Garne, nun wohl, ich will ihn seh'n,Ich eile gleich zum Thurme, laßt ihn heruntergeh'n!«

»Willkommen, edler Ritter! Ihr seid nun Nürnbergs Gast,Gönnt euch von schweren Thaten die ungewohnte Rast:Ihr nahmt mir meine Tochter, ich nehme ihr jetzt euch,Weil ihr wollt euern Adel dem meinen machen gleich.«

»Ihr habt der Stadt gesendet manch' stolzen Fehdebrief,Der sie mit einem Räuber zu schlechtem Kampfe rief;Doch gönnt euch meine Gnade ein besseres Quartier,Will's Gott, so sollt ihr bleiben die längste Zeit allhier.«

»Habt Dank für eure Güte,« entgegnet jener kalt,»Ihr seid an Spott ein Jüngling, wenn auch an Jahren alt.Daß ihr mich habt erreichet, half List euch mehr als Kraft,Im gleichen Waffentanze hätt' ich mich euch entrafft.«

Und hin zu seinem Rosse ging er mit stolzem Gang,Das dem gewohnten Helden das Haupt entgegenschwang;Hell sprühen seine Augen, die Mähne flattert hoch,Es scharret wild im Boden, daß weit der Sand entflog.

»Ihr seid ein kühner Reiter,« sprach drauf der Herr von Stark,»Wer solchen Hengst besteiget, darf sein nicht schwach von Mark;Von uns blieb Keiner oben, so reitet ihn mir vor,Ihr werdet nicht entrinnen, verschlossen ist das Thor.«

Der Alte löst die Zügel. Keck schwingt der Held sich auf,Es dreht sich rasch im Kreise der Hengst zu schnellem Lauf;Hoch wirft er seinen Nacken und freut sich seiner Last,Und rasch hat auch der Reiter den feinsten Plan erfaßt.

In immer weitern Bogen spornt er das edle Roß,Daß weit zurück sich wendet der gaffenden Knechte Troß.Der Alte freut sich weidlich; Eins scheut hier Roß und Held,Er denkt an die Gestalten der fabelhaften Welt.

Der Reiter nimmt die Länge des Hofes fest in's Aug',Er scheint sich zu gefallen in edler Reitkunst Brauch.Doch späht verborg'nen Blickes er über des Grabens Rand,Sein Herz sehnt rachedurstig sich nach dem freien Land.

Er wagt's! des Thieres Sehnen darf er gewiß vertrau'n,Auf seiner Hufe Fliegen den Plan der Freiheit bau'n;Jetzt rasch im wilden Sprunge zur Mauer mit GewaltSprengt er und über den Graben, daß Huf und Stein erschallt.

»Soll's gelten Tod und Leben, so gelt' es dir und mir!«Es flog wie durch die Lüfte ein Pfeil das edle Thier,Und glücklich hat er jenseits des Grabens Rand erreicht,Als den erstaunten Bürgern der Schreck die Wange bleicht.

»Der Teufel sitzt im Rappen!« – ruft die verblüffte Schaar,Kaum weiß der Bürgermeister, wie's recht geschehen war.»Bei Gott! der ist entronnen selbst bei verschloss'nem Thor,Rasch auf zu Roß, ob einer dem Flüchtling kommt zuvor.«

»Der Rath wird schwer den lohnen, der ihn, wenn todt auch, fängt« –Und Alles rasch auf Pferden zum Thor hinaus sich drängt.Wie Donner hallt die Brücke, die Rosse fliegen wild,Es jagt die Schaar zerstreuet in's niedere Gefild.

Der Ritter hört der Rosse und Reisigen Geklirr,Ihr Fluchgeschrei umtobet ihn rechts und links so wirr.Ihm fehlet Schild und Lanze, die Faust vermißt das Schwert,Nur durch des Renners Eile ist Rettung ihm beschert.

Er rast mit Windesflügeln den wohlbekannten Pfad,Nichts hemmt den kühnen Flüchtling, des Rosses Sprung schafft Rath;Doch scheint es zu ermatten, es stöhnt in Staub und Schweiß,Den Ritter packt's mit Grausen, das Blut wird ihm so heiß.

»Greif aus, mein Rapp', mein Retter! – greif aus zum letzten Ritt,Laß mich nicht elend sterben, der Ruhm mit dir erstritt,O hauche nicht dein Leben vor meiner Grenze aus! –Dort ragen meine Thürme, Glück auf, wir sind zu Haus!«

Und vor der letzten Brücke, mit Schweiß und Blut bedeckt,Das Roß todtmatt im Grase die starken Glieder streckt;Doch oben grüßt den Ritter sein sich'res Gailenreuth,Man kennt ihn, lautes Jauchzen ihm Gruß entgegenbeut.

Ist es der todt Geglaubte, der längst gesuchte Held? –Wie an der Mühle Steinbank er keuchend niederfällt,Vermag er kaum zu sprechen: »Sorgt nur für meinen Hengst,Denn wär' er nicht gewesen, ich wär' gestorben längst.«

Das Roß hebt Kopf und Augen zu seinem Herren auf,Der trauernd denkt, hier endet das Thier den letzten Lauf;Die Nüstern schnauben matter. – »Hab' Dank,« spricht Eppelein,»Mein Retter, du sollst ruhmvoll allhier begraben sein.«

152. Eppelins Roß.

G.v. Heeringen, Franken S. 126.

Eine schöne, adelig gekleidete Frau mit drei Knaben, die sie umsprangen, und einem Mägdlein, welches sie an der Hand führte, kam den Burgpfad herab und setzte sich auf die Bank vor der Sachsenmühle. Aber so schön sie war, tiefer Kummer wohnte in ihrem Antlitz und Thränen rieselten, wie sie da saß, über ihre Wangen. »Springt nur,« sagte sie zu den Knaben, »ihr seid doch arme Waisen. Euer Vater wird nimmer zurückkehren aus der Haft, denn den Tod hat ihm die Reichsstadt geschworen. Ach, vielleicht lebt er schon nicht mehr, denn sie machen gar kurzen Prozeß da drinnen gegen gefangene Ritter.« Und kaum hatte sie das Wort gesprochen, als aus dem Dickicht ein Mann hervorbrach, athemlos und mit verstörten Zügen. Sein eilender Gang war nach der Mühle gerichtet, an deren kleines Fenster er heftig klopfte. »Brod!« rief er der Müllerin entgegen, welche erschrocken heraussah, »Brod und Wein! und Linnen zum Verband! Geschwind, Weib! eilet euch, es ist kein Augenblick zu verlieren.« Da schrie die Burgfrau von Gailenreuth laut auf und stürzte auf den Mann zu, umfing ihn mit ihren Armen. »Eppelin! Eppelin!« war der einzige Laut, den sie hervorbringen

konnte. Und die Knaben eilten herbei und sprangen laut jubelnd an dem Vater empor und das zarte Mägdlein schmiegte sich an seine Knie. Er aber starrte Alle an und drängte sie zurück. Das Brod und den Weinschoppen, welches beides die Müllerin aus dem Fenster hielt, riß er an sich und ein weißes, feines Tüchlein, womit die Burgfrau ihre Thränen getrocknet hatte, und ihren Schleier noch dazu, und rannte damit in das Dickicht zurück. Aber Frau Hedwig, die den Gatten nur zu wohl erkannt hatte, folgte mit ihren Kindern jählings nach. Und da wo das Gebüsch sich nach dem Wege öffnete, hart am Rande des Waldes, sahen sie den Ritter zu einem Gegenstand hineilen, der am Boden lag. Es war ein Roß. Er warf sich neben ihm auf die Knie nieder, benetzte seine mattschnaubenden Nüstern mit Wein und steckte ihm Brod, das gleichfalls damit befeuchtet war, zwischen die Zähne. Dann zerriß er den Schleier und das Tuch, tauchte sie in den nahen Fluß und schlang sie um die blutenden Beine des Gaules, während er ihm zuweilen die Seiten und den Hals klopfte. Staunend sahen solches Frau Hedwig und ihre Kinder mit an. Sie erkannten jetzt wohl das braune Streitroß des Gatten, des Vaters; aber fast war es schwer zu erkennen, Blut und Schaum bedeckte es und ohnmächtig streckte es seine starken und schönen Glieder. »Eppelin! Eppelin!« rief jetzt Frau Hedwig noch einmal, »du siehst dein Weib und deine Kinder nicht vor dem Rosse und hast uns zurückgestoßen seinetwegen. Verwundet ist es, wie es scheint, es gibt ja der Rosse mehr, sollte man glauben.« Da wandte sich Eppelin um und umarmte sein Weib. »Nur keines mehr wie dieses,« erwiederte er auf ihren liebenden Vorwurf. »Weib! Kinder! geht hin, liebkoset das Roß in seinen letzten Zügen, denn ihm verdankt ihr, daß ihr mich wieder sehet. Ueber den Burggraben der Nürnberger Veste hat es mich getragen.« Und sie thaten, wie er gebot. Mit zarten Händen streichelten sie das treue Thier und thaten ihm wohl und suchten sein fliehendes Leben zu halten, aber der Sprung war zu gewaltig gewesen, und hatte seine Sehnen zerrissen. Nur bis hierher noch reichte seine Kraft, den Herrn im flüchtigen Laufe zu tragen, jetzt war sie erschöpft. Noch einmal wieherte das Roß aus tiefer Lunge auf, noch einmal wandte es den Kopf nach seinem Herrn und wieder von ihm ab, dann brach es im Todeskampfe. Eppelin von Gailingen ließ an der Stelle, wo das treue Thier starb, einen Stein errichten.

153. Die Mistelgauer.

Mistelgau Dorf, Ldg. Baireuth. – A.C. Cammerer Naturwunder S. 129.

Von den Bewohnern der Umgegend werden die Mistelgauer spottweise Hummeln geheißen. Von dem Herkommen dieses Namens geht folgende Sage. Einmal schickten die Mistelgauer einen aus ihrer Mitte nach Nürnberg, um daselbst schönes Wetter zu kaufen. Man gab ihm zu Nürnberg eine Schachtel mit, mit dem Auftrage, sie nicht zu öffnen. Doch war der Mensch neugierig und öffnete die Schachtel. Da summte eine Hummel heraus und freute sich des Lebens. Jener aber lief ihr nach und schrie beständig: »Hummel, Hummel, nach Mistelgau!«

154. Die Wunderquelle bei Weidenberg.

Erzählt von K. Teupser in B. Görwitz Sagenschatz v. Oberfr. S. 58.

Die Wunderquelle des Heilbrunnens unweit der Ruine des Pfeiferschlosses bei Weidenberg, wurde im Jahre 1660 von einer Frau, mit Namen Agnes Herrmann, aus dem Filialdorf Warmensteinach, entdeckt. Diese litt seit längerer Zeit an einem kranken Arm, der ihr unsägliche Schmerzen verursachte. Oft geschieht es, daß man in verzweifelten Lagen Hoffnung und Heil in Unmöglichkeiten und fabelhaften Fügungen sucht – so auch die arme Frau. Als sie nämlich am fürchterlichsten litt, sagte sie zu ihrem kaum sechsjährigen Söhnlein: »du mußt mir helfen, Kind, sonst bin ich verloren!« – da lächelte der Kleine freundlich und sagte: »Ei freilich will ich dir helfen, Mütterchen, wozu hätte mir denn sonst das weiße Männchen im Traume das heilsame Brünnlein gezeigt. Ich weiß den Weg dahin genau und will dich führen.«

Obwohl der Knabe noch niemals diesen Pfad gegangen war, so leitete er doch wirklich die gläubige Mutter an die verheißene Quelle, darin sie den kranken Arm baden sollte. Sie that es und wurde ihres Uebels ledig. Die Genesene verbreitete mit dankbarem Herzen die Kunde von der Wunderkraft des Heilbrunnens und viele Leidende bestätigten diese. Man stellte nachmals einen Opferstock auf, der reiche Spenden für das Gotteshaus Weidenberg aufnahm und endlich die Mittel zu den zwei großen, im Jahre 1738 gegossenen Glocken darbot.

155. Die Königsheide.

Unweit Berneck. – J.v. Plänckner Piniferus S. 168.

Von der Königsheide auf dem Fichtelberg wird erzählt, daß daselbst ein alter König entweder seine Residenz und Begräbnißplatz gehabt, oder eine Schlacht gethan habe, welches auch bezeugen die Gebeine, Hirnschalen, alte, rostige Degen, Schild, Helm und andere Kriegsrüstung so in den letzteren Jahrhunderten noch von dem Landvolk hin und wieder auf dem Felde ausgegraben und gefunden worden. Dieser König soll nebst seinen vornehmsten Helden an einer Quelle begraben liegen, indem er sich im Kampfe für die alte heidnische Religion nach der Königsheide zurückgezogen habe, hier aber nach tapferer Gegenwehr sammt seinen Getreuen von den umwohnenden Christen erschlagen worden sei.

156. Die Sage von den goldsuchenden Venedigern und Wahlen im Fichtelgebirg.

Von L. Zapf. – Nach Brusch, Groß, und Pertsch die Ausf. Beschr. des Fichtelgebirges. Leipzig 1716. Goldfuß u. Bischof Beschr. d. Fichtelgebirges I., 298 ff. J.V.v. Baumer im Archiv f.G.u.A.v. Oberfr. II., 163. M. Schottky Bilder d. südd. Alpenwelt S. 241.

Es ist eine der schönsten Sagen des Fichtelgebirges, die alte Kunde von den geheimnißvollen Fremdlingen, die sich einst in seinen Wildnissen herumtrieben. Sie ließen sich nur zuweilen in den Walddörfern blicken, als Mäusefallenhändler oder in Köhlertracht, und brachten die meiste Zeit im tiefen Forste zu, in Höhlen und an den Brunnen und Bächen. Da gruben sie nach edlen Metallen und suchten Goldkörner, welche sie wuschen und schmolzen. Oft fand das Volk, welches eine furchtsame Scheu vor ihrem Wesen und Treiben hatte, an heimlichen Plätzen verlassene, niedergebrannte Feuer, und daneben Spaten, Pfannen und Meisel oder gar eines ihrer Büchlein, in denen sie die goldreichen Stellen und Punkte des Gebirges verzeichnet hatten. Auch hörte man wohl zu Zeiten ihr dumpfes Pochen und Schlagen. Der alte Pachelbel widmet in seiner »Beschreibung des Fichtelberges« (1716) diesen seltsamen Männern und ihrem geheimen Thun einen eigenen Theil, »worinnen eigentlich dasjenige enthalten, was die Ausländer, nemlich Wallonen, Venetianer, Mailänder, Modeneser, ingleichen Brabander und Flandrer in ihren theils verlornen und hernach gefundenen, theils aber ihnen abgenommenen Verzeichnüßen der fündigen Oerter auf, an und um den Fichtelberg; wie auch in Ober- und Nieder-Sachsen, am Hartz, in Böhmen, Bayern, Pfaltz und Voigtland etc. bemercket und beschrieben haben, insonderheit die Verkundschafftung der besagten Oerter des Venedigers Giovanni Carnero, Johann Schottens, des Gratiani Grundelli eines Venetianers, der sich achtzehn gantzer Jahre umb den Fichtelberg aufgehalten, und sein Verzeichnüß 1531 am Dienstag nach Galli aufgesetzet; item des Sebastian Verso eines Venedigers, wie auch drei anderer Unbenannter etc.« Unter andern finden sich nun darin folgende Stellen, welche am besten geeignet sind, das mystische Wesen dieser Sage darzuthun, welche Ueberlieferung und Aberglauben in einen eigenthümlichen, romantischen Schleier hüllen. »Gestalt und Farben der Goldkörner, wie sie Sebastian Verso in seinem Wahlenbüchlein beschrieben. 1) Etliche Goldkörner sind roth, wie rostig Eisen; 2) etliche wie Granaten, dunkel, durchsichtig; 3) etliche kuglicht rund; 4) etliche wie Erbsen; 5) etliche wie Bohnen; 6) etliche sehen wie Pech aus, sind auch gut; 7) etliche zerspringen wie Glas im Zerschlagen, sind gut; 8) etliche sehen rauh, grau und bleifarbig aus, sind mild und mürbe, sind auch gut; 9)

etliche graulicht wie Mohnfarb, oder 10) blau inwendig mit einem frischen Glanz; 11) etliche lassen sich fletschen und plezen wie Blei, diese notabene sind die besten; 12) Gold ist auch in weißen Kieselsteinen, die weiße Aederlein haben etc.« »Vom Fichtelsee schreibt Giovanni Carnero, ein Venediger, und Joh. Schott also: Dieser See sei in des H. Markgrafen Land anzutreffen, zu höchst auf der See-Lohe, und sei auf 40 Klafter nicht zu ergründen. Man solle zu oberst auf diesem Berg etwan einer Spannen tieff einschlagen, so finde man gar grüne Steine, wann man diese in einer Gluth wärmet, so würden sie roth, und wann man sie dann zu Silber leget, so werde aus diesen Steinen gar gut Gold, welches bißher allen Menschen verborgen geblieben.« »Zelle: Saale. Zu Zelle soll einer vor Alters gewohnt haben, Hildebrand genannt, der zu Hof neun Häuser gebaut, und das Erz dazu geholt haben soll, wo die Saale am Fichtelberg bei Zelle entspringet, welches der Schmied zu Zelle (ehedessen nemlich) wohl weiß. Bei dem Ursprung der Saale findet man ein Loch, dessen Erde wie ein weißer Laimen ist. Notabene, wenn diese ein wenig von der Sonne gedörret wird, so färbt sie, wie eine blaue Lasur, daß man also wohl etwas mit machen und anstreichen kann. In dieser Gruben oder darunter, daneben, dabei, schlage einen Sinter durch den Laimen, bei ein bis fünf Ellen tief, so findestu einen reinen und wohlgediegenen Goldgang, und von dannen einen Armbrustschuß weit bei dem Flüßlein gegen Hoff zu, da stehet auf einem kleinen Bühel eine Tanne mit vielerlei Zeichen an der Rinde, woselbst man findet dreierlei theure Marcasiten, als Gold, Silber, Kupffer. Der Hügel ist mit Reißig verhauen, notabene daß es nicht jedermann finde, wegen des Hügeleins und Flüßleins allda, damit es verblendet ist. Notabene darunter findet man des Hildebrands seinen Marcasit. Carnero.« »Luchsburg bei Wunsidel. Dieses Gebürg nahe bei Wunsidel am Fichtelberg ist einer unüberwindlichen, schrecklichen Höhe; darauff siehet man alte Stollen und unterschiedliche Gänge, darinnen findet man Gold und Silber, und das ist nahe bei denen alten Schlössern, so vor Zeiten Raubschlösser derer von Losburg gewesen, daher dieser Berg den nahmen hat. Vor dem einen Schloß gegen dem Thor herauswärts zur rechten Hand ist ein alt Gewölbe oder Keller in die Erden hinein, dafür liegt ein sehr großer Stein, darinnen liegt ein sehr großer eiserner Kasten mit einem unglaublichen Schatz von Gold, Silber und Kleinodien, dieser stehet auf einem viereckigten kupffernen Kessel, der ist voll gemischter Gulden einer Elle hoch und breiter dann eine Elle, obenauf stehet ein Kupfern Gefäß, darin ist eine güldene Crone und schöne Kleinodien von Edelgesteinen, so ehemals die Herren von Losburg einem König abgeraubet und dahin vergraben, wie das Schloß ist zerstöhret worden. Wann du ihn suchen wilst, so suche ihn unter der Staffel, da ist ein viereckigt Loch, darinnen der Schatz stehet, darum müssen die Staffeln von oben herab bis auf den Grund zur untersten abgebrochen werden. Am Sonntag Epiphanias ist er am besten zu heben. Probatum est. Carnero.« Wie bei den Sagen von den goldenen Kirchen und Kapellen im Innern der Berge, so ist auch hier der Kern der Goldreichthum des Ochsenkopfes oder Fichtelberges, der sich in mancherlei Sprüchen und Symbolen im Volke ausspricht. Eine alte Begebenheit wird erzählt, welche sich an diese abenteuerlichen Uebertragungen anknüpft. Ein Venetianer, der häufig das Fichtelgebirge besuchte, kehrte oft bei einem Landmanne in Wülfersreuth ein, welcher ihn gastfreundlich aufnahm und ihm bot, was er vermochte. Einstmals nun kam er wieder, jedoch um für immer Abschied zu nehmen. »Ich kehre jetzt in meine Heimath zurück, um die Früchte meiner langjährigen Mühen friedlich zu genießen,« sagte er, »und werde wohl nie mehr deine gastliche Schwelle überschreiten. Wenn du jedoch einst irgend ein Anliegen auf dem Herzen hast, so komme zu mir in das ferne Venedig, und ich will dir von deinem Kummer helfen. Ich glaube, ich werde dich noch bei mir sehen.« Er schied. Und siehe, nach Jahren zogen schwere Wolken über das kleine Haus, so daß der besorgte Mann keinen Retter mehr wußte aus Noth und Sorgen, als

seinen alten Freund in Welschland. Da machte er sich auf, pilgerte hinab gen Süden und erreichte glücklich die große Meerstadt. Nun ward ihm aber bange, als er die weiten Straßen beschaute; wie wollte er seinen Freund ausfindig machen, dessen fremden Namen er längst vergessen? Als er jedoch in halber Verzweiflung die köstlichen Paläste ringsum anstarrte, da rief es plötzlich aus einem derselben: »Hans, Hans!« und ein reichgeschmückter, vornehmer Mann stürzte heraus, um den Staunenden zu umarmen. War das der Venediger in den schlechten schwarzen Kleidern, den er einstens beherbergt? – Er war es und hatte ihn in seiner Fichtelberger Tracht sogleich wieder erkannt; und er führte ihn hinauf in die herrlichen Säle voll Pracht und Reichthum, die den armen Waldmann glauben ließen, Alles sei ein Traum, und vergalt ihm nun Alles tausendfach, was er dem Fremdling einst in seiner Heimath Gutes gethan. Reich beschenkt kam er zurück und führte von da an ein sorgenfreies Leben. – Zur Erzählung dieser Sage von L. Zapf noch eine Bemerkung des Bruschius. Aus der Wahlensage erklärt sich das Sprichwort, das sich dergleichen Goldsucher etwan haben hören lassen, nämlich, daß man an und um den Fichtelberg eine Kuh werfe mit einem Stein, der Stein sei aber besser denn die Kuh. Da man jedoch seit Jahrhunderten weder die in den Sagen bezeichneten Goldgänge finden, noch die Steine zu Gold brennen konnte, so verbreitete sich der Glaube, daß das Gebirge verwünscht sei, und seine Schätze von Berggeistern verschlossen gehalten würden. Daher ist ein mit einer goldenen Kette und starkem Schloß verwahrter Berg das Sinnbild des Fichtelberges. Doch können nach der Volkssage diese Schätze dereinst von frommen und einfältigen Menschen erhoben werden. Denn am Sankt Johannistag öffnet sich

157. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf.

Von Ludwig Braunfels. – Ausf. Beschr. des Fichtelberges S. 69. Goldfuß u. Bischof a.a.O. I., 302. J.v. Plänckner Piniferus S. 141.

Am Sankt Johannismorgen steigt Ein Knab' zum Fichtelberge: Das ist der Tag, der offen zeigt Den goldnen Schacht der Zwerge; Und wer da fühlet kecken Muth, Mag rauben aus der Geister Hut, Weß' ihm das Herz gelüstet.

Der Knab' erklimmt in Sprung und Lauf Die steilsten Bergeshänge; Und wie er hört vom Dorf herauf Der Glocken Morgenklänge, Da fällt des Frühroths erster Schein Wohl auf das kalte Felsgestein Mit wunderbarem Glänzen.

Und eine Blum' im Goldgewand Steigt auf am steilsten Orte; Er pflückt sie; und die Felsenwand Zeigt plötzlich eine Pforte. Und von der Blume kaum berührt, Springt auf das Eisenthor; es führt Hinein zur Geisterkirche.

Auf Silbersäulen dringt empor Gewölbe von Rubinen; Ein Hochaltar steht dort im Chor,

Vom Himmelslicht beschienen. Aus jeder Nische goldner Glanz! Von Säul' zu Säulen schwebt ein Kranz Aus Perlen reich geflochten.

Ein Priester Segensworte spricht Zum frommen Volksvereine; Doch sieht der Knab' den Priester nicht, Und nicht die Kirchgemeine. Dann hebt sich an ein heil'ger Sang Mit Glockengruß und Orgelklang, Und wonnig lauscht der Knabe.

Doch eine leise Stimme ruft: »Frisch auf, du kühner Knabe, Eh' dir die Kirche wird zur Gruft, Nimm von der reichen Habe! Nimm Gold und Perlen und Gestein Nimm, weß' begehrt das Herze dein, Nur eil', und kehre nimmer.«

Der Knabe hört's, doch geht er nicht: Was Gold und Steingeflimmer! Ihm ist so wohl, so klar und licht; Und scheiden möcht' er nimmer. Und wieder ruft's: »Geschwind! geschwind! Du bist verloren, mein armes Kind!« – Er bleibt, er lauscht dem Sange.

Mit Eins verstummt der Geisterchor; Und bei dem letzten Halle Da wird es Nacht; das Eisenthor Schließt sich mit Donnerschalle. Da sinkt er hin im goldnen Schacht, Da ist er in der Zwerge Macht; Kein Auge sah ihn wieder.

158. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf.

Von Ludwig Zapf.

Einsam, schauerlich und stille Ist's am hohen Fichtelberg, Oben fliegen scheu die Raben, In der Tiefe klopft der Zwerg.

Graue Wolken hängen flockig In den finstern Wald herein, Sausend regen sich die Bäume, Wasser rieseln vom Gestein.

Ungesehen blüht im Schatten

Noch die Wunderblume hold Und im Innersten verborgen Düster glüht das rothe Gold.

An dem heil'gen Tage aber, Der Johanni ist geweiht, Zeigt sich, wenn sie drunten läuten, Offen alle Herrlichkeit.

Eine Kirche in den Felsen Hat sich schimmernd aufgethan, Edle Schätze, Gold und Silber, Schaut der Wald verwundert an.

Sonnenhelle Strahlen leuchten In die Wildniß weit hinein, Und die alten Bäume prangen Wunderlich im Zauberschein.

Eile, Menschenkind, zu haschen, Das zur heil'gen Stelle tritt, Nimm soviel die Arme fassen, Doch beflügle deinen Schritt!

Denn wie drunten nun gesprochen Wird das Evangelium, Mit dem Wörtlein Amen! krachend Schließt der Fels sich wiederum.

Wunderbar, wie er erglommen, Ist erloschen nun der Schein, Und in seine düstern Schatten Hüllt der Wald sich wieder ein; –

Einsam, schauerlich und stille Ist's am hohen Fichtelberg, Oben fliegen scheu die Raben, In der Tiefe klopft der Zwerg.

159. Das Brautpaar.

B. Görwitz Sagenschatz S. 49.

Ein armer Aschenbrenner zu Bischofsgrün, der eines Morgens ausgegangen war, um die zu seinem Geschäft geeigneten Bäume auszuwählen, wurde jählings von einem Unwetter überrascht, und stellte sich, Schutz suchend, von Ohngefähr in eine Felsengrotte. Kaum war er ein Weilchen dort gestanden, als er ein seltsames Klingen und Singen hinter sich vernahm. Er wendete sich stracks um, und gewahrte zu seinem höchsten Erstaunen ein weites, strahlendes Gewölb, dem Innern einer Kirche vergleichbar. An den Wänden und Emporen hing Gold und Silber wie Eiszapfen herab, und Perlen und Edelgesteine waren da aufgethürmt wie Zwiebelstränge. Der gute Aschenmann gedachte bei diesem köstlichen Anblick an nichts anderes, denn an sein Weib, das er herzurufen müsse; er lief fort nach dem Dorfe, und brachte

dieses, trotz alles Sträubens, daher. Schon glaubte er die Grotte wieder zu erkennen – ja, die Grotte war's – aber von all' den Schätzen und Herrlichkeiten war nicht die Spur geblieben. Dem getreuen Ehemann ward Schimpf und Spott von seinem Weibe, er mochte ihr betheuern so viel er wollte. Mittlerweile war auch der Sohn dieser Eltern mit seinem Bräutlein herangekommen und ließ sich von dem Vater den seltsamen Vorgang erzählen. »Ei,« sagte der, »warum ist das mir nicht geschehen und meiner Gretl. Wenn wir mitsammen die Grotte offen gefunden hätten, wir wären flugs hineingegangen; denn wenn eine Kirche darinnen ist, so würden wir auch einen Priester gefunden haben, der uns getraut hätte. Dann wären wir glücklich geworden mit einem Male.« Indem der Bursche dieß noch sprach, war, wie durch einen Zauberschlag, die Grotte abermals geöffnet, und drinnen zeigte sich eine gar herrliche Aussicht. Zur Linken stand eine goldene Kirche mit stattlichen Thürmen und strahlenden Fenstern, und helles Geläut tönte von droben hernieder; zur rechten Seite stand ein zierliches Haus, von Gärten und Wiesen umgeben, und es schaute, mit Blumen und Kränzen geschmückt, recht hochzeitlich aus. – »Da haben wirs ja, was wir wünschen,« rief des Aschenmann's Sohn, indem er sein Bräutlein in den Arm nahm – »dort ist die Kirche zur Trauung, daneben unsere Wirtschaft – ade, Vater und Mutter – da drinnen sind wir glücklicher als droben!« – Mit diesen Worten war das Brautpaar verschwunden, und nimmermehr kehrte es wieder.

160. Der goldne Ziegelstein.

Waldstein im Fichtelgebirg. – K. Zapf, Wanderungen zu den Burgruinen des Fichtelgebirgs S. 35.

In der Nähe des Waldsteins war einst ein armer Taglöhner mit Holzhauen beschäftigt. Eben als er im Begriffe stand, nach Hause zu gehen, trat aus dem Gemäuer der Veste ein kleines, freundliches Männchen, das ihn durch Geberden ersuchte, einen Ziegelstein mit nach Hause zu tragen. Der Holzhauer nahm und betrachtete den Ziegel und wollte eben fragen, zu welchem Behufe er ihn mitnehmen solle, als sich das Männchen schon wieder entfernt hatte; er glaubte nun, man wolle ihn zum Besten haben, und warf den Ziegel weg. Zu Hause angekommen, fragte seine Frau, warum seine Hände und verschiedene Stellen seiner Kleider so glänzten? Nun sah er, daß der Ziegelstaub, welcher, während er den Ziegel betrachtete, an seinen Händen und Kleidern geblieben war, purer Goldstaub geworden sei. Jetzt erst wurde ihm klar, welches Glück ihm die Erscheinung zugedacht hatte; er lief in größter Eile zurück, um den weggeworfenen Ziegel zu holen; allein – er war und blieb verschwunden.

161. Goldsagen vom Epprechtstein.

Der Epprechtstein oberhalb Kirchenlamitz, 3 Stunden von Wunsiedel. – K. Zapf Wanderungen S. 57 ff.

Alle Jahre einmal, jedoch an keinem bestimmten Tage, während der Pfarrer zu Kirchenlamitz das »Vater Unser« auf der Kanzel betet, hebt sich ein Fels und zeigt bis zum Schlusse des Gebets große Haufen Goldes. Mit dem Worte »Amen« senkt er sich nieder und verschlossen auf ein Jahr sind wieder die unermeßlichen Schätze. War nun auch bis jetzt noch Niemand auserkoren, diesen glücklichen Augenblick zu treffen und etwas zu erhaschen, so erhielten doch Einige vor langer Zeit auf folgende Weise mehreres von den Reichthümern: Ein Hirte weidete einst unfern der Ruinen seine Heerde und streckte sich sorglos auf den weichen Rasen. Plötzlich vernahm er ein Geräusch in seiner Nähe. Er blickte auf und gewahrte ein in sonderbare Kleidung gehülltes Mädchen, emsig beschäftigt, abgefallenes Laub mit seinem Rechen umzuwenden. Sie winkte dem Hirten freundlich. Als sich dieser schüchtern genaht hatte, steckte sie ihm alle Taschen voll Laub und verschwand. Ein unheimliches Grauen befiel den Hirten; er wandte sich zu seiner Heerde und trieb dieselbe eiligst nach Hause. Bei den Seinigen angekommen, erzählte er den seltsamen Vorgang und griff dabei in die Tasche, um das Laub vorzuzeigen. Aber – wer beschreibt sein Erstaunen! – Aus jedem Blatt war ein

großes blankes Goldstück geworden! – Wäre nicht bereits die Nacht vor der Thüre gewesen, so wäre er schnurstraks wieder auf den Berg geeilt, um alles Laub, das er tragen könnte, zu holen. Diese Nacht ward ihm zur längsten seines Lebens, er konnte kein Auge schließen. Kaum graute der Morgen, so lief er, versehen mit einem großen Sacke, den Berg hinan und nahte sich mit klopfendem Herzen den Ruinen; aber – Alles war verschwunden und nie in seinem Leben erschien ihm wieder die goldspendende Frauengestalt.

162. Die Goldkapelle am Epprechtstein.

Von Hermann Zapf. – K. Zapf, Wanderungen S. 58 u. J. Ch. Holtzmann in B. Görwitz Sagenschatz S. 123.

Es ging ein Weib in den tiefen Wald Nach Beeren im Gebüsch und Felsenspalt, Sie hatt' auf dem Arme ein schönes Kind, Das koste sie oft, sie beide der Wind. – O Mutter, wie fliehet dein Glück geschwind!

Und wie sie pflücket, da glänzt heraus Im Dickicht ein offenes Gotteshaus, Und viele Goldhaufen und Edelstein' Locken sie schimmernd zu sich hinein. – O traue, folge nicht falschem Schein!

Da stürzte hinein das thörichte Weib Und that ihr Kleinod von ihrem Leib, Und raffte mit Schätzen die Schürze voll, Und lief durch den Wald nach Haus wie toll – Wo hast du dein Kindlein, so schönheitsvoll?

Und freudetrunken wirft sie zu Haus Gold und Demanten zu Haufen heraus, Und labt die Augen an dieser Pracht, Schön, wie Sterngefunkel zu Nacht. – Der schönste Demant dir wohl nimmer lacht!

Da dämmerts in ihrem Herzen alsbald, Sie rast zurück in den düstern Wald, Da war zu finden kein Gotteshaus, Da lachte kein lallendes Kind heraus – Tröste dich bei deinem Golde zu Haus!

Seit schallet im Walde ihr Jammerton: Gebt mir meines Lebens Lust und Kron', Was kann mir ersetzen mein Kind in der Welt Da mir sind meine Tage vergällt? Und spottend antwortet der Wald ihr: Geld!

Am Johannistage öffnete sich die geheime Thüre dieser Kirche. Als nun der nächste Johannistag kam, erzählt Holtzmann weiter, da eilte die arme Mutter abermals der Goldkapelle zu; sie überschreitet die Schwelle und ein Freudenschrei entfährt ihrer Brust: ihr Knäblein, lebend und wohlgenährt, lacht ihr vom Altar der Kirche, auf welchen sie es vor

einem Jahre gesetzt hatte, entgegen. Hastig ergreift sie die theure Last und eilt hinaus, ohne weiter nach Gold zu fragen.

163. Das Goldlaiblein.

Erzählt v. J. Ch. Holtzmann in B. Görwitz Sagenschatz S. 125.

Einst hüteten am Ochsenkopfe zwei Knaben und ein Mädchen. Die Knaben waren Kinder wohlhabender Landleute; des Mädchens Aeltern aber waren arm. Die kleinen Gefährten erzählten sich allerlei Märlein, die sie von den Geistern des Ochsenkopfes wußten. Da gesellte sich zu ihnen ein graues Männchen, welches aufmerksam ihren kindlichen Gesprächen zuhörte. Endlich sprach es: »Ihr seid gute Kinder; darum will ich auch nicht von euch gehen, ohne euch zu beschenken.« Es zog aus der Tasche drei Laiblein Brod und gab jedem Kinde eines. Darauf entfernte es sich. Die beiden Knaben lachten ob des ärmlichen Geschenks und hielten es nicht werth. Der eine nahm sein Laiblein und warf es auf die Erde. Es hüpfte den Berg hinab in possirlichen Sprüngen, bis es sich zwischen struppigem Gebüsch verlor. Da sprach der andere Knabe: »Halt, mein Laiblein muß das deinige suchen!« und warf es ebenfalls auf die Erde. Es nahm denselben Weg, wie das erste. Nun wollten die leichtsinnigen Knaben auch das Mädchen bereden, ihr Geschenk wegzuwerfen. Die Kleine aber hüllte es eilig in ihr Schürzlein und sprach: »Wie wird es meine Aeltern freuen, wenn ich ihnen etwas mit nach Hause bringe!« Da sie aber heim kam und man das Brod aufschnitt, siehe, da war ein Klumpen Gold hineingebacken, und Reichthum war eingezogen, wo sonst Mangel herrschte. Als die beiden Knaben von dem Glück ihrer Gefährtin hörten, gingen sie zurück, die verschmähten Geschenke des grauen Männleins zu suchen. Allein es war vergeblich.

164. Das Schloß der Spieler.

Die vor. Schrift, S. 126.

Als noch das Einbringen der abgestorbenen Waldbäume zu den unverwehrten Geschäften der Landleute gehörte, war eine Bauersfamilie aus Obersteinach am Fuße des Ochsenkopfes in dieser Arbeit thätig. Einen zu ihr gehörigen Dienstknecht fing auf einmal heftig zu dürsten an. Er sprach daher zu einem jüngeren Mägdlein: »Gehe und hole mir Wasser, sonst verschmachte ich!« Da nahm das Kind ein Trinkgefäß, diesem Wunsche nachzukommen. Lange suchte es nach einer Quelle, bis es sich verirrt hatte. Als die Kleine dieses bemerkte, weinte sie heftig, und rief alle Namen der Ihrigen. Niemand wollte hören. Schon neigte sich die Sonne zum Untergange und noch hatte sie sich nicht aus dem Walde gefunden. Es war bereits völlige Nacht geworden, der Himmel blickte das verirrte Mädchen mit seinen zahllosen, flimmernden Augen an und sie machte sich bereit, in der Wildniß zu übernachten. Da gewahrte sie in geringer Entfernung ein herrlich beleuchtetes Schloß, das sie noch niemals gesehen hatte. Wie freudig schlug der Geängsteten das Herz, denn es lächelte ihr ein wirthliches Obdach! Sie eilte dieser schönen Hoffnung entgegen. Als sie näher an das Schloß kam, verkündete kein Laut lebende Bewohner. Sie klopfte – Niemand kam zu öffnen. Zum zweiten Male schlug sie an die hallende Thüre – nur das Echo antwortete, sie zu äffen. Zum dritten Male und stärker gebot ihr ängstliches Pochen Einlaß. Da wurden die Riegel zurückgeschoben und vor dem Mädchen stand ein Mann mit einer brennenden Kerze, der ihren Gruß nicht erwiederte und sie ernst und schweigend in einen weiten Saal führte. Sie setzte sich bescheiden auf ein Bänklein am Kamin. An einer langen Tafel saßen zwölf Männergestalten, die mit Kartenspiel beschäftigt waren. Aber kein Laut bewegte sich von den bleichen Lippen. Schweigend legte der Verlierende die Münze hin und ohne ein Wort wurde der Gewinnst eingezogen. Da erfaßte allmählig das arme Mädchen jener Schauer, wie ihn der Sterbliche bei Ahnung des Ungeheuren zu empfinden pflegt. Mit ängstlichen Blicken betrachtete sie die rätselhaften Gestalten, und mit Entsetzen bemerkte sie jetzt, daß die Hände jedes Spielers eine andere Farbe trugen. Sie bemerkte goldgelbe, silberweiße, blutrothe

Hände. Ihrer Besinnung kaum mächtig, rief die Kleine wie in Todesangst: »Assi möchti!« Und schweigend nahm der, welcher sie eingelassen hatte, die Kerze und ließ sie hinaus von der Wohnung des Grausens. Sie setzte sich ohnweit des Schlosses nieder und schlief bald ein. Als sie erwachte, vergoldete schon die Morgensonne die Wipfel der Bäume, die Lerche wirbelte ihr Lied und das Schloß war verschwunden. Ein Haufen Schutt und Steine auf der Stelle desselben ließ vermuthen, daß wohl ehemals ein Gebäude dort gewesen sein möge. Froh, das Abenteuer glücklich bestanden zu haben, setzte das Mägdlein ihr Suchen nach dem Wege fort und fand ihn wieder.

165. Der Nußhard.

C.v. Falkenstein Buch der Kaisersagen S. 108. J. Ch. Holtzmann in B. Görwitz Sagenschatz S. 124.

Im Fichtelgebirg unweit Bischofsgrün erhebt sich der steile Klippenberg Nußhard. Am Fuße dieses Felsens sah einst ein Hirt eine schöne Jungfrau. Sie hatte einen Rechen in der Hand und breitete damit Flachsknoten in der Sonne aus. Niemals hatte er hier ein Mädchen gesehen. Er betrachtete sie, gewann sie lieb, und hätte gern mit ihr gesprochen; doch dazu fehlte ihm der Muth. Wenn sie sich entfernte, ging er aus dem Gebüsch und besah ihre Knoten, unter welchen er einmal ein Goldstück fand. Einstmals zur Mittagszeit, in der sie gewöhnlich kam, bemerkte sie den Lauscher. Beide sahen sich an, ohne einander zu nahen. So vergingen Wochen. Da drängte es den armen Hirten zur schönen Jungfrau hin, und entschlossen sprach er sie an. Freundlich antwortete sie, daß sie, eine Fürstin, seit Jahrhunderten in diese Gegend verbannt und er dazu bestimmt sei, sie aus ihrem Elend zu befreien. Am St. Petritage sollte er wiederkehren, sich aber nicht vor ihr fürchten, wenn sie als häßliches Weib erschiene, sie dann dreimal nach einander kühn und muthig auf die Stirne küssen und damit ihre Erlösung bewirken. Schweren Herzens verließ der Hirt, nachdem die Jungfrau sich seinen Blicken entzogen hatte, den Nußhardfelsen, dachte Tag und Nacht an ihre Schönheit und an sein Versprechen, doch als die Zeit erschien, befiel ihn eine wahre Todesangst, er trieb seine Heerde nach einer andern Gegend und kam nicht. Als er endlich wieder einmal am Felsen hielt, sah er auch die Jungfrau wieder. Wehmuthsvoll fragte sie ihn, warum er nicht zu ihr gekommen? Jetzt wäre der schöne Augenblick vorüber und sehr lange müsse sie nun wieder warten auf die neue Stunde ihrer Erlösung. Nie sah der Hirt die Jungfrau wieder, so oft er auch die Gegend des Nußhardfelsens besuchte.

166. Der ewige Schmied im Fichtelgebirg.

Von J.M. Rath. – Sage des Schneebergs.

Horch! Mitternacht schlägt es, Zur Mette erschallt Die Glocke im Wald! Auf Meister! vom Amboß Hinweg gleich und ruht; Das Christkind die Fahrt um Im Lande jetzt thut.

»Erst schlag' mir das Eisen, Weil's glühet, zurecht, Untüchtiger Knecht! Ein Schlüssel gehämmert Zur Christmettenzeit, Dem öffnen die Kammern Der Schätze sich weit.«

»Die Jungfrau im Haus ging, Die Tochter, zu Bett, Vergaß ihr Gebet, Mit heiligem Quell zu Besprengen die Thür; Nun wehrt nichts den Geistern, Nun helfen sie mir.«

Der Meister schlug rüstig, Der hämmernde Schall Erklang ohne Zahl. Der Schlüssel ist fertig, Und Schmied und Gesell Ermüdet, sie schlummern Selbander zur Stell.

»He! Schmied! nicht so müßig Geschnarcht auf dem Sitz! Auf, sei mir eins nütz!« Es ruft vor der Schmiede, Steht draußen so groß, Als wäre gekommen Ein Reiter und Roß.

»Der ist nicht geheuer Der wilde Gespann, Den ruf' ich nicht an!« Wohl schreckt es den Meister, Ein Grauen ihn faßt; Das Zögern, es bringt nur In Hitze den Gast.

Der schlägt mit dem Kolben Mit abermal drei Die Thüre entzwei. Und richtet sich hoch auf Im niederen Bau, Wie ist er so düster Wie ist er so rauh!

Wie hat er vom Helm und Vom Panzer und Schwert, So schnell sich entwehrt. »Die Beulen im Harnisch, Im eisernen Hut, Die klopfe mir, Meister! Und glätte sie gut!«

Er spricht es, und lehnt auf Den Kolben sich stumm,

Und schauet sich um. Der Meister ist müde Vom vorigen Tag, Und fürchtet des Gastes Gedroheten Schlag.

Jetzt nimmt er den Helm und Den Panzer zur Hand, Und klopft unverwandt. Es schwingt der Gesell auch Des Hammers Gewicht. Sie schlagen, sie treiben, Und glätten doch nicht.

Wo ist nun der Schlüssel? Weit offen die Thür, Der Gast nicht mehr hier! Zum Kämmerlein führt ihn, Zur Jungfrau im Haus, Der Schlüssel; den Schatz spür't, Den theuren er aus.

Es krähet der Hahn und Der Morgen wird hell, Wie staunt der Gesell! Er hämmert am Amboß, Der Meister der schlug Die Tochter, daß sie es Nicht länger ertrug.

Vom Reiter im Boden Sieht man noch den Tritt, Die Spuren vom Ritt; Und annoch in Nächten Der Mette im Thal Am Schneeberg vernimmt man Den hämmernden Schall.

Ihr Mädchen! vergeßt nicht Das Abendgebet, Zu weih'n euer Bett; Es klopft noch der Schmied und Der Gast geht noch um, Und noch hängt der Schlüssel Nicht im Heiligthum!

167. Den Bergmönch sehen.

Ausf. Beschr. des Fichtelbergs S. 147.

Im Jahr 1674 hat ein Steiger auf dem Schönlinder Zinnwerk sein Leben durch Sprengung eines großen Steins geendiget, wobei dieses merkwürdig ist, daß dieser Steiger zu Frühe, als

die Bergleute an die Arbeit gegangen, zu ihnen gesaget, es sollte sich anheute ein Jeder wohl in Acht nehmen, er hätte gestern Abends den Bergmönchen gesehen, es dürfte wohl heute Etwas geben; da es ihn dann am selbigen Tag selbst betroffen. Dieser Berggeist soll gar oft sich haben sehen lassen und nichts Ungemeines gewesen sein.

168. Sigmund Wann aus Wunsiedel.

Ausf. Beschr. des Fichtelbergs S. 84. B. Görwitz Sagenschatz. S. 60.

Sigmund Wann aus Wunsiedel lernte, einer älteren Chronik zufolge, das Bäckerhandwerk, und wanderte sodann in seiner Profession nach Venedig. Dort lernte er in dem Hause einer geborenen Wahlin deren Magd kennen und verliebte sich in dieselbe. Einstmals fragte ihn die Dirne, ob er sich nicht lieber ein reiches Mädchen wählen möchte – sie wüßte eines, das ihn wohl erhören würde. Da antwortete der getreue Sigmund, er möchte keine andere als sie, und wenn auch eine Goldkönigin ihn liebte. Darüber freute sich die Magd ausnehmend und sagte: »Nun gut, so will ich es mit dir wagen. Ich besitze die geheime Kunst, aus schlechten Metallen Gold und Silber zu scheiden, und da du ein redliches Herz bist, so will ich, wie ich es zeither zu deiner Prüfung that, keine Magd mehr sein, wohl aber deine getreue Hausfrau und deines Städtleins daheim ehrsame Bürgerin.« Nach diesem verständigten sich die Beiden und Sigmund Wann nahm die wälsche Braut mit nach Wunsiedel; – dort wurde sie ihm christlich angetraut. Mit Hülfe seiner Frau gewann nun der ehemalige Bäckergeselle durch die Kunst der Alchymie große Reichthümer. Da ihre Ehe jedoch kinderlos blieb, so erbaute Wann ein herrliches Hospital, und machte die von Eger darüber zu Schutzherrn. Denenselben gab er eine große Summe Geldes, dafür mußten sie alljährlich in das Hospital nach Wunsiedel 410 Goldgulden zur Unterstützung zwölf ehrlicher alter Männer und dreier Priester geben. Bei gemeldetem Hospital steht auch eine feine Kirche, welche ebenfalls von Sigmund Wann begründet wurde. In dieser bezeichnet eine Gedächtnißtafel mit den Bildnissen jenes wackeren Ehepaares das Andenken ihrer Segnungen.

169. Wie ein Bauer das Alexanderbad entdeckt hat.

J.G. Köppel. Maler. Reise durch die Fürstenthümer Baireuth und Ansbach II., 119. J.v. Plänckner Piniferus S. 198.

Ein Bauer mit Namen Brodmerkel im Dorfe Sichersreut, litt drei Jahre lang an einem Ansatz von schwarzem Staar, Geschwulst und ungesunden Leib. Man rieth ihm, nach Karlsbad zu gehen oder Sauerbrunnen zu trinken, allein Beides war ihm zu kostspielig. Da träumte er in einer Nacht, auf seiner Wiese, der Heuleiten, sei eine Quelle, die ihn, wenn er davon tränke, gesund machen würde. Am 19. Mai 1734 ging er hinaus auf die Wiese, fand wirklich in einem Sumpfe die Quelle, gebrauchte sie und erhielt seine Gesundheit; worauf dann die Quelle gefaßt worden und das Alexanderbad aufkommen ist.

170. Die Zerstörung der Luxburg.

Nach Zeidler u. Pertsch die Ausf. Beschr. d. Fichtelbergs, S. 64. C.v. Falkenstein a.a.O. S. 98.

Die Luxburg oder Losburg war vor Alters ein berufenes Raubnest, von wo aus die ganze Umgegend bis nach Eger beunruhigt wurde. Nun dachten die Herren von Eger schon lange mit Ernst darauf, wie solchem höchst schädlichen Unwesen möchte abgeholfen werden. Da war indessen guter Rath theuer, denn die Losburg war durch steile Felsen gegen jeden Angriff geschützt. Endlich gerieth man auf einen guten Einfall. Denn als einstmals die Ritter der Losburg auf Raub ausgezogen waren und Niemanden als die Wachen zurückgelassen hatten, wurde Solches den Egerischen Herrn durch Kundschafter heimlich zu wissen gethan. Diese ließen alsbald eine bewehrte Mannschaft ausrücken und am Fuße des Berges sich zum Angriff

stellen. Alsdann ließen sie gerade so viel Mann mit eben dergleichen Waffen, Röcken und Pferden, als welche die ausgezogenen Raubritter hatten, gegen den Berg vorrücken und sich dem Schlosse nähern. Die Wachen meinten nicht anders, als es wären die ihrigen und kämen mit guter Beute wieder. Also ließen sie solche ohne Bedenken einrücken, wurden aber in selbem Augenblick niedergestoßen, wornach auf ein gegebenes Zeichen der ganze Hinterhalt nachrückte, Alles niedermachte und das Raubnest zerstörte. In dem Keller der Luxburg unweit des Thores, nach dessen verfallenem Eingang noch einige Stufen führen, liegt ein großer Schatz vergraben, worüber es in einem an den Markgrafen Friedrich gemachten Berichte also lautet: »Gold, Silber und Edelgeschmeide in einem kupfernen Kessel einer Elle hoch und breit voll gemünzter Gulden. Auf demselben steht ein kupfern Gefäß, darinnen ist eine Krone von Gold und dabei schöne Kleinodien und Edelgestein, so von den Luxburgern etwa einem König räublich genommen, durch ein Mönchlein, hat schwarze Kleider, das klein ist und hinkt, zu erheben. Das soll geschehen in Epiphania 1504 per conjurationes.«

171. Der Teufel auf der Kössein.

Von L. Braunfels. – Die Redlichkeit der Fichtelberger geht in Hand mit jener Derbheit, die das Sprüchwort bezeichnet: »Mein Reden ist so grob, wie ein Fichtelberger.« – Kössein, Gipfel des Fichtelgebirgs. S. Ausf. Beschr. des Fichtelbergs S. 128.

Dem frechen Teufel fiel's mal ein: Er führt den Herrn auf die Kössein, Zeigt ihm die Länder groß und klein, Und sagt: Das soll dein eigen sein, Verehrst du mich als Herren dein. – Wie? lächelt Christus, Alles mein, Die Berg' und Thäler groß und klein? Ja, aber Eins versag' ich dir: Dort Reichenbach und Nagel hier; Die sind mein Brodschrank für und für! Ist auch das ganze Bergrevier Mit Schwören und Fluchen zu Dienste mir, Dort sind die gröbsten Leute schier Im ganzen Fichtelbergsrevier.

172. Die Geistã in Zaitlmũos.

In der Mundart des Egerthals, von L. Zapf. – Zeitelmoos Wald und Sumpf zwischen Wunsiedel und Weißenstadt. Vgl. Ausf. Beschr. des Fichtelbergs, S. 90. Grimm d.S. I., 58.

Zwischn Weischtodt und Wousiedl is a grußa Wõald, as Zaitlmũos, dou hots schou allwall drin schpuckt. Bõall hot sich der wilde Jegã vanehma losn, bõall is a Raitr ohna Kopf gritten kumma, bõall hot mer des, bõall sell gsegn. A moll is nu a glehrtr Harr dorchgrittn, wies schou dunkl wũorn is, der sicht aff a moll on Weg zwai Bübl sitzn, die gonz muntr und lusti wuorn. Do drüba hot er sich nu tüchti verwunnert, und wall er nu docht hot, sie wärn as ran Dũorf in der Näh, hot r gsogt za ihna: »Mocht, dõaß r haam kummt, ihr Kinna, 's werd finstr, ihr findt sinst 'a Weg nimmã haam!« Etz hobn's o z'lachn gfangt und hobm na verspott't, su dõaßn fast uheimli z'Muth wũorn is. Wie er nu widdr a guts Stick grittn wũor, senn aff a moll die nämling zwai Bübl widdr on Weeg gsessn und hobm na auslocht. Dou hot er nu sein Gaul die Schporrn gebm und nimma agschaut, bis r as 'n Wõald draußn wor; denn er hot etz woll gmerkt, dõaß des net mit rechtn Dinga zugonga is und wos die zwai Bübl eigentlich gwesen senn.

173. Zeitelmoos.

Von August Kopisch.

»Geht hinein, ihr Kleinen, wärmet euch am Feuer,Am Abend ist's im Zeitelmoose nicht geheuer!« – Die Kleinen lachen. –

Und wie er weiter reitet von der Stelle,Wirft sich am Teich ein Mädchen in die kühle Welle ... Was will er machen?

Er springt ins Wasser nach, um sie zu retten; ...Ja, wenn ihn nur die Nixen nicht zum Narren hätten! – Die Nixen lachen.

Er tappt zurück zum Roß mit nassen Beinen,Da sitzen auf dem Rosse wiederum die Kleinen ... Was will er machen?

Er nimmt die Peitsch' und haut sie aber munter,Heupferdchen ähnlich springen sie von da herunter Und stehn und lachen.

Auf setzt er sich, doch Angstschweiß muß er schwitzen,Denn hinter sich fühlt wieder er die Kleinen sitzen ... Was will er machen?

Sie klammern sich oft fest an ihn und kneifen!Er kann sich die Spukgeister nicht vom Halse streifen: Sie aber lachen.

»Im Zeitelmoos ist's Abends nicht geheuer!«Zirpt Eines; – doch er sieht nun Hirten um ein Feuer ... Was will er machen?

Er traut sich nicht hin bis zum nächsten OrteUnd will herab, und gibt den Hirten gute Worte. – Die Kleinen lachen.

Nun möcht' er gern sie hauen mit dem Stecken,Sie aber flieh'n, indem sie mit den Zähnen blecken ... Was will er machen?

Die Hirten wollen ihn vom Pferde heben,Da dreht sich gar der Sattel um, er fällt daneben. Die Hirten lachen.

Er schilt sie aus, die Hirten schwinden beide,Er liegt im Moor, am Schimmern einer faulen Weide ... Was will er machen?

Auf springt er, schnallt den Sattel wieder feste,Steigt auf und peitscht: »Fortreiten,« ruft er, »ist das Beste!« Die Kleinen lachen.

Er kommt nicht fort, es ist ihm wie im Traume:Der Sattel sitzt am Rosse nicht, nein an dem Baume ... Was will er machen?

Aus allen Ecken ruft's: »Geh heim zum FeuerUnd wärme dich, im Zeitelmoos ist's nicht geheuer!« – Die Kleinen lachen.

Nun bleibt er sitzen. Die Laubfrösche quarren,Die Mücken stechen, Alles hat ihn da zum Narren ... Was will er machen?

Er sitzt und sitzt – auskräht der Hahn den Morgen,Da rufen sie: »Nun guter Mann bist du geborgen!« Und flieh'n und lachen.

Er geht zum Roß: es ist ihm wie im Traume,Sitzt auf und jagt aus dem verhexten Raume – Was will er machen?

Fortreitet er, es klingt ihm nach im Ohre,Er höret immer noch, und immer wie im Chore Die Kleinen lachen.

174. Der Weiher ohne Frösche.

Von L. Zapf. – Vgl. Ausf. Beschr. des Fichtelbergs S. 25.

Im großen Weissenstädter Weiher, der jetzt abgelassen und ausgefüllt ist, hat es keine Frösche gegeben; das ganze Jahr ließ sich keiner hören und warf man einen hinein, so suchte er herauszukommen oder starb sogleich. Das kommt nun daher. Als einstens der Pfarrer von Weissenstadt auf der Kanzel stand, schrieen die vielen Frösche in dem großen Weiher so stark, daß er dadurch beinahe in der Predigt irre gemacht worden wäre. Da kam er in einen solchen Zorn und Eifer, daß er alle Frösche im Weiher verfluchte, so daß sie auch wirklich alle sogleich stumm wurden und starben. Und von dieser Zeit an ist kein Frosch mehr darin zu vernehmen gewesen. Auch wird erzählt, der Pfarrer und die Einwohner hätten sich mit einem »Landstreicher« abgefunden, der für eine Summe Gelds alle Frösche aus dem Weiher verbannte.

175. Sagen vom Waldstein.

Mitgeth. von L. Zapf.

Vom Waldstein, der düstern Ruine des »rothen Schlosses«, wird viel erzählt. Manchmal soll droben das Glöcklein der alten eingefallenen Kapelle läuten, wer es aber läuten hört, dem zeigt es seinen Tod an. Von der Schüssel, der höchsten Felskuppe, hat sich einst ein Weib in die schauerliche Tiefe hinabgestürzt, um ihrem Leben ein Ende zu machen. Große Schätze liegen droben vergraben und noch heutigen Tages sucht und gräbt mancher arme Mann nach ihnen. Früher hat sich manchmal ein Männlein sehen lassen, das reichte dem Hirten oder Holzhauer, dem es begegnete, einen Stein oder sonstigen unscheinlichen Gegenstand.

Mancher warf ihn weg, mancher steckte ihn ein und nahm ihn mit nach Hause – dem ist er im Sack zu eitel Gold geworden.

176. Von den zwei Kaufleuten auf dem Waldstein.

Von L. Zapf. – Vgl. Beschr. des Fichtelbergs S. 82.

Als das »rothe Schloß« noch auf den riesigen Felsmassen thronte, ein dräuender Schrecken der Reisenden, da lagen auch einst in den Verließen zwei Kaufleute aus Nürnberg, die die Raubritter aufgegriffen hatten und wahrscheinlich nur gegen ein unerschwingliches Lösegeld freigeben wollten. Mit einem Male aber fanden diese Gelegenheit, die Flucht zu ergreifen, wie gesagt wird, mit Hilfe des Burgvogtes. Sie eilten den waldigen Berg herab und verfolgten die Richtung gegen Münchberg, hatten aber kaum den halben Weg zurückgelegt, als ihnen schon Hufschlag und die Stimmen ihrer Verfolger in die Ohren drangen. Eben hatten sie das Lehstenbächlein erreicht, das hier den Weg durchschneidet; von der Nähe der Gefahr gedrängt, sprangen sie in das rauschende Wasser und schmiegten sich unter das steinerne Brücklein, mit Zagen der Ankunft der Verfolger harrend. Und diese kamen heran, – in der Hast aber sprengten sie über die Brücke weg, auf der Straße weiter, weil sie die beiden Kaufleute immer noch vor sich glaubten. Fluchend über die entgangene Beute, kehrten sie endlich wieder und zogen abermals über die Brücke, ohne an eine Untersuchung derselben zu denken. Wie ihr Toben verhallt war, wagten die Beiden es endlich, hervorzukommen, und als sie den Weg sicher fanden, ihre Flucht fortzusetzen. Glücklich haben sie Münchberg erreicht, und als sie dann vollends außer Gefahr waren, machten sie ihre Leiden und wunderbare Rettung und das unehrliche, zügellose Thun und Treiben der Ritter von Sparneck offenkundig. Bald darauf legten die Feldschlangen des schwäbischen Bundes die trotzige Veste in Asche. Die Kaufleute aber haben eine Stiftung errichtet zur Unterhaltung der kleinen Brücke, die ihnen das Leben gerettet, und vor Kurzem noch war an einem Steine derselben eine darauf bezügliche Inschrift zu lesen.

177. Der Teifelstisch.

In der Mundart des Pulschnitz- und Saalthals erzählt von L. Zapf. Vgl. J.v. Plänckner Piniferus S. 136.

Vor villn Johrna hot a moll in Weisdorf a Feilnhauer galebt, des wor a Geisterbanner und wor weit a brat 'rimm bokannt. In der ganze Gegnd hot er sich säha losen, immer in zerlumpte Kladerna und mit ran Ränzla affm Buckel, und die Menschn und die Gschpenster hamm sich vor ihn gfertt.1 Worsch inran Haus net richtig, sa hamm a die Leut kumma losen, do is nocher der Geist gleich za Kreuz krochen und aff sein Wink in sei Ränzla nei gschlupft. Su hot er gar manning gfangt und zer Strof hot er scha alla affe Woldschtaa nauf verbannt, daß sa kann Menschn mehr plogn und queeln konnten. Daß ihna ober die Zeit in ihra Einsamkeit net long worn is, hot er ihna eisera Kartn gamacht, do hamm sa nocher za Nocht sich immran grusen schtanerna Tisch rimm gsetzt und sich die Zeit mit Kartenschpilln vertrieben. Nuch heunt haaßt mer denn na Teifelstisch und mer sicht auch die Löcher, die die eisern Kartn in Schtaa nei gadrückt hamm.

Fußnoten

1 gefürchtet.

178. s' Keesbrickla.

In derselben Mundart von L. Zapf.

Bo Mechlareith1 is a Brickla, des haaßts Keesbrickla. Do hamm a moll zwa Handwarksborsch vor an Haus gabettelt und hamm mit a nanner drei Keesquerkla kriegt. Wie sa nu gathalt hamm, hot jeder na drittn Kees gor fer sich hobm welln. Do hamm sa o za schtreitn gfangt und grod wie sa bon Brickla gawesn senn, hamm sa ihra Messer raus und oner hot na annern za gleicher Zeit daschtochen, su daß sa alla zwä tud affm Plotz gabliebm senn. Deßtwegn haaßts mersch heunt nuch as Keesbrickla.

Fußnoten

1 Mechlenreuth.

179. Der Feilenhauer von Weißdorf.

Im Fichtelgebirge. – K. Zapf Wanderungen S. 34.

Zu Weißdorf wohnte vor Zeiten ein Mann, welcher in seiner Jugend das Feilenhauen erlernt hatte, später aber dieses Geschäft aufgab, und sich dem Geisterbannen widmete. Zu seiner Zeit waren die Gespenstererscheinungen an der Tagesordnung; kaum hatte Jemand, der nicht sonderlich gut angeschrieben stand, die Augen im Tode geschlossen, so war ein Wiederkommen so gut als entschieden. Noch vor dem Begräbnißtage fing in seinem Hause ein Poltergeist an zu rumoren, der ganze Ortschaften in Bewegung setzte und jede Nacht eine andere Albernheit anrichtete. Wer nun genöthiget war, in dergleichen Nothfällen einen Helfersmann aufzusuchen, der nahm seine Zuflucht zu dem alten Feilenhauer. Dieser, ein langer, hagerer Mann, mit zerlumpten Kleidern und einen Ranzensack auf dem Rücken, zog von Ort zu Ort und leistete Hülfe. Sobald er irgendwo eintrat, wußte auch Jedermann, was seine Gegenwart zu bedeuten habe. Dann war der Feilenhauer ein Gegenstand der allgemeinen Aufmerksamkeit, und die Schenke, wo er einzukehren pflegte, wurde an jenem Tage häufiger besucht. Gefürchtet war er von Jungen und Alten. Noch mehr aber, als die Menschen, hatten die Poltergeister vor dem Manne Respekt. Der ungestümste Dämon kam auf einen Wink des Feilenhauers demüthig herbei und kroch in den vorgehaltenen Ranzensack. Das gewöhnliche Schicksal der eingefangenen Gäste bestand darin, daß sie nach Waldstein verbannt wurden, um in dieser furchtbaren Einsamkeit Ordnung und Eingezogenheit zu lernen. Dort standen sie unter strenger Mannszucht. Wer von ihnen sich eines Vergehens schuldig machte, wurde exemplarisch bestraft. Doch um einigermassen die ewige Langeweile, der die Gefangenen anheimgefallen waren, zu mildern, erlaubte ihnen der Feilenhauer das Kartenspiel und verfertigte dazu selbst die eisernen Karten. Der einem Tische ähnliche Stein im Burghofe zu Waldstein, war der Platz, wo die Geistergesellschaft diesem Zeitvertreibe huldigte; die Spuren der eisernen Kartenblätter kann man auf demselben noch jetzt erkennen.

180. Die Feuerglocke zu Hof.

Von Bernhard Görwitz.

Zu Hof wollt' ein Meister auf Ehrhard's Wiesen Eine schöne, klangreiche Glocke gießen, Die weit und breit mit dem ehernen Mund Verkünde die heilige Gottesstund'; – D'rum trugen die Nachbarn mit gläubigem Sinn Manch' Stücklein Goldes und Silber hin, Und warfen es in die Glockenspeis

Zum heller'n Klang, zu Gottes Preis! – Und doch – so geschickt auch der Meister war, Das Werk mißrieth ihm ganz und gar. – Und zum zweiten Mal wagt' er in Gottes Namen Den köstlichen Guß mit Gebet und Amen, Und zum zweiten Mal war die Hoffnung verloren, Und ein Mißding von einer Glocke geboren! – D'rauf goß der Meister in Zornes Wuth Zum dritten Mal die metallene Fluth In's Teufels Namen in die Form, Und die Glock' gerieth nach Regel und Norm. – Doch als sie erprobt ward, da tönt' ihr Klang Wie Ingrimm und höllischer Hohngesang, Und wecket, statt Andacht, Schrecken und Grau'n, Kein frommer Sinn konnt' ihrem Klang vertrau'n; Solch' schrecklicher Ruf für ein Gotteshaus Schloß jegliche gläubige Seele aus! – D'rum hing man die falsche hoch auf den Thurm Als Unglücksprophetin bei Feuer und Sturm, Und so oft sie ertönt in Nacht und Graus, Lacht der Teufel in ihr den Meister aus! –

181. Der lange Becher.

Von B. Görwitz.

Am Markte zu Hof war seit etlichen TagenEin wunderbarlicher Brief angeschlagen,D'rinn stund: »Ihr Wohlehrbaren, GetreuenVon Hof, hört mich, es soll Euch nicht reuen,Ich komme zum künftigen Sonntag MittagIn Euere Stadt, und will gemachMich als Gast an Euerer Großmuth ergötzenUnd meine durstige Kehle letzen;D'rum stellet in jeglichem Fenster droben,Das sich bis zum ersten Gaden (Stock) erhoben,Eine Kandel kräftig Gebräu heraus,Ich geh' dann vorbei, und trink' sie aus!«

Die wackeren Nachbarn befolgten sofortDie seltsame Vorschrift Wort für Wort. –Der Tag und die Mittagsstunde war da,Und richtig – noch ehe man sich's versah',

Kam ein schlanker Gesell die Straße daher, –Einen solchen Riesen gab's nicht mehr! –Er schaute bei'm hellen SonnenscheinZum ersten Gaden gerad hinein,Und brachte die Kandeln bequem sich zum Mund,Und leert' sie der Reihe nach bis auf den Grund,Und that das noch einmal und abermals wiederDie Straße wandelnd auf und nieder;

D'rauf rückt' er sein Hütlein, und mit BehagenSpaziert er noch über zween Fuhrmannswagen,Dann ließ er den Höfern in Gruß und BlickDes »langen Zechers« Verheißung zurück.

Man hat noch die Läng' vom sothanen RiesenDurch ein Zeichen im Mittelgäßlein erwiesen;Auch treibt man das Zechen noch jetzund ins Weite,Geht's nicht in die Länge, so geht's in die Breite! –

182. Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof.

Widmann Höfer Chronik bei Grimm d.S. I., 243.

Vor diesem Sterben (der Pest zu Hof 1519) hat sich bei Nacht ein großer, schwarzer, langer Mann in der Mordgasse sehen lassen, welcher mit seinen ausgebreiteten Schenkeln die zwei Seiten der Gassen betreten und mit dem Kopf hoch über die Häuser gereicht hat; welchen meine Ahnfrau Walburga Widmännin, da sie einen Abend durch gedachte Gasse gehen müssen, selbst gesehen, daß er den einen Fuß bei der Einfurt des Wirthshauses, den andern gegenüber auf der andern Seite bei dem großen Haus gehabt. Als sie aber vor Schrecken nicht gewußt, ob sie zurück oder fortgehen sollen, hat sie es in Gottes Namen gewagt, ein Kreuz vor sich gemacht, und ist mitten durch die Gasse und also zwischen seinen Beinen hindurch gegangen, weil sie ohne das besorgen müssen, solch Gespenst möchte ihr nacheilen. Da sie kaum hindurch gekommen, schlägt das Gespenst seine beiden Beine hinter ihr so hart zusammen, daß sich ein solch groß Geprassel erhebet, als wann die Häuser der ganzen Mordgasse einfielen. Es folgte darauf die große Pest und fing das Sterben in der Mordgasse am ersten an.

183. Wie ein Hirtenknabe wohlfeile Zeit macht.

Nach B. Görwitz Sagenschatz v. Oberfr. S. 47.

Um das Jahr 1694 kam eine große Theuerung in's Land. Reiche Leute mehrten ihren Reichthum durch Wucher, die Armen geriethen in großes Elend. Da lebte unweit von Rosenbühl ein frommer Hirtenknabe; dem erschien, als er eines Tages seine Heerde weidete, ein Engel mit einem Kreuzlein in der Hand, zum Zeichen, daß er ein guter Geist seie, und von Gott gesandt. Dieser verkündigte dem Knaben, daß über die reichen Wucherer, wofern sie nicht schleunigst Buße thäten, schreckliche Krankheit und Noth kommen würde. Das erzählte der Knabe aller Orten. Die Wucherer schrieen: das sei Teufelstrug, und fuhren fort, die armen Leute zu bedrücken. Da geschah es um Johanni, daß der Engel dem Hirtenknaben zum drittenmale erschien, als dieser seine Schafe auf der Trift weidete. »Gieb mir ein Stücklein Brod!« sagte er zu dem Knaben. Allein der Knabe litt selber Noth und hatte nichts mehr, als ein trocken Rindlein, für selben Tag seinen Hunger zu stillen. Das theilte er gutherzig mit. Da nahm es der Engel aus der Hand des Knaben und sprach: »Gottes Segen wird sein über diesem Brode, ich will hingehen und es vertheilen auf allen Wegen.« Und siehe, von Stund' an bewährte sich das Wort und der Hunger verschwand und es kam wohlfeile Zeit, also daß die Leute glaubten, die Gestalt sei eines Engels gewesen.

184. Das Zwergloch bei Marlesreuth.

Ausf. Beschreib. des Fichtelbergs, S. 93. Grimm d.S. I., 42. C.v. Falkenstein Buch der Kaisersagen S. 96. Mündlich von L. Zapf.

Zwischen Selbitz und Marlesreuth (bei Naila) befindet sich im Wald eine Felsenhöhle. Man heißt sie das Zwergloch. Hier unterm Felsen wohnten vor mehr als hundert Jahren Zwerge, die mit den Bewohnern der Ortschaft Naila Verkehr hatten. Zwei redliche und glaubwürdige Männer aus Marlesreuth, Albert Neffel und Hans Kohmann, welche daselbst in hohem Alter in den Jahren 1679 und 80 starben, haben darüber dem Pfarrer Hedler zu Selbitz den 15. Juli 1654 folgenden Bericht abgestattet. Des Kohmanns Großvater fuhr einst mit zwei Pferden auf seinen Acker in der Nähe des Zwerglochs. Sein Weib hatte ihm zum Frühstück ein neugebackenes Brod zugebracht, es in ein Tuch gewickelt an den Rain gelegt, und war nach Gras auf die Wiese gegangen. Da kommt in einer Weile ein Zwergweiblein und bittet den Ackersmann, ihm das Brod zu geben, das ihrige läge noch im Ofen, die hungrigen Kinder aber könnten nicht abwarten, bis es fertig wäre, Mittags wollte sie's richtig zurückerstatten. Der alte Kohmann hat dem Weiblein das Brod herzlich gern hingegeben. Mittags kommt darauf die Zwergin wieder und bringt einen noch warmen Kuchen auf sehr weißem Tuche, reicht ihn jenem mit Dank und sagt, er möge das Brod nehmen und ohne Scheu genießen, ihr Tüchlein aber liegen lassen, da sie es selbst abholen würde. Dieß ist auch geschehen. Und das Weiblein hat hinzugefügt, nun müßten sie bald scheiden und ihren bequemen Sitz hier verlassen, denn es würden so viel Hammerwerke in der Gegend aufgerichtet, die sie beunruhigten; auch vertreibe sie das viele Schwören und Fluchen der Menschen umher, gleich wie die Sabbatsentheiligung, wo die Hausväter vor der Frühsonntagskirche auf's Feld gingen und die Früchte beschauten, welches doch sündlich wäre. An einem Sonntage sind einmal etliche junge Marlesreuther Bauern mit Lichtern in die Zwergenwohnung, bald aufrecht, bald gebückt, eingedrungen und nach langem Gehen endlich auf einen geräumigen Platz in viereckiger Form und zierlich mit Felsen ausgearbeitet, gelangt. Nach allen Seiten hin haben sie viele kleine Thüren und Kämmerlein gefunden und zum Theil besehen. Da ist ihnen aber ein Grausen angekommen, sie haben den Rückweg wieder gesucht, und sind Alle einige Tage unwohl gewesen.

185. Die Gräfin Beatrix von Orlamünde, oder die weiße Frau auf der Plassenburg.

Die Literatur der Sage bei Falkenstein Nordg. Alterth. III., 151. Grimm d.S. II., 376; Stadelmann Archiv. f. Oberfr. I., 116. Die ältesten Erzähler: Lucä uralter Grafensaal S. 373; Brusch chron. mon. Germ. p. 133, Rentsch Cedernhayn S. 318. Neuerdings: J.v. Minutoli die weiße Frau. Berlin 1850. Hier nur die Sage der Plassenburg; was Neuhaus, Berlin etc. angehört, s. bei Minutoli. Grimm a.a.O. u. Hormayr Taschenb. 1830, S. 441.

Beatrix, des Grafen Otto von Orlamünde ehelich Gemahel, eine geborne Herzogin von Meran, verlor frühzeitig ihren Herrn. Sie war aber von ungemeiner Schönheit und wohnte zu Plassenburg mit ihren Waisen, einem Knäblein und einem Mägdlein, beide unter zwei Jahren. Wie nun der Wittwe seltene Schönheit dem jungen Burggrafen Albrechten zu Nürnberg behagte, also erklärte einstmals derselbe seine keusche Liebe, vorgebend, wann nicht vier Augen im Wege stünden, wollte er mit dieser Wittwe zu Plassenburg eine Heirath anschlagen. Sogleich hinterbrachten dieses Wort des Burggrafen der Gräfin zu Plassenburg die heimlichen Ohrenbläser. Weil nun solches ihren Ohren schmeichelte, auch ihren Lüsten wohlgefiel, gedachte sie darauf, wie sie die Kinder aus dem Weg räumen möchte. Und damit es das Ansehen hätte, als wären sie an einer heftigen Krankheit gestorben und schnellen Todes verfahren, so durchstach sie den Wirbel auf dem Haupte beider mit einer Nadel und tödtete also ihre leibliche Kinder. Etliche wissen, die Gräfin sei eine Tochter des Landgrafen Ulrich von Leuchtenberg gewesen und habe sich 1321 mit dem Grafen Otto von Orlamünde verheirathet. Auch wird sie bald Agnes, bald Kunigunde geheißen.

Die Leichname der ermordeten Kinder seien in dem nahen Cisterzienser-Nonnenkloster Himmelkron beigesetzt worden. Die Gräfin selbst habe in einem Kerker zu Hof Buße gethan, oder sei, wie sich noch heutiges Tages die Leute der Gegend erzählen, als Büßerin auf bloßen Knieen von Plassenburg bis nach Himmelkron gerückt.

186. Die weiße Frau.

Von L. Zapf.

Die Gräfin Orlamünde Wallt nächtlich durch das Schloß, Und große Schlüsselbünde Umklirren ihr den Schoß.

Sie läßt sie rasselnd fallen Droht Unheil ihrem Haus, Daß durch die stillen Hallen Es mächtig dröhnt und graus.

Sie kann nicht Ruhe finden Die Kindesmörderin, Sie muß die Hände winden Und wandeln her und hin;

Die alten, öden Zimmer Durchrauschen allezeit Um Mitternacht, und nimmer Wird sie davon befreit.

Sie schreitet in den Gängen Im weißen Bauschgewand, In stummer Trauer hängen Die Ahnen an der Wand.

Sie blicken starr hernieder, Gespenstisch auf ihr Leid, Wenn durch das Dunkel wieder Aufschimmert hell ihr Kleid.

So büßend ihre Sünde Wallt durch den weiten Bau Die Gräfin Orlamünde, Die blut'ge weiße Frau.

187. Die Gräfin von Orlamünde.

Von August Nodnagel.

Von des Schlosses hohem Söller Schaut die Gräfin in das Thal; Auf dem Schlosse ruht die Zither, Sieh! da sprengt ein stolzer Ritter Her im Abendsonnenstrahl.

Albrecht war's, genannt der Schöne, Nürnbergs hochberühmter Graf, Der die Städter zwang zu weichen Und mit scharfen Schwertesstreichen Jeden kecken Gegner traf.

Freundlich blickt er auf zum Schlosse Und sein Helmbusch flattert weit; Denn er grüßt mit Flammenblicken Liebe fordert sein Entzücken, Erster Wonne Seligkeit.

Zum Vasallen tritt die Gräfin: »Hayder, sattle flugs dein Roß! Beut dem Grafen Hand und Minne, Ob ich ihn zum Herrn gewinne Und zum Lohne nimm dies Schloß!«

Wie der Bot' auch fliegt von dannen, Träg enteilt ihr doch die Zeit. Sieh! da springen in das Zimmer Ihre Kinder, lieb wie immer Voller schelm'scher Fröhlichkeit.

Wollt' ihr einen Vater haben, Herzgeliebte Kinder mein? – »Vater ging zu Gottes Freuden, Wo die Wolkenlämmer weiden, Spielt er mit den Engelein.«

Hayder kommt zurück und kündet, Was betrübt der Ritter sprach: »Laßt, o Herrin dies Beginnen, Nimmer darf Euch Albert minnen, Eh' der Tod vier Augen brach!«

Weh! sie starrt just auf die Kinder Und durchschnitten zuckt ihr Herz. Der verschmähten Liebe Plagen Kann die Stolze nicht ertragen Und zur Wuth wächst an der Schmerz.

Mit der Flamme in dem Busen Wandelt sie drei Tage hin – Hört nur in den eignen Hallen Spott und Hohngelächter schallen, Kann sich selbst nicht mehr entfliehn.

»Hayder – fleht sie dumpfen Tones – Fördre meine Ungeduld; Morde die verhaßten Kleinen,

Sie, nur sie kann Albrecht meinen Und ich trage jede Schuld!«

Hayder lockt die beiden Kleinen In's Gebüsch mit Spiel und Scherz; Dort am Weiher, ohn' Erbarmen Packt die Eisenfaust die Armen, Zuckt den Dolch auf's zarte Herz.

Ach, das Mägdlein fleht zum Mörder, Thränen in dem Angesicht: »Lieber Hayder laß uns leben, Will dir Orlamünda geben –« Doch das rührt den Buben nicht.

Auch das Knäblein ringt die Hände: »Lieber Hayder schone mich, Kriegst dann meinen Helm, den neuen, Traun! es wird dich nicht gereuen, Mutter selbst belohne dich!«

Doch sie fallen – da verwirrt Gottes Zorn des Mörders Sinn; Und er kommt mit wildem Tritte, Schleudert in der Diener Mitte Seinen Dolch der Gräfin hin.

»Kennst du wohl das Blut der Kinder, Das der Wolf im Forste leckt? Die dort, wo die Birken neigen Haselbusch mit schlanken Zweigen Wehmuth zitternd nun bedeckt?« –

Albrecht kam in's nahe Kloster: »Heilige Väter, tröstet mich, Dieser Mord, davon in Tagen Später Zeit man noch wird sagen, Ward begangen – weh! um mich!

Agnes liebt' ich wie mein Leben, Höher stand mein Gott mir nur; Aber treue Kindespflichten Wollt' ich dennoch stets verrichten, Bis mich löset die Natur.

Vater lebt mir noch und Mutter, Dennoch bin ich nun allein. – Ach ihr Männer! heil'gen Lebens Nimmer schloßt ihr euch vergebens Vor dem tiefen Elend ein!«

Und im Kloster ruhn die Leichen Arm in Arm, wie man sie fand. Agnes war seit jenen Stunden Aus der Heimathflur verschwunden Pilgernd in's gelobte Land.

188. Volkslied von der Herzogin von Orlamünde.

Waldenfels antiqq. sell. I. XII. p. 465. Wunderhorn II., 232.

Albert Graf von Nürnberg spricht: »Herzogin ich liebe nicht;

Bin ein Kind von achtzehn Jahren Und im Lieben unerfahren,

Würde dich zum Weib ich nehmen, Doch vier Augen mich beschämen;

Wenn nicht hier vier Augen wären, Die das Herze mein beschweren.«

Orlamündens Herzogin Spricht zu sich in ihrem Sinn:

»Wittwe bin ich schön vor allen, Aller Fürsten Wohlgefallen;

Wenn nicht hier vier Augen wären, Würde seine Lieb' mich ehren.

Kinder ihr vom schlechten Mann, Der mich hielt im strengen Bann.

Weil ihr meine Land ererbet Wenn ihr nicht unmündig sterbet.«

Also Oel in Flammen wüthet, Das statt Wasser aufgeschüttet.

Also deutet sie die Rede Auf zwei eigen Kinder schnöde,

Die im Saal zum Spiel abzählen Unter sich den Engel wählen.

»Engel, Bengel, laß mich leben Ich will dir den Vogel geben.«

Nadeln aus dem Wittibschleier Zieht sie, daß er falle freier,

Zu dem wilden Hager spricht: »Nimm die Nadeln und verricht,

Schwarzer Hager, du mein Freier Fürchtest nicht den schwarzen Schleier,

Fürchtest du nicht auch vier Augen, Die zum Zusehn auch nicht taugen,

Setz' dich mit zu ihren Spielen, Daß sie keine Schmerzen fühlen,

Daß die Wunden niemals sprechen, Mußt du in das Hirn sie stechen.«

Herkules zum Hager spricht, Eh' der ihm das Hirn einsticht:

»Lieber Hager, laß mich leben, Will dir Orlamünde geben1,

Auch die Plassenburg, die neue, Und es soll mich nicht gereuen.«

Herula zum Hager spricht, Eh' er ihr das Hirn einsticht:

»Lieber Hager, laß mich leben, Will dir meine Docken geben,

Engel, Bengel, laß mich leben, Will dir meinen Vogel geben.«

Hager sich als Mörder nennt, Eh' er sich das Hirn einrennt.

»Gott, ach Gott, wo werd' ich ruhen, Höre schon den Vogel rufen,

Gott, ach Gott, wo soll ich fliehen, Sehe schon den Vogel ziehen.«

Albert spricht zur Herzogin, »Das war nicht der Rede Sinn,

Meinte unsre eignen Augen, Wie wir nicht zusammentaugen.«

Beide Kinder unverweset Liegen noch im Marmorsarge, Als wär' heut der Mord gewesen,

Recht zum Trotze allen Argen.

Fußnoten

1 Var: Will dir Norden und Nisden geben.

189. Marienweiher.

J.A. Eisenmann, geograph. Beschreibung des Erzbisthums Bamberg. S. 443.

Vor Zeiten war die Gegend um Marienweiher mit dichten Wäldern bedeckt, und an der Straße, welche durch dieselbe von Franken nach Sachsen führte, standen in verschiedenen Entfernungen von einander sogenannte Nothwirthshäuser. Im zwölften Jahrhunderte befuhr einmal auch ein sächsischer Fuhrmann, welcher ein Marienbild in Franken hatte fertigen lassen, um solches mit nach Hause zu bringen, die Straße, und nahm in dem Wirthshause an diesem Orte, damals Vordersee genannt, sein Nachtquartier. In derselben Nacht wurde das Haus von Räubern überfallen; der Fuhrmann aber mit seiner ganzen Habe entkam glücklich den gierigen Händen der Räuber. Aus Dankbarkeit gegen Gott und Maria, welche er in dieser großen Gefahr um Hülfe angefleht hatte, ließ er hierauf das mitgeführte Marienbild an dem nämlichen Orte aufrichten und eine Kapelle von Holz darüber bauen; auch soll er sich daselbst später, nachdem er seine Güter in Sachsen verkauft hatte, angesiedelt haben. Bald wurde diese Kapelle von Pilgern und andern Andächtigen, nah und fern, häufig besucht. Als dieselbe, aus nicht benannter Ursache, in Brand gerieth, warfen die dortigen Bewohner, deren Zahl inzwischen sich sehr vermehrt hatte, das Bild, um es vor den Flammen zu retten, in den nahen Weiher: entdeckten aber an demselben, als sie es wieder herauszogen, eine Beschädigung in dessen Gesichte neben der Nase, welche jetzt noch zu sehen ist. Nachher wurde daselbst eine große Kirche von Stein, wahrscheinlich vom Bischofe Otto II. erbaut und darinnen das berühmte Marienbild, dessen Verehrung je länger desto mehr sich verbreitete, aufgestellt.

190. Der Geist zu Lichtenfels.

J. Heller, in: Das Königreich Bayern in seinen Schönheiten III., 20. L. Braunfels die Mainufer S. 87.

Noch sieht man im Städchen Lichtenfels die Mauerreste einiger Burgen, in welchen es, der Volkssage nach, nicht geheuer ist; denn es geht dort der Geist des edlen Fräuleins Podica von Schaumberg um, welche vor Kummer starb, als ihr Bräutigam aus der Fehde bei Scheßlitz nicht wieder zurückkehrte. Nun hört man nächtlicher Weile ihr leises Rufen: »Kömmt mein Kunimund noch nicht?« Und so lange muß das Fräulein rufen und auf Erlösung warten, bis ihr eine barmherzige Stimme antwortet: »Längst fiel dein Kunimund bei Scheßlitz.« Warum ihr bis heute Niemand den Liebesdienst erwiesen, verschweigt die Sage.

191. Alberada zu Banz.

Von Franz Schmidt. – Henrici origg. Banz. ap. Ludewig script. Bamb. II., 48. Brusch chron. mon. Germ. p. 52 u. 281.

Frau Alberade herrscht im weiten Banzagau,Was Itz und Main umfluthet, war treu der schönen Frau,Es wiegte sich ein Knäblein auf ihrem Mutterschoos,Es herzte sie ein Mägdlein mit kindlichem Gekos.Wer ist mir gleich an Ehren, und wer mir gleich an Glück?

Sprach stolz die hohe Gräfin, berufend ihr Geschick.Es drehte seinen Kreisel der Junker auf dem Eis,Des Maines Spiegeldecke gab ihn den Wellen Preis.Und Fräulein Judith blickte zur nahen Burg so gern,Die sich zum Raubhorst thürmte dem Katzenburger Herrn.Sie brach die ersten Veilchen im Forst vor Stegelitz –Und vor der Mutter Augen raubt' sie der kecke Fritz.Da riß die Gräfin bebend den Handschuh von der HandUnd rief: »Dir ew'ge Fehde, du feiger Weiberfant!Kannst meinen Arm du höhnen, sollst du die Zunge flieh'n.So lang sie lallt im Munde, soll sie dir Flüche sprüh'n«1.Sie weihte Banz zum Kloster und sich zur Nonne ein;Und ihre Flüche sollten fortan nicht kraftlos sein:Es war Herrn Friedrichs Töchtern der Tugend Glanz versagt,Und seine Söhne wurden der Raubsucht angeklagt.

Fußnoten

1 Der Handschuh soll in der Luft verschwunden sein.

192. Alberada's Born.

Aldeberade, still und fromm, Kehrte zurück vom heil'gen Rom – Ihr Gatte, weil mit Muth und Lieb' Er treu dem Kaiser Heinrich blieb, War jüngst in Gregor's Bann gestorben. Sie hatt' beim Papst als Gnad' erworben, Daß ehrenvoll, in Bamberg's Dom, Die Leich' zu sel'ger Ruhe komm'.

Mit ihren Dienern fest und treu Betrat das Maingau sie auf's Neu. Da in Gebirg und dichtem Wald Verirrten sich die Pilger bald – Verschwunden war der heit're Main, Rings schloß sie rauhe Wildniß ein – Die Eule schwirrte durch die Zweige – Hier modert' die gesunk'ne Eiche, Die morsche Tann' sank mit Gekrach, Kein Lichtstrahl drang durch's wald'ge Dach, Die Rosse konnten nicht mehr weiter – Der Wildniß ließen sie die Reiter. Jäh ging es nun hinab im Lauf, Dann wieder still den Berg hinauf, Müd' auf die forstumzog'ne Haide Kam die Verirrte und's Geleite.

Da sank der jüngste Knappe nieder

Und schloß die matten Augenlider: »Ich muß verschmachten!« seufzt er leise, Und gleiche Klag' ertönt im Kreise: »Wenn nicht ein Labetrunk uns rettet, So werden wir in's Grab gebettet Hier in der Wildniß schauerlich – O Herr und Gott, erbarme dich!«

Die Gräfin kniet hin zum Gebet Und brünstig zu dem Herrn sie fleht: »Du Ewiger, deß starke Hand Uns schirmte in dem fernen Land, Uns über's Alpeneis geleitet, Im Schneesturm Hülfe uns bereitet, O laß, so nah' der Heimath Höh'n, Mich und die Meinen nicht vergeh'n! Ich weiß, dein Vaterauge sieht Auf uns, die hier der Tod umzieht, Du leitest auf dem Lebenspfade, Dein ist die Macht, doch auch die Gnade! Du, der von Moses kahlen Felsen Sich Wasserfluthen hieß entwälzen, Kannst diesem Boden kahl und trocken Die Rettungsquelle auch entlocken!«

Sie richtet voll Vertrau'n sich auf, Ihr Stab berührt des Sandes Hauf' – Rasch quillt hervor ein Wasserstrahl Und plätschert über's Moos in's Thal.

Sie und die Ihrigen erquickt Der Trunk, den Himmelsgnade schickt, Sie füllen die verdorrten Flaschen, Ihr Schleichen wird zum muntern, raschen, Belebten Gang und bald und leicht Ist froh der gelbe Main erreicht, Und herrlich liegt das Stammschloß Banz Hoch in der Abendsonne Glanz.

Das Brünnlein aber rauschte fort, Belebend sanft den wilden Ort. Die Gräfin faßte es in Stein, Führt' nach ihm Wege durch den Hain Und bald ward es durch's ganze Land Aldeberada's Born genannt.

193. Das Irrglöcklein von Seßlach.

Von Fr. Rückert.

Der Tag verlischt, es senket grausend Die Nacht vom schwarzen Himmel sich,

Und Nebelwinde streichen sausend Durch Waldesgründe schauerlich; Das Fräulein irrt mit bangem Schweigen Allein auf ungebahnten Steigen.

Sie schreckt das Rauschen jedes Blattes, Sie schreckt des eignen Fußes Tritt; Es leuchtet aus der Luft kein mattes, Kein bleiches Sternlein ihrem Schritt; Sie irrt mit jedem neuen Schritte Nur tiefer nach des Waldes Mitte.

Da drehet sich vor ihren Blicken, Im leichten Tanz am schwarzen Moor, Sie mit Verderben zu bestricken, Der Waldesgeister reges Chor; Sie lassen düstre Flammen glühen, Um täuschend sie hinabzuziehen.

Sie scheinen Lichter niedrer Hütten, Sie scheinen fern, und sind ihr nah; Sie treibt sich an mit schnellern Schritten, Sie fliegt hinzu, schon ist sie da; Schon ist sie da! und freudig sehen Die Argen sie am Abgrund stehen.

Schon will sie in die Tiefe gleiten, Da ruft sie's an aus tiefem Wald; Ihr ist, als wenn ein fernes Läuten Ihr rückwärts in die Ohren schallt; Sie wendet sich halb froh, halb bange, Und horcht dem wunderbaren Klange.

Und vor dem Klang in Luft zerflogen Sind alle Flämmlein fort im Nu; Sie wandelt mächtig angezogen Dem wunderbaren Klange zu; Er führt sie weit auf Weg und Stegen, Und endlich aus des Walds Gehegen.

Und dämmern siehet sie die Häuser Des Weilers aus der Ferne schon; Da klingt es leis' und immer leiser, Und gar verklungen ist der Ton; Schnell mit andächtiger Geberde Senkt betend sie das Knie zur Erde.

Sie weinet frommen Dankes Thränen, Ihr Haupt verhüllend in's Gewand, Den Rettern, die mit leisen Tönen Sie riefen von des Todes Rand;

Dann will sie freudig aufwärts schauen, Und sieht den Tag im Osten grauen.

Und sieht mit rothbestrahlten Zinnen Auf fernem Berg ihr hohes Schloß; Sie rafft sich auf, und eilt von hinnen In ihres bangen Vaters Schooß. Mit Staunen aus der Tochter Munde Hört er die wundervolle Kunde.

Dann baut er auf derselben Stelle, Allwo sein Kind sich wiederfand, Ein kleines Thürmlein und Kapelle, Mit Schieferdach und Mörtelwand; Und in des Thurmes höchstem Stocke Hängt hellen Klanges eine Glocke.

Und bei des Abends ersten Sternen Schlägt hoch im Thurm das Glöcklein an, Durchhallt des Waldes weite Fernen, Und ruft den irren Wandersmann; Er folgt getrost mit sichern Schritten Dem Rufe zu des Weilers Hütten.

Das Glöcklein hängt in der Kapelle Dreihundert Jahr und drüber schon, Und immer klingt es klar und helle, Und immer heller wird sein Ton. Es heißt, zu seiner Stiftung Kunde, Irrglöcklein bis auf diese Stunde.

194. Die lichten Steine.

L. Bechstein S. 200.

Inmitten des Steinschuttes der Burgruine Lichtenstein erheben sich hochragend zwei Felsenblöcke über dem Boden, und es geht die Sage, daß dieselben seit undenklichen Zeiten in dieser Stellung gestanden, nämlich einer dicht über dem andern gelehnt und geneigt, ohne daß einer den andern berührt, und so dem Lichte zwischen sich freie Bahn lassend. Davon soll nun auch der Namen der Lichtensteiner, sowie ihr Wappen herrühren, welches zwei weiße gezackte Steine im rothen Felde, deren Spitzen sich nicht berühren, zeigt. Man sagt, so lange diese Steine ständen, werde das Geschlecht nicht gänzlich erlöschen, und so lange sei der alten Burg Wiederaufbau zu hoffen. Noch ist auch das Geschlecht der Freiherren von Lichtenstein nicht erloschen; doch gingen die meisten der ehemaligen Besitzungen in fremde Hände über, und viele wurden Eigenthum der Grafen von Ortenburg, Rotenhan u.A.

195. Das Schneidersloch.

Die vor. Schrift S. 201.

Im Bereich der Burgtrümmer von Lichtenstein befindet sich eine in Stein gehauene Felshöhle, die wird das Schneidersloch genannt. Wildes Gestrüpp bedeckte die Oeffnung, und sie konnte mit einem Steinblock verschlossen werden. Im Innern erblickt man eine Vertiefung am

Boden, wie eine Feuerstätte, und eine Art Futteral eingemeiselt, für eine Scheere. Hier soll sich, so geht die Sage, zur Ritterzeit ein keckes Schneiderlein verhalten haben, das lauerte den Knappen auf, wenn sie einzeln mit Beute beladen, in die Burg heimzogen, und erschoß sie tückisch und meuchlings, worauf es dann herausfiel und die Gefällten beraubte. Dieses Wesen trieb das Schneiderlein lange Zeit, bis endlich seine Unthaten an das Licht kamen, da ist es mit feurigen Scheeren und glühenden Nadeln zu Tode gemartert worden.

196. Die Fickmühle1.

Die vor. Schrift S. 202.

Auf einer Felsenspitze in der Nähe der Burgruine Lichtenstein soll eine sogenannte Fickmühle eingegraben sein. Dort spielte einst der Teufel mit einem Ritter. Gewann der Ritter, so mußte ihm der Teufel eine lange Reihe von Jahren dienstbar sein, ohne Lohn, gewann der Teufel, so war des Ritters Seele sein eigen, ohne daß er demselben zu dienen brauchte. Man weiß nicht, wer das Spiel gewonnen hat. Andre sagen, hier habe Gustav Adolph mit seinen Generalen um Dukaten gespielt, und diese aus einem noch zu sehenden ausgehöhlten Loch, das man das Dukatenloch nennt, genommen.

Fußnoten

1 Anderorts Zwickmühle, das bekannte Bretspiel, vom alten Ficca, hin- und herfahren.

197. Wüstung Erbrechtshausen.

Die vor. Schrift S. 189.

Ueberm Schloß Königsberg gegen Morgen, wo man nach Bramberg und Ebern geht, zwischen dem Sperbersheig und Roßberg, einem Walde, liegt einsam in der ebenen Feldflur ein Schafhof und über ihm öde Kapellentrümmer. In dieses Hofes Nähe stand einst ein Dorf, dessen Namen er fortpflanzt: Erbrechtshausen, welches nach der Umwohner Sage versunken ist. Noch steht ohnweit des Hofes die Dorflinde neben einem Brünnlein, und die Kapelle hieß St. Jakobskapelle und hat zum Dorfe Erbrechtshausen gehört. Noch nicht lange ist's her, daß man nahe der Kapelle mehrere alte Leichensteine liegen sah, doch mit unlesbarer Schrift. Es soll dort nicht richtig und geheuer, und bisweilen in gewissen stillen Mondnächten das Dorf Erbrechtshausen wieder so, wie es vordem gestanden, auf der Oberfläche zu sehen sein. Dann steht auch die St. Jakobskapelle in ihrer alten Gestalt wieder da, und man sieht Schaaren von gespenstigen Männern und Frauen in dieselbe zum Gottesdienst eilen.

198. Die Altensteiner.

Von M. Joh. Episkopius. – Altenstein Burgruine beim Markt Altenstein Ldgr. Ebern. – Nach Fries, Gropp, Brusch in F.N. Wolf. Beschreib. d. Burgruinen und Schlösser d. Ldgr. Eltmann I., 48. F. Hohn bei Gottschalk V., 105.

Eyring von Reinstein vom Adel gut Zum Bischof man erwehlen thut, Da nach der Geburt Christi man schrieb Zwölf 100 Jahr und 50 blieb.

Dieser wohl 16 ganze Jahr Im bischöflichen Amt auch war, Er hat aber gräulich auferlegt,

Wie man den ungehorsamen pflegt, Würzburg und Rotenburg den Städten Hat große Geldbuß, sie's kaum hätten.

Dieser ohn' all' Mittel war, Ein grausamer Tyrann führwahr, Er konnt auch seine Tyrannei Treiben ohn all Furcht und Scheu, Weil damals im Reich, wie man ließt, Kein Haupt noch Kaiser gewesen ist.

Auch die von Altenstein das seyn Gnug innen worden ingemein, Ihr 12 aus ihren Geschlecht er hat Heimlich erwürgt an einer Statt, Welches sich also zutrug, nun hör, Hernach nicht unrecht judicir.

Als Eyring einsmals auf ihr Schloß (Nach Altenstein genennt wird das) Da zwischen ihnen viel Hader war, Kam, und sie hett vertragen gar, Auch alls nun war in vergessen gstellt, Bischof Eyring selbst böslich hält.

Dann als er war von ihnen tractirt Aufs beste, wie sich dann gebührt, Und ihm war alle Ehr erzeigt, Sondern er thät wider alle Lehr Freundlicher Wirtschaft, schwecht die sehr, Auch wider seine Ehr und Treu, Die er ihnen hat gelobet frey.

Da ward das Abendmahl vollendt, Einen jeden fordert er behend Insonderheit in sein Gemach, Als wollt er mit ihnen halten Sprach, Sobald aber einer zu ihm kam, Ließ er denselben stracks halten an Und niederhauen ohne Gnad. Noch heutig's Tags weißt man die Statt Im schönen adelichen Hauß, Welches vor der Burg gebaut ist heraus.

Also geschah den eilfen all, Der zwölfte aber merkt diesen Fall. Herdegen mit nahm, der ein Ritter war, Der wehrt sich fleisig der Gefahr, Den Bischof er in Winkel trieb, Und ihm im Grimm die Naß abhieb, Er mußt aber sobald gleichwohl

Herhalten als die andern all. Und wurden die zwölf entleibte Herrn Von Altenstein mit großen trauren Gen Lankheim in das Kloster geführt, Allda begraben, wie sich's gebührt.

Wär nicht gewesen in Frankenland Einer diß Geschlecht Seyfried genannt, So war der ganze Stamm fürwahr In einer Stund vertilget gar.

Es starb aber Bischoff Eyering, Als Rudolph noch nicht allerding Zum Kaiserthum bestättigt war, Welchs ledig stand 17 Jahr, Als nach des Herrn Christi Geburt Tausend 266 gezehlet wurd.

199. Der Haß im Grabe.

Von Franz Schmidt.

Man sagt, der Tod versühne Der Herzen alten Groll, Doch sucht man über Gräbern Auch noch der Rache Zoll. Einst wollte man versenken Des Herrn von Reinstein Sarg Nächst einem Domherrngrabe, Das einen Steiner barg. Da hat von Stein Herr Endres In altem Haß gemeint, Sein Bruder könne schlafen Nicht bei des Hauses Feind. Man hat gelegt Herrn Heinrich An einen fernen Ort,

Als ob auch über'm Grabe Der Zwist noch wuchre fort. Eiring von Reinstein pflanzte So gift'gen Haders Kraut, Dem Edle elf vom Steine Sich blindlings anvertraut. Mit sanftem Hirtenstabe Stieg er zum Altenstein, Um den entzweiten Brüdern Ein Friedenshort zu sein. Er hat sie wohl vereinet, Denn er erschlug sie all: Ein Grab im Kloster Langheim Zeugt von der Brüder Fall.

200. Der alte Fuhrmann.

Von L. Braunfels. – Auf einer Anhöhe bei Baunach liegt die Magdalenenkapelle, 1473 von dem Fuhrmann Ueberkum (Victor) zu seiner Begräbnißstätte gestiftet. – Gropp Wirtzb. Chronik I., 191.

»So manches Jahr ist's, daß ich zog Mit dem Gespann thalein, thalaus; Nur wo ich Luft der Alpen sog, Im fremden Land war ich zu Haus. Nun sind die Pferde blind und matt; Krank lieg ich auf der Lagerstatt.

O daß mich bindet Todes Band In enger Heimath, zwiefach Weh! O läg' ich hoch an Bergeswand, Bestattet im Lawinenschnee, Daß meine Seel' aus leichter Gruft Vernähm' den Gruß der Alpenluft.

Wenn still mein Herz, mein Körper kalt, Lad' ihn, mein Knecht, dem Wagen auf; Spann vor die Rosse, blind und alt, Laß ihren Hufen freien Lauf: Und wo sie ruh'n, da sei dir's recht; Da grab' mich ein, du treuer Knecht.«

Des alten Fuhrmanns Herze brach, Hat von den Alpen ausgeträumt. Und was der Alte sterbend sprach, Der treue Knecht hat's nicht versäumt; Es zieh'n die Rosse, blind und matt, Den todten Herrn zur Ruhestatt.

Durch Wald und Flur sie schleichen sacht, Bis zu dem Berg, der einsam steht: Da ist die alte Kraft erwacht; Hinauf geht's, wie vom Sturm geweht, Da hält hoch oben das Gespann; Da gräbt ein Grab der treue Mann.

Wo still nun die Kapelle ragt, Vom Athem des Gebirgs umkreist, Wenn's durch die Nächte klingt und klagt, Das ist des Alten trüber Geist; Das ist von ferner Alpenluft Der Gruß in eines Wandrers Gruft.

201. Der Dombau zu Bamberg.

Von August Kopisch. – Pomarius p. 185. Münster cosmogr. l. III. bei Grimm d.S. II., 175.

Beim Dombau zu Bamberg ging es zu langsam her,Da betete Frau Baba, auf daß es anders wär'!

Nun schenkt' ihr Gott ein Wunder. Damit war's so bestellt:Sie bracht an jedem Abend eine große Schüssel Geld.

Die setzt' sie an die Pforte und jeder Werkmann nahmSich selber seine Löhnung, wie er vorüber kam.

Doch mehr als er verdiente, konnt' er nicht nehmen dort,Und wollt' er mehr sich langen, so rollt' es wieder fort.

Den Fleißigen schmeckt es süße, wie lauter Honigseim,Gewaltig griffen die Faulen, doch brachten sie wenig heim.

Da wurden sie endlich wacker: nun bauten sie den Chor,Nun setzten sie Stein auf Stein da, nun stieg der Dom empor!

Es blieb Frau Baba's Schüssel fast bis zur Hälfte voll,Tagtäglich war sie leichter, nun ging es, wie es soll!

Tagtäglich blieb ein Groschen, nun war's der rechte Zug!Am Groschen war zu merken, es hab' ein Jeder g'nug.

Frau Baba sprach: »Das Wunder ist Bild vom Himmelreich:Da gibt es keinen Faulen, da schafft ein Jeder gleich;

Was Gott sie heißt vollbringen die Engel in schnellem Flug,Und wessen Jeder werth ist, deß hat ein Jeder genug.«

202. Die Schale der heiligen Kunigund.

Hoffmann ann. Bamb. p. 47.

Im Dom zu Bamberg befindet sich das Grab des heiligen Paares Heinrich und Kunigunde. Ein Bildwerk dieses Grabmales zeigt die Kaiserin, wie sie die Bauleute der Stephanskirche bezahlt. Es war nämlich unter den Werkleuten ein bösartiger, unzufriedener Mann, der bestahl den Schaffner des Baues beim Ausbezahlen, so daß die bestimmte Summe niemals zureichen wollte. Man konnte dem Diebe lange nicht auf die Spur kommen. Da begab sich die heilige Kunigundis eines Tages selbst unter die Werkleute, und hielt eine Schale dar, aus welcher sich jeder seinen Pfennig nahm. Auch der Dieb griff in die Schale, nahm aber, wie früher, unvermerkt mehrere Pfennige. Kaum hatte er sie ergriffen, als ihm die Hände entsetzlich brannten, so daß er heulend davonlief, und als er nach Hause kam, nur noch Einen Pfennig in der Hand hatte.

203. Der Hahn im Dom zu Bamberg.

Berthold, Geschichte von Rügen und Pommern I., 230. bei Nork Mythol. d. Volkssagen S. 568.

Im Dom zu Bamberg befindet sich ein Hahn, von dessen Bedeutung man sich Folgendes erzählt: Die alten Pommern verehrten den Hahn. Dieß benutzte der Bischof Otto, als er zu ihrer Bekehrung auszog. Denn indem er in einen silbernen Arm die Gebeine des heiligen Veit einfassen, und an demselben zugleich das Bild eines Hahns anbringen ließ, bewirkte er, daß die heidnischen Pommern, weil sie vor dem Hahne niederfielen, zugleich den Reliquien des Heiligen Verehrung erwiesen. Dieses letztere geschah zwar unwissend von ihnen, aber sie

wurden dadurch doch der gnadenreichen Einwirkung der heiligen Gebeine theilhaftig, und um desto leichter waren sie zum Christenthum zu bekehren.

204. Domkröten zu Bamberg.

C.v. Falkenstein S. 105. Bericht des hist. Ver. zu Bamberg 1840. S. 16. L. Braunfels Mainufer, S. 118.

Am Eingang des Doms zu Bamberg liegen zwei große steinerne Thiere, welche der Sage nach Kröten sind. Das Volk erzählt, zur Zeit des Dombaues habe der Teufel aus besonderem Neid über den Fortgang des christlichen Werkes zwei Thiere geschickt, halb Kröten, halb Löwen, welche zur Nachtszeit den Bau untergruben und beinahe zum Einsturze brachten. Wie man der teuflischen Thiere Herr geworden, verschweigt die Sage.

205. Adalbert von Babenberg.

Von Schöppner. – Liutprand II. c. 3. Lambert. Schafn. ad. a. 907. Otto Frising. VI., 15. Marian. Scot. ad a. 908. u.A. bei Falkenstein Nordg. Alterth. II., 272. Ayrers Reimchronik, Bamberg 1838 S. 19.

Dem Babenberger dräuet umsonst des Königs Schwert,Auf seiner Veste spottet des Feindes Adalbert;Herr Konrad, Ludwigs Bruder, erlag des Grafen Arm,Der König fordert Rache mit seiner Mannen Schwarm.

Doch stark auf seinem Schlosse, ein Aar im Felsennest,Hält sich der Babenberger mit seinen Mannen fest;Da sinnen Ludwigs Schranzen auf einen schlauen Rat,Der Mainzer Bischof Hatto erfand die schnöde That.

Als Friedensherold wandelt in's Schloß der fromme MannUnd trägt dem Babenberger die Huld des Königs an:»Kommt mit mir, edler Ritter! versucht der Gnade Glück,Ich führ' euch schlimmen Falles auf eure Burg zurück.«

Der Ritter treu und bieder vertraut dem falschen Mann,Sie gehn, doch halben Weges der Erzbischof begann:»Das Fasten mag beschwerlich bis zu dem Lager sein,Beliebt es euch, so nehmen wir erst ein Frühstück ein.«

»Ihr ehret mich, Herr Bischof,« versetzt der Graf darauf,»Begebt ihr Euch zum Imbiß auf meine Burg hinauf.«So kehren sie noch einmal auf Babenberg zurück,Nicht ahnt der edle Ritter sein trauriges Geschick,

Sie gehn zum zweiten Male, gelabt mit Speis und Trank,Ach! edler Babenberger, es ist dein letzter Gang!Kaum tritt er in das Lager, da hält man sein Gericht,Der König ihm das Urteil des Hochverrates spricht.

Und wie der Graf den Bischof des schnöden Truges schilt,Entgegnet dieser höhnend: »Ich hab' mein Wort erfüllt,Ich führt' zurück euch wieder!« – Der Mainzer sprach's und lacht.So ward der Babenberger darauf zum Tod gebracht.

206. Die Feuerprobe der heiligen Kunigund.

Nach Lohengrin Nr. 754 u. Pomarius S. 181 bei Grimm d.S. II., 174. Ludewig script. Bamb. I., 346. Cranz Saxon. l. IV., c. 32 Hoffmann p. 52.

Kaiser Heinrich II. und Kunigund, die blieben beide unbefleckt bis an ihren Tod. Der Teufel wollte sie da unehren, daß sie der Kaiser zieh von eines Herzogen wegen, mit dem sollte sie in Ungebühr stehen. Die Fraue bot dafür ihr Recht, dazu kam manich Bischöfe und Fürsten. Da wurden sieben glühende Eisenschaaren gelegt, die sollte die Fraue treten. Sie hub auf ihre Hände zu Gott und sprach: »Gott, du weißt wohl allein meine Unschuld; ledige mich von dieser Noth, als du thätest der guten Susanne von der ungerechten Bezeugniß!« Sie trat die Schaar kecklich und sprach: »sieh Kaiser, so schuldig ich deiner bin, bin ich aller Männer.« Da ward die Fraue gereinigt mit großen Ehren. Der König fiel ihr zu Füßen und die Herren alle.

207. Der Gang nach dem Kalkofen.

Sage von der Gertraudenkapelle zu Bamberg. – N. Haas Geschichte der Pfarrei St. Martin zu Bamberg S. 93. Vgl. Schillers Gang zum Eisenhammer.

Es war ein Edelknabe der Kaiserin, welchen man des sträflichen Umgangs mit ihr verdächtigt hatte. Diesen befahl der Kaiser im Kalkofen jenseits des Maines zu verbrennen. Also gab man den Arbeitern die Weisung, den Ersten, welcher kommen und fragen würde, ob des Kaisers Befehl vollzogen, ohne Weiteres zu ergreifen und in den Kalkofen zu werfen. Diesen Befehl bewirkte ein gottloser Kämmerling Kunigundens, indem er den unschuldigen Edelknaben beim Kaiser verläumdete. Als nun der Jüngling, das Gebot seines Herrn zu vollziehen, des Weges nach dem Kalkofen wandelte, kam er an der Kapelle der heiligen Gertraud vorüber, wo der Priester so eben das h. Meßopfer verrichtete. Da gedachte der Edelknabe frommen Sinnes, dem h. Opfer beizuwohnen und sodann seinen Gang nach dem Kalkofen fortzusetzen. Unterdessen war auch der Kämmerling herausgegangen, Nachfrage zu thun, ob des Kaisers Gebot vollzogen. Da ergriffen ihn die Knechte und warfen ihn in die Glut des Ofens. Gott hatte gerichtet. Der Kaiser erkannte seinen Irrthum und dankte Gott, daß er der Unschuld Zeugniß gegeben.

208. Der Truppacher Fluch.

Truppach Dorf, Ldg. Baireuth, mit dem Stammschlosse der von Truppach. – J. Heller Muggendorf S. 200.

Ein Truppacher soll es gewesen sein, welcher als Kämmerling der heiligen Kaiserin Kunigundis, diese bei ihrem Gemahl des Ehebruchs bezüchtigte. Sie mußte, um ihre Unschuld zu beweisen, sich der Feuerprobe durch das Gehen auf glühenden Pflugschaaren unterwerfen. Nachdem sie dieses gethan, soll sie dem Truppacher geflucht haben, daß seines Geschlechtes nie über drei auf einmal den Harnisch tragen würden. Und so geschah es; denn über 600 Jahre von jener Zeit an sollen nie vier Truppacher den Harnisch getragen haben.

209. Bamberger Wage.

Von K. Simrock. – Manlii loci comm. coll. p. 46. Vita S. Henrici ap. Ludewig I., 307. Hoffmann p. 70. Grimm deutsche Sagen I., 382. Hormayr Taschenb. 1838, S. 144.

Zu Bamberg auf des Kaisers Grab, Der einst der Welt gebot, Der ihr Gesetz und Rechte gab Und hielt bis in den Tod, Ein Denkmal hat man ihm geweiht, Das Denkmal ist von Stein –

Da thronet hoch Gerechtigkeit, Die soll auch steinern sein.

Die Wage hält sie in der Hand Und so geziemt's der Frau, Und gleiches Recht ertheilt dem Land Und allem Volk genau. Nur eins befremdet euch zu seh'n, Daß, wie sich deutlich zeigt, Die Zunge, statt gradein zu steh'n Sich einer Seite neigt.

Und eine alte Sage spricht, So hat man mich belehrt, Verbürgen kann ich's freilich nicht, Doch scheint's bemerkenswerth: Wenn einst der Wage Züngelein Sich mitten inne stellt, Das soll ein sich'res Zeichen sein Vom Untergang der Welt.

Drum glaubt nicht, was Propheten lang, Schon in die Welt posaunt, Es ist zum nahen Untergang Die Welt noch nicht gelaunt. Posaunen Jericho's, der Schall Euch viel zu früh entquillt: Ihr seht ja, daß noch überall Bamberger Wage gilt.

210. Bamberger Wage.

Von K.F.G. Wetzel.

Zu Bamberg in dem Dome Ruht Kaiser Heinrich wohl, Der Zweite dieses Namens, Den Jeder deutschen Samens Mit Recht hochhalten soll.

Auf seinem Grab gehauen Steht die Gerechtigkeit, Zu ihrer Hand die Wage; Davon geht eine Sage Aus grauer Väterzeit.

Das Zünglein an der Wage Nicht ganz die Mitte hält; Wann's aber gleich wird stehen, Wird man anbrechen sehen Das Ende dieser Welt.

In Walserland bei Salzburg Ein wilder Birnbaum ist, Ganz ausgedorrt zu schauen, Der, einmal umgehauen, Frisch immer wieder sprießt.

Wenn er zum vierten Male Ausschlägt und Früchte trägt, Wird sein in Walserfelden Wohl eine Schlacht der Helden, So all' die Bösen schlägt.

Dann herrschen die Gerechten Auf Erden eine Zeit Noch vor dem jüngsten Tage, Bis ihnen steht die Wage Ew'ger Gerechtigkeit.

211. Die Jungfrau an der Fürstenthüre des Domes zu Bamberg.

Mündlich.

Der Wärter am Jakobsthore zu Bamberg hatte eine Tochter von großer Schönheit. Da fanden sich lüsterne Herren, das Mägdlein zu verführen; sie widerstand aber allen Einflüsterungen und bewahrte ihre Unschuld. Das verdroß den Satan, und er brachte es dahin, daß die reine bei ihrem Vater sündigen Wandels angeklagt wurde. Der Vater glaubte den falschen Aussagen und ließ sein eignes Kind zum Tode verurteilen. Als sie nun hinausgeführt wurde und auf dem letzten Gange an der Fürstenthüre des Domes die auferlegte Buße verrichten sollte, warf sie sich auf die Kniee und rief zur heiligen Jungfrau: sie wolle gern in den Tod gehen, nur möge die Schmach der Hinrichtung von ihr genommen werden. Und siehe, als sie das Wort gesprochen, fällt ein Ziegel vom Dach mit großer Gewalt und schlägt die flehende todt. Alles Volk erkannte die Unschuld der Tochter, und zum Angedenken wurden zwei Bildsäulen: der heiligen Jungfrau und des Mägdleins – dieses fünf Ziegel in der Hand – an der Fürstenthüre des Domes aufgestellt1.

Fußnoten

1 Fünf Gesetztafeln, als Anspielung auf die 10 Gebote. So weiß das Volk zu deuten nach seiner Art.

212. Der Meßner zu Bamberg.

Von Philipp Will.

Der Meßner Jobst zu Bamberg ward Gar gern geseh'n bei frohem Schmause: Ihn lockte mehr der Zecher Art, Als frommer Dienst im Gotteshause.

Und wenn des Nachts bei vollem Glas Die heiße Wang' ihm thät' erglühen Bei Wein und Minnesold, vergaß Er leicht des Tages heil'ge Mühen.

So war er einst vom Weine spät Nach Mitternacht zur Ruh gegangen, Und ohn' ein frommes Nachtgebet Hat ihn der Schlummer bald umfangen.

Und hohl, wie aus dem Grabe tönt Ein Pochen in des Domes Raume. So dumpfen Tones nicht gewöhnt, Erwachte Jobst aus schwerem Traume.

Und eilt voll Angst der Kirche zu, Späht' rings im Tempel gar verdrossen, Was ihn gestört aus süßer Ruh' Ob wohl ein Beter eingeschlossen.

Er schaute nichts, doch plötzlich stieß Sein Fuß an eines Grabmals Kante, Das prunklos diese Inschrift wies, Die nicht des Frommen Namen nannte:

»Es leuchte hier ein ew'ges Licht Zu meines Namens Angedenken, Und täglich sei's des Meßners Pflicht, Die Lampe frisch mit Oel zu tränken.«

»Schlaf' still in deinem dunklen Haus, Dir leuchten Gottes Sterne alle.« So rief der Meßner frevelnd aus, Eilt brummend aus des Tempels Halle.

Still war's. Der freche Spötter schlief. Doch horch'! Welch' schaurig Grabespochen Jobst wieder aus dem Schlafe rief, Daß ihm begann das Blut zu kochen.

»So schweige doch, du todter Mann! Was willst du mir die Ruhe stehlen? Nicht zünd' ich dir die Lampe an, Bis du mich suchst in meinen Pfählen.«

Es klirrt – erzittre Bösewicht! – Es öffnet sich des Zimmers Thüre. Da steht der Geist. »Riefst du mir nicht? Nun folge mir, wie ich dich führe.«

Zum Dome rauscht es hin im Flug, Das Thor geht auf, der Geist bleibt stehen Am Grab. »Nun Jobst die Hand zum Krug, Und thue jetzt, was nicht geschehen!«

Der Meßner that nach dem Geheiß; Der Geist versank in Grabesstille, Jobst aber fror das Blut zu Eis, Geschehen war des Frevlers Wille.

Siehst du im Dom den Beter knie'n? Jobst ist's, der Küster, frommergeben. Der Herr hat ihm die Schuld verzieh'n, Er führt ein bußgeweihtes Leben.

213. Ursprung der Kirche zum heiligen Grab in Bamberg.

Eigentlicher Ursprung und Herkommen des Jungfrauen-Klosters zum h. Grab. Bamberg 1786, S. 14. Hoffmann l.l.p. 187. N. Haas, Gesch. Der Pfarrei St. Martin, S. 152. A. Haupt, Bamberger Legenden u. Sagen, S. 167.

Vor Zeiten, als noch »fahrende Schüler« singend das Land durchzogen, kam auch ein Häuflein derselben im Jahre 1314 nach Bamberg. Sie nahmen nahe der Pfarrkirche St. Martin Herberge, sangen und spielten; es war acht Tag nach Petri und Pauli. Da verlor ein gewisser Simon all' sein Geld und seine Kleidung. Seine Genossen verstießen ihn nun, und er nahm im Badehaus hinter St. Martin seinen Aufenthalt. Am Tage hatte er in einer silbernen Büchse das Allerheiligste zu einem Kranken tragen sehen. Hätte ich diese Büchse, dachte er, ich wollte damit aus allen Schulden und Nöthen kommen. Der Gedanke wurde zur That. Begleitet von dem Teufel in Gestalt eines Badeknechts gelangte er durch ein Fenster in die Kirche, band den Kirchner fest, welcher wachte, erbrach das Sakrarium, und bemächtigte sich der kostbaren Büchse. Es waren heilige Hostien darin. Ihr Anblick machte ihm unheimlich und bange. Nach kurzem Zaudern legte er die Hostien auf einem Kornacker nieder. Zur Unterlage hatte er rothen Sendel genommen. Er nahm mit dem silbernen Raube die Flucht nach Forchheim. Dort ergriffen gestand er sein Unrecht, und wurde zu Bamberg zum Tode verurtheilt, durch die Straßen geschleift und gerichtet. Er starb voll Reue. Der Vorfall setzte die ganze Stadt in Bewegung. Die Mägde des Custos bei St. Gangolph hatten im Vorübergehen die Hostien entdeckt. Sie eilten, die Sache ihrem Herrn, dieser dem Pfarrer bei St. Martin zu hinterbringen. Der begab sich an den bezeichneten Ort; nahend mit Ehrerbietung wollte er wiederholt das Heiligthum erheben, aber eine geheime Kraft lähmte seine Arme. So kam der Bischof Wulfing in feierlichem Zuge, begleitet von der Geistlichkeit und allem Volke der Stadt, und erhob das Sakrament. Kranke und Lahme, welche dem Zuge sich angeschlossen oder sich nachtragen ließen, erhielten ihre Genesung. An demselben Orte, wo der Gekreuzigte, wie dort zu Jerusalem im Grabe, hier auf der Erde ruhte, wurde nun eine Kirche erbaut und zum heiligen Grabe genannt. Anfangs umzäunte man nur den Ort. Der Custos erbaute, unterstützt von dem Bürger Tausendschön, die erste kleine Kapelle, woraus nachmals die Kirche zum heiligen Grabe hervorgegangen.

214. Der Fürstenstreit.

Von Andreas Haupt.

Herr Wigand von Redwitz, ein fröhlicher Herr, Saß schmunzelnd und lachend bei'm Becher,Er möchte wohl einen Gesellen mehr, Der alte lustige Zecher.Er hatte in Bamberg zwei Gäste zumal,Die beschied er zu sich in den prunkenden Saal.

Das waren der Herr von Wittenberg,1

Und der Fürst von Würzburg am Maine.Der eine ein kleiner und harmloser Zwerg, Der and're ein Riese bei'm Weine.Es kamen die beiden, der eine zum Scherz,Der and're zu laben am Weine das Herz.

Sie waren vergnügt bei'm Würfelspiel, Und sprachen vom Fürst und vom Reiche,Sie spielten zur Kurzweil, und wagten nicht viel, Und leerten manch' perlende Neige,Und wer 'ne Niete nach Hause trug,Mußt' leeren den Becher auf Einen Zug.

»Ja, ja,« hebt jener von Wittenberg an, »Ihr Herrn, das muß ich Euch sagenUnd daß es wahr ist, da setz' ich daran So viel, als Ihr beide mögt wagen.Im Reiche ist manches höchst seltene Ding:Doch acht' ich das Alles mit Recht gering.

Denn wollt Ihr von Allem das Seltenste seh'n – Mein, sag' ich mit Stolz, ist es eigen –So müßt Ihr, Ihr Herrn, nach Wittenberg geh'n, Dort will ich das Kleinod Euch zeigen.Und seid Ihr nun wohl bei gesundem Verstand,So schaut Ihr in anderm nur nichtigen Tand.«

»Ei doch,« hebt der Würzburger an und spricht, »Das könnte ich nimmer verwinden,Wenn bloß in Wittenberg, weiter nicht, Ein Kleinod wäre zu finden.Da kommt Ihr nach Würzburg, da zeig' ich Euch wohl,Wo man das Kleinod suchen soll.«

»Ihr Gäste,« versetzt der Bamberger d'rauf, Und lächelt nach stillem Begrüßen,»Ihr Gäste, Ihr müßt schon den Main gar herauf, Gen Bambergs grünende Wiesen.Hier ist Euch das Seltenste gleich zur Hand,Ihr findet's nur Einmal im deutschen Land.«

»Nun denn,« so stimmen selbdritt sie an, »Laßt seh'n, wer das Seltenste zeige.Und daß sich der andere, Mann für Mann Vor dem Eigner des Seltensten neige.Und soll ihm verehren, so sei der Bund,Ein Stückfaß, voll bis zum zischenden Spund.«

Und der Wittenberger beginnet sogleich, Und spricht mit ernstem Behagen;»Ihr Herrn, im ganzen deutschen Reich

Von den frühesten, ältesten Tagen,Hat nie noch ein Mann solch Glück gehabt,Und hat sich so innig und rein gelabt.

Denn seht, mein Volk ist bieder und treu Hängt an mir mit heiligem Lieben,Und bis auf heute so frisch und so neu Ist dies Gefühl ihm geblieben.Und ging ich hinaus in Waldesnacht,Ich würde von tausend Augen bewacht.

Und macht' ich die Rund' durch des Landes Plan, Und träfe an einsamer StätteEin Bäuerlein, dem ich Unrecht gethan, Und sagte: ›Dein Schoos sei mein Bette,‹So schlief ich so ruhig, so sicher und kühl,Als ständen zehn Wächter um meinen Pfühl.«

So sprach er mit inniger Herrscherlust; »Ihr Herrn, nun wollet entscheiden;«Und warf sich stolz und so frei in die Brust, Wohl bist du, mein Fürst, zu beneiden.Da nahm der Würzburger d'rauf das Wort,Und fuhr dermassen zu prunken fort:

»Das ist wohl schön, doch das Seltenste nicht, Das ist noch, und war schon gewesen;So könnt Ihr, wenn Euch die Neugier sticht, Wohl oft in der Chronika lesen,Und glaubt nur, mein volkgeliebter Mann,Daß kecklich der Würzburger auch das kann.

Doch sehet, es gibt was Seltneres noch, Das stehet bei Würzburg am Maine;Wie, freundliche Herren, ei sagt mir doch, Habt Ihr nichts noch gehöret vom Steine?Vom Steine bei Würzburg, der gibt mir im JahrAcht Fuder voll Weines, perlend und klar.

Denn solch ein Stein wohl das Seltenste ist, Das jemals die Erde gezeuget;D'rum wohl bedacht, was ihr thun jetzt müßt, Ihr Herrn, Euch gehörig verneiget.Das Volk in der Wüste hatt' auch 'nen Stein;Doch gab er nur Wasser statt goldenen Wein.«

So sprach der von Würzburg; der Bamberger jetzt Streicht lächelnd den Bart sich und trinket,Und als er vom Zuge abgesetzt, Da verläßt er den Sessel und winket:»Ihr Herrn, nur gemach, so lang man denkt

Das Beste ward immer zuletzt geschenkt.

Ihr Wittenberger habt schon Eu'r Theil, Das hat Euch mein Nachbar gereichet,Bei Euch, Würzburger, hat's auch nicht Eil', Daß man sich verbeuget und neiget,Eu'r Steinlein ist doch nur ein winziger ZwergGen den Riesen, den edlen Johannesberg.

Doch wollt Ihr seh'n in den deutschen Gau'n, So Selt'nes, als nie Ihr gewähnet,So müßt Ihr den Garten in Bamberg schau'n, Der hoch auf der Brücke sich dehnet;Und zeigt Ihr mir das an der Elbe, am Rhein,So soll mein Stückfaß verloren sein.«

»Auf der Brück' ein Garten? – Das ist fürwahr Ein Werk, so selten erkühnet!Und was noch seltner – das ganze Jahr Der Garten blühet und grünet;Und kommt Ihr im Winter, und kommt Ihr im Mai,Dem Gärtner ist's immer einerlei.«

Das Pärchen schüttelt das Haupt und schweigt, Den Garten müssen sie schauen.Und als sie die obere Brücke erreicht – Kaum konnten den Augen sie trauen –Vom Brückenkopf an bis zur Rathhaus-Thür,Da grünte der Garten für und für.

Von der Thür bis zum anderen Brückenkopf Zeigt Alles ein fröhlich Gedeihen,Da blühten die Rosen, die Nelken im Topf, Da lagen in zierlichen ReihenDer Spargel, das Süßholz, das Kraut und der Kohl,Sie lächelten zwar, doch bemerken sie's wohl.

Und drückten dem Fürsten die wackere Hand, Die mild dem Drucke begegnet,Wohl war kein einzig deutsches Land An Früchten so reichlich gesegnet.Und lächelten heiter, und schlugen ein:»Dein, Bamberger, soll das Stückfaß sein.«

Fußnoten

1 In der Ballade: »Der reichste Fürst«: Würtemberg.

215. Der Schäfer von Haid.

Mündlich.

Am Ufer des Maines erglänzet ein schönes Kirchlein zu Ehren der Muttergottes. Wie das erbaut worden, erzählet die Sage. Es war ein heißer Sommertag, da ruhte ein Schäfer bei seinen Schafen unter dem Schatten eines Baumes, der hatte einen schönen Traum, denn es war ihm, als sähe er einen lichten Engel zu ihm niederschweben. Der Engel aber sprach: Geh' hinauf auf jenen Berg, dort liegen Steine, davon fülle deine Hirtentasche siebenmal und trage sie zu dieser Stelle, alsdann hast du Steine genug, um eine Kirche zu bauen. Das klang dem Hirten seltsam in die Ohren, dennoch machte er sich auf, bestieg den Berg und trug siebenmal seine Hirtentasche voll Steine an die Stelle, wo ihm der Engel im Traume erschienen war. Als er nun damit fertig war, ging er hin, Maurer und Werkleute zu holen. Wie diese kamen und das winzige Häuflein kleiner Steine erblickten, schlugen sie ein helles Gelächter auf. Aber das währte nicht lange, denn ehe sie sich's versahen, waren die Steinchen große Steine und Quadern geworden, auch wollte der Haufen Steine, als sie zu bauen anfingen, gar nicht abnehmen, so daß eine ganze Kirche mit sammt dem Thurme davon erbaut werden konnte. Und als nun das Kirchlein fertig stand und die Glocken hell erklangen, zogen die frommen Waller von weit und breit zur Mutter des Herrn nach Maria-Haid.

216. Des Bischofs Jagd.

Von Ludwig Braunfels. – Die Volkssage liebt es, schalkhaft zu werden, vorab in Deutung der Ortsnamen. Hoffmann ann. Bamb. p. 19. Spruner Handb. für Mainreisende S. 39. L. Braunfels Mainufer S. 158. Franken von G.v. Heeringen S. 74.

'S war in der guten alten Zeit; Der Bischof und sein Jagdgeleit, Die thäten mal auf's Pirschen gehn. Er sprach: »Heut muß was Rechts geschehn! Mir schwant's fürwahr, daß diese Jagd Noch unsern Enkeln baß beklagt.«

Nun treibt der Bischof im Revier Ein Häslein auf, ein zartes Thier; Doch schnell entspringt's in's Uferfeld, »Ach, Has' fort!« seufzt der fromme Held. Zum Denkmal für dies große Wort Das Städtlein Haßfurt baut' er dort.

Und wie er schier den Muth verlor, Da blicken plötzlich halb hervor Zwei Hasenlöffel hinter'm Kraut, »Ha, der is!« ruft der Bischof laut. Zum Denkmal für dies große Wort Das Kloster Theres baut' er dort.

Der Has vergoß sein junges Blut. Da sprach der Bischof wohlgemuth: »Auf Pirschen bürsten, heißt der Reim; Drum, habt ihr Jäger Durst, geht heim!« Zum Denkmal für dies große Wort Das Dörflein Gädheim baut' er dort.

O Vorzeit, die in Stein und Erz Verkörpert fürstlich frommen Scherz! Wo Stadt und Dorf und Kloster flugs Aus der Geschichte Boden wuchs! O Zeit, wir weckten dich so gern; Doch ach! du schläfst den Schlaf des Herrn.

217. Der wandelnde Prior.

Von F.J. Freiholz.

In Ebrachs Klosterhallen Geht oft ein Geist umher Im Grab zwar darf er liegen, Doch ruhen nimmermehr.

Er war in Ebrach Prior, Doch hielt er nichts aus Pflicht, Drum darf er nimmer sterben, Bis zu dem Weltgericht.

So oft ein ander Schicksal Dem Kloster steht bevor, Steigt er zur Geisterstunde Aus seinem Sarg empor.

Er geht durch alle Säle Bis hin zum Gotteshaus, Dort spricht er dann mit Beben Die Unglücksmähre aus.

Und weithin in die Runde Hört jedermann den Geist Der Kloster Ebrach Unglück Und Mißgeschick verheißt.

Zweimal ist er erschienen, Kömmt er zum drittenmal, Dann droht dem alten Kloster Wohl gänzlicher Verfall.

Und stürzen Ebrach's Mauern In Trümmer und in Graus, Dann darf er ruhig liegen In seinem Bretterhaus.

Doch sterben darf er nimmer, Wenn Alles auch zerbricht, Sein Geist darf nicht vom Leibe, Ob der verletzten Pflicht.

218. Vom Götzen Lollus in Franken.

Falkenstein Thuring. Chronik I., K. 4.

Am Main, in der Gegend, wo nach der Zeit Schweinfurt erbaut worden, wurde zur Zeit des Heidenthums ein Götze verehrt, der Lollus hieß. Sein Bild war von Erz, einem Jünglinge gleichend. Auf dem Haupte trug er ein krauses, gelbes Haar. Um den Hals über die Brust herunter, hieng ein Kranz von Mag- oder Mohnsaamenköpfen. Mit der rechten Hand griff er nach dem Munde, und faßte mit dem Daumen und Zeigefinger die Zunge; mit der linken aber hielt er einen Becher Wein, in welchem Kornähren lagen. Er war ganz nackend und hatte um den Leib einen Schurz. Das Bildniß stand in einem nächst dem Main gelegenen Hain, der mit einem Zaun umgeben, wo ihm das Volk zu gewissen Zeiten Trauben und Kornähren zu opfern pflegte. Ein Strich Landes wird noch heutigen Tages das »Löhle« oder »Lölle« genannt.

219. Die Jungfrauen der Petersstirn.

L. Bechstein, die Sagen des Rhöngeb. und des Grabfeldes S. 156. Hänle u. Spruner Handb. für Mainreisende S. 51.

Das Jungfrauenkloster auf der Petersstirn wurde später in ein Mönchskloster verwandelt und 1283, als es schon ganz verfallen war, an den Deutschherrenorden abgetreten, der ein Ordenshaus daraus machte. Auf dem Berge, wo das Kloster stand, der jetzt ganz mit Rebenpflanzungen überdeckt ist, soll ein großer Schatz vergraben liegen. Viele haben schon zu verschiedener Zeit und Stunde drei Jungfrauen in schneeweißen Kleidern auf diesen Mauertrümmern sitzen sehen. – Einer Frau aus Schweinfurt erschienen einst diese drei Jungfrauen im Traume und sagten ihr an, sie möge auf die Petersstirn gehen und dort einen Schatz heben. Sehr frühzeitig erwachte die Frau, kleidete sich an und ward von einer wahren Sehnsucht nach jenem Orte erfüllt, dem sie unverweilt zueilte. Schon stand sie am Fuße des Berges, als die ersten Strahlen der Morgensonne jene Mauertrümmer und das kleine Häuschen vergoldeten, welches daneben für die Weinbergshüter erbaut ist; da erblickte sie droben die drei Jungfrauen gerade so, wie sie ihr im Traume erschienen waren, freundlich winkend. Aber der wunderbare Anblick dieser geisterhaften Wesen erschreckte die Frau auf den Tod, so daß sie bewußtlos niedersank. Andere Weinbergsleute fanden sie und brachten sie wieder zum Bewußtsein. Hastig blickte sie nach den drei Jungfrauen, doch diese waren verschwunden. Als die Frau zu ihrem Mann zurückgeführt wurde, schmälte dieser sie aus, daß sie nicht mehr Muth an den Tag gelegt, sie würde ihr und sein Glück gemacht haben. Auch einem Bürger aus Schweinfurt sind auf der Mainleite, dicht über der Petersstirn, da er auf der alten Straße fuhr, in einer stürmischen Novembernacht die drei Jungfrauen, schleierweiß auf der Mauer stehend, erschienen. Und es schauerte ihn, daß er eilend vorüberfuhr.

220. Die goldgekrönte Schlange.

Die vor. Schriften.

Auf der Petersstirn ist schon oftmals eine Schlange erblickt worden, die trägt auf ihrem Haupte ein goldenes Krönlein. Einst ging ein Häcker (Weinbergsmann) den Berg hinauf, wo noch die geringen Mauerschädel des alten Klosters liegen; da rauschte mit raschem Ringeln ihm eine große und glänzende Schlange entgegen, die trug auf dem Haupt eine goldene Krone und im Maul ein großes Bund Schlüssel, die glitzerten und klingelten wie Silber. Der Häcker entsetzte sich, hob seinen Karst, um nach der Schlange zu schlagen, da sah ihn die Schlange wehmüthig an, und bezauberte ihn mit ihrem Blick, daß er regungslos stand, und da sah er denn, daß sie weinte wie ein Kind. Als das einige Minuten gedauert, schwand die Schlange in die Erde, und war ihm aus den Augen und hinweg und war nirgends im Boden ein Loch zu sehen.

221. Ausgehackte Frösche.

Die vor. Schriften.

Einem Weinhäcker aus Schweinfurt begegnete unter der Petersstirn bei der Mainleite etwas sehr Seltsames. Er war mit seiner Frau mit Brechen des Weinbergs, der unmittelbar unter der Trümmerstätte liegt, beschäftigt; die Frau hackte sehr fleißig, und mit einem Mal hackte sie bei jedem Schlag in die Erde einen Frosch heraus. So mochte sie wohl fünf oder sechs Frösche herausgehackt haben, als es ihr auffiel und sie zu ihrem Manne sagte: »Pfui! Was sind das garstige Frösche.« Und jetzt kamen keine mehr. Und der Mann, näher tretend, bückte sich nach den Fröschen und sah keine, wohl aber leuchteten so viele Goldstücke, als zuvor Frösche zum Vorschein gekommen waren, am Boden. Die hob er auf und steckte sie ein, und zankte seine Frau, daß sie nicht stillschweigend fortgehackt. Beide hackten und brachten den ganzen Tag damit zu, es gab aber keine Goldfrösche mehr.

222. Auferstandene Frau.

Bechstein S. 166.

Auf dem Schweinfurter Gottesacker ist ein alter Grabstein mit dem lebensgroßen Bildniß einer vornehmen Frau zu sehen, welche ein eingewickeltes Kind zu ihren Füßen liegen hat. Diese war die Frau eines Syndikus Albert. Man sagt von ihr, daß sie sehr schnell und plötzlich gestorben sei, und als ihr Tod erfolgt war, wurde sie unter einem Schwibbogen, in welchem sich ihr Familienbegräbniß befand, beigesetzt. Ihr zurückgelassener Gatte betrauerte sie sehr aufrichtig. Der Todtengräber, ein habgieriger Mann, hatte jedoch an dem Finger der Leiche einen kostbaren Ring bemerkt, den er der Todten nicht lassen wollte; er machte sich daher des Nachts heimlich auf, hob den Sargdeckel ab, und wollte der Leiche den Ring vom Finger ziehen; da richtete sich diese plötzlich auf. Entsetzt lief der Todtengräber davon; die Frau im weißen Todtengewande entstieg ihrem Sarg, wandelte ihm nach, und kam ruhigen Ganges vor ihr Haus, wo sie anläutete. Eine Magd sieht zum Fenster hinaus: »Wer da?« »Ich bin's, die Frau! Oeffne!« Schreiend stürzt die Dienerin zu ihrem Herrn: »Die Frau ist unten an der Thüre, ich habe sie an der Stimme erkannt!« – Der Herr schüttelt ungläubig den Kopf, und läßt seinen Diener hinaussehen. »Oeffne mir um Gotteswillen! Ich komme um vor Kälte!« Da eilt auch der Diener rasch zum Herrn: »Es ist die Frau, ich erkenne sie an ihrer Stimme.« – Der Herr aber sagte: »Ihr seid Thoren und dümmer wie das Vieh! Wenn meine Pferde zum Fenster hinaussähen, würden sie gescheidter antworten, als ihr!« Kaum ist das Wort gesprochen, so kommt es mit Gelärm und mit Gepolter die Treppe herauf, und stampft und trappt und wiehert, – die Pferde sind's – zur Stube herein, und sie stecken die Köpfe durch die Fenster, daß die Scheiben klirren und die Flügelbänder brechen, und beide sehen den Vorsaal hinab zum Fenster hinaus und wiehern. Nun läßt der Herr, erschrocken, schleunig öffnen, und die halberstarrte Frau wird zu Bette gebracht und geneset bald darauf eines Töchterleins. Doch Mutter und Kind lebten nicht lange mehr, und die erste wurde zum zweiten Male begraben, und beiden dieser Grabstein zum Andenken gesetzt. Alle Jahre am ersten Ostertage ist eine wahre Wallfahrt nach dem Gottesacker, der dann prächtig mit herrlichen Blumen geschmückt ist, aber das Erste, was man den Kindern zeigt und was sie alle gerne sehen wollen, ist die wiedererstandene Frau mit ihrem Kinde.

223. Die langen Schranken.

Die vor. Schrift, S. 159.

Im Bereich der alten Stadt liegt ein schöner, ebener Platz, welcher jetzt mit Obstbäumen bewachsen ist. Hier, sagt man, sei vor Zeiten der Turnierplatz gewesen, daher der Name »die langen Schranken« noch bis auf den heutigen Tag sich fortgeerbt habe. Einst war ein glänzendes Turnier angestellt, zu dem kamen viele fremde Ritter. Einer derselben erblickte unter den anwesenden Damen eine, die wohl auch fremd sein mochte, und deren Schönheit

ihn so bezauberte und umstrickte, daß er sich zu ihrem Kämpfer weihte, und Jedem den Handschuh hinwarf, der ihr nicht den Preis der Schönheit zugestehen wollte. Er blieb auch wirklich Sieger, streckte alle Gegner in den Sand und nahte nun der Holden, die ein meergrünes Kleid trug, sittig, ihren Dank zu empfangen. Sie lächelte ihn liebreich und holdselig an, aber wie ward ihm, als er dabei wahrnahm, daß sie grüne Zähne hatte? Er bebte zurück, sie stieß einen Schrei aus, verwandelte sich in ein Seeweiblein und rutschte auf dem Schlangenleib dem Maine zu, in den sie sich stürzte und auf dessen Oberfläche sie eine Weile fortschwamm, bis sie niedertauchte und den Blicken der staunenden Herren und Damen entschwand. Da that sich der Ritter seine Waffen und Rüstung ab und trat als Mönch in einen der strengsten Orden.

224. Wolfsgasse und Wolfsbrunnen.

Bechstein S. 161. Nork Mythol. der Volkssagen, S. 482.

Vor mehreren hundert Jahren trug sich's zu in einem sehr harten und strengen Winter, daß zum oberen Thore zu Schweinfurt ein Wolf hereinkam, der sich alsbald von einer großen Menschenmenge gehetzt und verfolgt sah. Er nahm seinen Weg in die erste beste Gasse und sprang, als er sich von allen Seiten umringt sah, aus Angst in einen Brunnen. Zum Gedächtniß erhielten Straße und Brunnen die Benennung Wolfsgasse und Wolfsbrunnen, und über letzterem wurde bildlich ein Wolf in Stein gehauen aufgestellt, so noch zu sehen ist.

225. Die Alte mit dem Krüglein.

Bechstein S. 161.

Bei Schweinfurt ist eine Wiese, heißt die Grafenrheinfelder Wiese. Ein Mann, der mit seiner Tochter über Land gewesen war, ging eines Abends in der Dämmerung über diese Wiese nach Hause. Sie mußten über einen Steg gehen; der Vater hatte diesen bereits betreten, die Tochter war einige Schritte zurück, da vertrat ihr ein altes Mütterlein den Weg, die hielt ein wunderlich geformtes Trinkkrüglein in ihrer Hand und hob es zum Munde der Maid, mit dem Bedeuten, daß sie trinken solle. Das Mädchen wehrte ab, da ihr solch Begehren nicht anstand, aber die Alte bot immer von neuem an, und schien ihr gewaltsam den Trank aufdringen zu wollen. Da wurde das Mädchen unwillig und rief: »Laßt mich, ich habe keinen Durst!« und im Moment war die Alte mit dem Krüglein verschwunden. Erschrocken eilte die Jungfer ihrem Vater nach und erzählte ihm, was ihr begegnet, fragte auch, ob er die Alte nicht gesehen und ob er sie nicht kenne? Der Vater hatte nichts gesehen, tadelte aber seine Tochter, daß sie nicht einen Tropfen mindestens gekostet, damit habe sie ihr Glück machen, entweder die Alte erlösen, die wohl als Geist umwandeln müsse und dazu verwünscht sei, oder einen Schatz finden können; denn es sei auf der Wiese nicht geheuer, und möge wohl ein großer Schatz auf ihr vergraben sein. Dabei zeigte er nach einem alten Baume ohnweit des Stegs, und sagte ihr, daß um diesen die Irrlichter zum Oeftern zu tanzen pflegten.

226. Die drei Wasserfrauen.

Von L. Braunfels. – Zwischen Sennfeld (bei Schweinfurt) und dem Main hieß ein stehendes Wasser vor Zeiten das schwarze Loch. Hänle u. Spruner Handb. für Mainreisende S. 47.

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih, Sagt, wo kann es lust'ger sein? Flöten klingen, Pfeifen gellen; Heisa! tanzen die Gesellen Mit den blonden Mägdelein.

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih

Blinkt der Abendstern herein; In den Saal, den kerzenhellen, Treten zu den Tanzgesellen Grünen Haar's drei Mägdelein.

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih Braust der Tanz wie stürm'sche See; Mit den fremden Frau'n in Reigen, Welch ein Fliegen, Wiegen, Neigen! Wilde Wonne, wildes Weib!

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih Flüstert's leise dort und hier: Mägdlein mit dem grünen Haare Kehrst du auch zum nächsten Jahre? – »Ja, ich komm' zum Tanz mit dir« –

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih Braust der Tanz wie stürm'sche See; Und die fremden Mägdlein bangen: »Vollmond schon hinabgegangen! Unsere Zeit ist um! ade!«

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih Wer hat wohl der Stunden Acht? Die Gesellen fleh'n: o bleibe! Noch ist hell des Mondes Scheibe! Noch ist fern die Mitternacht!

Dort zu Sennfeld auf der Kirchweih, Heisa! geht's in Saus und Braus! Und die fremden Mägdlein bangen: »Weh! die Sonn' heraufgegangen! Und der Vater ist zu Haus!«

Dort von Sennfeld von der Kirchweih, Eilen sie zum schwarzen See; »Lebewohl und ew'ges Schweigen! Nimmer Wiederkehr zum Reigen! Vaters Zorn, der thut uns weh.«

Dort von Sennfeld von der Kirchweih, Stehn die Burschen still am See; Schauen aus den dunklen Wellen Tropfen Blutes dreifach quellen; Schöne Wasserfrau'n, ade!

227. Das wilde Heer bei Wipfeld.

Fr. Panzer a.a.O. S. 164.

Wipfeld liegt nahe an dem Main. Der verstorbene Ueberführer Mitesser hörte bei Sturm und Regen von dem jenseitigen Ufer herüber ein Gewinsel, und glaubte, es wolle Jemand übergefahren sein. Er fuhr hinüber, und das wilde Heer bestieg die Fähre. Das waren große und kleine Geister durcheinander; er hatte aber so große Furcht, daß er sie nicht zu betrachten wagte. Wie nun das wilde Heer übergefahren war, fragte einer, was sie schuldig seien? Aber der Fährmann getraute sich nicht, den Lohn zu bestimmen, und schwieg; darauf wurde ein Knochen auf den Ständer der Fähre gelegt. Wie sie die Fähre verlassen hatten, rief ein zurückgebliebener Geist nach: »Wäre ich geschürzt und gegürtet, so könnte ich auch mit!« Das hörte ein Mann, der oben an dem Haidgäßchen den Waizen hütete; er band dem Geist ein Strohseil um den Leib, und sprach: nun kannst du nach! Der Geist gab dem Gerstenhüter eine Hand voll Gold. Nun eilte auch der Fährmann Mitesser hinab, um den Knochen zu holen, fand ihn aber nicht mehr. Das wilde Heer kam von Altach, einem vormaligen Wald, und zog, nachdem es über den Main gefahren war, das Haidgäßl hinauf.

228. Der Lindwurm in Volkach.

Fr. Panzer S. 164.

An der westlichen Seite der an dem Maine liegenden Stadt Volkach ist noch ein Theil der alten Befestigung, nämlich die Ringmauer, Thürme, Wall und Gräben, erhalten. Dabei steht eine steinerne Martyrsäule, auf der einen Seite Christus am Kreuze mit knieendem Ritter, Frau und Kindern, dann auf der anderen Seite St. Georg darstellend, wie er den Drachen tödtet. Der Ritter St. Georg ist Schutzpatron der Stadt. In diesem Graben, weiß die Sage, war sonst ein See, in welchem sich ein Lingwurm (nach der Aussprache des Volkes) aufhielt, der Menschen und Thiere vergiftete. Da aber der See abgelassen und der Graben ausgetrocknet wurde, so konnte sich das Thier nicht mehr aufhalten, und seit dieser Zeit ist Ruhe. Alle Jahre, am Samstag Abends nach Fronleichnam geht wegen dieses Ereignisses eine große Wallfahrt nach Burgwindheim.

229. Huya.

Mündlich.

Als einmal einige Handelsleute auf den Volkacher Markt gehen wollten, führte sie ihr Weg durch das Volkacher Wäldchen. Es war beim ersten Morgengrauen, als sie in der Ferne ein Licht bemerkten, und beständig den Ruf: Huya, Huya! hörten. Dieser Ruf kommt von einem Gespenst, welches die Fremden, oft auch Einheimische, dadurch an sich lockt und irre führt. Als sie unweit des Wäldchens an den See und in seine Nähe kamen, fuhr es plötzlich in den See, daß es plätscherte, und verschwand.

230. Steinklopfer bei Dettelbach.

Mündlich.

Mehrere Handelsleute gingen einmal mit einander nach Mitternacht von Dettelbach nach Würzburg zur Messe. Unterwegs gewahrten sie in der Ferne ein Licht, und hörten nach und nach ein Klopfen. Da sagte einer aus ihnen: Das ist der Steinklopferle, der sich oft sehen läßt. Als sie näher kamen, erblickten sie einen Mann, der auf einem Steinhaufen saß und klopfte. Er hatte einen dreieckigen Hut so tief in's Gesicht herabgedrückt, daß man dies nicht sehen konnte, und ihm zur Seite befand sich eine Laterne. Als sie an ihm vorübergehen wollten, zerbarst die Laterne und er selbst verschwand mit einem Geschwirre, wie von einem Trupp aufgescheuchter Vögel. Es soll dies ein verwünschter Siebener (Feldgeschworner) sein, welcher unredlich Marktsteine setzte oder sie verrückte.

231. Wie Kitzingen seinen Ursprung nahm.

Ladislaus Sunthem. monast. Franc. ap. Oefele II., 611.

Hadalagia war eine Tochter Karl Martells geheißen. Um diese versammelten sich Könige und Königssöhne von allen Landen, denn der Ruf ihrer Schönheit war weithin gedrungen. Sie aber gedachte, Gott allein zu dienen, in welchem Vorsatze ein frommer Beichtvater sie bekräftigte. Darob ergrimmte ihr Vater gar sehr und jagte sie mit sammt dem Kaplan aus seinem Schlosse. Da wanderten nun beide des Weges fürbaß und kamen durch einen dichten Wald. Das schien ihnen ein rechter Ort, ein Kloster zu bauen und Gott zu dienen. Also versammelte Hadalagia noch andere Jungfrauen um sich und errichtete das Kloster. Dieses hat nachmals den Namen Kitzingen erhalten, von einem Hirten Kitz, welcher seine Heerde in der Gegend weidete. Einmal brach ein Wolf aus dem Walde hervor und ergriff eine seiner Ziegen. Der Hirtenknabe rief zur Mutter des Herrn um Hilfe und entriß dem Raubthiere die Beute. Wie nun Karl Martell hörte, daß seine Tochter in der Einsamkeit wohne und dem Herrn diene, ward sein Herz von Reue erfüllt, sie verstoßen zu haben. Also machte er sich auf, bat sie unter Thränen um Verzeihung und beschenkte das Kloster mit reichen Gaben. Und Hadalagia betete für den Vater bei Tag und bei Nacht.

232. Kitzingen.

Mündlich. – Die Ableit. von Kitz bestätigt F.A. Reuß Chron. Abriß. d. Gesch des vormal. Frauenklosters zu Kitzingen S. 5.

Auf dem Schwanberger Hofe bei Kitzingen soll der König Pipin Hof gehalten haben. Da geschah es eines Tages, daß ihn seine Tochter Hadeloga bat, ihr ein Stück Landes in der Gegend zu schenken, um ein Kloster zu bauen. Pipin erfüllte ihren Wunsch. Da zog Hadeloga ihren Handschuh aus, um dem Könige die Hand zum Danke zu reichen. So ergriff der Wind den Handschuh und führte ihn durch die Lüfte über den Main hinüber. An dem Ufer des Flusses weidete Kitz, ein Hirt des Königs, seine Heerde. Der hob den Handschuh auf und brachte ihn der Königstochter. Hadeloga erkannte dieses für einen Wink des Himmels, an der Stelle, wo der Handschuh niedergefallen war, ein Kloster zu bauen, wie Solches denn geschehen im Jahre des Herrn 745.

233. Die Gründung der Stadt Kitzingen.

Var. d. vor. Sage, erzählt von Dr. Zöllner.

Es war im Jahre des Heils 746. Da saß in einer schwülen Septembernacht Adelheid, des Herzogs Pipin Töchterlein, an einem Fenster ihres Schlosses auf dem Schwanenberge, die Blicke gegen Süden gerichtet zu dem vollen Monde, der hinter düstern Gewitterwolken spärlich hervorblickte, und zuweilen den Weg mit ihren Blicken verfolgend, der zu dem Städtchen Pipinhofen, jetzt Iphofen, führte, welches schon freundlich aus der Wildniß hervorragte. Denn dort hauste Ritter Karl, schlank und fein, sehnsuchtsvoll nach dem herzoglichen Fräulein schmachtend, und, weil er gar oft von seiner Wohnung aus den Berg beschaute, wo sie wohnte, von seinen Spießgesellen der Guckenberg genannt wurde, woher noch bis auf den heutigen Tag eine Familie jenes Städtchens ihren Namen führen soll. Täglich bei einbrechender Nacht stellte er sich unter den Fenstern Adelheids ein, doch heute konnte er nicht. Immer dunkler ward die Nacht, sie sang ein ernstes Lied und spielte dazu auf ihrer Leier. Aber der Heißersehnte erschien nicht. Umsonst suchten die sie umgebenden Edelfräulein sie zu trösten. Endlich erschien der Ritter Karl um Mitternacht und erzählte der Harrenden, wie er in des heil. Stephanus Marktflecken (Marktsteft) gewesen, wo in diesem Jahre ein munteres Völklein sein erstes Kirchweihfest beging, wie er dort im ritterlichen Wettkampfe den ersten

Preis aus den Händen der schönsten Dame davongetragen, auch der Ehre gewürdiget worden, die Holde zum Reigen zu führen. Darob ergrimmte in Eifersucht des Herzogs Tochter. Auch der Herzog Pipin schwor in seinem Zorn, nie solle der Verräther hoffen, die reine Hand der Prinzessin zu erhalten. Traurig zog sich Karl nach seiner Burg zurück, und hatte nur noch den einzigen Trost, nach dem Berge zu blicken, wo seine Liebe wohnte. Traurig ging auch die Sonne des anderen Morgens für Adelheid auf. Der Sturm der Leidenschaft hatte sich gekühlt, es war Alles so öde, aber des Vaters Zorn vereitelte jede Hoffnung. Sie entschloß sich daher, nach damaliger Sitte, ein Kloster zu gründen. Die Auswahl des Platzes stellte sie dem Himmel anheim, und warf bei einem Sturmwinde ihren Handschuh von der Schwanenburg Zinnen hoch in die Luft. Wo er niederfalle und gefunden würde, da wolle sie ihr junges Leben vertrauern. Es hauste aber damals am rechten Mainufer in zerstreuten Hütten ein alt-deutsches Geschlecht, abgehärtet durch Fischerei, Vogelfang und Jagd, seine Lieblingsbeschäftigungen. Hier war es am Saum eines Waldes, wo ein Jäger, diesen Handschuh für einen Hasen im Lager ansehend, sein Geschoß auf ihn abdrückte und dieses so durchbohrte Zeichen der Prinzessin überreichte. Dem Gelübde gemäß gründete nun Adelheid auf dem Platze des gefundenen Handschuhes am 23. September 745 das berühmte Nonnenkloster, welches sie nach dem Namen des Jägers, er hieß Chiez, Kitzingen nannte, und ließ unter dem Namen Thekla sich zur Aebtissin weihen. Bald erhielt sie viele Gesellschafterinnen, die ein ähnliches Geschick im Kloster beweinen wollten, den Jungfrauen aber zog sich viel anderes Volk nach, und erbaute rings umher an den Ufern des Maines die zierliche Stadt Kitzingen. Ritter Karl aber, als er die Schreckenspost, daß seine Geliebte den Schleier genommen, gehört hatte, wollte der Stätte nahe sein, wo sie für ihn lebendig todt war. Er siedelte sich also mit mehreren Getreuen dem Kloster gegenüber am linken Mainufer an und nannte den Ort, zum Zeichen, daß ihm Adelheid auch als Aebtissin Thekla noch Etwas gelte, Etwashausen, welches jetzt noch die Vorstadt von Kitzingen ist. Auch soll von der Klosterkirche in Kitzingen unter dem Maine hindurch ein unterirdischer Gang in die Kreuzkapelle zu Etwashausen geführt haben.

234. Schatz bei Kitzingen am Main.

B. Baader bei Mone, Anz. IV., 411.

Eine Frau von Kitzingen sah auf dem Felde einen Haufen glühender Kohlen unter einem Baume liegen. Weil sie solche für einen Schatz hielt, schickte sie sich an, dieselben in ihre Schürze zu fassen. Da erblickte sie ihren längst abwesenden Bruder, der über das Feld herkam und rief ihm zu: Heinrich! wo kommst du her? In demselben Augenblick waren Schatz und Bruder verschwunden.

235. Die drei Wasserjungfrauen im Gründlesloch.

Zu Castell in Unterfranken. – Bayer. Annalen 1833, IV. 17., woselbst des häufigen Vorkommens dieser Sage in Franken gedacht wird. Vgl. Vat. Mag. 1838, S. 91. Panzer a.a.O. S. 176.

Am Fuße des Casteller Berges, eines der Vorberge des Steigerwaldes, bricht in der Ebene zwischen Castell und Rüdenhausen aus dem Gypsgestein eine mächtige Quelle, und füllt mit dem klarsten Wasser einen mäßigen Kessel. Das Wasser kömmt aus großer Tiefe durch das unregelmäßig zerklüftete Gestein mit solcher Macht herauf, daß es Gegenstände, welche ein die Wasserschwere nicht stark überwiegendes Gewicht haben, nicht zu Boden läßt. Der Grund des Wassers ist nicht zu erforschen, weil es durch Krümmungen heraufbricht, und die Quelle heißt deshalb in der Umgegend der grundlose Bronnen oder das Gründlesloch. Auf der Höhe des Casteller Berges steh noch eine Thurmruine von dem alten Schlosse der Grafen von

Castell, deren wohnliches neues Schloß nun nahe am Fuße des Berges liegt. Das alte Schloß setzt die Sage mit der Quelle in Verbindung. In jenen Zeiten nämlich, da das alte Schloß noch stand, feierte ein Graf von Castell seine Hochzeit in den Sälen dieses Schlosses, und aus der Ferne und Nähe waren edle Gäste zum Feste geladen. Mit dem Anbruche der Nacht begann der Tanz, und die Jünglinge und Jungfrauen ergötzten sich in der festlichen Lust; Musik und freudiger Jubel tönte den Berg hinab weit in die Ebene hin. Da um Mitternacht traten plötzlich leise drei Jungfrauen von blendender Schönheit in weißen langen Gewändern in den Tanzsaal, und erfüllten die jubelnden Gäste erst mit Staunen, dann mit Bewunderung, die Herzen der Jünglinge aber mit Sehnsucht der Liebe. Die Anmuth und Schönheit der Fremden hatte bald den ersten Schauder überwunden; man zog sie in den Tanz, und sie schlangen sich mit wunderbarer Zierlichkeit durch die Reihen. Die Stunden flogen hin, aber je näher der Morgen rückte, je mehr wurde eine ängstliche Sorge in den Augen der schönen Jungfrauen sichtbar, und als der erste Schauer des nahenden Morgens sich empfinden ließ, baten sie dringend um Entlassung. Es waren Nixen aus der Tiefe des grundlosen Bronnens. Da die Lust des Festes in den jubelnden Tönen zu ihnen gedrungen war, hatten sie dringend die Mutter angegangen, sie an dem Feste der Menschen Theil nehmen zu lassen. Nach langer Weigerung hatte die Alte den Bitten der Töchter nachgegeben, aber ihnen wiederholt das alte Gesetz der Tiefe eingeschärft, vor dem Hahnenschrei zurück zu sein, und sie vor den furchtbaren, tödtlichen Folgen der Uebertretung dieses Gesetzes in wehmüthiger Ahnung gewarnt. So waren sie denn aus dem klaren stillen Wasserspiegel aufgetaucht, und ein alter Jäger hatte von der Waldecke her die lieblichen Gestalten über den Pfad der Wiese, den Steig am Berge hinauf schweben sehen. Deshalb erfüllte der nahende Morgen sie mit Bangen. Die Leidenschaft der liebenden Jünglinge hielt sie wider Willen zurück. Da krähte der Hahn, und mit dem Blicke des Entsetzens stürzten sie aus dem Saale durch die Höfe, den Berg hinunter mit fliegender Eile, daß die Jünglinge ihnen nicht zu folgen vermochten. Sie sahen sie nur eilend über die Wiese nach der Quelle zu schweben, und als sie bei derselben angelangt waren, sich in dieselbe stürzen. Entsetzt eilten die Jünglinge hinzu, und als sie in den reinen Wasserspiegel hineinsahen, wallte ein warmer Blutstrom ihnen aus der unheimlichen Tiefe entgegen. Nicht überall, wo diese Sage erzählt wird, betrifft die Jungfrauen das Unglück, oder wenigstens nur eine von den Dreien, die sich verspätet hat, während die anderen beiden zur rechten Zeit um Mitternacht den Tanzplatz verließen.

236. Die Nymphen von Kastell.

Von Philipp Scherl.

1. Auf Flachstein, moosumgürtet, Im Glanz der Mitternacht, Hält Lula mit Wellentöchtern Einsame Brunnenwacht.

Sie bringt das wimmernde Wasser Heut nicht zum leisen Gang, Fern aber aus Tannenwölbung Rauscht Tanz und Gesang.

Und die Töchter, schön und lüstern, Umrücken die Mutter ganz: Da drüben ist Pomp und Hochzeit, Führ' uns zum Buhlentanz.

Die Mutter aber seufzet: O Kinder, schweifet aus, Nur kehrt bei Todesahnung Heut bald ins Wellenhaus.

2. Blank leuchtet im gewölbten Saal Der Glanz und gold'ne Flitter, Es flammt der Kelch, es dampft das Mahl Und taumelnd sinkt der Ritter. Graf Otto, wie der Templer kühn, Rigissa, zart wie Lilien blüh'n, Bejahten heut die Frage Und hielten Brautgelage.

Und jetzo vom Geländer hoch Hört man den Takt erschallen, Und brausend in die Runde flog Der Wirbel der Vasallen. Der frische Blick, das graue Haar – Wie kettet flink sich Paar an Paar, Doch leis' wie Lüfte schleichen Tanzt Gräfin ihren Reigen.

Da plötzlich springt das Flügelthor: Drei Mädchen zum Entzücken Mit Schneegewand und Silberflor Verneigten sich den Blicken. Ein Krönchen schließt das blonde Haar, Der Gürtel flimmert wunderbar, Und alles auf dem Feste Umdrängt die schönen Gäste.

Und stolz am Arm der Ritter zog Die Nymphe durch die Hallen, Und brausend in die Runde flog Der Wirbel der Vasallen. Sie schwenkten rasch nach altem Brauch, Wie Donnersturm und Zephyrhauch Und tanzten ohne Wanken Bis Mond und Stern' versanken.

»Schön Dank, ihr Herrn, der Dämmer bricht, Zum andernmal, dann wieder!« »Was, Schönste, was? doch scheiden nicht? Frisch auf, ihr flinken Brüder!« Das Zeichen tönt, die Tücher weh'n, Die Cymbel rauscht, die Tänzer steh'n, Und flüchtig um die Wette Schlingt Kette sich an Kette.

»Der Schatten zieht, die Wolken zieh'n, O Ritter, tanz' zu Ende!« »Ha Jugendblut, ha Flattersinn, Wer dreht sich da die Hände!« Und Sang und Klang und Wirbellust Betäuben die beklemmte Brust Und laut vom wilden Schalle Erzittert Dach und Halle.

»O hörst du nicht? Das Schluchzen nicht? Das Wimmern aus den Teichen?« – »Mein Kind, was soll das Traumgesicht, Zum letzten noch den Reigen!« Und Sang und Klang und Wirbellust Betäuben die beklemmte Brust Und laut vom wilden Schalle Erzittert Dach und Halle.

Verlockter Leichtsinn, frevle nicht! Ich zitt're schon, ich ahne! Weh! Weh! dort blitzt das Morgenlicht, Lautflatternd kräh'n die Hahne. Und jach, wie Sturm die Wälder schreckt, Entsetzt und bleich und schweißbedeckt, Entstürzen, hilf Erbarmen, Die Schwestern aus den Armen.

Und Knapp' und Ritter fliegend auf, Und d'rein mit Ruf und Winken, Bis in des Strudels Kreisellauf Die Jammernden versinken. Erschrocken blickt der Schwarm hinab Dumpfwimmernd stöhnt das feuchte Grab Und aus der Höhlung quellen Drei dunkelblut'ge Wellen.

Jetzt blickt die Veste öd' und leer Aus moderndem Gesteine, Die gute Nymphe spielt nicht mehr Im lauen Mondenscheine. Der Quell, der einst so munter floß, Und Kraft und lindes Heil verschloß, Schleicht trauernd durch die Gründe, Ein Bild gestrafter Sünde.

237. Der Commandanten-Pöpel zu Aub.

Mitgeth. von Dr. Zöllner.

In diesem adelichen Hauß haben vor Zeiten, wie der Bürgerschaft und in selbiger Refier bewußt, die adelich Rosenbergische Wittiben nachgehends unterschiedliche Beamten

gewohnt, und ist darinn jezuweilen sonderlich zu heylichen Zeiten ein Tumult als ob es von gespenstern geschehe, gehört worden. Dieß hat sich nun nach denen deß 1666ten Jahrs verwichenen Heylige Weihe-Nachts-Feyertagen wiederumb gereget, und in besagtem Haus ein grausames und Erschröckliches Werffen, als wenn es große Stein wären, auch an den Thüren ein Klopfen und Poltern entstanden, bei 15 Tag und Nacht unaufhörlich gewehret, daß es auf den Gassen an zwanzig und dreyßig Burger mit Abscheu und Schröcken angehört haben. Als aber deßwegen Ihro Hochgräflich Excell. Herrn Grafen zu Gleichen und Hatzfeld Caplan nach verrichteten Andächtigen Gebet nicht allein das ganze Haus mit Weihwasser besprengt, sondern auch die Herrn Patres zu Lautenbach auf Unser lieben Frauen Capellen drey heylige Messen, daß Gott die Seel gnädig erhören wolle, gelesen und aufgeopfert, ist zwar der Geist 3 Tag ausgeblieben. Aber am 6ten Januarii 1667 Morgens frühe 6 Uhr wiederkommen, und an der Wohnstuben Thür dreimal angeklopfet, auch bald hernachher von Jung und Alten ein Geschrey entstanden, der Geist lasse sich in dem hintern Baw ganz weiß sehen. Deßwegen abermals viel Volks zugelaufen. Dann hat sich dieser Geist den 7ten Januarii an gemeldetem Ort wiederumb präsentirt, und weil solches ehe gedachter Caplan herzukommen, bis Nachmittags 4 Uhr gewehret, hat der Apotheker daselbst, welcher Evangelisch, zwar den Geist angeredet, der ihm aber nicht geantwortet. Nach diesem hat mit Rath und Gutachtens Herrn Amptmanns erstgemeldeter Herr Caplan in der Kirchen drey Degen geweihet und mit dem Cruzifix voran auf dem Bau gestiegen, sodann mit den Geweyheten Degen in alle Ecken herumgestochen und gehauet. Als man aber nichts antreffen noch fühlen können hat der Caplan angefangen und gesagt. Ich habe Dich Geist verschworen, du mußt weichen, und darauf mit dem Amptmann in das Haus und den Garten gangen, um zu sehen, ob das Spectrum nicht mehr kommen würde. Da aber der Caplan kaum in das Haus hineingewesen, ist er wiederumb zurückberufen und ihme angedeutet worden, daß der Geist wieder erschienen sey. Ob nun wohl bemeldter Caplan hierüber, bevorab weillen der Geist über ein klein Weil sich wiederumb praesentirt, sehr erschrocken, hat er jedoch demselben zugeschrieen und befraget, Was sein Anliegen und Beschwerden seyen, solle solches offenbaren und erkennen geben. Hierauff ist der Geist alsbald wiederumb verschwunden, bald hernachher aber eine Stimme weinend gehört worden. Als nun deßhalb oft besagter Caplan pro defunctis zu beten angefangen hat, inmittelst das Spectrum wieder herausgesehen, und so oft der Name Jesus genannt worden, sich geneigt. Und hatte nach geendigtem Gebet der Caplan gegen den Geist mehrmalen adjurationes gethan mit Vermelden, wenn ihm zu helfen seye, er Caplan es thun wolle, wie er auch bereits 3 Hl. Messen für selbigen zu lesen versprochen. Dann hat der Geist mit einer Stimme, als ob er weinete, geantwortet, fünf Heylge Messen. Herr Caplan fragete ferner, ob sonst weiter nichts zu thun, der Geist geantwortet, Almosen geben. Herr Caplan weiter, Wenn nun die 5 Heyl. Messen gelesen, Almosen ausgegeben worden, ob ihm dadurch geholfen würde, und er alsdann den Ort quittiren wollte. Der Geist alsbald mit Ja geantwortet und wiederumb verschwunden. Hierauf nun seind den 8ten Januarii die Heyl. Messen 5 Tag nach einander gelesen, darzu die Burgerschaft Katholisch und Evangelisch zum Opfer gegangen die 3 Geistlichen mit den Armen jedesmal ihr Gebet gegen Gott verrichtet und aufgeopfert, sodann das Almosen an selbigem Ort, wo der Geist sich sehen lassen, ausgetheilt worden. Seithero, Gott sey Lob und Dank gesagt, hat man weiter nichts gehört noch gesehen. Derowegen gedachter Herr Commandant zu ewigen Zeiten ein Gestift gethan jährlich den 3ten Tag nach Johannis Evangelistae vor alle nothleidende Seelen in der Pfarrkirchen zu Ayb 3 heilge Messen zu lesen und darauff das Almoßen auszutheilen. So geschehen in Auw den 6ten Januarii 1667.

238. Eibelstadt.

Von F.J. Freiholz. – Mundart um Würzburg.

»No Bärbele, was eilst denn so Mit deiner schwere Kötze Es helt jo grad e Wage do Do kannst die aufi setze; Die Annemie fehrt a no mit Un lieber fahr i Schritt for Schritt Als daß mit meine müde Bee I do den weite Weg no geh. I ha a schöne Gschichtli ghört, Die will i der verzehl Denn wen mer so minanner fehrt Derfs nit am Plaudern fehl. Doch ehr als i die Leut ausricht Verzehl i der e annre Gschicht. Du weßt, daß unner neue Stadt No nit emol en Name hat, Mer hamm uns all minanner bsunne, Un kens hat no was getlis gfunne Un hat a ens emol was gsagt So hamm's die Annre ausgelacht; 'S is for die schöne Stadt nor Schad, Daß sie ken schöne Name hat.«

»Ei wel e Stadt!« fengt's Bärbele a, »Ihr bräucht euch aufzeblase, Do denkt ke Mensch mei Lätti dra Des Nest e Stadt ze haße. Ihr meent vielleicht weil's Mauern hat Un Thörm auf alle Seite Des kann doch wärli no ke Stadt, Ihr Eselsköpf, bedeute. Ihr wollt halt immer obe naus, Ei wel e Stadt! do werd nix draus!«

»Jetz weß i wie mer's heße kann, Fengt auf emol e Annre an, So wie's es Bärbele gheße hat, So heße mir's a: Ei wel Stadt! Mer woll' ne scho die Gritz vertreib Der Spottnam soll 'ne immer bleib!«

Es sen schon mehr als hunnert Johr Seit die Gschicht ging bei Wörzburg vor Doch seit der Zeit im Frankeland Werd Eibelstadt der Ort benannt, Wenn er glei Thörm und Mauern hat Heltn ke Mensch no for e Stadt.

239. Von der Franken Ankunft in Frankenland.

Fries Vorr. z. Wirtzb. Chron. Gropp Wirtzb. Chron. I., 13.

Um das Jahr des Herrn 319 zogen die Franken aus Niederland den Schwaben wider die Römer zu Hülfe und schlugen diese aus dem Land hinaus. Indem trug es sich zu, daß zwei Kriegsmänner, deren einer, Adalbert genannt, ein Schwab, der andere ein Thüringer, Günther geheißen, miteinander der Beut' halber zu beschwerlichem Unfrieden kommen. Der Schwab zeihet den Thüringer, er hätte etliche Ding aus der geschwornen Beute gestohlen. Das widersprach der Thüringer und schalt den Schwaben einen Lügner. Dagegen erbot sich der Schwab, solche That mit dem Kampf auf den Thüringer zu bringen. Und als sich jedes Volk des seinen annahm, ward ihnen der Kampf erkannt; den thaten sie auch von Stund' an und ward der Günther von dem Adalberten erschlagen; und da man seinen todten Leichnam entwaffnet, ward der Diebstahl bei ihm funden. Diese öffentliche Schand' verdroß die Thüringer sehr und schwuren ihrer bei hundert zwanzig, daß sie solche Schmach rächen, und weder Fleiß, Mühe noch Gefährlichkeit meiden wollten, bis sie den Adalbert auch umgebracht hätten. Und in folgender Nacht kamen sie für das Gezelt, darin Adalbert lag und forderten, diesen herauszugeben. Die Schwaben im Gezelt gaben ihnen im Anfang freundliche Antwort, vermeinend, sie damit gütlich abzuweisen. Als sie aber nicht nachgelassen, sondern den Adalberten mit Gewalt haben wollten, griffen sie zu ihren Wehren, und schlugen die Thüringer fast alle zu Boden. Etliche, die entflohen waren, brachten die Mähr' in das Land der Thüringer, die waren ob dieser That sehr bewegt, zogen auch von Stund an mit bewehrter Hand über die Schwaben, die hatten sich mittler Zeit auch bereit gemacht, und griffen beide Theil einander mit Grimm und Ernst an. Die Franken schlugen sich in die Sache, konnten aber keinen Frieden machen. Doch brachten sie es letzlich zwischen ihnen zu einem dreijährigen Stillstand. Nach Ausgang dessen fingen die Schwaben an, den Krieg zu erneuern, schrieben auch den Thüringern offene Vehde zu. Als aber die Thüringer besorgten, daß sie den Schwaben nicht stark genug sein möchten, baten sie die Franken abermals um Unterhandlung und Beistand. Die sendeten ihre Botschaft zu den Schwaben und erlangten bei ihnen noch einen dreijährigen Stillstand. Aber mittler Zeit schickten die Franken auf der Thüringer Begehren zu zweimalen bei viertausend Franken herauf an die Saal und den Main, die nahmen das Land ein, das zwischen den Schwaben und Thüringern gelegen ist und auf diesen Tag den Namen von ihnen hat, ließen sich mit Weib und Kind nieder, und fingen an, das Feld zu bauen.

240. Sankt Kilian.

Von J.B. Goßmann. – Serar. vita S. Kil. ap. Ludewig Geschichtsschreiber p. 966. Gropp Wirtzb. Chron. I., 39. u.A.

Der Gottesmann Sankt Kilian, von edlem Stamm ein Schotte,War jenem Glauben zugethan, der Juden dient zum Spotte,Den Heiden aber Thorheit ist; Er war's mit Herz und MundeUnd wünscht, daß Jeder sei ein Christ, aus laut'rem Herzensgrunde.

Was ihn so froh, so selig macht, das sollen Alle finden,Des Götzenglaubens alte Nacht soll vor dem Lichte schwinden,Das aus dem Stall von Bethlehem die ganze Welt verklärt hat,Dann sterbend zu Jerusalem am Kreuze sich bewährt hat.

D'rum zieht er aus dem Vaterhaus, die Botschaft zu verkündenDen Völkern, die in Heidengraus noch leben und in Sünden,Der besseren Erkenntniß baar, entbehrend eines SternesDer ihnen Licht und Leuchte war, und doch so edlen Kernes.

So kommt er in das Frankenland mit seinen zwei Gefährten,Wo sie sich an des Maines Strand mit roher Kost noch nährten;

Denn keine Rebe blühte dort, sie wußten Nichts von Feldern,Umgeben düster war der Ort von schauerlichen Wäldern.

Doch in die Herzen drang das Licht, es drang auch in die Wälder,Sie widerstanden beide nicht, und wurden gute Felder;Die kehren Beil und Pflugschaar um, und müh'n sich nicht vergebens,Und die das Evangelium zur Saat des ew'gen Lebens.

Schon war im Land' auf manchen Höh'n das heil'ge Kreuz errichtet,Schon war vom Maine bis zur Rhön auch mancher Wald gelichtet,Und Gottes reicher Segen ruht gar sichtbar auf dem SamenDen Kilian mit hohem Muth gestreut in Jesu Namen.

Doch wo ein guter Sämann sä't, da kommt der Feind gegangen,Der lang die günst'ge Zeit erspäht mit sehnlichem Verlangen,Er wirft das Unkraut in die Saat, das bald darin erblickt wird,Damit durch solche schnöde That das edle Korn erstickt wird.

Der Herzog Goßbert liebt ein Weib, in jugendlicher Blüthe,Die war wohl schön an ihrem Leib, doch schön nicht im Gemüthe;Des Herzogs Bruder hatte sie zur Gattin erst genommen,Dann war sie, fest in Treue nie, an Goßberts Hof gekommen.

»Es ist dir, Herzog, nicht erlaubt des Bruders Weib zu nehmen!Wer treu an Jesum Christum glaubt muß seine Lüste zähmen;Herodes that, wie du gethan, der Herr hat ihn gezüchtigt!Herodias, sie bleibt fortan durch alle Zeit berüchtigt!«

Der Herzog hört es an und schweigt, und scheidet nicht im Grolle,Und fühlt im Herzen sich geneigt, es koste, was es wolle,Zu lösen das verruchte Band, das ihn an jene kettet,Auf daß er vor der Hölle Brand die sünd'ge Seele rettet.

Doch in Gailana's Herzen kocht's, wie Gifte speit ein Drache,Durch alle Pulse glüht's und pocht's: »Ha! Rache! Rache! Rache!Du falscher Bischof, der du mir willst Lieb' und Leben rauben!Arglistiger, was that ich dir? So sei verflucht dein Glauben!«

»So sei verflucht dein Christenthum, verflucht sei, der's gestiftet!Verflucht dein Evangelium, das uns die Welt vergiftet!O Freya, wär' ich doch getreu nur deinem Dienst geblieben,Kein Fremdling hätte sonder Scheu mich aus der Burg vertrieben!«

Da sie dem Heil'gen so geflucht, geflucht dem eig'nen Leben,Hat sie sich Diener ausgesucht, ihr treu und ganz ergeben,Die drangen in des Bischofs Haus wie ungestüme Horden,Den gottgesalbten Mann, o Graus! mit blankem Beil zu morden.

Doch kaum geschah der Todesstreich, so ward er schon gerochen:Der eine Mörder hat sich gleich mit eig'nem Schwert erstochen,

Den andern treibt es her und hin, sein Geist ist ihm geblendet,In Wahnsinn hat die Stifterin der Frevelthat geendet.

Zu Würzburg ist des Martyrs Blut und seiner zwei Genossen,So ihn begleitet treu und gut in finst'rer Nacht geflossen,Zu Würzburg nächst dem Dome nun, Neumünster heißt die Stätte,Wo sie ermordet wurden, ruh'n die drei im Todtenbette.

Nach Würzburg wallt noch jedes Jahr am KilianustageDes Frankenvolkes fromme Schaar und kniet am SarkophageVon Morgens früh bis in die Nacht, und läßt den heil'gen GlaubenDen sein Apostel ihm gebracht durch keinen Feind sich rauben.

241. Vom Bischof Braun (Bruno) zu Würzburg.

J. Müller Würtzb. Chronik. p 364. Fries Würzb. Chron. 1847, S. 158. Gropp Wirtzb. Chron. I., 209. Ertl relatt. cur. Bav. S. 107 u.A.

Braun war ein hochgelehrter frommer und einsichtsvoller Fürst. Einmal mußte er den König Heinrich (III.) auf einem Heereszuge nach Ungarn begleiten. Als das Schiff, auf welchem sich der Kaiser mit Braun befand, gerade den Donaustrudel bei Grein passirte, erhob sich plötzlich auf der Spitze des Felsens am rechten Ufer eine gespenstige Erscheinung in Gestalt eines unförmlichen schwarzen Mannes, welcher dem Schiffe mit schrecklicher Stimme zuschrie: »Hörst du, Bischof Braun, wo willst du hin? Du wirst mir nicht entfliehen; wohin du auch gehest, bleibst du doch mein. Zwar habe ich diesmal nichts mit dir zu schaffen, doch werde ich in Kürze wieder bei dir sein.« Alle, die auf dem Schiffe waren, erschracken heftig ob dieser Anrede und bezeichneten sich mit dem heiligen Kreuze, worauf das Gespenst verschwand. Der Kaiser nahm des Abends im Schlosse Boissenburg sein Absteigequartier. Als er nun nach dem Abendessen in Gesellschaft des Bischofs Braun, des Abtes Alman von Seusenstein und der Hauswirthin Gräfin Reichilt in einem Sommerhause nächst der Donau sich an der frischen Luft und Aussicht weidete, brach mit einem Male der morsche Boden des Sommerhauses ein und die vier Personen fielen in den unteren Stock hinab, wo sich eine Badestube befand. Kaiser Heinrich fiel unbeschädigt mitten in eine mit Wasser gefüllte Badewanne, Bischof Braun aber starb acht Tage darnach am 27. Mai 1045.

242. Das Cyriakus-Panier zu Würzburg.

Monumenta Kilianea (von Reuß) Würzburg 1844, I. Gropp coll. nov. II., 42.

Nach dem Tode des Bischofs Iring von Reinstein im Januar 1266 hatte das Domkapitel neue Bischofswahl vorgenommen. Es waren aber auf die Grafen Konrad von Trimberg und Berthold von Henneberg gleiche Wahlstimmen gefallen und beide bemühten sich eifrigst, in den Besitz des fränkischen Herzogshutes zu gelangen. Während Konrad nach Rom gereist war, bestürmte Berthold das Domkapitel, ihn als Bischof anzuerkennen. Dieses wies jedoch seine Anträge zurück und ernannte einstweilen den Domdechant Berthold von Sternberg zum Stiftspfleger. Zornentbrannt verließ der Henneberger die Stadt, um bald mit einem mächtigen Heere wiederzukommen. Unterdessen traf auch der Stiftspfleger gute Vorkehrungen, dem Anfalle eines ungerechten Feindes Widerstand zu leisten. Bald zog die Schaar der Würzburger in's Feld; eine große, mit dem Bilde des heiligen Kilian geschmückte und im Dome geweihte Standarte wurde vorangetragen. Es war am 8. August, dem Cyriakustage, als die Würzburger den an Zahl weit überlegenen, sorglos gelagerten Feind bei Kitzingen angriffen. Nach heißem Kampfe wurden die Henneberger geschlagen. In wilder Flucht stürzten sie über den Main, der sich vom Blute der Erschlagenen röthete. Darauf zog der Stiftspfleger im Triumphe zu Würzburg ein und ließ die geweihte Standarte als Siegeszeichen

im Dome aufhängen. Alljährlich wurde zum Andenken die Cyriakusprozession gefeiert. Das Cyriakuspanier aber wird noch heute in der Sammlung des historischen Vereins bewahrt.

243. Wer das Glück hat, führt die Braut heim.

Fries Würzb. Chronik. N. Ausg. S. 74. Ertl relatt. II., 4; woselbst das Sprüchwort lautet: »wer weiß, wer die Braut heimführt.«

Auf einem Kriegszuge König Ludwigs des Deutschen gegen die Mähren befanden sich auch die Franken, angeführt vom Bischof Arno von Würzburg im Heere. Diese erprobten große Tapferkeit beim Angriffe und trugen auch den Sieg davon. Zufällig hatte damals der Herzog von Behaim seine Tochter mit dem Herzoge von Mähren vermählt und die fürstliche Braut befand sich auf der Reise in das Land ihres Bräutigams. Dies erfuhren Bischof Arno und der Vogt Rudolph von Bayern von aufgefangenen Boten, überfielen den in sorgloser Fröhlichkeit daherkommenden Brautzug, tödteten die Widerspenstigen, nahmen die Braut sammt ihren Jungfrauen gefangen und erbeuteten den ganzen ansehnlichen Brautschatz. Der Herzog von Mähren wartete nun mit den festlich geschmückten Hochzeitgästen vergebens auf die Ankunft seiner geliebten Braut und hatte umsonst die Zurichtungen zu deren Empfang und Bewirthung gemacht, denn Bischof Arno lieferte die gefangene Fürstin an den König aus. Von seinem wohlgelungenen Handstreiche wurde bald in ganz Deutschland mit Ruhm gesprochen. Und weil der Bischof ungeladen zur Hochzeit gekommen und die Braut weggeführt hat, entstand das Sprüchwort: »Wer das Glück hat, führt die Braut heim.«

244. Gustav Adolph in Würzburg.

Von F.J. Freiholz.

Unterm Schalle der Trompeten Zog der wilde Held von Schweden In die Frankenhauptstadt ein. Kinder thäten 's Liedlein summen: Schwed ist kummen, hat genummen Selbst das Blei vom Fensterlein.

Ueberall raubten die Soldaten, Thäten übrall großen Schaden Treulich half ihr König mit. Leer war Würzburg schon an Schätzen, Ach! da sah man mit Entsetzen Wie er zum Spitale schritt.

Doch ein Priester fromm und bieder War des reichen Stiftes Hüter, Und der sprach zum König frei: »Raube nicht und hab' Erbarmen, Dieses Gut gehört den Armen, Das wär Gottesräuberei!«

Und er reichet unterthänig Jetzt dem wilden Schwedenkönig Ein beschriebnes Pergament: »Nimm und lies die Stiftungsgabe, Die ich hier in Händen habe, Es ist Julius Testament!«

Und mit merklichem Verdrusse Las der Schwede an dem Schlusse Julius Drohung, diesen Satz: »Greifet je mit gier'gen Händen Andrem Zweck ihn zuzuwenden Einer nach dem Spittelschatz:

Den will in den letzten Tagen Ich vor Gottes Thron verklagen, Fluch beschwör' ich auf sein Haupt! Ewig soll es so verbleiben Wie es steht in diesem Schreiben, Fluch! wer Aendrung sich erlaubt!«

Da sprach Gustav zu dem Hüter: »Ich belaß euch alle Güter, Keinen Pfennig rühr ich an; Gott behüt, mit diesem Pfaffen Mag ich drüben nichts zu schaffen In der andern Welt mehr han.«

245. Bischof Conrads Mainfahrt.

Von J.B. Goßmann. – J.W. Wolf, deutsche Märchen und Sagen. Leipzig 1845, S. 210. Erasmi Francisci höllischer Proteus S. 397. De Vries de Satan II., S. 345. – Conrad Wilhelm von Wernau von Würzburg und Herzog in Franken, starb 1684.

»Geh, Diener, und halte das Schifflein bereit!Herr Dechant, Ihr gönnt uns Euer Geleit:Die Frühlingssonne, der freundliche Main,Sie locken und laden zur Lustfahrt ein.«

Kein Stündchen verschwand, da verließen das SchloßDer Bischof und Dechant auf schmuckem Roß,Bestiegen selbander das harrende SchiffNach Höchheim zu rudern mainab im Begriff.

Wie spielte die Luft mit den Wimpeln so hold,Wie glänzte die Burg in der Sonne Gold,Wie trieben die Fischlein ihr munteres Spiel,Wie rauschte die Well' um den bauchigen Kiel!

Da wurde dem Bischof im Herzen so warm,Da fühlt er sich ledig von Sorgen und Harm,Da mundet ihm wieder der köstliche Wein,Den drüben die Sonne gewürzt hat am Stein.

Das ist ein Getränk für Dezember und Mai,Und zaubert dem Zecher all Holdes herbei;Das kühlet im Sommer die sengende GlutDas wärmet im Winter das frostige Blut.

Und langsam bewegt sich das Schifflein zur StellDes Frauenklosters von Unterzell,Wo frommgepriesen, zu selbiger Frist,Die Schwester des Bischofs – Aebtissin ist.

Und kommen sieht sie von Weitem den Zug –Und sieht – ist es Täuschung und Sinnentrug? –Und reibt sich die Augen, und starret mit Graus –Die Schwester nach ihrem Bruder hinaus.

Denn vor ihm, da Wimpel und Deck' ihn nicht barg,Lag schwarzumhangen von Tüchern, ein SargUnd Stola darauf und Inful und Stab,So wie er gesenkt wird in's offene Grab.

Da ruft sie die Schwestern herbei auch in Eil'Doch Keiner ward die Erscheinung zu Theil,Sie sah'n in der Helle des sonnigen Lichts,Den Bischof, den Dechant, die Diener, sonst Nichts.

Die Aebtin eilet entsetzt in den Chor,Und sendet Gebete zum Himmel empor,Und klaget: »So früh schon zum Tode bestimmt,Da frisch noch die Lampe des Lebens ihm glimmt!«

Der Bischof reitet zur Stadt zurück:»Ein solcher Tag ist im Leben ein Glück!«Der Bischof reitet hinan auf's Schloß,Steigt ab, und streichelt das muntere Roß.

Das Rößlein wird in den Stall geführt,Da hat's nicht Hafer noch Heu berührt,Dem Bischof drückte zur ewigen Ruh'Der Engel des Todes die Augen zu.

Dies Alles geschah in derselbigen Nacht,Des andern Tags hat die Sonne gelachtSo freundlich, als wie den Tag vorher,Das Roß und den Reiter – sie freut es nicht mehr.

246. Bischof und Marschall.

Von F.J. Freiholz. – Johann Gottfried II. von Gutenberg Bischof und Herzog in Franken 1684-1698.

Nicht immer wohnet Tapferkeit Im blankgeschliffnen Schwerte, Es gibt auch sonst noch tapfre Leut Auf Gottes weiter Erde, Und mancher unterm Pfaffenhut Zeigt in Gefahren großen Muth.

Zu Würzburg in dem Frankenland

Saß auf dem Bischofstuhle Ein edler Herr; an seiner Hand Saß immer seine Buhle; Die liebt er heiß, die liebt er sehr, Sie war auch schön, hieß – Fürstenehr'!

Da kam Türenne, der große Held Ließ nirgends was als – Asche, Und steckte gern die ganze Welt In Frankreichs weite Tasche. Kam auch nach Würzburg, klopfte an, Doch ward ihm hier nicht aufgethan.

Da lacht der Marschall: »Ha bei Gott! Die sollens noch beklagen!« Und läßt dem Bischof wie zum Spott Die kurze Rede sagen: »Komm' morgen selbst zum Bischof Hans, Und eß mit ihm die Martinsgans!«

Doch Hans Gottfried, der tapfre Mann Versammelt seine Franken: »So lang ich auf euch bauen kann, Soll auch mein Muth nicht wanken. Den Kelch vertausch' ich mit dem Schwert, Und schütze euch und euren Herd!«

Da schlägt aus jeder Frankenbrust Ein Jubel gegen Himmel; Das ist ein Leben, eine Lust Ein kriegerisch Gewimmel; Und Jeder nimmt das Schwert zur Hand Zum Schutze für das Vaterland.

Der Bischof spricht zum Feldmarschall Durch seinen Abgesandten: »Es ist zu einem Mittagsmahl Viel Gänsefleisch vorhanden. Dieweil in Franken Gastrecht gilt Sind ihn zu füttern wir gewillt.

Doch käme er zu uns als Feind, Soll dies Brandschatzung heißen, Dann haben wir's nicht so gemeint, Dann gibt es Gäns von Eisen; Und biss' er sich an unsrem Trumpf Auch alle seine Zähne stumpf.

Und alldieweil die Gänse sind Sehr schwierig zu vertragen, So sind wir freundlich ihm gesinnt,

Und füllen ihm den Magen Mit heißem, blutigrothem Wein, Den schenken Kanoniere ein!«

Es stutzt der Marschall, staunt und schaut, Als dieses er vernommen; Auch ist ihm eine Gänsehaut Gar plötzlich überkommen. Hat reiflich drüber nachgedacht, Und klüglich sich davon gemacht.

Drum noch einmal, nicht immer steckt Die Tapferkeit im Schwerte Und manches Pfaffenkleid verdeckt Wie diese Sage lehrte, Zu seiner Unterthanen Glück Ein muth'ges Herz im Mißgeschick.

247. Der heilige Macarius zu Würzburg.

Gropp Wirtzb. Chronik II., 222.

Macarius, ein Mönch aus dem Schottenkloster zu Regensburg, nachmals Abt des Schottenklosters St. Jakob in Würzburg, war nicht sobald zu Würzburg angekommen, als der Ruf seiner Heiligkeit sich verbreitete. Eines Tages kam er in Geschäften zu dem Bischof Embrico, welcher ihn gar freundlich empfing und befahl, nach Landes Gebrauch mit einem guten Trunke Wein zu bewillkommnen. Macarius, fest entschlossen, bei seiner strengen Lebensart und Abbruch von Wein zu verharren, entschuldigte sich ehrfürchtig mit diesen Worten: Mein Vater! ich trinke keinen Wein. Der Bischof versetzte: ich befehle dir aus heiligem Gehorsam, bitte dich auch, daß du zu Ehren des heil. Martyrers Kilian mit mir etwas Weniges von diesem Wein verkostest. Also stund Macarius zwischen zweien Tugenden, des Gehorsams und des Abbruchs, zweifelhaft, welcher von beiden er folgen sollte. Und siehe, er nimmt den eingeschenkten Becher und verkostet etwas Weniges. Alsdann redet er den Bischof an: Hochwürdiger Vater! ihr werdet aus gleicher Lieb euch gefallen lassen, mir aus diesem Becher Bescheid zu thun. Embri co nimmt solchen von dem Abte, verkostet denselben, und da er merkt, daß es Wasser, verwundert er sich über die Maßen, ruft seinen Mundschenk mit dem Verweis, warum er dem Abte Macarius Wasser eingeschenkt, da er doch befohlen, ihm von dem guten Kiliani-Wein zuzubringen. Der Mundschenk betheuerte gar sehr, daß er von dem besten Weine im ganzen bischöflichen Keller herbeigebracht habe. Hierauf hat der Bischof selbst allen Anwesenden den Becher herum getragen und jedem das aus Wein gewordene Wasser zu verkosten gegeben. Alsbald wurde das Wunder in der Stadt bekannt, zu Jedermanns Erstaunen, so daß darob die Glocken geläutet, auch Macarius als ein frommer Diener Gottes von dem Bischof, Hohen und Niedern durch das ganze Land geehrt und gepriesen worden1.

Fußnoten

1 Vgl. die Legende von Mechtildis zu Diessen in Zimmermanns geistl. Kal. I., 138.

248. Das Grab im neuen Münster zu Würzburg.

Von August Stöber.

Im Lorenzgarten liegt ein Stein An einer kühlen Stelle, Da schwirren die Vöglein aus und ein, Und pfeifen und singen helle.

Es ist ein alter Leichenstein Von Trauerweiden beschattet, Darunter liegt im engen Schrein Ein Sängerherz bestattet.

Die Vöglein waren seine Lust, Es hörte gern ihr Singen, Und hüpfte selber in der Brust, Wie muntre Vöglein springen.

Der Sänger lauschte mit Acht und Müh, Der Lerche Ton zu lernen: Auch schallt sein Lied wie morgenfrüh Aus himmelblauen Fernen.

Er lernte von der Nachtigall Das innigliche Kosen: Drum singt er oft mit süßem Schall Von Minnelust und Rosen.

Auch liebt er, wie die Vögelein, Ein Wanderleben zu führen, Und Gärten und Felder aus und ein Die Flügel frisch zu rühren.

So streift er über den Wiesengrund Und über die Bergesgipfel, Bis er ein warmes Nestchen fand Auf einem stolzen Wipfel.

An Vögel mahnt des Sängers Nam', Ein Vöglein saß im Schilde, Und als er nun zu sterben kam, Bedacht' er sie gar milde.

»Vier Löcher höhlt in meinen Stein, Und senkt darein vier Tröglein, Und schüttet Wasser und Körner ein Für meine lieben Vöglein!«

Und was er bat im letzten Drang, Willfahret ward ihm eilig; Die Klosterbrüder hielten lang Des Sängers Willen heilig.

Herr Walther von der Vogelweid Ist unser Meister geheißen; Noch fliegen Vögel aus Wald und Haid Und singen ihm frische Weisen.

249. Des Minnesängers Vermächtniß.

Von Langbein.

»Walther von der Vogelweide Nennt mich alten Mann die Welt, Und ein Weidplatz, wann ich scheide, Sei den Vögelein bestellt.«

»Meinen Leichnam zu bedecken, Wählet einen flachen Stein, Und vier Höhlen an den Ecken Meiselt tief und sauber ein.«

»Füllet täglich diesen Becher Mit des Baches reiner Flut Für die höchst bescheidnen Zecher, Denen Wasser Gnüge thut.«

»Und auf meines Grabsteins Mitte Streut zugleich des Weizens Frucht, Daß die Schaar zu Gast sich bitte, Die oft mühvoll Nahrung sucht.«

Als der gute Minnesänger Sein Vermächtniß so gemacht, Stundet ihm der Tod nicht länger Seinen Gang ins Reich der Nacht.

Und in Würzburg, an dem Orte, Wo er hauste lange Zeit, Ward ihm vor des Münsters Pforte Seine Ruhestatt geweiht.

Ihre grünen Arme streckten Hohe Linden drüber hin Und die Vögelein entdeckten Bald den reichen Fruchtgewinn.

Freudig flogen sie hernieder, Labten sich mit Speis' und Trank, Schwirrten auf die Bäume wieder, Sangen dort dem Geber Dank.

Doch erlebte dies Vermächtniß Leider nur ein nahes Jahr, Ob's zu ewigem Gedächtniß

Gleich unlängst gestiftet war.

Denn der Chorherrn böses Geizen Unterbrach der Spende Lauf, Und sie sammelten den Weizen Für sich selbst zu Kuchen auf.

Auch das Wasser ließ man fehlen, Das behielten Quell und Bach, Jene weingewohnten Kehlen Sehnten nimmer sich danach.

250. Des Malers Rache.

Von Julius Ruttor.

War einst ein junger Maler Zu Würzburg, weitbekannt; Sein Name wird in keiner Der Chroniken genannt. Doch lebt im Volkesmunde Des Malers Rachethat; Ich will es euch erzählen, Wie sich's begeben hat.

Der Maler führt den Pinsel Nach innerm Künstlerdrang; Darum ihm auch vortrefflich Des Heilands Bild gelang. Und weit und breit erschollen War unsers Malers Ruhm; Und seine Bilder prangten Im Tempelheiligthum.

Da war im Reuernkloster Ein Mönch zur selben Zeit, Trotz seinem mächt'gen Geize Im Ruf der Heiligkeit. Der ließ den Maler kommen, Und sprach: »Mein lieber Sohn! Mal' unsrer Kirch' den Heiland, Was heischest du für Lohn?« –

Der Maler sprach: »Zweihundert Bezahlt der Gulden mir; Ich mal' euch unsern Heiland, Schön soll er prangen hier. Doch brauch' ich zwanzig Wochen, Bis er vollendet ist; Ich mal' mit allem Fleiße Das Bild von Jesu Christ.«

Der Priester drauf versprach ihm Den ausgedungnen Lohn; Der Maler ging zur Arbeit Voll Eifer gleich davon. Und als die zwanzig Wochen Vorbei, die Arbeitsfrist; Da ist das Bild vollendet, Das Bild von Jesu Christ.

Er tritt mit seinem Bilde Zum greisen Prior hin; Doch dieser will vom Lohne Die Hälfte weg ihm zieh'n. Da wird der Maler zornig, Vernichtet rasch das Bild, Und droht dem Mönche Rache, Sein Auge rollet wild.

Der Maler eilt nach Hause, Im Herz der Rache Plan: »Dich soll man immer schauen, Weil du mir so gethan.« Und schon am andern Tage Wird neu ein Bild bestellt, Wo Christus wird gezeiget Der schlimmen Judenwelt.

Dieß Bild soll in dem Dome Dort am Altare steh'n. Hört nun, was von dem Maler Dem Mönchen ist gescheh'n. Er malet den Pilatus, Wie er den Heiland zeigt, Und sich zum Judenvolke Vom Altan sprechend neigt:

Seht da den Judenkönig! Seht euren Meister an! – Da schrie das Volk der Juden In seinem irren Wahn: An's Kreuz mit dem Betrüger, Er sprach dem Kaiser Hohn; Den Tod soll er erleiden Als seiner Thaten Lohn!

Und in der Juden Mitte, Da sieht man einen Mann, Mit einem weißen Mantel, Hat braune Kutte an. Das Haupt ist ihm geschoren, Er streckt den Arm empor,

Und feuert an zum Rufen Des Judenvolkes Chor.

Und dieser ist der Prior. – Der Maler Rache sann, Er zeichnet ihn noch schlechter Als jeden jüd'schen Mann. Der Maler ist vergessen, Ihn nennt kein Chronikbuch, Doch jenen geiz'gen Mönchen Verfolgt der Rache Fluch.

Ihn schau'st du auf dem Bilde Zu Würzburg in dem Dom, Wie er dem Volk der Juden Anregt der Bosheit Strom. Der Maler ist vergessen, Sein Nam' wird nicht genannt; Doch seine grimme Rache Zeigt des Altares Wand.

251. Stift Haug.

B. Baader bei Mone, Anz. IV., 411.

Als die Hauger Stiftskirche in Würzburg erbaut werden sollte, machte sich der Baumeister verbindlich, ein schönes Gotteshaus mit hoher Kuppel, ähnlich der Peterskirche in Rom, herzustellen, auch wollte er, wenn das Werk mißlänge, durchaus keinen Lohn dafür. Mit Hülfe des Teufels vollendete er das Gebäude. Als man das Gerüst vom Gewölbe nahm, senkte sich der Bau mit solchem Krachen, daß der Baumeister glaubte, Alles stürze zusammen. Eilends schwang er sich auf sein Pferd und sprengte den Galgenberg hinauf; wurde aber hier vom bösen Feinde geholt. Bis zum heutigen Tag ist die Kirche noch nicht bezahlt. So oft etwas an der Kuppel ausgebessert wird, muß ein Arbeiter dabei das Leben verlieren; was auch im Jahre 1827 wieder der Fall gewesen ist.

252. Das Teufelsthor zu Würzburg.

Von J. Ruttor.

In mitternächt'ger Stunde, Im Arme das Gewehr, So schreitet dort am Thore Die Wache hin und her.

Da kommt ein schwarzer Pudel, Und grinst den Krieger an, Und droht ihn zu zerreißen, Die Wache sieht ihn nah'n.

Da tönt es aus dem Pudel Wie eines Menschen Laut; Dem Krieger scheint's nicht richtig, Als er ihn näher schaut.

»Zurück!« ruft nun die Wache, – Der Pudel weichet nicht. »Zurück!« so schallt es nochmals, Der Spukgeist weichet nicht.

Es schallt zum dritten Male: »Zurück!« – es wirket nicht; Da legt er an und schießet Dem Pudel in's Gesicht.

Und gut hat er getroffen, Der Spukgeist liegt im Blut, Und röchelt vor dem Tode In letzter Lebensglut.

Und als am andern Morgen Den Pudel man beschaut, Ist's eines Studio Leiche In eines Pudels Haut.

Der wollt' die Wache schrecken, Und büßt' den Frevel schwer. Es schrecket wohl kein Studio Vermummt die Wache mehr.

Und kommt die eilfte Stunde, So spukt sein Geist am Thor; Als schwarzer Pudel rennt er Mit weißem Schweif und Ohr.

Und seit die Wache nimmer Am Thore dorten steht, So hält der Teufel selber Dort Wache – ha nun seht!

Was trägt er auf der Schulter? Das ist doch kein Gewehr? Er schultert die Kanone, Ihm ist sie nicht zu schwer.

Noch jetzt spukts dort am Thore In stiller Mitternacht, Wenn Alles rings im Schlummer Und noch der Träumer wacht.

Ich sah den Spuck auch schleichen Jüngst dort entlang der Wand. Das Thor es wird noch heute Das Teufelsthor genannt.

253. Die Residenz zu Würzburg.

Von J. Ruttor.

Die Bauten sind zu Ende, Es prangt der Fürstenbau, Und über ihm sich wölbet Voll Stolz des Himmels Blau.

Die Residenz, die schöne, Sie prangt in Kaiserpracht; Das Werk bald in Vollendung Dem edlen Meister lacht.

Da tritt er vor den Bischof, Und fordert seinen Lohn; Doch dieser zwacket dieses Und jenes ab davon.

Der Meister drob erzürnet, Geräth in bittre Wuth, Und redet zu sich selber In heißer Zornesglut:

»Der Bau soll stets erinnern, Daß er nicht ganz bezahlt; Der Bau wird nicht vollendet, Wie fürstlich er auch strahlt!«

Und tritt zu den Gesellen, Und spricht das herr'sche Wort: »Ein Fenster gegen Norden Bleibt unvollendet dort!«

Und die Gesellen thaten, Wie jener streng befahl; Am Fenster das Gesimse Wird nicht behau'n einmal.

Und noch zu dieser Stunde Ist's unvollendet dort; Der Geist des zorn'gen Meisters, Er wandelt Nachts am Ort.

Versucht's ein and'rer Meister, Das Fenster auszubau'n, Kann er's am Morgen wieder Im alten Stande schau'n.

Drum bleibt es unvollendet, So lang der Bau besteht, Der Wandrer kann es schauen, Der dort vorüber geht.

254. Das Kreuz im Neumünster.

Mündlich.

In der Kirche zum Neumünster in Würzburg ist ein altes Kreuzbild, davon geht die Sage: Als die Schweden in Würzburg hausten, stieg ein Soldat zu Nachtszeit in die Gruft der Neumünsterkirche hinab, in der Absicht, sich des goldenen Kreuzbildes zu bemächtigen, das seine Habgierde gereizt hatte. Doch siehe! als er die räuberische Hand darnach ausstreckt, umschließt ihn das Bild des Gekreuzigten mit beiden Armen und läßt ihn nicht mehr von der Stelle weichen, so viel er auch flucht und lästert und sich mit Gewalt davon losmachen will. So blieb er gefesselt hängen bis zur frühen Morgenstunde. Da nahte sich ein Priester, hörte das Wehklagen des Frevlers und bewirkte durch sein Gebet die Befreiung desselben. Das Kreuzbild aber wird bis auf diese Stunde in dem Neumünster aufbewahrt.

255. Der Schornsteinfeger am Fischmarkt.

Mündlich.

Auf einem Schornstein des Fischmarktes zu Würzburg war früher ein Schornsteinfeger abgemalt zu sehen. Davon erzählt die Sage: Nach der Schlacht bei Nördlingen rief der schwedische Heerführer, welcher damals in Würzburg lag, seine Leute auf dem Fischmarkt zusammen und verkündigte ihnen in schwedischer Sprache, damit es die Würzburger nicht merkten, was bei Nördlingen vorgefallen, und wie man sich schleunigst aus Würzburg zurückziehen müsse; vorher sollte jedoch die Stadt noch einmal männiglich geplündert werden. Diese Anrede hörte Niemand mit an als ein Schornsteinfeger, der aus dem Versteck eines benachbarten Schornsteines lauschte. Derselbe hatte sich früher als Handwerksbursche ein wenig in Schweden umgesehen und so viel von der Sprache gemerkt, daß er die Würzburger alsogleich von der drohenden Gefahr benachrichtigen konnte. Wie das der Magistrat hörte, traf er schnell geeignete Maßregeln, und so mußten die Schweden diesmal mit leeren Säcken aus Würzburg ziehen. Zum Angedenken dieser Begebenheit wurde ein Schornsteinfeger auf den Schornstein eines Hauses am Fischmarkt gemalt.

256. Der Blutstein auf Marienberg.

Mündlich.

In dem Kirchlein der Veste Marienberg bei Würzburg wird ein Stein am Fuße des Altars gezeigt, der von Blut befleckt ist. Davon geht im Volke die Sage: Als die Schweden im Jahre 1631 nach Würzburg kamen und das feste Schloß des Bischofs erstürmten, drang ein wüthender Haufe in die Kirche, woselbst ein greiser Kapuziner am Altare so eben das heilige Meßopfer feierte. Bei dem Anblicke des würdigen Priesters ergrimmt die rohe Schaar und Einer haut ihn meuchlings mit seinem Schwerte nieder. Das Blut des Unschuldigen spritzte auf einen Stein, von welchem es nicht mehr abgewaschen werden konnte. Noch heutiges Tages zeugt der blutige Stein von der unmenschlichen That.

257. Die Geister auf Marienberg.

Mündlich.

Früher wurde jeden Abend auf der Veste Marienberg das Ave Maria getrommelt. Dieser Gebrauch soll daher gekommen sein, weil sich auf eine Zeit um Mitternacht ein Geisterzug mit solchem Brausen und Lärmen vernehmen lassen, daß nicht nur die wachthabenden Soldaten in Schrecken gerathen, sondern auch die Schläfer aus ihrer Ruhe aufgescheucht worden. Man weiß nicht, ob es die Geister erschlagener Schweden oder der von den Schweden Erschlagenen gewesen seien. Das Ave Maria hat sie zur Ruhe gebracht.

258. Der Schenkthurm bei Würzburg.

B. Baader im Anzeiger von Mone 1838, S. 53.

Zu Zell bei Würzburg wurde einst in der Spinnstube gesagt, daß im Schenkthurm ein Hühnernest mit Eiern sei, und dabei demjenigen ein grüner Rock versprochen, der sich getraue, jetzt in der Nacht allein die Eier zu holen. Ein Mädchen erklärte sich zu dem Unternehmen bereit, wenn man ihr einen Ranken schwarz Brod, einen Wetzstein und einen schwarzen Kater verschaffte. Nachdem sie diese Dinge erhalten, ging sie damit hinauf in den öden Bergthurm, fand dort in einer Raufe das Nest und nahm die Eier heraus. Da rief ein grauer Mann ihr zu: »Hättest du deinen rinkenden Rank, deinen wetzenden Wetz und deinen schwarzen Kater nicht, so wollt' ich dir den Hals brechen!« Voll Schrecken lief das Mädchen davon, und brachte zwar die Eier nach Zell, wurde aber krank und starb nach kurzer Zeit.

259. Die versunkene Mühle.

Von F.J. Freiholz. – An der Straße nach Veitshöchheim, wo das Siechenhaus steht.

Es saßen einst vier Gesellen In einer Mühle am Main, Die zechten da und die sangen Manch wüstes Lied darein.

Sie fluchten auf Gott und Teufel, Auf Zeit und auf Ewigkeit; Sie fluchten dem eig'nen Fluchen In ihrer Trunkenheit.

Da tappt es leis an der Thüre, Da tappt es leis an dem Schloß, So daß den wilden Gesellen Der Schweiß vom Antlitz floß.

Sie sitzen ganz still und ruhig, Nur einer springet hervor, Verlacht die feigen Gefährten Und öffnet keck das Thor.

Doch draußen da stehet zitternd In einem ärmlichen Kleid, Mit ihren bittenden Augen Die wunderschönste Maid.

In herrlichen Locken wallet Ihr schwarzes glänzendes Haar, Es bringt das leuchtende Auge Wohl jedem Herz Gefahr.

Da jubelten die Gesellen, Im wilden, lustigen Chor; Es schlug die schüchternen Augen Die holde Maid empor:

»O gebet mir Trank und Speise Und lasset fürder mich ziehn, Ich muß noch heute nach Würzburg, Der Frankenhauptstadt hin.«

»Ho! ho! du mein blödes Täubchen,« So schreit der Erste und lacht, »Du wirst so schnell nicht entwischen, Du bleibst bei mir heut Nacht!«

»Ho! ho!« so schreiet der Zweite, »Komm' Mädel trinke mit mir Und ich verlange nichts weiter Als einen Kuß dafür.«

»Ho! ho!« so schreiet der Dritte, »Ich wünsch' ein Tänzchen mit dir, O komm' schwarzlockiges Mädel Und tanze ein's mit mir.«

Jedoch in der Brust des Vierten, Da wirkt der Liebe Gewalt, Verdrängt die rohe Begierde Durch ihre Huldgestalt.

»O komme,« so rief er freudig, »O komme, holdeste Maid; Ich will dich treulich beschützen, Ich geb dir das Geleit;

Ich liebe dich fest im Herzen, Ich lieb' dich innig und wahr, Trau meinem kräftigen Arme Er schützt dich vor Gefahr.«

Da neiget sich süß erröthend, Zu ihm die herrliche Maid, Aus ihren glühenden Lippen Saugt er sich Seligkeit.

So hielt er fest sie umschlungen Mit seinem kräftigen Arm; Wie ruht am Busen der Liebsten Er gar so süß und warm.

Drob zürnten die drei Gesellen, Und schrie'n und lärmten darein; »Laß Bruder, lasse die Beute, Denn sie ist allgemein.

Es hole sich Jeder selber

Was er für's beste dann hält, So haben wir's stets getrieben, So ist der Lauf der Welt.«

Doch fester hält er im Arme Die ewig theuere Maid, Er faßt die blinkende Waffe, Und ist zum Kampf bereit.

Da stürmen die drei Gesellen, Auf ihren Bruder herein, Und stoßen mordende Dolche Ihm tief in's Herz hinein.

Er sinket verblutend nieder, Das Leben will ihm entfliehn, Da wirft sich seine Geliebte Noch einmal auf ihn hin.

Sie preßt ihn an ihren Busen, Und an ihr pochendes Herz, Sie kühlt mit brennenden Küssen Ihm seinen Todesschmerz.

Doch jach empor von dem Boden, Reißt sie der erste Gesell, Umschlingt das bebende Mädchen Mit seinen Armen schnell.

Er eilt mit ihr zu der Thüre, Und faßt das dröhnende Schloß, Als einer seiner Gefährten, Von hinten ihn erschoß.

Da fassen die zwei Gesellen An beiden Armen die Maid; Doch über ihrem Besitze Entbrannte neu der Streit.

Es kämpfen die zwei Gesellen Um sie auf Leben und Tod; Von ihrem strömenden Blute Ist ringsum alles roth.

Sie stoßen die blut'gen Dolche Zugleich in's Herz sich hinein; Doch während die Zwei sich morden Entkömmt die Maid zum Main.

Hier springt sie in die Fluthen, In's tiefe, ruhige Grab,

Mit ihrem Leid um den Theuren, Mit ihrem Schmerz hinab.

Da bebte es in der Runde, Weit öffnete sich der Main, Zog die verrufene Mühle In seinen Schooß hinein.

Da stehet sie nun noch unten, Und treibet ihr Rad noch heut, Gar viele hörten sie rauschen Zur mitternächt'gen Zeit.

Es schlagen die Wellen höher, Wo einst die Mühle versank, Gar mancher ist hier ertrunken, Der sonst kein Wasser trank.

Drum beten auch alle Schiffer, Beim unterirdischen Haus Ein andächt'ges Vaterunser Zum heil'gen Nicolaus.

260. Die eingemauerte Nonne.

Von F.J. Freiholz.

Bei dem Kloster Himmelspforten Sieht ein Kreuz der Wandersmann Dort ist eingemauert worden Eine Nonne, die gethan, Was ihr Schwur und Pflicht verbot, Darum litt sie diesen Tod.

Und im Volke geht die Sage, Naht dem Kreuz ein Wandersmann Mit der neugiervollen Frage: »Nonne, was hast du gethan, Daß du schuldig des Gerichts?« Horch! da spricht die Nonne – nichts!

261. Bilhildis zu Veitshöchheim.

Gropp coll. nov. script. Wirceb. II., 765 sq. Desselben Wirtzb. Chronik I., 39 ff. u. A. Bechstein a.a.O. S. 28.

Bilhildis war eines angesehenen Frankengrafen Iberich Tochter; ihre Eltern waren beide dem königlichen Hause Dagoberts verwandt; sie wurde geboren in dem Orte, den man heutzutage Veits-Höchheim nennt, und es trug sich zu, daß sie, obschon ihre Eltern Christen waren, das Sacrament der Taufe nicht empfing, weil die landverderblichen Hunnen durch ihre Einfälle den Christenglauben fast ganz vertilgt und alle Priester getödtet, oder zur Flucht gezwungen hatten. Im dritten Jahre ihres Alters kam sie zu einer Verwandten nach Würzburg auf deren Begehren, damit diese an der Holdseligkeit Bilhildis die Freude empfinden möge, die ihr durch den Mangel eigener Töchter versagt war. Diese Verwandte, Kunigunde mit Namen, war

eine fromme, christliche Matrone, die das zarte Kind in den Geheimnissen des Christenglaubens unterrichtete, und auch durch Priester unterrichten ließ, so daß Bilhildis unter die Zahl der Katechumenen aufgenommen wurde, welche demnächst zur Taufe gelangen sollten. Da geschah abermals ein Hunneneinfall, die Taufe der Bilhildis unterblieb, und kam in Vergessenheit, sie selbst aber wußte nicht, daß sie nicht getauft war. Bilhildis erblühte, später wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt, zu einer sehr liebreizenden Jungfrau, die sich jedoch vornehmlich in den Schmuck der Tugend kleidete, und von allen Heidengräueln sich fern hielt, ja schon frühzeitig dahin wirkte, daß gewisse anstößige und der Tugend gefährliche Tänze und Gebräuche abgestellt wurden. Der Ruf ihrer Schönheit, Sitte und Anmuth flog weit in alle Gauen, und drang auch zu den Ohren Hetans, des Thüringerherzogs Radulf Sohn, welcher Wittwer war, und dem von seiner ersten Gemahlin zwei Söhne lebten. Dieser warf ein Auge auf die seltene Jungfrauenperle, und warb um sie. Vergebens wurde Bilhildis Jugend, und der Unterschied des Glaubens eingewendet; der zudringliche Freier ließ sich nicht abweisen, und Bilhildis ward ihm vermählt. Willig dem Gebot ihrer Eltern sich fügend, fand sie reichen Anlaß zu Schmerz und Kümmerniß, da sie wahrnahm, daß ihr Gemahl kein Verlangen nach Bekehrung trug, und an seinem Hofhalt so Manches vorging, was ihren Ansichten und Grundsätzen widerstrebte. Sie lebte daher sehr eingezogen, ascetisch, schmucklos, und unterzog sich harten Bußübungen und Kasteiungen. Als die Zeit kam, daß die Herzogin Bilhildis sich Mutter fühlte, brach ein neuer Krieg aus, und Hetan war besorgt, wohin er seine Gemahlin sicher bringen solle, falls der Ausgang des Krieges für ihn nicht siegreich wäre, und der Feind in das Land bräche. Ungern gab er ihren Bitten und ihrem Verlangen nach, sie zu ihrer Mutter ziehen zu lassen, doch ließ er dieses endlich geschehen. Vielleicht ahnete er, daß Bilhildis im Sinne habe, ihn ganz zu verlassen, die alle ihre Kostbarkeiten und Kleinodien mit sich hinwegnahm, ihre Dienerschaft aber, die sie als Herzogin bis nach Höchheim begleiten mußte, von da zurücksandte. Sie hatte ihr Vorhaben sowohl ihrer Mutter, als dem König Siegbert, ihrem Verwandten, offenbart, und der letztere sagte ihr nicht nur alle Hülfe zu, sondern lud sie auch nach Mainz ein. Da setzte sich Bilhildis mit einigen vertrauten Jungfrauen eines Abends, als Niemand ihre heimliche Flucht ahnete, getrost auf ein Schifflein, und fuhr den Main abwärts. Und es ruderten und lenkten Engel das Schiff, daß es mit wunderbarer Schnelle über den Strom glitt, und mit dem anbrechenden Tage Bilhildis vor Mainz anlegte. Dort lebte sie nun unerkannt und in tiefer Verborgenheit. Bilhildis genas in Mainz eines schönen Prinzen, dem sie den Namen Siegbert beilegen ließ, allein nach wenigen Jahren starb dieses Kind, und nicht lange nachher kam auch die Nachricht, daß Herzog Hetan mit Tode abgegangen sei. Nun war Bilhildis ganz frei und konnte sich nach ihrem Gefallen ohne ein weltliches Hinderniß dem heiligen Leben widmen, wie sie denn auch that. Sie kasteite ihren zarten Leib durch Bußkleider, härene Hemden, Fasten und Schlafentziehung, bis sie die äußerste Abmagerung zur Schau trug. Dabei war sie eine Mutter der Armen, eine Trösterin der Nothleidenden, eine Pflegerin der Kranken, und wurde Stifterin des Klosters Alt-Münzer zu Mainz, (altum Monasterium), zu dessen Gründung und Erbauung sie ihr väterliches Erbtheil verwendete. Hierauf nahm sie ein geistliches Ordenskleid, führte das beschaulichste Leben und war lebhaft in einem übernatürlichen Glauben, fest in Hoffnung, und vollkommen in der Liebe Gottes und des Nächsten. Als das Leben der gottseligen Frau sich zum Ende neigte, offenbarte ein Traum dreien ihrer untergebenen Klosterfrauen, daß Bilhildis, ihre Mutter und Oberin weder das Sacrament der Taufe, noch das der Firmung empfangen habe; dieses Gesicht hinterbrachten die Drei, nach überwundenem Bedenken, der Bilhildis, die aber ihrer Rede wenig Glauben schenkte, bis auch dem Bischof, dem sie sich anvertraute, die gleiche Offenbarung wurde. Nun bereitete Bilhildis sich mit Ernst und Andacht auf den Empfang dieser Sacramente vor, und empfing sie mit gottfreudigem Herzen.

Nach diesem entzog sich die Fromme allen zeitlichen Geschäften, versagte sich dem Zuspruch weltlicher Personen, fastete ganze Tage und ließ ihren Geist durch den Vorschmack himmlischer Freuden sättigen. Als es mit ihr zum Sterben gekommen und ihr seliger Geist eingegangen war in das Friedensreich, erschien um ihre irdische Hülle ein ungewöhnlicher Glanz, und ein wundersamer Wohlgeruch erfüllte ihr Sterbezimmer. Kranke genaßen in der Nähe der Entseelten, Blinde erlangten ihr Gesicht wieder, Tode wandelten. Bilhildis war die erste Heilige des Frankenlandes. Eine spätere, dankbare Zeit stiftete ihr einen Festtag zu Veitshöchheim, ihrer Geburtsstadt, und bewahrte dort ihre Reliquien auf.

262. Maria zu Retzbach im Grünen Thal.

G. Höfling Beschreib. und Gesch. des Marktfleckens Retzbach, S. 53.

Die Herren von Thüngen hielten ein Jagen im grünen Thal bei Retzbach. Da flüchtete sich ein Hase, von einem Geschosse bereits verwundet, in eine kleine Höhle mit sehr schmalem Eingang. Als man der Neugierde wegen aufgegraben, fand man sechs Schuh tief unter der Erde ein fünfthalb Schuh hohes steinernes Muttergottesbild. Das hielten die Ritter für einen Wink von oben und gelobten zur Stelle, eine Kapelle zu Ehren der himmlischen Mutter errichten zu lassen. Also nahm die Wallfahrt Maria Retzbach im Grünen Thal ihren Ursprung.

263. St. Johannisnacht auf der Karleburg.

Von Schöppner. – Karleburg oder Karlsburg bei Karlstadt am Main. – C.v. Falkenstein Buch der Kaisersagen S. 122.

Es macht in der Sankt Johannisnacht Auf Karlsburg ein Zug die Runde; Ein Leichenzug geht still und stumm Im Gemäuer der Burg dreimal herum Zur mitternächtigen Stunde.

Auf jenem Schloß an des Maines Gestad So stolz und luftig zu schauen Erblühte der knospenden Rose gleich Ein Fräulein an Adel und Tugend reich, Die Perle fränkischer Frauen.

Zwei Ritter kamen gezogen von fern, Den Edelstein zu erwerben, Doch weil von Zweien nur Einer allein Als Bräutigam konnte die Liebliche frein, So mußte der Andre verderben.

Nur Einer konnte der glückliche sein, Das kränkte den Anderen bitter; »Du sollst mir theuer bezahlen die Braut, Die wird mit der Klinge dir angetraut!« So schwur der verachtete Ritter.

Und nächtlicher Weile lauert und harrt In glühendem Racheverlangen Der Ritter des Feindes am Felsenthor – Da tritt der glückliche Jüngling hervor,

Von der Liebsten kam er gegangen.

»Willkommen Gesell! willkommen zum Strauß! Jetzt sollst du die Braut dir erwerben! Hier über die zackige Felsenwand Muß einer von uns an des Maines Strand Hinabgeschleudert verderben.«

Und es zucken wie Blitze die Klingen empor Und es rasseln die Schwerter so munter – Ein Schrei und ein Fall! der Jüngling gut Er stürzt getroffen in seinem Blut Die zackigen Felsen hinunter.

Und es macht in der Sankt Johannisnacht Auf Karlsburg ein Zug die Runde; Ein Leichenzug geht still und stumm Mit des Jünglings Sarg in der Burg herum Zur mitternächtigen Stunde.

264. Das Kreuz bei Reußenberg.

Reußenberg Ruine bei Gemünden. – B. Baader in Mone's Anzeiger IV., 409.

Von der Burg auf dem Reußenberg ging jeden Abend eine Magd auf den eine halbe Stunde davon entfernten Sodenberg zur Spinnstube. Um schneller hin und her zu kommen, machte sie einen Bund mit dem Teufel. Eines Abends, als sie wieder heimkehren wollte, regnete es fürchterlich. Die Sodenberger Burgleute redeten ihr zu, noch da zu bleiben; sie aber entgegnete: »Ich gehe fort, und sollte ich auf einem Bock heimreiten!« Wirklich stand auch ein Bock für sie bereit, den sie bestieg, und mit ihm gegen den Reußenberg ritt. Aber ihre Zeit war aus, und in der Hälfte des Weges wurde sie vom Teufel umgebracht. Auf dem Platze, wo dieß geschehen, steht noch heutiges Tages ein steinernes Kreuz.

265. Seyfriedsburg.

Seyfriedsburg bei Gemünden. – B. Baader in Mone's Anz. IV., 410.

Ein Schweinhirtenbube, mit dem Vornamen Fritz, fand einst beim Schwemmen seiner Heerde etwas in der Saale. Er rieb sich damit, und wurde fest gegen Hieb und Schuß. Nachdem er unter die Soldaten gegangen war, erwarb er sich im Kriege durch seine Tapferkeit Reichthum und Adel, und erhielt die Erlaubniß, sich ein Schloß zu bauen, wo er wolle. Da wählte er seine Heimath, und ließ unterhalb seines Geburtsdorfes auf demselben Berg eine stattliche Burg erbauen. Dieses Schloß wurde nebst dem Dorfe »Säufritzburg« benannt, weil er in seiner Jugend »Säufritz« geheißen worden1. Viele Jahre hatte die Burg gestanden, als einmal in der Heuärnte ein schweres Gewitter kam. Fast alle Leute, welche auf der an das Schloß grenzenden Wiese beschäftigt waren, wollten nach Hause; eine Magd aber rief:

Es mag donnern oder blitzen, So muß ich meinen Heuhaufen spitzen!

Kaum war dieß gesagt, so fuhr ein gewaltiger Blitz herab und zerstörte das Schloß und erschlug die Magd, und riß Heu und Wiese in's Thal hinunter. Seit dieser Zeit liegt die Burg in Trümmern; das Dorf Seyfriedsburg aber besteht noch heute.

Fußnoten

1 Das ist nun der hörnen Sigfrit in seiner letzten Verwandlung als Sauhirtenbube, – quantum diversus ab illo! und doch noch erkenntlich durch seinen geringen Stand (Schmiedjunge oder Hirtenbube gleichviel), durch sein Bad, seine Unverwundlichkeit, seine Thaten, seinen Hort, ja sogar durch seinen Namen, den das Volk nicht im Wahnwitz, sondern aus einer dunklen, aber festen Erinnerung, daß er in seiner Jugend niedere Arbeit verrichtet hat, so geändert hat. Lehrreich ist dieses Beispiel, weil es beweist, wie die große Sage bis auf die heutige Zeit noch ihre Verwandlungen durchgeht, noch ein Pflanzenleben führt, nachdem der Geist ihr abgestorben, wie zäh daher ihr Leben ist, bis sie endlich in Trümmer und einzelne Bruchstücke zerfallen wird, mit deren Auflösung sie dann völlig untergeht. Mone.

266. Das Schloß der Thüringerfürstin.

Von F.J. Freiholz.

Des Jägers Hüfthorn mischt sich mit dem AbendglockenklangUnd zwischendrein ertönet süß ein reizender Gesang.Wie klang das dem Verirrten doch so hoffnungsfroh in's OhrDer in dem dichtbelaubten Forst vom Wege sich verlor.

Und wie er lauschend stille steht woher der Ton wohl kamUnd leise flüsternd ein Gebet, vom Haupt die Mütze nahm,Da tönt derselbe Zauberklang noch einmal durch den Wald,Noch einmal ruft das Glöcklein ihm, eh' leiser es verhallt.

Rechts klang die Glocke, links das Lied, wohin nun soll er ziehn,Links drängt ihn eine Stimme hin, und eine heißt ihn fliehn;Ob mahnend auch das Glöcklein klang, bezaubernd rief das Lied,So daß des Herzens Widerstreit es siegreich bald entschied.

Links bricht der Fuß durch das Gestrüpp sich rasch erwünschte Bahn,Bald lacht des Himmels dunkles Blau den müden Wandrer an;Es dehnt die reiche Ebne sich vor seinen Blicken aus,Und stolz vom Berge niederblickt ein mächt'ges Ritterhaus.

Wie schlägt die Brust ihm hoch vor Lust! wie wird ihm doch so bang!Da von dem Schloß herniedertönt noch einmal der Gesang;Und freundlich vom Altane winkt ihm zu ein reizend WeibDie reich mit Gold und Edelstein geschmückt den schönen Leib.

Wie er bewundernd stille steht, zu ihr den Blick gewandt,Die in des Waldes Dunkel ihm der Liebe Gruß gesandt,Da hat der Schönheit Allgewalt die Sorge bald verbannt,Die bei der Holden Anblick ihn schier plötzlich übermannt.

Die Freude flügelt seinen Fuß, rasch steigt er auf zur BurgUnd unbehindert schreitet er die Zimmer all hindurch;

Doch vor der letzten Thüre bleibt er bange zögernd stehn,Denn durch der Thüre Spalte hat die Holde er gesehn.

Von ungewissem Dämmerlicht war das Gemach erhellt,Die Harfe die sie kaum noch trug war nebenan gestellt,Doch sie, die seinen Sinn bethört, lag wollustathmend da,So reizend und so zauberisch wie er kein Weib noch sah.

Wild schlägt sein Blut und ungestüm betritt er das Gemach,Was kaum ein kleiner Funken schien wird schnell als Flamme wach;Vor seiner Schönen sinkt auf's Knie er liebeflehend hin,Sie senkt ihr glühend schwarzes Aug voll heißer Gluth auf ihn.

Verzeihung heischt sein banger Blick, daß er zu stürmisch war,Doch sie reicht lüstern ihm zum Kuß die Rosenlippen dar:Und feurig preßt sein starker Arm sie fest an seine Brust,In langen Zügen trinken sie den Becher wilder Lust. –

Doch als des Morgens Frühgold kaum des Schlosses Zinnen säumt,Verläßt ihn leis die Buhlerin, indeß er sorglos träumt.Und als er auf vom Schlummer fährt durch Waffenlärm geweckt,Schon eine rauhe Eisenfaust nach seiner Brust sich streckt.

Doch wie er auch sich sträuben mag, wie er nach Hülfe schreit,Hier ist die eigne Kraft zu schwach und Hülfe nicht bereit.Es schleppt ihn fort der starke Mann zum untersten Verließ,In das die falsche Buhlerin den armen Fremdling stieß.

Da saß er nun mit wirrem Geist, der grübelnd es nicht faßt,Daß, die so brünstig ihn geliebt, ihn jetzt so grimmig haßt;Und als des Abendglöckleins Ruf noch einmal ihm erschallt,Da denkt er wohl wie liebend es ihm gestern rief im Wald.

Es sinkt das müde Haupt zur Ruh, er flüstert ein Gebet,Und mit des Glöckleins letztem Schlag, sein Herzschlag stille steht;Doch oben vom Altane tönt der Zaubrin süßes Lied,Das lockend durch die Lüfte hin, durch Flur und Wälder zieht.

So sang oft Amalberga noch, Thüringens Königin,Und manchen Ritter lockt sie noch zu sich in frevlem Sinn:Von Allen, die da kamen auch, hat Keiner mehr geschaut,Wie außerhalb Saalecks Verließ der Himmel heiter blaut.

267. Der heilige Salzfluß.

Die Nachweise aus Tacitus, Barth, Schmidt, Mannert bei G. Th. Rudhart, Aelteste Geschichte Bayerns S. 30. Grimm d.S. II., 1.

Die Germanen gewannen auf diese Art ihr Salz, daß sie das salzhaltige Wasser auf glühende Bäume goßen. Zwischen den Katten und Hermunduren strömte ein salzreicher Fluß, die fränkische Saale, dessen Besitz ein jeder Theil für sich in Anspruch nahm. Dazu kam noch der Glaube der Germanen, eine solche Gegend sei dem Himmel am nächsten und nirgendwo erhörten die Götter besser die Gebete der Sterblichen; denn durch die Gnade der Götter

entstehe fortwährend das Salz in diesem Flusse und diesen Wäldern. Das Kriegsglück war den Hermunduren günstig, verderblich den Katten, weil die Katten im Falle des Sieges die feindlichen Reihen dem Mars und Mercurius geweiht, ein Gelübde, welches Männer, Rosse und jegliches Leben der Tödtung anheim giebt. Die Drohung traf nun die Katten selbst, denn die Hermunduren übten an den Besiegten, was diese als Sieger gethan haben würden.

268. Die Schlacht am Salzflusse.

Von J.B. Goßmann. – Die Schlacht mag im. J. 57-58 n. Chr. in der Gegend von Kissingen vorgefallen und dem Grabfelde vielleicht von den Gräbern der erschlagenen Katten sein Name geworden sein. G. Th. Rudhart a.a.O. S. 30.

Siehst du's von jenen Bergen niederziehen Mit Sturmeseil' in zott'gen Bärenfellen? Hörst du der Schlachtenhörner Melodieen Wie gräßlich sie, verstärkt durch's Echo, gellen? Es scheint der Fluß, als woll' er scheu entfliehen, In seinem Bett mit Grau'n sich aufzuschwellen! Dem Lande weh, dem diese Rache schwuren, Das sind die fürchterlichen Hermunduren!

Und hörst du's klirren auf der andern Seite, Und siehst du drohend es dort niedereilen? Sie schwingen Aexte, wie zum nahen Streite, Und durch die Wälder schallt ein gräßlich Heulen, Daß Schrecken bei dem Gegner sich verbreite! Dem Lande weh, wo diese feindlich weilen, Es hüllt sich ein in Nacht und Todesschatten Vor ihrem Grimm; das sind die wilden Katten!

Und horch! schon mischen sich im Schlachtgefilde Geheul und Ruf und Kampf und Hörnerklänge! Schon rasseln dumpf auf Schädel und auf Schilde Streithämmer ein und Kolben im Gedränge, Und wilder stürzt zum Streit heran der Wilde, Begeistert durch der Barden Schlachtgesänge! Die Helme sind Geweih und Löwenrachen, Die Panzer aber Häute schupp'ger Drachen!

Wie mähen ungeheure Sichelwagen Im dichtesten Gewühl die Heldenschaaren! Und dichter wirrt der Knäul sich! Weiber tragen Die Todten fort, und werden überfahren! Um deine Quellen ward die Schlacht geschlagen Du Saale dort, von heulenden Barbaren, Und als die Nacht sich senkt' auf deine Fluren, Da floh'n die Katten vor den Hermunduren.

269. Die Saalnixe.

Mündlich.

Am grünen Ufer der Saale saß eine liebreizende Nixe, beschäftigt, mit ihrer Angel Fischlein zu fangen. Diese sah von weitem ein Jäger und ward entzückt von der Schönheit des

Angesichts und dem Liebreize der Gestalt. Schnell eilte er hinunter in's Thal und gesellte sich zur anmuthigen Fischerin. Er bewunderte ihr Geschick, die Fischlein zu angeln und schmeichelte ihr mit schönen Worten. Das Mägdlein aber lächelte schalkhaft und meinte, daß sie wohl noch bessere Angeln als diese verwahre: wer damit gefangen werde, der könne sich nimmer entledigen. Das verstand der Jäger gar wohl, denn er merkte bereits, daß er selbst mit seinem Herzen an dieser Zauberangel gefangen worden. Indessen schätzte er sich glücklich, die Liebe der holdseligen Wasserjungfrau gefunden zu haben und wollte ihr eben den ersten Kuß auf die Lippen drücken – als in demselben Augenblick die Nixe in den Fluthen der Saale verschwand. Da stand nun der arme Liebesjäger und sah der Treulosen nach, und erzählte den Erlen und Saalweiden sein Herzeleid. Und noch heute wandelt der Jäger einsam das Thal auf und ab und klagt in vernehmbaren Tönen sein Schicksal.

270. Des Dörfchens Name.

Von J. Ruttor.

Am Ufer einst der Saale Ein Dörfchen ward erbaut; Es lacht im Sonnenstrahle So niedlich und so traut.

Wie viel der Wandrer kamen An diesen neuen Ort, Erfuhren keinen Namen, Und reisten wieder fort.

Des Dörfchens schlichte Leute, Mit Sprachkunst unbekannt, Da Jedermann sich scheute, Hatten's noch nicht benannt.

Einst kam auf seinem Wege Ein Wandrer in den Gau; Und in dem Feldgehege Stand eine alte Frau.

Und nach dem Dörfchen deutet Der junge Wandersmann; Und da er näher schreitet, Zu fragen er begann:

»Ist's euer Dorf, das niedlich Mir dort entgegenlacht? Es scheinet mir so friedlich, Von stiller Lust umfacht!«

Kaum hat sie dieß vernommen, Da eilet sie nach Haus; Im Dörfchen angekommen, Ruft sie voll Freuden aus:

»O hört es, gute Leute,

Dieß Dörfchen, unbekannt, Es werd' von uns seit heute Stets ›Euerdorf‹ genannt.«

»Denn wißt es, daß so eben Ein Mann, mir unbekannt, Den Namen ihm gegeben, Es ›Euerdorf‹ genannt.«

»Ja,« riefen froh die Leute, »Ihn hat uns Gott gesandt. – Das Dörfchen wird bis heute Noch ›Euerdorf‹ genannt.«

271. Die Eilingsburg bei Kissingen.

Fr. Panzer Beitrag S. 181.

Die Saale fließt an einem Berge vorüber, die Patzeleiten genannt. In dem östlichen steilen, dichtbewaldeten Abhang steht der Sandsteinfelsen zu Tag. Dieser Platz heißt Eilingsburg. In den Felsen führt die Wichtelshöhle, an deren Eingang soll ein hohler Raum sein, gleich einer Kammer, von welchem aus ein schmaler, niedriger Gang bis Aura führen und, nach alter Sage, ganz kleinen Leuten, Wichtelen genannt, zum Aufenthalt gedient haben soll. In Lindes an der Saale, in der Lindesmühl, lebte in alten Zeiten ein Müller, welchen diese Wichtelen zum reichen Mann machten, denn sein Speicher war immer voll Getreid. Einst stieg ein Wichtel über die Treppe nach dem Speicherboden. Obgleich er nur eine Kornähre trug, so kreischte er doch wehleidig und unaufhörlich. Darüber wurde der Müller zornig und rief: »Du Blutkröt, wie kreischt du über dein Aerla Korn!« Auf diese rauhe Rede trugen die Wichtelen alles Getreid fort, und machten den Müller zum armen Mann. Daß vom Schloß Aura ein unterirdischer Gang abzieht, sagt Erzähler, ist gewiß; denn einst wollten die jungen Edelleute den in diesen Gängen verborgenen Schatz suchen; wie sie aber vordrangen, sahen sie drei Gestalten um einen Tisch herum sitzen, welcher ganz mit Gold bedeckt war; sie erschraken und liefen so schnell davon, daß einer über den andern fiel.

272. Jud Schwed in Kissingen.

Bechstein S. 131.

Am Rathhaus der Stadt Kissingen schaut oben ein bärtiger Mannskopf, der sich in den Haaren rauft, als ein Wahrzeichen herab. Das nennen die Einwohner den Jud Schwed und erzählen davon folgende Sage: Im dreißigjährigen Kriege, als die Schweden diese ganze Gegend heimsuchten, wurde auch Kissingen von ihnen belagert und hart bedroht. Doch widerstand die Stadt tapfer und wäre vielleicht nicht erobert worden, wenn nicht ein Jude an ihr zum Verräther geworden wäre. Dieser wußte einen unbewachten Ausgang durch die Mauer und führte die Feinde dort ein. Doch empfing er seinen Lohn und zum Andenken wurde sein Bild, wie er sich aus Reue die Haare ausrauft, am Rathhaus befestigt. Hernach kam es auch, daß man ihn und die Seinen nicht mehr bei ihrem wahren Namen, welcher der Vergessenheit überliefert wurde, rief, sondern Schwed, zur ewigen Erinnerung; und dieser blieb auch, denn noch heute leben Nachkommen von ihm zu Kissingen, welche den Namen Schwed führen. Eine andere Sage von diesem Juden kündet aber gerade das Gegentheil des vorstehenden. Nach dieser goß der Jude für die Bürger Kugeln, welche die geheimnißvolle Eigenschaft hatten, unfehlbar zu treffen, und den Schweden so tödtlich wurden, daß sie abziehen mußten. Darauf wurde des Juden Kopf als Erinnerungszeichen dankbar am Rathhaus angebracht.

273. Wie Kissingen vor den Schweden gerettet ward.

Laur. Helbig alveare cath. p. 874. Gropp coll. nov. script. Wirceb. II., 95. Bechstein S. 132.

Unter der Anführung Reichwalds näherte sich ein Trupp Schweden dem Städtlein Kissingen. Sie lagerten sich in aller Stille auf den benachbarten waldigen Höhen, mit der Absicht, zur Nachtszeit den Angriff zu machen. Nun traf es sich, daß zur selben Zeit etliche Krämer, vom Jahrmarkte heimkehrend, des Weges zogen. Diese bemerkten den im Hinterhalte lauernden Feind und setzten alsbald die Kissinger von der bevorstehenden Gefahr in Kenntniß. Da versammelten sich die Bürger und wandten zu allererst ihre Blicke zur gnadenreichen Mutter des Herrn und begaben sich in ihren Schutz mit frommen Gelübden. Darauf faßten sie Muth und rüsteten sich wacker zum hartnäckigsten Widerstande. Wie nun die Schweden heranrückten und anfingen, das Städtlein zu berennen, wurden sie bald von denen auf der Mauer zurückgeschlagen. Als sie sich aber ermannten und den Angriff erneuerten, fand sich unter den Kissingern ein Bürger, Peter Heil mit Namen, der kam auf den Einfall, man sollte alle Bienenkörbe von ganz Kissingen zusammenbringen und von den Mauern hinunter auf die Feinde werfen. Also geschah es. Zahllose Bienenschwärme stürzten sich auf die betroffenen Feinde und brachten sie mit ihren Stichen in solche Verlegenheit, daß sie den Belagerten gegenüber wehrlos sich in aller Eile auf die Flucht begaben. Die Kissinger aber zogen zum Dank für so wunderbare Rettung alljährlich am dritten Fastensonntag in Prozession von der Pfarrkirche nach dem Kirchlein der Muttergottes, deren Schirm und Schutz sie gefunden hatten. Dem Peter Heil wurde als Denkmal ein steinerner Kopf am Rathhaus gesetzt, den man noch heutiges Tags sehen kann.

274. Schloß Huhnberg.

Bechstein S. 245.

Ueber Nüdlingen, zwischen Münnerstadt und Kissingen gelegen, ist eine Burgstätte auf einem ziemlichen Hügel sichtbar, welche heute Huhnberg genannt wird, vor Alters aber Henneberg genannt wurde, wie eine Urkunde vom Jahre 1243 deutlich aussagt. Den Namen soll Burg und Berg von einem zahmen oder Haushuhn erhalten haben, das zur Zeit, als man die erstere gründen wollte und für dieselbe noch keinen Namen wußte, auf diesen ein Ei gelegt. Zur Unterscheidung des Namens von dem weit früher schon erbauten Stammschlosse Henneberg aber, habe man es später nicht Henne-, sondern Huhnberg genannt, und diese Burg durch das Bild eines Haushuhns von dem Wappen der ersteren, einer Wildhenne, unterschieden. Die Sage verkündet, daß, von Erbauung dieser Burg an, alle hundert Jahre Mittags und Mitternachts ein Huhn auf dem Schloßberge dreimal fröhlich schreie und so das Jahrhundert verkünde, wie man es zuletzt noch, namentlich im Jahr 1742, gehört haben will. Noch soll unter den verschütteten Kellern und Gewölben der Huhnburg viel Geld und Wein verborgen sein. Die Leute erzählen: Jeder, der den Schloßplatz besuche, finde bei seinem ersten Kommen, wenn er nicht an die Schätze denke, und nicht auf deren Hebung ausgehe, eine kleine Oeffnung, welche in die Tiefen hinabführe; benutze er dieses Glück, so könne er reich werden, doch nie werde zum zweitenmale diese Gelegenheit geboten. Wer die Oeffnung finde und einen Stein in sie hinabwerfe, höre diesen nicht auf den Grund fallen, so tief hinab gehen Keller und Gewölbe, so tief ruhen die Schätze. Versuche, durch Nachgrabung sie zu heben, schlugen gänzlich fehl, und mußten bald unterbleiben, denn die Grabenden sahen sich seltsam erschreckt und in ihrem Vorhaben gehindert. Auch wurden Versuche solcher Art obrigkeitlich untersagt. Daher harren die Schätze noch der Erhebung.

275. Botenlauben.

Von Franz Schmidt. – Jäger Gesch. des Klosters Frauenrod im Archiv d. hist. V.f.U.u.A.V., 57. L. Bechstein Geschichte u. Gedichte Otto's von Botenlauben S. 40. Dessen Sagenschatz S. 133. Vaterl. Mag. von Fr. Mayer, 1838, S. 356.

Wie sich die Blasenperle bebend Drängt aus der Lebensquelle Schoos: So ringt sich von des Sängers Herzen Des Liedes Luftgebilde los. Verzeiht, Ihr Freunde dieses Thales, Daß sich ein Harfner Euch gesellt, Und wenn Ihr ruht hier unter Ulmen, Sich mit der Harfe zu Euch stellt! Dort blickt herab die Botenlaube, Einstmals ein stolzes Ritterhaus, Zerstückt, zerstreut jetzt und zerstäubet, Bewohnt nur von der Winde Saus. Einst sah Beatrix, seine Herrin, Herab auf ihren Saala grund, Es maß das Gut ihr stolzes Auge, Das unter ihrem Scepter stund. Da weht ein Lüftchen an die Hehre – Es sank ihr Schleier schnell zu Thal, Sie sann erschreckt und ihr Geträume Sank mit dem Schleier allzumal. »Bin in der Hand des mächt'gen Glückes Ich mehr wohl, als ein dünn Gespinnst: Ein Hauch entfährt aus seinem Munde, Was ich mir zählte zum Gewinnst. Es baue nicht auf diese Erde, Wer stille sel'ge Wonne sucht, Denn zu Vergänglichkeit und Moder Ist alles Erdengut verflucht.« So sann die Gräfin in dem Fenster, Aus dem der Schleier ihr entrann. – Und wo der Schleier ward gefunden, Stieg bald ein Kloster himmelan. Dort stand die Gräfin auch am Fenster, Und sann, wie reich sie sei zur Zeit, Zwar nicht an Gütern nächst der Saale, Doch an der Seelen Seligkeit.

276. Frauenroda.

Von J.B. Goßmann.

Mit still vergnügtem Sinnen Beim Abendsonnenstrahl Steh'n auf den hohen Zinnen Der Ritter und sein Gemahl.

Sie schau'n ihr liebes Franken Und schau'n hinab ins Thal, Und haben fromme Gedanken, Der Ritter und sein Gemahl.

Laßt uns ein Kloster bauen Und beten drin zumal. So sprach die Perl' der Frauen Zum Ritter, ihrem Gemahl.

Das eben ist mein Sinnen, Doch wird mir schwer die Wahl, Wo Raum sei zu gewinnen! Der Ritter so zum Gemahl.

Da kam ein Sturm geflogen Mit großer Gewalt zumal, Der hat den Schleier gezogen Vom Haupte seinem Gemahl.

Ihn trug der Wind im Wehen Wohl über Berg und Thal, Das haben mitangesehen Der Ritter und sein Gemahl.

Ihr Knappen, auf! ihr geschwinden, Zum Suchen auszugeh'n! Wo man den Schleier wird finden, Da soll das Kloster steh'n.

Drei Tage sind verschwunden, Und nach der dritten Nacht, Da wird der Schleier gefunden Und in die Burg gebracht.

Des Klosters Bau wird begonnen, Wo man den Schleier fand, Er ward bestimmt für Nonnen Und Frauenrode genannt.

In selbem Kloster thäten Der Ritter und sein Gemahl Für ihre Seelen beten Gebetlein ohne Zahl.

Im Kloster zu Frauenrode In Zellen eng und schmal, Da ruhen nach ihrem Tode Der Ritter und sein Gemahl.

Dort hängt zur ew'gen Feier Am heiligen Altar, Der wunderbare Schleier, Der Gottes Bote war.

277. Die luftige Brücke.

Bechstein S. 124.

Bei der alten Klosterstätte zu Frauenrode ist es, der Sage nach, nicht geheuer. Lodernde Feuer oder bläuliche Flämmchen werden in gewissen Nächten brennend auf dem Kirchhof oder in der Nähe der Klosterkirche erblickt, welche einen großen dort vergrabenen Schatz anzeigen. Nicht weit von der Kirche erhebt sich ein Hügel, auf welchem vor langen Zeiten erst eine Burg, dann ein Theil des Klostergebäudes gestanden. Von dort führte ein bedeckter Gang nach der Kirche, über welchen die Nonnen schritten, wenn sie auf dem Chor sich versammelten, die Horas zu singen. Man sieht noch überm Portal die vermauerte Oeffnung. Alljährlich in gewissen heiligen Nächten erblickt man diesen Gang durch die Luft und den Zug gespenstiger Nonnen und sieht die Kirche erleuchtet, doch ist es nicht gut lange hinzusehen, noch viel weniger die Kirche dann zu betreten, denn in dieser halten die Geister Mette und es knieen vor dem Altar die Gestalten des Stifters und der Stifterin und hinter ihnen alle, die in der Kirche begraben wurden; von dem Haupte Beatricens weht der weiße Schleier, und auf Otto's Haupte rauschen die Blätter eines welken Lorbeerkranzes geisterhaft im Hauche der Nacht. Nach der Mette ziehen die Nonnen alle still zurück und schwinden in Nebel, wie sie dem Hügel sich nähern.

278. Sterneckerschloß bei Roth nächst Kissingen.

Fr. Panzer Beitrag S. 182.

Auf dem Berg Sterneck stand in alten Zeiten ein Schloß gleichen Namens, welches aber in die Tiefe versunken ist. Von dem Sterneckerschloß zieht, so geht die Sage, ein unterirdischer Gang unter der Saale durch, und hat in dem Thurme des alten Schlosses zu Steinach seine Mündung. Vor Zeiten kamen durch diesen Gang zwei Jungfrauen auf die Kirchweih in Steinach zum Tanze. Sie waren allgemein unter dem Namen: »die Sterneckerfräulein« bekannt. Sie durften nie über die zwölfte Stunde weilen. Einst suchten sie die jungen Leute zu bestimmen, länger zu bleiben; nur eine ließ sich bewegen, und weilte bis zwei Uhr in der Nacht, gerieth aber dann in große Angst und eröffnete ihren Tänzern, daß sie schwerer Strafe nicht entgehen werde; sie möchten nur nach der Saale gehen, zeige diese einen rothen Strich, so habe sie ihre Schuld mit dem Leben gebüßt. Hierauf eilte sie durch den unterirdischen Gang fort. Die jungen Leute sahen die blutigen Wellen. Von nun an kommen die Sterneckerfräulein nicht mehr zum Tanz. Einst ging ein Mann am Weihnachtstag früh fünf Uhr von Steinach nach Windheim. Als er an das Schloß Sterneck kam, sah er eine Schlüsselblume. Er wunderte sich, im Winter eine so schöne Blume zu finden, pflückte und steckte sie auf den Hut. Nun irrte er aber lange im Walde herum, und es war ihm, als ob ihn eine unsichtbare Macht in die Höhe ziehe. In Schrecken und Angst gelangte er vor ein großes Thor eines Schlosses, welches sich von selbst öffnete. Er trat in das Schloß und sah ein weißes Fräulein, neben ihr zwei weiße Tücher ausgebreitet; auf dem einen lag ein Haufe Roggen, auf dem andern ein Haufe Weizen. Dabei lag ein schwarzer Hund. Der Mann faßte Muth, nahm von jedem Haufen eine Handvoll Körner, steckte sie in die Tasche, und verließ das Schloß. Als er ein Stück Weges gegangen war, sah er nach der Schlüsselblume, hatte sie aber nicht. Aber die Körner hatten sich in pures Gold verwandelt. Es reute ihn, daß er nicht mehr genommen hatte. Noch vor nicht langer Zeit, wird erzählt, gruben Schatzgräber im Sterneckerschloß; sie fanden Asche, zusammengeschmolzene Metalle; endlich zogen sie einen Kessel mit Geld herauf; aber schnell errichtete der Teufel hinter ihnen einen Galgen und nannte einen der Schatzgräber mit Namen; voll Schrecken rief dieser: Jesus! Maria! da versank der Schatz, und er hatte nur den Kesselring in der Hand. Eine Frau sah öfter den Schlangenkönig, wie er sich in der Saale badete. Als er einst wieder kam, breitete sie auf der Wiese am Ufer ein weißes Tuch aus, auf welches der Schlangenkönig seine Krone legte. Die Frau nahm die Krone und lief nach ihrer Wohnung; der Schlangenkönig eilte ihr aber so schnell nach, daß die gerade noch zur rechten Zeit die Hausthüre hinter sich zuwerfen konnte,

gegen welche der Schlangenkönig mit solcher Gewalt stieß, daß er todt zu Boden fiel. Die Sage von dem Sterneckerfräulein ist in dortiger Gegend ziemlich verbreitet.

279. Von der Burg Steineck.

Bechstein S. 248.

Im Walde Questenberg, wo sich das Gebirge des Burg Wallbacher Forstes hinabsenkt gegen die sanften Ufer der fränkischen Saale, in der Nähe des ohnweit Bocklet gelegenen Marktfleckens Steinach, hart über dem Dörfchen Roth, liegt heutzutage die Trümmerstätte der ehemaligen Burg Steineck. Diese wurde von Rittern bewohnt, welche ein heilloses Leben führten, täglich zechten, fluchten, und an keinen Gott und keine Erlösung glaubten. Diesen Rittern diente eine alte, fromme und gottesfürchtige Magd, welche öfters in den langen Winterabenden den Tummelplatz roher Lustbarkeiten und Laster verließ, und herabging nach Roth, um bei einfachen und guten Bauersleuten zu spinnen. Einst am Christabend, welcher auf Burg Steineck gänzlich ungefeiert blieb, ging die Alte auch herab, sich mit den befreundeten Leuten der gnadenreichen Geburt des Weltheilandes zu freuen, und blieb über die Mitternachtstunde in Roth. Als sie den Weg zur Burg wieder betrat, und in deren Nähe gelangte, kam es ihr sehr befremdlich vor, daß sie nicht, wie sonst, schon von weitem wüstes Geschrei, Gesang und Becherklirren hörte; noch mehr aber verwunderte sich die Alte, als sie kein erleuchtetes Fenster mehr sah. Endlich mischte sich Schreck, Erstaunen und Grauen in ihrem Innern, als sie die Burg gar nicht wiederfand, sondern an ihrer Stelle nur zerbrochene Außenmauern, und wüste Trümmer. Die Burg war mit sammt den gottlosen Rittern, deren Schändlichkeit in dieser heiligen Nacht ihren Gipfel erreicht hatte, und mit sammt den in ihr aufgehäuften, durch Raub zusammengerafften Schätzen – versunken. Die alte Magd glaubte zu träumen, oder einen Schlaf, ähnlich dem der Siebenschläfer geschlafen zu haben, und ging ganz bestürzt und zitternd wieder nach Roth hinunter, wo sie den Leuten erzählte, was sich zugetragen, sie zu einem gottgefälligen Leben ermahnte, und bald darauf zum ewigen Leben einging. Auf der Trümmerstätte der Burg Steineck aber ist es nicht geheuer. Gespenster haben dort ihr Wesen, vornehmlich in der Christnacht, und doch soll es nur in dieser Nacht möglich sein, die Schätze zu heben, die in ihrem tiefen Schooße ruhen. Manche versuchten das, doch ist es noch Keinem geglückt.

280. Der Todtemannsberg.

Die vor. Schrift S. 121.

Unter den schwarzen Bergen, die sich in der südlichen Nähe des Kreuzberges zwischen Brückenau und Kissingen düster bewaldet erheben, liegt eine Höhe, der Todtemannsberg geheißen, deren Namen die Sage folgender Begebenheit zuschreibt. Ein Reisender verirrte sich zur Winterszeit in diese etwas unwirthbare und öde Gegend, in welcher die Dörfer ziemlich einzeln liegen. Die Nacht übereilte den Mann, er suchte Schutz gegen die Kälte, fand aber keinen andern, als einen Busch, in welchen er, da er vor Ermattung nicht weiter konnte, sich niederkauerte, und entschlief. Er erwachte nicht wieder aus seinem Schlafe und Niemand wußte, wohin der Reisende gekommen. Er ward vermißt, überall gesucht und sein Signalement in Zeitungen beschrieben, doch vergebens: er kehrte nicht zurück. Erst im Vorsommer ließ ein Zufall auf einem hohen Baume am Berg einen todten Körper entdecken. Der Baum war so tief eingeschneit und der Schnee so fest gewesen, daß der Reisende den Baumgipfel für einen Busch gehalten, in welchen er sich gebettet, und als der Schnee hinwegthaute, war sein Leichnam droben ruhig hängen geblieben. Daher vom todtgefundenen Mann des Berges Name.

281. Verwünschtes Schloß Dreistelz.

Die vor. Schrift S. 119.

Ohnweit des schönen Bades Brückenau erhebt sich ein Berg, der Dreistelz geheißen; jetzt liegt auf ihm ein Hof, der Dreistelzhof, vordem aber stand darauf ein prächtiges Schloß, und zwar an der Höhe nach Brückenau zu. In diesem Schloß wohnten drei stolze Damen, und man sagt, daß man diese Fräulein nur die drei Stolzen genannt habe, wegen ihrer absonderlichen Schönheit sowohl, als wegen ihrer großen Pracht und Hoffart; und ihr Haus, das hieß man das Dreistolzenschloß, daraus später Dreistelz geworden ist. Die Fräulein führten ein üppiges Leben, waren aber hart gegen ihre Untergebenen und karg gegen die Armen. Eines Tages, als es auf den Abend zuging, kam ein armer Pilger daher, bat um Einlaß, um einen Imbiß, und um Nachtquartier; doch als sein Begehren den drei Fräulein angesagt wurde, so wurde ihm von seinen drei Bitten weder die eine gewährt, noch die andere, sondern man hieß ihn gehen, und weil er nicht gehen wollte, hetzten die rohen und ebenfalls harten Diener ihn mit Hunden fort. Da rührte der Pilger die Hunde an mit seinem Stabe, und sie verstummten alsbald auf ewig, und fielen todt hin; dann schwang er den Stab gegen das Schloß, und sprach einen erschrecklichen Fluch, und alsbald fuhr das ganze Haus mit allen seinen Bewohnern in den Schooß des Berges hinab, und an seine Stelle trat ein kleiner See. Noch immer ist am Dreistelz die Stätte zu erschauen, wo das Schloß gestanden hat, und zu gewissen Tagen und Stunden hören Sonntagskinder einen Hahn in der Nähe krähen, denn das verwünschte Schloß mit seinen Bewohnern steht noch unter der Erde, darinnen schlafen die Fräulein bis zum jüngsten Tag. Alle drei Jahre aber, an dem Tage, an dem das Schloß verflucht wurde, kräht dreimal der Hahn. Da wachen die Schläfer auf im Bergesschooß, beten ein Ave Maria, und bereuen ihre Missethaten. Manche Leute erzählen auch, daß die verwünschten Fräulein aus dem Berg auf Kirchweihen gekommen seien, und sich unter die tanzenden Mädchen gemischt hätten; doch seien sie immer blaß gewesen, und wären nie über den Glockenschlag zwölf hinaus bei den Tänzen geblieben.

282. Schatz bei Wolfsmünster.

B. Baader bei Mone, Anz. IV., 410.

Bei Wolfsmünster lag am Ufer der Saale ein großer Stein. Ein Zimmermann, der öfters bei Nacht daran vorüber ging, hörte daselbst jedesmal einen Lärm, wie wenn ein Faß den Berg herabrollte. Da dachte er, der Stein möge Schuld sein, und versenkte ihn in den Fluß. Im Boden unter dem Stein war aber ein großer Schatz vergraben, denn als später einmal zwei Gesellen Nachts am andern Ufer gingen, sahen sie auf dem Platze, wo der Stein gelegen, einen Haufen glühender Kohlen. Da sagte der Eine zum Andern: »Sieh', da drüben liegt ein Schatz!« Da waren die Kohlen plötzlich weg.

283. Mariabuchen bei Lohr.

Gropp coll. nov. script. Wirceb. I., 34. J.G. Höfling Beschreib. u. Gesch. von Mariabuchen S. 11.

Unter dem Volke von Franken geht allgemein die Sage von dem Ursprung der Wallfahrt Mariabuchen bei Lohr. Auf dem Platze, wo heutiges Tags das Kirchlein steht, erhob sich vor Zeiten eine gewaltige Buche. Dieser Baum hatte die sonderbare Eigenschaft, daß kein Jude vorübergehen konnte, ohne wie von einer geheimen Kraft gefesselt und angehalten zu werden, während die Christen unbehindert ihres Weges vorüberzogen. Einmal kam ein Jude daher, dem geschah es wie seinen Brüdern, daß er keinen Schritt von dem Baume weiter konnte. Da entbrannte er in Zorn, zog einen Dolch und stieß ihn wüthend in die Buche. Aber o Wunder! alsogleich ertönt aus dem Innern des Baumes ein dreimaliges Wehe! Der Jude sieht seinen Dolch von Blut befleckt und sinkt ohnmächtig vor Schrecken zu Boden. Bald darauf kamen Christen des Weges, hoben den Juden auf und vernahmen aus seinem Munde die seltsame Geschichte. Nun wurde die Buche von Obrigkeits wegen geöffnet, und siehe! ein Bildlein der schmerzhaften Muttergottes gefunden, das von Blut noch geröthet war. Schnell

gelangte der Ruf von dieser Begebenheit bis zu den Ohren des Bischofs Johann von Brun, der ließ auf dem Orte eine Kapelle bauen, welche nachmals durch den Bischof Julius erneuert und vergrößert worden.

284. Die Geisterjagd im Neustadter Forst.

A.v. Herrlein die Sagen des Spessarts S. 132.

Die Klosterherren zu Neustadt versahen den Gottesdienst auf der Burg Rothenfels. Sie waren bei den gastlichen Amtleuten freundlich aufgenommen und es kam manches Mal der späte Abend herbei, bis sie die Burg verließen. Einst an einem Feiertage nach bereits eingetroffener Nacht schritt ein Klosterherr von Rothenfels am Maine hin gegen Neustadt. Da hörte er von Würzburg her lustigen Hörnerschall herüberklingen, der erst sehr entfernt war, aber schnell näher kam. Der Klosterherr lauschte festgebannt den wunderlieblichen Klängen und heller und heller ertönte es und herüber über den Main kam ein glänzender Zug, voraus reitende Jäger mit den klingenden Hörnern, dann stattliche geistliche Herren und Ritter hoch zu Rosse mit dem Jagdspeer in der Faust, dann Karossen mit schönen Frauen, endlich ein großer Troß, berittene und unberittene, mit Jagdgeräthe und den Bracken an der Leine. Der Zug schwebte, ohne Land oder Wasser zu berühren, an dem erschrockenen Klosterherrn vorüber und verlor sich in dem großen Klosterwalde. Im darauf folgenden Jahre traf sich's, daß der nämliche Klosterherr an demselben Feiertage wieder den Gottesdienst auf der Rothenfelser Burg abhielt. Auch dieses Mal ging er in der Nacht nach Neustadt. Und wieder hörte er den Hörnerklang, und wieder erschien der Jagdzug und verlor sich, wie das erste Mal im Neustadter Forst. Daheim im Kloster erzählte der Herr, was er zwei Male erlebt, und hörte, daß vor vielen Jahren eine Gesellschaft von hohen geistlichen Herren, Rittern und Frauen aus Würzburg acht Tage im Kloster sich aufgehalten, um der Jagdlust zu genießen, und daß sie selbst am Freitage die Jagd nicht ausgesetzt hätten, weßhalb sie wohl auch nach ihrem Tode die Geisterjagd abhalten müßten.

285. Der Bildstock bei Rothenfels.

B. Baader in Mone's Anz. IV., 408. L. Braunfels Mainufer, S. 285.

Am Bergwege von Rothenfels auf das dortige Schloß steht ein steinerner Bildstock, worauf eine knieende Frau ausgehauen ist, die betend zu einem himmlischen Strahl aufsieht. Ein Judenmädchen, das katholisch werden wollte, und daher Verstoßung und Enterbung von den Seinigen zu erwarten hatte, dachte einst auf diesem Platze: wenn ich katholisch werde, wie wird es mir ergehen, dann habe ich Niemand mehr! Da kam ein Lichtstrahl vom Himmel, und eine Stimme rief daher: »Dann hast du Gott!« Auf dieses trat das Mädchen in die katholische Kirche, und fand alle Unterstützung bei seinen neuen Glaubensgenossen, die auch nachmals den Bildstock errichteten.

286. Die Wettenburg.

A.C. Cammerer Naturwunder, S. 231. F.J. Mone Anzeiger IV., 407. L. Braunfels Mainufer S. 289.

Im südlichsten Theile des Herrschaftsgerichtes Kreuzwertheim im Untermainkreise, erhebt sich ein steiler Berg, die Wettenburg genannt, auf drei Seiten vom Main umflossen, und mit der Blume des Wertheimer Weines prangend. Der Name des Berges stammt der Sage nach von einer Burg, die ehemals seinen Scheitel krönte. Eine reiche Gräfin, so erzählet man, die Besitzerin der Burg wollte den Berg auch noch auf der vierten Seite vom Main umgeben wissen. Ihre Unterthanen erlagen fast unter der Last der Frohnarbeiten zu dem ungeheuern Unternehmen. Hindernisse aller Art veranlaßten endlich die Gräfin, jedem ihrer Freunde und Vasallen eine Wette für das Gelingen des Unternehmens anzubieten.

Sie warf einen blitzenden Demantring in die Fluth, und sprach: »So gewiß dieser Ring nimmer in meine Hände kommt, so gewiß muß der Berg durchgraben werden, wo nicht, so versinke meine Burg.« Ein furchtbarer Donnerschlag aus heiterem Himmel zeugte von ihrem Frevel. Am zweiten Abend saß die Dame in großer Gesellschaft bis Mitternacht bei üppigem Schmause. Ein großer Fisch ward endlich aufgetragen und beim Zerlegen in dessen Eingeweiden der in die Fluthen geschleuderte Ring gefunden. Alles entsetzte sich; aber mit dem letzten Schlage der Geisterstunde sank unter Donner und Blitz die Burg mit ihren Bewohnern in die Tiefe des Stromes. Nur wenige Trümmer und ein tiefer Schacht bezeichnen noch die Stelle des Schlosses. In diesen Schacht ließ sich einmal ein Hirt an einem Seil hinab, und hatte seinen oben gebliebenen Gefährten angewiesen, ihn auf ein gegebenes Zeichen sogleich herauszuziehen. Er kam in einen Saal, worin ein schwarzer Hund lag, und etliche Männer und Frauen in alter Tracht regungslos, wie Standbilder, beisammen saßen. Da faßte ihn ein Grausen und schnell ließ er sich hinaufziehen. Einen Schäfer, welcher ein andermal hinunter gestiegen war, führte eine Frau, die Herrlichkeiten des Schlosses ihm zeigend, durch viele Gemächer, zuletzt in eines, worin lauter Todtenköpfe sich befanden. Als er aus dem Berge kam, erfuhr er, daß seit seinem Hineinsteigen nicht, wie er geglaubt hatte, einige Stunden, sondern sieben ganze Jahre verflossen waren. Heutiges Tages ist auch der Schacht nicht mehr zu sehen; wohl aber hört man noch Glockengeläute aus der Tiefe des Berges. Jedes siebente Jahr erscheint die Burg in der Tiefe des Mains; und alsdann erblicken Sonntagskinder auf der Berghöhe einen einsamen Felsen, daran ein gewaltiger Eisenring befestigt ist, und eine tiefe Höhle daneben. Aber noch Keiner hat sich in die Höhle gewagt. An einem solchen wunderbaren Tage hat einst ein Faßbinder sein Messer neben den eisernen Ring gelegt; da fühlte er einen unwiderstehlichen Drang zum Einschlafen. Und wie er erwachte, war mit dem Ring und Felsen auch das Bandmesser verschwunden; aber als er nach genau sieben Jahren abermals hinkam, lag es wieder auf derselben Stelle.

287. Der Siebener Tanz zu Kreuzwertheim.

Von J. Ruttor.

Was ist für ein Klagen im Dorfe? Was deutet des Glöckleins Klang? – Es wüthet der Tod, ach, der schwarze, Durch alle Häuser entlang.

Und immer grimmiger hauset Des schwarzen Todes Kraft; Fast Alle liegen im Grabe, Er hat sie weggerafft.

Die Häuser stehen entleeret, Sind ihre Bewohner ja todt. Acht Nachtbarn nur begrüßen Einst noch das Morgenroth.

Sie theilen die Güter der Andern, Und werden Achtherren genannt; Sie waren reich geworden An Häusern und an Land.

Bald raffte der Tod auch diese Hinweg ins öde Grab; Sie mußten von sich legen Des Lebens Wanderstab.

Und als der letzte der Achter Sein Ende nahe sah: Da standen sieben Söhne Vor seinem Bette da.

Er theilte die reiche Habe Den Söhnen aus und spricht: »Vergesset, liebe Kinder, Der bösen Zeiten nicht.

Doch freut euch des Wechsels der Zeiten, Wenn jährlich der Mai sich erneut; Hinaus zum Walde ziehet, Und singt ein Lied erfreut.

Des Waldes schönste Eiche Laßt fallen unter'm Beil, Mit Weibern und mit Kindern Tanzt um ihn eine Weil.

Das Geld, das ihr draus löset, Vertrinkt dabei voll Lust, An diesem Tag soll freuen Sich hier jedwede Brust.«

Der Alte schloß die Augen, Sein Wille ward erfüllt; Am ersten Tag des Maien Ward jedes Leid verhüllt.

Da ward getanzt, gejubelt, Da ward so froh gezecht; Der Siebner Tanz vererbte Sich auf das junge Geschlecht.

Noch heute, wenn der Maimond Erscheint im Blütenkranz, Wird in dem Land gefeiert Der lust'ge Siebnertanz.

288. Engelstadt bei Prozelten.

Hänle und Spruner Handb. für Mainreisende S. 147.

In einer Schlacht in Böhmen hatte Heinrich der Finkler Kyrie eleyson zum Schlachtgeschrei. Und siehe da! die Engel kamen, um ihm zu helfen. Zum Andenken daran hat er die Burg bauen lassen und sie Engelstadt geheißen. Fünf unterirdische Keller führten von ihr nach der

Stadt Prozelten, und einer nach Faulenbach, woselbst auch ein Keller ist, der sich durch einen ganzen Weinberg erstreckt. Im Schlosse aber ist es nicht geheuer. Schon die letzte Hennebergerin wollte nicht mehr darin hausen, weil sie jenseits des Mains auf Mondfelder Markung Nachts so viele Flammen und Lichter brennen sah, daß es ihr davon unheimlich wurde. Diese Flammen leuchten über den Schätzen, welche hier und in der ganzen Burg verborgen liegen.

289. Der Geisfuß.

A.v. Herrlein S. 123.

Vor vielen Jahren hörte einmal ein Fischer von Langenprozelten auf der andern Seite des Maines »Fährer hol!« rufen. Es war schon Nacht und ein abscheuliches Wetter; ein dichtes Schneegestöber ließ kaum drei Schritte weit sehen und der Sturm heulte, daß man fast sein eignes Wort nicht hörte. Dennoch klang das »Fährer hol!« deutlich und laut herüber. Den Fischer dauerte die arme Seele, die bei solchem Unwetter auf die Ueberfahrt harrte, er entschloß sich, den Rufer abzuholen. Er war noch nicht ganz am linken Ufer, da sprang ein kräftiger, großer Mann in einem dunkeln Mantel hinein, und der Nachen sank augenblicklich so tief in's Wasser, daß der Rand kaum fingersbreit war. Der Fischer ruderte aus Leibeskräften, um den unheimlichen Gast bald an's Land zu bringen, und der sprang auch, sobald er in die Nähe des rechten Ufers gelangte, hinaus, und eilte ohne Lohn und Dank davon. Der Fischer war nur froh, daß der unheimliche Mann fort war, und verzichtete gern auf den Fahrlohn; den andern Morgen betrachtete er sich die Stelle, wo der Mann an das Ufer gesprungen, und fand im harten Gestein eine große Geisklaue tief eingedrückt. – Die Geisklaue ist unterhalb Langenprozelten noch zu sehen.

290. Die Herren von Rüdt.

Hänle u. Spruner Handbuch für Mainreisende S. 148. L. Braunfels Mainufer S. 305.

Nach dem Erlöschen des Geschlechtes der Cuglenberg kam ihre Burg an die Herren von Rüdt, welche sich seitdem Rüdt von Kollenberg nannten. Von diesem Geschlechte geht eine Familiensage, die häufig wiederkehrt. Einer der Ahnen dieses Hauses war kinderlos. Darüber war er voll Grimm und Unmuth, so daß er rauh und mißgünstig wurde, und die Armen mißhandelte. Einst kam ein Bettelweib mit sechs Kindern vor seine Thüre und flehte um eine Gabe; er aber hetzte sie mit Rüden von der Burg. Da fluchte ihm das Weib: Weil du so geizig bist, so möge dir dein Weib ein ganzes Dutzend Kinder auf einmal gebären, auf daß sie all das Deine verzehren und vernichten! Und siehe, die Rittersfrau gebar ihrem Gemahl wirklich zwölf Söhnlein auf einmal. Da nahm der geizige Herr eilf von den Kindern und befahl seinem Jägersknechte, er solle ihm diese eilf Rüden in's Wasser werfen. Allein sie wurden wunderbar erhalten, kehrten als Männer in's väterliche Haus zurück und lösten durch fromme Thaten den Fluch der Bettlerin. Sie nannten sich aber Rüden zum Angedenken des Tages, wo man sie in's Wasser warf. Andere erzählen, die Rittersfrau selbst habe jene Bettlerin abgewiesen, und nach ihrer Niederkunft die eilf Knäblein in den Main zu werfen befohlen; der Ritter habe jedoch die That vor der Ausführung entdeckt und die Kinder bis zum einundzwanzigsten Jahr in der Fremde erziehen lassen. Alsdann habe er sie auf's Schloß geführt und die Mutter gefragt: Welche Strafe eine Mutter verdiene, welche ihr Kind ermorde? Da sagte die Frau: Man soll ein Faß mit langen Nägeln rundum beschlagen, sie hineinwerfen, und den Berg hinunterrollen. Da holte der Ritter seine Söhne herbei, gab sie der Frau zu erkennen, und gebot, die angegebene Strafe an ihr selbst zu vollziehen. Allein die Fürbitte der Söhne rettete die Mutter, die sich schon lange Jahre in Reue verzehrt hatte.

291. Riesensäulen bei Miltenberg.

Grimm d.S. I., 26.

Bei Miltenberg oder Kleinen-Heubach auf einem hohen Gebirg im Wald, sind neun gewaltige, große steinerne Säulen zu sehen und daran die Handgriffe, wie sie von den Riesen im Arbeiten herumgedreht worden, damit eine Brücke über den Main zu bauen; solches haben die alten Leute je nach und nach ihren Kindern erzählt, auf daß in dieser Gegend vor Zeiten viele Riesen sich aufgehalten.

292. Das Kloster auf dem Engelsberge.

Von J.F. Adrian. – Ph. J. Mädler das Kloster auf dem Engelsberg. 1840.

Dort oben auf des Berges Rücken Erglänzt im goldnen Sonnenschein Ein Kloster vor des Wandrers Blicken Und ladet still zur Andacht ein. Wie dieses Kloster hier gegründet, Das fromme Wort euch jetzt verkündet.

Vor Alters stand an dieser Stelle, Von Eichen friedlich still umhüllt, Wohl eine heilige Kapelle Mit Maria's wundervollem Bild, Und viele Pilger kamen, Die Hülf' und Tröstung von ihm nahmen.

Wenn Sommernächt' den Himmelsbogen Mit ihrem goldnen Sternentanz Und hellem Mondenschein umzogen, Da strahlt um's Kirchlein Heil'genglanz, Und Engelein auf Himmelsschwingen Umschwebten es mit süßem Singen.

Und an dem Bild der heil'gen Frauen Da war in stiller, klarer Nacht Ein helles Lichtlein stets zu schauen, Das flammt in hehrer Himmelspracht, Und glänzte durch der Eichen Dunkel In's Thal ein sel'ges Sterngefunkel.

Und andachtsvoll aus allen Gauen Die Menge hin zum Berge wallt, Das heil'ge Wunderbild zu schauen, Durch treuer Bitten Allgewalt Des Himmels Hülf' sich zu erflehen – Getröstet All' von dannen gehen.

Da wölben sich zu hohen Hallen Der Eich' und Fichte kräft'ge Höh'n, Und fromme Mönche sieht man wallen Und betend an dem Bilde steh'n, Und Segen strömt vom Wunderbilde Hinab auf blüh'nde Maingefilde.

Und weil, wo holde Englein sangen, Auf ihr Geheiß der Bau entstand Ward auf des gläub'gen Volks Verlangen Das Kloster Engelsberg genannt: In manches Herz, von Freud' geschieden Quillt da der Engel reiner Frieden.

Noch oft, bei goldnem Sternenreigen Entzücket frommer Mönche Ohr Mit süßem Klang von Harf' und Geigen Der lieben Englein Feierchor; Gott preisend sinken dann die Brüder In tiefer Andacht Gluten nieder.

293. Das Lisbethchen von Mönchberg.

A.v. Herrlein S. 221.

Am Eingang des Wildenseer Grundes liegt links der Münzplattenberg, auf dem sonst der Eschauer Galgen stand. Der Hensle ist noch dort gehenkt, und die Schmidts Christine mit dem Schwert hingerichtet worden. Wo der Wildenseer Grund aber nach Mönchberg hinüberbiegt, oberhalb der Waldmühle, auf der Mönchberger Seite, ist ein Platz, der »Hexenbrand,« und dabei ein Brunnen, das »Hexenbrünnlein« genannt. Dort haben vor Zeiten die Mönchberger ihre Hexen verbrannt und der Platz hat davon seinen Namen. Wenn die Schäfer sonst des Nachts auf dem Wirbel die Schafe hüteten, sahen sie drüben oft ein Feuer glimmen – sobald sie doch hinzugingen, war's aus und keine Asche und keine Kohle zu sehen. Gras wuchs noch vor zwanzig Jahren keines auf dem Platz, jetzt aber wird er wohl eingesäet sein. Auf dem Hexenbrand nun liegt ein Mönchberger Schultheiß begraben, der Staudersjörg genannt, und das Lisbethchen von Mönchberg wäre auch beinahe dahin begraben worden, wenn das Unglück hätte seinen Willen haben dürfen. Der Staudersjörg war sehr reich, aber ein böser Mensch und ein Hexenmeister, wie keiner. Obwohl's dem Amtmann und der ganzen Gemeinde bekannt war, wollte sich doch Keiner an ihn wagen aus Furcht, daß er ihm ein's anthun möchte und er ward je länger, desto kecker und hatte seine Hand in allen schlimmen Händeln. Endlich aber, nachdem er's viele Jahre getrieben, kam ein neuer Amtmann, der war sehr scharf und wollte dem Gräuel mit Ernst ein Ende machen. Da hatte er's denn vor Allem auf den Staudersjörg abgesehen und that Befehl, ihn einzubringen. Wie der's hörte, wußte er wohl, daß es ihm an's Leben gehen würde, machte aber nicht Reu und Leid, sondern wurde so falsch, daß er gern die ganze Welt umgebracht hätte, wenn's nur in seiner Gewalt gestanden wäre. In seinem Zorn geht er in den Stall und sticht die beste Kuh todt, die er besaß. Dann geht er hinaus an das Hexenbrünnlein, wo er eine Wiese hatte, und findet dort das Lisbethchen, die als Magd bei ihm diente, mit dem Grasstumpf Futter machen. Sie war auch aus Mönchberg und rechtschaffener Leute Kind. Wie er sie sieht, schreit er sie an: sie habe ihm seine beste Kuh verfüttert, daheim liege sie maustodt im Stall und sie müsse sie nun bezahlen, wenn nicht, so wolle er sie in den Thurm setzen und krumm schließen lassen, und Vater und Mutter dazu, und wollte ihr ein solches Geschrei im ganzen Land anrichten, daß sie keinem Menschen mehr unter die Augen treten dürfe. Darüber entsetzte sich das Mädchen so sehr, daß sie laut jammerte und die Hand wand, und als er wieder fortgegangen war, jammerte sie immer noch und wußte sich nicht zu helfen. Da steht mit einem Mal Einer neben ihr und fragt, warum sie so thue? Ja, sagt sie, sie habe ihrem Herrn die beste Kuh verfüttert und könne doch nichts dazu; nun solle sie die Kuh bezahlen und hätte kein Geld, und ihre Eltern auch nicht. Wenn's Einem so gehen könne, so

müsse doch kein Gott im Himmel sein. Ei, sagte der Andere, das glaube er auch nicht; er sei ein besserer Freund und wenn sie ihm ihre Seele verschreiben wollte, solle das gleich zu Handen sein. Weil sie nun vor Angst nicht mehr wußte, was sie that, versprach sie's – der Fremde aber war der Teufel. Sie wollte mit ihm heimgehen und unterschreiben, er sagte aber, das sei nicht nöthig; Feder und Papier habe er bei sich, und vom Finger laufe ihr ja Blut, damit könne sie auch unterschreiben. Sie betrachtete ihre Hand und wirklich! sie hatte sich mit dem Grasstumpf geschnitten, – das war sie aber vorher nicht weiß geworden. Sie unterschreibt also, und der Teufel gibt ihr einen Beutel mit Geld und geht davon, sie aber hebt das Tuch mit dem Gras auf den Kopf und geht heim. Im Vorbeigehen an ihrem väterlichen Haus hört sie drinnen ihre Mutter wimmern, als ob sie krank wäre. Wie sie nun eilends in die Scheuer tritt und das Gras in's Tenne geworfen hat, sieht sie ihren Herrn vor sich: er hatte sich an einen Balken aufgehängt, weil er sich nicht wollte brennen lassen. Dann geht sie in den Stall, um nach der Kuh zu sehen und wird gewahr, daß die Kuh nicht verfüttert, sondern todtgestochen war mit Fleiß und Absicht. Da fällt's ihr centnerschwer auf's Herz, daß sie umsonst ihre Seele dem Teufel verschrieben habe, jammert noch mehr, als zuvor und läuft zu dem Pfarrer, erzählt ihm Alles und bittet ihn auf den Knieen, ihr einen Rath zu geben, wie sie ihre arme Seele retten und von dem Bösen loskommen könne, denn ihre Verzweiflung sei groß. Der sagt, sie solle das Geld gleich wegwerfen und in die Kirche gehen und beten und nicht mehr die Kirche verlassen, bis er's ihr sage. So wirft sie denn das Geld in die Scheuer, nimmt das Gebetbuch und will in die Kirche. Unter der Zeit war's Abend geworden. Wie sie nun aus dem Hause tritt, steht der Teufel da, bietet ihr einen guten Abend und sagt: »Ich hab' mein Geld klingen hören, wo willst du hin, – doch nicht in die Kirche?« »Zu meiner Mutter,« sagt das Lisbethchen, »die am Brunnen wohnt, laß mich gehen, ich fürchte mich vor dir,« – und will vorbei. »Warum hast du denn so Eile?« fragte der Teufel, indem er neben ihr hergeht und sie am Rock hält, »nimm mich nur auch mit!« Das Lisbethchen sagt: »Ach, mir ist Angst, sie stirbt und ich seh sie nimmer in alle Ewigkeit.« »Ha!« antwortet der Teufel, »sie wird nicht gleich sterben!« und packt sie bei der Hand. »Laß mich gehen!« bittet das Lisbethchen und hebt an zu weinen und zu schluchzen, »die Hand thut mir wehe, ich habe mich ja heute mit dem Grasstumpf hineingeschnitten,« und ringt mit ihm, aber der Teufel will nicht und hält sie fest, wie mit eisernen Zangen. Indem fängt's vom Kirchthurm an Abend zu läuten, und die Leute, die noch auf der Gasse waren, ziehen den Hut ab und beten, der Teufel aber muß vor Jedem, der betet, stehen bleiben und kann nicht vorbei, als bis er ausgebetet. Wie dieß das Mädchen merkt, fängt sie an zu laufen, geht aber nicht in ihr Haus, sondern will nur so schnell wie möglich die Kirche erreichen und der Teufel bleibt immer weiter zurück, und wie das Mädchen den Berg hinaufgekommen ist und auf die Kirchenstaffel tritt, schaut sie sich um und sieht den Teufel noch wie gebannt unten am Brunnen stehen, – dort stand ihr Vater und betete noch, und sie erkannte ihn an seinem weißen Kittel. Da hört das Läuten auf – und in dem Augenblick kommt der Teufel, wie ein Sturmwind ihr nachgefahren, packt sie am Haare, wie sie gerade die Kirchthüre in die Hand nehmen will, und sagt: »Es hilft dir nichts, Lisbeth! Hättest du das Geschrei nicht gemacht bei dem Pfaffen, so hättest du immer noch eine Weile gute Tage haben können, – jetzt aber ist's aus. Vor einer Stunde habe ich den Herrn geholt, jetzt hole ich die Magd. Aber die Kirche sollst du dir noch einmal ansehen!« Wie er das sagt, fährt er mit ihr in die Höhe und schwenkt sie bei den Haaren dreimal um den Kirchthurm herum. Das Lisbethchen aber fängt an zu beten: »Herr Jesu, dir leb' ich! Herr Jesu dir sterb' ich.« Da muß der Teufel sie auf die Erde niedersetzen; wie er's aber gethan, fällt das Mädchen um und ist todt. Den Staudersjörg haben die Henkersknechte abgeschnitten und auf dem Schinderskarren hinausgeführt auf den Hexenbrand und dort eingescharrt. Für das Lisbethchen aber hat der Pfarrer gebeten, und so haben sie's ehrlich begraben. Seine Mutter ist bald nach ihm auch gestorben, und sein Vater ist weggezogen.

Man soll an unserm Herrgott nicht irre werden – am allerwenigsten, wenn Einem ein Bösewicht bange machen will.

294. Das Glöckchen der Stromfei.

Von Ludwig Köhler. – Deutsches Museum v. L. Bechstein II., 194.

Das war der Graf von Klingenberg, Der zog zum heil'gen Krieg. Er sprach zu seiner Frauen: »Ade, woll' Gott vertrauen Und unsrer Jungfrau gnadenreich, Die gibt uns schönen Sieg!«

Ein silbern Glöcklein gab er ihr. »Nimm's in dein Kämmerlein; So lang es stumm wird hangen, Darfst du um mich nicht bangen, Doch wenn es einstens läuten wird, Werd' ich gestorben sein.

Und wenn du mir die Treue brichst, Das Glöcklein sagt dir's an! Ich starb zur selben Stunde An tiefer Herzenswunde; Das Glöcklein hat die Stromesfei Geschenkt einst meinem Ahn!«

Die Fraue schwur ihm ew'ge Treu Mit Herz und Hand und Mund Der Graf zog drauf von dannen Und Jahr' um Jahre rannen Und aus dem Morgenlande kam Noch immer keine Kund.

Es war ein junger Rittersmann In Lieb zu ihr entbrannt, Er sprach: »o Fraue minniglich, Ich lieb' Euch so herzinniglich, Mehr wohl als Euer Ehgemahl Im fernen Morgenland!«

Ein artig Mährchen sann er Euch Mit seinem Glöcklein aus, Es wird wohl nie erklingen Und von des Todes Schwingen Ereilt, schläft er den langen Schlaf Wohl längst im Grabeshaus.

Die Gräfin fühlte sich bestrickt Von seiner Augen Strahl, Er klopft' mit süßen Worten

An ihres Herzens Pforten So lang, bis sie die Treue brach Dem fernen Ehgemahl.

Und als die Treu gebrochen war, Griff er zum Glöcklein schnell. »Laßt uns das Angedenken Im tiefen Main versenken!« Horch, Wunder! da erklangen draus Drei Schläge silberhell.

Da ward der schönen Sünderin Zu Eis das warme Blut, Sie sprang in lautem Jammer Aus der entweihten Kammer Hinauf zur höchsten Thurmeszinn' Und stürzt sich in die Fluth.

Der Ritter stand wie Marmor bleich Und schaudernd er entwich, Als Mönch mit nackten Füßen Die schwere Schuld zu büßen. – Zur selben Stund' im Morgenland Graf Klingenberg erblich.

295. Die Kapelle im Haßlocher Thal.

L. Braunfels Mainufer S. 301.

Nicht weit von Wertheim am rechten Ufer des Maines liegt das Dorf Haßloch in einem reizenden Thale an der Mündung des Hasselbaches. Verfolgt man das Thal der Hassel aufwärts, so kömmt man an eine verfallene Kapelle, die der Wertheimer Graf Johann mit dem Barte erbaut haben soll. Johann liebte das Jagdvergnügen so leidenschaftlich, daß er sogar den Tag des Herrn mit dem wilden Treiben des Waidwerkes entheiligte. Selbst am Osterfeste ließ er nicht ab davon; da sprang ein weißer Hirsch vor ihm auf und lockte den verfolgenden Jägersmann immer weiter und tiefer in den dichten Wald. Es wurde Nacht; der Graf sank schier verschmachtend zur Erde. Da gedachte er sehnsüchtig seiner lieben, frommen Hausfrau, die ihn oft so flehentlich gewarnt vor dem gottlosen Uebermaaß der Jagdlust. Und plötzlich, wie innige Reue in ihm erwachte, hörte er neben sich ein Brünnlein rauschen; und als er gelabt und gestärkt nun weiter schritt, schallte ein Glöcklein vor ihm, immer vor ihm her, bis ihn der fromme Klang wieder auf seine Burg heimführte. Zum Dank für die wunderbare Errettung baute der Graf an der Stätte, wo ihm die Quelle geflossen, diese kleine Kapelle.

296. Die Frau Hulle.

A.v. Herrlein S. 197.

Auf dem Schellenberge zwischen Haimbuchenthal und Wintersbach stand vor Zeiten ein Schloß, und im Schloßhof ein Lindenbaum. Der war sehr groß und schön und es ging die Sage, so lange der Lindenbaum stehe und grün sei, werde das Schloß auch stehen, wenn er aber dürr und abgängig würde, würde das Schloß verfallen und die Herrenleute würden in's Abwesen gerathen.

In dem Schloß nun lebte einmal ein Schloßherr, der hatte zwei Söhne. Der älteste war sehr groß und schön, der jüngste aber war klein und häßlich. In seiner Jugend hatte er einmal das Bein gebrochen, und man nannte ihn darum nur den krummen Jakob. Wie nun der Schloßherr sein Ende nahe fühlte, ließ er sie beide vor sein Bett kommen, übergab dem Einen das Schloß, als dem Erstgeborenen, und eine große Kiste mit Geld und ermahnte ihn, den Jakob bei sich zu behalten, Zeitlebens ihm brüderlich zu begegnen und an nichts es ihm fehlen zu lassen. Das versprach nun der Aelteste mit Hand und Mund, wie aber der Vater gestorben war und er das Schloß überkommen hatte, hielt er's nicht, vielmehr behandelte er den Bruder schlechter, als den geringsten Taglöhner. Er ließ ihn nicht mit sich am Tische essen und nicht in seinem Schlosse wohnen, sondern er mußte im Stall bei den Pferden schlafen und mit den Hunden aus einer Schüssel essen. Da ging der Jakob, als er sah, daß der Bruder kein brüderliches Herz gegen ihn habe, eines Tages zu ihm und verlangte sein Erbe, denn er wollte sein Glück weiter suchen; der Schloßherr aber gab ihm nichts, sondern schlug ihn und ließ ihn zum Schloß hinauswerfen. Also geht der krumme Jakob traurig fort in den Wald, immer zu, Berg auf Berg ab, und wie er in's Thal kommt, wo heutzutage die Karthause steht und die alte verfallene Kirche, ist's Abends, und er setzt sich unter einen Baum, legt den Kopf in die Hände und weint bitterlich. Wie er wieder aufstehen will, sitzt gegenüber auf einem Stein eine alte Frau mit grauen Haaren und runzlichtem Gesicht, die spinnt und wie sie das Rad tritt, nickt sie in Einem fort dazu mit dem Kopf, – das war die Frau Hulle. Sie hatte eine kleine Platthaube auf dem Kopfe, wie sie die alten Weiber sonst in die Kirche aufzusetzen pflegten, und eben ein solches schwarzes wollenes Mützchen, das nur bis knapp unter die Ellenbogen ging, und darunter vom Ellenbogen bis an die Hände weiße Stauchen. Sie fragt ihn, warum er so traurig sei? er aber sagt: »Ihr könnt mir doch nicht helfen!« und will weiter. »Du bist der krumme Jakob aus dem Schloß,« sagt sie, »ich kenne dich und deinen Bruder und will dir wohl und kann dir helfen, wenn du mir das Zutrauen schenken willst.« Da ging dem krummen Jakob das Herz auf – denn seit seines Vaters Tod hatte noch kein Mensch freundlich ihm zugeredet – und er klagte, wie sein Bruder ihn so schlecht behandelt, wie er sein Erbe ihm vorenthalten, und ihn, wie einen Bettler, aus seinem väterlichen Schloß hinausgeworfen. Die Alte aber sagte: »Komm mit mir, nach drei Jahren wollen wir wieder zu deinem Bruder gehen, vielleicht reut's ihn bis dahin, und er gibt dir dein Eigenthum.« Der Jakob ließ sich das gerne gefallen, und sie nahm ihn mit sich in ihr Häuschen und gab ihm auf, ihren Rosmarinstock zu gießen, und ihre Katze zu füttern, und ihr Flachsfeld zu bauen, und im Winter mußte er Pfahlstecken schneiden für die Weinbergsbauern und Schiffsstangen für die Schiffsleute, und im Frühjahr trug er sie an den Main, um sie zu verkaufen. Wenn die rechte Zeit dazu gekommen war, nahm die Frau Hulle ihren Spinnrocken in die Hand, als einen Gehstock, und ihre Kötze (Huckelkorb) auf den Rücken und packte ihr Garn hinein, um es auch zu verkaufen und ging mit, und wenn dem Jakob die Pfahlstecken und Schiffsstangen zu schwer wurden wegen seines lahmen Beines, nahm sie ihm die Last ab und warf sie mit ihren dürren Armen oben auf die Kötze, als wenn's Strohbürden wären. Zwischen Haßloch aber und Faulbach ist hart am Weg ein Stein, dort ruhte sie jedesmal aus, und wo ihre Kötze mit den Füßen aufstand, sind die Löcher davon heute noch zu sehen. So hatte es der Jakob recht gut bei ihr; dabei lehrte sie ihn alle Bauernarbeit, so daß er sich zuletzt besser darauf verstand, als ein geborner Bauer. Wie aber die drei Jahre um waren, sagte die Alte: »Komm, nun wollen wir zu deinem Bruder gehen!« und nahm ihren Spinnrocken in die Hand und die Kötze auf den Rücken, und der Jakob ging mit. Den Bruder fanden sie im Schloßhof unter der Linde sitzen, – denn es war sehr schwül an dem Tag, und die Linde blühte und gab einen großen Schatten, und die Vögel sangen in ihren Zweigen. Wie sie herankommen, fragt er sie nach ihrem Begehr, und die Frau Hulle nimmt das Wort für den krummen Jakob und sagt, sein Bruder sei da und wolle, was ihm gehöre. Der Schloßherr aber flucht und sagt, wenn sie nicht gleich gingen, wolle er ihr

ihren alten wackeligen Kopf herunterreißen und dem Krummen das andere Bein auch noch lahm schlagen. Da wurde die Alte sehr zornig, nahm ihren Spinnrocken und stieß ihn in die Linde, und alsbald, wie dieß geschehen, fliegen die Vögel auf, und der Baum fängt an zu zittern von der Wurzel bis zum Gipfel, und aus dem Stamm und den Aesten und Zweigen läuft der Saft und tropft auf den Boden, und die Blätter werden gelb und fallen ab, und die Frau Hulle sagt: »O du arger Bösewicht, sieh' her! wie dem Lindenbaum, so soll es dir gehen und deinem Hause, – so sollst du verdorren und verschmachten und absterben, und kein Glück mehr haben ewiglich!« Dann ging sie mit dem Jakob von dannen. Wie sie gesagt hatte, so geschah's. Als der Lindenbaum verdorrt war, da hielt das Schloß nicht mehr. So oft es stürmte, fiel auch ein Thurm, oder eine Mauer ein, und der Regen schwemmte die Steine hinweg, so daß man's nicht mehr aufbauen konnte. Kein Mensch wollte mehr im Schlosse bleiben, und der Schloßherr wohnte im Keller, – dort stand die Geldkiste, und von der wollte er sich nicht trennen, sondern hütete sie Tag und Nacht. Zuletzt, wie nichts mehr vom Schlosse übrig war als der Keller und der verdorrte Lindenbaum, der vor dem Keller stand, kam auf Martini in der Mitternacht ein großer Sturm und warf den Lindenbaum auch um: der fiel gerade vor die Kellerthür und sperrte den Ausgang und der Schloßherr konnte die Thüre nicht mehr aufbringen, wie er sich auch anstemmte und nach Hülfe schrie, und mußte elendiglich auf seiner Geldkiste verhungern. Die Frau Hulle aber wußte das Alles gar wohl, und den Tag nach seinem Tod kommt sie, hebt den Lindenbaum hinweg, öffnet die Kiste und scheidet das Geld in zwei gleiche Theile; den einen läßt sie liegen, den andern nimmt sie mit, und wie sie aus dem Keller tritt, stürzt der auch zusammen. Daheim gibt sie dem Jakob das Geld und sagt: »So! jetzt hat jedweder das Seine – er und du! – wie's der Vater befohlen hat. Nimm, was dein ist, aber den Edelmann schlag dir aus dem Sinn und werd ein Bauer: so kannst du noch Glück haben. Leb wohl, mich wirst du jetzt nicht mehr sehen.« Da nahm der Jakob Abschied und baute sich von dem Gelde einen großen Bauernhof auf dem Hundsrück bei Altenbuch, nahm eine Frau und viel Knechte und Mägde und ward ein großer Bauer. Keine Seuche kam in seinen Stall, und keine Raupen auf seine Obstbäume, und kein Hagelschlag über seine Felder. In der Erntezeit, wenn das Gesinde alle Hände voll zu thun hatte, damit das gute Erntewetter nicht verpaßt würde, geschah es oft, daß, wenn sie in der Früh auf's Feld kamen, die Arbeit schon gethan war, daß die Garben alle geschnitten und gebunden und auf Haufen gestellt waren, daß man sie nur hineinzufahren brauchte. Die Leute sahen sich groß darum an, – der Jakob aber wußte wohl, wer's gethan hatte. Wie ihm sein erster Sohn geboren wurde, und er's den Nachbarsleuten anzuzeigen ging, meinte er in seiner Freude, er müsse der Frau Hulle doch auch davon Meldung thun, und machte sich zu ihr auf den Weg, aber wie er auch suchte und sich die Augen rieb, er konnte weder das Häuschen mehr finden, noch das Thal, in dem das Häuschen gestanden, und nachdem er den ganzen Tag vergeblich im Walde herum gelaufen, fand er sich Abends, als man die Lichter anzündete, wieder vor seinem Bauernhof. Endlich ist er im hohen Alter gestorben. Sein Hof steht noch und der Bauer, der ihn heutzutag im Bestand hat, heißt der Hundsrücks-Philipp.

297. Das Bannkraut.

Die vor. Schrift S. 145.

Im Waldesdunkel auf gewissen Berghöhen wächst ein Kraut, das allen Zauber löst. Wo ein Anderer nur einen Haufen glühender Kohlen erblickt, sieht der Besitzer des Krautes blankes Gold – und was das Kraut berührt, ist der Gewalt der Erdgeister entzogen. Darum bewachen sie auch das Kraut, und obwohl sie nicht im Stande sind, geradezu dessen Abbrechen zu verhindern, so wissen sie doch dem, der es sucht, so vielen Spuck in den Weg zu werfen, daß er nur selten zu seinem Ziele gelangt. Und das Kraut ist nur einmal im Jahre, in der heiligen

Christnacht, während es zwölf Uhr schlägt, zu brechen, und es darf der, welcher es holt, auf dem Wege nicht beschrieen werden und er muß stumm bleiben, bis er wieder heimgekommen. Es ist nicht gar lange, da lebte zu Faulenbach ein Mann, der war ganz erpicht auf Dinge, die man weit besser unerforscht läßt. Er suchte auf den Friedhöfen in die Geheimnisse des Jenseits einzudringen, er spürte an verrufenen Orten den unheimlichen Wesen nach, die da hausten, und kein Zaubermittel, kein bannender Spruch war ihm unbekannt. Aber sein Ziel, ein reicher Mann zu werden, hatte er noch nicht erreicht. Er war Wirth und wußte recht gut, daß es, wenn in der heiligen Christnacht um zwölf Uhr der junge Wein aus dem Fasse steigt, ein gutes, wenn er aber sinkt, ein schlechtes Weinjahr bedeutet, aber er hatte nicht hinreichend Geld, um im letzteren Falle zu rechter Zeit erkleckliche Weinvorräthe einzukaufen. Er wußte auch, daß zu derselben heiligen Zeit aus gewissen Quellen Wein fließt, allein in den wenigen Augenblicken, in welchen die Mitternachtsglocke schlägt, läßt sich nicht viel Wein schöpfen, und es ist eben auch damit nicht zu scherzen: war doch kurz vor jener Zeit erst ein Mann dabei sehr übel gefahren. Der hatte auch in der heiligen Christnacht eine Quelle, wo Wein fließen sollte, glücklich unbeschrieen erreicht, und als es zwölf Uhr schlug, trank er und rief freudig aus:

Alleweil1 trink ich Wein!

Aber ein Krallenfuß packte ihn, der das Gebot des Schweigens gebrochen hatte, am Genick, eine Donnerstimme rief:

Alleweil bist Du mein!

und der Mann ward nicht mehr gesehen. Dem Faulenbacher Wirth ward bekannt, daß auf dem Kühlberge das Kraut wuchs, das allen Zauber löst. So sehr es ihm nach seinem Besitze gelüstete, hatte er doch lange gezögert, es zu holen, denn er sah voraus, daß er mit allen Schrecken der Unterwelt zu kämpfen haben werde, wenn er es erlangen wollte. Endlich aber überwand die Geldgier alle Bedenklichkeiten und in der nächsten heiligen Christnacht machte er sich auf den Weg. Der Kühlberg ist ein mäßiger Berg zwischen Faulenbach und Stadt-Prozelten; die Aussicht ist dort prachtvoll, aber der Boden ist schlecht und nährt nur nothdürftig traurige Kiefern; in ihrem Schatten wächst das Zauberkraut. Der Mann hatte den Wald kaum betreten, da wälzte sich ihm ein Ding entgegen, das er nicht recht zu erkennen vermochte, das aber so gräulich war, daß es auch einem beherzten Manne Schrecken einjagen konnte. Aber er ließ sich nicht einschüchtern, und als das Ungethüm bis zu seinen Füßen kollerte, faßte er sich schnell und sprang darüber weg. Ohne sich umzusehen eilte er weiter, aber bald trat ihm in der Enge des Weges ein schwarzer Mann entgegen hoch wie ein Kirchthurm. Neben vorbei war kein Raum und an das Ueberspringen war ohnehin nicht zu denken; der Riese kam mit so gewaltigen Schritten auf ihn los, daß seine Beine gleichsam einen Thorbogen bildeten – und schnell schlüpfte der Mann durch und kam unverletzt davon. – Schon nahte er sich der Stelle, wo das gesuchte Kraut wachsen mußte und er glaubte sich schon am Ziele, als von allen Seiten Kriegsknechte zu Roß und zu Fuß heranrückten und drohend gegen ihn die Waffen schwangen. Er ließ auch da seinen Muth nicht sinken und schlüpfte bald an einem Ritter, bald an einem Fußknechte vorbei; aber es stellten sich ihm stets neue Schaaren entgegen – und als sie endlich ihre Reihen lichteten und er eben den Letzten hinter sich hatte, schlug es zwölf Uhr. – Der Spuck verschwand, aber auch die kostbare Zeit war verschwunden und unverrichteter Dinge und todesmatt schlich der Mann seiner Heimath zu. Als am andern Morgen den Mann, der den tiefen Schlaf gänzlicher Erschöpfung schlief, seine Leute wecken wollten, bebten sie erschrocken zurück, denn die einzige Nacht hatte aus

dem kräftigen Manne im besten Lebensalter einen hinfälligen Greis mit weißen Haaren gemacht. Er hat seinen Verwandten, deren Kinder zum Theil noch leben, oft die Geschichte zum warnenden Beispiel erzählt.

Fußnoten

1 Jetzt.

298. Der Schatz auf der Karlshöhe.

Von B. Baader im Anz. v. Mone IV., 162.

Auf der Karlshöhe im Spessart liegt ein Platz, den man die Schatzgräberei nennt. Hier liegen eine silberne Glocke und eine Kiste voll Geld vergraben, welche dem Frauenkloster Schmerlenbach gehört haben. Eine Nonne ist schon oft als Gespenst auf dem Platz und in der Umgegend gesehen worden. Zu einem Köhler aus Steinmark, der Nachts auf der Karlshöhe Kohlen brannte, kam sie bis an seine Hütte, zeigte ihm einen großen Schlüssel, den sie in der Hand trug, und winkte ihm, mit ihr zu gehen. Der Köhler aber, voll Angst, blieb in seiner Hütte zurück; worauf der Geist traurig davonging. Schon mehrmals haben Leute versucht, den Schatz zu heben, es ist ihnen aber noch jedesmal mißlungen.

299. Wie ein Bauer Niedernberg rettet.

L. Braunfels Mainufer S. 326.

Als die Schweden in die Gegend von Niedernberg bei Aschaffenburg kamen, begaben sich alle Bauern des Dorfes auf die Flucht, nur ein einziger blieb. Der machte sich getrosten Muthes auf, ging den Feinden entgegen, begehrte Gehör bei Gustav Adolf, und bat ihn in schlichten Worten um Schonung für seinen Ort. Der König gewährte die Bitte; und um das fromme Vertrauen des Bauern zu belohnen, schenkte er ihm alle Häuser und Felder der ganzen Gemeinde. Als später die Schweden abzogen und die Entflohenen zurückgekehrt waren, stellte der Bauer Jedem das Seinige wieder zu; in der ganzen Gegend aber war kein Edelmann fürderhin so hochgeehrt, wie dieser Bauer.

300. Das Wunderkreuz.

Von Schöppner. – Unfern der Fasanerie bei Aschaffenburg sieht man Spuren der Stammburg der Cuglenberge, die nachmals bei Stadtprozelten, eine mit jener Burg gleichnamige erbauten. Die Veranlassung zur Uebersiedlung erzählt die Sage Behlen u. Merkel Gesch. u. Beschr. v. Aschaffenburg, S. 13.

Juchhei! mein schönes Fräulein von Cuglenberg! juchhei!Es zieht auf stolzem Rosse der Bräutigam herbei!

Zum Feste geht es heute, schon naht des Ritters Troß,Bald klingt vom Hochzeitjubel der Cuglenberge Schloß.

Das schöne Bräutchen eilet behend auf den Altan,Mit süßem Minnegruße den Liebsten zu empfah'n.

Da schallt Trompetenschmettern entgegen ihm so traut –O Gott! was muß geschehen? – zu Boden sinkt die Braut.

Der Rappe tobt und schäumet – o gräßliches Geschick –Vom Rosse stürzt der Ritter und bricht sich das Genick.

Das Fräulein ringt die Hände, es bricht ihr armes Herz,Sie klagt in einem Kloster dem Heiland ihren Schmerz.

Ein Kreuz von ihr errichtet an jenem SchreckensortEs trug auf unsre Zeiten die Trauerkunde fort.

Und weil der Pilger mancher dort Trost und Rettung fand,So ward das Kreuz vom Volke das Wunderkreuz genannt.

301. Die versunkene Glocke.

A.v. Herrlein S. 18.

In der Pfarrkirche zu St. Agatha hingen neben einander zwei Glocken, die eine Marianne, die andere, die von Silber war, Susanne geheißen. Im dreißigjährigen Kriege raubten die Schweden die silberne Glocke, luden sie in ein Schiff und wollten sie den Main hinabführen. Als sie an das Ende der Stadt kamen, nämlich an den Felsen, auf dem jetzt der Pavillon im schönen Thale steht, wo aber früher die Stadtmauer gegen den Main zog, sprang die Glocke aus dem Schiffe in den Main, wo sie noch liegt. So oft nun die Glocke Marianne geläutet wird, ruft sie:

Bimbam, Bimbam, wo ist die Schwester Susann?

Und die feine Silberstimme der Glocke im Maine antwortet:

Bimbam, Bimbam, da bin ich, Schwester Mariann'.

Diese Worte hören freilich nur die Golden-Sonntags-Kinder, die frommen Herzens und gläubigen Sinnes sind: ein Liedchen von der Susanne singen aber noch alle kleinen Kinder. Es lautet:

Kling klang Glorian Uns're Schwester Susann' Liegt im Main Am grauen Stein, Kehrt nimmer heim.

302. Die verlornen Heiligenbilder.

Die vor. Schrift S. 19.

Vor dem Hauptthore des Schlosses Johannisberg zu Aschaffenburg stand ursprünglich jenseits des Grabens ein Portal und darauf die steinernen Bildsäulen des heil. Martin, des Patrons des Erzstiftes Mainz, und des heil. Johannes des Täufers in kunstreicher Arbeit. Der Kurfürst Emmerich Joseph ließ vor etwa siebenzig Jahren das Portal der freieren Aussicht wegen abbrechen, die Bildsäulen wurden beseitigt und im Laufe der Zeit hatte man ihrer vergessen. In einer der schönen Spätsommernächte des Jahres 1811 ging ein alter Fischer aus der Weinschenke heim, in der er täglich seinen Schoppen zu trinken pflegte. Die Weinschenke befand sich in dem Eckhause zwischen der Karlsstraße und dem Viehberge, und der Fischer

wohnte in der Fischergasse; er nahm seinen Weg aber nicht den Viehberg hinunter am Maine hin, sondern an dem Bauhofe und Schlosse vorbei durch die neue Anlage. Von dem Bauhofe zieht sich eine Mauer gegen das Schloß und darin ist ein zugemauerter Thorbogen. Als der alte Fischer dahin kam, stand vor dem Thorbogen ein Bischof im vollen Ornate mit Inful und Stab; der erhob die Hand und sprach: »In diesem Gewölbe liegen die Bildsäulen des heil. Martin und des heil. Johannes, die vom Schloßthore abgebrochen worden sind. Sie sollen nicht länger gleich altem Gerümpel im Moder liegen, sondern wieder hervor an's Tageslicht – und du sollst dieses mein Gebot verkünden!« Darauf war er verschwunden. Des folgenden Morgen überlegte sich der Fischer die Geschichte. Die Nacht war hell gewesen und der Fischer hatte den Bischof deutlich gesehen und seine Worte wohl vernommen, allein die Erscheinung war so schnell vorüber – und gerade an diesem Abende hatte der Fischer mehr als einen Schoppen getrunken: er war darum nicht sicher, ob ihm nicht der Wein einen Streich gespielt, und beschloß, vor der Hand über die Sache zu schweigen. Sie ging ihm indessen den ganzen Tag im Kopf herum und erst am Abende in der lustigen Gesellschaft des bekannten Weinhäuschens vergaß er ihrer. Zur gewöhnlichen Stunde, es war nicht die früheste, ging er heim. Er dachte an nichts, als an den guten, wohlfeilen Wein, den er getrunken. Der Eilfer war zwar damals noch nicht im Faß, aber der voraussichtlich reiche Herbst zwang zum Fortschaffen der Weinvorräthe. Als der Fischer am Bauhofe vorbei war, blickte er doch scheu nach dem zugemauerten Thorbogen – und der Bischof stand wieder dort und sprach dieselben Worte. Jetzt konnte der Fischer nicht mehr zweifeln, daß er wirklich eine Erscheinung aus einer andern Welt gesehen. Wäre es nicht späte Nacht gewesen, er hätte gleich die Anzeige gemacht; so mußte er sich schon bis zum andern Tage gedulden. Im Strahle der Morgensonne sehen indessen alle Dinge anders aus, als beim Sternenlichte. Der Fischer bekam am andern Tage wieder Zweifel und er trug sie so lange herum, bis es wieder Nacht war. Und zum dritten Male ging der Fischer am Thorbogen vorüber und zum dritten Male stand der Bischof davor, jetzt aber zürnenden Antlitzes. Er sprach: »Wenn du mein Gebot wieder nicht verkündest, so ist dieser Tag dein letzter!« Da hatte alles Zögern ein Ende. Der Fischer machte augenblicklich die Anzeige. Das vermauerte Gewölbe, das früher zu einem Kohlenbehälter gedient hatte, wurde aufgebrochen und es fanden sich darin die Bildsäulen des heil. Martin und des heil. Johannes in unversehrtem Zustande. Sie wurden im schönen Thale unfern der Kirchenruine aufgestellt und dort stehen sie noch, freilich jetzt sehr verstümmelt.

303. Der Riesenpflug im Schlosse zu Aschaffenburg.

Von W.v. Kleudgen. Vgl. v. Herrlein S. 1.

Karol der Kaiser reitet von Salzburg an der Saal,Sein Weg geht durch den Spessart nach dem Main zu ThalTurpin ist ihm zur Rechten, zur Linken prangt Roland,Welch wunderbares Schallen in dem Wald entstand?Das ist Urgand der Riese, Roland zum Kaiser sprach,So treibt er euer Wild und geht der Jagdlust nach;Doch morgen zu der Stunde bekommt ein Jagen er,Gewährt ihr's, daß er Bären und Hirsche fängt nicht mehr.Das möge Gott verhüten, Karol im Ernste spricht,Wer kämpft mit Egolanden, wenn mir dein Arm gebricht?Darum versagt den Kampf dir mein kaiserlich GebotBis uns der Maurenkönig nicht mehr mit Krieg bedroht.Indessen drangen Thürme die Eichenwipfel durch,

Was liegt dort in dem Thale, Turpinus? – Asciburg.Seht dort die hohe Zinne, das ist der Heidenthurm,Er trotzet, von den Römern erbaut, dem Zeitensturm.Am Hügel rechts vorüber, auf dem die Zelle steht,Der Schritt der müden Rosse zu dem Kastelle geht.Die Brücke rasselt nieder, die Gäste kommen an,Und an dem Thor empfängt sie des Schlosses Kastellan.Beschütze Gott den Kaiser, ihm Lob daß nicht UrgandEuch reiten sah – Karolus: war denn nicht da Roland?Die Abendsonne purpurn das weiter Land beschien,Vom Söller schau'n der Kaiser, sein Held und auch Turpin.Was sind das für Gebirge, dort wo der Tag sich neigt?Dort zwischen Main und Lahn empor der Taunus steigt,Auf jenem Gipfel träumte der Königin Brunhild,Daß sie geschleift einst werde von einem Rosse wild,Turpin und jener Thurm, den dort mein Auge schaut,Bartholomei Kirche, die ihr habt aufgebaut.Und dort zu meiner Linken die Mauern in Ruin?Das war vordem ein Landsitz, die Römer bauten ihn.Seht rechts die Klausnerhütte, sie heißt zum guten Mann,In Armuth ward des Guten schon reichlich dort gethan. –Karol beschaut noch lange die Lande weit und breit,Erstaunt und hingerissen von so viel Herrlichkeit;Doch wie er so betrachtet im Abendgold den Main,Schleicht leisen Trittes Schwermuth in sein Entzücken ein.Ja, prachtvoll auf dem Hügel steht diese Burg, Turpin,Von hier zeigt mir dein Finger nach werthem Orte hin,Nur eines fehlt, das Auge, das eine Gegend schmückt;Von hier ist allzuferne der Fluß hinweggerückt,Denn von der Römervilla bis zu dem guten Mann,In seinem graden Laufe man kaum ihn sehen kann.Da schaff' ich Rath, Herr Kaiser, laßt schmieden einen Pflug,Ein neues Bett zu pflügen schwer und auch groß genug,Dran spannet unsre Rosse, die sind der Arbeit werth,Was zieht allein nicht Bajard Rolands, das starke Pferd?Wohl hast du mir gerathen, das soll gescheh'n sogleich –Bald schallet durch das Schweigen des Hammers lauter Streich,Die Esse sprüht der Funken, durch manchen schweren SchlagSo viele, daß das Dunkel verwandelt wird in Tag,Und wie die Morgensonne glänzt von der Berge Wand,Ist schon der Pflug geschmiedet und Bajard angespannt.Er wiehert, laut dröhnen seine Hufe von MetallUnd auf den hohen Erwig Urganden lockt der Schall,Im Thal die Männlein, Pferdlein, er heftig zappeln sieht,Und lacht mit Macht, weil keiner den Pflug von dannen zieht.Darob der Kaiser trauert, Roland wagt den Versuch,Rückt eine Handbreit weiter den schweren Riesenpflug.Sie rasten nicht bis purpurn die Abendröthe glüht,Da waren sie voll Hunger mit Schweiß bedeckt und müd.Laßt Kaiser eure Sorgen, Herr Roland kehrt nach Haus,Ich führe diesen Handel allein, so denk' ich, aus.

Heim kehrten nun die beiden, Turpinus blieb allein,Und läßt zwei Zicklein kommen, spannt in den Pflug sie ein;Da wurde voller Neugier Urgand der große MannStieg von des Berges Gipfel herab zu dem Gespann,Was willst du Pfäfflein, sage, mit diesem Ziegenpaar?So wenig wie die Zicklein rückst du die Pflugesschaar.Vor Zorn ward roth der Riese, streckt nach Turpin die Hand;Doch wollt' er ganz ihn lassen weil er so schön ihn fand.Schad wär' es um dein Röckchen, dein Hütlein von Karmin,Lauf hin du nettes Töckchen! – und los ließ er Turpin,Und dieser spannt die Zicklein vom Riesenpfluge aus,Treibt sie vor seinen Tritten zu dem Kastell nach Haus.Er fand Roland im Schlafe und schlafend auch Karol,Bei ihren goldnen Bechern, das that der Kummer wohl.Das ganze Junggesinde schlief tief in dieser Nacht,Den Kaiser hütend hat Turpin allein gewacht.Und als der Klosterwächter die neunte Stunde rief,Pflügt schon der Riesenpflug im Thale breit und tief.Und eh' sich noch der Frühhahn in dem Kastelle regt,Schon an das Fundament der Burg die Welle schlägt.Das Bett ist bald gepflüget bis zu dem guten Mann,In einem Ellenbogen krümmt sich der Main fortan.Die Arbeit ist vollendet – was will des Riesen Droh'n?Turpin vernimmt es zagend und tritt auf den Balkon.Klein Pfäfflein, hörst du rauschen im Thale nicht den Fluß?Des Maines Fluth bespület nun des Kastelles Fuß,So war mir denn zu ziehen der Pflug nicht allzuschwer;Doch Morgen noch des Tages zeig' ich der Stärke mehr.Ein Stündchen will ich rasten und dann mit dieser HandErproben, ob dieß Schloß mir leistet Widerstand,Ob ich in einem Tage zerstöre diesen Bau,Mich höhnend steht zu lang schon die Burg in meinem Gau.Turpinus war erschrocken. Das wäre Jammerschad,Nein, nie darfst du verüben so schwere Missethat,Bedauern müßte fühlen das Raubthier in dem Wald!Und horch mit lautem Brüllen der Bären Wuth erschallt.Der Riese kehrt zur Wildniß und aus dem Osten lachtDas Morgenroth, Karolus und auch sein Held erwacht.Was hör ich für ein frohes Rauschen in dem Thal?Der Kaiser tritt zum Söller, sieht in dem MorgenstrahlDen Fluß zu seinen Füßen – mein Auge doch nicht trügt?Wie, hast du mit zwei Zicklein den Main herbeigepflügt?Wo gestern Fluth gewesen, da sprossen Blumen auf,Wo gestern Blumen blühten, geht nun der Fische Lauf.Das Wild seht, das zur Tränke sich heerdenweis gewandt,Rohrdommeln, Störche flattern an des Flusses Rand?Turpin sieht, daß dem Kaiser die Arbeit wohlbehagt,Darum er eine Bitte ihm vorzutragen wagt:Urgand hat dem Kastelle den Untergang gedroht;So ziehet an den Mantel von Gold und purpurroth,Die Krone nehmt, das Scepter führt mit eurer Hand,

Auch ich will mich bekleiden mit meinem FestgewandUnd Roland soll von Ferne, so daß er uns kann seh'n,Zu eurem Schutz', in voller Rüstung mit uns geh'n,Ich flehe, ihr befehlet Urgand den Frieden an!Sie lenkten ihre Rosse zum Wald auf wilder Bahn.Der Grund war vor der Riesenhöhle aufgewühlt,Als ob ein Heer von Rittern die Kampflust drauf gekühlt;Da riefen sie Urganden, doch keine Antwort scholl,Turpin trat in die Höhle, Blut ihm entgegen quoll,Den Riesen fand er nicht in der Höhle Schooß,Nur eine abgenagte Rippe die war groß.Weil er nicht hören wollte, als ich Erbarmen rief,Ward er von wilden Thieren zerrissen, als er schlief.Karol war freudig, aber Held Roland betrübt,Weil er mit seiner Stärke die That nicht ausgeübt,Drauf zogen sie gen Spanien, wo in den Krieg es ging,Wo Roland Egolanden, den Maurenkönig fing;Zuvor doch ließ Karol im Kastelle weis' und klug,Die Rippe aufbewahren und auch den Riesenpflug,Im Schlosse, das Suikardus auf's neu hat aufgebaut,Man heut zu Tag die Rippe, den Riesenpflug noch schaut.

304. Der gespenstige Küfer.

v. Herrlein S. 19.

In dem Keller des Schönborner Hofes zu Aschaffenburg, unter dem Baue, welcher zunächst des Freihofes liegt, befand sich ein großes Weinlager. Der Küfer, welcher dasselbe zu beaufsichtigen hatte, war so diensteifrig, daß er alles Andere darüber vergaß; er hämmerte oft an den Fässern herum bis tief in die Nacht. So trieb er's einst auch an dem heil. Weihnachtsabend, und die Leute, die in die heil. Christmette gingen, und die, welche heraus kamen, hörten ihn noch im Keller klopfen. Deßhalb hebt er jetzt noch, wenn es zur heil. Christmette läutet, zu klopfen an, und man kann das unheimliche Hämmern hören, so lange die heil. Christmette währt.

305. Aschaffenburgs Retter.

Von Schöppner. – Behlen u. Merkel Gesch. u. Beschr. von Aschaffenburg S. 91.

Aschaffenburg! Aschaffenburg! o weh dir schöne Stadt,Es dräuet deinen Mauern der schwedische Soldat.

Was flüchten kann, das flüchtet mit Sack und Pack davon,Denn vor den Thoren flattert der Schweden Banner schon.

Nur Einer sieht entschlossen das Ungewitter nahn,Ein alter Kapuziner, des Hauses Guardian.

Der stellt sich auf die Brücke und präsentirt die SchlüsselAschaffenburgs dem König auf schön gezierter Schüssel;

Und fleht so heiß um Gnade und ruht zu flehen nicht,Bis daß der Schwedenkönig Erhörung ihm verspricht.

»Um deinetwillen bleibe die Stadt von Schaden frei!«Der König hat's gesprochen, der König hielt es treu.

Aschaffenburg! Aschaffenburg! denk ewiglich daran,Das hat ein Kapuziner zu deinem Heil gethan!

306. Finnberg bei Aschaffenburg.

Von W.v. Kleudgen.

Ein rother Stein ragt in die Luft Hoch auf des Berges Firne, Die Wolken und ein leichter Duft Bekrönen seine Stirne.

Zu seinen Füßen grünt der Hain, Um Zuflucht zu gestatten, Führt in den Berg ein Gang vom Main, Geheim in Waldesschatten.

Und wenn der liebe Hag erwacht, Ein Schäfer seine Schafe Zur Tränke treibt aus Berges Schacht, Kehrt dann zum sichern Schlafe.

Zwei Fräulein sind in großer Noth; Im Schloß, von dem sie stammen, Ach! liegen ihre Eltern todt, Auf geht's in lichten Flammen.

Ach, Schäfer, unser Leid ist groß, Dein Schutz mög' uns auch frommen! Nur Lämmlein in des Berges Schooß Mit mir zur Ruhe kommen.

Des Hirten Schutz und Hut sie heiß, Bis er willfährt, begehrten. Und siehe da, als Lämmlein weiß Vermehrten sie die Heerden.

Bei lautem Kriegsgedröhn und Streit, Bannt sie im Berg' ein Grauen, Man sieht sie nur wenn Friedenszeit Beglückt die deutschen Gauen.

Wem dieses Schau'n so engelrein Nur einmal ward beschieden Auf goldner Trift im Sonnenschein, Der lebt fortan im Frieden.

307. Die Hölle.

Orber Mundart. – v. Herrlein S. 93.

In Arb war emol e Mann, der hatt' e bes Fraa. Er wor e armer Wellhaer, der de ganze Dog im Wald mußt schaffe, daß er sich un sa Fraa nu ernähre däht. Un der hätt' aach zefriede sei gekunnt mit sei Verdienst; wann er mied un hungrig ham kumme is, do is aber sei Krötz erscht recht ogange. Die Fraa, die hatt' em ka ornliche Besse gekocht, zankte und rollte Alles im Haus erum, als wann se der lewendig Deifel gewest wer. Un so warsch Dag vor Dag, un neit emol Nachts hatt' der Mann sei Ruh. Wei 's zom Haamache komme war, do hot der Mann sei Weise gemaht un is Mittags drous gebliewe, wal's selle Dag gar ze haas war, un er die Weise volls a hot meh wolle. Die Fraa bracht em wohl das Esse; wall er aber e wink hot ausruhe wolle, do hot sei en faule Belz gehaase, der nix schaffe mag, und lieber sa Fraa und Kinn Hunger leide laßt. So hot se fort gemacht un fort gemacht, bis er en Kopp kriegt hot, wie e Gickel, un des Esse eweckgeworfe und die Fraa fortgejaht hot. In sam Arger saht er do laut zou sich selberscht: »Do mecht mer aber leber des lewendige Deifels wern, als sou e Lewe fortfehre. Aich will mich leber dem Deifel verschreibe, wann aich nor a Jahr Rouh hätt!« Kaum hatt' er des Wort gesaht, so war der leibhaftig Deifel do – un halber im Zorn un halber in der Angst hot er dem Deifel a Verschreibing ausgestellt, daß noch Jahr und Dag der Deifel ihn ho sollt, wann em sa Fraa so lang die Rouh lest. Wies der Deifel agefange hot, des woas mer neit; aber die Fraa wor von do a sanft, wie e Lamm. Wei so a Dag noch em annern vergeht, denkt der Mann gar neit mehr dro, daß er sich dem Deifel verschribbe hätt. Wei e Jahr erim war, hot der Mann grod widder sei Weise gemaht; do steht der bös vor em, packt den Mann am Krage un fährt mit em zu der Ard nie dohi, wo Haile un Zehklapper sei. Des Loch, wo der Deifel enie gefahre is, des sieht mer heut noch, un haast zum ewige Odenke: die Hell.

308. Der Löwe im Pfälzer Wappen.

J. Trithem. de orig. Franc. ap. Ludewig Geschichtschreiber vom Bischoffthum Würtzburg. S. 1019. Eos 1819, N. 64, S. 253.

An der Straße, die von Mainz nach Frankreich führt, drei Stunden von Zweibrücken, erblickt der Wanderer ein ehrwürdiges Denkmal der Vorzeit. Auf einem abgesonderten Berge stand vor Zeiten eine ansehnliche Burg. Noch im sechszehnten Jahrhundert war sie ein Lieblingsaufenthalt des Herzogs Johannes I. von Zweibrücken. Jetzt ist es still und öde in dem zerfallenen Gemäuer; nur die Inschrift über dem Eingange spricht wie eine Stimme aus dem Dunkel längst verwichener Jahre. Sie ist aus der Feder dieses Fürsten geflossen und lautet:

Hyldrich der Franken König war Vor mehr den Dreyzehen hundert Jar, Der aus Rath ein's, der Hildegast hies, Die drey Frösch in seynem Schildt verlies. Dafür in's Panier den Lewen gut Nam, des Hindertheil sich krummen thut, Gleich wie ein Schlang, um des Adlers Hals, Darmit anzuzeigen gleiches falls, Daß der Franken Lewenhertzen frey, Manheyt und rechte Klugheit darbey, Nach Gottes Wille mit Krieges Macht Sollten bezwingen der Römer Pracht, Wie dann hernach geschehen ist. Nachdem der Adler entflogen ist, Frankreich Lilien zum Wappen nam, Der gekrönte Lew blieb den Pfalz Stamm.

Gott erhalt die Pfalz beim Lewen gut, Und dieß Hauß allzeit in seyner Hut.

Anno Christi MDXCVII.

Nach einer alten Ueberlieferung soll ein gewisser Hildegast die Deutschen zum Kampfe gegen die Römer in Gallien begeistert haben. Er war der Vertraute des Frankenkönigs Hilderich, Priester und Wahrsager, dessen Aussprüche heilig. Einst feierte Hildegast (im Jahre 224) den Geburtstag seines Königs. Er stand vor dem Altare einer heidnischen Gottheit, deren Priester er war. Als das Opfer verrichtet war, wurde er plötzlich von heiliger Begeisterung ergriffen. Seine Augen glühten, seine Glieder zitterten, er rief mit lauter Stimme: Ich sehe in die Zukunft: eine Gottheit aus Westen gibt den Sicambrern den Sieg, sie dringen hinüber in's Gallier-Land, sie herrschen in Germaniens Fluren. Jenseits des Flusses weicht der fremde Adler zurück; als muthiger Löwe mit der Schlange Klugheit geht der Franke vorwärts im Römergebiet. Diese Aussprüche begeisterten Volk und König. Hilderich fand in den letzten Worten die Mahnung, ein neues Wappenschild zu wählen. Statt der drei Frösche nahm er den Löwen, in erhabener Stellung, mit offenem Rachen, ein Bild des Muthes und der Stärke. Der Kopf stand im blauen Felde – er sah über den Rhein in blaue Ferne, aus der er die Römer vertreiben sollte. Der Schweif war getheilt; die eine Hälfte endigte sich in eine Schlange, die einen Adler umfaßte, – sie sollte die Klugheit versinnbilden. Viele Jahre verflossen, bis der Löwe mit der Schlange vordrang. Nach dem Siege bei Zülpich wurde das letzte Hinderniß besiegt. Noch ehe Chlodwig das linke Rheinufer betrat, hatten die Deutschen die Römer vertrieben. Weil nun der Adler entflohen war, verließ der Frankenkönig das Sinnbild der Väter, und nahm die Lilien in sein Wappen, von denen ein christlicher Priester sagte, sie seien vom Himmel gefallen. Die übrigen Glieder seines Hauses behielten den Löwen; ihre Nachkommen haben ihn noch. Im bayerischen Wappen hält er das Schild, im Pfälzischen war er in der Mitte wie auf den Seiten zu sehen.

309. Richard Löwenherz und Blondel.

Von L. Zapf. – Trifels bei Annweiler. – Math. Paris hist. angl. 121. Struv. corp. hist. Germ. p. 422. Schoepflin Alsat. II., 188.

1. Die Schwalben fliegen schnelle, Es wandert schnell der Rhein, Die Winde umwehen die Zelle, Drin der König sitzt allein. Herr Richard! Herr Richard! dich heißt es

Mit Locken auch wandern geh'n! Dies sagt das stille Sehnen, Das deinen Blick umflicht – Dies künden deine Thränen Im bleichen Angesicht!

2. Herr Richard sitzt am Fensterlein Und lugt betrübt hinaus – Dort außen fluthet hell der Rhein, Es schallt wie Wogenbraus.

Dort klingt und wallt der grüne Rhein In lichter Abendgluth, Die Burgen schauen stolz darein, Sich spiegelnd in der Fluth.

»O daß ich ewig liegen muß Im alten Felsenhaus! O trüge mich der deutsche Fluß In's weite Meer hinaus!

Ins weite und ins freie Meer Bis an mein Heimathland, Oft leuchtet mir im Traume her Sein weißer Felsenstrand!«

Er drückt sich auf die dunkle Bank Und wünscht den Tod heran, Das Auge trüb, das Herze krank. Stiert er den Boden an.

Dem alten Kummer gibt er Raum, Wird ihm auch noch so bang – Und lieblich tönt's in seinen Traum Wie frommer Harfenklang.

Wie jenes Lied, das oft daheim Er sang an Freundesbrust – Der Traum ist süß! – der alte Keim Schwellt ihn mit hoher Lust.

Er sieht sich wieder froh und frank – – Und doch – das ist kein Traum! Das ist Gesang! – er läßt die Bank, Er lauscht am Gittersaum:

Von unten schallt es mild herauf Wie nie ein Trost erscholl – Da geht ein Licht ihm strahlend auf: »Mein Blondel liebevoll!«

Mit weicher Stimme fällt er ein Und singt das Lied zu End' – »Das möge dir ein Zeichen sein, Auf daß mein Leid sich wend'!«

Er weiß, nun ist vorbei die Noth, Die Thräne rinnt herein – Und draußen glüht das Abendroth Und rauscht der grüne Rhein.

3.

»Mein Richard, o mein Richard!« »Mein Blondel, treu und gut!« Sie halten sich umschlossen In ihrer Liebesgluth.

Der Sänger mit der Laute, Der König im Purpurkleid – Zwei treue Freundesherzen In Freude und in Leid.

Sie halten sich umschlossen Und weinen leis und lind; »O glücklich, dreimal glücklich, Daß ich dich wiederfind'!«

Es mahnt sie an die Ferne Und an die Burg am Rhein, An seine grünen Wellen Und an den güldnen Wein;

Und an die stille Zelle Und an des Liedes Klang – Sie halten sich umschlossen Und weinen leis und lang.

310. Der Harfner auf dem Trifels.

Von F. Aulenbach.

Wer sitzt dort auf den Trümmern im Sonnenniedergang?Sein Lied es tönt so schaurig zu seiner Harfe Klang.

Es ist der treue Harfner in seinem greisen Haar,Er singt von einem König, der dort gefangen war.

Schon sinds viel hundert Jahre, daß hier in KerkernachtDer Löwe Richard grollte in schnöder Fesseltracht.

War dies der Lohn dem Helden, der für des Glaubens GutIm fernen Syrerlande vergoß sein edles Blut?

Der Thurm ist längst zerstoben sammt dem, der drinnen lag,Kaum daß die Zeit noch Spuren gelassen hat der Schmach.

Doch Zeit und Sturm und Jahre, sie thaten nichts zu leidDem treuen Harfner droben, der kennt nicht Raum noch Zeit.

Wenn sich die Sonne neiget, hört man zur Harfe dannSein schaurig Lied ertönen von dem gefangnen Mann.

311. Rietburg.

Von Fr. Otte. – Rietburg (Rippurg) südw. von Edenkoben. – Chron. Hirs. ad an. 1255. Eos 1819, Nr. 55. Frey Beschr. des Rheinkreises I., 279.

Aus der alten Worms am Rheine Reitet Hollands Königin, An des treuen Dieners Seite Nach dem Schlosse Trifels hin.

Frühling ist's, der Himmel glänzet Sonnenhell und dunkelbau, Muntre Vogellieder klingen Und mit Blüthen prangt die Au.

Selig ist die junge Fürstin Aufgewacht zu neuer Lust; Gold'ne Frühlingsträume tauchen Wonnig auf in ihrer Brust.

Lässig, ihrer Hand entsunken Hängt herab des Rößlein's Zaum, Und ihr Auge haftet trunken An der blauen Berge Saum.

»Seid gegrüßt, ihr lieben Berge, Von dem Morgenstrahl erhellt. Sei gegrüßt, du wunderbare, Lenzgeschmückte Zauberwelt!

Seid gegrüßt, ihr hellen Schlößlein, An des Hügels grünem Rand, Dessen Fuß die dunkle Föhre Und der Eichenwald umspannt.

Weg, ihr düstern Haidebilder, Hollands Meeresstrand und Dün'! Schöner lebt's sich hier am Rheine, In der Pfalz so frisch und grün.«

Ruft die Fürstin und von ferne Winket ihr der Trifels schon; Nein so selig war sie nimmer Auf dem stolzen Königsthron.

Sieh, da lugt die Rietburg nieder, Dumpf und düster wie ein Grab! Weh, von ihrer dunklen Warte Späht der grimme Feind herab.

Niederrasselt Kett' und Brücke, Aufgesprungen ist das Thor, Aus des Schlosses finst'rem Raume Stürmt ein Söldnerhaufe vor.

Hohn auf ihren blassen Lippen Blankes Schwert in brauner Faust! An der Spitze ragt Graf Hermann Der im Schlosse droben haus't.

Wilden Muthes stürzen Alle Auf die Königin sich dar, Reißen ihr die gold'ne Krone Aus dem braunen Lockenhaar.

Einer faßt das Roß am Zügel, Zerrt den Teppich ihm von Leib Und ein andrer aus dem Bügel Reißt das edle Königsweib.

Mag sie jammern, mag sie flehen, Eisern ist des Grafen Brust! Weh, schon liegt sie in dem Thurme, Leichenblaß, sich unbewußt. –

Jubel nun und wilde Freude In des Schlosses düstrem Bann, Denn ein Weib ist ihre Beute, Das das Schwert nicht führen kann.

Wilde Knechte, blasse Zecher Feiern froh das Siegesmahl, Und Graf Hermann schwingt den Becher, Trunken hebt er sich im Saal:

»Plagt dich, König, Langeweile? Hol' dein Weib, noch ist es Zeit, Darfst mir grollen, doch vor Allem Sei das Lösegeld bereit!«

Finster ist die Nacht und stille, Droben hoch kein Sternlein wacht: Horch, da wird es plötzlich rege Und zum Tag erbleicht die Nacht.

Schwerter, Helme, Hellebarden Tauchen aus dem Dunkel auf, Und von hüben und von drüben Zieht heran manch rüst'ger Hauf.

'S sind die wackern deutschen Männer Dort aus Worms der alten Stadt, Heute gilt's dem schlimmen Grafen, Der das Recht verletzet hat.

Seht die Fackeln sind geschwungen

Roth und blutig ist der Rhein! Und die grausen Flammenzungen Lecken schon am alten Stein.

Thurm und Giebel rollen nieder Nieder sinkt das stolze Schloß, Und in Ketten vor den Siegern Liegt Graf Hermann und sein Roß.

Aus des tiefsten Thurmes Grunde Steigt die Königin herfür, Starr, mit rothgeweinten Augen Und beraubt der Krone Zier.

Aber trunken sinkt sie nieder An der Retter treue Brust, Und ihr Herz schlägt freudig wieder, Und ihr Blick strahlt neue Lust:

»Dank euch, dank euch, wack're Männer, Die ihr Schutz dem Fremdling beut, Wenn der Feind im Hinterhalte Mit dem Schwerte ihn bedräut.

Ew'ger Segen eurem Lande, Euren Feldern, euren Au'n; Ew'ger Segen euren Hütten, Euren Kindern, euren Frau'n.

Nimmer soll uns Zwiespalt scheiden! Und der Rheinstrom sei das Band, Das euch unzertrennlich eine, Deutsches Land und Niederland!«

312. Der verrufene Posten zu Landau.

Von J.B. Goßmann.

Landau, reiche Pfälzerdirne, hast gehabt schon viele Freier,Alle kamen, dich umbuhlend, wie die Raben, wie die Geier;Mit Geschützen, großen, kleinen, stolz auf Wagen, stolz auf Rossen,Mit Gerassel, mit Geschmetter kamen sie herangeschossen.

Wenn Musketenkugeln flöten, wenn Kanonen Grundbaß geigen,Wenn im Takte Bomben tanzen, heißt dir das ein Hochzeitreigen?Müssen jetzt auch deine Kugeln, dein Korallenschmuck, dir rosten,Manches bleibt an dir poetisch, so auch dein verrufner Posten.

Wenn die Trommel durch die Gassen Zapfenstreich einmal geschlagen,Will es draußen an der Schanze keiner Wache mehr behagen;Denn da kommt's herangeschlichen oft mit geisterhaftem Flüstern,Und dem Spuk ins Aug' zu schauen ist der Kühnste selbst nicht lüstern.

Werda! rief entgegen Mancher. Antwort wird ihm nicht gegeben.Werda! zwei- und werda! dreimal. Will er dann die Waff' erheben,Will sein Bajonnet gebrauchen oder an zum Schießen legen,Kommt es plötzlich aus dem Dunkel, tritt es warnend ihm entgegen.

Weh! es starrt aus hohlen Augen dem Beherzten eine LeicheBlutig, fahl und schwarzgebartet, in's Gesicht, das schreckenbleiche,Nur drei Schritte vor ihm stehend. Langsam streckt es dann die ArmeNach dem Himmel, flehend, jammernd, daß sich seiner Gott erbarme!

Deutet dann auf eine Wunde, die da blutig klafft am Herzen,Wimmert, ach! so bang, so kläglich, wie gequält von Höllenschmerzen,Will ihm winken, ihm zu folgen, doch dazu ist keiner lüstern,Und verschwindet, wie's gekommen, hinter altergrauen Rüstern. –

Ein Major, ein Navarrese, lebte hier in jenen JahrenDa die Bürger deutsch, die Mauern aber doch französisch waren,Grausam war er, ohn' Erbarmen, streng und barsch im Dienst wie Keiner,Darum fürchtet ihn wohl Jeder, doch es liebt ihn auch nicht Einer.

Nächtlich springt er oft vom Lager, mit dem Mantel sich umhüllend,Mit dem Degen sich umgürtend, tückisch seinen Dienst erfüllend;Schleicht herum bei allen Posten, spähend, ob sie treulich wachen,Schleicht herum an jedem Wachthaus, ob sie zechen nicht und lachen.

Weh' und Allen wehe, fand er Eines nicht im rechten Gleise,Eingesperrt und krummgeschlossen auf die unerhört'ste WeiseWard auf Tage, ward auf Wochen oft in feuchten, dunkeln KammernUnteroffizier und Mannschaft, wo sie tauben Wänden jammern.

Und er späht nur immer listig, wie er den und den versuche,Nicht belud er sich mit Segen, doch dafür mit manchem Fluche.Drückten auch die vielen Flüche weder Schulter ihm noch Lende,Drückten sie doch so gewaltig, daß er fand ein schlimmes Ende.

Oftmals, wenn den finstern Himmel trübe Wolken schwarz bedecken,Weiß er nah heranzuschleichen, weiß zu necken, weiß zu schreckenBei Rekruten, jüngern Burschen, liebt er als Gespenst zu wandelnAber läßt sich Einer täuschen, schrecklich dann ihn zu behandeln.

Ob es oft ihm auch gelungen, einmal hat's ihm fehlgeschlagen,Daß ihm alle Lust vergangen Solches noch einmal zu wagen.»Werda!« ruft ihm keck und trutzig Einer zu von seinen Mannen,Da er wieder kam geschlichen – und begann den Hahn zu spannen.

»Werda? Sei's der Teufel selber!« Und er tritt ihm muthig näher,Doch auch diesmal bleibt sein »Gut Freund« schuldig der verschmitzte Späher,»Werda? Nun zum Letztenmale!« – Still. – »Da ist es nicht geheuer!«

So der unerschrockne Bursche, legt entschlossen an, gibt Feuer. –

Hört es stöhnen, sieht es sinken. Wieder hat er schnell geladenDoch da kommen von dem Schusse hergeführt die Kameraden,Seh'n beim Schein der Wachtlaterne, in Verwirrung, in VerstummungEinen, den sie nicht vermuthet in gespenstiger Vermummung.

Wenn sie auch ihn zu erwecken allesammt sich Mühe geben,In die Lungen will kein Athem, in die Glieder will kein Leben,Ach! die Hand ist schon erkaltet, ach! das Auge schon gebrochen,Und der Mund, so blaß und blutig hat kein Wörtlein mehr gesprochen.

Wäre wohl ein kaiserlicher Marschall noch dereinst geworden,Hätte können sich beladen schwer mit Gold und Ruhm und Orden!Aber sieh! der rasche Jüngling hat dem Herrn Major inmittenSeiner Bahn den Lebensfaden unerbittlich abgeschnitten.

Weil er nun in seinen Sünden ohne Reue hingefahren,Argen Frevels oftmals schuldig, spukt er schon seit vielen Jahren,Wird vielleicht noch lange wandeln, bis es Einem wird gelingenDen das Schicksal hat berufen, ihn zur ew'gen Ruh zu bringen. –

Landau, reiche Pfälzerdirne, lasse Freierei und Freier,Einer hat dein Herz erobert, bleibe du ihm treu – dem Bayer,Bist schon vorgerückt an Jahren, sei deßwegen nicht verdrossen,Wenn sie nimmer dich umstürmen stolz auf Wagen, hoch auf Rossen.

Gönne deinen jüngern Schwestern lieber jenen HochzeitreigenWo Musketenkugeln flöten, wo Kanonen Grundbaß geigenMögen, statt um dich zu tanzen, friedlich deine Bomben rosten,Könnte Poesie dir fehlen, bleibt dir dein verrufner Posten.

313. Das fromme Knäblein zu Speyer.

Vincent. Bellov. spec. hist. l. VII. c. 99 bei J.W. Wolf d.M.u. S. 209.

In Speyer sieht man ein wunderthätiges Marienbild, welches das Jesukindlein auf dem Arme trägt. Zu diesem trat einmal ein Knäbchen, welches ein Stück Brod in der Hand trug; davon brach das Kind ein Blöcklein und reichte es dem Jesuskind bittend hin, mit diesen Worten, deren sich die Kinder gewöhnlich zu bedienen pflegen: »Da Kindchen, da, beiß einmal.« Da neigte sich das Bild des Jesukindes und umfing das Knäbchen, indem es sprach: »Mußt nicht mehr weinen, Kindchen, über drei Tage sollst du mit mir zusammen essen.« Das hörte des Knäbchens Mutter, und sie zitterte und bebte, erzählte auch das Wunder einem alten Kanonikus, der gerade vorbeiging. Dieser erkannte den Sinn jener Worte und sprach: »Frau, habet Acht auf euer Kind, denn es wird kaum noch drei Tage leben.« So geschah es auch, das Knäbchen bekam ein Fieber und war am dritten Tage todt.

314. Warum die Kaiser im Dom zu Speyer bestattet worden.

Eysengrein Chron. Spir. L. XI., p. 179. Simonis Beschr. der Bischofen zu Speyer p. 35. G. Litzel hist. Beschr. der kais. Begräbniß in dem Dom zu Speyer etc. S. 6. Ertl. relatt. S. 91 bemerkt: »Ob die Erzählung ein Gedicht oder Geschicht sei, lassen wir dahin.« Geissel Kaiserdom III., 215.

Als Kaiser Konrad den Grundstein zum Speyerer Dom gelegt, hat er verordnet, welcher römische König oder Kaiser innerhalb Deutschland mit Tod abgehen würde, und sich nicht einen besondern Ort seiner Begräbniß bestimmt haben würde, daß derselbe in der Domkirche der Stadt Speyer zur Erde bestattet werden sollte. Eine ganz besondere Ursache dieser Verordnung erzählet Eysengrein nach verschiedenen Scribenten. Graf Leopold von Calwe, weil er als Uebertreter eines gewissen kaiserlichen Gesetzes verklagt worden war, floh und verbarg sich mit seiner schwangern Gemahlin in einer Bauernhütte auf dem Schwarzwald. Der Kaiser kam von ohngefähr dahin auf die Jagd und übernachtete in eben dieser Hütte, da der Graf abwesend war; des Nachts gebar die Gräfin einen Sohn, welcher weinte, und wobei diese Stimme gehört wurde: »O Kaiser! dieses Kind wirst du zu einem Tochtermann und Erben haben.« Darüber erschrak der Kaiser und befahl des Morgens seinen Dienern, das Kind, als von Vater und Mutter nun verlassen, zu tödten. Diese aber erbarmten sich über den Knaben, verbargen ihn unter einem Baum, und überbrachten statt seines Herzens ein Hasenherz. Herzog Hermann von Schwaben fand, da er vorbeiging, den Knaben, hob ihn auf, und nahm ihn endlich an Kindesstatt an. Lange Zeit hernach sah der Kaiser diesen artigen Jüngling, und bat den Herzog, daß er ihm denselben überlassen möchte. Nachdem dieses geschehen war, fiel dem Kaiser einstens aus verschiedenen Muthmaßungen ein, dieses sei der Knabe, welchen er umzubringen befohlen habe. Damit nun die gehörte Stimme nicht möchte erfüllt werden, gab er dem Jüngling einen Brief, daß er ihn der Kaiserin überbringen sollte, folgenden Inhalts: »So lieb dir dein Leben ist, so lasse, sobald du den Brief empfangen hast, den Ueberbringer heimlich tödten.« Der Jüngling, welcher nichts Böses argwöhnte, nahm den Brief, eilte, kam bald nach Speyer, und kehrte bei dem Domdechant ein. Dieser, von Neugierde getrieben, öffnete den Brief, verabscheute eine so schändliche That, und anstatt der Worte: »Laß ihn tödten,« schrieb er: »Gib ihm unsere Prinzessin zur Ehe.« Welches auch geschah; und die Kaiserin ließ das Beilager zu Aachen halten. Der Kaiser, als er von dieser Vermählung Nachricht erhielt, erstaunte darüber, und vernahm von Herzog Hermann, daß dieser Jüngling ein Sohn des Grafen von Calwe sey. Weil er nun sah, daß er dem göttlichen Willen nicht widerstehen konnte, so nahm er den Tochtermann Heinrich zu seinem einzigen Sohn und zu seinem Mitregenten auf. Zur gebührenden Danksagung nun, weil er durch einen Speyerer (denn sein Kanzler war der Domdechant) von Vergießung unschuldigen Blutes abgehalten und befreit worden war, hat er zu einem immerwährenden Gedächtniß dieser Geschichte verordnet, daß alle Könige und Kaiser, welche in Deutschland sterben, in den von ihm gestifteten Dom zu Speyer sollten begraben werden, welches er auch zuerst an sich erfüllen ließ.

315. Die Glocken zu Speyer.

Von Max v. Oer. – Geissel Kaiserdom III., 235.

Zu Speyer im letzten Häuselein, Da liegt ein Greis in Todespein, Sein Kleid ist schlecht, sein Lager hart, Viel Thränen rinnen in seinen Bart.

Es hilft ihm Keiner in seiner Noth, Es hilft ihm nur der bitt're Tod! Und als der Tod an's Herze kam, Da tönt's auf einmal wundersam.

Die Kaiserglocke, die lange verstummt, Von selber dumpf und langsam summt,

Und all Glocken groß und klein Mit vollem Klange fallen ein.

Da heißt's in Speyer und weit und breit: Der Kaiser ist gestorben heut'! Der Kaiser starb! Der Kaiser starb! Weiß Keiner, wo der Kaiser starb?

* * *

Zu Speyer, der alten Kaiserstadt, Da liegt auf gold'ner Lagerstatt, Mit mattem Aug' und matter Hand Der Kaiser Heinrich, der Fünfte genannt.

Die Diener laufen hin und her, Der Kaiser röchelt tief und schwer; – Und als der Tod an's Herze kam, Da tönt's auf einmal wundersam.

Die kleine Glocke, die lange verstummt, Die Armensünder-Glocke summt Und keine Glocke stimmet ein, Sie summet fort und fort allein.

Da heißt's in Speyer und weit und breit, Wer wird denn wohl gerichtet heut? Wer mag der arme Sünder sein? Sagt an, wo ist der Rabenstein?

316. Das Marienbild im Dom zu Speyer.

Simonis Beschr. der Bischofen zu Speyer p. 71. Lehmann chron. p. 438. Eysengrein chron. Sp. l. XII., 212. G. Litzel hist. Beschr. d. kais. Begräbniß zu Speyer S. 29. Geissel Kaiserdom I., 93.

Sankt Bernhard hatte sich einmal verspätet unter den Fürsten, die zu einem Reichstage gen Speyer gekommen waren, und die Stunde, wo er gewöhnlich Maria mit einem Ave zu grüßen pflegte, hatte schon längst geschlagen, als er sich seiner Säumniß erinnerte. Er lief also, so sehr er konnte, dem Dome zu und begann schon einige Schritte vor dem Altare sein Gebet: »O clemens, o pia, o dulcis virgo Maria!« d.i.: »O du gütige, o du milde, o du süße Jungfrau Maria!« Als er aber nah dem Altare stand, da schaute ihn die Muttergottes nicht mit ihrem sonst so freundlich lächelnden, sondern mit einem Auge voll Verweises an und fragte aus dem Bilde: »Sancte Bernarde, unde tam tarde?« d.i.: »Heiliger Bernhard, warum kommst du so spät?« Deß war der heilige Bernhard jedoch nicht gewohnt und er antwortete Marien mit Pauli Worten: »Mulier taceat in ecclesia!« d.i.: »Das Weib soll schweigen in der Kirche.« Seitdem hat das Bild kein Wort gesprochen.

317. Teuffel, die sich für Münch außgeben.

Von Georg Sabinus. – Weier, von der Zauberei I., cap. 17 bei Nodnagel deutsche Sagen 1836, S. 114. Grimm deutsche Sagen I., 363.

Ein Stadt am Rhein alt und bekandt, Mit Namen Speyr ist sie genannt,

Dem Wormser boden sie nah leit, Mit Mauren fest sehr wol gefreyt. Man sagt, es haben Nemetes Vor Zeiten da gehabt ihrn seß! Auch seynd auß Franken hochgeborn Vier Hertzög in der Stadt verschorn, Cäsar daselbst der tapfer Heldt, Sein leger hatt in freyem feldt, Daher jhr Nam Speyer genannt, Den Griechen ist gar wol bekandt! Alda sein sitz ein Burger hett, Mit fischen er sich nehren thet: Sein Nahrung sucht er bey der nacht Im Rhein mit garn darzu gemacht. Als er sich aber auff ein zeit Bey nacht zu fischen hett bereit, Kam zu ihm an das Ufer dar Ein Man den er nit kennet zwar, Ein schwartze kutten trug er an, Wie man sieht daß die Münche han, Den Bruder grust nach alter weiß Der Fischer, forscht nach seiner reiß, Daß er sich hett bei eitler nacht So schnell zu reisen auffgemacht. Er sprach: »Ich kom ein Bott von fer, Schnell vber Rhein ist mein beger, Der Fischer sagt, Tret zu mir ein, Ich wil dich führen vber Rhein, Als sie nun waren vbergfahrn Fünff ander Münch behend da warn, Der Fischer grüst sie mit bescheidt, Fragt wo doch her gieng jhr geleidt, Daß sie der Zeit nicht hetten acht, Vnd reisten so bey eitler nacht.« Der ein münch sprach, die not vns treib, Bey nacht zu retten vnsre Leib. Denn alle welt die ist vns feindt, Dieweil wir Gottsdiener seindt. Was geistlich heist, das wird veracht, Hie niemandts ist der solchs betracht, Die Welt vns gern auch gar thet hin, Wenns ihr gelüng nach ihrem sinn, Weil wir dann manchem nütz gewest, So sey du wieder freundt der best, Vnd nehm vns in den nachen dein, Führ vns in eil hin vbern Rhein. Fur solche trew dir desto mehr Zu lohn an fischen Gott bescher, Der Fischer sprach, ja jr redt wol; Sagt wer mir mein lohn geben soll, Du weist, sie sprachen, wies jzt steht,

Daß schmal vnd dürr genug zugeht. Den heutigs tags gemeine Leut Den München geben keine beut, Den Opfferpfenig helt man ein, Weil einigkeit wil thewer seyn. Doch dankbarkeit du spüren solt, Wann Gott vns wieder wird seyn holdt; Als dann wir für dein arbeit schwer Dir geben wöllen desto mehr, Darauff der Fischer stieß von landt Den nachen mit sein thewren pfandt: Als nun der Nachen fürbaß gieng, Ein Wetter sie gar schnell vmbfieng. Die finstern Wolken deckten gantz Die hellen Stern mit jhrem glantz, Der Wind tobt schrecklich vmb das Schiff, Groß regen auch mit vnterlieff, Das Nächlein schier bedecket war Mit Wasserwellen gantz und gar, Sein farbe dem Fischer gleich entfiel So gar, als wenn jtzt wer sein Ziel. Sprach bey sich in dem vngemach, Was mag doch das seyn für ein sach? Kein regen ich gemerket hab, Da sich die sonn begab hinab; So ist kein schwalb nahe oder weit Geflogen auff daß Wassers breit; Kein Reyger ich gesehen hab Das Wasser fliegen auff und ab; Der Mond ist auch an seinem schein Nechten gewesen schön und rein, Auch sah die Sonn schön hell und klar, Als sie im vndergehen war. Der Fischer redt. Des Windes sauß Die wort fuhrt alle dort hinauß Auch fuhren vbers Schiff gering Die wellen, daß schier vnderging, Doch hub er auff in solcher not Sein Hände, bat vmb hülffe Gott. Der München einer sprach mit Zorn, Was ligst du Gott mit bettn in ohrn, Riß ihn das ruder aus der handt Und schlug ihn, daß ers wol befandt, Den Leib zerplauwt er jhm so gar, Daß nichts zum todt mehr vbrig war.

Also kam endlich an den tag, Worans den schwarzen München lag, Derhalben sie schnell in der lufft Auffuhren wie ein leichter tufft, Vnd letzten sich mit solchem stanck,

Daß wer es roch, in ohnmacht sank.

Bald sahe der Himmel wider schön Im lufft man hört auch kein gethön. Wiewol vom schrecken vnd gewalt Der Fischer bey nah war erkalt, Ermannt er doch vnd fuhr ans landt, Legt sich da nieder auff den sandt, Wart bis der helle tag anbrach, Da endert sich die böse sach. Denn Gott ein Knaben zu jm sandt, Der hub ihn auff mit seiner handt, Vnd führt jn heim zu seinem Weib, Daselbsten er ein klein weil bleib. Denn als er seinen Freunden all Erzehlet hatte diesen Fall: Auch alles hatt daheim bestellt, Fuhr er dahin auß dieser Welt.

Deß andern tags nach der geschicht Hat sich erzeigt ein gleichs gesicht: Ein Bott auß Speyer früh außging, Bey zeiten er sein reiß anfing, Da er nun auff dem weg ging fort, Auch sonst kein Menschen sah noch hort, Sieht er ein Wagen ohn geferdt Schnell zu jhm rasseln auff der Erdt: Die Deck von schwarzem Tuche war, Mit München auch besetzet gar, Der Pferdt dran waren sieben joch, Ein radt am Wagen mangelt noch, Der Fuhrmann der regiert die Roß, Ein Nasen hat, war schrecklich groß, Der Bott verstuzt begundt zustehn, Und ließ die Kutsch füruber gehn. Da merkt er erst die ganze sach, Sah daß aus Teuffels trug geschah. Flugs fuhr der Wagen in die Höhe, Als wann es wer ein fewers löhe. Ein Dampff mit grosser fewer flam Mit krachen, prasseln baldt drauff kam. Von schwerdtern hört man ein gekling, Als wann ein Heer zusammen gieng. Da dieß nun geschehen war zur handt Der Bott sich auff dem weg vmbwandt: Zeigts an den Leuthen in der Stadt, Was sich früh drauß begeben hatt.

Vnd weil es ist ein ware geschicht, So kan ichs auch verbergen nicht. Auch könt ich wol, wanns nöthig wer,

Anzeigen, was drauß sey die leer. Die Fürsten Teutscher Nation Jetzund in grossem zwietracht stohn.

318. Wo die Sage den Namen: Pfalz herleitet.

F.X. Remling die Maxburg bei Hambach, S. 15.

Mitten in dem gesegneten Lande Pfalz ruht auf anmuthiger Höhe bei Hambach die Maxburg, vordem Kestenburg geheißen. Daselbst ragt vor andern ein bemoostes Felsenhaupt in die Lüfte, auf dessen Scheitel sich eine wunderbare Aussicht eröffnet. Weithin erstrecken sich die goldenen Fruchtgefilde und die kostbaren Rebhügel des Landes; das ganze Paradies der Pfalz liegt ausgebreitet vor Augen. Hier war es auch, wohin der Teufel unsern Herrn Jesum Christum führte, um ihm die Schätze der Welt zu zeigen. »Alles dieses soll dein sein, wenn du vor mir niederfällst und mich anbetest.« Da soll ihm aber der Heiland das einfältige Wörtlein zugerufen haben: »Behalt's!« Ergrimmt und beschämt wich der Versucher von dannen; dem Lande aber ist von dem »Behalt's« der Name geworden: Pfalz.

319. Das Nonnenthal bei Neustadt a.d. Haardt.

J.G. Lehmann Geschichtl. Gemälde aus der Pfalz I., 84.

Das Nonnenthal bei Neustadt führt seinen Namen von dem Nonnenkloster, welches vor Zeiten daselbst bestanden haben soll. Hier geht die Vorsteherin dieses Klosters um, weil sie ihre Untergebenen über die Maßen hart behandelte. Alle sieben Jahre auf denselben Tag, an welchem das Gotteshaus zerstört wurde, steht es wieder ganz da, jedoch nur den Sonntagskindern sichtbar. Da war einmal ein Schäfer in der Gegend, auch ein Sonntagskind, der hat des Nachts Kloster und Kirche hell erleuchtet gesehen, auch den Chorgesang der Nonnen gehört. Er ging auch darauf zu, in der Absicht, die Nonnen zu erlösen und den daselbst verborgenen Schatz zu heben; allein, wie er in die Kirche kam und die vielen Todtengesichter sammt der Vorsteherin am Altare erblickte, ist ihm der Angstschweiß über das Gesicht geronnen und der Stoßseufzer entschlüpft: Gelobt sei Jesus Christus! In demselben Augenblick verschwand Kloster und Kirche, und der Schäfer hörte nur noch den schmerzlichen Ruf: Ach! jetzt muß ich wieder sieben Jahre warten!

320. Schloß Hambach.

Von K.F. Schuler. – Die Zerstörung 1525. Frey a.a.O. II., 555. Remling a.a.O.

Stand ein Schloß mit hellen Zinnen, Fried' und Freude wohnten drinnen, Kaiser Heinrich hat's erbaut, Daß er von der Haardt geschaut Schöne Pfalz am Rheine.

Glich das Schloß des Vaters Throne Und des Kaisers schönster Krone; Denn das Land lacht, als ein Kind, Frühroth malt, als Hyacinth Und Rubin, die Firste.

Stand das Schloß mit hellen Zinnen, Fried' und Freude wohnte drinnen, Als ein Bauernhaufe kam

Und das Schloß mit Hoffart nahm Und mit Sens' und Gabeln.

Haben seinen Herrn gefangen, Sammt den Dienern aufgehangen Und die Tochter vom Gebet, Da zum Heiland sie gefleht, – Helden gleich! – gerissen.

Gottes Buch stand aufgeschlagen: Konnten sie's zu küssen wagen? – Jeder hat das Buch geküßt; Freiheit hab' ein jeder Christ, Gleich sei'n Herrn und Bauern.

Und von Dörfern nah und weite Klang in Thürmen hell Geläute, Doch Geläut nicht friedenvoll, Sondern Aufruhr, Bauerngroll, Nicht Geläut zur Kirche.

Und die Jungfrau ward gerissen Zu des Kellers Finsternissen; Leuchten mußt' aus jedem Faß Wein, zu löschen Bauernhaß Gegen alle Herren.

Selber sind die Herren worden, Wollten gern doch alle morden, Und sie ließen leben sich, Thaten herr- und gütiglich Vor dem größten Fasse.

Dieser hielt die Maid umschlungen, Die geweinet und gerungen; Jene tanzten um den Wein, Rieslingdüfte würzig fein, Jauchzten hoch und sanken.

And're schrieen auf dem Spunde: »Bratet, hängt die großen Hunde! Das ist Rechtens – Christenthum! Brod und Wasser machen dumm! Wein, ihr Herren, Wein her!«

Sie erklärten die Novellen, Und vergaben Amtmannsstellen, Legten sich die Bibel aus, Tranken auch nicht übel aus Nebenbei, als Herren.

Einer schlief und sah im Traume Weib und Kind an Hütt' und Baume, Trank mit ihnen Wasser klar, Bot vom Kuchen freundlich dar, Kuß auch Weib und Kinde.

Und zur Kirche hört' er läuten Und darin die Worte deuten: »Wer der Kleinste unter euch, Ist der Größt' im Himmelreich,« Hört' es nur im Traume.

Und er sah sich selbst – zufrieden, Von dem falschen Stolz geschieden, Wetzend in der Wiese steh'n Und in Blumen Kräutern mäh'n, Sah es nur im Traume.

321. Die Weinprobe zu Wachenheim.

Von Ludwig Schandein. – Pfälzisch. – Lehmann a.a.O. II., 202. Remling Gesch. der Abteien und Klöster in Rheinbayern I., 134, (67).

Bei Derkem isch Limborg uf herrlicher Höh,Do liche vum Kloschter noch Reschter;Do wachst d'r e' Tröppel, e' Schöppel – herrjeh!Das packt nit im Trinke e' Meschter.

Es war mol e' Abt do, der Abt war geschickt, –'s isch wohr un ich mach euch ke' Faxe –Der hot was studirt, un raus dann ach krikt:Der Wei' wär zum Trinke gewachse!

Beim Studium muß ach die Praxis noch sei',Do sicht m'r ob ener e' Fax isch;Mei' Abt awer kennt bis ins Dippelche nei'Jed Plätzel wu's Tröppel gewachs isch.

De' Grund will er sehne, daß 's gründelich geht,Do dorscht er un forscht er un hokt erVun früh an bis spot: e' Wei'fakultät,Die gäb em das Prämje als Dokter.

Un 's war ach se Wachrem e' Wei'werth gewest,Den dut es gewaltig schenire,Daß er d'r im Trinke nit Owerfar hest:Er mögt's mit dem Abt mol prowire.

Do sprecht emol owends mei' Abt bei em ei',Grad hocken die Brüder am Humpe;»Aha, denkt der Werth, kann's schöner dann sei'?Do hoscht en, itz loß dich nit lumpe!«

»Gehorscham ... Herr Abt, isch wohr was m'r sächt:Ehr wären ›im Wei'berg‹ Professer?'s Exame muß sei', un isch es Euch recht,So wett ich, ich mach es viel besser!«

Der Werth der isch piffig wie 'n Werth immer isch,Der hot sich's ganz fei' ausgefingert,Er sächt: »Trink ich de' Herr Abt unner'n Tisch,Isch zehntfrei uf ewig mei' Wingert.

Doch zich ich de korze, – 's werd numme nit sei' –Ich kann jo nit offener spreche:Do zahl ich en doppelt, der Wingert geht drei',Die Männer do därfe nir bleche!«

Herngege der Abt: »Wann's umgekehrt isch,Isch freilich der Wingert mei' ege;Ehr Männer vun Wachrem, Ehr hörens am Tisch,Ehr zechen uf uns zwe – als Zege!

Doch daß m'r dut sehne ob's richtig werd sei',Do horche noch numme e' Wörtel:De' Männer do schenkt m'r die Humpe als ei',Doch uns zwe, uns meßt m'r mit – Vertel!«

Die Wett isch gemacht. Itz reit m'r im Trapp,Wie krese die Kanne, die Humpe!Die Kellerborsch lafe die Be' sich ball ab,'s dät nötig die Faß aussepumpe.

Das isch d'r e' Lewe, das klingelt un tönt,Das isch e' Gekrisch un Gezäwel!Schun häwe die Männer ehr Dachstubb verlehnt,Un ball isch verlehnt ach der Gewel.

Die sinn itz marode, der Abt hot sei' Spitz,Mächt Aegelcher kle' un so selig;Der Werth steht noch fescht do als Mann an der Spritz,Der trinkt noch sei' Stümmel ganz fröhlich.

Der Abt isch marode, der Werth awer lacht,M'r füllt em sei' Vertel vun frischum;Der Teurel, hot der wul Guschmugge' gemacht?Der Abt – der fallt plumps dich vum Tisch um!

M'r schleppten ins Bett .... der Mittag isch do,Er dut sich die Aege noch reiwe;Der Abt hot's verlore – sei' Zehnt hot die Grô:Er muß sich dem Werth noch verschreiwe. –

Na' gläw'ner ich gläb es? Ich gläb numme das:

Der Abt hätt die Wett nit verlore,Dann Meschter se packe das isch d'r ke' Spaß,Doch Werth häwens hinner de' Ohre.

Wer gläbt dann so 'n Märel, derwell dann? o jeh,Wer hätts em Werth üwel genumme?Ich gläb 's isch nit unrecht, doch muß m'r versteh',Dorch Späßel sei' Recht se bekumme. –

322. Kaspar von Spangenberg.

Von Ludwig Schandein. – Westricher Mundart.

Der Spangebergkaschber e' batziger Held:Der stehlt sich em Kaiser sei' Märe,Un frot nir noh Kaiser, noh Gott un der Welt –Sie flüchte un dun sich verklere.Un dief im GewällUf hemlicher StellSchafft luschtig der Mauer- un Zimmergesell.

»Mei' Schlößche is fertig, wie schö' sich's drei' wont –O jerum, das gebbt d'r e Lewe!Doch bin jo die Bauleut noh Müh net belont:E' Winkuf den will ich noch gewe!« ...Sie schlofe, schun voll,Die Hütt brennt wie toll:Das dur er, daß niemand verrore was soll.

Un jemand vun Worems sei' Märelche sucht,Der rest als e' resender Ritter:»Verflucht sei der Räuber, uf ewig verflucht!«Der Weg werd dem Ritter was bitter.Doch dief im GewällUf hemlicher StellDo schimmert im Schlößche e' Lichtelche hell.

Der Ritter kloppt an, m'r fehrt en in Sal,Wer is es? sei' leibhaftig Märe!Doch mahn er nir sah', hot Luscht do un Qual –Er loßt sich im Schloß erum fehre.»Mei' Mann is net do,Kummt ball awer noh!«Ball binse beisamme un zeche wie froh.

Sie zeche wie froh un es krest ah das Horn,Der Kaschber der macht was de Dicke;Er kummt uf de Kaiser, den nemmt er ufs Korn:Der Ritter kann's kam noch verschlicke;Geht früh in der Stunn,Die Auhe verbunn –Ei hätt wul der Ritter das Schloß noch gefunn?

Un ball druf is Lärme un Schrecke im Schloß,Verrammelt bin Dore un DehreM'r merkt schun de' Schnuppe, do geht ebbes los;E' Ritter dut Einloß begehre.Ob früh in der Stunn,Die Auhe verbunn,Der Ritter – der Kaiser! hot's Schloß doch gefunn.

Sie flüchte durch 's Fenschter in eiliger Not,Sie han in de Hänn sich im Springe:Ehr luftiges Klädche das schuzt se vor'm Dod –Doch dut m'r se drunne umringe.Sie werre versprengt,Der Kaschber gehenkt,Un's Märe? – das werd eme' ann're geschenkt!

323. Die lederne Brücke.

J.G. Lehmann Geschichtl. Gemälde der Pfalz. I., 160.

Die beiden Spangenberg und Erpfenstein waren so wenig entfernt von einander, daß man gegenseitig aus den Fenstern Zwiegespräch führen konnte. Die Besitzer beider Schlösser lebten als gute Freunde in fröhlichem Genießen dessen, was sie ehrlichen Leuten abgenommen. Um nun immer schnell zusammen kommen, auch in Zeiten der Gefahr einander helfen zu können, spannten sie eine lederne Brücke von einer Burg zur andern hoch über das Thal hinweg. Allein die Herrlichkeit dauerte nicht lange. Als sie einst mit einander in Zwist gerathen waren und einer von Beiden über die Brücke zog, um den andern zu Paaren zu treiben, soll dieser schleunig die Brücke abgeschnitten haben, also daß jener mit sammt seinen Leuten in den Abgrund stürzend elendig zu Grunde ging.

324. Des Spangenbergers Liebe.

Die vor. Schrift I., 160.

Der Spangenberger glühte in tödtlichem Haß wider seinen Nachbar, den Erpfensteiner. Sein Sohn aber liebte die Tochter des Feindes. Weil nun der Vater solche Neigung verfluchte, entwich der Sohn von Hause und trat bei dem Müller der nahen Sattelmühle in Dienste. Hierher wandelte allabendlich das Fräulein vom Erpfenstein. Aber die Sache blieb nicht verborgen. Der Spangenberger hob seinen Sohn auf und warf ihn in das tiefste Burgverließ.

325. Der Käs-König zu Dürkheim.

Frey Beschr. II., 419. J.G. Lehmann Gesch. Gem. II., 131.

Für Nutznießung eines dem Kloster Limburg gehörigen Weidenstrichs hatte Dürkheim mit einigen Nachbar-Gemeinden einen jährlichen Zins zu entrichten. Von diesem Zinse schreibt sich eine alte Gewohnheit her, welche noch bis zur Zeit der französischen Revolution beobachtet wurde, heutzutag nur noch in sagenhafter Erinnerung lebte. Aus den Bürgerssöhnen Dürkheims wurde nämlich einer zum Könige gewählt, welchem ein Marschall zur Bedienung beigegeben war. Dieser begab sich nun jährlich, Pfingstmontags frühe, in Begleitung von zwei Aechtern und eines starken berittenen Gefolges, in die zum Weidgang in's Bruch berechtigten Dörfer und Höfe, um den Zins für die Gerechtsamen in Empfang zu nehmen, und weil der größte Theil desselben in Käsen bestand, so wurde der Gewählte der Käs-König genannt. War nun der Umritt vollendet und der Zins eingetrieben, so hielt der

König des Nachmittags seinen Einzug in die Stadt, mit einer Krone von blauen Kornblumen geziert und einen, auf einem Stabe befestigten, gekrönten Käs als Scepter in der Hand haltend. Auf dem obern Markte erwartete ihn eine, aus den Jungfrauen Dürkheims gewählte Königin, sowie auch den Marschall eine Gefährtin, und nachdem die Bürgerwache einen Kreis geschlossen, tanzten beide, der König, sowie sein Marschall, mit ihren auserwählten und mit Geschenken beglückten Gefährtinnen, nach den Tönen der Musik. Gaffend umwogte die Menge dieses Schauspiel, bis dann endlich der ganze Schwarm in das dafür bestimmte und auf drei Tage von allen Abgaben befreite Wirthshaus, das Königreich genannt, zum Zechen, Tanzen und Schmausen einzog.

326. Ein Grabstein in der St. Johanniskirche zu Dürkheim.

Lehmann II., 95.

In der Johanniskirche zu Dürkheim befindet sich ein merkwürdiger Grabstein. Darauf sind zwei Ritter in erhabener Arbeit, gerüstet und einander gegenüber liegend, vorgestellt. Der eine derselben ist ein Greis, und der andere ein jüngerer Ritter. Davon geht eine alte, beinahe verklungene Sage. Die beiden Ritter auf dem Steine stellen Vater und Sohn vor; dieser ermordete jenen und darauf sich selbst. Die Ursache dessen war die Liebe des Sohnes zu einer edlen Jungfrau, mit deren Eltern der Vater in Fehde lebte. Die Eltern des Mägdleins waren auf deren dringendes Bitten zur Aussöhnung bereit und willigten in die Vermählung, doch des liebenden Sohnes Vater blieb starr und unbeugsam bei seinem Willen und seinem Hasse. Die Jungfrau sank, das liebende Herz von Gram gebrochen, bald darauf in's Grab, ihr Bräutigam, dem harten Vater fluchend, zog hinaus in das für ihn todte und einsame Leben. Da trug es sich zu, daß ein Krieg ausbrach. Vater und Sohn befanden sich bei den gegenüberstehenden Heeren. Beide stießen in der Schlacht aufeinander und der Sohn versetzte dem Vater eine tödtliche Wunde. Nach geendigter Schlacht erfuhr der Unglückliche, daß er seinen eigenen Vater getödtet. Vor Entsetzen starr sieht er die Leiche, stößt sich das Schwert in die Brust und sinkt lautlos neben dem Vater zu Boden. Beide umschloß ein Sarg, wie ein Grabstein ihre Geschichte verkündet.

327. Die Klosterruine zu Seebach.

Von Friedrich Ernst. – Vgl. Panzer Beitrag S. 204.

Von des Lebens lauter Straße Lag geschieden Hier in Frieden Eine heilige Oase.

Stille Wohnung frommer Nonnen Stand im Schirme Heil'ger Thürme An des Thales klarem Bronnen.

Bei des Glöckleins hellem Klange Sie erschienen Gott zu dienen Mit Gebet und mit Gesange.

Fromme Andacht sie entbrannte, Ihre Lieder Hallten wieder An der Berge wald'gem Rande. –

Einst doch weinte eine Nonne Hier oft Thränen Und ihr Sehnen Wußten Zelle, Mond und Sonne.

Eine Taube kam geflogen, Trug im Munde Todeskunde Dessen, dem sie war gewogen.

Trennungsweh zog hin den Lieben Zu dem Heere – Auf der Ehre Blut'gem Feld ist er geblieben;

Und noch dacht' er sterbend ihrer Bitter leidend; – Klage meidend, Beugt sie sich dem Weltregierer.

Und ob ihres Ordens Pflege Bald erblühte Dem Gemüthe Ruh' im heiligen Gehäge. –

Der Zerstörung längst zum Raube Ward die Halle; Und sie alle Sind vermählet auch dem Staube.

Und der Epheu am Gemäuer Grünet immer, Aber nimmer Schlägt ihr Herz im Todesschleier.

Nur in sanften Maienlüften Wehen linde Noch als Winde Seufzer aus den moos'gen Grüften.

Und im Gipfel alter Bäume Flüstert leise Noch die Weise Ihres Lieds und ihrer Träume.

328. Der Nonnenfelsen.

Nonnenfels unweit Hartenburg bei Dürkheim. – K.F. Bruckner, das Haardtgebirge S. 90. Fr. Weiß die maler. u. romant. Pfalz S. 96. Lehmann Gesch. Gem. II., 262.

Einer der Grafen von Hartenburg, ein rauher und wilder Mann, hatte eine Tochter Adelinde, ein Bild zarter Weiblichkeit und edeln Sinnes. Sie entbrannte in heißer Liebe für einen

edelgesinnten Jüngling, der als Knappe bei ihrem Vater diente. Stilles Glück beseligte die Liebenden, bis der Graf durch einen Zufall das Geheimniß endeckte. Kaum konnte der unglückliche Knappe sich der Wuth seines Herrn durch eilige Flucht entziehen. Adelinde aber hatte die ganze Härte seines Zornes zu tragen, und endlich sollte sie sich gegen ihren Willen an einen Ebenbürtigen seiner Wahl vermählen. Um diesem Geschicke zu entgehen, nahm sie den Schleier, und zwar um so lieber, da sie die Trauerkunde erhalten, daß Ruprecht, der Erwählte ihres Herzens, im Morgenlande den Tod im heiligen Kriege gefunden habe. In einem Kloster weinte sie ihren Schmerz aus und theilte ihre Zeit zwischen Gebet, Wohlthun und Pflege der Kranken. Doch ihre theure Heimath konnte sie nicht vergessen, und begleitet von einer treuen Freundin kehrte sie in das Thal zurück, wo sie ihre glückliche Jugend verlebt hatte. Hartenburg gegenüber errichtete sie auf einem Felsen ihr bescheidenes Hüttchen, und bald verbreitete sich der Ruf der hilfreichen, heilkundigen Nonne in der ganzen Umgegend, nur der rauhe Graf beachtete sie nicht. Da vernimmt sie plötzlich, daß ihr Vater auf der Jagd eine schwere Wunde erhalten habe, und daß alle Mittel, seine Schmerzen zu lindern und seine Wunden zu heilen, vergeblich seien. Dem Drange des edlen Herzens folgend, besteigt sie die Stammburg ihres Geschlechtes und rettet das Leben des Vaters, der sie darauf erkennt, die ganze Größe seines Unrechtes bereut, und ein neues, besseres Leben beginnt. Er suchte durch alle möglichen Bitten Adelinde zur Rückkehr nach Hartenburg zu bewegen, doch sie blieb auf ihrem Felsen und widmete auch den Rest ihres Lebens dem Wohlthun und dem Beglücken ihrer Mitmenschen. Noch zeigt man den Altar, an dem sie ihr Gebet zu verrichten pflegte, und die Vertiefungen, in denen die Thüre ihrer dürftigen Hütte befestiget war.

329. Der Mönchskopf auf Hartenburg.

Hartenburg unweit Limburg bei Dürkheim. – M. Frey Beschr. des Rheinkr. II., 479. K.F. Bruckner Haardtgebirge S. 84.

Der Abt von Limburg lag mit dem Grafen von Hartenburg wegen verschiedenen Gerechtsamen im Streite. Schwer war zu entscheiden, wer Recht habe oder Unrecht; der Abt pochte auf sein Privilegium, der Graf auf sein Schwert. Endlich zeigte sich dieser geneigt, die Sache gütlich auszugleichen, und so kam jener auf freundschaftliche Einladung nach Hartenburg gezogen, ohne Begleitung, keine Hinterlist ahnend. Der Graf, hocherfreut über den Besuch, ließ den geistlichen Herrn anfangs köstlich bewirthen, um ihn zutraulich zu machen, und fing dann von ihren gegenseitigen Zwistigkeiten zu sprechen an. Da aber der Abt gar nichts zugestehen wollte, veränderten sich des Grafen Züge und auf ein gegebenes Zeichen traten Bewaffnete herein, denen er mit donnernder Stimme befahl, den Abt in's Verließ zu werfen. Umsonst sträubte sich dieser. Nur Bitten und Nachgeben konnten ihn befreien, der Abt bat nicht, noch weniger gab er nach, ward demgemäß in's Gefängniß geworfen. Da kamen die Klosterknechte von Limburg gezogen, ihren Herrn zu befreien; sie fingen an zu stürmen, aber sie wurden mit blutigen Köpfen von den steilen Burgmauern abgewiesen. Der dumpfe Kerker, das trockene Brod und das klare Wasser erweichten indessen in wenigen Tagen des Abtes Gemüth, so daß er willig nachgab und den ganzen Streit gütlich beilegte. Darauf ward er von Seiten des Grafen mit einem Ehrentrunke, sowie bei seinem Ausritte mit dem Spott und Hohn der Knappen und Stallbuben entlassen. Zum Andenken an diese Begebenheit wurde ein Mönchskopf in Stein gehauen und in der Richtung nach Limburg an dem sogenannten Treppenthürmchen der Hartenburg eingemauert, wie noch heute zu sehen ist.

330. Siegfried der Drachentödter.

Von Ludwig Tiek. – Im Limburger Walde bei Dürkheim liegt der Hoheberg, dessen Gipfel der Drachenfels oder Drachenstein. Noch lebt die Sage im Munde des Volkes, daß hier Siegfried den Kampf mit dem Drachen, welcher die Königstochter bewachte, bestanden, ihn besiegt und die Befreite ihren Eltern nach Worms zurückgebracht habe.

Im Walde lebte Mimer Und bei den Felsenhöh'n; Dem kam der kühne Siegfried In früher Jugendschön'.

Der Meister lehrt ihn schmieden, Siegfried war wohlgemuth, Er schlug all' die Gesellen In Lust und Uebermuth.

Sie fürchteten ihn alle, Er brächte ihnen Noth, Bald zog er sie an Haaren, Bald droht' er ihnen Tod.

Mimer, mit klugen Sinnen, Wußt', wie im finstern Wald Ein Drache hatte drinnen Im Fels den Aufenthalt.

Der möchte alle tödten, Daß selbst die Kühnsten floh'n. Der Meister sprach in Nöthen: »Der Knabe spricht uns Hohn,

Er trotzt in seiner Stärke, Und droht uns zu erschlagen, Er mag sich zu dem Berge Dort in der Wildniß wagen.«

Sie lobten, was der Meister In seinen Sinn genommen, Da war Siegfried der Dreiste In Freuden hergekommen.

Er lachte, als er sahe Wie sehr ihn alle scheuten, Er sprach: »Ich diene zagen Und ungemuthen Leuten.

Wie ich nicht Harnisch trage Und auch kein Sturmgewand, Wie könnt' ich euch erst schlagen, Hätt' ich ein Schwert zur Hand.«

Da sprach der Schmied, der kluge: »Du mußt nicht, wildes Kind, Dem Meister also trotzen, Geh' in Wald geschwind,

Vorbei dem tiefen Brunnen, Wo dunkle Weiden steh'n, Der Felsenkluft vorüber, Und wo die Winde weh'n.

An einem schroffen Berge Auf rundem, grünem Raum Umher viele der Eschen, Und mancher Tannenbaum.

Und wo ein Wasser fließend Rund um den Felsen braus't, Und um die Bergesspitzen Manch wilder Adler haus't;

Dort sollst du Bäume fällen Zu meinem Eisenwerk; Und wenn die Nacht herdämmert So bleibe dort im Berg;

Auch Kohlen mußt du brennen, Daß ich arbeiten mag, Ich will dir Speise geben Auf sieben volle Tag,

Daß du nicht dürfest darben, Umkehren vor der Zeit.« Siegfried der Jüngling starke War dessen hocherfreut.

Mimer, der kluge, wußte, Täglich zur Steineswand Der Drach' aus seinen Klüften Zu trinken her sich wand.

Bald gehend und bald springend Siegfried mit Schritten schnell Lief nach dem Walde singend, Es schien die Sonne hell.

Er fand bald nach den Zeichen Den tiefverborg'nen Berg, Begann alsbald mit Freuden Sein aufgetrag'nes Werk.

Die Axt klang an den Bäumen, Ein Feuer er entbrann, Der Wald und Bach erglänzte, Nun saß der kühne Mann,

Um auszuruh'n verdrossen,

Die Arbeit that ihm leid; Eine Lind' breit und große Gab ihnen Schatten weit,

Drauf sangen viele Vög'lein Darunter ging der Bach, Auch Rosen blühten röthlich, Mit Freuden er das sach.

Er nahm die Essens-Speise, Die er da mit sich trug, Die Mimer ihm bereitet Für sieben Tag genug.

Die nahm er wohlgemuthet, Auf einmal er sie aß. Dann trank er von dem Brunnen Und ruht' im grünen Gras.

Die Axt warf er von hinnen Und sah die Blumen an: Er sprach: »Schlecht Werk ist Schmieden Und ziemet keinem Mann:

Von Abenteuern, Gefahren, Hört' ich so vieles sagen, Von manchem wilden Kampfe In meinen Kindestagen.

O käm' doch aus dem Dunkel Ein wildes Scheusal her! Ich bin so wohl gemuthet, Ich achtet' es nicht sehr;

Voll Kraft sind meine Arme, Ich bin so satt und froh;« In seinem Uebermuthe Der Jüngling sprach also.

Da kam in langen Zügen, Der Drache hergewunden, Vom Strom sah er ihn trinken, Mit klugem Aug' erkunden

Den Jüngling auf der Wiese, Den sprang er brüllend an, Daß fürchterlich erklungen Weithin der dunkle Tann,

Und alle Berge grüne; Die Adler flogen scheu

Von ihren hohen Nestern Geschreckt mit bangem Schrei.

Siegfried sah still das Wunder, Er von dem Lager sprang, Der Wurm in weiten Ringen Zum kühnen Jüngling drang.

Der schützte sich mit Zweigen Und gab ihm manchen Schlag, Manch' Baum von harten Streichen Auf des Wurms Rücken brach.

Stahlhart waren die Schuppen, Die Klauen schwerterscharf, Siegfried sprang von den Wurme, Die Zweig' er von sich warf,

Die Axt ergriff er wieder; Er that so grimm'gen Schlag, Daß gleich zu seinen Füßen Der Drache hauptlos lag.

Ein großer Strom des Blutes Rann dampfend durch den Grund, Er färbte dunkel purpurn Blumen und Sträucher wund,

Und sammelte sich nieder, So wie ein großer See. Siegfriede saß dann wieder, Der Schlag selbst that ihm weh.

Die Einsamkeit ward stiller, Flüsternd ging hin ein Wind Und strich durch Tann' und Eiche So kühlend und gelind.

Der Bach ging dahin rieselnd, Aus Bergen kam ein Schall, Und widerstreitend lieblich Sang manche Nachtigall.

Da dünkt dem jungen Helden, Er sei im süßen Traum, Sinnend saß er und denkend Am grünen Lindenbaum.

Sein Herze strebt so muthig, Sein Auge war so hell, Als er den See schaut blutig

Neben dem blauen Quell,

Und über sich im Wipfel Vernimmt er lieblich Schallen, Es ist Klagen und Girren Von zweien Nachtigallen.

Und wie er sich besinnet Und recht den Laut erfand, Siegfried im Herzen fühlte, Daß er den Ton verstand.

»Der junge Sohn Siegmunds,« Sang diese wunderbar, »Vollbrachte hier ein Großes, Was schon seit manchem Jahr

Kein Held nicht durfte lösen; Ihn hat hierher gebracht Mimer mit seinen Tücken, Doch dieses nicht gedacht.

Er wird der Held der kühnste, Berühmt in aller Zeit, Er wird der Recke schönste, Zu Thaten hoch erfreut,

Seine Jugend die liebliche Erfrischet jeden Muth, In Schild und Harnisch spielende Vergießt er Vieler Blut.«

Siegfried war froh und staunte, Da hob die and're an Im Wechselsang so laute, Daß wiederscholl der Tann.

»Wüßt' er die rechte Mähre, Ihm wär es noch gelungener, Er hätte größ're Ehre Und bliebe unbezwungener,

Wenn er nackend im Blute Den Leib, den schönen, badete, Kein Eisen ihn verwundete, Nicht Lanz und Schwert ihm schadete.«

Da sprang der Jüngling nacket In das rauchende Blut, Er kühlt' im rothen Bade Den heißen Uebermuth.

Da sang der Vogel girrende Mit süß klagendem Ton: »Bald wird das Gold, das schimmernde, Dir, Siegesmundes Sohn,

Das Drachenbett, das glänzende, Auf dem der Gift'ge lag, Sich in den Gluthen wälzende, Ihm schien die Nacht wie Tag;

Die Edelstein' die funkelnden, Die ihm geleuchtet spat, Die Lagerstelle wunderlich Siegfried gewonnen hat.«

Nicht wußte das der Kühne, Daß sie vom Schatze sungen, Den dann gewann Siegfriede Ob von den Nibelungen.

Hell stieg er aus dem Blute, Da war er schön und groß, Auch dünkt' er sich an Muthe Den Edelsten Genoß.

Es mochte keine Wunde Verletzen je den Mann, Doch wie er auch vom Blute Den Zauber sich gewann,

Fiel doch unwissend seiner Ein Blatt ab von der Lind', Ihm zwischen weiße Schultern, Daran starb Siegmunds Kind.

331. Der Waldmann.

Von A.v. Chamisso.

Der Wandrer eilt das Thal hinauf, Er steigert fast den Schritt zum Lauf, Der Pfad ist steil, die Nacht bricht ein, Die Sonne sinkt in blut'gem Schein, Die Nebel zieh'n um den Drachenstein.

Und wie er bald das Dorf erreicht, Ein seltsam Bild vorüberschleicht, Gespenstisch fast, unheimischer Gast, – Drückt ihn annoch des Lebens Last? Gewährt das Grab ihm keine Rast?

»Ihr friedlichen Leute, was zaget ihr, Und kreuzigt euch, und zittert schier?« – »›Ob mir das Haar zu Berge steigt, Ich sag's dir an, wenn Alles schweigt: Es hat der Waldmann sich gezeigt.‹«

»Der Waldmann?« – »›Ja, du wirst nicht bleich, Du bist hier fremd, ich dacht' es gleich! Ich bin ein achtzigjähr'ger Mann Und war ein Kind als sich's entspann, Ich bin's, der Kunde geben kann.‹

Die Drachenburg stand dazumal Stolz funkelnd noch im Sonnenstrahl: Da lebte der Graf in Herrlichkeit, Bei ihm, bewundert weit und breit, Das junge Fräulein Adelheid.

Der Schreiber Waldmann, höflicher Art, Trübsinnig, blaß und hochgelahrt, Erfreute sich der Gunst des Herrn; Er sah das Fräulein gar zu gern, Und der Versucher blieb nicht fern.

Zu reden wie er kein Andrer verstund; Er webte fein mit falschem Mund Das Netz, womit er sie umschlang Er sprach von Lieb', er sprach von Rang, Von freier Wahl und hartem Zwang;

Von Gott und Christo nebenbei, Und Sündenhaftes allerlei; So hat er sie bestürmt, geplagt, Gequält, umgarnt, sey's Gott geklagt, Bis sie ihm Liebe zugesagt.

Spät ward's dem Vater hinterbracht, Sein Zorn, sein Mitleid sich erwacht; Sein Kind Erbarmen bei ihm fand, Der falsche Schreiber ward verbannt, Bei Leibesstrafe von Burg und Land.

›Schön Adelheid in Thränen zerfloß, Der Waldmann aber irrt um das Schloß: Er kannt' nicht Ruh', er wußt' nicht Rath, Er wüthete, brütete früh und spat, Und sann auf schauerliche That.

Er sandt' ihr heimlich einen Brief, Wovor es kalt sie überlief: Zusammen sterben! hieß es darin,

Getrennt zu leben, bringt keinen Gewinn, Nach einem Dolchstoß steht mein Sinn.

Du schleichst zu Nacht aus des Schlosses Raum. Und stellst dich ein beim Kästenbaum; Bestellt das Brautbett findest du, Das Bett zu langer, langer Ruh', Am Morgen deckt dein Vater uns zu.

Und wie im schwerem Fiebertraum Zog's sich zu Nacht nach dem Kästenbaum, Ob da sie selbst den Tod begehrt, Ob widerstrebt, ob sich gewehrt, Die Nacht verbirgt's, kein Mensch es erfährt.

Der Tag, wie er in Osten ergraut, Das blut'ge Werk hat er geschaut: Er hat in der Geliebten Brust, Die Liebe nur athmet und süße Lust, Den Dolchstoß sicher zu führen gewußt.

Wie aber sie sank in seinen Arm, Ihr Blut verspritzte so roth und warm, Da merkt er erst, wie das sterben thut, Da ward er feig, da sank sein Muth, Da dünkt' es ihm zu leben gut.

Er hat die Leiche hingestreckt Und ist entflohn und hat sich versteckt. Es war das Schreckniß offenbar, Wie kaum die Arme verblichen war: Der Vater zerraufte sein greises Haar.

Er hat dem Mörder grausig geflucht: Dem Tod' zu entkommen, der drohend ihn sucht: Er hat das Grab der Tochter bestellt, Er hat sich bald zu derselben gesellt, Sein Stamm verdorrt, die Burg zerfällt.

Der Waldmann dort bei den Gräben haus't, Beim Kästenbaum, wenn der Sturm erbraus't, Gespenstig fast, unheimlicher Gast; – Drückt ihn annoch des Lebens Last? Gewährt das Grab ihm keine Rast?

Man weiß es nicht, doch wann er steigt Hinab zu Thal, im Dorf sich zeigt, So folgt ihm Unheil auf dem Fuß; Verderben bringt sein ferner Gruß; Und wen er anhaucht sterben muß.‹«

332. Die Heidenmauer.

Intelligenzblatt des Rheinkreises 1830 Nr. 31. Frey Beschreib. II., 417.

Nordwestlich von Dürkheim liegt ein Kreis von bemoosten Steinen, etwa eine halbe Stunde im Umfang, die Heidenmauer genannt. Da soll vor uralten Tagen Etzel, der Hunnen König, sein Lager geschlagen haben, als er von Römern und Franken bei Chalons geschlagen, sich über den Rhein zurückzog. Andre erzählen, die Heidenmauer sei die Begrenzung eines Opferplatzes gewesen, wohin auch ein Opferstein deutet, welcher sich noch vorfindet. Von diesem Opferstein sagen die Leute, der Teufel habe ihn nach Limburg tragen wollen, jedoch zu schwer gefunden und unterwegs liegen lassen.

333. Kehrdichannichts, Murmelnichtviel, Schaudichnichtum.

J.G. Lehmann a.a.O. II., 163.

Gegen Westen der ein halbes Stündchen von Dürkheim entlegenen Klosterruine Seebach liegt auf einem Berge das Forsthaus »Kehrdichannichts.« Der Name dieses Hauses hat in den beständigen Reibereien und Uneinigkeiten zwischen Pfalz und Leiningen seinen Ursprung. Der Kurfürst ließ nämlich einen Thurm erbauen, dessen Ruinen man noch sehen kann, und gab diesem, um dem Grafen Friederich Magnus zu imponiren, den Namen »Murmelnichtviel.« Der Graf, dem Kurfürsten zu zeigen, wie gering er seine Drohung achte, erbaute in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts das Forsthaus »Kehrdichannichts.« Nicht weit davon war noch ein anderes Jagdhaus »Schaudichnichtum,« welches ebenfalls den Reibereien der Leiningischen mit den Pfälzischen Jägern von Neidenfels seinen Ursprung verdankte.

334. Limburgs Entstehung.

Nach Lehmann Speyr. Chronik u. A.K.F. Bruckner, das Haardtgebirge S. 79.

An der Stelle des späteren Klosters Limburg stand früher eine Burg. Der Name der Burg rührt wohl von den Linden her, womit der Berg früher bewachsen war, wie sie denn auch vor Alters »Lindburg« hieß. Die Ueberlieferung berichtet, der erstgeborne Sohn Kaiser Konrads II. habe hier auf der Jagd durch einen Sturz von einem Felsen das Leben verloren, und Konrad sei durch seine Gemahlin, die fromme Gisela, welche dieser Trauerfall auf das Tiefste erschüttert hatte, bewogen worden, die Todesstätte des geliebten Kindes Gott zu heiligen und die Stammburg in ein Gotteshaus zu verwandeln.

335. Der Teufelsstein.

Von L. Schandein. – Pfälzisch. – G. Litzel, Histor. Beschr. der kaiserlichen Begräbniß im Dom zu Speyer S. 3. A. 4. J. König die Kaiser im Dom zu Speyer S. 4. Lehmann, Gesch. Gemälde II., 149. Bruckner, Haardtgebirge S. 87.

Zu Limborg uf dem schöne Berg Werd ei'geweit die Kloschterkerch; E' Wunnerkerch wie ke' ze sehne – E' schönes Stückel isch geschehne.

Als 's Großer Gott so froh erschallt, Isch ener nor verbost un kalt, Den plogt der Neid, den quält der Zweiwel, Wer soll es sei'? Es isch der Deuwel!

Hot mitgeholfe Dag un Nacht, Als »Werthshaus« word's em vorgemacht; Wild fart er raus un dät er därfe, Dät gleich die Kerch zu Krümmel werfe.

Daß so e' Strech e' Deuwel schmerzt: Er in de' Boddem stracks sich sterzt, De' gröbschte Fels eraussereiße – Will hoch vum Berg die Kerch verschmeiße.

Schun hebt de' Fels er in de Händ, Do hot was Weißes ihn verblendt, Wie'n Engelstimm so hört er's schalle: »Loß uf der Stell de' Felse falle!«

Er sezt versterzt sich druf un scheu, Werd gleich der Ste' so wech wie Brei; Doch mol im Rasch will frisch er werfe, 's isch halt nit gange, hot nit därfe.

Do isch er fort un brüllt un flucht, Un hot sei' Höll wul ufgesucht. Im Ste' noch sicht m'r Sitz un Kralle – Un Deuwelste' – hest's noch bei alle.

Gefallt euch 's Stückel? so isch's aus, Nemmt numme euch das Bescht eraus!

336. Hans Warsch, der Hirt von Oggersheim.

Abele Theatrum Europ. p. 599. Merian Top. Palut. p. 39. Antiquarius des Rheinstromes S. 352. Geissel Kaiserdom II, 220.

1.

Von A.F. Langbein.

Im dreißigjährigen Kriegsgewühl Nahm sich die Pfalz am Rhein Ein span'scher Feldherr einst zum Ziel, Und zog mit Schaaren ein. Er ließ um siegend vorzudringen, Das Städtchen Oggersheim umringen.

Den Bürgern wurde kalt und heiß, Bis noch der Trost sich fand, Daß unentdeckt in ihrem Kreis Ein Fluchtweg offen stand, Da griffen sie geschwind zum Stabe, Und flohen mit Weib und Kind und Habe.

Hans Warsch, der Schafhirt, blieb im Ort Der Männer ganzer Rest;

Denn Ehehaften hielten dort Den wackern Burschen fest. Sein Weib, ein ihm sehr liebes Wesen, War eines Kindleins erst genesen.

»Sieh zu, was stehet dir bevor?« Rathschlagte Hans mit sich. »Das Volk umlagert Wall und Thor, Und tobet fürchterlich. Doch nur getrost! wie sich's auch stelle, Es stammt denn noch nicht aus der Hölle.

Tritt mannhaft ihm vor's Angesicht, Und sprich ein tapfres Wort! Das wär' des Bürgermeisters Pflicht, Doch lief die Memme fort. So bist du leicht der Stadt mehr nütze, Als jene ausgewichne Stütze.«

Und zwischen Donnerbüchsen stand Er plötzlich auf dem Thor, Schwang muthig mit der rechten Hand Ein weißes Tuch empor Und rief fast trotzig: »Hört, ihr Degen, Ich soll mit euch Verhandlung pflegen.

Gelobt ihr Schutz und Sicherheit Uns allen redlich an, So wird euch ohne Widerstreit Das Thor flugs aufgethan. Doch wollet ihr die Stadt verheeren, So werden wir uns grimmig wehren.«

Dem Feldherrn ward, was jener sprach, Vom Dolmetsch treu erklärt, Er sann darob nicht lange nach, Er rief: »Es sei gewährt!« Und Hans, vertrauend diesem Worte Eröffnete sogleich die Pforte.

Wie staunten jetzt die Spanier Auf ihres Einzugs Bahn, Als sie das Städtchen um sich her Wie ausgestorben sahn! »Wo,« fragten sie, »wo sind die Andern, Die sonst durch diese Gassen wandern?«

»Sie flohn!« versetzte Hans. »Nur mir Hing eine Kett' am Fuß, Weil ich heut oder morgen hier Kindtaufe geben muß.

Doch dürft ihr drum nicht feindlich schalten, Was ihr versprochen, müßt ihr halten!«

»Ei!« rief der Feldherr, »ei, wie hat Der Schalk uns angeführt! Doch fruchten soll's der ganzen Stadt, Was seinem Muth gebührt.« – Drauf herrscht' er wie ein Freund gelinde Und stand Gevatter bei dem Kinde.

337. Der Hirt von Oggersheim.

2.

Von Ludwig Schandein. – Pfälzisch.

Mit Schrecke em noch heut gedenkt Der dreißigjärig Krieg; Do word gemordt, gebrennt, gesengt, Segar noch nochem Sieg. Vun viele Feind war doch derwüscht Das Diebschor, die Spanjole: Wollt das die Palz mit lauter Lischt Als Morgenimbs sich hole.

Vor Oggerschem mußt still m'r steh', Do war gelecht e' Knopp; Der Owerscht wollt un wollt nit geh': Der hatt die Palz im Kopp! Isch 's Städtel wul ach stark verschanzt, Doch krikt's die Gäsegichter: M'r hot se pärsch schun angeranzt – Der Feind steht immer dichter.

Doch ener numme weist noch Mut, Der denkt in seinem Sinn: Prowir's, un wann's nir helfe dut – Do gehts in enem hin. Un herzhaft stellt er sich uf's Thor, Un wegelt 's weiße Tüchel Un ruft: »Gebt ehr uns Schutz devor, Isch gleich uf Thor un Richel!

Doch seid ehr köppisch, roh un hart, Werd herzhaft sich gewehrt: Es werd noch grosi Hülf erwart – En Ehr die anner wert!« Den Owerscht frät das gar zu sehr, Un gleich isch's Thor ach offe; Doch als sie drei', isch alles leer, War alles fortgeloffe!

Der Uewerrescht das isch der Hert,

Es isch der Hannes Warsch; Wie's Städtel so belagert werd, Mächt alles linksum marsch. Der Owerscht frogt, er sächt gedrückt: »Wie kunnt ich ach mitlafe? Mei' Fra die hot e' Klenes krikt – Das muß ich halt doch tafe!«

Trett nächer hin un bitt un sächt: »Das Städtel isch befreit! Herr Owerscht, isch es Euch nit recht, So halt ich Kinntaf heut?« Der Owerscht sicht en freundlich an, Er nimmt's em nit vor üwel Un sächt: »Weil du so brav gethan, So heb ich der dei' Büwel!« –

Nit wohr, das Stückel isch mol schö', 's könnt schöner wul nit sei'; Es sollt in jedem Büchel steh', Drum setz ich's do erei'. In Oggerschem isch's wul gekennt, Ja jedes Kinnel kann es; So lang m'r Oggerschem noch nennt – So nennt m'r 's Warsche Hannes! –

338. Der Lindenschmidt.

Volkslied. – Sage von Frankenthal. Schaab, Gesch. d. Rhein. Städteb. I., 523. II., 511. ff. Klüpfel. Urk. z. Gesch. d. Schwäb. Bds. S. 91. Wunderhorn I., 125. Uhland deutsche Volkslieder I., 358.

Es ist nicht lange, daß es geschah, Daß man den Lindenschmidt reiten sah Auf einem hohen Rosse. Er reitet den Rheinstrom auf und ab; Er hats gar wohl genoßen.

»Frisch her, ihr lieben Gesellen mein! Es muß jetzt nur gewaget sein, Wagen das thut gewinnen, Wir wollen reiten Tag und Nacht, Bis wir die Beute gewinnen.«

Dem Margrafen von Baden kam heute neue Mär, Wie man ihm in's Geleit gefallen wär, Das thät ihn sehr verdrießen. Wie bald er Junker Casparn schrieb: Er sollt ihm ein Reislein dienen.

Junker Caspar zog'm Bäurlein ein Kappen an, Er schickt ihn allzeit vorne dran Wohl auf die freie Straßen, Ob er den edelen Lindenschmidt fänd:

Denselben sollt er verrathen.

Das Bäuerlein schiffet über den Rhein, Er kehrt zu Frankenthal ins Wirthshaus ein. »Wirth, haben wir nichts zu essen? Es kommen drei Wagen, sind wohl beladen, Von Frankfurt aus der Messen.«

Der Wirth der sprach dem Bäuerlein zu: »Ja Wein und Brot hab ich genug! Im Stalle da stehen drei Rosse, Die sind des edeln Lindenschmidts, Er nährt sich auf freier Straßen.«

Das Bäuerlein gedacht in seinem Muth, Die Sache wird noch werden gut, Den Feind hab ich vernommen. Alsbald er Junker Caspar schrieb, Daß er sollt eilends kommen.

Der Lindenschmidt hätt einen Sohn, Der sollt den Rossen das Futter thun, Den Haber thät er schwingen: »Steht auf, herzlieber Vater mein! Ich hör die Harnische klingen!«

Der Lindenschmidt lag hinterm Tisch und schlief Der Sohn der thät so manchen Rief, Der Schlaf hat ihn bezwungen: »Steht auf, herzliebster Vater mein! Der Verräther ist schon gekommen.«

Junker Caspar zu der Stuben eintrat, Der Lindenschmidt von Herzen sehr erschrack: »Lindenschmidt, gieb dich gefangen! Zu Baden an dem Galgen hoch, Daran sollst du bald hangen.«

Der Lindenschmidt war ein freier Rittersmann, Wie bald er zu der Klingen sprang: »Wir wollen erst ritterlich fechten!« Es waren der Bluthund allzuviel, Sie schlugen ihn zu der Erden.

»Kann und mag es denn nicht anders sein, So bitt ich um den liebsten Sohne mein, Auch um meinen Reitersjungen: Haben sie jemanden Leids gethan, Dazu hab ich sie gezwungen.«

Junker Caspar, der sprach Nein dazu:

»Das Kalb muß entgelten der Kuh, Es soll dir nicht gelingen! Zu Baden in der werthen Stadt Muß ihm sein Haupt abspringen!«

Sie wurden alle drei nach Baden gebracht, Sie saßen nicht länger als eine Nacht; Wohl zu derselben Stunde, Da ward der Lindenschmidt gericht't, Sein Sohn und Reitersjunge.

339. Eberhard von Randeck.

Von Ludwig Schandein. – Westricher Mundart.

Zu Leining in der Sähmül Do spukt's, do geht e Gescht: Ich will der's glei verzäle, Wann du es noch net wescht.

Der Ewerhard vun Randeck, Der wüschterlich Patron, Der wollt em Graf vun Leining Sei' Kinn for Lieb un Lon.

Der Graf der dut's net leire, Dem Fräle vorem graut, Es hot jo ah sei' Sach schun: Seit korzem is es Braut.

Mei' Ewerche werd würig, Verstellt em Tritt un Schritt, Un bult um ebbes annerscht, Un bult als alle Ritt.

Wes nimi sich se helfe, Do denkt er uf sei' Dod; So geht er dann zum Müller Un halt mit sellem Roth.

Das Fräle hot e' Junfer, E' schönes junges Blut; Die will 's em Ewer gewe, Die Junfer is em gut.

Sie gehn minann spaziere: Mol Bräutigam un Braut, Der Graf un unser Ewer, M'r dut so lieb, vertraut.

»Wie schö' is do die Aussicht, Un Schönes sieht m'r viel!« –

»Noch schöner« – saht der Ewer – »Is drunne in der Mül!« –

Glei gehn se hin se gucke, Wie dreht sich rasch das Rad! »Das muß m'r recht besiehe!« Der Ewer wierer saht.

Sie gehn do immer näher, Besiehn die neue Mül, Un zwerghin üwig's Werk fehrt E dünni dünni Diel.

Die Braut die soll vorauser, Es is ehr net so drum; Je meh' der Ewer zuredt, Je meh ah steht se stumm.

Do soll voraus ehr Märe, Das hot ke' grosi Not: E' Tritt, e' Krach, e' Storz! un – Die Rärer reiwen's dod.

Der Ewer fart zum Stos aus, Möcht ah die Braut enei'; Zum Glück do siehts der Graf noch: Fallt eilings uf en drei.

De' Müller un de' Ewer, Den wüschterlich Patron, M'r bindt se fescht sesamme – So kriehe se de' Lon.

Der Ewer is geköppt worr, Zu ewiger Schimp un Schann, Der Müller is ins Loch kumm – Un mußt dann aus em Lann.

Die Leich vum arem Märe, Zu Krümmelcher verfetzt, Zu Hönninge im Kloschter Do word se beigesezt.

Un heut noch in der Sähmül Do spukt's, do geht e' Gescht: Das is der würig Ewer, Wann du's verleicht net wescht.

340. Das steinerne Kreuz.

Auf einer Anhöhe bei Winnweiler steht ein steinernes Kreuz. Dort jagte einmal ein Reitersmann im einsamen Wald, da brach der Abend herein, und Finsterniß bedeckte Weg

und Steg, also daß der Reiter sich der Führung seines guten Rosses überlassen mußte. Das Roß aber kannte den Weg und trug ihn ungefährdet durch die Nacht von dannen. Auf einmal stand es plötzlich still und konnte durch kein schmeichelndes Wort, auch durch keinen Sporn mehr angetrieben werden. So mußte der Reitersmann absteigen und auf derselben Stelle im dunkeln Wald sein Nachtlager nehmen. Als er nun des Morgens erwachte, wie sehr erstaunte er nicht, da sich vor seinen Augen ein gähnender Abgrund aufthat, an dessen Rand er geschlummert hatte. Wäre sein treues Roß gestern einen Schritt weiter zu bringen gewesen, so hätte der Ritter sein Grab in der Tiefe gefunden. Freudig kniete er nieder und dankte Gott für seine wunderbare Rettung, und ließ nachmals auf jener Stelle ein steinernes Kreuz zum Andenken für ewige Zeiten errichten.

341. »Melchior, wie du willt!«

Von Laurian Mooris – Sage von Falkenstein nördlich von Winnweiler. P.A. Pauli Gemälde von Rheinbayern S. 120. Fr. Weiß maler. u. romant. Pfalz S. 122. M. Frey Beschr. d. Rheinkr. III., 151.

Mannen steh'n vor Falkenstein. »Gott es ist der Bruder mein! Wohlbewappnet steht sein Troß, Niederreißen wird er wild Ueber'm Kopfe mir das Schloß: – Melchior, wie du willt!«

Und von außen tönt es laut: »Kommt, Herr Bruder 'mal und schaut, Habt beleidigt meine Ehr', Kann's vergessen nimmermehr, Nur versöhnen wird's der Speer, Drum hieher! – hieher!«

Und der Graf von Falkenstein Oeffnet drauf das Fensterlein; Blicket stumm und blicket lang Auf des Bruders Speer und Schild, Und ergebend spricht er bang: »Melchior, wie du willt!«

Doch erweicht ob solchem Sinn, Ruft ihm jener gnädig hin: »Friede zwischen dir und mir; Doch von nun an zier ein Bild Mit dem Spruch die Veste hier: ›Melchior, wie du willt!‹«

342. Der Raugraf von Altenbaumberg.

Von Ludwig Schandein. – Westricher Mundart. – Weiß maler. u. romant. Pfalz S. 127.

's is duschberig, der Dah der saht Gunnacht, Hot resefertig ewe sich gemacht. Wie dur em gut der goldig Abschiedschei', Scheint Friere em un Ruh ins Herz enei'.

Net jederem: en ururalte Mann,

Wo lewe net un ah net sterwe kann, Den treibts erum aus laurer Gram un Qual, Im Schloß erum, das leit im Alsenzdal.

's is Altebamberg, schun gerami Zeit, Daß es verfall is un der Schutt do leit; Un Handwerksborsch, un wer als anne rest, Die sahen all, das war mol schö' gewest!

Der alte Mann, e' schlockerig Geripp, Vum Lewe is der Gram ihm nor geblibb, Is halwer blinn un tab un is ah stumm: So errt er wie der ewig Judd erum.

Un errt erum wer wes wie langi Zeit, Ob wul e' Fluch uf seim Gewisse leit? Ke' Mensch im Schloß sei' Herkummes net wes – Er werd der alte Raugrof nor gehes.

Er dauert em, m'r wes es net warum, Un jeres denkt: o wär sei' Zeit doch um! Sie will net geh' – un immer im Früjor, Wo alles wachst, do wachst sei' Led devor.

Im mitte Hof do wachst e' Liljeblum Zum Plaschter raus, is wul e' Heiligtum: Der Stengel hoch, un Glocke immer zwe, So wunnerzart un weiß wie frischer Schnee.

E' Wunnerblum, is wärlich wie verhert, Wer aus sie roppt der sieht sich nor genext: Glei wachst se noh als wann se Lewe hätt, Die Worzel gar, die findt m'r niemols net.

Un saht der Dah sei' letschte Abschiedgrus, Do gebt der Lilje er e' lange lange Kuß; Is um un um schun diefi Dunkelhet, Die Lilje lang in hellem Leuchte steht.

Un früjors so die Blum als immer blüt, Der Raugrof kummt un vor se hin sich kniet, Un bet un dut un falt als hoch die Hänn – Doch niemand sieht dem Jomer nor en Enn.

Schun lange Jor bin trauerig verfloß, E' Piljer kummt mol owends uf das Schloß, E' Piljer jung, gar lieblich sei' Gestalt, Un in seim Ah e' himmlischi Gewalt.

Die Herrschaft hot em alles schö' verzält, Doch wußt ke' Mensch was dene Mann so quält.

Un als der Piljer alles angehört, Do hot die Sach er also ufgeklärt:

»E' Raugrof war seit korzem in der Eh, Do dut er ins gelobte Lann schun geh' Net Gottzulieb, war leicht un ausgeloß, Sei' jungi Fra die loßt er le' im Schloß.

E' Ritter kummt ins Schloß mol eingekehrt, Hätt früher schun als Fra sie hemgefehrt; Nau' geht er frech uf ebbes annerscht aus: Die Fra is brav, es werd emol nix draus.

Un alles was er sucht un sinnt un findt, Es batt en nix, is grad wie for de' Wind, Fart immer ab, do werd er erscht verpicht, Un denkt sodann: 's werd ebbes angericht!

Mei' Ritter rest so hortig als er kann, Zum Raugrof anne ins gelobte Lann, Un prötscht em vor un bringt em endlich bei, Sei' Fra dehem die wär ihm nimi treu.

Die hatt e' Knapp, der Knapp war treu wie Gold, Die Gräfin war ihm dessentweh ah hold, Un weirer war ah annersch nix debei, Ehr Herz war rei' un ehr Gewisse frei.

Uf emol kummt aus dem gelobte Lann Ins Schloß enuf e' frummer Piljersmann, Dut gar so lieb, sucht bei der Fra Gehör: Kummt gleicherhand der Knapp aus ehrer Dehr.

Mei' Piljersmann net lang noch err sich froht, Glei uf der Stell stecht er de' Knappe dod; Die Gräfin hört's, sie ruft um Hilf im Schmerz, Stoßt glei ah ehr das Messer er in's Herz.

Do gebbt's e' Zucht, e' Werrwarr un Geschrei, Un 's Schloßgesinn laft ganz versterzt erbei; M'r faßt en fescht, m'r zieht en glei zur Strof – Do fallt die Kutt un guck – es is der Grof!«

»Die han ehr Del!« – so kreischt er wild dezu – »Fort aus meim Ah, do han ich dann mei' Ruh!« M'r schärrt sie ei' un in e' diefes Loch: Ke' Parre hot de' Seh debei gesproch!

»Ke' Gottesseh'! un guck was do geschieht: Frühmorjens dort die weiße Lilje blüt! Un roppt der Grof die Blum ah immer aus –

Kummt allemol die sell ah wierer raus!

Was soll er sah? Er wes jo for gewiß, Daß selli Blum der Unschuld Zeche is! Geht in sich dann un forscht in aller Welt, Was war's? die Unschuld hot eraus sich stellt.

Un vun der Stunn an stellt sich ei' der Gram, Werd tab un stumm un gar die Zung ihm lahm. E' harti Bus, sie geht verbei, ich glab, Soball se ruhn im gottgesehnte Grab!« –

Der Piljer saht's un war debei verschwunn, M'r hot dorin e' Fingerzeg gefunn; Dann Mann un Fra war makellos un rei' – Un so e' Par kann nor Erlöser sei'.

Im Schloßhof sucht un grabt m'r glei dann noh, Un wie gesaht, die Knoche ware do. Sie ware kam in's Grab enei'geschärrt: Do war seglei die Lilje ah verdörrt.

Un als der Raugrof wierer hin is kumm, Do war's em leicht, war nimi tab un stumm. »Gott sei's gedankt, verbei is nau' die Not!« So ruft er laut, fallt nierer un is dod.

Wul wunnerlich hört die Geschicht sich an, 's is Wohres viel un ah viel Gures dran; Saht manjerle, gewiß ah wie ich glab: Gebb Jederem sei' menschenehrlich Grab! –

343. Die Heidenburg.

Von Chr. Böhmer. – Die Heidenburg südöstl. von Wolfstein.

Um den Berg der Heidenburg tobt der Stürme lose Wut,Unten in dem grünen Thal träumt ein Mägdlein, arm und gut:Einsam steigt sie auf den Berg, drauf die Heidenburg gestrahlt,Den nun deckt ein Rasengrün, reich von Blumenglanz bemalt.

Ferne diesen Blumen steht eine Schlüsselblum' allein,In dem Zwielicht eines Hains leuchtend wie im Zauberschein.Und das arme Mägdlein schaut sehnend sich die Blume an:»O daß du der Schlüssel wärst, der den Berg mir öffnen kann!

Hat die Alte doch erzählt, daß der Berg von Schätzen voll,Daß ihn eine Schlüsselblum' öffnen und verschließen soll.Wenn du wärst die Schlüsselblum'! Nur nach Wen'gem steht mein Sinn,Daß des Liebsten Vater mich nicht mehr schilt: die Bettlerin!«

Und die Schlüsselblume strahlt, wie in reinsten Goldes Pracht,Und ein Schlüssel glänzt im Gras – und das Mägdlein ist erwacht.Mitternacht ist's, rasch verläßt sie die Hütte arm und klein,Vor der Thür da leuchtet's ihr von dem Berg wie Sternenschein.

Wie ein Reh mit raschem Sprung steht sie oben – wunderbar!Wie im Traum so glänzet dort Schlüsselblume golden klar;Und sie bricht die Blume schnell und – ein Schlüssel ist's von Gold,Drauf geschrieben steht das Wort: Hilfsbedürft'gen bin ich hold.

Und sie windet durch's Gebüsch sich zur Höhle tief verstecktUnd entgegen rauscht ihr wild schwarz Gethier, vom Glanz geschreckt,Denn der Schlüssel leuchtet hell wie ein Licht im finstern Schlund,Zeigt den Weg ihr bis zum Thor in der Höhle tiefstem Grund.

Und der Schlüssel hat das Schloß kaum berührt, da kracht das Thor: –Wie unzähl'ger Sonnen Licht strömt ein Wunderglanz hervor –Welch ein Tempel prächtig weit! Wie von Lampen schön erhellt!Eine Nacht ist's hell im Licht ungeheurer Sternenwelt.

Und vom Golde glänzt und strahlt, was das Auge nur erspäht,Diamanten sind die Sterne auf den Wänden hingesät.Ihre Augen schließt die Maid, schwindelnd ob der Zauberpracht,Was nimmt sie von allem dem, was ihr hier entgegenlacht?

Nehm' ich, denkt sie, was ich kann – denn den Schlüssel hab' ich ja;Kann ja kommen wenn ich will – nehm' ich jetzt vom Golde da.Und den Schlüssel legt sie dort auf den Tisch von Demantstein;Eine Stimme ruft ihr leis: denke deines Schlüssels fein!

In des Goldes Haufen greift nun entzückt das Töchterlein,Was die Schürze fassen kann, füllt die Hochbeglückte ein.Und sie sieht als Königin sich schon wohnen im Pallast,Vornehm auf den Liebsten schau'n, der vor ihr als Knecht erblaßt.

Und der Schulz, der sie geschmäht, daß sie eine Bettlerin,Muß den stolzen Rücken ja beugen vor der Königin;Oben auf der Heidenburg baut sie sich ein stolzes Schloß,Geld hat sie, so viel sie will, unten in des Berges Schooß.

Sieh da schaut sie plötzlich sich in des Goldes Spiegel an,Ach! als Betteldirne sieht sie darin sich angethan;Warte, denkt sie, du machst mir bald ein anderes Gesicht,Schleppt die Last hinaus, wo sie zitternd dann zusammenbricht.

Donnernd schließet sich das Thor, daß sie bleich zusammenfährtUnd der große Schrecken rasch ihre volle Schürze leert,Und wie Feuer in der Flut, so verglimmt des Goldes ScheinIn dem finstern Grund und sinkt tief in Schutt und Sumpf hinein.

Bitter weint sie, da gedenkt freudig sie des Schlüssels jetzt,Doch daß sie zu spät dran denkt, daran denkt sie dann entsetzt.Traurig suchet sie den Weg zu des Tages goldnem Licht,Das der Armen mild und hell strömt in's kalte Angesicht.

Wie im Traum so wandelt sie einsam durch der Menschen Schwarm,Harrt, ob wiederkehrt ihr Traum, elend, unstät, still und arm;Klagend um die Schlüsselblum' wallt sie dann, von Wahnsinn bleich,Suchend wallt ihr Schatten noch durch des Heidenbergs Gesträuch.

344. Sage von Kaiserslautern.

J.G. Widder Geograph. Beschreib. der Kurpfalz. IV., 185.

Kaiserslautern ist einer der urältesten Plätze der Pfalz. Die alten Chroniken lassen bereits Julius Cäsar eine Stadt erbauen, welche nachmals vom Hunnenkönig Etzel wieder zerstört worden sein soll. Ein Stadtschreiber berichtet, daß während der Christenverfolgung unter Diocletian und Maximian im Jahre 292 eine fromme Frau, Namens Lutrina, aus einem edlen Geschlechte der Assyrier von Trier ausgewandert und lange Zeit in den Wäldern mit ihrem Hofgesinde herumgeirret sei, bis sie sich endlich in einer von einem Klausner bewohnten Wildniß bei Kaiserslautern, die noch jetzt Einsiedel heiße, eine Hütte gebaut und solche nach ihrem Namen Lutrea (Lautern) genannt.

345. Sickingen.

Uhland deutsche Volkslieder II., 955.

Franz haiß ich, Franz bin ich, Franz pleib ich pfalzgraf, vertreib mich! landgraf von Hessen, meid mich! bischof von Trier, du must nur halten, bischof von Menz! must auch herbei: nun lugend welcher biß jar Kaiser sei!

346. Sickingens Würfel.

Von L. Mooris. – Frey Beschr. IV., 172.

Auf Landstuhl saß der tapfre Ritter Und sinnend schaut er in das Thal; Es dufteten die Fichtenwälder Umglänzt vom Abendsonnenstrahl.

Er schien wohl Manches zu erwägen, Die Blicke waren finster schier, Denn morgen sollt der Kampf beginnen Gen seinen harten Feind von Trier.

Und als er lange stumm gesessen, Ging er zum hohen Würfeltisch, Da faßt' er den gewalt'gen Becher Und schüttelte die Würfel frisch.

»Will sehen, was sie Gutes deuten, Und wie Fortuna spricht, das Weib;« Und polternd flog in leichten Händen Der riesenhafte Zeitvertreib.

Der Tisch war eine Felsenplatte, Die an der Veste sich erhob, Die Würfel waren Quadersteine, Zum Spielen wohl ein wenig grob.

Er spielte wie mit kleinen Nüssen, Und warf sie kreuz und warf sie quer, Und zählte die gefallnen Punkte Von allen Seiten hin und her.

»Kein Glück!« sprach er in finsterm Tone, »Nun, einmal noch sei es versucht! Doch wenn die gleichen Augen fallen – So sey das wüste Spiel verflucht.«

Und wieder schüttelt er die Steine Mit furchtbar rasselndem Gemisch, Und warf! – es drohte zu zersprengen Der eisenstarke Würfeltisch.

Und wieder fand er sich verloren! – »Wohlan denn nun zum letzten Mal! Was eins und zwei mir schnöd verkündet, Bestät'ge drei, die heil'ge Zahl.«

Er warf die Steine durcheinander, Sie fielen kreuz, sie fielen quer, Er zählte die gefall'nen Punkte Von allen Seiten hin und her –

Doch wieder fand er sich verloren! – Da, von des Trotzes Wuth entflammt, Schmeißt er mit starker Hand die Würfel Den Berg hinunter insgesammt.

Noch sieht sie aufgestellt der Wandrer Jenseits der Straß' in Thales Grund; Ob sie dem Ritter wahr gesprochen, Zeugt trauernd der Geschichte Mund.

347. Sickingen.

Uhland deutsche Volkslieder I., 493.

Drei Fürsten hond sich ains bedacht, hond vil der landsknecht zusamen pracht, für Landstal seind sie zogen

mit Büchsen vil und Krieges wat: den Franzen sol man loben, ja loben.

Zuo Landstal er sich finden ließ, das pracht den fürsten kain verdrieß, sie hubend an zu schießen, der pfalzgraf im hofieren ließ: darob hat Franz verdrießen, ja verdrießen.

An ainem freitag es beschach daß man den lewen treffen sach die maur zuo Landstal erste, der Franz mit trauren darzu sprach: erbarm das got der herre, ja herre!

Die fürsten warend wohlgemut, sie schußend in das schloß so gut, den Franzen tetens treffen: vergoßen ward sein edles plut, ich wil sein nit vergeßen, vergeßen.

Und als der Franz geschoßen ward behend das schloß er über gab, den fürsten tet er schreiben: für seine landsknecht er si bat, er mocht nit lenger pleiben, ja pleiben.

Die fürsten kamend in das schloß, mit knechten zu fuß und auch zu roß den Franzen tetens finden, er redt mit inen on verdroß, die warheit wil ich singen, ja singen.

Als nun die red ain ende nam da starb von stund der werde man, das müß doch got erbarmen! kain besser krieger ins land nie kam, er hats gar vil erfaren, erfaren.

Er hat die landsknecht all geliebt, hat inen gemachet gut geschirr, darumb ist er zu loben; sein somen ist noch bei uns hie, es pleibt nit ungerochen, ungerochen.

Die fürsten zugend weiter dann gen Trackenfels, also genant, das haben sie verprennet; got tröst den Franzen lobesan! sein land wirt gar zertrennet, zertrennet.

Also wil ichs beleiben lon, es möcht noch kosten manchen man, ich wil nit weiter singen, gefelt vieleicht nit jederman, wir müßend bald von hinnen, von hinnen.

Der uns das Liedlein neus gesang, ain landsknecht ist ers ja genant, er hat es wohl gesungen: die sach ist im gar wol bekant, von Landstal ist er kommen, ja kommen.

348. Der letzte Ritter.

Von Fr. Aulenbach.

Wie trauert ihr, gesunkne Hallen Im heitern Abendlichte dort! Kein Jubellied hört man mehr schallen, Es starb der Minne süßes Wort. Die Harfen haben ausgeklungen, Die einst beim frohen Mahl gerauscht, Und längst hat sie die Gruft verschlungen, Die ihren Klängen hier gelauscht.

Ihr Räume, jetzt so leer und öde, Hoch standet ihr in alter Zeit! Aus euch erscholl manch' ernste Rede, Manch' freies Wort der Christenheit. Des neuen Glaubens Banner wallen Saht ihr im deutschen Vaterland, Und ragtet, eine Freistatt allen, Die jenem Glauben sich bekannt.

Wohl manchem schwerverfolgten Manne Habt gastlich Obdach ihr verlieh'n Und wahrtet, treu vor Acht und Banne, In sturmbewegten Jahren ihn. Ein Schirm und Hort bedrängter Brüder, Umstrahlt von lichtem Ruhmesglanz, So lebte deutschen Sinns und bieder In euern Mauern Ritter Franz.

Er taucht empor, ein schönes Zeichen In trüber Zeit. Umringt von Noth, Sah man den Wackern niemals weichen Wo Pflicht und Ehre ihm gebot. Mit hohem, unverzagten Muthe, So stand er in der Feinde Reih'n, Und hochbegeistert für das Gute Sah man ihn Schwert und Rede weih'n.

Er sank; mit ihm zu Grab gegangen Sank deutsches Ritterthum dahin. Sein Stammhaus fiel und nimmer prangen, Wie sonst, die Zinnen stolz und kühn; Nur nackte Wände düster ragen In's Thal, durch das der Sänger eilt, Deß Geist noch gern in jenen Tagen Erprobter Kraft und Treue weilt.

Laßt seine Burg in Trümmer sinken, Laßt Grab den Hofraum überzieh'n: So lang noch deutsche Schwerter blinken, So lang noch deutsche Herzen glüh'n, So lang noch eine deutsche Zither Dem Heldenruhm der Vorzeit tönt, Lebt auch der letzte deutsche Ritter, Welkt nicht der Lorbeer, der ihn krönt!

349. Der Rupertsfelsen.

Von Gustav Mühl. – Der Rupertsfelsen bei Rupertsweiler nächst Zweibrücken. – F.Weiß die maler. und romant. Pfalz S. 17.

Den alten Ritter Ruprecht Mit seinem alten Roß, Den konnten sie nicht fangen Im kleinen Felsenschloß.

Die stolzen Ritterburgen Im Lande weit und breit, Versanken, längst bezwungen, In stummer Einsamkeit.

Längst hatte schon gewechselt Der Zeitgeist die Gestalt, Dem Alten blieb noch immer Der Panzer angeschnallt.

Noch immer ritt er rüstig Aus seinem Räuberhorst, Und war noch stets der Schrecken Des Wandrers in dem Forst.

Da naht einst mit dem Morgen Ein kecker Bürgertroß: Der alte Ritter Ruprecht Schaut höhnisch von dem Schloß.

Es glänzt im Morgenlichte Sein blaues Kleid von Stahl, Und seine Rechte schwinget Der Ahnen Festpokal.

»Glück zu, ihr jungen Kämpen Wer wagt den kühnen Lauf, Und will sich wohl versteigen Auf meine Burg herauf.

Ich trinke meinen Vätern Und meiner alten Zeit, Den ritterlichen Todten Und ihrer Kraft im Streit!«

Jetzt weicht behend' zur Seite Der Bürger dichter Hauf', Ein weiter Schlund von Eisen Gähnt zu der Burg hinauf.

Dem alten Ritter Ruprecht Ward nie ein solches kund Er setzt den Becher spottend Wohl an den bärt'gen Mund.

Da zuckt mit grellem Donner Vom schwarzen Schlund ein Strahl – Und unten liegt zerschmettert Der Eisenmann im Thal.

350. Die Entführung.

Von C. Aulenbach. – Einöd Dorf bei Zweibrücken. Vgl. J.F. Weng u. J.B. Guth das Ries etc. Nördlingen I., 32.

»Dich thät ich mir erküren, Im Herzen treu und wahr, Kein Andrer soll mich führen Einst hin zum Traualtar. Und sollt' ich dein vergessen, Dann hol' der Teufel mich!« So redete vermessen Zum Buhlen Dieterich

In schmachtendem Verlangen Des Dorfes schönste Maid. Kaum daß ein Mond vergangen, Hat sie das Wort gereut; Nicht achtend Dietrichs Schmerzen, Hat sie den Schwur verletzt, Und schenkte Hand und Herzen Dem reichen Steffen jetzt.

Was jubelt man und leiert? Was blinkt – welch' Festgelag? Des Dorfes Schönste feiert Heut' ihren Hochzeittag. Wie regen sich die Füße

Zum Tanze allzumal! Wie schwirrts von bunten Grüßen Im vollgedrängten Saal!

Man weilt, bis ihre Runde Die Schaar der Geister wallt Da um die zwölfte Stunde, Die dumpf vom Thurm erschallt, Schritt durch die offne Pforte Ein seltsam schwarzer Gast, Der drauf bei diesem Worte Die scheue Braut erfaßt:

»Hei, Liebchen mein, zum Tanze Hab' ich dich heut' ersehn! Wie schmuck im Flitterglanze Im Haar die Kränze weh'n! Dich thät ich mir erküren Drum weg mit Furcht und Graus; Ich will dich heut' noch führen Zu eigen in mein Haus.

Und Arm in Arm durchzogen Sie schleifend das Gemach; Dem seltnen Tänzer flogen Die Blicke Aller nach. Da fielen – grausig Wunder! Wie seltsam es geschah – Die Kleider ihm herunter, Herr Satanas stand da,

Mit Schweif und Pferdefüßen Und Hörnern stand er da, Die wilden Blicke schießen Blitzflammen fern und nah. Es bleicht Entsetzen alle; Doch zu dem düstern Ort Durchs Fenster aus der Halle Huscht er mit jener fort.

Und rings erfüllt das Zimmer Ein ekler Schwefelduft, Hohnlachen mit Gewimmer Vermengt, durchrauscht die Luft; Betroffen stehn die Leutchen Ob dem, was da geschehn, Den Tänzer und sein Bräutchen Hat keiner mehr geseh'n.

Wo dies sich zugetragen, Im grünen Erbachgrund

Sieht man in Einöd ragen Das Haus noch diese Stund! Das Fenster ist vermauert, Der Wandrer, der es sieht, Von Angst und Furcht durchschauert Fürbaß des Weges zieht.«

351. Das graue Männchen.

Von Daniel Rothgeb.

Es war einmal ein Bäckermeister Zu Pirmasenz, 's ist euch bekannt, War nächtlich auch zur Stund' der Geister Ein graues Männchen ihm zur Hand.

Das heizt den Ofen, rührt sich tüchtig, Es deckt die Diehle, siebt das Mehl, Und alles geht so flink und flüchtig, Und Weck und Brod wird ohne Fehl.

Verschlafen oft und widerwärtig Ist unser Meister aufgewacht; Doch sieht die Arbeit stets er fertig, Wie hat ihm 's Herz im Leib gelacht!

Da denkt er schmunzelnd: »ein Geselle, Der weder Kost noch Lohn begehrt, Der ist doch wahrlich auf der Stelle Noch mehr als dutzend andre werth.

Nur möchte ich ihn schaffen sehen, Wie flink und wie geschickt er ist, Würd' heute auf die Wache gehen, So ich's nur klug zu machen wüßt'!

Doch halt ich hab's! ich werde passen, Dem lieben Bursch zu Lust und Freud Ein rothes Röcklein machen lassen, Und kann es sein, noch lieber heut.«

Und richtig kommt das Männchen wieder, Will gleich an seine Arbeit gehn, Da tritt er vor mein kluger Hüter, Und vor dem Männchen bleibt er stehn.

Er hält das Röcklein ihm entgegen, Im Munde noch des Dankes Wort Um seiner guten Dienste wegen – Und husch! da war mein Männchen fort.

Es wartete zum guten Ende

Das Mörschel in der Muld auf ihn Und mahnt: Du kannst nun deine Hände, Mein lieber Dicker, selbst bemühn.

Und wann der Ofen nächtlich hitzte, Hat seinen Teig er selbst gemacht, Und wann er dastand, schafft' und schwitzte: Ob er an's Männchen wol gedacht?

352. Das wüthende Heer bei Pirmasenz.

Fr. Panzer Beitrag S. 198.

Der Erzähler, ein Jäger, war einst auf dem Anstand. Da kam eine sehr große, schöngefleckte Katze, welche sich in seine Nähe machte, und schmeichelte, wie Katzen zu thun pflegen. Der Jäger fand das Thier unheimlich und entfernte sich, um einen anderen Platz im Walde für den Anstand auszusuchen. Kaum war er da, so kam die Katze wieder, schlich sich um ihn herum, kletterte auf einen Baum, und sah ihn fortwährend mit ihren scharfen Augen an. Der Jäger wollte erfahren, ob er eine wirkliche Katze vor sich habe, und legte auf sie an. Plötzlich schwoll das Thier, rollte die feurigen Augen, und brauste in den Wald. Ein Sturm erhob sich, welcher alle Bäume umzureißen drohte. Des anderen Tages fragte ihn sein vorgesetzter Revierjäger: Ob ihm gestern nichts begegnet sei? Er hielt anfangs mit der Erzählung zurück, theilte sie aber dann doch mit, worauf der Revierjäger sagte: Nun sei ihm die Erscheinung von gestern erklärbar, denn er habe in derselben Zeit auf dem Kreuzweg einen kopflosen Reiter gesehen; das war das wüthende Heer.

353. Der Teufelstisch.

Von L. Schandein. – Westricher Mundart. – Sage vom Kaltenbacherhof bei Münchweiler.

Der Deuwel hot sich mol verkledt, Dem word's zu schmurig heß un schwul, Do fart er aus seim Höllepul, Sei' Aussiehs war e' wahri Fred.

De' Schwanz den hot er ei'gedan, Die Hörner hübsch enei'frisirt, Sei' Hesehölzer auswattirt, E' Hut uf un e' Mantel an.

Sei' Gäulsfüs in die Stiwel steckt, Daß alles jo sesammeklappt: E' Schnorres an die Nas gebappt, War was verziert un was verleckt.

Sei' Grosmotter die hot geholf, Ihn rausgebutzt un ufgestutzt, War selwer üwig's Werk verdutzt – Er haus so fei' un drei' e' Wolf.

War 's Lewe lärig in der Höll, Uf emol halt er's nimi aus, Krieht Ei'fäll wie en altes Haus – Un uf un fort glei uf der Stell.

Do geht er richt in unser Palz, Macht Hüpps un Männcher mit seim Roß, Sucht 's Wertshaus uf un 's Herreschloß, Un hängt e' Gitarr an sei' Hals.

Sei' Singes hot was gut gefall, Er hot sich druf ah Guts gedan, Es greift die Leut so artlich an, Am Dahner Schloßberg werd gehall.

Ziehn Ritter an der Bach verbei, Un sporestrechs er runnerrennt Un macht sei' diefes Kumpelment, Vorab de' Weibsleut um die Reih.

Un fingt un macht Gedings doher: »Na' wollner mich net bei euch han For Zeitvertreib als Leiermann?« De' Weibsleut word es leicht un schwer.

Die Mannsleut awer han gekrisch: »'s werd ohgehall, nau' mol gewiß, Mer wolle sieh' was an ihm is, Kann spiele – mer han Mittahstisch!«

Das kröppt en was, er hot gekrisch, Erumballjascht, war ganz verdutzt: »Ehr ham mer 's Maul hübsch abgebutzt – Na' wart, ich deck euch ah de' Tisch!«

Un hot net lang noch rumgefrot: »De' Spies eraus un vor die Frunn, Jetz werd gefecht, ehr Lumpehunn, Ehr werre am meim Spies gebrot!«

Han die die helle Läch gedan: »Der Spatzerich hängt selbscht am Spies!« Do haut er nei', macht lang net Müh's – Die Flappe fliehn wie vun der Gahn.

Reißt 's Herz en' aus un hot's gebrot Ganz hemelich un hot's geback, Ke' Unnerschied war im Geschmack, Ke' Küchemeschter hätt's geroth.

Reißt Felse zwe am Berg eraus, Un traht se nuf un druf e' Platt, Do hot er mol e' Tisch gehatt, Noh ladt die Weibsleut er zum Schmaus.

Obs wohr is awer faule Fisch, Zwe Rieseste', druf ener quer, Das kummt vun Menschehänn nit her: Drum hest es heut der Deuwelstisch!

354. Der Einaug.

Von Ludwig Schandein. – Westricher Mundart. – Ramberg bei Anweiler.

Dort drei' in de' Berje steht 's Ramberjer Schloß,Do reit mit seim Knecht der Herr Enah druf los,Der scheint d'r im Schild was se fehre.

Dem Ramberjer Schloßherr dem is er net hold,Hot der jo vum Kaiser sei' Geld un sei' Gold,Wie mahn das der Enah verbeiße?

»So horch emol an, du trausamer Knecht:'s hot heunt mer geträmt, ich wes net so recht,Als müßt ich de' Geldschatz dort hewe!

Es summt mer die Stimm als noch immer im Ohr:Ja dummel dich dabber, ke' Zeit nor verlor! –Drum duh ah, mei' Knecht du, das deine!«

Dem Knecht is gedient mit, er saht 's em ah glei,Do wär er mit Leib un mit Lewe debei,Dem Ramberjer 's Licht ausseblose!

So stehnse dann drowe, es rappelt am Dor,Kummt freundelich selwer der Schloßherr evor,Er dut se ufs beschte bewerte.

's leit alles schun schlofe, die Auhe fescht zu,Der Ramberjer Herr der findt heut nor ke' Ruh,Es dur en im Schloß erum treiwe.

Un ewe blost's zwölfe vum Torn in die Nacht;Er kniet im Kapellche un bet noch un wacht –Dann sucht er beruhigt sei' Kammer.

»Ei sah mol, was is das? noch Licht bei meim Gascht?Was macht dem so Aengschte, was macht em so Prascht?Er werd sich doch wärlich net ferchte?« –

So schleicht er ans Fenschter, er nei' gucke dut:Herr Jeres – der Enah, dort leit er im Blut!Sei' Knecht, ach, der hebt noch das Messer! –

»Du Mörder, du Henker, du höllischer Hunn,Du kummscht mer net wegger, do glei uf die StunnDo follsch de dei' Dalles noch krieje!« –

»O Gnad un Erbarme!« der freschterlich grinzt,»Mei' Herr hot de' Strech uf euch jo gemünzt,Ich ham mich geerrt in der Kammer!« –

Der Ramberjer geht wie e' Fackel do an:»Des hot mer e' Fingerzeg Gottes gedan!«Er fallt uf die Knie for se danke.

Der Mörder muß wegger, muß blöde dann geh',Vum Enah sei' Schloß awer sieht m'r nir meh,Doch 's Ramberjer, lang hot's gedauert.

So trefft dann sell Sprichwort ah do wierer ei':Wer annre die Grub grabt, fallt selwer enei!Hätt das der Herr Enah bedabbelt!

355. Die Jungfrau auf der Wegelburg.

Von Hermann Zapf. – Wegelburg 1 St. von Schönau südlich von Dahn.

Kennst du des Wasgaus steile Höh'n Mit ihren Felsenkronen, Mit Wäldern schattiggrün und schön, Wo Trümmer stolzer Schlösser stehn', Und Eul' und Habicht wohnen?

Dort stand auf hohem Felsengrund Ein Schloß in alten Tagen, Ich lauschte an der Leute Mund, Horch, was sie gern mir thaten kund Von seinen alten Sagen.

»Wer kommt zu guter Stunde hin Auf jenes Berges Spitzen, Dem thun sich Höhlen auf und drin Sieht er gar manchen Rubin Und Gold und Silber blitzen.«

»Das schönste aber, was er sieht, Ist eine Jungfrau feine, Die schönste, die im Lande blüht, Mit reinem Leib, reinem Gemüth, Doch scheint's, als ob sie weine.«

»Sie harrt schon viele hundert Jahr' Deß, der Erlösung bringe: Doch ob schon kam 'ne ganze Schaar, Die lüstern nach dem Golde war, Der kommt nicht, der's erringe.«

Und ist die Lösung denn so schwer?

»Dreimal mußt du sie küssen; Doch will sie prüfen dich erst sehr, Ob du nichts Andres liebest mehr, Als ihren Mund den süßen.«

»Zuerst kommt sie als Schlange wild, Mit feuersprüh'ndem Rachen, Mit Höllenaugen, schrecklich Bild! Willst lösen du die Jungfrau mild, Mußt küssen diesen Drachen!

Und dann als giftgeschwoll'ne Kröt' Mit riesenhaftem Leibe, Als Scheusal dir erscheint sie schnöd; Nur wer es küßt alsbald nicht blöd, Der naht dem schönsten Weibe.«

»Dem ist sie eigen dann sofort, O glücklich wer's vollbrächte! Der fände auch den reichen Hort, Den größten Schatz an diesem Ort; Wohl ihm, seinem Geschlechte!«

»Doch keiner hat es noch vollbracht, So muß sie trauern immer, Sie harret immer Tag und Nacht, Das Harren hat sie müd gemacht, Getrübt der Augen Schimmer.«

Ich stieg den hohen Berg hinan, Er liegt an Frankreichs Gränzen, Ich sah die alten Trümmer an, Ich sah des Rheines weiße Bahn Und Straßburgs Münster glänzen.

Ich sah das liebe deutsche Land, Wo sich die Berge dehnen Hinab zum grünen Neckarstrand, Im Glanz der Sonne licht entbrannt – Da ward mein Aug' voll Thränen.

Mir fiel noch eine Jungfrau ein, Gebannt seit alten Zeiten, Es ruft das Volk, es rauscht der Rhein, Noch keiner konnte sie erschrein, Erlösung ihr bereiten.

Und täglich wächst noch ihre Schmach – Wer kommt sie zu erlösen? Ach! seufzend harrt sie Tag um Tag, Und Keiner sie befreien mag

Mehr aus der Macht der Bösen. 356. Wilde Jagd auf der Teufelsmauer.

A. Buchner Reise auf der Teufelsmauer S. 57.

Ein Bauer von Gundelsheim bei Pflofeld, dessen Schlafkammer auf der Teufelsmauer steht, erzählte: »Es war die hohe Nacht, ich im tiefen Schlaf, meine Frau selige, wenn sie noch lebte, müßte es bezeugen: auf einmal weckt mich der Knall einer Peitsche, ein Reuter in vollem Galopp sprengt vor der Bettstatt vorüber, bald schreckliches Getös hintendrein, wohl hundert Pferde, viele Wägen und eine Menge unbekannter Menschen und ausländischer Stimmen. Blitzschnell war die Fahrt; noch stehen mir die Haare gegen Berg.« In allen Orten um die Teufelsmauer wissen die Leute solcherlei Dinge von wilder Jagd zu erzählen.

357. Die Teufelsstraße bei Ried.

Mitgeth. v.K. Böhaimb.

Zwischen Dollenstein und Kunstein ist ein sumpfiges, von felsigen Bergen eingeschlossenes Thal, durch welches von Dollenstein bis zu dem kleinen Dorfe Ried hie und da Steine hervorstehen, die einem Straßen-Bruchstück gleichen. Das Volk erzählt davon: Eine Bäuerin zu Ried hatte mit dem Teufel einen Bund eingegangen und selbem ihre Seele verpfändet. Als ihre Todesstunde nahte, ließ sie den Kaplan von Dollenstein holen. Diesem widersetzte sich der Teufel mit listigen Vorwänden, allein der Priester wußte ihn dahin zu bringen, daß er ihm bis Ried folgte und sogar eine Steinstraße bahnte, was also geschah, daß er immer vor die Füße des Geistlichen Steine warf, bis dieser Ried erreicht hatte. Die von Reue zerknirschte Bäuerin empfing die heil. Sakramente. Der Teufel war um ihre Seele betrogen und ließ aus Aerger bei seiner Flucht das noch sichtbare Straßenstück liegen.

358. Die Wichtlein der Bubenrother Mühle bei Eichstädt.

Fr. Panzer Beitrag S. 155.

Der Bubenrother Mühle gegenüber, an der Altmühl, liegt der Burgstein, ein hoher, steiler Fels. Dieser hat ein Loch, das den Anfang eines durch den Mühlberg sich erstreckenden und in dem Schatzfels ausmündenden unterirdischen Ganges bilden soll. Vom Kappenzipfel gegen den Burgstein zog das wilde Gjaig. Aus dem Burgstein kamen Nachts drei Wichteli in die Bubenmühle, mahlten das Getreid, und reinigten die Mühle, so daß am Morgen alle Arbeiten verrichtet waren. Weil sie so fleißig waren, ließ ihnen der Müller Kleider machen. Vermeinend, sie seien nun abgedankt, sagten sie weinend: »Ausgelohnt! ausgelohnt! haben wir doch so viel gearbeitet, und nun müssen wir schlenkern!« Ein anderer Erzähler fügte noch hinzu: Alle Wochen legten die Wichtelen auf einen Stein vor dem Burgstein einen Fünfzehner, welchen der Müller abholte.

359. Hermannsstein.

Von J. Sutner. – Hermannsstein Felsen im Walde zwischen Solenhofen und Monheim. Entstehung der Sage 954.

Des Kaisers Heer mit stolzer Macht Umschloß bei Mondeshelle Einst Regensburg bei Mitternacht, Und rückte vor die Wälle.

Da sammelt Arnulph seine Macht Und seine Bundesfreunde,

Und in der zwölften Schreckensnacht Verjagte er die Feinde.

Mit ihm vereinte Hermann sich, Sein Bruder, treu und bieder; Er stellt zum Kampfe ritterlich Sich vor die ersten Glieder.

Die Feinde fliehen vor ihm her, Bis hin an Bayerns Ende: Selbst Augsburg fällt mit andern mehr In Hermanns starke Hände.

Der Kampf ist los, und überall Fließt Ritterblut in Menge; Da kömmt gesprengt Graf Marchenthal Und stürzt in das Gedränge.

Nun flieht des Herzog schwächres Heer Bestürzt durch Thal und Felder, Des Feindes Arm verfolget schwer Sie in die finstern Wälder;

Und Hermann, vom Gefolg verirrt, Kam früh am andern Morgen Nach einem Schlosse – wild verwirrt, Und suchte sich zu borgen.

»Dich schützt mein gräfliches Gemach, Nicht wird dich Marchthal stören!« Zu ihm der Pappenheimer sprach, Der Herr vom Schloß zu Möhren.

»Du gehst früh Morgens, wenn es tagt, Mit meinem Volk zum Jagen – Gewiß kömmt Niemand, der es wagt, Sich kuhn mit mir zu schlagen!

Ich lasse dich nicht anders los, Und bürge für dein Leben; Du bleibest hier auf meinem Schloß, Bis dir Geleit gegeben!«

Früh bei des Morgens erster Gluth Beginnt zu Pferd das Jagen; Und Hermann kömmt mit Schlachtenwuth Sich mit dem Wild zu schlagen.

Es tönet laut der Hörner Schall, Der Wald beginnt zu leben, Und vor dem blanken Mörderstahl

Erschrickt das Wild mit Beben.

Da naht, vom Busche aufgeschreckt, Ein Hirsch mit Pfeilesschnelle, Und Hermanns Gaul, vom Sporn geweckt, Verfolgt ihn auf der Stelle.

Der Ritter, der kaum Athem fand, Durchfliegt die düstern Eichen, Und nahe einer Felsenwand Will ihn sein Wurf erreichen –

Da stürzte, wie vom Blitzesstrahl' In Abgrund beim Gewitter, Der Hirsch zuerst den Todesfall, Und Hermann dann der Ritter.

Die That verbürget noch der Hain Uns in den späten Tagen; Man höret noch am Hermannsstein Des Ritters Wittwe klagen. –

360. Geist im Römerthurme zu Wellheim.

Wellheim Dorf unweit Eichstädt. – Mitgeth. v. A. Böhaimb.

Im alten Römerthurm zu Wellheim solls nicht geheuer sein. Es haust darinnen, geht die Sage, der Geist eines Grafen von Helfenstein. Zu Zeiten hört man ein gewaltiges Tosen, Schreien und Johlen, wie wenn um den Thurm her die wilde Jagd gehalten würde.

361. Der Feuerhund im Schlosse zu Hüting.

Hüting bei Neuburg an d. Donau. – A. Böhaimb in: Beiträge zur Gesch. d. Bisthums Augsburg von A. Steichele I., 372.

Oben im dunkeln Gewölbgange der Veste von Hüting lagen einst unermeßliche Schätze verborgen, auf denen ein großer feuerspeiender Hund mit glühenden Augen als Wächter ruhte. Es gab vor Zeiten beherzte Männer genug in der Gemeinde, aber keiner hat es gewagt, den Mammon zu erheben. Endlich vor mehr als hundert Jahren stieg ein verwegener Hirtenknabe in das schauerliche Gewölbe. Nach drei Stunden kam er wieder an die Thüröffnung zurück, stürzte aber da sogleich ohnmächtig zusammen. Man brachte ihn mühsam auf der heimlichen Stiege in das Dorf hinab, wo er wieder zum Bewußtsein kam; allein ihm war das Sprachvermögen verschwunden. Er vermochte nur durch Geberden die ihm gewordenen schrecklichen Erscheinungen anzudeuten und starb am dritten Tage. Nun war der Bann gelöst, der Feuerhund mit dem Schatze versunken und die Spuckgeister, die zu heiligen Zeiten die Ruine umschwebten, ließen sich fortan nicht wieder sehen.

362. Der steinerne Mann.

Graßegger im Neub. Lok.-Bl. v.J. 1829. N. 8. S. 23. Ballade von A. Reisach in Pfalz-Neuburg. Provincialblätter I, 111 ff.

Zwischen Hüting und Mauern unweit Neuburg an der Donau ragt in dem Thale ein niederes, einem liegenden Manne mit gekreuzten Armen gleichendes Felsstück aus dem Boden. Zu

seinen Füßen liegt ein zweiter Stein, welcher wie ein Laibbrod aussieht. Dieser Felsen heißt »der steinerne Mann«; davon geht die Sage. Es war ein Bauer von Baring (Bergen), der hatte ein geiziges und hartes Herz gegen seine Nebenmenschen und behandelte sein Gesinde gar nicht, wie es einem ehrlichen christlichen Hausvater zukommt. Als dieser einmal auf das Feld hinausging und seine Leute beim Morgenbrod sitzend antraf und sah, wie sie sich einen guten Bissen schmecken ließen, ließ ihm der blasse Neid keine Ruh und er rief aus: »ich wollte, ihr fräßet Steiner statt Brod!« In demselben Augenblicke krachte es wie ein gewaltiges Donnerwetter, ein Blitz fuhr hernieder und schlug den »bösen Jackel« in den Boden hinein. Da liefen die Leute hinzu und sahen mit Schrecken das göttliche Strafgericht, denn der geizige Bauer war in Stein verwandelt.

363. Pfalzgraf Philipp Wilhelm zu Neuburg.

Erzählt von K.A. Böhaimb.

Philipp Wilhelm, Pfalzgraf zu Neuburg, hegte lebenslänglich eine große Verehrung zum heil. Michael. Die Ursache war folgende: Ein Bauer, welcher in großer Noth war, traf auf dem Felde unweit Neuburg einen Jüngling, der sich Michael nannte und ihn um die Ursache seines Kummers befragte. Der Bedrängte klagte ihm seine Noth, worauf ihn der Jüngling ermahnte, zum Pfalzgrafen in die Residenz zu gehen, um ein Almosen zu bitten, und den Hofbedienten aufzutragen, den jungen Prinzen, Philipp Wilhelm, in ein anderes Zimmer zu bringen. Die Ursache dieser Vorsorge werde die Zeit lehren, seinem Kummer aber werde sodann abgeholfen werden. Der Bauer that, wie ihm gerathen, man wunderte sich bei Hofe über den Auftrag, fand aber nach näherer Besichtigung die Zimmerdecke baufällig, und beschloß dem Rathe Folge zu leisten. Die Decke ist bald darauf eingestürzt. Derselbige Philipp Wilhelm war sehr freigebig gegen die Armen und trug immer einen Almosenbeutel bei sich. Als er einmal bei Wien auf einer Wildschweinjagd war und von einem Eber angefallen wurde, geschah es, daß der Zahn des Wildschweins gerade den Almosenbeutel traf und der Herzog dadurch schadlos blieb.

364. Altenburg bei Neuburg a.D.

Neuburger Wochenblatt 1819 N. 31. S. 122.

Auf der alten Burg bei Neuburg hausten vor Zeiten Grafen von Altenburg. Sie lebten in Saus und Braus von dem Raube der am Fuße ihrer Burg vorübersegelnden Schiffe. Das trieben sie lange fort und häuften unermeßliche Schätze im Schooße des Berges, auf welchem die Burg stand. Endlich machte der Kaiser dem Raubunfug ein Ende, ließ die Veste zerstören und die im Berge bewahrten Reichthümer erheben. Wie es aber in der Verwirrung geht, das Beste ward übersehen, eine Kiste voll gediegenen Goldes, welche im Innern des Burgberges zurückblieb. Dieser Schatz ist bis auf den heutigen Tag nicht erhoben, weil er von einem schwarzen Hunde mit feurigen Augen bewacht wird.

365. Drei Fräulein zu Unterhausen bei Neuburg a.d.D.

Mündlich.

Nicht weit von Unterhausen bei Neuburg an der Donau sind die Reste der sogenannten Kaiserburg. Von dieser soll, der Sage nach, eine Straße durch das Dorf Unterhausen nach einer gegenüberliegenden Anhöhe gegangen und nur so breit gewesen sein, daß drei Fräulein, die letzten Sprossen der auf der Kaiserburg lebenden Familie, gerade nebeneinander darauf gehen konnten. Auf der Höhe, zu welcher die Brücke führte, soll eine Kirche gestanden sein, wohin die drei Jungfrauen gewöhnlich wallfahrteten.

366. Niederschönenfelds Entstehung.

Mitgeth. v. Böhaimb. Vgl. Zimmermann Churb. geist. Kal. I, 158.

Graf Berthold von Graisbach that mit dem Kaiser einen Zug in das heilige Land. Auf dem Rückwege landeten die Kreuzfahrer auf der Insel Cypern. Hier gewann der junge Graf des Inselkönigs reizende Tochter lieb, entführte sie und kehrte mit ihr heim in die väterliche Burg, die auf steiler Höhe da, wo der Lech seine Fluthen mit der Donau vereint, in das Land hinausschaute. Dort hauste er manches Jahr mit seiner Adelheid in glücklicher Ehe; doch nicht ungetrübt war sein Glück. Der Fluch des greisen Vaters, dem er die Tochter geraubt, schreckte ihn oft wie ein Gespenst aus seinen seligen Träumen. Eines Tages lag er dem Waidwerk ob und verfolgte einen Hirsch auf dem rechten Donauufer. Erhitzt und müde ruhte er unter einer Linde aus, und versank in Schlummer. Da erschien ihm, von himmlischem Glanze umflossen, im Traume die Himmelskönigin und hieß ihn, zur Sühne seiner Frevelthat, ein Kloster bauen, wo fromme Jungfrauen ihres göttlichen Sohnes Preis singen sollten. Zum Wahrzeichen sollten da, wo er sein Käpplein finden würde, Kirche und Zellen erstehen. Der Graf erwachte und vermißte sogleich sein Baret. Des Traumbildes eingedenk durchforschte er die Gegend, und fand jenes auf einem Felde seiner Burg Lechsgemünd gegenüber, wo er auch sofort das Kloster erbaute. Lange war dieser Vorfall in einer marmornen Tafel mit goldenen Buchstaben in der Klosterkirche zu lesen. Als die Schweden 1646 über Donauwörth wiederholt nach Bayern vordrangen, verließen die Nonnen ihr Kloster und begaben sich in die Flucht. Die Laienschwester Eva hatte in ihrer Zelle ein Kruzifix, das sie mit besonderer Andacht verehrte, weil es ein Geschenk ihres Pfarrers war, der sie zum Klosterleben gebildet hatte. Bei dem Einpacken der unentbehrlichsten Geräthschaften zur Flucht konnte sie ihr Kruzifix nicht mitnehmen, trug es daher in die Küche und barg es unter den Herd mit den Worten: »Nun lieber Heiland, rette dich selbst!« Aus einer Eierschale, die sie mit Brennöl füllte, verfertigte sie eine Lampe, zündete selbe an und stellte sie neben das theure Bild. Als nun die Schwester nach zwei Jahren wieder zu dem abgebrannten Kloster zurückkehrte, fand sie das Kruzifix unversehrt, die Haare und den Bart gewachsen, die Lampe brennend und selbst das Oel unvermindert. Das Kruzifixbild wurde in der neuen Kapelle aufgestellt und blieb dort der Verehrung ausgesetzt.

367. Die Stadtmauer zu Wemding.

Mitgeth. von A.K. Böhaimb.

Im Jahre 1343 verkauften die Gebrüder Reinbot und Seyfried von Wemdingen Wemding an die beiden Grafen Ludwig und Friedrich zu Oettingen. Diese umgaben sogleich Wemding mit einer starken Mauer; da sie aber inzwischen mit einander Streit bekamen, so wurde derselbe dahin ausgeglichen, daß Graf Ludwig siebenzehn runde und Graf Friedrich sechzehn viereckige Thürme erbauen sollte. Dieß geschah, und noch sehen wir die 33 Thürme in dieser verschiedenen Gestalt.

368. Die Schlüsseljungfrau im Schloß zu Möhren.

Schloß Möhren bei Treuchtlingen in Mittelfranken. – Fr. Panzer Beitrag zur deutschen Mythologie S. 144.

Im zwölften Jahrhundert lebte auf dem jetzigen Fuggerischen Schlosse zu Möhren ein sehr vornehmer und reicher Ritter, Heinz genannt, welcher eine einzige Tochter, Armgart, hatte, schön und liebenswürdig, weßhalb die vornehmsten Ritter aus entfernten Gegenden sich einfanden, und um ihre Hand warben. Da sie aber fest entschlossen war, nie zu heirathen, der vielen Freier aber nicht los werden konnte, so ließ sie sich einen goldenen Schlüssel machen, welchen sie aber in ihrem Schlafgemach auf das sorgfältigste verwahrte, und dann bestimmte, daß nur der Ritter, welcher ihr diesen Schlüssel bringen würde, sie zur Gattin erhalten solle. Sie erbaute sich auch nach dem Tode ihres Vaters ohnweit Pappenheim nahe bei Dietfurt im Walde ein zweites Schloß, und brachte ihre Reichthümer dahin. Von diesem Schlosse sind

aber keine Spuren mehr vorhanden. Unter den vielen Rittern, welche sich alle erdenkliche Mühe gaben, den goldenen Schlüssel zu erhalten, war aber keiner so glücklich, als Ritter Kunz von Absberg bei Gunzenhausen, ein sehr wilder und ausgelassener Tyrann, ohne gute Sitten und Religion. Dieser bestach das Kammermädchen, gab ihr ein betäubendes Pulver, welches sich in Wein auflöste, und das er in den Schlaftrunk des Fräulein zu thun befahl. Der Trank brachte einen so festen Schlaf bei dem Fräulein hervor, daß Kunz in ihr Schlafgemach kommen, und den goldenen Schlüssel rauben konnte. Nachdem nun Fräulein Armgart aus ihrem Schlaf erwacht war, kam ein Knappe und brachte die Nachricht, daß Ritter Kunz von Absberg vor der Burg sei, und eingelassen zu werden verlange, um dem Fräulein ihren goldenen Schlüssel zu überbringen. Das Fräulein lachte Anfangs darüber, als sie sich aber davon überzeugte, ermordete sie sich durch einen Stich mit dem Dolch in die Brust. Ritter Kunz, der sich schon im Besitz des Fräuleins glaubte, war ganz außer sich über den mißlungenen Plan, schwur dem ganzen weiblichen Geschlechte ewige Rache, und blieb unverheirathet, war aber der größte Wütherich seiner Zeit. Nun hatte er noch eine Burg auf dem sogenannten Schloßberg bei Neideck, welche aber in dem dreißigjährigen Kriege zerstört worden sein soll. Dort pflegte der Ritter sich öfter aufzuhalten. Einstmals sagte ihm ein Knappe, daß eine weibliche Gestalt sich schon öfter Nachts im Schlosse habe sehen lassen, welche die Gestalt des Fräulein Armgart habe, und in der rechten Hand einen goldenen Schlüssel, in der linken einen blutigen Doch halte. Ha! rief ganz verwegen Ritter Kunz, will mich die Dirne noch nach ihrem Tode verfolgen? sie soll heute Abends mit mir essen! schwang sich auf sein Roß, und ritt in den nahen Wald. Bald aber ergriff ihn Bangigkeit; er ritt zurück in seine Burg; als er bei der Burg anlangte, stand ihm ein großer Hund im Wege, welcher ihm trotz aller Anstrengung den Eingang in die Burg unmöglich machte, so daß er sich gezwungen sah, vom Pferde zu steigen, um durch eine kleine Pforte in das Schloß zu gelangen. Voll Schrecken kam er in das Schloß, wo in dem Speisesaal für zwei Personen gedeckt war. Sein Diener sagte: eine sehr vornehme Dame habe sich zum Abendessen ansagen lassen, aber erst mit dem ersten Hahnenschrei nach Mitternacht werde sie erscheinen. Kunz ahnete nichts Gutes; ganz bestürzt verlangte er, in seinem Leben zum Erstenmal, den frommen Priester Hugobert in dem benachbarten Städtchen Heideck zu holen, welcher wegen seiner Frömmigkeit Geister besprechen und bannen konnte. Sein Knappe mußte zwei Pferde satteln und noch in der Nacht nach Heideck reiten, um den frommen Priester Hugobert zu holen. Dieser nicht wenig verwundert über die Sinnesänderung des Ritters, machte sich eiligst mit dem Schloßknappen auf den Weg. Als sie den halben Weg zurückgelegt hatten, kam ihnen ein vermummter Reiter nach, der sie schnell einholte und schnell voraus ritt auf einem kohlschwarzen Rappen, von einem großen schwarzen Hund begleitet, dem Feuerfunken aus Nase und Augen sprühten. Hugobert bekreuzte sich, und der Knappe sprach ein stilles Gebet. Als sie an der Burg ankamen, wurde dem frommen Priester von dem Hunde ebenfalls der Eingang verwehrt, allein er sprach einige Worte und der Hund wich zurück. Er ging in die Burg und fand den Ritter Kunz in der größten Bestürzung. Kaum hatte der Priester sein Verlangen gehört, krähte der Hahn, und ein goldener Wagen hielt vor dem Burgthor, aus welchem eine mit Gold und Edelsteinen geschmückte Dame stieg, und sich zum Abendessen einlud, obwohl es schon Mitternacht war. Kunz war bestürzt. Hugobert aber ganz gelassen, redete sie an und beschwor sie, nach seiner gewohnten Weise, im Namen Gottes; sogleich entfiel ihr der ganze Schmuck, wurde zu lauter glühenden Kohlen, und so verschwand die Gestalt als leeres Todtengeripp unter Aechzen und Stöhnen, und ließ nichts zurück, als einen goldenen Schlüssel und einen Dolch, auf welchem mit Blut geschrieben der Name Armgart stand. Von dieser Stunde an ging Kunz in's Kloster, und endete unter steten Bußübungen seine Tage. Die Schlüsseljungfrau aber hatte noch keine Ruhe, obgleich Kunz beständig Seelenmessen für sie lesen ließ, denn sie spuckte auf der alten Burg zwischen Pappenheim und Dietfurt. Dort zeigte sie sich einem Hirtenknaben, welchem sie sagte, daß, wenn er sie befreien würde,

er an einem bestimmten Orte, wo die Burg stand, einen großen Schatz, in einer eisernen Truhe verwahrt, erhalten solle; deßwegen zeigte sie ihm einen goldenen Schlüssel, welchen sie im Munde trug, welchen er erhalten, und damit die Truhe öffnen solle. Sie trieb es mit dem Knaben zwei Jahre, bis er sich endlich bewegen ließ; sie sagte ihm aber, daß sie an dem dazu bestimmten Tage nicht in ihrer gewöhnlichen Gestalt, sondern als ein brennender Bund Stroh erscheinen werde. So geschah es. Als der Knabe ganz beherzt, wie sie ihm befohlen hatte, auf sie zuging, um sie zu umarmen, rief dessen Mutter, die in einiger Entfernung stand: Herr Jesus! mein Kind! und unter lautem Wehklagen verschwand die Erscheinung; der Knabe war aber am ganzen Körper verbrannt, und starb nach einigen Tagen.

369. Das Kreuz im Altmühlthale.

Von Stichaner. – Das Kreuz in der Nähe Gunzenhausens, das eine Zeit lang dem Geschlechte der Seckendorf zugehörte. Die Spitalkirche von Burkard von Seckendorf gestiftet, der hinter dem kleinen Altar auf einem liegenden Stein abgebildet ist. – Eine sehr gedehnte Bearb. in Romanzen von Scheurlin.

Mancher Bau für Ewigkeiten, Manches Denkmal eitler Pracht, Sank zu Staub im Sturm der Zeiten, Decket des Vergessens Nacht.

Durch Jahrhunderte erhalten Bleibt ein schönes Monument, Wo der Liebe frommes Walten Dankbar noch die Nachwelt kennt.

In dem Thale mild und friedlich, An der Altmühl grünem Strand, Blüht ein Städtchen rein und niedlich, Gunzenhausen wird's genannt.

Dort bewahrt sich eine Sage In des biedern Volkes Mund, Gibt uns bis auf heut'ge Tage Von dem edlen Ritter Kund',

Der ein Beispiel seltner Treue Früh geprüft durch tiefes Leid, All sein Gut aus frommer Reue Zu der Armen Trost geweiht.

Burkard stammt' aus edlem Blute, War an Gold und Tugend reich, Stolz an Geist und kühnem Muthe, Seine Seele sanft und weich.

Gerne mocht ihn jeder schauen, Trug den Jüngling leicht sein Roß Durch die väterlichen Gauen, Freundlich grüßt er Klein und Groß.

Und die Jagd war sein Vergnügen, In der Wälder Einsamkeit

Träumte er von künft'gen Siegen Und von Schlacht und Männerstreit.

Kehrt' er dann im Abendscheine Müd' dem Schlosse zugewandt, Dort vorüber, wo die kleine Aermlich nied're Hütte stand:

Fragt sein Herz, ob sie wohl heute, Die in dieser Hütte wohnt, Ihn mit einem Gruß erfreute, Der sein Hoffen freundlich lohnt?

Hedwigs Aug' in klarer Bläue Strahlt ihm wie der Himmel mild; Und er hing mit stiller Treue An dem wunderlieben Bild.

Einsam hold die Jungfrau blühte, Wie die Lilie der Flur, Sorgt mit kindlichem Gemüthe Für die alte Mutter nur.

Von dem edlen Grafensohne Stand die Hirtentochter fern, Aber wo auf Fürstenthrone Sah er je so reinen Stern?

Später kehrt' er einst zurücke Aus dem Walde von der Jagd, Hatt, ein selten Mißgeschicke, Keine Beute mitgebracht.

Dämmerung und tiefes Schweigen Ruhten schon auf dem Gefild, Da vernimmt er in den Zweigen Ein Geräusch wie nahes Wild.

Deutlich sieht er sich's bewegen, Wär's das Reh, das ihn geneckt? Ha, nun wird er's doch erlegen, Im Gebüsche ist's versteckt.

Und den Bogen faßt er schnelle, Spannt ihn mit geübter Hand, Zielet sicher nach der Stelle Und der Pfeil ist losgesandt.

Oh, daß er zurücke kehrte Treffend Burkards eignes Herz, Und sein Leben ahnend wehrte

Der Verzweiflung dumpfem Schmerz.

Denn was soll er fürder hoffen, Er, ein Mörder unbewußt, Sie, ach! hat sein Pfeil getroffen, Ja, er traf in Hedwigs Brust.

Unter Blumen eine Leiche, Ihre Sichel in der Hand, Lag die Jungfrau, die das gleiche Schicksal mit der Rose fand,

Die am Morgen frisch entfaltet Sterbend sinkt im Abendstrahl; Ach, so lieblich zart gestaltet, Blühte keine mehr im Thal.

Von der unglück'selgen Stunde Trug der Ritter tiefes Leid, Und es heilt' die Todeswunde Seines Herzens nicht die Zeit.

Nur auf Werke frommer Buße Ist er fürder noch bedacht, Gönnet sich nicht Rast noch Muße, Bis er Alles gut gemacht.

Ließ ein Hospital erbauen Für verlass'ne Waisen Hort, Und für alte kranke Frauen, Nahe bei dem Unglücksort.

Viel geschäft'ge Hände regen Mußten sich von Nah und Fern, Hedwigs Mutter dort zu pflegen, Bald vollendet säh' er's gern.

War der Tag ihm so vergangen In den rastlos thät'gen Müh'n, Zog ihn sehnsuchtsvoll Verlangen Bei der Sonne letztem Glüh'n

Zu dem Kreuz von weißem Steine Wo das schuldlos Opfer fiel, Die Geliebte, Engelreine, Seines eignen Pfeiles Ziel.

Hedwigs Schatten zu versöhnen Kniet er da so manche Nacht In Gebet und heißen Thränen, Bis der Morgen neu erwacht.

Und für fromme Stiftung spendet Burkard all sein Gold und Gut; Herrlich ist der Bau vollendet, Da beseelt ihn neuer Muth.

Nimmt sein Schwert und ziehet weiter, Nach dem fernen Morgenland, Wo er als ein Gottesstreiter Bald ein ruhmvoll Ende fand.

Und das Kreuz, es strahlt noch heute Auf dem grünen Wiesenplan; Täglich zeigt ein Betgeläute Noch die Unglücksstunde an.

Manche Jungfrau aus dem Thale Dann mit frischen Blumen wallt Zu dem längst bemoosten Male, Wann das Abendglöcklein schallt.

370. Der dreibeinige Hase in der Gottmannshöhle am Hesselberg.

Der Hesselberg (Heselberg) bei Wassertrüdingen. Der Hesselberg von Leuchs. Wassertrüdingen 1822, S. 72 u. Fr. Panzer S. 137.

In der Gottmannshöhle liegt ein Schatz verborgen. Hirtenbuben ließen sich einst mit Stricken hinab. Der erste sagte: in Gottes Namen gehe ich hinab; dieser brachte seine Tasche voll Geld zurück. Hiernächst fuhr ein rothhaariger Hirtenbub hinab, sagend: ich gehe in Teufels Namen auch hinab! Da lief ein dreibeiniger Has vorüber; die Knaben ließen den Strick los, und eilten dem Hasen nach. Als sie zurückkamen und ihren Kameraden heraufziehen wollten, brach der Strick, und der rothhaarige war verloren. Da stand ein Schloß, welches versunken ist; nachher hörte man den Göcker krähen.

371. Die Jungfrau im Oselberg.

Nach Crusii annal. paralip. c. 17. p. 68 bei Grimm d.S. I., 303.

Zwischen Dinkelsbühl und Hahnkamm stand auf dem Oselberg vor alten Zeiten ein Schloß, wo eine einzige Jungfrau gelebt, die ihrem Vater als Wittiber Haus hielt und den Schlüssel zu allen Gemächern in ihrer Gewalt gehabt. Endlich ist sie mit den Mauern verfallen und umkommen, und das Geschrei kam aus, daß ihr Geist um das Gemäuer schwebe und Nachts an den vier Quatembern in Gestalt eines Fräulein, das einen Schlüsselbund an der Seite trägt, erscheine. Dagegen sagen alte Bauern dieser Orte aus, von ihren Vätern gehört zu haben, diese Jungfrau sei eines alten Heiden Tochter gewesen und in eine abscheuliche Schlange verwünscht worden; auch werde sie in Weise einer Schlange, mit Frauenhaupt und Brust, ein Gebund Schlüssel am Hals, zu jener Zeit gesehen.

372. Ehmannsschlegel zu Mosbach.

Von Schöppner. – Mosbach, Dorf Ldgr. Feuchtwang an der Wörnitz. Vat. Mag. München 1841, S. 30. Dieselbe Sage vom Dorfe Kühnhard am Schlegel, Panzer S. 252.

Zu Mosbach steht ein Baum von alten Zeiten her,Daran ist aufgehängt ein Schlegel groß und schwer.

Ich kam des Weges auch und sah die seltne Birne,Da wurde Deutung mir von einer Bauerndirne.

Es schlug in diesem Ort vor Zeiten eine FrauDen Rücken ihres Mannes in bösem Eifer blau.

Darob erhub sich bald gerechteste Empörung,Es kam im ganzen Dorf zur rasenden Verschwörung.

Doch nicht dem Weibe galt's, das dessen sich vermaß,Vielmehr dem Helden, der sein gutes Recht vergaß.

Man zog vor Hansens Thür mit Witz und SchelmenwortenUnd hing dem frommen Mann den Schlegel an die Pforten.

Das ging dem Armen doch zu Herzen und er batMit reuevollem Sinn die Bauerschaft um Gnad'.

Da ward ihm auferlegt zu ziemender KasteiungUnd seiner Sündenschuld genügender Verzeihung:

Sofort das ganze Volk für großes AergernußZu sänftigen mit Brod und Bier im Ueberfluß.

Mit Freuden zahlte Hans die Zeche für die FlegelUnd von der Thüre wich der ärgerliche Schlegel,

Und hing von selber Stund' an einer Linde StammZur Pflichterinnerung für jedes Ehelamm.

O daß doch allerwärts der Zauberschlegel hingeUnd daß es jedem Hans wie dem zu Mosbach ginge.

373. Die jungen Grafen von Rothenburg.

Nach Crusius Schwäb. Chronik. H.W. Bensen, Alterthümer, Inschriften und Volkssagen der Stadt Rothenburg a.d. Tauber. Ansbach 1841, S. 57.

Richard Graf von Rothenburg hatte auf einem Berg eine Veste erbaut, die er Comburg (d.i. Kochenburg) nannte. Als er gestorben war, lebten seine drei Söhne Burkhart, Heinrich und Rugger (der vierte, Einhart, war Mönch geworden), wie junge Gesellen pflegen, in aller Eintracht und Fröhlichkeit beisammen. Unfern von der Burg stand eine kleine Kapelle, bei der ein alter Eichbaum seine Zweige ausbreitete. Unter seinem Schatten saßen zur Sommerszeit gar oft die jungen Grafen mit andern edlen Jünglingen und erfreuten sich der lieblichen Luft. Einstmals entschlief Graf Burkhart unter diesem Baum und sah im Traume an der Stelle seiner Burg ein prächtiges Münster und eine Gestalt in priesterlicher Kleidung, die es mit einer Ruthe in zwei Klöster zertrennte. Dieses Traumgesicht erzählte er seinen Brüdern, die es sehr bedenklich fanden. Alsbald mehrten sich die Wunderzeichen von allen Seiten. Eine alte, heilige Frau wollte dasselbe Gesicht gesehen haben, wie der junge Graf. Im Dorfe Hessenthal läuteten in der Christnacht die Glocken von selbst, so daß Alle aus dem Schlafe fuhren, und wie sie nach Steinach zur Mette gehen wollten, sahen sie auf der Comburg viele brennende Kerzen und hörten Choral singen. Da meinten sie, in der Burgkapelle werde Mette gehalten,

gingen hinauf und schlugen an die Thüre, um auch eingelassen zu werden. Da war Alles plötzlich weg und die Wächter lagen im tiefen Schlaf. Am Osterfest, als in der Kapelle die Benediktiner aus Hall, welche die Liturgie sangen, zu der Stelle kamen: infunde unctionem tuam, fühlten sich die drei Brüder plötzlich zu Thränen gerührt, gingen hinaus unter die Eiche und dachten im Ernst daran, ein Münster zu bauen. Eine Aufforderung Kaiser Heinrichs IV. an die Grafen, ihm in den Sachsenkrieg zu folgen, zerschlug die Sache wieder. Burkhart, der daheim blieb, nahm einstweilen eine Anzahl geistlicher Brüder von St. Jakob in Hall zu sich, die ihm die Horas singen mußten. Als nun Rugger aus dem Feld zurückkam, und mit wenigen Getreuen nach Rom ging, seine Kriegsleute aber daheim ließ, da gab es ein wunderliches Leben zu Comburg. Stimmten die frommen Brüder ihre geistlichen Gesänge an, so huben die wilden Gesellen Ruggers ihre Kriegs- und Jagdlieder an und spotteten jene aus. Gern hätte Burkhart die Leute seines Bruders ausgetrieben, sie erklärten aber, ohne Befehl ihres Herrn nicht zu weichen. Da ließ er einstmals, als die Kriegsmänner im Freien lagen und sich sonnten, durch einige Getreue die Thore schließen. Die Reisigen begehrten die Pforten einzubrechen, sie waren ihnen aber zu fest. Burkhart ließ ihnen aber ihre Kleider über die Mauer hinauswerfen und als sie zu stürmen versuchten, trieben sie die Mönche mit Steinen ab. So wurde Comburg ein Kloster. Rugger starb auf der Wallfahrt nach Jerusalem, und auch der jüngste, Heinrich, wurde ein Domherr, zuletzt Bischof zu Würzburg. Von ihrem Erbe wendeten die Brüder einen guten Theil dem Kloster Comburg zu und selbst die Rothenburg wäre mit dem Rest an dasselbe gefallen, wenn Heinrichs letzte Verfügung zum Vollzug gekommen wäre.

374. Die zwei Thürme zu Rothenburg.

Bensen a.a.O. S. 84.

Als die Sankt Jakobskirche zu Rothenburg fertig war, sollten noch zwei Thürme daran gefügt werden. Einen übernahm der Meister zu bauen, den andern übertrug er einem jungen Gesellen, welchen er selbst in der Baukunst unterrichtet hatte. Es hatte aber der Geselle sein Werk zur bestimmten Zeit weit schöner und zierlicher als der Meister gethan. Das verdroß diesen so sehr, daß er sich verzweifelt vom Gerüste herabstürzte. Noch heute ist das Bild eines herabstürzenden Mannes an dem Baue zu sehen.

375. Der beleidigte Storch.

Bensen a.a.O. S. 88.

Als das Rathhaus mit seinem hohen schlanken Thurme fertig war, fand sich auch bald ein Paar Störche ein, das sich auf der Spitze ein Nest erbaute; denn von dieser Höhe aus ließ es sich gar gut in die weite Luft hinausschwingen. Wenn nun der eine Wächter hinaus auf des Thurmes Steinkranz stieg, um in die Gegend nach Feinden und Gefahren zu schauen, so hatte er stets seine Freude an den Thieren. Des andern Wächters schlimmes Weib aber, die mit ihm zu oberst auf dem Thurme wohnte, verdroß die Unreinlichkeit der Vögel gar sehr, und wie sie erst Junge ausgebrütet hatten, die zuweilen eine halbe Schlange oder Kröte auf dem Kranz fallen ließen, da reizte sie ihren Mann an, die jungen Thiere hinabzustoßen. Alsbald kam der alte Storch mit einem Feuerbrand im Schnabel geflogen, den er in sein Nest warf. Das Feuer fiel vom Nest herab auf den Thurm und das dürre Holzwerk gerieth schnell in Flammen. Der böse Wächter vermochte nicht zu entrinnen und verbrannte sammt seinem Weibe; der fromme hingegen stieg auf eines der alten Steinbilder hinaus, die man noch sieht, und rettete mit Mühe sein Leben. Das Innere des Thurmes brannte gänzlich aus, doch erhielten sich die festgefügten Mauern bis auf den Steinkranz, an dessen Stelle ein eiserner kam.

376. Die arme Seele zu Rothenburg.

Bensen. a.a.O. S. 85.

Die Rothenburger hatten niemals große Stücke auf den Teufel gehalten. Das wurmte den Meister Urian gar sehr und er beschloß, den Ungläubigen einen glänzenden Beweis seiner Macht zu geben. Als nun einmal ein Bäuerlein am heiligen Tage durch den Thorweg unter der Hauptkirche ging und nun gerade entsetzlich schwärmte und fluchte, fuhr der Böse plötzlich aus der kleinen Thür im Thorweg heraus und schmiß den Mann hoch an die Mauer. Der Leichnam fiel sogleich herunter, aber die arme Seele ist an der Wand hängen geblieben, wo man sie bis auf den heutigen Tag sehen kann. Sie sieht braun aus, etwas mit schwarzen Flecken gezeichnet.

377. Des Teufels Heirath.

Nach Ludwig Scheffer's Chronik p. 451 bei Bensen a.a.O. S. 91.

Als es dem Teufel nicht mehr länger im Junggesellenstande behagte und er sich nach einem ehelichen Weibe umsah, da gefiel ihm keine, als eine Rothenburgerin. Eines Abends kam er daher mit zwei Dienern gar stattlich und trefflich ausgerüstet, als wie der reichste Edelmann zu dem Haus eines ehrsamen Bürgers und begehrte dessen Tochter zur Ehe. Die Jungfrau war von so ausnehmender Schönheit und dabei so züchtig und wohlerzogen, daß es nicht wundersam erschien, wenn ein fremder, noch so vornehmer Herr um sie warb. Da nun die Mutter von dem Adel und der großen Pracht des Brautwerbers sogleich bezwungen und eingenommen war, durfte der Hausvater auch nicht »Nein« sagen. Eine Gasterei ward angestellt und die Verwandten wurden berufen. Der Bräutigam war unmäßig fröhlich, tanzte und bankettirte; seine beiden Diener, von denen der eine auf der Sackpfeife, der andere aber auf der Geige zu spielen verstand, machten eine so tolle Musik, daß Alles voll größter Lust war. Nur dem frommen Hauswirth wollte es ein Betrug bedäuchen und er ahnete, daß es nicht mit rechten Dingen zugehe. Deßhalb berief er heimlich einen ehrwürdigen Geistlichen zu sich, und ehe noch der Handstreich, wie man sagt, vor sich ging, hub jener ein erbauliches Gespräch aus der heiligen Schrift an. Das verdrießt den Gast und er spricht: »Wenn man wolle fröhlich sein, so solle man von andern Dingen reden.« Da bricht der Wirth heraus: »Euch ihr bösen Feinde, kenne ich wohl, wir sind aber auf den Herrn getauft und gedenken uns wider List und Macht wohl zu schützen.« Zur Stunde fahren die fremden Gäste davon, lassen aber einen bösen, unleidentlichen Gestank hinter sich; auch blieben drei Leichname, die vorher an einem benachbarten Galgen gehenkt, in der Stube liegen.

378. Das Freudengäßle zu Rothenburg.

Ein Volksbüchlein. (v. Aurbacher.) München 1839. II., 194.

In Rothenburg an der Tauber ist ein Gäßle, das heißt das Freudengäßle. Dort hat vor Zeiten der Scharfrichter seine Behausung gehabt. Wie aber dasselbe zu dem Namen gekommen, davon wird folgende Geschichte erzählt. Als nach der Schlacht bei Nördlingen der Tilly in Rothenburg eingezogen, hatte man ihm und seinen Leuten ein stattliches Mahl zubereitet auf dem Rathhause. Dabei ward ihnen denn auch in einem großen Humpen, der noch heutigs Tags zu sehen ist, Wein kredenzt vom Rothenburger Gewächs, dem besten. Wie nun Tilly den Mund ansetzte, fand er den Wein ganz abscheulich; und vermeinend, daß die Rothenburger ihm diesen Trank zum Spotte gereicht, ergrimmte er in Zorn, und sprach zu Bürgermeister und Rathsherren: »Dieser euer Wein soll euch schlecht bekommen; denn ich sage euch: wenn nicht einer von euch diesen Humpen in Einem Zuge austrinkt, so seid ihr alle des Todes.« Und er ließ auch sogleich den Scharfrichter holen, daß er bereit stehe mit seinem Schwerte, um einem nach dem andern den Kopf abzuhauen. Da erbarmte sich aus Patriotismus einer der jüngern Rathsherren der übrigen, und trat vor und trank den Wein allein in Einem Zuge aus, wie es der grausame Tilly verlangt hatte. Also sind Bürgermeister und Rathsherren mit dem

Leben davon gekommen, und der Scharfrichter ist unverrichteter Dinge wieder abgezogen. Darüber ist nun in Rothenburg große Freude gewesen. Und es wurde, um dieses Ereignisses wegen, jenes Gäßle, in welchem der Scharfrichter seine Wohnung gehabt, von der Zeit an das Freudengäßle genannt.

379. Die Kniebrechen bei Rothenburg.

Die vor. Schrift, S. 195.

Bei Rothenburg an der Tauber ist eine rauhe, wilde Steig, die Kniebrechen genannt, wegen ihrer Steile. Da hat sich vor Zeiten eine grausame That begeben, an welche jeder, der des Weges geht, mit Schaudern denkt. Die Geschichte lautet, wie folgt: Es wurden zu jener Zeit drei Männer aus Rothenburg an des Kaisers Hof gesandt, um ein Anliegen ihrer Stadt an den Herrn zu bringen. Der Kaiser empfing die Abgeordneten auf leutselige Art, und fragte vorerst einen nach dem andern nach ihren Namen, wie sie sich schrieben. Der erste sagte, er schreibe sich Vötter, worauf der Kaiser: das ist ein gar schöner, freundnachbarlicher Name. Der andere, gefragt, sagte, er schreibe sich Brueder. Der Kaiser: das ist ein noch schönerer Name, der einem wahrlich in's Herz hinein wohl thut. »Und wie schreibt denn Ihr Euch?« fragte zuletzt der Kaiser den dritten. Der antwortete nach einigem Zögern fast kleinlaut: Ich schreibe mich Mörder. »O pfui!« sprach der Kaiser, »das ist ein garstiger, ein schlimmer Name; es möchte einem die Haut darob schaudern.« Das hatte der Kaiser im Scherz gesprochen. Jener aber hielt es für Ernst, und es beschlich Neid und Mißgunst sein Herz, und weil ihn die andern darob neckten, zuletzt Haß und Rache. Als sie daher nach Hause zurückkehrten, so überfiel er sie, Angesichts der Vaterstadt, auf der Kniebrechen, und schlug sie todt. Darob wurde der Mörder eingefangen und hingerichtet; und es ist der letzte seines Stammes gewesen zu Rothenburg an der Tauber.

380. Serpentina von Dinkelsbühl.

Sage vom Hesselberg bei Wassertrüdingen in Mittelfranken. – Der Hesselberg von Leuchs. Wassertrüdingen 1822. Panzer a.a.O. S. 138.

Vor mehreren hundert Jahren lebte in dem Städtchen Dinkelsbühl ein reicher Hopfenhändler, der einen sehr tugendhaften und gut gearteten Sohn hatte, welcher neben seiner schönen Seele auch ein sehr angenehmes Aeußeres besaß und deßwegen nur der schöne Heinrich von Dinkelsbühl genannt wurde. Zu gleicher Zeit lebte in Dinkelsbühl ein sehr stolzer und hochmüthiger Bürgermeister, welcher auch eine sehr schöne und gutgeartete Tochter hatte, die Serpentina hieß. Diese beiden jungen Leute liebten sich, aber sie hatten keine Hoffnung, daß sie je ihren Zweck erreichen würden, weil der Bürgermeister jeden Freier abwies, und ihm keiner vornehm und reich genug war. Daher getraute sich auch der schöne Heinrich nicht, seinen Wunsch laut werden zu lassen; nur seinem Vater, der sein ganzes Vertrauen besaß, entdeckte er sich. Dieser lächelte und sagte: »Lieber Heinrich, wenn du keine Sorge hast, als diese, davon will ich dich befreien; der Bürgermeister ist weiter nichts als stolz und vornehm, und bildet sich Wunder viel auf seinen Titel ein; nun aber weiß ich, daß er unersättlich habsüchtig ist; habe ich keine vornehmen Ahnen aufzuweisen, so habe ich doch tausend Schock harte Thaler, welche die Ahnen ersetzen sollen.« Gesagt, gethan. Der Hopfenhändler warf sich in seinen Feststaat, zog seinen hellblauen Sammtrock mit den großen silbernen Knöpfen an, nahm seine silberne Schnallen, und ging mit seinem stark mit Silber beschlagenen spanischen Rohr nach dem Haus des Bürgermeisters, und hinterbrachte diesem seinen Antrag. Letzterer, ganz außer sich vor Freude über den gemachten Antrag, willigte sogleich ein, weil er den Hopfenhändler als den reichsten Mann in der ganzen Gegend kannte, und der schöne Heinrich ein sehr wohl gearteter Jüngling war. Demnach verlangte er, daß die Sache sogleich richtig gemacht werde. Niemand war vergnügter, als Heinrich und Serpentina, und schon wurden alle nur möglichen Anstalten zur Hochzeit gemacht, als mit einem Male

Heinrichs Vater ganz unvermuthet am Schlagfluß starb. Heinrich, der bisher sich gar nichts um das Geschäft des Vaters angenommen hatte, war sehr bestürzt, weil er in seinen Geschäftsbüchern nichts fand, als ein Verzeichniß aller seiner ausstehenden Kapitalien und Schulden, aber keine Dokumente. Wie vom Blitz getroffen stand nun der arme Heinrich da, und ein Schuldner nach dem andern kam und machte seine Foderung geltend. Heinrich konnte nicht bezahlen, und bald wurde der verstorbene Hopfenhändler als ein Betrüger ausgeschrieen. Dieses konnte dem Bürgermeister nicht verborgen bleiben, und er kündigte deßhalb dem Heinrich die Heirath auf, und es wurden alle Anstalten getroffen, daß das Haus des Hopfenhändlers verkauft, und die Schuldner bezahlt würden. Heinrich konnte nun Nichts weiter thun, als sein Glück in der Welt suchen. Er machte daher sogleich Anstalten, seine Abreise aus seiner Vaterstadt, wo er nun das allgemeine Gespräch des Tages war, zu beschleunigen, und schon am nächsten Sonntag, als die schöne Bürgermeisterstochter in ihrem schön vergitterten Kirchstuhl saß, hörte sie die Bitte des Predigers von der Kanzel herab für einen Jüngling, der auf Reisen gehen wolle, und ihre Thränen flossen in ihr schneeweißes Sacktuch. Schon am andern Morgen wanderte der schöne Heinrich unter den Segenswünschen seiner geliebten Serpentina aus Dinkelsbühl, und nahm seinen Weg nach dem benachbarten Hesselberg, und beschloß nach Nürnberg zu reisen. Als er auf dem Hesselberg angekommen war, beschloß er noch einmal Halt zu machen. Mit Wehmuth erblickte er noch die Thürme seiner Vaterstadt, und noch einmal sagte er seiner heißgeliebten Serpentina ewiges Lebewohl. Er setzte sich auf den Stein eines alten Gemäuers, und nun sah er ein wunderschönes Schlänglein, welches über und über himmelblau war, einen goldenen Gürtel um den Leib, und eine kleine goldene Krone auf dem Kopfe hatte. Da das Schlänglein gar nicht schüchtern war, so fing Heinrich an, es zu streicheln, nun aber fiel ihm wieder seine geliebte Serpentina ein, und er rief dreimal: Serpentina! Mit einem Male verschwand die Schlange und eine sehr schöne blühende Jungfrau in himmelblauseidenem Gewande, einen goldenen, mit kostbaren Edelsteinen gezierten Gürtel um den Leib, und eine goldene Krone auf dem Haupt, stand vor ihm, und fragte ihn, was sein Begehren sei? Heinrich erschrack über die Erscheinung nicht wenig, und sagte, er habe sie nicht gerufen. Die Jungfrau aber sagte: Hast du nicht dreimal mich bei meinem Namen Serpentina gerufen? Und nun setzte sie sich zu ihm auf den Stein und bat ihn, ihr seine Geschichte zu erzählen. Nachdem nun Heinrich seine Abenteuer erzählt hatte, sagte Serpentina: Gottlob! Wenn es weiter Nichts ist, da will ich dir helfen. Sie befahl ihm, ihr zu folgen. Da stieß sie mit dem Fuße auf einen großen Stein, und augenblicklich öffnete sich eine Thüre; Heinrich stieg mit der Jungfrau eine lange Treppe hinab, und nachdem sie durch ein finsteres Gewölbe gegangen waren, kamen sie in einen großen Saal. Die Jungfrau berührte einen an einer Marmorsäule hängenden Talisman, und augenblicklich war der Saal von vielen brennenden Wachskerzen erleuchtet. Von da führte ihn die Jungfrau in einen zweiten Saal, welcher noch köstlicher war. Hier standen mehrere große Kisten, sie öffnete eine derselben, welche ganz mit großen Goldstücken angefüllt war. Hier befahl sie ihm sein Felleisen auszuleeren, und mit Gold zu füllen, so viel er zu tragen vermöge; dann nahm sie aus einem Kistchen einen von Gold und Edelsteinen gemachten Myrthenkranz und eine lange Schnur der schönsten orientalischen Perlen, und sagte: Nimm diesen Schmuck und gib ihn deiner Braut zum Brautschmuck, er ist der Brautschmuck meiner seligen Mutter. Mit dem Golde aber löse dein väterliches Erbe aus. Heinrich dankte der Jungfrau auf das Innigste. Nun bat er sie noch, ihm doch auch die Geschichte des versunkenen Schlosses zu erzählen. Sie begann: Mein Vater war der weit und breit bekannt gewesene Ritter Arno, und hauste auf diesem Schlosse; er war ein ausschweifender Mensch und vergaß sich so weit, daß er mit dem Fürsten der Hölle einen Bund machte, der ihm auch alle diese Reichthümer zuführte, wofür er ihm auch seine Seele verschrieb. Als dieses meine selige Mutter erfuhr, betete sie unaufhörlich für meinen Vater zu Gott. Um diese Zeit gebar sie mich; da erschien ihr die Mutter unsers Herrn, und sagte ihr: Wenn deine Tochter nie der Liebe eines Mannes folgen,

sondern ihr Leben Gott und der Kirche weihen wird, so soll dein Gemahl von der Verdammniß erlöset sein. Meine selige Mutter gelobte dieses der heiligen Jungfrau, aber ich hielt, als ich erwachsen war, nicht Wort, sondern verschenkte mein Herz an den Ritter Benno von Lenkersheim in meinem sechzehnten Jahre, und an dem Tage, als wir uns verlobten, spaltete sich der Berg und verschlang das Schloß mit Allem, was es in sich hielt. Mein Vater wurde von höllischen Geistern in die Luft davon geführt, ich aber wurde in eine Schlange verwandelt, und dazu verdammt, so lange hier auszuhalten, bis diese Kiste, aus welcher du das Gold genommen hast, geleert sein wird. Mir aber ist nur vergönnt, alle Jahre auf einige Augenblicke menschliche Gestalt anzunehmen, und solchen, die ohne ihr Verschulden in Mangel und Noth gerathen sind, zu helfen. Nun gehe zurück in deine Vaterstadt, morgen wird dein älterliches Haus versteigert; nehme von dem Gold, bezahle davon die Gläubiger deines Vaters, und nimm Besitz von deinem väterlichen Erbe; dann gehe in das Geschäftszimmer deines Vaters; dort hängt ein altes Oelgemälde, nimm es weg, und du wirst hinter demselben einen gemauerten Schrank finden, in welchem alle in dem Geschäftsbuch deines verstorbenen Vaters eingetragenen Schulddokumente enthalten sind; damit wird dann auch die Ehre deines Vaters gerettet sein, und für mich lasse hundert Seelenmessen lesen, und bezahle jegliche mit einem Goldstück. Dann führte sie ihn wieder zurück aus der versunkenen Burg, und die Oeffnung sammt der Jungfrau war verschwunden. Heinrich wanderte nun getrosten Muthes seiner Vaterstadt zu, nahm sein väterliches Erbe in Besitz, und Serpentina, die schöne Bürgermeisterstochter ward bald seine Gattin, und beide führten die glücklichste und zufriedenste Ehe. Als sie starben, stifteten sie ein Waisenhaus und verordneten, daß die Waisenkinder alle Jahre an dem Todestag der Stifter einen frohen Festtag feiern sollten, welches sich bis auf unsere Tage erhalten haben soll, und das Kinderfest genannt wird.

381. Der Schlößlesberg bei Mauren.

Im Ries. – J.B. Guth das Ries wie es war und ist. Nördlingen 1844. X. H. S. 61.

Oestlich vom Dorfe Mauren gegen Ebermergen öffnet sich der sonst eingeschlossene Bergkessel und geht in ein enges, von steilen Bergwäldern umzogenes Thälchen aus, in der schönen Jahreszeit ein einziges Plätzchen. Dort auf einer von Süden her in das Thälchen vorspringenden Anhöhe, der Schlößlesberg genannt, sind noch Spuren von Wall- und Mauerwerken kenntlich. Der Sage nach hat dort vor alten Zeiten ein grausamer Ritter gehaust, der bei seinen Raubzügen die Rosse verkehrt beschlagen ließ, damit man die rechte Spur nicht auffinden sollte. Leider hat der Sage dießmal zum Schabernack fleißige Nachforschung bewiesen, daß jene Spuren von Mauerwerk römischen Ursprungs seien.

382. Die Templer zu Deiningen.

Deiningen im Ries. – Mitgeth. von K.A. Böhaimb.

Im Pfarrhof zu Deiningen im Ries soll vor Zeiten die Wohnung von Templern gewesen sein. Als die Verfolgung gegen sie losbrach, waren etliche hieher geflüchtet und hatten ungeheure Schätze an Gold und Silber in Sicherheit gebracht. Das wußte ein Diener der Templer und dachte auf einen Anschlag, sich des Schatzes zu bemächtigen. Einmal, da die Ritter nach durchschwelgter Nacht im tiefsten Schlafe ruhten, schlich er sich in die Kammer und ermordete die einzelnen in ihren Betten. Als der Mörder darauf nach dem Lohne der Sünde suchte, war nirgends im ganzen Hause eine Spur von Schätzen zu finden. Vergebens rannte der Gottlose verzweifelt hin und her, den Schatz zu suchen, und heute noch soll er in grauser Mitternachtsstunde ruhlos wandeln, den Sündenlohn zu erjagen, der ihn zum Mord verführte.

383. Ehrensache und Satisfaction zu Günzburg.

Altes Volkslied. – v. Arnim u. Brentano des Knaben Wunderhorn II., 360.

Zu Günzburg in der werthen Stadt, Als ihre Zunft den Jahrtag hat, Die Schneider alle kamen, Die Meister sämmtlich jung und alt, Die Gesellen auch in schiefer Gestalt, Da in der Kirch zusammen.

Der Teufel aber hat keine Ruh' Baut seine Kapelle auch dazu, Als sie zum Opfer gehen Da hat man mitten in der Schaar Ein'n großen Geisbock offenbar In ihrer Mitt' gesehen.

Der ging ganz sittsam neben her Dem Opfer zu in aller Ehr, Und thät sich doch nit bücken, Ein alter Meister hochgeschorn Der faßt da einen grimmen Zorn, Und wollt darüber zücken.

Wo führt der Teufel den Bock daher, Potz Elle, Fingerhut und Scheer, Er kömmt mir recht und eben, Ging er nur besser her zu mir, Ich wüßte schon ein Kunst dafür, Wollt ihm ein Maultasch geben.

Der Geisbock hätt sehr feine Ohrn, Bemerkte bald des Schneiders Zorn, Hätt doch nichts zu bedeuten. Er machet sich zugleich unnütz, Und biet dem Schneider einen Trutz, Ging frisch ihm an die Seiten.

Der Schneider aber hielt sein Wort, Es war grad an der Stiege dort, Er griff den Bock beim Boschen, Er stieß denselben hin und her, Als wenns des Bocks sein Mutter wär, Gab ihm eins an die Goschen.

Der Geisbock fiel die Stiegen ein, Da mußt er also lassen sein Und dürft sich nicht wohl rächen. Ging bald davon in aller Still, Gedacht der Schneider sind zu viel, Sie dürften mich verstechen.

Frau Burgermeisterin alldort Stand in dem Stuhl an ihrem Ort,

Die hat der Bock ersehen. Er ging ganz traurig zu ihr hin, Und klagte ihr in seinem Sinn, Wie hart ihm wär geschehen.

Er sprach: »Ich habs nit bös gemeint, Dieweil die Schneider meine Freund, Hab ich für Recht ermessen, Daß ich mit Meister und Gesell, Mich bei dem Jahrstag auch einstell', Bin grob doch eingesessen.

Die Maultasch hab ich nit erwart', Hätt sonst mein Fell so rauh und hart, Gar wohl verschonen können. Jetzt habe ich die Stöß davon, Die hängen mir mein Lebtag an, Das fühl ich an dem Brennen.

Wenn ich aufs Jahr noch hier verbleib, Bleib ich daheim und schick mein Weib, Kanns leichter übertragen. Die ist zumal eine reine Geis, Wie sie und Jedermann wohl weiß, Die dürften sie nit schlagen.«

Die Frau sagt ihm auf sein Begehren: »Geh nur mein Schatz, klags meinem Herrn, Dem Schneider bringts nicht Rosen.« Der Geisbock neiget sich vor ihr, Bedankt sich auch auf sein' Manier Mit Stutzen, Meckern, Stoßen.

Der Schneider schaut von ferne zu, Des Bocks Anklag gab ihm Unruh, Wollt schier darum verzagen, Daß er den Bock, es war ihm leid, Aus Zorn und Unbescheidenheit, Im Gotteshaus geschlagen.

Wie's endlich ablief noch zur Lust, Das ist den Schneidern wohl bewußt, Habs weiter nit beschrieben. So viel ich hab gehört davon, Hat er dem Bock Abbitt gethan, Dabei ist es geblieben.

Ein guter Herr, der sprach mich an, Dem hab ich es zu lieb gethan, Sein Bitt nit abgeschlagen. Und diese schöne Action

Ins guten Kerles Weis' und Ton, Also zusamm getragen.

384. Die Geisterfahrt zu Günzburg.

Sagen- und Geschichtbuch der Städte Burgau, Günzburg etc. (von L. Mittermaier) 1851 S. 40.

Zu den sogenannten heiligen Zeiten sahen oft Leute in der Mitternachtsstunde aus dem Schlosse zu Günzburg einen schwarzen Wagen, den vier Rappen zogen, und Männer in Trauerkleidern mit verhülltem Antlitze ziehen. Ein Bürger, welcher im Wirthshause des Guten zu viel gethan haben mochte, sah am Nachhauseweg den Gespensterzug nahen und stellte sich trotzig demselben in den Weg; vielleicht glaubte er, weil einem Besoffenen ein Fuder Heu ausweiche, daß auch Geister Respekt vor ihm haben würden. Aber er wußte nicht, wie ihm geschah, als er sich wie von sausendem Wirbelwinde gepackt fühlte und am Morgen auf einer Wiese gegen Burgau erwachte. Später fand man beim Bauen im Schlosse einem todten Körper und begrub ihn auf dem Kirchhofe. Von dieser Zeit an kehrte die Erscheinung nicht wieder, daher man glaubte, der Verstorbene habe in geweihter Erde begraben sein wollen.

385. Der Möringer.

Von Gustav Schwab. – Nach Thomanns Weißenhorner Chronik: Illerkreis-Int.-Bl. 1814 S. 725. v. Reisach Geschichte der Grafschaft Lechsgemünd und Graisbach S. 61. Lexicon v. Schwaben, Ulm 1791, S. 923. v. Raiser die Wappen der Städte im Oberdonaukr. S. 56.

1. Das war der edle Möringer, Der sprach zu seiner Frau, Die schönste war es weit und breit Im ganzen Donaugau;

So sprach er um den Hahnenschrei: »Herzliebes Weib, sieh zu! Du sollst mein harren sieben Jahr!« Er küßte sie dazu.

»Mich treibt nicht Fürwitz, alle Welt Hab' ich genug durchrannt; Ein streng Gelübde treibt mich fort, Hin in Sankt Thomas Land.«

»Von Jahr zu Jahr hab' ich gesäumt, Ich mochte nicht von dir; Jetzt mahnt es mich bei Tag und Nacht, Läßt keinen Frieden mir.«

Da sprach die Frau gar trauriglich, Betrübet war ihr Muth: »Weh'! Wem befehlt ihr, edler Herr, All euer Land und Gut?«

»Und wenn es wohl geborgen ist, So bleib ich doch allein!

Wer ziehet unser Kind, wer soll Mein treuer Pfleger sein?«

Der Ritter gut, er tröstet sie: »O traure nicht so sehr, Mir dienet manch' ein werther Mann, Der pflege deiner Ehr'.«

»Das Töchterlein das ziehen uns Die frommen Klosterfrau'n; Einst lüft' ich selbst den Schleier ihr Und will als Braut sie schau'n.«

»Und deiner Ehren trau ich wohl, Du bist von guter Art, Jetzt gib mir Urlaub, zarte Frau, Ich will auf Gottes Fahrt!«

»Der segne dich und hab' uns all' In seiner treuen Hut; Sankt Thomas auch, der edle Herr, Sei uns ein Helfer gut!«

Da ging der fromme Möringer Aus seiner Kammer für; Der Kämm'rer mit dem Becken stand Und harrte vor der Thür.

Er nahm ihm ab das Morgenkleid, Reicht ihm das Wasser dar; Es wusch der Herr sich mit der Hand Sein lichtes Auge klar.

Dann schauet er den Diener an, Sein Haar das war ganz grau. »Dir,« sprach er, »du getreuer Knecht, Befehl ich meine Frau!«

»Ich find' an dir der Tugend viel, Drum pflege du sie mir; Nach sieben Jahren kehr' ich heim, Ja reichlich lohn' ich's dir.«

Der Kämm'rer doch sprach tugendlich: »O Herr, es ist nicht gut; Die Frauen tragen lange Haar Und einen kurzen Muth.«

»Bei eurer Habe bleibet heim, Wenn ich euch rathen mag. Nicht möcht ich pflegen euerer Frau,

Nicht über sieben Tag.«

Die Rede däuchte fremd den Herrn, Er trat beschwert hinaus. Von Neufen fand, den jungen er, Da stehen vor dem Haus.

Er sah ihn an, er dachte wohl, Wie treu der sei gesinnt: Es ist ein Jüngling von Gestalt, Von Herzen noch ein Kind.

Er sprach: »Von Neufen, junger Herr, Ihr liebster Diener mein! Ihr sollt ein Pfleger meinem Weib Auf sieben Jahre sein.«

»Ihr Leben ganz befehl' ich euch Und den geliebten Leib. Wie dort der Herr vom Kreuze sprach: Dieß ist dein Sohn, o Weib!«

Der junge Herr von Neufen, ei! Wie neigt er fröhlich sich: »Herr, zeug hinaus, wohin du willst, Nicht weiter kümm're dich!«

»Und wärst' du aus auch dreißig Jahr', Noch pflög' ich ihrer gern.« Da zog der edle Möringer Getrost hinaus zur Fern'.

2. Und sieben Jahre waren um Bis zu dem letzten Tage; Herr Möringer in Thomas Land, Ruht aus im grünen Hage.

Es lief um ihn das fremde Volk Es blühten selt'ne Kräuter; Von manchem Abenteuer müd', Schlief ein der Gottesstreiter.

Und wie er lag, das Angesicht Gen Himmel still gekehret, Da ward von einem bösen Traum Der edle Herr beschweret.

Ein Engel ihm zur Seite stand, Deß Wort hat er vernommen: »Zeit ist's, erwache, Möringer!

Eil' in dein Land zu kommen.«

»Der junge Neufen führet heut Dein Weib in seine Kammer!« Da wacht er auf, den grauen Bart Rauft er sich aus im Jammer.

»Weh mir, wie reut mich meine Frau! Weh' mir, um Land und Leute! Daß ich muß fern geschieden sein, Wie soll ich's ändern heute?«

»So weit ich schau ist fremdes Land, Gebirge, Kett' um Kette, Und könnt' ich fliegen wie mein Blick, Nicht käm' ich heut' zur Stätte.«

»Die ich gebracht zur Würdigkeit, Die schändet mich an Ehren! Sankt Thomas, bei der Marter dein, Du wolltest mich erhören!«

»Du hast in diesem fremden Land Gethan der Wunder viele, Wenn du mir Gottes Hülfe schickst, So komm' ich wohl zum Ziele!«

Da war dem edlen Möringer Ein Trost in's Herz gegeben; Drum, als er brünstig so gefleht, Schnell wollt' er sich erheben.

Doch war sein Leib so krank und schwer Von Leid und großem Kummer, Er sank zurück von Müdigkeit Und fiel in neuen Schlummer.

Und als er aus dem Schlaf erwacht, So höret er es rauschen, Sein Auge noch geschlossen war, Sein Ohr begann zu lauschen.

Es war so wohlbekannter Laut: Sein Blick thät sich erhellen, Da floß vor ihm der Donaustrom Mit seinen alten Wellen.

Da gehet neben ihm das Rad Von seines Schlosses Mühle, Da säuselt ihm ein Eichenbaum Hernieder Abendkühle.

Und auf dem Hügel glänzt die Burg Im letzten Sonnenscheine; Dort wohnen Weib und Mannen ihm, O weh, sind es noch seine?

Doch springt er auf, nach seinem Haus, Die Arm' er sehnlich breitet: »Sankt Thomas, frommer Bote, Dank! Du hast mich wohl geleitet!«

Zur Mühle ging er ein, er war Ein armer Mann zu nennen; Den Herrn, den edlen Möringer, Den mochte keiner kennen.

3. »O Müller, sei mir treu gesinnt: Weißt von der Burg nicht neue Mähr? Ich bin ein fremder Pilgersmann Doch war ich droben wohl schon eh'r.«

Der Müller sprach, er wundert sich: »Kommt ihr also aus fernem Land? Die schlimme Mähr, die Jeder weiß, Ist euch allein sie nicht bekannt?«

»Ich weiß der Abenteuer viel: Der junge Herr von Neufen freit; Das Weib des edlen Möringer, Das will ihn ehlich nehmen heut.«

»Man spricht, der edle Ritter sei In fremden Landen blieben todt. Das ist mir leid und groß Beschwer, Gott woll' ihm helfen aus der Noth!«

»Gott Gnade meinem lieben Herrn! Von ihm hab' ich mein Gut und Ehr; Ja, tröste Gott die Seele sein! Ach! daß er immer bei uns wär'!«

Da ging das Wort dem Möringer Ins Herz von seinem guten Knecht: »Dienstmann und Weib vergaßen mich, Des Knechtes Treue blieb mir ächt!«

Er sprach: »Ich wünsch' euch gute Nacht! Und hört, wenn euer Wort ist wahr, – Habt in der Kammer ihr ein Weib, So geht nicht fort auf sieben Jahr!«

»Auch dem Gesellen trauet nicht, Von Herzen fromm, von Alter zart: Die böse Lust kommt mit der Zeit, Und mit den Jahren wächst der Bart.«

Dann wandelt er den Pfad hinauf: »Nun rathe, Gott, wie greif ich's an, Das mir nicht wehren meine Burg, Die sonst mir waren unterthan.«

Da stand er in dem Dämmerlicht Vor seiner eignen Burg am Thor; Er klopft mit harter Faust daran, Der Thorwart rief: »Wer ist davor?«

»Um Gott! nicht lange säume dich, O Freund! sag' an der Frauen dein: Es ist hienieden vor der Burg, Ein müder Pilgrim, will hinein.«

»Nur eine schlechte Gab' er heischt, Sie soll darob nicht sehen scheel, Um Gottes Willen und Sankt Thoms, Um Möringers, des Edlen, Seel.«

Als solches Wort die Frau gehört, Sie sprach: »Schleuß auf, schleuß auf das Thor! Um Gottes Willen und Sankt Thoms, Nicht soll er warten lang davor!«

»Ja gib dem armen Pilgersmann Zu essen satt ein ganzes Jahr!« – Der Frau an ihrem Hochzeittag Die Freude doch verdorben war.

Da ward der edle Möringer Gelassen in die Burg hinein. Er sprach: »Herr Christ, ich danke dir; Daß ich hier wieder bin, ist dein.«

Doch mußt' er in der eig'nen Burg Ein armer Pilger einsam steh'n; Er sah sich um im weiten Hof, Kein Knecht ihm mocht' entgegengeh'n.

Obwohl erstanden erst vom Schlaf, Däucht' er sich da so müd' und krank, Nicht hatt' er hundert Schritt gethan, Mußt' doch sich setzen auf die Bank.

Er schaut' hinauf zum Rittersaal; Der glänzte wie zu selber Zeit, Als eine tugendsame Braut Der edle Möringer gefreit.

Die alten Weisen spielten auf Die Lautner und die Pfeifer all', Doch anders schlug dem kranken Herrn Das Herz zu ihrem lauten Schall.

Wohl ward ihm kleine Weile lang, Doch tritt er nicht in seinen Saal Die Mannen sind in and'rer Pflicht, Ein And'rer küßt' sein Eh'gemahl.

4. Und droben in dem Rittersaal Saß Bräutigam und Braut, Die Lampen brannten immer hell, Die Pfeifen klangen laut.

Sie pflogen wohl des reichen Mahls, Bis nun die Stunde kam, Daß in die Kammer mit der Braut Ging ein der Bräutigam.

Da stand der beste Dienstmann auf, Deß Haar und Bart war weiß, Es sprach zu seinem jungen Herrn Ein gutes Wort der Greis.

»Ihr ehret, däucht mir, edler Herr, Des Schlosses Sitte gern, So laßt mich eins berichten noch Von Möring, meinem Herrn.«

»Es schlief kein Gast in seiner Burg, Er sänge dem ein Lied; Ein Pilgrim draußen auf der Bank Sitzt einsam, wegemüd.«

»Gelabet hat ihn euer Wein Und eure Speis' erquickt; Vielleicht er singt euch noch ein Lied Wie sich's zum Feste schickt.«

Der junge Herr von Neufen horcht In Fröhlichkeit dem Wort; Er sprach: »Wie gingen ohne Lied Die werthen Gäste fort?«

»Ihr Pfeifer hört zu gellen auf, Ihr todten Lauten schweigt! Viel lieblicher ein helles Lied Aus Menschenkehlen steigt!«

Man rief den Pilgrim in den Saal, Der trat zur Thüren ein, Zur Erde senket er den Blick, Als blendet' ihn der Schein.

Er leget den, er nicht gebraucht, Zur Seite seinen Stab; Er schüttelt von dem Rock den Staub Des fernen Landes ab.

Da reichen sie die Harf' ihm dar, Er griff mit Schmerzen drein: »Ich weiß ein einzig traurig Lied, Es wird euch nicht erfreu'n!«

»Es hat mich's in Sankt Thomas Land Ein fremder Mann gelehrt; Doch wollt ihr's haben anders nicht, So sei es euch gewährt!«

»Zu schweigen immer – sang er drauf – Hätt ich wohl eh' gedacht; Seit hat mich eine schöne Frau Zum Singen doch gebracht.«

»Alt bin ich, was ich schaffen mag; Zwar junget sie nicht viel, Doch weil mein Bart ist gar so grau, Schielt sie nach jüng'rem Spiel.«

»Sie sucht sich einen jungen Mann, Seit ward der Herr ein Knecht, Und eine alte Schüssel ist Zur Hochzeit ihm gerecht.«

»Mit Ruthen züchtige das Weib, Das also sünd'gen kann: Räch' an der alten Braut mich du, Steh' auf, du junger Mann!«

So ging des Pilgers Liedlein aus Und stille war's im Saal, Die Lauten und die Pfeifen hell Noch schwiegen allzumal.

Und als die Frau das Lied gehört,

Trübt sich ihr Auge klar; Und einen gold'nen Becher reicht Dem Pilger schnell sie dar.

Es geußt der Schenk den Becher voll Mit altem, klaren Wein; Da senkt den Ring von rothem Gold Der Möringer hinein.

Er sprach bei sich: »Du treuer Ring, O wende du mein Leid! Und trau mir an zum zweiten Mal Die herzgeliebte Maid!«

Und laut sprach er. »Geselle traut: Komm, Schenke, diene mir! Und trage mir vor deine Frau Den gold'nen Becher hier!«

»Ja, liebster Pilger!« sprach der Schenk, Er sprach es tugendlich, Den Becher trug er vor die Frau Und neigt' in Züchten sich:

»Ach, Frau, nehmt hin, ach liebste Frau Kehrt her das Angesicht! Es sendet ihn der Pilger euch, Verschmäht den Becher nicht!«

Da neigte sich das Angesicht, Schaut' in des Bechers Grund, Dort winkt' ihr aus der klaren Fluth Das Ringlein roth und rund.

»Das ist mein Herr, der Möringer!« Sie rief's, »mein Herr ist hie!« Auf sprang sie da vom Hochzeitmahl, Und fiel vor ihm in's Knie.

»Willkommen seid, mein lieber Herr! Wo bleibt ihr doch so lang? Obwohl ihr seid des Leides voll, Nicht sei euch fürder bang!«

»Die Ehre mein, die hab' ich noch, Sankt Thomas sei's gedankt! Mein Mund brach sein Gelübde nur, Mein Wille hat gewankt.«

»Und dünkt mein Frevel euch zu groß, So mauert nur mich ein!

Doch bleibet fröhlich lieber Herr, Denn euer Haus ist rein.«

Der junge Herr von Neufen auch Zu seinen Füßen sank: »Ich schwör' es, Herr, die Frau ist rein, Ich bin an Ehren krank!«

»Gebrochen hab' ich Treu' und Eid, Euch Weib und Gut beraubt, Ja, rächet immer euern Schimpf Und schlagt mir ab das Haupt!«

Da sprach der edle Möringer In seinem Pilgerkleid: »Käm' aus der Fern' ich dazu her, Mir thät es wahrlich leid!«

»Gott hielt uns all' in seiner Hut, Er hat es wohl gelenkt: Sprich, Weib, wo ist mein Töchterlein, Daß Niemand sein gedenkt?«

»Herr, aus dem Kloster kam sie heut, Ach, Herr, wie sprachst du doch: ›Einst lüft' ich selbst den Schleier ihr,‹ Sieh', Herr, sie trägt ihn noch!«

Da trat aus ihrem Kämmerlein Die Jungfrau schmuck und schlank. »Nun, wohl gediehen ist sie doch, Sankt Thomas, habe Dank!«

Ihr nahm der Vater alsobald Den Schleier vom Gesicht, Er sprach: »Ei schauet, junger Herr, Gleicht sie der Mutter nicht?«

»Nehmt hin die Hälfte meines Guts, Werbt um das Mägdlein traut; Euch ziemt die junge Tochter fein, Laßt mir die alte Braut!«

Da hub der edle Möringer Sein reuig Weib empor; Da stand der junge Ritter auf, Ihm lieh die Maid ihr Ohr.

Die Frauen waren beide zart, Die Herren wohlgethan, Ihr Pfeifer, feiert länger nicht,

Die Hochzeit hebt sich an! 386. Stiftung des Klosters Wettenhausen.

Crusius Schwäb. Chronik I.,403. Brusch. chron. mon. Germ. p. 645. Zeiller kleines Zeitbuch. S. 674. Grimm d.S. II., 261. v. Raiser Guntia S. 32.

Zwischen Ulm und Augsburg, am Flüßchen Camlach, liegt das Augustinerkloster Wettenhausen. Es wurde im Jahre 982 von zwei Brüdern, Conrad und Wernher, Grafen von Rochenstain, oder vielmehr von deren Mutter Gertrud gestiftet. Diese verlangte und erhielt von ihren Söhnen so viel Lands zur Erbauung einer heiligen Stätte, als sie innerhalb eines Tages umpflügen könnte. Dann schaffte sie einen ganz kleinen Pflug, barg ihn in ihrem Busen und umritt dergestalt das Gebiet, welches dem Kloster unterworfen wurde.

387. Ursprung des Krumbades.

Zeiller kleines schwäbisches Zeitbuch 1653, S. 51 u. 570.

Anno 1390 war in einem Ansehen Herr Ritter Ulrich von Ellerbach; der hatte zur Ehefrauen Adelhaiden, geborne von Roth, adelich und ehrlichen Wandels. Als er aber einsmals nach einer verrichten Reise, von ihr einen bösen Argwohn geschöpft, hat er sie im jähen Zorn verfolgt, und da sie ihm in einen Stall entwichen, sie in demselben verbrannt, deren Reliquien nach Wettenhausen gebracht und in der Ellerbachischen Kapell im Kloster begraben worden. Zu Bezeugung ihrer Unschuld ist ein Brunn entsprungen, der noch heutiges Tages der Brandbronn, sonsten aber, wegen des ein Viertelstunde davon entlegenen Marktfleckens Krumbach, das Krum- oder Krumbacher Bad genannt wird.

388. Der Kettenträger zu Gundelfingen.

(Mittermaiers) Sagenbuch 1850, S. 46.

Lange schon war in Gundelfingen, wie in allen Orten des Herzogthums Neuburg die katholische Religion auf das Strengste verboten und diejenigen, welche an dem Glauben ihrer Väter festhielten, wurden mit Kerker, Einziehung ihrer Güter und Landesverweisung bestraft. Aber dennoch hatte der alte Glaube noch treue Anhänger, die insgeheim die Ceremonien ihres Kultus feierten. In Gundelfingen hatte sich schon seit Jahren ein Spanier, Don Alfonso geheißen, niedergelassen, der, so streng seine Landsleute gemeinlich der katholischen Religion ergeben, ihr ärgster Feind zu sein schien. Seine innige Bekanntschaft mit dem herzoglichen Pfleger zu Gundelfingen, dem Konrad Güß von Güssenburg, mißbrauchte er zum größten Schaden der heimlichen Katholiken. Seinem Späherblicke entging kaum einer der Altgläubigen und schon mehrere derselben hatte er in den Kerker und an den Bettelstab gebracht. Eines Abends kam er hastig zu dem Pfleger und eröffnete ihm, wie er so eben erfahren, daß die Katholiken der Umgegend sich nächtlicherweile in den Ruinen von Faimingen versammelten, um dort unter Leitung eines Geistlichen Religionsübungen anzustellen. »Heute Nacht,« meinte er, »werden wir sie überfallen und wenn reiche Leute unter ihnen sind, für unsere Tasche ein schönes Profitchen machen.« – Er redete noch, als dem Pfleger einfiel, daß in dem benachbarten Gemache eine Dienerin mit dem Putzen des Zimmerbodens beschäftigt war und machte dieses dem Spanier bemerkbar, der einen grimmigen Fluch that, zu dem Mädchen eilte und ein scharfes Verhör mit ihr anstellte. Obschon sie nun behauptete, von der Unterredung der beiden Männer nichts vernommen zu haben, so ließ sie doch der Spanier einen hohen Eid schwören, heute mit keinem Menschen ein Wort mehr zu reden, worauf die beiden Männer das Gemach verließen, um Anstalt zur Bewaffnung ihrer Diener zu machen, mit deren Hülfe sie die Katholiken gefangen nehmen wollten.

Die arme Magd aber wollte fast verzweifeln, denn ihre Eltern waren katholisch und sie selbst hatte erst kürzlich in der Versammlung zu Faimingen das heilige Abendmahl empfangen und nun konnte sie ihre Glaubensgenossen nicht einmal warnen. Bald trat auch die Nacht ein; finster und wolkenbedeckt war der Himmel. Nahe beim Dorfe Faimingen, hart an den Ufern der Donau, welche sich seitdem bedeutend zurückgezogen hat, lagen mächtige Ruinen und Trümmerhaufen; denn einst hatten die Römer hier eine starke Burg zum Schutze der Donaubrücke errichtet, und in deren Ueberbleibsel hatten die Edlen von Flachberg im Mittelalter ihr Schloß hineingebaut, doch nun lagen die Gemächer öde und verlassen und dienten nur Füchsen und Eulen zur Wohnung. Doch heute schlich sich eine Gestalt um die andere durch das mit Epheu bewachsene Portal und als endlich eine beträchtliche Anzahl von Personen in der großen Halle versammelt war, verhängten sie mittelst ihrer Mäntel und Tücher die kärglichen Fensteröffnungen und zündeten Blendlaternen an und harrten sehnsüchtig. Ueber die Donau schwamm um diese Zeit ein einfacher Fischerkahn, nur von einem Manne gelenkt, der am Ufer angekommen über die Trümmer kletterte und bald unter den Versammelten erschien, die ihn mit stillem Händedruck begrüßten. Es war der Angekommene ein frommer Priester aus der Markgrafschaft Burgau, der, gekommen ihnen die Tröstungen der Religion zu spenden, unter seinem Mantel ein Kästchen hervorlangte, welches aufgeschlagen einen tragbaren Altar vorstellte, und sich eben anschickte, das heilige Meßopfer zu entrichten, als die Stille der Nacht plötzlich auffallend gestört wurde. Von dem Eingange der Ruinen erscholl es mit lauter Stimme: »Da komm' ich her von Gundelfingen und hinter mir sind die Schergen, welche meine Eltern und die andern Katholiken gefangen nehmen wollen, und ich habe hohen Eid geschworen, heute mit keinem Menschen mehr zu reden. So rede ich denn zu dir du alter Eichbaum, der nicht fühlt, welche Qual mein Herz durchbohrt.« Aufmerksam hatte die Versammlung gehorcht, die Eltern hatten die Stimme ihrer Tochter erkannt und schnell ergriff Alles die Flucht. Der Priester war der letzte, welcher ging, er wäre lieber Märtyrer für seinen Glauben geworden. Und kaum war eine Stunde verflossen, so trat der Spanier mit den Bütteln und Schergen ein, und durchstöberte fluchend und scheltend die Ruinen, in welchen er zu seinem größten Aerger Niemand finden konnte. Endlich glaubte er sich in dem Tage geirrt zu haben, und ein andersmal glücklicher zu sein. Doch dieß andermal kam nicht, denn etliche Wochen hernach starb der Herzog des Landes, und sein Sohn, der ihm in der Regierung folgte, war vor kurzem selbst Katholik geworden und führte diese Religion ebenso eifrig ein, als sie vorher verfolgt worden war. Das getreue Häuflein der Katholiken zu Gundelfingen hatte die Freude, in der Person jenes Geistlichen, (er hieß Molitor) einen Pfarrer zu erhalten, der seine Stelle rühmlichst, selbst in den größten Drangsalen des dreißigjährigen Krieges versah. Der Spanier, Don Alfonso, den man für einen so eifrigen Protestanten gehalten, hing jetzt den Mantel nach dem Wind und änderte schnell seinen Glauben, ohne jedoch aufzuhören Wucher zu treiben und Geld zusammen zu scharren. Er war allgemein verhaßt und Jedermann glaubte, als man ihn eines Morgens vom Schlage getroffen mit schwarzblauem Gesichte todt im Bette fand, der Teufel habe ihn geholt und gönne seiner Seele im Tode keine Ruhe. Denn bald hieß es und heißt bis auf unsere Zeiten so, er wandle zu gewissen Zeiten mit Ketten an Händen und Füßen nächtlich als Gespenst in der Nähe seines ehemaligen Wohngebäudes. Man hieß diesen Geist im vorigen Jahrhundert nur den Kettenträger oder auch Kettenmann.

389. Das Lorettokirchlein bei Burgau.

Die vor. Schrift S. 18.

Neben dem Schloßberge erhebt sich in gleicher Richtung der Lorettoberg, auf welchem ein kleines Kirchlein steht, welches still und anmuthig auf die blühenden Fluren des Mindelthals herab sieht. Gerne flüchten sich aus dem Treiben der Welt fromme Betende in dasselbe und es

knüpft sich an das Kirchlein eine jener ergreifenden Sagen, wie sie nur dem kindlichen Gemüthe eines noch unverdorbenen Volkes entsprießen können. Still und friedlich lebte Agnes, die Gattin eines Herrn von Burgau, auf ihrem Schlosse, doch wie groß war ihr Schmerz, als ein kaiserlicher Befehl ihn an den Hof rief. Ihre trüben Ahnungen gingen auch bald in Erfüllung, denn die Feinde ihres Gemahls erstiegen mit Hülfe eines Verräthers in finsterer Nacht das Schloß und bald erfüllte Geräusch der Waffen, Weherufe der Sterbenden und das Siegrufen der Eindringlinge die kurz vorher so friedliche Wohnung. Vor Schrecken fiel Agnes in Ohnmacht, aus welcher sie in einem finstern Kerker im Lorettoberge wieder erwachte. Inbrünstig betete sie zu Gott und ergab sich in seinen heiligsten Willen. Von inniger Verehrung gegen die Gottesmutter durchdrungen, bat sie ihren Kerkermeister nur um ein Bildniß der Gebenedeiten. Doch in rohem Spotte gab man ihr zur Antwort, sie sollte nur aus einem Holzscheite ein solches machen, worauf sie vertrauend, daß dem frommen Glauben kein Werk unmöglich, nur ein Werkzeug hiezu verlangte. Höhnisch reichte man ihr eine rostige Messerklinge mit dem Bedeuten, wenn sie mit solchem etwas zu Stande bringe, sollte sie alsbald in Freiheit gesetzt werden. Allein dieß war unmöglich und in fruchtlosem Bemühen schlief Agnes endlich ermattet ein. Da erfüllte plötzlich, wie der Schlummernden däuchte, himmlischer Glanz den düsteren Kerker, sie erblickte die Muttergottes vor sich, welche sprach: »Dein Vertrauen zu mir sei nicht unbelohnt. Hier sind drei Bilder von mir, baue ein Kirchlein über deinem Kerker und bringe das eine dieser Bilder hinein, das andere sende nach Rom, aber das dritte nach Paris. Vertraue meinem Schutze fernerhin.« Als nun am Morgen die Feinde Agnesens kamen, um Spott mit ihr zu treiben, zeigte sie ihnen hochbegeistert und wundersam gestärkt die drei Bilder, welche sie erwachend an ihrem Lager gefunden hatte. Grausen und Entsetzen faßte die Bösewichte und achtungsvoll führten sie die Gräfin aus dem Kerker in jene Gemächer der Burg, welche sie früher bewohnt hatte. Sie ergriff die erste sich darbietende Gelegenheit zu entfliehen und war schon bis zum Dorfe Röfingen gekommen, als sie vermißt und auch gleich mit wüthender Hast verfolgt wurde. Aber siehe, da schwärzte sich mit einem Male der heitere Himmel und es erhob sich mitten im heißen Augustmonat ein so furchtbares Schneegestöber, daß jede Verfolgung unmöglich war. Agnes kam in Sicherheit und fand bald ihren Gemahl wieder, der in kurzer Zeit das Schloß wieder eroberte und wie im Triumphe seine fromme Gemahlin in dasselbe zurückführte. Und nicht lange stand es an, da erhob sich auf der Anhöhe neben dem Schlosse ein Kirchlein, in dem wie im stolzen Paris und im weltherrschenden Rom die Gnadenbilder der Gottesmutter vielen Tausenden Trost und Hoffnung einflößten.

390. Die St. Leonhardskirche bei Lauingen.

Die vor. Schrift S. 92.

Unweit Lauingen, von der Stadt durch die Donau getrennt, liegt in einsamer Abgeschiedenheit, umgeben von Obstgärten, die St. Leonhardskirche. Wir folgen bei Beschreibung ihrer Geschichte einer Schrifttafel, welche seit alter Zeit in der Kirche hing, von Zeit zu Zeit wieder erneuert wurde und ihre gegenwärtige Gestalt der Aufmerksamkeit des Freiherrn J.W.v. Syrgenstein verdankt. Der erste, der die Idee zu dieser Kapelle faßte, war Meister Balthasar, ein Orgel- und Lautenmacher, welcher dreimal in Rom war; das erste Mal als er dreißig Jahre alt, dann als er fünfzig zählte, wo Gnaden- und als er fünf und siebenzig zählte, wo Jubeljahr war. Er war auch zweimal zu Köln bei der heil. drei Königen- und St. Ursula-Gesellschaft, dann auch oft bei St. Leonhard in Bayern. Allzeit hat er von eigenen Mitteln gezehrt und machte diese Reisen nicht um eitler Ehre, sondern um seines Seelenheiles willen.

Ihm erschien in Traume St Leonhard und zeigte ihm die Stadt und den Ort mit der rechten Hand und sagte: »da sollst du mir eine Kapelle bauen.« Doch als er solches den Leuten erzählte, verspotteten sie ihn, weßwegen er das Bauen unterließ und sich begnügte, am bezeichneten Orte ein Bildstöcklein aufstellen zu lassen. Doch als er vier Jahre hernach in große Noth kam, gelobte er, wenn ihm aus selber geholfen, die Kapelle also zu bauen, wie ihm zweimal geträumt, und alsbald ist ihm geholfen. Er fing nun sogleich zu bauen an, und als beim Bau viele und große Wunder geschahen, wurden so viele Opfergaben vom Volke gespendet, daß die Kapelle leicht vollendet werden konnte. Angefangen wurde der Bau um den St. Kreuztag. 1440 und eingeweiht drei Tage vor Galli 1444. Bischof Johannes von Augsburg versprach Allen Ablaß, die Almosen hieher geben würden und Kardinal Wilhelm mit noch. 13 Kardinälen ertheilte unter Papst Sixtus IV. dieser Kapelle ebenfalls Ablaß. Ueberaus fleißig wurde von der Stadt und deren Umgegend diese Kapelle so lange besucht, bis die Reformation ihre Erfolge auch in der Gegend fand, dann wurde sie fast gänzlich ruinirt und ihre Geräthschaften und Ornate zu profanen Zwecken verwendet; – aber dennoch wurde sie, – man schien Ehrfurcht vor diesem Zeugnisse der Frömmigkeit der Vorältern zu haben, – nicht völlig zerstört. Als aber der unselige dreißigjährige Krieg seinen Fortgang hatte, kam 1646, nachdem früher schon zweimal die Schweden übel gehaust, die französische Armee an die Donau, legte Garnison nach Lauingen und zerstörte weit und breit Alles, was die Schweden verschont hatten. Sie vermehrten die Befestigungen der Stadt, verderbten dabei alle Baumgärten durch Umhauen der Bäume und Herausstechen des zum Schanzen verwendeten Grasbodens. Unter andern schönen Gebäuden wurde auch die St. Leonhardskirche zerstört bis auf die vier Hauptmauern, in deren Inneres ein Roßstall eingebaut wurde. So blieb alles bis zum Jahr 1664, wo bei einer abzulegenden Spitalrechnung auch dieser Kapelle gedacht und beschlossen wurde, sie wieder herstellen zu lassen; hiezu wurde auch gleich eine namhafte Summe angewiesen. So wurde mit Beisteuer der Bürgerschaft und Umgegend der Bau also hergestellt, wie er noch jetzt zu sehen. Um die Kirche herum ist eine sehr schwere Wagenkette befestigt und es heißt: ein Fuhrmann der in Gefahr kam, nicht nur ein herrliches Gespann Pferde, sondern auch das geladene große Gut zu verlieren, habe sie, als er durch Fürbitte St. Leonhards der Gefahr entgangen, hieher machen lassen.

391. Der Rasch.

Die vor. Schrift S. 94.

Vor langer Zeit war im Dienste der Stadt ein Holzwärter Namens Rasch, der jedoch bei dem ihm anvertrauten Amte nicht mit der Treue und Gewissenhaftigkeit zu Werke ging, wie es Recht und Pflicht von ihm heischte, sondern auf alle mögliche Weise Betrügereien trieb. Dafür soll nun sein Geist nach dem Tode keine Ruhe haben, und bis auf den heutigen Tag in dem Ort seiner zeitlichen Frevel wandernd gesehen werden. Ein Glaubwürdiger erzählte davon Folgendes: er war mit seiner Hausfrau in dem Wald, die Flicken genannt, um Streu zu sammeln. In dem Eifer der Arbeit verloren sie sich mählich tiefer in den Wald, bis sie an die Grenze des Stadtholzes kamen und der Mann einen Schatten vor sich erblickte. Er blickte auf, da stand ein Mann im Gesträuche, welchen unser Bürger freundlichst grüßte, ohne jedoch einer Antwort gewürdigt zu werden: darüber verwundert, betrachtete er den Fremden näher und fand, daß sich eigentlich kein Gesicht, sondern nur eine Art Nebel an der Stelle desselben befand. Grausen und Entsetzen überkam ihn nun und er rief: »Jesus, Maria und Joseph! was ist das?« Und kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, so war die Erscheinung spurlos verschwunden, und schien in das in der Nähe befindliche Altwasser hineingefahren zu sein, denn dessen ruhige Oberfläche tobte auf einmal hoch auf und ein Wirbelwind erhob sich, der die Bäume des Waldes zu entwurzeln drohte, aber sich eben so

schnell wieder legte, als er entstanden war. Der Bürger eilte nun zu seinem Weibe, welche alles bemerkt hatte und ausrief: »Gottlob Mann, daß du kommst, ich habe den Rasch auch gesehen!« Die Hirtenbuben auf dem Spitalhofe haben ihn, wenn sie nächtlicher Weile hüten mußten, oft erblickt; und einer derselben höhlte daher einen hohlen Weidenbaum noch weiter aus, bis er seine Person darin verbergen konnte, und dahinein verkroch er sich, so oft brüllend das Vieh in der Mitternachtsstunde davonlief und die unheimliche Gestalt heranzuwandeln begann. Sie soll ein dreieckiges Hütchen, enges Kamisol und hohe Stiefel getragen haben, wie man sich in alten Zeiten kleidete. In neuerer Zeit soll er sich nicht mehr gezeigt haben, aber mehrere Jäger, welche in den Altwässern des obern Holzes auf dem Anstand waren, wollen ihn zum größten Mißvergnügen gehört haben, und zwar auf dem Wasser herumschlagend, was sie zwang, ohne Beute nach Hause zu gehen.

392. Der große Schimmel zu Lauingen.

Am dritten Stockwerke des sogenannten Hofthurmes zu Lauingen ist gemalt ein großer, galoppirender Schimmel mit der Jahreszahl 1260 und der Inschrift: »Im Jahre 1260 zur Zeit Alberti Magni war in Lauingen ein weißes Pferd geboren, so von Leib sehr groß und hoch, auch fünfzehn Schuech lang worden, und seines schnellen Lauffes und hohen Springens halber sehr wundersamb gewesen.« Nach der Sage soll dieser Schimmel so hoch gewesen sein, daß man eine Leiter gebrauchen mußte, um ihn zu besteigen, während er willig der Leitung seines kleinen Wärters folgte.

393. Das Herrgotts-Ruh-Klösterle.

Von Isabella Braun. – Nach ( Mittermaiers) Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen etc. 1849.

I. Hell tönt des Hammers lauter Schall; Den müssen junge Arme schwingen! Vom Ambos rothe Gluten springen, Und weit erklingt der Widerhall. Drein mischet sich ein klarer Sang, Ein Liebeslied aus alten Tagen; Bald tönet weich und froh der Klang, Und bald verweben drein sich Klagen.

Der Luitfried ist's, der Waffenschmid, Deß Herz gleich wie das Eisen glühet, Und liebend klopft und Funken sprühet, Und widerhallt im Minnelied. Hans Vollraths schönes Töchterlein, Das holde Klärchen froh und sinnig, Hat angefacht im Herzen sein Dies Liebesfeuer treu und innig.

Wohl flüsterten manch Liebeswort Der Jungfrau zarte Rosenlippen, Und riefen in des Lebens Klippen Gott an als treuen Schutz und Hort; Doch in des Herzens Tiefe drinn, Da regte sich ein ängstlich Beben, Ob wohl des Vaters stolzer Sinn

Auch werde seinen Segen geben.

Denn arm war Luitfried; – frischer Muth, Ein braves Herz und starke Hände, Und seiner Werkstatt graue Wände, Das war allein sein einzig Gut. Hans Vollrath aber, reich an Gold, Ein Rathsherr voller Bürger-Ehren, Stolz auf sein Töchterlein so hold, Mocht andern Eidam wohl begehren.

Das wußte Luitfried; und so quoll Manch Schmerzenslaut in seine Lieder, Und grimmig sank der Hammer nieder, Wenn ihm der Zorn der Seele schwoll. Er sah des holden Klärchens Bild In jedem blanken Helm und Schwerte, In jedem spiegelklaren Schild, Daß heiß sein Herz nach ihr begehrte.

Da wirft er weg die Waffen weit, Wirft weg den schweren Eisenhammer, Eilt raschen Tritts in seine Kammer, Und zieht hervor sein bestes Kleid. So schreitet festlich angethan Der schmucke Jüngling durch die Straßen Und klopft an Vollraths Thüre an, – Nun will die Wange fast erblassen!

»Nur Muth gefaßt, mein junges Herz! Du mußt die kühne Bitte wagen. Hör auf so heftig doch zu schlagen, Heb' dich noch einmal himmelwärts!« So spricht zu seines Herzens Pein Er muthig, stark und gottergeben, Tritt dann zu Liebchens Vater ein In Ehrfurcht, aber ohne Beben.

Voll tiefer Demuth neigt er sich Und spricht in flehend weichem Tone: »Herr Vollrath! nehmt mich an zum Sohne, Denn euer Klärchen liebet mich, Und ich – o, Leben, Leib und Blut, Und was ich bin, und was ich habe, Hab ich in treuer Herzens Glut Ihr längst geweiht als Liebesgabe.«

Arm bin ich; – aber meine Hand Kann kräftig ja den Hammer schwingen, Kann Hab und Gut und Gold erringen, Und Schmuck und Zier und eitlen Tand.

Doch meine Lieb soll ihren Weg Mit tausend Freudenblumen schmücken; Und Kindeslieb und Kindespfleg Soll euch als heißer Dank beglücken.

»Blickt finster nicht! blickt mild und klar! Laßt euch als meinen Vater grüßen, Laßt knien mich zu euren Füßen, Reicht mir die Vaterhände dar. O, gebt mir euer holdes Kind Zum Heil auf meinen Lebenswegen! Die Herzen längst vereinet sind Nur harrend auf den Vatersegen.« –

Der Jüngling schweigt. – Kein einz'ger Laut Ertönet in dem weiten Saale. Da, von der Hoffnung warmem Strahle Des jungen Luitfrieds Seele thaut. Nun öffnet leise sich die Wand Hold Klärchen tritt in ihre Mitte Und faßt des Vaters kalte Hand Mit einer stummen Liebesbitte.

Da ist's, als ob aus Geistesbann Hans Vollrath plötzlich sei entbunden, Die Lippe nun das Wort gefunden, Und Arm und Fuß sich regen kann. Denn Staunen ob dem kecken Muth, Und Grimm, ob solchem kecken Wagen, Und eine brause Zornesfluth, – Ließ ihn bis jetzt kein Wörtlein sagen.

Nun aber, da sein eigen Kind Mit Luitfried kniet vor seinem Sitze, Da sprüht sein Auge Zornesblitze; Vom Stuhle springt er auf geschwind, Er stößt von sich mit starker Faust Sein Kind in dieser bangen Stunde, Und wie ein wilder Donner, braust Nun Wort um Wort von seinem Munde.

»Hinweg! hinweg! – Ein Bettler du, Und ohne Namen, ohne Ehren, Willst eine Perle gar begehren, Und meinst, ich lächle freudig zu? Fürwahr, geduldig war mein Ohr Zu lange wohl für deine Worte; Hinweg von mir, du eitler Thor! Hinweg aus dieses Hauses Pforte!«

»›Halt ein, Herr Vollrath! haltet ein!

Leb, Klärchen, wohl! – es heißt geschieden; Es heißt auf ewig nun gemieden! Doch dieses Herz bleibt ewig dein! Leb wohl, du theure Vaterstadt! Leb wohl! auf nimmer wieder sehen! Der Luitfried keine Heimath hat; Muß um den Tod zu werben gehen.‹«

Er stürzt hinaus. – Bleich Klärchen sinkt Vor ihrem harten Vater nieder; Durch die geschloss'nen Augenlider Sich glühend Thrän' um Thräne ringt. Hans Vollrath bebt, Hans Vollrath schaut; Was mag sein Herz da drinnen sagen? Ich glaube gar, dem Alten graut Bei seines Kindes Thränenklagen. –

Jung Luitfried aber eilt nach Haus, Schließt ein sich in der Werkstatt Mauern; Hier sucht er in der Seele Trauern, Sich nichts, als eine Waffe aus. – Und wie das erste Morgengrau Verscheucht die hellen, klaren Sterne, Da zieht er durch die Heimath-Au Hinaus, hinaus in blut'ge Ferne. –

II. Horch! Glockenklang vom Thurme Des Klösterleins erschallt! Sieh! eine Menschenmenge Dahin neugierig wallt; Und Blumen und Gewinde Umschlinget Thor und Stein, Als sollt' in diesen Mauern Gar eine Hochzeit sein.

Das Glöcklein ist verstummet, Es reget sich kein Laut; Die dichtgedrängte Menge Erwartend lauscht und schaut. Da thun sich auf die Thore, Es wallt ein Zug heran, Den aber führt ein Priester Im Kirchenschmucke an.

Ihm folgen in dem Zuge Jungfräulein sittig, zart, Als wie in einem Kranze Um Eine hold geschaart; Wie eine weiße Rose Glänzt ihrer Wangen Paar,

Und weiße Röslein kränzen Ihr bräutlich auch das Haar.

Den Festeszug begleitet Ein Rathsherr, reich geschmückt; Doch aus dem düstern Auge Kein Freudenschimmer blickt; Es ist, als ob zum Grabe Er führe nun sein Kind, Nicht in des Kirchleins Hallen Voll bräutlichem Gewind.

Doch ach! der Jungfrau folget Kein Jüngling lustbewegt, Dem in der schönen Stunde Das Herz in Wonne schlägt. Ein Zug von schwarzen Nonnen Begleitet nur die Braut, Daß es im weiten Kreise Jedwedem Herzen graut.

Sie stehen am Altare, Die Jungfrau tritt hervor; Sie nimmt von ihrem Haupte Des Kranzes Blumenflor; Sie legt ihn auf die Stufen Des festlichen Altars; Sie schneidet ab die Flechten Des langen, blonden Haars.

Es senkt sich ihre Stirne So schönen Schmucks beraubt; Ein dichter, schwarzer Schleier Umhüllet nun das Haupt; Und um die blendend weiße, Die liebliche Gestalt, Ein rauher, schwarzer Mantel In weiten Falten wallt.

Nun sinkt sie auf die Knie, – Tönt nicht ein leises Ach? – Der Priester liest die Formel, Sie spricht die Worte nach. Halt ein! halt ein zu sprechen, Den furchtbar schweren Eid! O, schließe deine Lippen Du junge, zarte Maid!

Das Wort ist ausgesprochen, Das Opfer ist erfüllt; Aus manchem jungen Auge

Ein Mitleidsthränlein quillt; Selbst aus der Jungfrau Herzen Stiehlt sich ein Seufzer bang, Drein schallen heil'ge Hymnen In feierlichem Sang.

Und wieder tönen Glocken, So festlich und so rein; Der Zug verläßt die Kirche Und wallt zum Klösterlein; Die Braut in dunklem Kleide, Und nicht zum Hochzeittanz; Von Nonnen dicht umgeben, Nicht von der Mädchen Kranz.

Und heimwärts zieht die Menge; – In heiterm Wort und Scherz Hat sie auch schon vergessen Dies gottgeweihte Herz. Der Rathsherr nur alleine Geht einsam, ohne Wort; Und trägt in seiner Seele Den Stachel mit sich fort.

Er tritt zu seinem Hause; Da schließet er sich ein, Sinkt hin und ächzt und stöhnet: »Mein Kind! mein Töchterlein! Dein Herz hab' ich gebrochen Im Stolze hart und blind; Nun hat mich Gott gestrafet – Nahm mir mein einzig Kind.« –

III.Es strahlet die Frühlingssonne in lebensweckender Pracht,Daß wiederum Thal und Wiese von Gras und von Blumen lacht.O Blümlein! o, bleibet drinnen in eurem so warmen Bett,Durch säuselnde Frühlingslüfte das schwedische Banner weht!

Wohl Tausend von Reitern ziehen einher in gestrecktem Trab;O Blümlein so jung! die treten euch alle ein frühes Grab.Was gilt doch dem fremden Schweden das liebliche deutsche Land!Was gilt doch dem Rosseshufe der Blümlein gemalt Gewand!

Die Sonne, sie aber leuchtet in wundersam hellem Gold;Wahrhaftig, man könnte meinen, sie seie den Schweden hold;Sie biete ein froh Willkommen der muthigen Kriegerzahl,Um eitel sich abzuspiegeln im blinkenden Waffenstahl.

O Sonne! gar leicht zu lächeln hast du an dem Himmelszelt;Du stehest ja wohlgeborgen in deiner entfernten Welt.Doch wärst du bei uns da unten, dir käme das Grausen auch!Denn blutig und wild und tapfer, das ist ja der Schweden Brauch.

Trompeten höret man schmettern; es rauschet die Donau im Chor;Die Hufe der Rosse stampfen; da öffnet sich rasch das Thor;Es ziehen hinein die Krieger; doch friedlich und ohne Blut;Der Pfarrherr, der nur alleine muß lassen sein Geld und Gut.

Die Nacht hat gewebt den Schleier um Flur und um Wald und Stadt,Und selige Schlummer-Ruhe darauf sich gelagert hat.Ein einziger Mann alleine her schreitet mit ernstem Gang;Gar feierlich schallt des Trittes vereinsamter, lauter Klang.

Nun bleibet er plötzlich stehen, betrachtet ein kleines Haus;Wie sprühen doch seine Augen so funkelnde Blicke aus!Ich glaube, ein stilles Thränlein aus männlichem Aug sich stiehlt,Und Wehmuth und Schmerz und Wonne darinnen vereinet spielt.

Er breitet aus seine Arme und rufet in Seligkeit:»O Heimath! sei mir gegrüßet nach langer, nach langer Zeit!Wie habe ich mich gesehnet unzähligemale nach dir!Nun stehe ich nach Gefahren nun wiederum selig hier! –

O Heimath! o sei gegrüßet! Du Heimath, so gib mir an,Was bietest du deinem Sohne zum Gruße auf seiner Bahn?Ich habe dir anvertrauet beim Scheiden mein holdes Lieb; –Dies Kleinod, dies nur alleine zurücke mir wieder gieb!

Solch Hoffen es war das Sternlein in freudelos langer Nacht;Mir Waffe und Schild und Banner im Toben der blut'gen Schlacht;Dies Hoffen, es hat geführet mich wieder zu dir zurück;So biete mir zum Willkommen, o Heimath! mein Liebesglück!«

So rufet der brave Krieger, der wackere Luitfried aus;Er hüllet sich in den Mantel, verlässet sein Vaterhaus,Und kehret zu seinem Lager, und träumet von Liebeslust,Nach bitteren Trennungsschmerzen an Klärchens geliebter Brust. –

IV. Im Klostergarten wallt allein Bleich Klärchen in des Abends Schein, Zu kosten milde Frühlingsluft Und würzig süßen Blumenduft. S'ist Alles ja in Gottes Welt Woran ihr Herz sich darf erquicken, Wonach das Auge könnte blicken, Die einz'ge Labung unvergällt! –

Lieb Klärchen ist verwandelt sehr

Seit ein sie zog als Himmelsbraut Mit ihrer Seele Liebesleid. Da weg sie gab ihr bräutlich Kleid,

Gab weg sie selbst des Namens Laut, Und den ach, gab sie schmerzlich her! Nun sind die Wangen lilienbleich; Des Lächelns ist beraubt der Mund; Die Augen blicken wehmuthsreich Und thun ein still Entsagen kund.

Nur in des Herzens kleinem Raum Ist Alles wie in alten Tagen, Da webt sich fort der Liebestraum; Da stöhnen Luitfrieds Scheideklagen; Da steht sein ewig theures Bild So männlich ernst, so zärtlich mild

Mit seinen Augen treu und helle. Wär nicht das heil'ge Kreuz darin, Des Duldens und des Glaubens Sinn, Nicht glich es einer Klosterzelle. –

Es ist für Klärchens reines Herz Ein offen Buch das Frühlingsweben; Oft hat in ihrem stillen Schmerz Es ihr ein Trosteswort gegeben. Aus Knospen, Blumen, Gras und Au, Aus Vogelslied, aus klarem Thau, Und aus der Silberwölklein Lauf Stieg oft ein Zauber wonnig auf, Und legte sich um's Herz ihr lind Wie Mutterarme um das Kind; Und wie das Kindlein schlummert ein, Entschlief auch ihrer Seele Pein. –

Heut aber wogt es bang in ihr; Nicht schlafen will das alte Leid! S'ist grad, als ob die junge Maid Statt einer Nonne walle hier. Der seelenvolle Vogelsang, Der oft ihr Gottes Lieb gesungen, Macht heut das Herz nur liebesbang; Und alle Stimmen der Natur, Die sonst so himmelrein geklungen – Sie haben ird'sche Sprache nur! –

So durch den Garten hin sie geht Durchwebt von ahnungsvollen Träumen. Da rauscht es plötzlich in den Bäumen, Und Luitfried vor der Nonne steht. –

Ein starrer Blick, – ein Schrei der Lust,– Ein Sinken an des Liebsten Brust, Und ein Vergessen aller Welt, – Ist Werk der seligen Sekunde; Doch ach! ihr Flug nicht inne hält! –

Sie tritt zurück, – preßt ihre Hand An's laute Herz in bangem Stöhnen; Und zeiget auf ihr schwarz Gewand; Ein Lächeln zittert um die Lippen Als wollt das neue Glück es höhnen. Dann schaut sie Luitfried schweigend an;

Ihr ganzes Herz liegt in dem Blicke, Ihr ganzes schmerzliches Geschicke, Die weite Zukunft, hoffnungsleer! Nun bricht die Thräne sich die Bahn, Ein salzig und ein todtes Meer! Darin kein Wesen athmen kann. –

Doch Luitfried, reich an jungem Muth, Naht Klärchen sich mit leisem Tritte, Führt weg sie aus des Gartens Mitte In schatt'ger Bäume sichre Hut; Hebt ihr empor das Angesicht, Und trocknet ihre heißen Zähren Daß sich ihr Auge mußte klären; – Und warm und traut er also spricht:

»Mein Klärchen! als in Jugendzeit Sich uns're beiden Seelen fanden, Da hast du dich mit ew'gen Banden, Mit heil'gem Schwure mir geweiht. – Es konnte deines Vaters Wort Uns bannen in die Brust die Schmerzen, Mich jagen aus dem Heimath-Ort, – Doch nimmer scheiden unsre Herzen!

Ich zog hinaus zur wilden Schlacht Zu betten mir mein blutig Grab; Doch Gott hat über mir gewacht Und alle Kugeln prallten ab Von dieser Brust für dich gefeit, Und siegreich zog ich aus dem Streit! –

Du aber, lang getrennt von mir, Du weintest um mich – einen Todten; Denn keine Zeichen, keine Boten, Gelangten aus der Schlacht zu dir. Da zogst du, eine Himmelsbraut, Nun über dieses Klosters Schwelle

Um in der einsam stillen Zelle Zu harren jener sel'gen Stunde, Wo Gott zu einem ew'gen Bunde Im Himmel unsre Seelen traut. –

Ich kehre heim. – Der junge Muth Umkränzt die alte Lieb' mit Hoffen! Schon seh' ich in der Wonne Glut Den ganzen Liebeshimmel offen! Ich seh' bei unsrer Treue Zeichen Des Vaters starres Herz erweichen, Und drücke dich ans trunkne Herz! – Da wies man mich zum Grabesbette Wo längst dein Vater schlummernd liegt, Wies mich zu dieser Klosterstätte – Und o! mein Traum zerrann in Schmerz! Doch bald hat auch mein Muth gesiegt.

O theures Lieb! o, senke nicht Dein thränumflortes Auge nieder! Heb auf zum Himmel seine Lider, Und folge deiner ersten Pflicht. Erfülle deiner Jugend Eid! Wirf weg von dir dies Trauerkleid Und folge mir! – In fernem Lande Soll uns die neue Heimath blüh'n; Und in der Liebe heil'gem Bande Das Herz in neuem Frühling glüh'n! –

Du zauderst noch? O, Klärchen, du! Die Braut aus meinen Jugendtagen! Du siehst dein Glück und meines tagen – Und schließest deine Augen zu? – O, höre mich, Verlobte mein! – Wenn sich zur Erde senkt die Nacht, Kein einzig Auge lauernd wacht, Dann flieh aus deiner Klosterzelle Vertrauend keines Lichtes Schein! Dort, in der heiligen Kapelle, Dort, theures Liebchen! harr ich dein.«

Die Liebe siegt. – Ein Wonnestrahl Steigt aus der Seele in die Augen Die Thränen alle aufzusaugen. – Da schlägt die Uhr der Stunde Zahl Die zum Gebet der Nonnen tönet. Ein »Ja« aus Klärchens Auge sprüht, Des Liebsten Bitte ist gekrönet – Und rasch sie durch den Garten flieht. –

V.

Vom Thurm erschallt die Mitternacht; Es schläft der Mensch, es schläft die Flur, Nicht Stern und Mond am Himmel wacht; In Klosterkirchleins kleinem Raum Brennt matt die ew'ge Leuchte nur, Wie Menschengeist in Schlummers Traum. –

Da wachet plötzlich auf ein Ton, Ein dumpfer Laut wie Meereswell; Drein klingelt einzeln, kurz und hell Geklirr, als wie von Waffen-Stahl; Doch wieder ist verstummt er schon Und Todtenruhe herrscht im Thal.

Da schleichet geisterhaft und leis Nun Luitfried zu des Kirchleins Thor, Und Waffenbrüder in dem Kreis Sie halten treue Wacht davor.

Er tritt hinein; es bebt die Brust, Weiß nicht, ist es von leisem Bangen, Ist es von Wonne und von Lust Sein Lieb nun endlich zu umfangen.– Er prangt in reicher Waffentracht Daß drinnen glänzt das Lämpchen klar; Und dorten stehet am Altar Sein Klärchen düster wie die Nacht. Er eilt hinzu, umschlingt die Braut, Mit seinen Armen lustbeweget; Doch horch! welch dumpfer Lärm sich reget! Er naht, – er wird zum Waffenlaut! Auf thut sich rasch die Sakristei – Das Dunkel wird zum Feuermeere – Es klirren Schwerter, blitzen Speere – Wild drängen sich die Klosterknechte Und wild die Schweden auch herbei – Das Kirchlein hallet vom Gefechte Und widerhallt vom Mordgeschrei. –

Und wie ein Schiff im wilden Sturm, Im Wellenkampf ein fester Thurm – Steht Luitfried mitten in dem Schwarm, Hält schirmend seine Braut im Arm, Das Schwert in seiner Mannesfaust Verzweifelnd durch die Reihen saust.

Schon tränkt den Boden heißes Blut! Und schon vor Luitfrieds kühnen Streichen Die feigen Klosterknechte weichen; Schon jauchzt sein Herz in Siegesmuth! Da fasset plötzlich eine Hand

Die bleiche Braut an Luitfrieds Seite, Und reißt am heiligen Gewand An sich die lebenslose Beute.

Zur Wuth wird seines Herzens Qual; In Wuth er mit dem Räuber ringt, Daß sich sein Auge blutig röthet; Vom Gürtel reißt er das Pistol, – Er zielt, – er drückt – ein heller Strahl – Ein Schrei – ein Aechzen bang und hohl – Und zu der Erde Klärchen sinkt Von Luitfrieds eigner Hand getödtet. –

Da zieht ein Grausen durch die Rund, Es beben selbst der Schweden Glieder, Und ihre Schwerter sinken nieder; – Ein leis Gebet spricht jeder Mund. – Mit stierem Blicke, gräßlich wild In dem der Wahnsinn zuckt und leuchtet, Schaut Luitfried auf das Todtenbild, Das blutig rings den Stein befeuchtet. Er beugt sich zu der Leiche hin, Umfaßt die Hand so todtenkalt; – Nun plötzlich durch den irren Sinn Ein wacher Geistesfunke wallt; Verzweifelnd in der Seele Graus Stürzt Luitfried in die Nacht hinaus. –

Und aus den Reihen tritt hervor Die Priorin mit ernstem Schritte Zur Leiche in der Krieger Mitte, Auf die sie strenge zürnend schaut; – Streckt ihre bleiche Hand empor Und ruft mit schauervoller Stimme: »So strafet Gott in seinem Grimme Die ungetreue Himmelsbraut!« –

VI. In Gluten strahlet des Thales Rund; Ist schon gekommen die Morgenstund? Ist das der Sonne erwachend Licht? O nein, die strahlet so blutig nicht.

Am Himmel leuchtet ein Feuerschein, Es glüht herüber vom Klösterlein, Und Reiter ziehen durch's graue Thal Von Klärchens schaurigem Todten-Mal.

Sie warfen hinein der Fackel Brand Als ewig dauerndes Rachepfand; Wie Luitfried bebend im Wahnsinn flieht –

Die Schaar der Nonnen auch flüchtig zieht.

Auch Klärchens Seele zieht ruheleer Im Schutt des Klösterleins leis umher, Und ächzet schaurig und ächzet bang, Und hält am Freitag den Todtengang.

Da wo sie geistig nun wandeln geht – Ein kleines Kirchlein errichtet steht; Da beuge liebend auch du dein Knie Und sprich ein frommes Gebet für sie. –

394. Der seltsame Gast.1

(Mittermaiers) Sagenbuch 1850, S. 78.

Unter der Regierung des Sohnes des Siegers bei Giengen, Georgs des Reichen, soll sich Folgendes zugetragen haben. Zwei alte Leute wohnten zu Lauingen, doch obwohl sie ihr ganzes Leben lang rastlos gearbeitet und gespart hatten, waren sie dennoch auf keinen grünen Zweig gekommen und der Mann mußte, wenn er nicht im Winter frieren wollte, sein Holz im Walde selbst suchen. So war er eben einmal wieder in das Holz gegangen und wollte bei einer großen alten Eiche einen starken Ast aufheben, als vom Baume weg eine Schlange sich langsam herbewegte. Erschrocken ließ er den Ast fallen, um welchen sich nun die Schlange wand. Der Mann wollte das große Stück Holz nicht gerne im Stiche lassen und versuchte das Thier auf jegliche Art zu verscheuchen; doch es gelang ihm nicht, und auch am folgenden Tage sah er die Schlange wieder auf dem Ast, und als er denselben muthig anfaßte, bewegte sie sich schmeichlerisch mit dem Kopfe gegen seinen Arm. Schnell schleuderte er den Ast hinweg und ging nach Hause, indem er seinen unweit liegenden Reisigbündel auf die Achseln nahm. Zu Hause wollte er eben seinem Weibe das seltsame Ereigniß erzählen, als sie ihn mit dem Ausrufe: Herr Jesus, was ist das! unterbrach, und siehe da, die Schlange war aus dem Reisigbündel gesprungen und spielte mit der Hauskatze. – Die guten Leute glaubten nun steif und fest, die Schlange müsse einst ein Mensch gewesen sein und eines Verbrechens wegen nach dem Tode dessen Seele in den Thierleib gebannt worden sein. Das Thier erhielt von ihnen Nahrung und lebte friedlich und harmlos mit ihnen. Aber wunderbar, mit ihm schien wirklich Glück und Segen in die Hütte des Armen gezogen zu sein. Er erhielt reichlichen Taglohn und wenn er etwas verkaufte, war sein Erlös weit größer, als erwartet werden konnte. Die beiden Leutchen durften sich bald nicht mehr so plagen und lebten noch lange in einem glücklichen und zufriedenen Stillleben. Als sie aber starben, war die Schlange verschwunden und Niemand wußte, wo sie hingekommen.

Fußnoten

1 Dieser wunderlichen Sage, die sich bis auf den heutigen Tag im Volksmunde erhalten, erwähnt auch der Doktor Senftius in seiner merkwürdigen, aus dem fünfzehnten Jahrhunderte herrührenden Selbstbiographie.

395. Das Fluchhaus zu Lauingen.

Die vor. Schrift S. 79.

Seit undenklichen Zeiten war in dem Hause eines hiesigen Bürgers nichts als Unglück gewesen. Der Vater hatte viel Geld geerbt und trotz aller Sparsamkeit und der musterhaften

Haushaltung seines Weibes, hatte er nach Jahr und Tag keinen Heller mehr von der Summe, sondern noch obendrein große Schulden. Brach irgendwo eine Viehseuche aus, so durfte er versichert sein, daß, wenn alle Ställe in der Stadt verschont blieben, der seinige gewiß bald von allem Vieh geleert würde. Und so gings immer fort. Der gute Mann grämte sich darüber, wurde gemüthskrank und starb endlich in völliger Raserei. Sein einziger Sohn übernahm nun das Erbe und heirathete ein braves und noch obendrein sehr reiches Mädchen. Allein auch deren Vermögen hatte das Unglück bald verschlungen. Und ob sie sich gleich Tag und Nacht plagten, so kamen sie doch immer tiefer in Schulden und hatten endlich kaum mehr das tägliche Brod. Endlich dachte der Mann, sein Vater habe oft gesagt: der Großvater sei gar gottlos gewesen, der habe das Haus im Fluche gebaut, darum sei kein Segen in ihm. Ich will nichts mehr darin zu thun haben! Dieß kam den Leuten lächerlich vor, aber noch lächerlicher, als er wirklich an einem andern Platze ein Haus baute, dann das alte von Grund aus niederriß und aus dem Holze Kohlen brannte. »Die Knallhütte soll keinen rechtlichen Mann mehr unglücklich machen!« sprach er zu den Leuten, welche meinten, er solle das Haus lieber verkaufen. Er hatte neue Angst, was er mit dem Gelde anfangen sollte, welches er für die Kohlen einnehme, aber der Mann, der ihm das Geld schuldig war, machte Banquerott, und so war er der Sorge los. »Gut,« sagte er, »daß der Teufel das Seine vollends geholt hat, jetzt wird Gott seinen Segen doch wieder geben!« Und nun wohnte er in seinem neuen Haus und bei Allem was er anfing, war Segen und Gedeihen. In wenig Jahren hatte er seine Schulden bezahlt, und in seinem Alter war er ein wohlhabender glücklicher Mann, der an seinen Kindern viel Freude erlebte. »Ein jeder kann zu dieser Geschichte denken was er will,« sagt Hofrath Jung, der in seinen zu Lauingen 1790 gedruckten Schriften diese Begebenheit auch erzählt. »So viel aber ist wahr: man hüte sich vor ungerechtem Gute, das bringt über kurz oder lang Fluch und Verderben auf Kinder und Kindeskinder. Da heißts wohl recht, daß Gott die Missethat der Väter heimsucht an den Kindern bis in's dritte und vierte Glied!«

396. Albertus Magnus von Lauingen.

Albert der Große, geb. 1193 zu Lauingen, Dominikaner zu Köln, Paris, Rom, Bischof von Regensburg, gest. zu Köln 1280. – Lehmann Speir. Chronik p. 532. H. Plati de bono statu rel. c. 33. J.W. Wolf deutsche Märchen und Sagen S. 277. Van Velthem Spiegel historiaal I., 26 bei J.W. Wolf S. 160. Crusius Schwäb. Chronik I., 847. L. Hochwart catal. episc. Ratisp. l. III. c. 9. Fr. Christoph hist. ap. Ratisp. ap. Oefele I., 559. Grimm d.S. II. – Die Lit. bei Buhle in Ersch u. Gruber's Encyclop.: Albertus M.

1.Volkslieder. – Wunderhorn II., 237.

Die Königin blickt zum Laden aus, Ein Jüngling stand wohl vor dem Haus, Sie winkt ihm da, Daß er sollt zu ihr kommen.

Der Jüngling kam heimlichen dar Er sprach: Zart edle Fraue klar, Kein Mann soll sich In eurem Dienst versäumen.

Da sprach die Königin hochgeboh'rn: In meinem Dienst hast du geschwor'n Leibeigen dich, Das sollst du nun erkennen.

Dein Willen mach dem Meinen gleich, So wird mein Herz ganz Freudenreich, Lieblich Begier, Die will ich dir bekennen.

Er wußt nicht, was sie damit meint, Sie hätt' sich nah mit ihm vereint, Sein Freiheit er Vor ihr nicht konnt erhalten.

Sie blickt ihm in das Herz hinein, Mein's Leibs must du gewaltig sein, Der Ehren sein, Hätt' er da kein Gewalte.

Und als der Tag sich anebrach, Die Königin wohl zu ihm sprach, Deins Leibs hab ich Begehrt, der ist mir worden.

Geb dich davon, saum dich nicht lang', – Gar bald er in die Kleider sprang, Er wußt auch nicht, Daß ihm folgt nach ein Morde.

Sie nahm ihn fälschlich bei der Hand, Hin auf ein Brett sie ihn da sandt, Zuckt an der Schnur, Das Brett thät mit ihm fallen.

Wohl in ein Wasser ungeheuer, Darin verdarb der fromm und theuer, Das falsche Weib Ließ freudig Lachen schallen.

Aus ihrer Lieb führt nur ein Weg, Der führte auf den Todessteeg, Die ihr vertraut, Acht Jüngling noch gar freie.

So warens mit dem ersten neun, Die Zahl war ihr noch viel zu klein, Den zehnten auch Sucht sie in falscher Treue.

Er war ein hochgelehrt Student, Ihr Complexion er gar wohl kennt', Er wußt gar wohl Sie konnt ihn nicht betrügen.

Er blickt sie an durch Kunstes Glas, Er sah wie sie naturet war, Er warb um sie, Ihr List mußt ihm erliegen.

Er zwang ihr Herz mit seiner Kunst, Er zwang ihr Herz in Liebesbrunst, Die Königin Wollt sehnlich ihn umfangen.

Da sagt er ihr ein hartes Wort, Neun Jüngling seh ich schweben dort, Die warnen mich, O Weib, das bringt mir Bangen.

Ein Wasser brauset unter mir, Dein Bett ein böses Schifflein schier, Will schlagen um, Will jenen mich gesellen.

Du führest falsche Segellein, Du glaubst, ich soll der Zehnte sein, Du Mörderin Willst tödten mich in Wellen.

Groß Zorn das Weib der Red empfand, Sie ließ ihm binden Fuß und Hand, Ihr Diener mein, Thut mir den Mann ertränken.

Er blickt sie an, ganz still gemüth, Er wußt wohl, daß er war behüt, Man hob ihn auf, Und wollt ihn schon versenken.

Da brachen seine Strick zur Stund, Er sprang hinab frei und gesund, Im tiefen See Konnt er gar lustig schweben.

Ganz aufrecht als ein Federbolz, Trat er darin das Wasser stolz, Wer ihn ermordt, Dem will sie sich ergeben.

Des faßt manch böser Knabe Lust, Manch Armbrust zielt nach seiner Brust; In Vögelein Die Pfeil sich da verkehren,

Und schwebten um ihn auf und ab.

Die Königin rief da herab: O hätt ich dich, Ich wollt dein Kunst zerstören.

Frau Königin, er zu ihr sprach, Ich trage um neun Knaben Rach, Neun Vögelein Die Pfeil sich um mich schwingen.

Nach einem Wald steht mir mein Sinn, Darin ich euer Vogler bin, So viel ich fang, Von euch lehr ich sie singen.

Da schwang er sich zum Wald hindan, Ihm sahen nach viel Weib und Mann, Die Königin Ward bleich an ihren Wangen.

Er setzt sich in den grünen Plan, Viel Vögelein sich zu ihm nahn, Mit Listen braucht Er keinen nicht zu fangen.

Er schwang sich in die Lüfte klar, Um ihn die laute Vogelschaar, Ließ nieder sich Auf eines Thurmes Zinne.

Den Vöglein in die Schnäbel band Er Brieflein ab, darinnen stand: Neun mordete Die Königin um Minne.

Die fliegen wohl durch Stadt und Land, Man fing sie alle mit der Hand Da ward die Schand Wohl allen offenbare.

Ein Vogel bunt in Sonderheit, Des hätt die Königin ein Freud, Sie griff nach ihm, Er setzt sich auf ihr Haare.

Er ließ ihr fallen auch mit List, Den Zettel zwischen ihre Brüst, Und flog von dann, Da las sie ihre Schande.

Das Zettelein sie da zur Stund Zerriß mit ihrem rothen Mund,

Wohl hin und her Sie ihre Händlein wandte.

Ihr Schuld kam da wohl klar an Tag, Der Künstler führt die erste Klag! Frau Königin, Albertus ist mein Namen.

Albertus Magnus heiße ich, Sanktus nennt auch die Kirche mich, Du hast um mich Dein Buhlerkunst verloren.

Ein weiser Meister heiße ich, Du wollst im Zorn ertränken mich, Da schrie sie laut: »O Weh daß ich geboren!

O Weh daß ich geboren bin,« Schrie da die edle Königin, Verzweifelung Kam da in ihre Sinnen.

Albertus macht sie da wohl zahm, Sie stand vor ihm in großer Scham, Er redt zu ihr Und ließ sie Muth gewinnen.

Zur Hand gewann sie Reu und Leid, Zerriß ihr königliches Kleid, Und legt sich an Wohl einen grauen Orden.

Albertus lehrt sie in der Beicht, Wie sie Versühnung wohl erreicht, Mit strenger Buß, Um ihre Schuld und Morden.

Vor ihrer Zell wohl achtzehn Jahr, Neun Vögel sangen traurig gar, Den gab sie Speis, Und weinet bitterlichen.

Und da die Zeit verstrichen war, Da waren es neun Engel klar, Die führen sie Wohl in das Himmelreiche.

2.Die Königin blickt durchs Fenster, ein Jüngling stand da draus:Sie winkt ihm von dem Söller, er sollte kommen ins Haus.

Er kam und blieb zu Nachte, und als der Tag anbrach:»Deiner Lieb hab ich genossen, nun geh und säume nicht lang.«

Sie nahm ihn bei den Händen und führt ihn auf ein BretAn einer Schnur sie zuckte, daß er hinfallen thät.

Hinein in ein tiefes Wasser warf ihn das falsche Weib,Acht Jünglinge daneben, die kamen um ihren Leib.

So warens ihrer neune, die Zahl war viel zu klein:Den zehnten thät sie suchen, Albertus sollt es sein.

Der schaut in ihre Herze durch seine schwarze Kunst,Der ließ sich nicht betrügen von der Königin Liebesbrunst.

»Neun Knaben seh ich schweben hier in der Kammer herum,Dein Bett hier ist ein Schifflein, will mit mir schlagen um.«

Die Königin wurde zornig, ließ ihm binden Fuß und Hand:»Ihr Diener, ihn zu versenken, werft ihn vom Meeresstrand.«

Und wie sie ihn geworfen tief in den Meeresgrund,Da brachen seine Stricke, frei schwamm der Knab zur Stund.

»Wer ihn ermordet, ich gebe mich ihm mit Leib und Blut!«Da zischten viele Pfeile recht auf des Jünglings Brust.

Und wie der Jüngling winket, da werden zu Vögel die Pfeil:Der Jüngling steht im Walde, im Walde frei und heil.

Den Vögeln in die Schnäbel er seine Brieflein band;Die Königin mordet neune, darauf geschrieben stand.

Sie flogen über die Haide, wohl über Stadt und Land,Der falschen Königinne zu offenbaren die Schand.

397. Wie Albertus Magnus gelehrt und wieder dumm geworden.

Albertus Magnus war schon früh in den Orden des heil. Dominicus getreten, aber es dauerte nicht lange, da gefiel ihm das geistliche Leben nicht mehr, denn er meinte, daß es ihm an Kopf mangle, um die Tiefen der Gottesgelahrtheit zu ergründen, und darum beschloß er, aus dem Kloster zu entfliehen. Er setzte also eines Abends eine Leiter an die Gartenmauer, um da hinüberzusteigen und fortzulaufen; da aber sah er urplötzlich vier Frauen von gar ehrwürdigem Wesen vor sich stehen, davon stießen zwei ihn zu wiederholten Malen von der Leiter. Er hatte aber das Klosterleben so satt, daß er trotzdem zum dritten Male versuchte, die Leiter hinaufzusteigen; da fragte ihn die dritte der Frauen, warum er denn so schändlich weglaufen wollte? Albert sagte ihr, daß er zu dumm wäre, um zu studiren, und des Klosters darum überdrüssig wäre. Da sagte die dritte, dann thue er doch besser, statt zu fliehen, den Schutz und Beistand der Mutter Maria sich zu erflehen, welche die vierte Frau wäre, und sie andern drei wollten ihm helfen bitten. Als Albert das hörte, war er wie herumgedreht, und er warf sich alsbald vor Maria nieder und klagte ihr sein Leid und bat sie, daß sie doch seine

Dummheit von ihm nehmen möchte. Da fragte ihn Maria, welche Wissenschaften er denn am liebsten studiren wolle und ob er lieber die Weltweisheit oder die Gottesgelahrtheit hätte? Albert bedachte sich nicht lange und bat die Mutter Gottes, ihn zu einem tüchtigen Weltweisen zu machen. Darauf sprach Maria: »Das soll dir geschehen, aber weil du Weltweisheit der Gottesgelahrtheit, die dich meinen Sohn hätte besser erkennen lassen, vorgezogen hast, so sollst du am Ende deines Lebens all' deine Wissenschaft verlieren und wieder so dumm werden, wie du warst und das soll sein drei Jahre vor deinem Tode.« Nachdem die Muttergottes das gesprochen, verschwand sie mit den andern Frauen und Albert kehrte zum Kloster zurück, studirte und wurde bald der gelehrteste Mann von der Welt, so daß man ihn den Großen hieß und der Papst ihn endlich gar zum Bischof machte. Er war so kunsterfahren, daß er eine Bildsäule machte, die sprechen konnte und sich bewegte, wie ein lebendiger Mensch; Thomas von Aquin, sein Schüler, hat dieselbe zerstört. Als Albert endlich fühlte, daß die Jahre seiner Dummheit heranrückten, da erzählte er all' seinen Schülern von dem Gesichte, welches er gehabt. Er wurde auch dümmer und einfältiger als ein Kind, trug das aber mit Geduld und Ergebenheit und verharrte getreulich in seinen religiösen Uebungen bis zu seinem Tode. Zu Köln in der Andreaskirche liegt er begraben.

398. Wie Albertus Magnus einen Neugierigen strafte.

Ein landfahrender Schuhmacher kam einmal nach Köln. Oftmals hatte er von dem großen Wunder sagen hören von Bruder Albrecht, dacht nun bei sich selber: »Sollten all' diese Dinge wahr sein, wie möcht' ich sie dann wohl erproben.« Er kam mit seinem Schnappsack zu Bruder Albrechts Wohnung und fragte dreist, wo Bruder Albrecht wär'? Der Knabe frug ihn, was er wollt'? Der Andere sprach, er müßte Herrn Albrecht sehen und sprechen. Da ging der Knabe zu Albrecht und meldete ihm, ein Jüngling mit einem Schnappsack wollt' ihn sprechen, und ich glaube, er kennt euch wohl. – »Geh hin und frage ihn, was er wolle und laß ihn dir seine Botschaft künden, ich habe sogleich mein Werk gethan.« Der Knabe that also, aber der mit dem Schnappsack sprach: »Ich muß nun einmal mit dem Herrn selber sprechen; geht und saget ihm das, und ich wolle nicht von hinnen scheiden, ehe ich ihn sah und sprach. Sollte ich euch mein Geheimniß sagen, warum ich hierher kam? Nein, ich sag's ihm selber, bei Gott!« Da ging der Knabe und brachte Bruder Albrecht die Antwort und Albrecht ließ den Jüngling vor sich kommen in seine Zelle und frug ihn, was er wollte? Der sprach: »Meister, ich habe nun schon manch' seltsam Wort über euch reden hören, von Gauklereien und Behendigkeit, und komme nun euch zu bitten, daß ihr mir etwas von euren Künsten zeiget, damit ich dem Gerede glauben könne.« – »Knabe, kamst du darum zu mir und wolltest du darum mich sprechen?« fragte Bruder Albrecht, und der Andere sprach: »Ja sicherlich und heute gehe ich nicht von euch, ihr hättet mir denn etwas von eurer Kunst sehen lassen.« Bruder Albrecht sprach freundlich: »Gib mir deinen Sack, ich will auch nicht, daß du von mir scheidest, sonder etwas von meiner Kunst gelernt zu haben.« Der Andere gab Albrecht den Sack und der Meister steckte seine Hand hinein, zog sie wieder heraus und band den Sack fest zu, gab ihn alsdann dem Burschen zurück und sprach: »Nun geh schnell und sonder Weilen nach Hause, aber mach den Sack nicht auf, bis du zu Hause bist, was auch geschehen möge. Wenn du ihn da öffnest, dann wirst du etwas schauen; bind' ihn aber wieder fest zu und komm und sage mir, was du gesehen.« Deß war der Andre froh und er schied von Bruder Albrecht. Als er eben das Stadtthor von Köln im Rücken hatte, da hätte er doch gar zu gern gewußt, was in dem Sacke war. Er setzte sich denn hin und knüpfte ihn auf, doch da sprangen zwei stämmige Kerle heraus, von jeder Seite einer, die trugen Leisten in der Hand und gingen dem Burschen brav zu Leibe, je länger je mehr und schlugen ihn so lang, bis er nicht mehr wußte, wo er war. Zuletzt bedachte er sich, daß Bruder Albrecht gesagt, er müsse den Sack wieder zubinden; das that er und sogleich verschwanden die Beiden, die ihn so jämmerlich geschlagen hatten. Als er nun von ihnen erlöst war, da wagte er nicht weiter zu gehen, sondern kehrte straks wieder nach Köln zurück und zu Bruder Albrecht, dem erzählte er, wie es ihm ergangen, bat ihn auch

mit vielen Worten, daß er den Sack doch machen möge, wie er zuvor gewesen. Da sprach Bruder Albrecht: »Ich will dir doch noch eine Kunst lehren, damit du noch mehr von meinen Künsten weißt;« der Bursch rief aber in großer Angst: »Ach, nein, edler Meister, ich bitte euch um nichts andres, als daß ihr diese eine Kunst von mir nehmet; eure Künste drücken mich allzu stark, ach, ich bitt euch, Herr, wollet ihr das, ich will nimmermehr eurer Kunst begehren, ich bin genug gestraft.« Da that der Meister nach des Burschen Wunsch und entließ ihn, und der war gar erfreut darob. Als er aber nach Haus kam, da wagte er noch nicht den Sack selbst zu öffnen, sondern ließ einen Andern das thun, denn die Proben von Meister Albrechts Kunst hatte er noch nicht vergessen, vergaß sie auch nicht sein ganzes Leben lang.

399. Albertus Magnus rettet den Papst.

Bruder Albrecht war wohl bekannt mit dem Papste. Es geschah aber, daß er mit demselben lustwandelte, und sie wollten in einem Schifflein auf der See fahren, und nahmen nur wenige von des Papstes Dienern mit sich. Nicht lange darnach sah der Papst wohl sieben Schiffe mit Kriegsvolk, das war wohl geharnischt und wohl bewehrt. Der Papst begann zu verzagen und das mochte er wohl mit Recht, denn sie umringten sein Schiff und kamen näher, um ihn zu fangen; von Sicilien waren sie und Manfred (Kaiser Friedrichs II. Bastardsohn) hatte sie gesandt, weil der Papst Herrn Friedrich mit seinem Bannfluch belegt hatte; das wollten sie rächen an ihm und hatten alle Tritte des Papstes erspäht. Hätte Bruder Albert ihn nicht geschirmt, er wäre ihnen nicht entgangen. Große Angst befiel den Papst und Alle, die mit ihm waren, nur nicht Bruder Albert. »Ergebt euch,« riefen die Feinde, »oder ihr seid des Todes!« Der Papst sprach: »Was sollen wir thun, lieben Freunde? Ist keiner unter euch, der uns rathen kann, wie wir entkommen mögen?« Bruder Albert sprach: »Herr, ich könnt' uns wohl von ihnen befreien, aber es wäre gegen euer Gebot. Hätt' ich Urlaub hier, meine Kunst zu gebrauchen, sie sollten Alle fliehen in Furcht und Angst.« Der Papst sprach: »Albert, thu' das, ich gebe dir Urlaub dazu für nun und für dein ganz Leben; thust nichts Arges damit, dann absolvire ich dich von aller Sünde dabei.« Das hatte der Papst kaum gesagt, als die Andern flohen, wie wenn der Teufel sie gejagt hätte, so großer Schrecken überfiel sie; sie meinten, die ganze Welt wäre über sie hergefallen. Also wurde der Papst gerettet durch Bruder Albert und kam ohne einigen Schaden nach Rom. Bruder Albert hatte aber dadurch die Erlaubniß gewonnen, frei und sonder Sünde die schwarze Kunst zu üben.

400. Das seltsame Gastmahl.

Von K. Egon Ebert. – Bearbeitungen von Wolfgang Müller, L.K. Wittich, A. Grün u.A.

Einst lebt' ein Mönch zu Köln am Rhein, Der manches Wunder schuf, Halb in des Zaubrers argem Schein, Halb in des Frommen Ruf; Albertum Magnum hieß man ihn, Und weil er immer hold erschien, So war er gern gelitten In Volks und Hofes Mitten.

Der ging den Kaiser Wilhelm an: »Herr, oft an deinem Mahl' Hab ich Bescheid dir schon gethan Aus goldenem Pokal; Da du so lang geehrt mich hast, So sei auch du einmal mein Gast Mit deinen Dienern allen

In meinen Klosterhallen.«

Der Kaiser sprach: »Mein Wort zum Pfand; Doch dich begreif ich kaum, Hast du der Diener g'nug zur Hand, Und für uns Alle Raum? Für fünf ist schmal die Zelle dein, Der Klostersaal ist eng und klein, Wenn ich zu dir mich finde Mit allem Hofgesinde.«

»Drum laß du sorgen deinen Knecht, Er wird sich Raum erseh'n, Es wird wohl Alles gut und recht Und nach Gefallen geh'n.« Hin ging der Mönch, als er so sprach; Der Kaiser lacht', und blickt ihm nach – »Das wird ein Gastmahl werden, Wie keines noch auf Erden!«

Doch als der Tag des Mahles kam, Da rief er sein Geleit, Und warm Gewand ein Jeder nahm, Ein pelzverbrämtes Kleid; Denn draußen strich der Wind gar wild, Die Straßen waren schneeverhüllt, Die Flüss' und Bäch' und Bronnen Mit Eisglanz übersponnen.

Sie ritten vor das Klosterthor, Das weit schon offen war, Albertus Magnus stand davor In vieler Knaben Schaar; Der Knaben fünfzig schön und zart, Sie nahten sich mit feiner Art Und nahmen ab die Rosse Dem Kaiser und dem Trosse.

Dann ging der Mönch den Herr'n voran Durch manchen dunkeln Gang, Bis er ein Pförtlein aufgethan, Draus Helle blendend drang, D'raus Helle, wie vom sonn'gen Tag, Sie kam vom Schnee, der üb'rall lag, Da standen voll Erwarten, Die Gäst' im Klostergarten.

Der Mönch schritt immer weiter fort, Der Kaiser folgte stumm Bis mitten in den freisten Ort, Dort sah er staunend um;

Dort stand die Tafel lang und breit, Und hundert Schüsseln d'rauf gereiht, Doch unten Schnee und oben Der Himmel dunstumwoben.

Wohl harrten fünfzig Knaben hier In goldner Kleider Schein, Wohl strahlte der Geschirre Zier, Wohl funkelte der Wein; Doch standen rings auch Baum und Strauch Im Winterkleid', vom Reife rauch, Und rauschten mit den Aesten Willkommensgruß den Gästen.

Ein Murren schlich sich durch den Kreis, Schon war's dem Schelten nah, Und Einer sprach zum Andern leis: »Der Teufel speise da!« Doch weil der Kaiser ruhig war, So blieb es auch die Dienerschaar, Sie setzten sich zu Tische In dieser Winterfrische.

Da sprach der Mönch: »Ihr lieben Herr'n, Bei diesem Festgelag Da wolltet ihr gewißlich gern Heut einen Sommertag; Wohlan, ich bin der gute Mann, Der nichts dem Gast versagen kann Es soll sich euer Willen Im Augenblick erfüllen!«

Und einen Becher trank er aus Die Augen glanzerhellt, Den Andern goß er weit hinaus In's winterliche Feld, Und wo ein Tropfen sich ergoß, Der Schnee in weitem Kreis zerfloß, Man sah hervor mit Blinken Den frischen Rasen winken.

Und plötzlich hauchte linde Luft Der Gäste Wangen an, Und Wohlgeruch, wie Veilchenduft, Strich sachten Zugs heran; Am Himmel riß der Nebeldampf, Es ward ein wilder Wolkenkampf, Zuletzt mit warmem Strahle Schoß Sonnenglanz zu Thale.

Da ward es oben licht und blau

Und unten mählig grün, Der kalte Schnee ward weich und blau Und floß in Strömen hin; Die spitzen Halme strebten auf, Und Knospen guckten frisch herauf, Die Bäume, froh erschrocken, Entschüttelten die Flocken.

Und wärmer ward der Sonne Blick, Er borst des Springbrunn's Eis, Er schoß hinauf und fiel zurück Und sprühte hell im Kreis, Und in der Beete weitem Rund Erblühten Blumen dicht und bunt, Und rings begann an Zweigen Sich Blüth und Blatt zu zeigen.

Zugleich erhob sich wirrer Zug Von Käfern aller Art, Der Falter kam im leichten Flug, Die Biene, dicht geschaart, Und Zeisig, Fink und Nachtigall Wetteiferten in hellem Schall Und sangen frohe Lieder Von allen Bäumen nieder.

Und während ihres muntern Sangs Ging hoch die Sonn' empor, Und heißer ward's und mächt'gen Drangs Stieg Blum' an Blum' hervor, Zum Fruchtkeim ward die Blüth' in Hast, Bald hingen rings an jedem Ast Im gold'nen Sonnenlichte Die glutgereiften Früchte.

Wie staunten da den Wundermann, Dem solch ein Werk gelang, Der Kaiser und die Seinen an, Halb froh und halb auch bang; Sie starrten lautlos um sich her, Der Ritter keiner murrte mehr, Sie hatten All' vergessen Das Trinken und das Essen.

Zuerst erhob der Kaiser sich, Und sprach mit mildem Laut': »Nicht fassen kann man sicherlich, Was heute wir geschaut; Doch danken wir dem Gastherrn gut, Der uns erschuf die Sommerglut, Und freuen uns auf's Beste

Bei diesem Wunderfeste!«

Und wegwarf er von Brust und Arm Das läst'ge Winterkleid, Die Speise war noch völlig warm, Er that ihr ernst Bescheid, Und Alle tranken nun in Ruh' Gesundheit ihrem Wirthe zu Und freuten sich des Tages Im Jubel des Gelages.

Erst als der Sonne Scheidestrahl Schon trüb herniederfloß, Erhoben sich vom reichen Mahl Der Kaiser und sein Troß; Der Mönch gab wieder das Geleit, Und draußen fanden sie verschneit In hochgethürmten Massen Die hartgefrornen Straßen.

Da sprach der Kaiser: »Was wohl mag So seltnem Wirth ich bieten, Für seinen goldnen Sommertag, Die Lieder und die Blüthen? Du schufst im engen Klosterraum Mir einen schönen wachen Traum, Auch ich laß mich nicht schelten, Und will ihn dir vergelten.

Ich will in Dein' und Klosters Huth Zu ew'gem Angedenken, Der Güter mein das beste Gut Mit Land und Leuten schenken; Doch sorge wohl, daß Sonnenschein Das ganze Jahr lang müsse sein Und nimmer Winter werde Auf deiner eignen Erde.«

»Herr Kaiser,« sprach der Mönch darauf, »Auf das will ich verzichten, Die Welt hat ihren rechten Lauf Bei Schnee und Blüth und Früchten, Was heut', was einmal ist gescheh'n, Das wird kein Auge wieder seh'n, Und nimmer ich's begehre, Was dir geschah zur Ehre.«

»Der Himmel hat der Gaben viel, Der Gnad auf mich ergossen Doch brauch ich sie zum falschen Ziel, So mag er mich verstoßen;

Er half mir heute beim Gelag – Doch jeder Tag ist Sommertag, An welchem sich in Treuen Die Guten schuldlos freuen.«

401. Die Freundesprobe.

Von August Schnezler.

»Wie, großer Meister! kann ich Euch beweisen,Daß ich bin würdig Euer Freund zu heißen?Wie dank' ich Euch, was Ihr für mich gethan?«Albertus Magnus lächelte: »Geduldig!Ich weiß, mein Freund, du bleibst mir nie was schuldig;Vielleicht kommt noch die Zeit heran!«

»Bald wirst du reich und mächtig sein auf Erden,Ich aber kann ja leicht zum Bettler werden,Dann erst verlang' ich Dank und Lohn von dir;Ich bin gewiß, du stoßest dann im GlückeDen armen Freund nicht stolz von dir zurücke;Ich glaube fest, dann hilfst du mir!«

Nun sinnt Albertus, wie er den GesellenAuf eine feine Probe könne stellen,Ob seine Freundschaft sei kein leerer Wahn;Und schnell entschlossen ruft er seine Geister,Und einem jeden aus der Menge weist erBeim Zauberspiel die Rolle an.

»Verwandelt euch in Ritter und Vasallen!Führt meinen Freund in reichgeschmückte HallenVon einem wunderherrlichen Palast;Bekleidet ihn mit königlicher Hülle,Gebt Golds und aller Güter ihm die Fülle,Was er nur wünscht, bringt ihm mit Hast!«

Gesagt, gethan. Bald sitzt er auf dem Throne,Vom Haupt des neuen Königs blitzt die Krone,Mit Jubel grüßet ihn des Volkes Schaar;Er schwelgt in aller Wonnen Ueberflusse,In aller Fürstenherrlichkeit GenusseIn tiefem Frieden so drei Jahr.

Allein es wächst sein Geiz mit jedem Tage,Und einstmals tritt beim festlichen GelageIm Lumpenkleid ein Bettler vor ihn hin:»Heil dir, o Fürst! in deines Glückes Schimmer,Gedenkst du deines Freunds Albertus nimmer?Willst du der Noth ihn jetzt entzieh'n?«

Allein der König ruft ergrimmt: »Man führe

Schnell diesen frechen Bettler vor die Thüre!Wer war so keck und ließ ihn zu mir ein?Wenn ich mich jedes Lumps erinnern sollte,Der mich gekannt will haben, ei! da wollteIch lieber nimmer König sein!«

Da ruft der Bettler: »Sorge nicht, Geselle!Verschwinde Spuck!« – Und an derselben StelleSteht wieder unser Freund, wo er einst sprach:»Wie, großer Meister! kann ich Euch beweisen,Daß ich bin würdig, Euer Freund zu heißen?«Und sinnt bestürzt der Wandlung nach.

»Verschwunden sind die zauberischen Hallen,Verschwunden alle Ritter und Vasallen,Und jede Spur von Königsherrlichkeit;Albertus steht vor ihm und ruft mit Hohne:Ein Traum war all dein Glanz und deine Krone,Ein Nu blos die drei Jahre Zeit!«

»Herr Erfürst! schämet Euch, und sucht gelassenEuch wieder in der Armuth Stand zu fassen;Mög' diese Prüfung Euch zur Lehre sein:Nie wird die wahre Freundschaft übermüthig!Nun aber packt Euch fort und seid so gütig,Und sprecht ja nimmer bei mir ein!«

402. Die feindlichen Brüder.

(Mittermaier's) Sagenbuch 1850 S. 63.

Jedes Kind kann dem Fremdlinge zu Lauingen die an der gegen die Donau führende Straße gelegenen Wirthshäuser zum Adler und zur Krone zeigen. Beide Gebäude sind sehr merkwürdige Holzbauten und stehen, ein ernstes Denkmal aus vergangenen Tagen, wohl erhalten schon seit dem vierzehnten Jahrhundert. Die Sage rankt sich hinauf an den alten Gebäuden und erzählt dem Forscher folgende Begebenheit. An der Stelle, wo sich jetzt die beiden Gasthöfe befinden, erhob sich aus der Zeit herstammend, wo Lauingen noch ein Dorf war, ein großes weitläufiges Gebäude, dessen Besitzer neben einer ausgebreiteten Oekonomie eine Wirthschaft betrieb. Ritter und Ritterfrauen, Edelknechte und Knappen wie dienstsuchende Reisige kehrten häufig ein und zechten wacker. Der Besitzer des Gasthofes hatte zur Bezeichnung desselben kecken Muthes das deutsche Reichswappen, den Adler mit der Kaiserkrone hinausgehängt. Als er starb, wollte jeder seiner Söhne das väterliche Anwesen haben, und da sie Zwillinge waren, konnte nicht einmal das Recht der Erstgeburt entscheiden. Beide Brüder standen in der Blüthe des Lebens, frisch und fröhlich und der Waffen kundig; hatten sie ja oft genug mit den Gästen ihres Vaters zur Uebung gefochten und auch im Ernste schon tapfer drein geschlagen, wenn die Sturmglocke die wehrhafte Jugend der Stadt zum Zuge gegen die Raubritter des Donaugaus rief. Ungeachtet ihres Streites um die väterliche Hinterlassenschaft, kamen die beiden Brüder fast ein Jahr lang ziemlich gut mit einander aus, bis der eine Werner geheißen sich mit einer ehrbaren Bürgerstochter verlobte und mit deren Heirathgute dem Bruder das Recht auf sein Anwesen abkaufen wollte. Als er aber dieses offenbarte, war sein Bruder vor Zorn ganz

ausser sich. »Mein väterliches Erbe verkaufe ich um ein Kaiserthum nicht,« schrie er trotzig. »Bestehst du aber so sehr auf dem Besitze desselben, wohlan, du kannst es umsonst erhalten oder du mußt ihm für immer entsagen. Laß uns streiten; der Sieger mag Herr des Hauses sein!« Des Bruders höhnische Rede erzürnte auch Werner und rasch griff er, ohne sich nur noch einen Augenblick zu bedenken, nach dem Seitengewehr, das damals jeder Mann an seiner Hüfte trug und in wenig Augenblicken hieben und stachen beide Brüder wüthend aufeinander los und der entsetzliche Kampf endete erst, nachdem Werner durch einen Stich in die Brust getroffen mit lautem Aufschrei zu Boden stürzte. Es war als ob dieser Anblick die Denkungsart des kaum so leidenschaftlichen Klaus gänzlich veränderte. Denn außer sich vor Schreck stürzte er zu dem Hingesunkenen und bemühte sich das Blut zu stillen, das aus dessen Wunde quoll; doch vergebens. Die Dienstboten waren herbeigeeilt und drängten in ihn, sich zu flüchten, bevor das Gericht sich seiner bemächtige. Willenlos ließ sich Klaus bewegen, ein Pferd zu besteigen, aber dann ritt er, als wollte er dem eignen schmerzlichen Bewußtsein entfliehen, im sausenden Galopp über die Donaubrücke und über die Haide. Ihm begegneten Dienstmannen des Ritters von Ellerbach, der eben im Begriffe stand, mit Herzog Leopold von Oesterreich in den Krieg gegen die Schweizer zu ziehen. Schnell trat Klaus in dessen Dienste und bald brach man von Burgau auf. Wohl war es ein schönes Ritterheer vom Kopf bis zum Fuß geharnischter Mannen, das Herzog Leopold gegen die Schweizer führte, welche nicht viel andere Waffen besaßen als unerschrocknen Muth und das Bewußtsein für Haus und Hof, Weib und Kinder zu fechten. – Bei Sempach kam es zur Schlacht. Viele hundert Grafen, Freiherrn und Ritter fanden den Tod, auch ihr Anführer Herzog Leopold. Klaus, der zur Rettung seines Herrn herbeigeeilt war, lag schwerverwundet auf dem Schlachtfelde und glaubte mit dem Tode sein Vergehen gegen den Bruder gut zu machen. Aber als am Tage nach der Schlacht die Schweizer die Todten plünderten, nahm sich einer derselben des Verwundeten an, schützte ihn gegen die Drohungen seiner Landsleute, nahm ihn mit sich nach Haus und verpflegte ihn sorgfältig. Klaus genas wieder und blieb Jahr und Tag im Bauernhause der Schweiz ein düsterer, verschloßner Mann, den man niemals lächeln sah, denn sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe. Endlich nahm er Abschied von der biedern Schweizerfamilie, die ihn nur ungern ziehen ließ und wanderte schweigend der Heimath zu. Als er aber beim Donauthor hereinschritt, fand er das älterliche Wohnhaus nicht, an dessen Stelle standen zwei Häuser, welche sich in ihrem Aeußern nur wenig von einander unterschieden. Und als er in die Wohnstube des einen Hauses trat, um zu fragen, wie das sich alles verändert habe, trat ihm gesund und lebensfrisch sein Bruder Werner, den er getödtet zu haben glaubte, mit ausgebreiteten Armen entgegen, drückte ihn liebvoll ans Herz und rief: »Sei tausendmal willkommen, liebster Bruder, ich lebe und nimmermehr soll zwischen uns beiden Streit und Unfrieden herrschen!« Und als sich beide von der ersten Ueberraschung erholt hatten, fuhr er fort: »Siehe ich habe die Ursache unseres Zwistes, das Haus niederreißen lassen, und ließ zwei gleiche Wohnungen errichten, wähle, und willst du diese, so ziehe ich in die andere, willst du jene, so bleibe ich hier!« Und bald begrüßte auch Werners Weib den Bruder des Gemahls und ihre Kinder umsprangen fröhlich den Vetter. Klaus nahm das leerstehende Haus in Besitz und die beiden Brüder theilten das Wappen, das ehemals die väterliche Schenke bezeichnete. Werner nahm den Reichsadler und Klaus die Krone. Ohne Zank und Hader lebten die beiden Brüder ferner zusammen, und als Klaus nach Jahr und Tag ein niedliches Schweizermädchen, die Tochter des wackern Landmannes, der ihn vom wüsten Schlachtfelde gerettet, zum Weibe nahm, da war die Freude und der Jubel in Lauingen groß, und wohl oft haben seitdem Geigen und Flöten im Gasthof zur Krone

aufgespielt und die Fenster von den Tritten der Tanzenden erklirrt, aber niemals so, wie an dem Tage, wo Klaus Hochzeit mit dem Vreneli hielt.

403. Die verzauberte Kanne.

Die vor. Schrift S. 102.

Es war im Winter eines der letzten Jahre des vorigen Jahrhunderts, als ein Holzhacker in dem sogenannten untern Holze beim Ausgraben des Wurzelstockes einer Eiche, mit der Haue auf einen harten Gegenstand hieb, welcher sich bei näherer Untersuchung als eine große zinnerne Kanne erwies. Sie war ungewöhnlich schwer, und der Finder hocherfreut, denn er meinte, sie müsse voll Gold und Silber sein. Er machte sobald als nur thunlich Feierabend und verfügte sich mit seinem vermeintlichen Schatze nach Hause. Dort konnte er kaum erwarten bis man Licht herbeibrachte, denn schon war es Nacht geworden und man läutete eben den englischen Gruß. Er versuchte nun den Deckel der Kanne zu öffnen, doch ging dieß nicht so leicht von Statten, denn derselbe war sorgfältig mit Draht umwunden und über demselben befand sich noch ein wunderliches Siegel. Da holte der Holzhacker ein Stemmeisen herbei und bald sprang der Deckel ab. Wer beschreibt aber den Schrecken des guten Mannes, als aus der Kanne dickes Gewölke aufstieg, dieses sich endlich nebelartig zusammenballte und in Form eines menschlichen Wesens an das Tischeck setzte. Der Holzhacker betete, was ihm nur einfiel; dieß schien jedoch auf das gespenstartige Wesen keinen Eindruck zu machen und vor Entsetzen fast außer sich, eilte der Mann zu einem hiesigen Geistlichen und erzählte diesem die räthselhafte Begebenheit. Der Geistliche nahm zwei geweihte Kerzen und zündete selbe auf dem Tische, wo das Wesen noch immer weilte, an, gürtete die Stola um und las aus dem Benedictionale dreimal die Beschwörung. Das drittemal löste sich die Gestalt wieder in Nebel auf und ging in die Kanne zurück, welche man sogleich wieder verschloß und versiegelte. Andern Tags mußte der Mann sie an demselben Ort, wo er sie gefunden hatte, wieder vergraben, und oft erzählte er noch, daß ihm nie ein Weg so viele Schweißtropfen ausgepreßt, als jener, welchen er mit der Kanne beladen, zum Holze einschlug. Was es mit der Kanne für eine Bewandtniß hatte, ist nie bekannt worden. Der Holzhacker mußte jedoch so viel Spott und Hohn wegen dieser Geschichte ausstehen, daß er sich am Ende beharrlich weigerte, fernerhin Fragen über das Ereigniß zu beantworten.

404. Jungfer Kümmerniß.

(Mittermaiers) Sagenbuch 1850 S. 126.

Aus alter Heidenzeit hatte sich in Deutschland die Verehrung einer Heiligen eingeschlichen, deren Namen weder ein Kalender nennt, noch die ein Papst je heilig sprach. Ein sehr gelehrtes Buch könnte über diese Mythe geschrieben werden, hier nur die Sage. – Ein heidnischer König hatte eine wunderschöne Tochter, zu welcher viele ihrer Schönheit wegen hingerissen wurden. Dieß betrübte jedoch das gute Prinzeßchen in hohem Grade, und als heimliche Christin bat sie Christus, ihre Schönheit zu verderben, und sie hörte gleich eine Stimme schallen: »Wohlan, du sollst mir gleichen!« – Und von Stund an verwandelte sich ihr weibliches Angesicht in ein männliches, das mit stattlichem Barte geschmückt war. – Ihr Vater war furchtbar zornig, als sie ihm alles gestand und sprach: »du sollst noch mehr deinem gekreuzigten Gotte ähnlich werden,« und nach seinem Befehle kleidete man sein Kind mit einer groben Kutte, und ließ ihr von der vorigen Herrlichkeit nur die goldne Krone und die goldnen Schuhe, und nagelte sie mit den Händen an ein Kreuz, wo sie bald starb. Nach mehrern Tagen zog ein armer Geiger des Weges, dessen Weib und Kinder zu Hause fast verhungerten. Da dachte er, wenn die gute Prinzessin noch lebte, gäbe sie mir gewiß, um

meine Noth zu lindern, einen ihrer goldenen Schuhe und er fing unbewußt zu geigen an und siehe ein goldner Schuh löste sich vom Fuße der Prinzessin, den der Geiger in die Stadt trug und verkaufen wollte. Doch hier ergriff man ihn und führte ihn zu dem König, der ihn als Dieb des Schuhes zum Galgen verurtheilte; doch sprach der König: wenn auf abermaliges Geigen die Prinzessin auch den andern Schuh fallen lasse, sei ihm nicht nur verziehen, sondern er selber wolle Christ werden. Da fiel wieder beim Saitenklange ein Schuh und König und Volk wurden Christen und die bärtige Prinzessin ehrbar begraben. Unter dem Volk ging schon Jahrhunderte die Mähre, wer in große Noth komme und sich mit einem Bilde der Prinzessin Kümmerniß verlobe, dem werde geholfen, wie jenem armen Geiger. In vielen Kirchen findet man daher auch der Prinzessin gekreuzigtes Bild, so in Lauingen zweimal, wovon das eine die Jahrzahl 1675 trägt. Auch in den Dörfern der Gegend findet man viele, welche jedoch einen andern Ursprung haben. Am Wege von Dillingen nach Steinheim steht einsam das St. Leonhardskirchlein. Aber man schien von hundert Jahren in ihr nicht St. Leonhard, sondern die Jungfrau Kümmerniß zu verehren, denn alle Wände waren mit obenerwähnten Bildern bedeckt. Zufällig erfuhr dieß ein eifriger Bischof (Umgeltner?) und ertheilte den Befehl, sämmtliche Bilder binnen kurzem zu verbrennen. Schnell war diese Nachricht in der Gegend verbreitet, und die Bauern eilten, die Bilder, welche sie oder ihre Ahnen aufgehängt, vor den Flammen zu retten, so daß die bischöfliche Kommission gar wenig zu zerstören fand. Als später diese Kapelle in ein Pulvermagazin verwandelt wurde, sagten die Bauern kurzweg: da sieht man wie's kommt, zu St. Kümmernißzeiten hätte man der Kapelle nichts thun dürfen, aber St. Leonhard hat's nicht verhindern können. – Die Tradition ist fast verklungen, doch wurde sie einigen Soldaten bekannt, welche mit einem schlechten Weibsbilde, der sie längst müde waren, nächtlicher Weile von Steinheim nach Dillingen gingen. Sie verabredeten sich, aus ihr eine »Kümmerniß« zu machen, und nagelten sie wirklich durch die Kleider so geschickt an die Kapellenthüre, daß sie, ohne andern Schaden als der Angst, hängen bleiben mußte, bis Leute kamen, welche die neue Martyrin erlösten.

405. Die Mühle zu Steinheim.

Die vor. Schrift S. 135.

Der dreißigjährige Krieg wüthete mit seinem namenlosen Schrecken schon viele Jahre in Deutschland und auch das Dorf Steinheim war von einer zerstörungssüchtigen Soldatenschaar vernichtet worden. Die Bewohner des Ortes behalfen sich so gut sie konnten, bauten leichte Bretterhütten und waren froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Auch die Mühle war abgebrannt, doch der betriebsame Müller hatte den Muth nicht verloren, und fuhr das Korn, bis seine Mühle wieder gebaut war, sechs Stunden weit bis in das Karthäuserthal, ließ dort mahlen und führte das Mehl dann den Kunden zu. In reizender Abgeschiedenheit ist dieses Karthäuserthal eine der entzückendsten Partien, die es in hiesiger Gegend geben mag. Malerisch erheben sich aus dem waldbewachsenen Thale, im Umkreise von kaum einer Stunde, die zerstörten Schlösser Hoch- und Niederhaus, sowie das Kloster Christgarten. Zu der Zeit, wo der Müller seine Fahrten dorthin machte, lag Schloß Hochhaus noch stolz auf dem Berge, seine beide Nachbarn waren aber schon Ruinen und dort wo einst die Klosterquelle ihre krystallhellen Fluthen in marmornes Bassin ergoß, floß sie nun über Trümmer und Steingeröll, umwuchert von Schlingpflanzen und üppigem Gesträuche. Schon mehrmal hatte der Müller, wenn er um die Mittagszeit nach Hause fuhr, bemerkt, daß in diesem Quell sich etwas Weißes bewege, schenkte ihm aber nie Aufmerksamkeit. Einstmal kam er etwas früher als gewöhnlich, und bemerkte ganz deutlich, wie aus dem Gesträuche eine weiße Schlange schlüpfte, die ein funkelndes Krönlein auf dem Haupte trug. Diese legte sie auf die Brombeerstauden am Quell und badete sich dann lustig darin. Da schlich der Müller herbei, bemächtigte sich der Krone und jagte dann mit seinen

Pferden davon. Aber die Schlange ringelte sich dem Wagen nach und ließ einen gellenden Pfiff ertönen, worauf von allen Seiten Blindschleichen, Nattern und Schlangen sich auf den Wagen und die ängstlich schnaubenden Rosse warfen, welche die Säcke zerbissen und als alles Mehl ausgelaufen, sich um den Müller ringelten, der sich von ihnen nur durch Hinwegwerfen der Krone befreien konnte, worauf die Schlangen von ihm abließen. Wohlbehalten, aber ohne Krone und ohne Mehl kehrte er nach Hause zurück; doch das Glück schien fortan auf seinem Hause zu ruhen, und obwohl seit jener Geschichte an 200 Jahre verflossen, sind die Müller auf jener Mühle stets wohlhabende Leute geblieben. Von jener Mühle erzählt man sich noch folgende Geschichte. Es ist ein uralter Glaube, daß wer in der Christnacht ein Stühlchen aus neunerlei Holz fertige und in der Kirche daraufknie, alle bemerken könne, welche im folgenden Jahre sterben werden, ebenso alle Hexen, welche verkehrt dastehen, sollen. Am Heimweg von der Kirche dürfe man jedoch nicht umsehen, da einem sonst Schlimmes begegne. Nun erprobte dieß ein Knecht in jener Mühle, blickte aber beim Hinweggehen um und kam erst in der Frühe mit zerfetzten Kleidern und todtbleichem Gesichte zu Hause an. Gegen jene, die ihn fragten, was ihn begegnet wäre, sagte er nur: was er gethan, thäte er um alles Gut der Welt nicht mehr, was er gesehen, sei schauderhaft, doch er erzähle es nicht.

406. Blindheims Name.

Von Schöppner.

»Heda! lieber Wirth, vom besten Schenkt uns tapfer ein, Denn fürwahr! zu edlen Gästen Schickt sich edler Wein; Nimmer kehren solche Brüder Zu euch alle Tage wieder, Darum lieber Wirth, vom besten Schenkt uns tapfer ein!«

»Ja! vom besten, liebe Lene, Schenk uns hurtig ein, Ubi vinum, ibi bene, Vivat Vater Rhein! Wahrlich, solche Gottesgabe Ist für Leib und Seele Labe, Drum vom besten, liebe Lene Schenk' uns hurtig ein!«

Und es kreisen volle Becher Munter hin und her Und es zieh'n die flotten Zecher Manche Flasche leer; Doch am Ende zum Bezahlen, Unerquicklichen, fatalen Mahnt die lieben Herrn Studenten Jetzt die Stunde schwer.

»Ei! mein guter Wirth, verdrießlich Scheint ihr fast zu sein, Wär' ein Spielchen nicht ersprießlich,

Grillen zu zerstreun? So ein Spielchen laßt uns machen: Blinde Kuh! da giebt's zu lachen, Blinde Kuh! das kann ersprießlich Gegen Grillen sein!«

Und dem lieben Wirthe bindet Man die Augen zu, »Blinde Kuh! wer sucht, der findet, Holla! blinde Kuh!« Und die flotten Herrn Studenten Einer um den andern wenden Auf den Zehen, den behenden Sich der Thüre zu.

Stille wird's. An leeren Wänden Schleicht der Blinde sacht, Weil die lieben Herrn Studenten Sich davon gemacht; Lachend sind sie abgezogen, Blinder Wirth, du bist betrogen! – Und dem Dörflein ward der Name Blindheim aufgebracht.

407. Der Hoimann und das wilde Gejäg um Wertingen.

(Mittermaiers) Sagenbuch 1850 S. 159.

Es trieben sich früher um Wertingen zwei Kobolde herum, welche dem nächtlichen Wanderer den Weg oft sehr sauer machten. Der erste ist der berüchtigte Hoimann, so genannt, weil er immer mit dem Rufe: »Hoi, hoi« sich kund gab. Besonders hatte er es darauf abgesehen, die Leute irrezuführen. Bald erschien er als wundersamer Zwerg, mit einem dunkelrothen Mantel und einem großen Hute mit zurückgeschlagener Krempe. Der Wanderer sah ihn plötzlich vor sich hergehen, ohne zu wissen, woher er gekommen. Mit grinsendem Lächeln winkte er immer und unwillkürlich mußte ihm dieser folgen, bis er ihn endlich irre geleitet hatte. Er erhob hierauf ein durchdringendes Gelächter und verschwand, und in weiter Entfernung tönte dann wieder sein: hoi, hoi! Bald kam er als große, magere Gestalt, einen grauen Mantel nachläßig über die Schulter hinabhängend und schaute dem Wanderer schnurgerade und unverrückt in's Gesicht, so daß dieser sich nicht rühren konnte und wie hingebannt dastand. Nach einigen Minuten verschwand er wieder. Wenn Pferde ihn schreien hörten, schnaubten sie ängstlich und waren keinen Tritt weiter zu bringen und Hunde suchten winselnd Schutz unter ihres Herrn Füßen. Die zweite Erscheinung ist das »wilde Gejäg.« Der Wanderer hört plötzlich von ferne eine herrliche Musik und ein lieblicher Geruch duftet ihm entgegen. Er wird dadurch so begeistert, daß es ihn unwillkürlich nach jener Gegend zieht. Wie täuscht er sich aber, wenn er näher kommt! Die vorher so bezaubernde Musik ist jetzt abscheuliches Geschrei und Pfeifen, und der liebliche Geruch unerträglicher Gestank. Da rauscht es plötzlich über seinem Haupte dahin, wie das Brausen des Sturmwindes und eine Menge Raben fliegen in der Luft. Nicht selten nahm es auch schon Leute mit und trug es mehrere Meilen weit fort.

408. Die gerettete Unschuld.

Die vor. Schrift S. 147.

Der Ruf vandalischer Grausamkeit ging den Schweden schon voraus und das Geschrei »die Schweden kommen« war hinreichend ganze Ortschaften zu entvölkern. Alles, was gesunde Füße hatte, suchte sein Heil in der Flucht. Nur schwache Greise, kleine Kinder und kranke Personen waren die Zurückgebliebenen, gegen welche die Schweden um so grausamer verfuhren, da sie die einzigen Opfer ihrer Rache waren. Es lebte damals in Wertingen eine Jungfrau, die, schön wie der Frühling, ihre Eltern über alles liebte. Mit Schrecken und böser Ahnung hatte sie oft von den Grausamkeiten der Schweden in andern Ländern gehört, wie Jungfrauen von ihren Eltern gerissen und schmachvoller Entehrung preisgegeben wurden, und diese Gedanken hatten in stiller Nacht oft schon ihre Augen mit Thränen der Furcht gefüllt. Ihre Befürchtungen waren leider nicht ohne Grund, denn auch in Wertingen ertönte eines Tages der Ruf: »die Schweden kommen.« Wie ein elektrischer Schlag wirkte dieser Ruf auf Alle. Man raffte in aller Eile das Nothwendigste zusammen und der Wald wurde als vorläufiges Asyl gesucht. Das Schreien der Kinder, das Händeringen der Mütter mag wohl manchem Vater das Herz durchschnitten haben. Auch unsere Jungfrau war mit dem Zusammenraffen des Nothwendigsten beschäftigt, nahm still unter Thränen von ihrem elterlichen Hause Abschied und schloß sich mit ihren Habseligkeiten einem Zuge an, indem sie glaubte, ihre Eltern befänden sich bei den vorauseilenden Haufen. Im Walde begegnete man sich gegenseitig und wer malt den Schrecken des Mädchens, als sie nirgends ihre Eltern finden konnte. Endlich erfuhr sie, daß sie jenseits des Thales dem Walde zugeeilt seien. Der erste Schmerz war der schrecklichste, sie konnte nicht weinen. Man hatte sich bei der Ankunft der Schweden tiefer in den Wald zurückgezogen und mehrere Wochen vergingen ohne Gefahr. Oft ging die Jungfrau in stiller Nacht aus ihrem Verstecke hervor dem Hügel zu, und schaute so wehmüthig über das Thal hinüber nach dem Walde, der ihr Theuerstes, ihre Eltern barg. Weder der kalte Nachtzug, noch die Unsicherheit der Gegend hielt sie von diesem nächtlichen Besuche ab. Wenn sie sich dann ausgeweint und dem Monde, der so eben über das Thal dem Walde zuzog, viele Grüße an ihre Eltern mitgegeben hatte, eilte sie mit nassem Blicke wieder dem Walde zu. Doch auch dieser Trost wurde ihr entzogen, da die Gegend immer unsicherer wurde. Das war für die kindliche Liebe der Jungfrau zu viel. Sie entschloß sich lieber zu sterben, als länger über das Schicksal ihrer Eltern ungewiß zu sein und von ihnen getrennt zu leben. Es war mondhelle Nacht, als das kühne Mädchen aus dem Walde hervoreilte und mit scheuem Blick in der Gegend umherspähte, ob sie nichts entdecken könnte, und als ihr Auge nichts sah, ging sie, sich Gott empfehlend, flüchtigen Schrittes wieder weiter. Es war ihr so bange um's Herz und gerne hätte sie weinen mögen, hätte es die Angst ihr zugelassen. Doch fühlte sie sich wieder gestärkt, als sie sich vor ein Feldkreuz, das am Wege stand, niedergeworfen und recht innig gebetet hatte. Sie konnte jetzt das ganze Thal übersehen. Viele Wachtfeuer waren um Wertingen herum angezündet und um dieselben Truppen gelagert, deren wilder Gesang weit in der Gegend herum gehört wurde. Eine niegefühlte Angst bemächtigte sich ihrer, als sie die Anhöhe herunter stieg, denn jedes Gesträuch sah sie für Feinde an und an dem Rauschen ihres eigenen Kleides glaubte sie den Tritt eines Schweden zu hören. Glücklich war sie in das Thal gelangt und feuriger schlug ihre Brust bei dem Gedanken, daß sie jetzt ihre Eltern bald wieder sehen werde. Aber plötzlich gebot hinter ihr eine rauhe Stimme »halt.« Unwillkürlich sah sie um und erblickte einen hochstämmigen Schweden hinter ihr, dessen blanke Rüstung beim Scheine des Mondes hell glänzte. Entkräftet sank sie auf den Boden, als sie sich verrathen sah, und schon glaubte sie das Schwert in ihrem Herzen zu fühlen, schon das warme Blut auf den Boden fließen zu hören. Aber wie erstaunte das unschuldige Mädchen, als er sie freundlich umfaßte und so schön mit ihr that, als wäre er ihr eigener Bruder. Bald hätte sie ihn als ihren Retter begrüßt, bald ihn

ersucht, sie bis an jenen Wald hin zu führen und zu schützen, da erwachte in ihr plötzlich der Gedanke an ihre gefährdete Tugend und dieser Gedanke gab der schwachen Jungfrau wieder Kraft und Muth. Sie entwand sich schnell seinen umschlingenden Armen und flog eilends davon. Der getäuschte Schwede schäumte vor Wuth und stürzte ihr mit gezogenem Schwerte nach. Willst du das Opfer meiner Lust nicht werden, so bist du als Opfer meiner Rache mir gewiß, dachte der wilde Krieger in seinem Herzen. Die Angst lieh indeß dem Mädchen Flügel und schon war sie ihm um Vieles voraus, als sie plötzlich am Ufer der Zusam stand und nirgends eine rettende Brücke sah, denn in der Eile hatte sie den Weg verfehlt. Da warf sich das fromme Mädchen auf die Knie nieder und vertrauensvoll ihre Augen zum Himmel erhebend und ihre Hände faltend, flehte sie zur Himmelskönigin, wenn nicht um Rettung ihres Lebens, doch um Rettung ihrer Tugend – und die himmlische Jungfrau erhörte sie. – Ein überirdischer Glanz verbreitete sich um sie und von sanfter Hand fühlte sie sich hinübergetragen an's jenseitige Ufer der Zusam. Geblendet vom himmlischen Glanze vermochte sie erst nach einiger Zeit die Augen wieder aufzuschlagen und erst jetzt sah sie, was mit ihr vorgegangen war. Im Gefühle der Andacht und des wärmsten Dankes fiel sie wieder auf die Erde und dankte inbrünstig für ihre Rettung. Bald war sie nun im Walde, wo sie ihre hartgeprüften Eltern, die sie schon als todt beweinten, wieder fand. Der schwedische Soldat wurde von seinen Kameraden des andern Tages am Ufer der Zusam todt liegend gefunden. An der St. Michaelskirche auf dem Friedhofe zu Wertingen ist die Begebenheit in einem Bilde versinnlicht, wie ein Engel die Jungfrau über die Zusam hinüber führt und wie der Schwede vernichtet am jenseitigen Ufer steht.

409. Das Kreuzbild zu Biberbach.

(Mittermaiers) Sagenbuch 1850 S. 145.

Der unglückliche Schwedenkrieg ließ auch Wertingen nicht verschont. Die Kirche, ja selbst der Ort des Heiligsten, der Tabernakel wurde erbrochen und die Hostien auf dem Boden herumgestreut. Ein würtembergischer Fuhrmann, der Wein nach Augsburg führte, fand auf der Straße im Kothe ein Kreuz liegen, wie es von den wilden Horden zertreten und mit Unflath ganz überzogen war. Der Fuhrmann, dem es in der Seele wehe that, daß das Bildniß seines Erlösers von unheiligen Händen so geschändet wurde, hob es auf, legte es auf seinen Wagen und fuhr wieder weiter. Als er in Biberbach den Berg hinauf fuhr, blieb plötzlich der Wagen stehen und konnte trotz der größten Anstrengung der Pferde nicht weiter gebracht werden. Man eilte ihm zu Hilfe, spannte mehrere Pferde an den Wagen, allein auch dieses half nichts. Endlich zog man das Kreuz hinter den Fässern hervor und siehe! der Wagen konnte wieder ungehindert dahinziehen. Dieses Kreuz prangt noch heute in der Wallfahrtskirche in Biberbach auf dem Altare und gläubig wandeln viele Tausende nach dem Gnadenorte, wo der Heiland auf so sichtbare Weise ausgesprochen hat: »Hier will ich wohnen!«

410. Die heilige Afra zu Augsburg.

Von Schöppner. – M. Velseri opp. p. 441. Adlzreiter ann. I. p. 116. Falkenstein Bayr. Gesch. I., 64 u.A.

1. Nicht die Heiligen zu suchen, Die gerechten Gotteskinder, Stieg der Sohn vom Himmel nieder, Sondern die verlornen Sünder;

Denn ob einem, der verirret Wieder zu dem Hirt gekommen,

Größer ist des Himmels Freude, Als ob neunundneunzig Frommen.

Da noch Roma's Imperator Herrschte über deutsche Gauen, Blühte in Augusta's Mauern Afra, schön und hold zu schauen.

Doch im Heidenthum erwachsen, Ungeweiht an Herz und Sinne Fröhnte sie, der Venus Sclavin, Unerlaubter Fleischesminne.

Also ging die arme Heidin Auf des Lasters breitem Pfade, Doch der Hirt sucht seine Schafe Mit dem lauten Ruf der Gnade.

Eines Tages klopft ein Fremdling Hehren Anblicks an die Pforte Und begehret von der Heidin Gastfreundschaft mit sanftem Worte.

»Sei willkommen, theurer Fremdling In dem Hause süßer Minne; Wolle Venus mich erhören, Daß ich deine Huld gewinne!«

»Nimmermehr,« versetzt Narcissus, »Komm' ich, Liebeslust zu suchen, Deine Werke muß ich hassen, Deiner Venus muß ich fluchen.

Eines Andern keusche Minne Läutre deines Herzens Triebe, Christi Minne, der am Kreuze Blutend starb den Tod der Liebe.

Der dem wahnbethörten Sünder Licht und Gnade hat gegeben, Der von Todten auferstanden Ist die Wahrheit und das Leben.

Der als Richter einst die Bösen Von sich stößt zu ew'gem Leide Und die Seelen der Gerechten Lohnet mit des Himmels Freude.«

Also mahnet ernsten Wortes Sanct Narcissus die Bethörte, Daß sie von dem Heidenwahne

Sich zum wahren Gott bekehrte. –

Wie der frische Hauch des Morgens Leben thaut auf welke Blüten, Also sank in Afra's Seele Glaubenslicht und Gottesfrieden.

Von der Gnade Kraft gestählet Brach sie alter Sünden Bande, Sühnte durch des Wandels Sitte Ihres Götzendienstes Schande.

2. Da hört der Prätor Gajus Von Afra's neuem Sinn Und sendet zornerglühend Die Häscher zu ihr hin.

Und schmäht die Gottgeweihte Ob ihrer That und droht, Wo sie nicht Christus fluche, Ihr mit dem Feuertod.

Deß lacht die Heldengleiche Mit frohem Muth und spricht: »Du kannst den Leib besiegen, Doch meine Seele nicht!

Du quälst die morsche Hülle In kurzer Flammenpein: So wird der Leib von Schlacken Der alten Sünde rein!« –

Ob solcher Rede funkelt Des Römers Blick vor Wut, Er winkt – die Schergen zünden Des Scheiterhaufens Glut.

Dort stand die Heldenjungfrau Im Blick der Glorie Glanz, Um ihre Stirne blühte Der ew'ge Siegeskranz.

411. Die Hexe des Attila.

Von Schöppner. – C. Stengel comment. rerum August. I. c. 23. J.W. Wolf deutsche Märchen und Sagen S. 322.

Durch des deutschen Landes Gauen Brauset Etzels wildes Heer, Schäumend gleich der Brandung Wogen, Zahllos wie der Sand am Meer.

Gegen Augsburg wälzt die Horde Mordbegierig sich heran, Gleich dem Lavastrome sengend, Was sie trifft auf ihrer Bahn.

An des Lechs Gestade lagert Sich des Hunnenkönigs Schaar, Und von Stund' zu Stunde dräuet Immer näher die Gefahr.

Schon durchstöhnet Augsburgs Gassen Ein entsetzlich Klaggeschrei, Gleich als ob des Weltgerichtes Großer Tag gekommen sei.

Auf den Knieen fleht die Menge Um Errettung von dem Tod, Doch zu rathen zeigt sich Keiner Noch zu retten aus der Noth.

Sieh! da naht ein häßlich altes Grauenvolles Mütterlein, Weniger ein lebend Wesen, Als Skelett von Haut und Bein.

»Was verzagt ihr, feige Seelen? Euch zu helfen bin ich da, Bringt mir einen alten Klepper Und ich schlag' den Attila!«

Schleunig war der Gaul gefunden Und sie schwingt sich nackend drauf, Nach dem Heer des Hunnenkönigs Richtet sie des Kleppers Lauf.

Nackten Leibes, bleich und hager Hängt das grauenvolle Weib Auf der Mähre und es fliegen Schlangenhaare um den Leib.

Aus den hohlen Augen grinset Das Entsetzen selbst hervor Und die Krallenhände recken Mordbegierig sich empor.

Also nimmt das Volk der Hunnen Jetzt der nackten Hexe wahr, Hu! wie fährt es durch die Glieder, Sträubt zu Berge sich das Haar!

Alles rennet, rettet, flüchtet

Durcheinander Mann und Roß, Wie vom Wirbelwind ergriffen Fleucht des Hunnenkönigs Troß.

Was kein Heldenschwert vermochte Wider Etzel in der Schlacht, Hat zu Augsburg eine Hexe Heldenmütig einst vollbracht.

Darum sei der wackern Hexe Angedenken hoch und werth Und von Männern wie von Frauen Augsburgs heute noch geehrt.

412. Else Rehlinger.

P.v. Stetten Briefe eines Frauenzimmers aus dem 15. Jahrh., nach alten Urschriften. Augsburg 1777. – Vgl. v. Raiser Auszüge aus Beiträgen zur Beschr. der Denkwürdigkeiten des Oberdonaukr. 1829 S. 44. über das Verhältniß dieser Sage zu Geschichte und Roman.

Else von Egen oder Argon, des Rehlingers Wittwe, ward um ihrer Schönheit willen von manchem Freier bedrängt. Endlich bot sie dem Ritter Marquard von Schellenberg ihre Hand. Als nun der Brautzug nach Seifriedsberg, dem Schlosse Marquards, daherzog, lauerte Kunz von Villenbach, ein verschmähter Liebhaber, mit zweihundert Reisigen im Walde bei Usterbach, des Willens, dem Schellenberger die Braut mit Gewalt zu rauben. Der Brautzug mit vielen Wägen, nur von etlichen vierzig Reitern geleitet, hatte sich zu Gessertshausen, wo gerastet und in der Kirche gebetet wurde, verspätet, und war bei anbrechender Nacht weiter aufgebrochen. Das Brautpaar befand sich von Fackeln umgeben in der Mitte des Zuges. So gelangten sie in den Wald von Usterbach, an die Stelle, wo der Villenbacher im Hinterhalt lauerte. Da fliegt ein Pfeil aus dem Dickicht und in demselben Augenblicke sinkt der Schellenberger neben der Braut todt vom Pferde. Darauf stürzte der Villenbacher hervor, bemächtigte sich der schönen Wittwe, und brachte sie gebunden nach seiner Burg. Diesen Mord und Straßenraub rächte Elsens Bruder, Peter von Argon, welcher damals Bürgermeister in Augsburg war. Er vermochte den Rath zu dem Beschlusse, die Burg, von welcher so viel Unheil ausging, zu brechen. Die Reichsstadt bot demnach ihre Söldlinge zum Zuge und zur Belagerung von Villenbach auf; an ihre Spitze trat ein von Else gleichfalls Verschmähter, Hans von Königseck, der sich indeß großmüthig auf seine Burg zurückgezogen hatte. Dieser lagerte sich vor Villenbach und forderte den Kunz auf, die Geraubte herauszugeben und wegen des Todtschlags und Straßenraubs Schadenersatz zu leisten. Der Antrag wurde zurückgewiesen, darauf die Burg bestürmt. Kunz wehrte sich tapfer, erst beim dritten Sturme gelang es den Belagerern, die Burg zu erobern. Während der Belagerung war Else, da sie Kunzens Anträge standhaft zurückwies, in ein Burgverließ gebracht worden; man hatte ihr noch acht Tage Bedenkzeit gestattet. In dem Augenblicke der Erstürmung schleppte sie Kunz sammt seinen Schätzen durch einen geheimen Gang aus der Burg und führte sie geknebelt von dannen. Als Hans von Königseck die Burg leer fand, vertheilte er seine Reisige in Rotten zu zehen Pferden und ließ den Flüchtling nach jeder Richtung verfolgen. Es währte aber nicht lange, da erreichte Hans selbst in dem Walde gen Boxberg die Fährte des Flüchtigen und stieß ihn in dem Augenblicke nieder, als dieser zum Morde der schönen Else sein Schwert gezogen hatte. Darnach wurde die Burg Villenbach in Brand gesteckt und zerstört, Else aber zu ihren Verwandten und ihrem Kinde aus erster Ehe nach Augsburg gebracht. Dort reichte sie ihrem Befreier die Hand.

Noch erhält sich die Volkssage von der Belagerung und Zerstörung der Burg Villenbach in der Umgegend und noch sind die Leute nach Schätzen lüstern, welche Kunz bei seiner schnellen Flucht nicht mit fortschaffen konnte.

413. Ulrich Schwarz, Bürgermeister von Augsburg.

Volkslied. – Die Historien vom Ulrich Schwarz haben sich lange im Munde des Volkes erhalten. S.H.F. Maßmann in bayer. Annal. 1833 Nr. 146 u. 148, woselbst die vollst. Literatur. v. Hormayr Taschenb. für die vaterl. Gesch. 1834 S. 144.

Augsburg ist ain werde Statt in ainem Jar geschehen, daß Vier Burgermaister guott sein khomen umb Ihr Leben, Die Vittel theten die Wahrheit, darumb Man diesen zweyen Ihr haubt abgeschlagen, Dem Kurzen an sein Leben gieng, Schwarz und Taglang an den Galgen hieng.

Der Schwarz Namb sich an des handels zuvil, da er an der Steur Saß Im Sausße, Eß war Im gar ain ebens spill, Da er daß gelt bei den huetten ausmasße, Mangmaister wolt khain thaill darvon han, er hub sich auf und schlich darvon, man schickhet Ims nach gar tratte.

Mangmaister Legts hinter ain Rhat, Der Schwartz gen seinen Herren sprach, Ja sprach, Mangmaister will unß verrathen, der ist Judas, der gott verriett, Der Mangmaister sprach, Du leugst wie ain Dieb, Du sagst nit war, Sie füellen ainander in daß Haar.

Die Schwartzin zu Irem herren sprach, Ir sollenn Morgen daheim bleiben, mir hat getraumbt ein schwerer traumb, man werd euch morgen fachen. So schweig, So schweig, mein Fräuellein, Bist du Kaiserin, so will ich Kaiser sein, sie dörffen mir nichts than, den Gewalt will ich Iber sie han.

Des Morgens wie er in den Rhat gieng, man thet ain nach den andern fachen, man warff den Schwartzen in die Eysßen ein, Er het geschenckht Most für Wein. er het gestollen also Vill mit seinen guotten gesellen, Die Im handt helffen stellen.

Der Schwartz gen seinen herren sprach Mangmeister will unß Rechen, bringt mir Mangmeister umb sein leben, Vier hundert Gulden will ich euch geben, doch solt Ir nit ablohn, und In erstochen han.

414. Jakobe Lauber.

Von A. Schöppner. – Mündlich.

Wie flammt der Kerzen goldner Strahl Zu Augsburg in dem hohen Saal! Herr Gustav Adolf lud zum Tanz Der edlen Frauen schönen Kranz.

Und Alles harrt und Alles spannt, Wen heut' erkürt des Königs Hand; Wer wird die Hochbeglückte sein, Die sich des Ruhmes soll erfreun?

Sieh dort im Erker zart und fein Ein allerliebstes Jungfräulein; Wie strahlt ihr Auge sonnenklar, Wie wallt ihr goldnes Lockenhaar!

Des Königs Blick erspähet bald Der schönen Jungfrau Wohlgestalt; Er grüßet sie gar lieb und fein Und lädt zum Tanze gnädig ein.

Und wonnetrunken schwebt' er hin Mit seiner holden Tänzerin. Wie schlug sein Herz so liebewarm, Da er sie hielt in seinem Arm.

Gar süßer Worte fand er viel Verlockend zu der Minne Spiel, Denn immer höher stieg die Glut Und immer heißer ward sein Blut.

Gemach Herr König! nicht so leicht Wird eurer Wünsche Ziel erreicht; Noch blüht in Augsburg wundersam Das seltne Blümlein: Deutsche Scham.

Herr Gustav glüht von heißer Lust, Zu drücken sie an seine Brust, Doch heldenmütig wehret sein Das tugendsame Mägdelein.

Und wie der König sie bedrängt,

Der Jungfrau zarter Finger fängt In Gustavs Spitzenkragen sich, Der so zerriß gar jämmerlich.

Darob erstaunt der König sehr Und heget fürder kein Begehr, Zu kühlen seiner Minne Glut An solcher Tugend Heldenmut.

Des Tags darauf ward übersandt Der Kragen von des Königs Hand, Dazu gar kostbares Gestein, Der keuschen Sitte Lohn zu sein.

Und fragt ihr nach der Schönen Nam', Die also keusch und tugendsam: Hieß Jakobine Lauberin, Des Schwedenkönigs Siegerin.

Wie viel der Spitzenkrägelein Von unsern heut'gen Jungfräulein Zerrissen werden grausamlich? – Die Antwort find't von selber sich.

415. Der Glockengießer zu Augsburg.

G. Friedrich im Vat. Mag. II. Nr. 15, S. 113.

Schon im Jahre 989 stand auf dem Perlachplatze zu Augsburg ein Wartthurm, der 1036 eine Sturmglocke erhielt, da seine Lage sehr geeignet für die Feuerwache und zur Beobachtung heranrückender Feinde war. Statt dieser Glocke kam 1348 eine viel größere hinauf, zu welcher nur zwei Rathsabgeordnete den Schlüssel hatten. Sie wurde nur bei Hinrichtungen und am jährlichen Rathswahltage geläutet. Es geht eine Sage, warum sie bei Hinrichtungen geläutet wurde. Während die Metallmassen für diese Glocke im Schmelzen waren, entfernte sich der Glockengießer und hinterließ seinem Lehrlinge den ausdrücklichen Befehl, Nichts anzurühren und Alles liegen zu lassen, wie es war. Der Meister aber ließ den Lehrling zu lange warten. Dieser hielt die Glockenspeise für reif zum Gusse, zog den Zapfen und ließ das flüssige Metall in die Form auslaufen. Das Werk gelang, aber der Meister war unterdessen dazu gekommen und hatte im ersten Zorn über die Mißachtung seiner Befehle den Lehrling erschlagen. Als er nun für seine Missethat zum Tode geführt werden sollte, erbat er sich als letzte Gunst, die von ihm gegossene Glocke möge ihn auf seinem letzten Gange mit ihrem Schalle begleiten. Die Bitte wurde gewährt und seit der Zeit die Glocke bei Hinrichtungen geläutet.

416. Der Glockengießer zu Augsburg.

Von Isabella Braun.

Kochend ist die Glockenspeise, Weiße Blasen springen auf. In des Künstlers stolzer Weise Fällt des Meisters Blick darauf. Kurze Frist ist noch gegeben Und es wird der heiße Fluß

Reif zum ruhmgekrönten Leben, Reif zum kühnen Glockenguß.

»Lehrling,« – spricht der Meister, – »wache! Wache ob des Feuers Glut! Stiller Blick sei deine Sache, Sichre und getreue Hut. Rühre nicht den Zapfen, Knabe! Schüre nur das Feuer an. Eines wenn vollbracht ich habe, Sei dann rasch das Werk gethan.« –

Und der Lehrling ist alleine. – Unverwandten Blicks er schaut Auf des Gusses zarte Reine, Den der Meister ihm vertraut. All sein Sinnen ist verloren In dem wogenden Metall, Und er hört in seinen Ohren Tönen schon der Glocke Schall.

Und ihm ist's, als ob die Glocke Eins mit seinem Leben sei, Und als ob die Fluth ihn locke, Endlich sie zu machen frei. Und er sieht die Masse wogen, – Es erfaßt ihn Angst und Graus – Und der Zapfen ist gezogen – Strömend dringt der Guß heraus!

Und er sprühet, frei gelassen In die Glockenform hinein; – Sieh! da stürzet in Erblassen Bang der Meister nun herein; Sieht den kühnen Knaben stehen Mit dem Zapfen in der Hand, Da begreift er, was geschehen Und ihn faßt des Zornes Brand.

Es erbeben seine Glieder, Wilden Blickes, sinnberaubt Schwingt er seinen Hammer nieder Auf des Knaben schwaches Haupt; Und des Lehrlings Todesbeben Ist der Glocke erster Gruß, Ist ihr erster Blick im Leben – Denn gelungen ist der Guß. –

In des Thurmes hohem Bogen Man die prächt'ge Glocke schaut, Doch kein Strang hat sie gezogen

Noch zu ihrem ersten Laut. Denn mit ihrer ersten Stunde Hat vermählet sich der Tod: Lehrling schläft im Erdengrunde, Meister bangt in Todesnoth. –

Meister muß die Schuld bezahlen, Die der blut'ge Mord begehrt; Doch in seines Todes Qualen Ist ein Wunsch ihm noch gewährt: Und bei seinem letzten Gange Den er zum Schaffote wallt – Nun mit ihrem ersten Klange Mächtig seine Glocke schallt.

417. Zum »Da hinab« in Augsburg.

Mündlich.

Als Luther bei seinem Aufenthalt in Augsburg 1518 für seine persönliche Sicherheit fürchtete, beschloß er auf den Rath seiner Freunde, vorab Langenmantels, Augsburg in aller Eile und Stille zu verlassen, brach also vor Tagesanbruch auf und gelangte bis zu dem St. Gallusgäßchen, wo er des Weges unkundig den Ausgang suchte. Da soll ihm der Böse in Langenmantels Gestalt mit dem Winke: »Da hinab« nach dem Einlaß- oder Stephingerthörlein, das bereits geöffnet war, bedeutet haben. Daselbst soll auch ein Esel nebst einem Boten zur Flucht bereit gestanden sein.

418. Die Spielkarten.

Von J.G. Seidl.

Vom Dome zu Augsburg dröhnt so bang Der Armensünderglocke Klang! Zum Richtplatz wogt die Menge fort, Schon wartet der rothe Freimann dort.

Er wartet dort auf ein junges Blut, Um das schier selber es leid ihm thut; Ein junger Mörder fällt ihm anheim, Der früh schon verkümmert des Lebens Keim.

Noch sitzt er im Thurme, da klingts hinein, – Er fühlt, nun muß es verblutet sein: Das Herz zerbricht ihm, er bittet um Rast, Sinnt, weint und betet, und wird gefaßt.

Nur noch ein Spiel Karten verlangt er dann; Sie geben's befremdet dem armen Mann. Er aber entfaltet's vor ihnen still, Und spricht: »Ihr begreift wohl nicht, was ich will!

Seht! diese Blätter, wie ich sie hier Gleich wie zum Scherz aufschlage vor mir So spiegeln sie treu mein Leben mir ab

Von meiner Wiege bis an mein Grab.

Hier Sieben! – Ich zählte sieben Jahr, Als ich den Aeltern schon bleichte das Haar; Ich war ein wüster, trotziger Bub', Der Jedem gern eine Grube grub.

Hier Acht! – Acht Jahre zählte ich nur, Da ward ich ertappt auf Diebesspur, Hier Neun! – Neun Jahre zählte ich kaum, Und nur mit Räubern raubt ich im Traum.

Hier Zehn! – O zehntes Lebensjahr, Du strahlst allein mir hell und klar In meines Daseins Nacht hinein: – O könnt' ich im zehnten Jahre noch sein!

Da sprengte beflissener Lehrer Hand Des kalten Busens eisiges Band, Aufthaute mein Herz, ich wuchs vom Neu'n, Ich lernte beten, ich lernte bereu'n!

Hier Bube! – Ja – ja – die Buben, – nur sie Zerstörten mir wieder die Harmonie; Die Buben, die Freunde sich fälschlich genannt, Sie haben das Herz mir wieder gewandt.

Sie rissen zum Spiele mich täuschend hin, In diesen Blättern verlor sich mein Sinn! Da kamen die Damen – die Damen seht, Wie trefflich Alles zusammen geht!

Die Damen mit ihrem Doppelgesicht Halb Höll', halb Himmel, ein Ganzes nur nicht, Sie gruben künstlich vom Körper aus Den Geist aus seinen Wurzeln heraus.

Die Eifersucht durchfuhr mir das Hirn, So scharf wie mein Messer das Herz der Dirn, Der Dame, die's wahrlich nicht verdient, Daß nun mein Blut das ihrige sühnt!

Und nun – der König! Nun tret' ich bald Vor ihn, den König in seine Gewalt, Den ewigen, schrecklichen König der Welt, Der die Tropfen der Reue hat gezählt.

Seht ihr das Aß – o lächelt nicht! Es ist die Karte, die alle sticht; Das Aß sei meiner Reue Bild, Sie möge gelten, wenn nichts mehr gilt!

Nun werf' ich die Karten wieder zu Hauf; Nun, Schergen, brecht zum Richtplatz auf! Ein Blatt gilt ewig, es ist die Reu'! Auf, Schergen, auf! Gott steh' mir bei!«

419. Kloster Oberschönenfeld.

Mitgeth. von K.A. Böhaimb.

Romantisch im freundlichen Schmutterthale, drei Stunden von Augsburg, liegt das Kloster Oberschönenfeld, dessen Entstehung die Sage berichtet. Graf Mangold von Wörth, Herr der Grafschaft Burgau, der auf einer stattlichen Burg zu Anhausen wohnte, verirrte sich auf der Jagd und traf in tiefer Wildniß einen Einsiedler, der in hölzerner Klause Gott diente. Graf Mangold forschte nach der Lebensgeschichte des Waldbruders und dieser erzählte, wie seine Frau Mutter durch des Vaters Jähzorn auf seinem Schlosse zu Anhausen schmählich ermordet worden, wie dann bald darauf sein Herr Vater gestorben und er demselben noch vor seinem Absterben zur Sühne dieser Schuld und zur Abbüßung eigener Jugendsünden eine Wallfahrt in das heilige Land gelobt habe, wie er diese angetreten und einem jüngern Bruder Hab und Gut hinterlassen, endlich seine Wallfahrt glücklich überstanden und in diese Wildniß zurückgekehrt sei, um Gott zu versöhnen. Wie erstaunte Mangold bei dieser Erzählung: der gute Waldbruder war kein Anderer, als sein todt geglaubter Ahnherr. Freudig und schmerzlich zugleich war dieß Erkennen, denn der fromme Mann hatte keine Lust, seine Klause je wieder zu verlassen. Oft noch hat ihn Mangold besucht und fromme Lehren von ihm empfangen, bis er einstmals seine Leiche traf. Da ließ Mangold auf seinem Grabhügel eine Kapelle bauen zum Oberhof, nun Weiherhof genannt; in dieser Kapelle haben zwei adeliche Kammerfräulein aus dem Geschlechte des Grafen Mangold mit noch drei Augsburgerinnen gelebt und ein Klösterlein gegründet, deren Vorsteherin sie Meisterin nannten. Diese Frauen führten einen erbaulichen Lebenswandel, so daß Siboto, Bischof von Augsburg, sich ihrer annahm und durch seine Hilfe um 1168 das Kloster Oberschönenfeld entstand, welches sich nachmals durch verschiedene Schankungen vergrößerte und bis auf diesen Tag blüht.

420. Unsers Herrn Ruh bei Friedberg.

Eine Viertelstunde entfernt von Friedberg in Oberbayern liegt die Wallfahrtsstätte »Unsers Herrn Ruhe« mit dem städtischen Friedhofe. Ein Friedberger Bürger hatte sie in den Zeiten der Kreuzzüge zum Dank für seine Rettung aus türkischer Gefangenschaft erbaut. In den Jahren 1496 und 1606 wurde die Kapelle erweitert. Um das Jahr 1609 verbreiteten sich Sagen von einer wunderbaren Erscheinung. Viele Personen hörten nämlich während der ganzen heiligen Messe eine so liebliche Musik, als wenn sie mit vielen hundert Glöckchen und Instrumenten gemacht worden wäre. Einige der Anwesenden gingen vor die Kirche hinaus, um zu sehen, ob nicht außen Musik gemacht würde; allein da sahen sie weder Jemanden noch hörten sie die Musik. Dieselbe Musik soll im Jahre 1720 vernommen worden sein. Ein Jahr früher hatte der Münchener Raths- und Handelsherr, Anton Lechner, als er nächtlicher Weile zu Pferd auf der Straße nach Friedberg reiste, ein sehr helles Licht aus den Kirchenfenstern schimmern sehen, auch eine herrliche Musik vernommen. Als er in größter Verwunderung auf die Kirche zureiten wollte, wurde er von einem schnell entstandenen heftigen Sturmwinde zurückgehalten.

421. Marienbild zu Hof-Hegnenberg.

Zimmermann geistl. Kal. I., 257.

In dasiger schönen und großen Schloßkapelle rastet ein gar altes, hölzernes Liebfrauenbildlein, darmit sich Anno 1632 Folgendes begeben. Ein Schwedischer Reitertrupp kam nach Hegnenberg und kochte allda bei aufgemachtem Feuer geraubtes Geflügel. Da nahm einer von ihnen das Marienbildlein aus der Kapell und warf es in's Feuer. Weil aber solches, auch nachdem es drei Stund darin gelegen, gar nicht schwarz geworden, hat es einer mit lästerlichen Schmähworten herausgerissen und auf den Boden geworfen, worauf sich aber ein panischer Schrecken der Schweden bemächtiget, also daß sie in Eile davon gezogen. Das Bildlein aber ist an sein voriges Ort gekommen.

422. Mariastern in Taxa.

Taxa Ldg. Dachau. – Chur-Bayren I., 239. Zimmermann geistl. Kal. I., 189. Lexikon v. Bayern III., 461. Abraham a St. Clara Gack, Gack, Gack. München 1688.

In Taxa war weiland ein Augustinerkloster, Mariastern zugenannt. Das hat einen sonderbaren Ursprung im Jahre 1618 genommen. Es begab sich nämlich, daß eine Henne ein Ei auf einen Ziegelstein legte. Selbes Ei war mit einem strahlenden Stern gezeichnet, in dessen Mitte ein gekröntes Frauenhaupt zu sehen war. Der damalige Herr dieses Ortes, Johann Baptist Hund, hielt dieses für einen Fingerzeig von Oben, ließ daselbst ein Kirchlein zu Ehren der Muttergottes und zwar in Gestalt eines Sterns bauen.

423. Bruder Marholdus zu Inderstorff.

Zimmermann geistl. Kal. I., 154.

In Inderstorff im Kloster lebte um's Jahr 1158 ein frommer Ordensbruder, Marholdus mit Namen. Dieser hatte ein großes Mitleid mit den Armen, bevorab den Siechen zu Straßbach, (eine halbe Stunde von Inderstorff), denen er Brod und Wein zutrug. Probst Henricus, dessen benachrichtet, ging einstens heimlich in das zwischen Inderstorff und Straßbach gelegene Wäldchen und begegnete dort dem Bruder Marholdus, der eben einen Krug Wein und Brod mit sich trug. Als ihn der Probst nun befragte, was er denn trage, antwortete der Bruder aus Einfalt und Schrecken: ich trage Laugen im Krug und Späne, mit diesen die Lauge für die Siechen zu wärmen. Der Probst nahm den Augenschein davon, und da er es also befunden, verwunderte er sich und sprach: Mein Sohn, so du hinaus gehst, bringe den Armen allezeit Etwas. Dieser Marholdus war sonst Kellerer im Kloster, und guter Werke überall sehr beflissen. Nun begab es sich, daß er einmal auf dem Wege von Straßbach zurück an das Ort kommen, wo jetzt die Martersäul steht; da berief ihn Gott zu sich, und er gab knieend mit aufgehobenen und gefalteten Händen den Geist auf. Da fingen die Glocken im Kloster von selbst an zu läuten, worauf man den Leichnam des Seligen in feierlichem Zuge abgeholt und in der Klosterkirche beigesetzt.

424. Arnold der Massenhauser.

Aventin I. VII. c. 19. Hund metrop. II., 187. Hund Stammenb. I., 214. Oberb. Archiv IV., 405. Charitas 1843 S. 315.

Als man zählte nach Christi Geburt 1323 Jahr, war Herr Arnold Massenhauser zu Massenhausen, Pfleger zu Krandsberg, der Naslose genannt, weil ihm die Nase fehlte, dazu allerhand Mißgestalt des Leibes anhing. Der hatte eine fromme Frau, auf diese warf er Verdacht bösen Umganges mit einem seiner Knechte, ließ demnach schnell das Todesurtheil sprechen und beide am 5. Dezember 1323 zu Krandsberg auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Das junge Weib betheuerte vergebens ihre Unschuld und bat wenigstens um des Knäbleins willen, das sie ihrem Herrn geboren, um Erbarmen. Als nun aber Alles vergebens war und schon die Flammen des Scheiterhaufens ihren Leib ergriffen, faßte sie ihre letzten Kräfte

zusammen, und rief den verzweifelten Fluch: »Nie mehr soll einem Massenhauser ein Sohn geboren werden!« Am andern Morgen hörte Arnold die Messe, da sah er, als der Priester wandelte, anstatt des Gottes-Leichnames eine schwörende Hand, zum Zeichen ihrer Unschuld, und von derselben Stunde hat er nie mehr beim Opfer der Messe den Leib des Herrn gesehen. Es ging aber der Fluch seines unschuldigen Weibes an ihm in Erfüllung. Denn obgleich er Kapellen bauen ließ und Kirchen und Klöster mit reichlichen Gaben bedachte, so wurden ihm doch von einer zweiten Frau nur Töchter geboren – seines Vetters Hiltprand Söhne und sein Bruder Heinrich starben ohne Nachkommen – seine Brüder: Arnold der jüngere und Friedrich hatten nur Töchter; – und der eigene Sohn Wilhelm lebte schon viele Jahre in kinderloser Ehe mit Petrissa von Preysing, als Arnold im Jänner 1365 durch den Einsturz eines brennenden Hauses sein Leben verlor.

425. Der Kirchenbrunnen zu Einspach.

Eos 1818, N. 64 S. 260.

Einen auffallenden Anblick gewährt in der Pfarrkirche zu Einspach nächst dem Hundtischen Schlosse Lauterbach im Landgerichte Dachau, ein Brunnen, welcher mitten in der Kirche, nur wenige Schritte vom Hochaltar außer dem Gitter befindlich, mit einem Eimer an einer langen Kette versehen ist, so daß er den Bewohnern des Dorfes Einspach zum gewöhnlichen Gebrauche zu dienen scheint. Diese seltsame Erscheinung wird durch eine uralte Sage erklärt, welche auf einem in der Kirche zu Einspach hängenden Gemälde – renovirt 1669 – bildlich dargestellt und durch darunter stehende Reime erläutert wird.

Als man Eintausend und vier zählt hat Der Finger Gottes groß Wunder that. Es hielt sich auf in dem Schloß Lauterbach Ein Mann der Vieh gefüttert zu Nacht und Tag. Dieser wollte dem Gebot christlich auch nachleben, Das die Kirch Gottes Oesterzeit thut geben; Er also mit andern Hütern gangen Das höchste Gut Willens zu empfangen, Indessen gab ihm sein Einfalt ein, Er soll diesen gottlieben Gast tragen heim, Ihn als seinen Erlöser Gott und Herrn In der Bewohnung lieben, loben und verehrn. Mit dieser Beut er schnell nach Haus geeilt Auch hat er auf der Stüßl sich was verweilt, Will die Hostie nehmen aus seinem Mund Damit er's in ein reines Tüchlein wundt; Da entwich ihm das heilige Sakrament Und blieb an einem Spalten hangen; Von dannen durch einen Wind erhoben Ist dieß Englsbrod völlig zur Erd geflogen, Nun hört Wunder, was hiebei geschehn Was viel hundert Menschen mit Augen gesehn, Kaum ist die Hosti zur Erde kommen, Ist gleich klar Wasser hervorgesprungen, Dem Armen voller Forcht und verzagt Kommt die Reu der That, die sein Einfalt gewagt. Aus Sorg bewegt lauft er von hinnen Dem Pfarr dieß Wunder zu verkünden. Derselbe mit sammt seinem Kaplan Und vielen so ihm waren zugethan Besucht mit großer Andacht dieses Ort,

Zu erforschen, was gewirkt das göttliche Wort. Da sahens mit höchster Verwunderung, Daß Gott im neuen Brünnlein herumschwamm. Als er ihn mit der Hand wollt erlangen, Ist Jesus vor aller Augen untergangen, Worauf solche Wunder geschehen waren, Dergleichen nicht bekannt von vielen Jahren. Daher dieser Brunn allen so angenehm, Gleichwie der Fischteich zu Jerusalem, Kommt dran Krank, Lam, und was preßhaft ist, Schöpft Heil aus dem Brunnen des Herrn Jesu Christ.

Amen.

426. Sage von Ermordung eines Dachauer Grafen.

Oefele II., 713. Westenrieder Beitr. IV., 267. Lexicon v. Bayern I., 453.

Ein Graf Otto von Dachau soll unweit Schleißheim, man weiß nicht aus welcher Ursache, ermordet worden sein. Da hat sein getreuer Hund die von den Mördern ihm abgehauene rechte Hand fort nach Dachau getragen und zu den Füßen der Mutter des Grafen, Beatrix niedergelegt. Diese erkannte an dem Ring, dessen die Hand nicht beraubt worden war, das Unglück ihres Sohnes und ließ an dem Orte, wo die Mordthat geschah, das Jahr darauf (1128) eine Kapelle erbauen. Nachmals wurde die Kapelle, weil sie von der Straße entfernt und ungesehen lag, auf den Platz, wo sie jetzt steht, bei der Rotschwaig, übersetzt, und die Ermordung auf dem Boden der Emporkirche bildlich vorgestellt.

427. Thalkirchens Ursprung.

Thalkirchen bei München. – Erzählt von Hund im bayr. Stammenbuch. Adlzreiter P. II., l. 5., p. 100.

In der Vechde so Hertzog Stephan wider die Reichsstädt geführt, sonderlich wider Augspurg, haben Herr Christian und Herr Wilhalm die Fraunberger zum Hag, als deß Hertzogen Gehülfen auff ein Zeit vil Augspurger erschlagen, derhalb sie weichen müssen, und wie sie an dem ort da jetzt Dalkürchen ist an das Wasser die Isar oberhalb München kommen, (1388) und man ihnen nachgeeilt, haben sie der Mutter Gottes versprochen, der Orten ein Closter zu bawen, so ihnen vbergeholffen, wie beschehen, darauf Herr Christian dieselb Capelln vom grundt auffbawet, und als er darnach Anno 1396 mit Pfalzgraf Ruprecht auch anderem Bayrischen Adel, König Sigmundt von Vngeren wider die Türken zuzogen, soll er endtliches vorhabens gewest sein, auff sein Widerkunft das Closter vollends zu bawen, derhalb auch etlich Gelt verordnet, aber er ist daselb sampt vielen anderen vmbkommen (in der Schlacht bei Nicopolis, 26. September 1346).

428. Das Kreuzbild von Forstenried.

Meichelbeck II., 4

Im Jahre 1229 begaben sich zwei Ordensbrüder von Seeon, Berthold und Isaak, von dem Schlosse zu Andechs, wo sie eine Zeit lang den Gottesdienst besorgt hatten, des verheerenden Krieges wegen mit einem schönen Kruzifixbilde auf die Flucht, das sie den Händen der wilden Kriegsleute entreißen wollten. Als sie nun mit ihrem Heilthum bis zu dem Dorfe Forstenried gekommen, war es ihnen nicht möglich, nur einen Schritt weiter zu thun, obwohl sie von der Reise gar nicht ermüdet waren. Sie betrachteten dieses als einen Fingerzeig von oben und wagten es nicht, mit Zurücklassung des Kreuzbildes des Weges zu ziehen. Also verblieben sie ihr Lebtag an selbem Ort in Verehrung des Gekreuzigten, dessen wunderbares Bild noch heute in der Pfarrkirche zu Forstenried aufbewahrt ist.

429. Maria Eich.

Von F.A.L. – Maria Eich, nächst Planegg bei München. – Dr. J.H. Wolf Allgem. bayer. Chronik V., 50.

Der Kurfürst eilt zu jagen Hinaus in den grünen Wald. Im Schatten grauer Eichen Ertönt sein Jagdhorn bald.

Die edlen Hunde spüren Manch schmuckes Wildpret auf, Die Herren reiten und hetzen Und schießen mit Lust darauf.

Vor allen aber strahlet Ein Edelhirsch herfür, Ein stolzer Zwanzigender Die Krone vom Revier.

»Halt ein! laßt alle andern! Dem Zwanzigender nach! Sollt der uns heut' entwischen, Das brächt' uns ew'ge Schmach.«

Halloh! wie geht's von dannen Hin über Stock und Stein! Die wackern Rosse fliegen, Den Hirsch fängt keines ein.

Sie hetzen gute Weile, Schon sind die Hunde laß, Der Hirsch mit jungen Kräften Rennt windesschnell fürbaß.

Vor einer hohen Eiche Da hält er plötzlich an Und sieht mit ruhiger Miene Die wilde Meute nah'n.

»Was ist in die tapfern Rüden Auf einmal gefahren hinein?« Sie stehen – o Wunder! – gebannet Und keiner wagt sich drein.

Umkreisend der Eiche Schatten Allsammen schweigen sie still, Und legen zuletzt sich nieder; »Was da wohl werden will?«

Der Kurfürst schaut betroffen Und fragend die Jäger an:

»Wie ist uns Allen geschehen! Wer hat es uns angethan?«

Da tritt ein alter Graubart Entblößten Haupts herfür: »Beugt eure Kniee, ihr Herren, Auf heiliger Stätte hier!«

»Dieß ist Mariä Eiche Seit alter Zeit genannt; Dort schauet Mutter und Kindlein, Geschnitzt von frommer Hand.«

Da ward der Wald zum Tempel, Die Eiche zum Altar; Es sinket in die Kniee Die ganze Jägerschaar.

Die Pferde ohne Regung Die Hunde ohne Laut; Nur leise Lippenbewegung, Die Seele tief erbaut.

So knie'n sie eine Weile, Drauf hebt sich der Fürst empor, Er schaut verehrend das Bildniß, Gerührt den Hirsch davor.

»Nun dann, du edler Flüchtling, Sei frei und ohne Fährd', Nachdem die Gottesmutter Dir selber Schutz gewährt.«

»Hiefür laßt diese Stelle, Uns Ihrem Dienste weihn! Einst möge nur die Heil'ge Auch uns so gnädig sein!«

Ein Kirchlein ward erbauet Recht um den Stamm heran, Er selber sollt' das Bildniß Geradeso tragen fortan.

Er ragt als Thurm darüber Und trägt der Glocken Getön, Und drauf statt laubiger Krone Des Kreuzes Immergrün.

Nun ist der Wald ein Tempel, Die Eiche ein Altar; Statt Waidgethieres lagert

Dort manche Wallerschaar.

Und wo ein Hirsch gefunden Einst Schutz vor Jägers Erz, Da findet Hilf und Zuflucht Manch müdgehetztes Herz.

430. Ainpet, Gberpet und Firpet zu Leutstetten.

Leutstetten am Ausflusse der Würm aus dem Würmsee. (Klöckl) der Petersbrunnen am Würmflusse bei Leutstetten 1817 S. 65 Panzer Beitrag S. 31.

Die drei betenden Schwestern sind aus den Ueberlieferungen des gemeinen Mannes noch bekannt, und heißen Ainpett, Gberpett und Firpett. Sie wanderten aus dem Westen, als der Völker Unruhen ihnen dort keine Stätte gewährten. Gerade gegenüber vom Petersbrunnen bauten sie sich mit Hilfe einiger Gläubigen eine kleine Wohnung: Einbetl; Zelle und Eingang war für jede gesondert; denn jede wirkte für sich. Ihre Beschäftigung war Beschaulichkeit im Kämmerlein, Kunde und Befestigung der Lehre Christi unter dem Volk. Sie predigten muthig das Wort Gottes, und genügten sich an Wurzeln und Kräutern, und dem wenigen Brod, das die Milde zugebracht. Auch durch That wirkten sie; Heilung der Kranken und ihre Pflege wird ihnen noch jetzt dankbar zugeschrieben. Die Mißhandlung der Einen durch umherschwärmende Kriegsleute verscheuchte sie, und bei der Kunde von den Dingen im Morgenlande verließen sie diese Stätte. Nichts, keine Spur mehr blieb, als das fromme Gedenken des dortigen Volkes. Auch die Kapelle, die statt ihrer Zelle zur stillen Achtung späterhin gesetzt wurde, ist seit einem Jahrzehnt nicht mehr, und nur noch ihre Abbildung in der Kirche zu Leutstetten.

431. Der Bauernbursch auf 'n Karlsberg.

Von Franz v. Kobell.

Es is amal a' BauernburschAuf 'n Karlsberg ganga, Nußn 'brocka,Da bigegnt ihm a' schöni Frau,Natürli' is er dra' nit d'erschrocka,Und hat s' fei' 'grüßt und sagt dazua»Mögts nit meini Nuß um a' Bußei tauschn?«Es hätt' 'n halt g'freut, mit den schön'n Wei'A' bißl scherzn und taandln und plauschn.Zu seiner Verwund'rung sagt die oa'»Wann d' ma' willst vo Herzen drei Bussei'n gebn,So sollst dafür kriegn Geld und Guat,Daß's woltern langt für dei' ganz's Lebn.«»Ho ho!« sagt der Bua, »da bin i' dabei,Kunnt' ja koan' bessern Handel nit macha«Und giebt ihr des erschti Bußl glei',Und d'rauf thuat sie gar seltsam lacha.Und wier er ihr 's zwoati gebn will,So werd dees Wei' an' abscheuligi Schlanga,Jetz' is den Buabn ja freili' sei' LustGar g'schwind für's ganzi Gschpiel verganga.Und laaft mit Schrick und Grausn davo'Und d' Schlang' is na' gar der Teufi wor'n,Und weil er 's Versprecha nit g'halten hat,

So haut ihm der no' a Paar hinter d'Ohr'n. –

Seit dera Geschicht' is 's weltbikannt,Daß schöni Weiber gar oft verlog'n:Es steckt nit allzeit an' Engel d'rinnUnd hat oan' der Handl scho' grausi' bitrogn.

432. Die alte Glocke zu Gilching.

Föringer im Oberb. Archiv I., 149.

In der Kirche des Pfarrdorfes Gilching, im königl. Landgericht Starnberg, befindet sich eine Glocke, welche zu den ältesten in ganz Bayern gehört. Von dieser geht die Sage, wie von mancher ihrer uralten Schwestern, daß sie aus dem Schooße der Erde ausgewühlt worden sei, und zwar aus dem Gründelberge bei Gilching, wo vor Zeiten ein Schloß gestanden haben soll. Heutzutage hat diese Glocke nur noch die Feierabende anzukünden, Kinderleichen zu Grabe zu geleiten, an die Schiedung Christi zu erinnern, und das Frohnleichnamsfest mitzufeiern.

433. Der Schloßberg bei Wolfrathshausen.

Fr. Panzer Beitrag S. 36.

Der Erzähler, ein Greis von achtundachtzig Jahren, wußte sich des Ortes, wo der Schloßberg steht, nicht mehr zu entsinnen. In der Nähe von Wolfrathshausen, sagte er, ist ein Schloßberg, wo einst ein von drei Fräulein bewohntes Schloß stand, welches aber versunken ist. Da liegt ein Schatz verborgen, von welchem einst ein muthiger Mann so viel nahm, als er tragen konnte. Das ging so zu: Zuerst beichtete er und nahm ein geweihtes Amulet unseres Herrgottes und der heiligen Mutter auf die Brust, damit ihm der Böse nicht schaden konnte. So nahte er sich dem Platze, wo vor der Höhle ein schwarzer Hund mit glühenden Augen saß, welcher ihm aber den Eingang nicht verwehrte. Er gelangte in ein Zimmer und erblickte drei Jungfrauen in drei Betten liegend. Eine von diesen Jungfrauen, oben weiß, unten schwarz, war wach; die beiden andern schliefen. Als der Mann das feine Bettzeug bewunderte, sagte ihm die halb schwarz, halb weiße Jungfrau, er solle es nur mit dem Finger befühlen; aber das Feuer war so mächtig, daß ihm gleich die Fingerspitze verbrannte. Er ließ sich aber dadurch nicht abschrecken, sondern ging auf die beiden mit Geld gefüllten Kisten hin. Auf einer Kiste lag eine Schlange, den Schlüssel im Maul, welchen sie sich willig nehmen ließ. Er öffnete die Kiste und die halb schwarz, halb weiße Jungfrau sagte ihm, er solle nur nicht mehr nehmen, als er tragen könne, was er auch befolgte. Heraus kam er ohne Plagen, aber desto mehr hatte er im Hineinwege zu bestehen. Der Teufel erschien ihm in allerlei Gestalten und fuhr auf ihn los; er hatte Durst und es wurde ihm Trank geboten, aber er nahm nichts; denn alles war nur Blendwerk, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Mit den drei Jungfrauen hatte es aber folgende Bewandtniß: Sie waren sehr reich und wollten ihr Gut theilen; zwei von ihnen waren blind und wurden von der bösen, halb schwarz, halb weißen Jungfrau betrogen. Sie maß nämlich das Geld mit dem Viertelmaaß. Bei ihrem Theile machte sie das Maaß immer ganz voll; wenn aber die Reihe an die blinden Schwestern kam, kehrte sie das Viertelmaaß um, bedeckte blos den Boden bis zum Rande mit Geld, und ließ die Schwestern mit den Händen darüber streichen, um zu erproben, daß das Maaß voll sei. Wegen dieses Betruges ist sie verdammt. Der Teufel peitscht sie mit Ruthen, bis die Fetzen von ihr hängen; dann wirft er sie Nachts um die zwölfte Stunde in ihr Bett, wo sie augenblicklich wieder ganz wird. Diese Strafe dauert fort, bis Alles fortgetragen ist.

434. Wie Benediktbeuern seinen Ursprung nahm.

Nach Andr. Presb. Chronik von Bayrn in Freyberg's Samml. II, 389. Bayer. Chronik eines Ung. ebend. I., 16. Hund metrop. II., 143. Brunner P.I., l. 5 p. 170. – Dieselbe Sage von Maidenbeth, bei Panzer Beitrag S. 49 und von Beyrberg im Parnass. boic. VII., 5.

Zu den Zeiten Sankt Bonifazii sind gewesen drei fromme Männer, das ist Landfrid, Waldraban und Ellilant, Schwesterkinder Karoli, der Pipins und Karlmanns Vater war. Die waren eines Tages nach ihrer Gewohnheit auf der Jagd und unter den dicken Bäumen in dem Wald da seufzten sie und gedachten an die ewige Lustbarkeit des Paradeis und sogleich ließen sie bei dem Wasser Kolomanbach die Hecken ausreuten und bauten ihnen da eine Wohnung und darzu eine Kirche. Nun war das an der Stelle unserm Herrn kein Wohlgefallen, wie er auch mit seinem Zeichen offenbarte. Denn wann die Arbeiter sich beim Hauen der Bäume verwundeten, so flogen die Tauben zu und trugen die blutigen Scharten von dannen und führten sie an die Statt, da nun ist der würdige Altar zu Beuren, und legten sie daselbst zusammen in eines Kreuzes Form. Da die Diener Gottes das göttlich Geschick also von den Vögeln sahen, da stifteten sie ein kostbares Kloster und bauten darnach mit großem Fleiß auch noch drei andere Klöster, Chochalsee, Schlechdorff und Schefflarn.

435. S' Ettaler Mannl.

Von F.v. Kobell.

'S Ettaler Mannl is schwaar und stark, Hat in die Knocha a' stoaners Mark, Kümmert si' nit um Wetter und Wind, Is a' wahrhafti's Felsenkind.

S' Ettaler Mannl schaugt weit in's Land, Hat zun schaugn an' prächtinga Stand, Was 's denn da draußen d'erschaug'n will, Allewei' ernsthaft und allewei' still.

I' will 's Enk sag'n, es schaugt und sinnirt, Was der Boar für a' Leben führt, Ob er no' brav, wie sunst, und guat, Ob er 's no' hat sei' tapfer's Bluat,

Ob er no' treu sein' Herrn und Land, Drum schaugt 's Mannl so umanand, Und wur 's anders, na' pfüt' di' Gott, Nacha wohl kemmet a' großi Noth.

S' Ettaler Mannl, es steiget ra', Werfet sein' graabn Mantel a', Nacha wohl sechets, es is a' Ries', Wie gar nie oana gwesn is.

Und mit die stoanern Füß' und Arm' Schlaget 's und hauset, daß Gott d'erbarm, Hauset gar bös in ganzn Land, Bis 's wieder sauber vo' Schimpf und Schand.

S' Ettaler Mannl, no' steht's in Fried, 'S geht scho no' richti', es feit si' nit,

Laßts no' nit aus, seyd's brav und guat, Daß si' dees Mannl nie rühr'n thuat.

436. Die Entstehung des Passionsspiels zu Oberammergau.

Vat. Mag. v. Dr. Fr. Mayer II., 155.

Kurz nach dem dreißigjährigen Krieg wurde Bayern von der Pest verheert. Da versammelten sich die fleißigen und frommgesinnten Männer von Ammergau und beschlossen, daß Niemand über die Berge, welche das Thal vom übrigen Lande trennen, hereingelassen werden sollte, noch Jemand aus dem Thale selbst hinabginge über die Berge, um wiederzukehren, bei großer Strafe, damit nicht das Pestgift nach Oberammergau käme. Das Gebot wurde bis zum Kirchweihfeste treulich gehalten. Aber nun ging es einem von Ammergau, der seit Monaten als Taglöhner in Eschenlohe jenseits des Ettaler Berges arbeitete, schwer zu Herzen; er sehnte sich, die Feiertage bei seiner Familie zuzubringen und versuchte es, ungeachtet des strengen Verbots, sich bei der Nacht auf verborgenen Wegen über das Gebirg zu schleichen. Unglücklicherweise gelang ihm dieß, aber er trug die Krankheit zurück in seine Hütte und starb schon am dritten Tag; das Pestübel aber fing im Thale zu wüthen an. Die Ammergauer wendeten sich in solcher Trübsal zum himmlischen Arzt, empfahlen ihm ihre Seelen und Leiber in gläubiger Zuversicht und thaten das Gelübde, alle zehn Jahre mit großer Feierlichkeit und Andacht die Leidensgeschichte des Erlösers bildlich darzustellen, wofern das Pestübel von ihnen genommen würde. Ihr Gebet wurde erhört und dem Sterben wie durch ein Wunder Einhalt gethan, so daß bald fröhliches Leben auf der Stätte des Todes zurückkehrte. In ihrer Freude vergaßen jedoch die Ammergauer das Gelübde nicht und stellten schon im nächsten Jahr auf einem großen Theater die Passionsgeschichte nach der Weise der alten Mysterienspiele unter großem Zudrang von Fremden aller benachbarten Länder dar. Das fromme Schauspiel wurde seitdem fleißig wiederholt und zog mit den vielen Zuschauern auch viel Geld in das Thal, denn die Fremden kauften dabei von den künstlich verfertigten Waaren, um den Ihrigen ein Andenken mit nach Hause zu bringen.

437. Kloster Ettals Entstehung.

Freyberg histor. Schriften II., 436. Arnpekh chron. l. V. c. 45. Hund metrop. II., 296. Adlzreiter P. II., p. 41 u.A.

Als Kaiser Ludwig der Bayer zur Krönung in Rom war und eines Tages betrübt über die Verzögerung derselben und sonstiges Ungemach in seinem Zimmer sich befand, trat durch die verschlossene Thür zu ihm ein Mann in Gestalt eines Benediktinermönches und verkündete ihm tröstend einen glücklichen Ausgang seines Anliegens. Dabei gab er ihm ein wunderschönes Muttergottesbild von weißem Stein und befahl ihm, wenn er heimkehren würde, bei dem Ort Ampferang oder Ammergau ein Kloster unter Sanct Benedikts Regel zu bauen, das Bild aber daselbst zu hinterlassen. Als der Kaiser im Jahre 1330 heimzog, ließ er sich von seinem Oberjäger nach Ammergau führen und ersah eine Stelle zur Gründung eines Gotteshauses, das nun von Holz erbaut wurde, und schmückte es mit dem wunderbaren Bilde. Bald erstand statt der hölzernen Kirche eine schöne steinerne mit einem Kloster. Der Name dieses Klosters »Ettal« stammt wahrscheinlich von seiner Lage im »öden Thal« ab.1 Es wurde dasselbe erst nach des Kaisers Tod vollständig ausgeführt.

Fußnoten

1 Nach Andern »Eticho's« Thal, s. Zschokke I., 164.

438. Ettals Stiftung.

Von F.G.v. Pocci.

Aus Roma kehrt der Kaiser Zurück in's Bayerland, Geschmückt mit gold'ner Krone, Den Scepter in der Hand.

Er ziehet durch die Wälder, Er reitet durch die Au'n, Und grüßet deutschen Boden Mit frommem Gottvertrau'n.

»Du gabst, o Herr, die Krone Und kaiserliche Macht, Verleih mir auch den Segen Zu meines Reiches Wacht.«

Und da er also betet In gläubig frommem Sinn, Da fällt sein Rößlein dreimal Vor einer Tanne hin.

Er schauet im Gesichte Ein Kloster dort ersteh'n, In dem der Mönche Schaaren Für seine Wohlfahrt fleh'n.

Ein Engel hält in Händen Das Bild der Jungfrau hold, Die unsern Herrn geboren, Weil Gott es so gewollt.

»So will ich denn erbauen, Wie mir's erschienen ist, Ein Kloster, weit und prächtig Hier, wo der Bergstrom fließt.«

»Es sollen zu den Mönchen Zu Frommen und Erbau'n Zwölf Ritter sich gesellen Mit ihren lieben Frau'n.«

»Sie sollen täglich beten, Wenn Glockenklang erschallt, Sie dürfen fröhlich jagen Im grünen Tannenwald.«

Und wie er es gelobet, So hat er's auch vollbracht: Gezimmert und gemauert Ward emsig Tag und Nacht.

Und als der Bau vollendet, Schmückt bald den Hochaltar Der Mutter Gottes Bildniß, Wie es erschienen war.

Nun ruht im Grab der Kaiser Nach mancher Müh und Noth, Die Ritter und die Frauen, Die Mönche – sie sind todt.

Die Kunde aber lebet Von Ludwigs Frömmigkeit, Erzählt, was er gestiftet In längst vergang'ner Zeit.

439. Unser Liebefrau von Ettal und Kaiser Ludwig der Bayer.

Mitgeth. v. Hormayr im Taschenb. 1848, S. 76.

Nach Christi Ankunfft in dise Welt, Als man Tausent drey hundert zehlt, Siben und zwantzig noch darzu, Den Anfang ich hie machen thu; Umb dises jetzt vermeldte Jahr Ein hoher Fürst in Bayern war, Mit Namen Ludwig, diser Held, Römischer Kayser war erwählt. Darauff er sich bald nach Rom begab Mit großer Macht vnd reicher Haab, Daß er die Kayserliche Kron, Vnd Göttlich Benediction, Allda empfangen wie bräuchig ist, Der böse Feind braucht seine List. Ein Anderer strebt nach der Kron, Der hätts wol besser bleiben lohn. Die sach verweilet sich so lang, Daß sie dem Kayser machte bang, Der war unmässig hoch beschwert, Weil sich der Vnkost häuffig mehrt, Vnd niemandts war der sagen kundt, Wie es noch vmb den Handel stund? Der Kummer hauffet sich so fast, Daß der gut Kayser vnderm Last, Kleinmütig vnd zerschlagen war, Sucht Hilff bey Gott, in diser Gfahr, Geht hin und sperrt sich selber ein, In einer Kirchen blib allein. Weil er damit jhn selbst tractiert, Eins vnd das ander z' hertzen führt, Auch sein Gebett zu Gott außgoß, Daß jhm das Naß herunder floß,

Da kam zu jhm in Münchs Gestalt, Ein Mann, der aller graw vnd alt, Der sprach zum Kayser: Folgst du mir, Einen guten Rath den gib ich dir, Vnd mach dich aller Sorgen frey, Sag was dein Will vnd Mainung sey. Der Kayser sagt jhm, wann dein Rath, Nichts wider Gottes willen hat, Da folg ich dir willig vnd gern. Der Münch sprach: Kayser, das sey fern, Daß ich soll rathen wider Gott, Noch seine herzlige Gebott, Durch mein Rath wirdt Gott hoch geehrt, Wie auch sein liebe Mutter werth. Darauff der Kayser Ludwig sprach, Sag lieber wie, was ist die Sach: Der Alt besinnt sich da nit lang, Vnd nennt ein Orth, haist Ampherang, Diß sprach er ligt in deinem Land, Wann du haim kombst, so baw zu hand, Ein Kloster an dasellig Orth, Allda zuvor geschach grosser Mord, Weil es ein dick vnd finsterer Wald, Das Kloster solt du besetzen bald Mit München vnd S. Benedict, Die fromb, andächtig vnd geschickt. Die Kirchen aber sollst du bawen Zu Gottes Ehr vnd vnser Frawen, Die wird daselbst Patrona sein; Ihr Fest man da wird stellen ein. Die Schidung vnd die Himmelfahrt, Zog darauff herfür von schöner Art, Ein zart Maria Bild, schneeweiß, Befalch dem Kayser da mit fleiß Daß er es wohl verwahren wolt, Kein andern Namen geben solt, Als Stiffterin am selben Orth. Der Kayser merket alle Wort Vnd kam jhm billich seltzam für, Weil er verschlossen alle Thür, Wie doch der Alt nein kommen sey, Vermeldt auch vnd bekennet frey, Daß er von Ampherang dem Orth, Sein lebenlang nichts hab ghört, Darumb es jhm dann nie bekandt, Daß es soll ligen in seinem Land. Der großte Zweiffel diser war, Weil er selb steckte in Gefahr, An Geld entblöst, mit Schulden beschwert Warumb er das von jhm begert, Ob er mit Schulden, Brieff vnd Schrifften,

Soll raisen, bawen, Klöster stifften, Der Alt jhm bald entgegen kam, Gantz allen Zweiffel jhm benam: Was ich dir sag, da zweiffel nicht, Sey darob, daß es alles werd verricht Gott vnd Maria solst du danken, An seiner Gnad mit nichten wanken, Der hat den gantzen Handel gericht, Das Kayserthumb ist jhm verpflicht. Dann wem ers geben wil der hats, Bedarff da keines Menschen Raths Er setzt ein auff den andern ab, Sein ist der höchste Richterstab. Wie was er wil, so muß es fort, Du wirst gekrönt an diesem Orth, Mit Frewden vnd mit großer Ehr, All Welsche Fürsten kommen her, Wie auch vil andere grosse Herrn, Die sich bei dir erzaigen werden. Dich werdens gleichwol vberschütten, Mit Reichtumb vnd vmb Lehen bitten, Das wirst du sehen ohn verzug. Der Kayser seine Knie da bug, Vnd wolt dem Alten Ehr erzaigen, Weil er sich also thäte naigen, Vor seinen Augen er verschwand, Darauß der Kayser bald empfand, Wie gnädig Gott mit jhme handlet, Sein Trawrigkeit in Frewd verwandlet, Der Kayser zu den seinen kam, Erzehlet jhnen allessam, Was sich nach längs mit jhm begeben, Zaigt jhn das weisse Bild darneben. Die Sach bald weit vnd brait außkam, Der Bapst auch selber diß vernam. In Summa was der Alt erzehlt, War alles gleich ins Werk gestelt, So bald er nun die Kron empfangen, Kamen die Fürsten mit verlangen, Verehrten jhn mit reichem werth, Ein jeder Lehenschafft begert. Weil sich dann alles so verloffen, Vnd auff den Nagel zugetroffen, Da hat der Kayser bald erkannt Daß der, so in der Kirch verschwand, Kein Mensch, sondern ein Engel war, Von Gott gesandt zu jhme dar, Wolt er sich länger saumen nicht, Sonder bald auff die Raise richt, Damit wann er kam in sein Land, Alles verrichten möcht zu hand,

Was jhm der Engel geoffenbahrt, Macht sich derhalben auff die Fahrt, Das weisse Bild vnser lieben Frawen, Wolt er keim Menschen nit vertrawen, Behielt dassellig allzeit bey sich, Erfrewt sich dessen wunderlich. Als er wider in Bayrn kam, Das erst, daß er da für sich nam, Ward, wie das Kloster wurd gebawt, Darumb er selb zur sachen schawt. Fragt erstlich nach dem wilden Orth, Wie er vom Engel zu Rom gehört, Ein Jäger der Hainrich Vennd, Der zaigt dem Kayser Orth vnd End, Das Orth war finster, schlecht vnd wild, Alsbald befalch der Kayser mild, Man soll den gantzen Wald vmbhawen, Dahin wol er das Kloster bawen, Tausent, dreyhundert, dreyssig Jahr, Damaln die Zahl nach Christi war, Den acht vnd zwantzigsten Tag, In dem Aprillen, wie ich sag, Da hat der Kayser an dem Baw, Zu Gottes Ehr vnd vnser Fraw, Selber den ersten Stain gelegt, Der ligt noch steiff vnd vnbewegt. Nach dem der gantze Baw vollendt, Reichlich begabt mit Gült und Rennt, Nennt man das Kloster Ethal, Den Namen behält es noch zumal, Weil es vor war ein ödes Orth, Vnd wildes Thal, wie vor gehört, Der Kayser, Gott im Himmel dankt Sein liebes Bild dem Kloster schanckt, Da ist es noch auff disen Tag, Ein jeder solches sehen mag. Nicht alles ich anzaigen kann, Wie jeder selbst erachten kan, Der Augenschein bewehrt die Sach, Viel tausent Menschen, gesund vnd schwach, Besuchen noch auff dise Stund, Die schöne Kirch, so Cirkel rund, Das Bild steht in dem Haupt Altar Nun mehr in die dreyhundert Jahr, Vil Armer kommen da zusamm, Behafft mit Krankheit, Krump vnd Lahm, Gott jhnen grosse Hilff da thut, Durch Fürbitt seiner Mutter gut. Bey diser schönen Wundergeschicht, Ist niemands, der nit mit Augen sicht, Was Gottes Mutter für ein Lieb,

Gegen disem Land erzaig vnd üb, Die Fürsten bleiben in jhrem Schutz, Bieten dem bösen Feind den Trutz, So lang die Mutter bey vns bleibt: Schaw der auff, der sich an sie reibt.

440. Wie Polling seinen Ursprung nahm.

P.F. Hueber Unsterbliches Gedächtniß etc. Ingolstadt 1670, S. 161. Hund metrop. III. 113. Falkenstein bayer. Gesch. II., 502. Zimmermann geistl. Kal. I., 161.

Eines Tags ergötzte sich Herzog Tassel II. auf der Jagd. Da geschah es, daß die Rüden der Spur eines Wildes folgten, welches unversehens verschwand. Es hatte die Erde aufgescharrt und sich in eine Höhle verkrochen. Als nun der Herzog mit seinem Gefolge auf dem Platze erschien, befahl er, sogleich nachgraben zu lassen. Da fand man drei große Kreuze nebst vielen Reliquien. Darnach beschloß der Fürst ein Kloster zu bauen, wie solches geschehen ist.

441. Die Märtyrer auf dem Kreuzberg.

Weilheimer Wochenbl. 1839, N. 33.

Als die wilden und grausamen Hunnen im neunten Jahrhundert Deutschland heimsuchten, kamen sie auch nach Oberbayern, wo sie in den damals zahlreichen Klöstern raubten und mordeten. Als der Abt Thireto von Wessobrunn Nachricht von der Ankunft dieser Barbaren bekam, stellte er seinen Brüdern frei, ob sie sich durch die Flucht retten, oder auf ihrem Posten den Tod für Jesus erwarten wollten. Nun blieben sechs Ordensmänner bei dem heiligen Abte, welcher sich mit ihnen, als die Hunnen naheten, auf einen Hügel begab, wo sie mit christlicher Hingebung sich zum Tode bereiteten. Wirklich jagten ihnen die Barbaren nach, da sie das Kloster leer fanden, und ermordeten dieselben Alle auf Einem Stein. Die Einwohner von Wessobrunn begruben nachher die christlichen Helden auf dem Platze ihres Todes und pflanzten zum Gedächtnisse ein Kreuz auf die Grabstätte, daher der Name »Kreuzberg« gekommen. Später wurde eine Kapelle von Holz erbaut und im Jahre 1591 ein Kirchlein von Stein, aber die Reliquien der Heiligen versetzte man in die Kirche des nahegelegenen Klosters.

442. Gründung des Klosters Wessobrunn.

Von F.G.v. Pocci. – Andr. Presb. bei Freyberg, Samml. II., 393. Arnpekh II., c. 33. Hund metr. III., 485. Brunner ann. p. 179. Falkenstein bayer. Gesch. II., 511. Leutner hist. Wessof. p. 9. Zimmermann geistl. Kal. I., 205.

Herr Tassilo besteigt das Roß, Zu reiten in den Wald, Will jagen dort mit seinem Troß, Dieweil das Hörnlein schallt.

Er ziehet durch den grünen Hag Und über Wiesen hin Und pürschet froh den ganzen Tag, Die Thierlein alle flieh'n.

Das Rößlein schnaubet müd und matt Und mäßigt seinen Trab, Herr Tassilo des Jagens satt Steigt von dem Sattel ab.

Knecht Wesso laß den Gäulen Luft, Laß weiden sie im Thau, Will rasten hier in Waldesduft Und schau'n in's Himmelsblau.

Die Sonne senket ihren Lauf Es nahet sich die Nacht, Dort steigt der Mond am Himmel auf Und zeiget seine Pracht.

Herr Tassilo ruht mit dem Knecht Auf grünem sammtnen Moos, Und wahrlich schlummert er nicht schlecht In dunkler Waldung Schoos;

Ein schöner Traum erquicket ihn, Er sieht der Englein viel Auf Himmelsleitern her und hin Bewegen sich im Spiel.

Er sieht sie zieh'n an einen Quell Und schöpfen wohl daraus, Das Wasser ist so rein und hell, Die Englein trinken draus.

O gebt ein Tröpflein nur auch mir, Mich dürstet allzusehr, Kredenzet Himmelslabung hier, O höret mein Begehr'.

So träumt' Herr Tassil und erwacht: Knecht Wesso, sah'st du's nicht? Ich hatte in der heut'gen Nacht Ein wunderbar Gesicht.

Und flöß der Quell, den ich gesehn, Auch in dem fernsten Land, Ich wollte gerne zu ihm geh'n Zum Trunk aus hohler Hand.

Da rauscht es plötzlich aus dem Stein Und sprudelt durch das Moos: Fürwahr ein Bächlein muß es sein, Das gestern noch nicht floß!

Welch heiliger Morgentrunk, wohlan, Knecht Wesso, schöpfe nun! Du schöpfst daraus der erste Mann: Der Quell sei »Wessobrunn.«

Der Knecht, er schöpft' – der Herzog trank, Labt sich, als sei es Wein, Und spricht: Hier bau' ich Gott zum Dank Ein frommes Klösterlein.

Gelobt, gethan, bald füget Stein An Stein zum Baue man, Die Mönche ruft das Glöckelein, Und das war wohlgethan.

443. Thierhauptens Ursprung.

Mündlich.

Tassilo, Herzog in Bayern, befand sich in der waldreichen Umgegend Thierhauptens auf der Jagd. Da er nun einem Wilde nachjagte, und sich dabei verirrte, machte er das Gelübde, wann er wieder zu den Seinigen gelangen sollte, wollte er Sankt Benedikten ein Kloster erbauen. Dieß geschah und das Kloster führte davon ein Wild im Wappen.

444. Kunissa von Diessen.

Weilheimer Wochenbl. 1846. Nr. 50.

Kunissa, oder Kunigunda, Kaisers Otto des Großen Enkelin, wurde von ihren Eltern, die zu Oeningen am Bodensee wohnten, an Friedrich den Zweiten, Grafen zu Andechs, vermählt. Dieser zog nach dem heiligen Lande und endete sein Leben daselbst. Kunissa faßte den Entschluß, ihr Hab und Gut zu dem Dienste der Religion zu weihen, nur das Nöthige zum Lebensunterhalt behielt sie zurück. Also erhob sich zur Zeit Kaiser Heinrichs des Heiligen an dem Flecken Diessen das Gotteshaus St. Stephan mit einem Kloster auf Kunissa's Geheiß und Kosten. In diesem Gotteshause ließ die Stifterin gegen Niedergang der Sonne eine kleine Zelle für sich errichten, um daselbst dem Gottesdienste beiwohnen, und sich der Andacht ungestört überlassen zu können. So oft nun die Chorherren am frühesten Morgen die Mette sangen, kam auch die fromme Kunissa von ihrem ob dem Walde gelegenen Schlosse Wengau, in Begleitung einer Magd zur Kirche herab. Es pflegte sich die Thüre jedesmal von selbst zu öffnen. Einmal machte sie sich bei regnerischem Wetter auf den Weg. Das Bächlein, über welches sie zu gehen hatte, war angeschwollen. Da zog Kunissa einen Pfahl aus der Umzäunung eines Grundstückes, um über den Bach zu setzen. Als sie darauf an das Gotteshaus gelangte, fand sie wider Erwarten die Thüre geschlossen. Sogleich kam ihr in den Sinn, dieß sei des Himmels Strafe, weil sie fremdes Gut angerührt habe. Da trug sie den Pfahl dahin zurück, wo sie ihn genommen hatte, worauf sie die Pforte der Kirche wie sonst geöffnet fand.

445. Mechthildenbrünnlein bei Diessen.

Von J. Braun.

Nächtlich Dunkel hat zur Ruh Längst die Menschen eingewieget, Alles schloß die Augen zu Von des Schlummers Macht besieget; Alle Lichter sind verglommen, In der Kirche nur allein Leuchtet zum Gebet der Frommen Noch der ew'gen Lampe Schein.

Bei dem Klang der Mitternacht Tönet von dem Chor die Mette; Denn die Schaar der Nonnen wacht Knieend dorten im Gebete. Sieh! da öffnen sich die Thore, Eingehüllt in dunkles Kleid Naht allnächtlich sich dem Chore Eine demuthsvolle Maid.

Sankt Mechthildis ist's, die leis Kommt vom Schlosse hergegangen; Ganz allein, kein Mensch es weiß, Ohne Zagen, ohne Bangen. Denn das nächtlich düstre Grauen Wird erhellt von Liebesglut; Und das fromme Gottvertrauen Haucht in's zarte Herz den Muth.

Gott, der kennt der Seele Drang, Sah auch dieses fromme Regen, Und er gab dem nächt'gen Gang Seinen hehren Wundersegen; Sandte ihr zum Schutz und Horte Einen Engel unsichtbar; Die verschlossne Kirchenpforte Leis von ihm geöffnet war.

Und es kam die Nacht heran Düster, voller Grauen wieder. Auf Mechthildens stille Bahn Schien kein klares Sternlein nieder; Denn von Wolken ist umzogen Rings das weite Himmelszelt, Und das Brünnlein ward zu Wogen Von dem Regen angeschwellt.

Dennoch zog zur Kirche hin Sankt Mechthildis ohne Zagen; Denn für himmlischen Gewinn Wollte gern sie Mühsal tragen. Aber sieh! der wilde Regen Weitete des Brünnleins Lauf, Und er hält auf ihren Wegen Nun die fromme Jungfrau auf.

Vor dem Wasser steht sie da. Soll sie zu dem Schlosse kehren? Doch die Kirche ist so nah; Nicht kann sie dem Herzen wehren. Da gewahren ihre Blicke

Pfähle an dem Wiesenhang; Eilends baut sie eine Brücke Nun daraus im Herzensdrang.

Schreitet rasch darüber her, Eilet hin zum heil'gen Orte; Aber ach! nicht öffnet mehr Selber sich die Kirchenpforte. Da durchzucket ihre Seele Plötzlich eine Schmerzensgluth, Und sie denket an die Pfähle Die sie nahm vom fremden Gut.

Demuthsvoll die Stirn gesenkt, Schlägt ans Herz sie, voller Reue, Und die Schritte heimwärts lenkt Sie im Schuldgefühl auf's Neue. Und es ist des Nächsten Habe Sei sie noch so arm und klein, Ihr so heilig bis zum Grabe, Gleich wie Gold und Edelstein.

Jetzt noch, nach so manchem Jahr, Das im Zeitengang entschwunden, Steht ihr Angedenken klar In den Herzen lichtumwunden. Und das Brünnlein in dem Grunde, Das mit Pfählen sie belegt, Jetzt noch in des Volkes Munde Sankt Mechthildens Namen trägt.

446. Sage von Sandau bei Landsberg.

Oberbayern. – Fr. Panzer S. 52.

Eine halbe Stunde von Landsberg abwärts am rechtseitigen Hochgestade des Lechflusses liegt ein mit tiefem Graben umschlossener Hügel, Sandau genannt. Hier wurde ehemals oft nach Schätzen gegraben. In dem Schlosse wohnte ein Ritter mit Frau und zwei Töchtern. Als einst der Herr abwesend war, wollte die Frau mit ihren beiden Töchtern in der Kutsche ausfahren, wie man oben in Landsberg zur Wandlung läutete. Der Kutscher sprang vom Bock, zog den Hut ab, machte das Kreuz und warf sich auf die Kniee. Die vermessene Frau sagte: »Fahre zu in Teufels Namen!« Da versanken Mutter und Töchter mit Wagen und Pferd; nur der Kutscher, an dem Rande des Abgrundes knieend, blieb unversehrt. Mit ihnen versank das Schloß. Im Keller sitzt eine weiße Frau, welche sich zu heiligen Zeiten auf dem Platze, wo das Schloß versunken ist, sehen läßt. Die Leute sagen, in dem versunkenen Schloß liege ein goldener Pflug.

447. Ursprung des Nonnenklosters zu Kaufbeuern.

Francisci Petri Suevia eccles. p. 455. Vgl. v. Raiser die Wappen der Städte und Märkte des Oberdonaukreises S. 72.

Um das Jahr 893 lebte in der Gegend, wo nachmals Kaufbeuern entstanden, eine reiche und adelige, dabei gottselige Jungfrau, Anna vom Hof. Einstmals saß sie am Fenster ihrer Burg,

nachher die Buküttin genannt; da kam ihr der Gedanke, ein Kloster auf der Stelle zu gründen, wo eine von ihr entlassene Taube sich niederlassen würde. Also nahm die Jungfrau eine Taube zur Hand und ließ sie fliegen. Die Taube aber flog auf das Dach eines schönen Landgutes, welches der reichen Jungfrau gehörte, worauf diese den Fingerzeig Gottes erkennend ihr Wort erfüllt und das nachmals berühmte Frauenkloster zu Kaufbeuern errichtet hat.

448. Heilig Kreuz bei Kempten.

Fr. A. Gratz in: Beiträge zur Geschichte des Bisthums Augsburg. Von A. Steichele. Augsburg 1850, I., 30.

Von der Stadt Kempten drei Viertelstunden entfernt, liegt in nordwestlicher Richtung das ehemalige Franziskanerkloster heilig Kreuz genannt. Der Name rührt von einem daselbst im Jahre 1691 errichteten hölzernen Kreuze zum Andenken an nachfolgende Begebenheit. Eine Frau wendete eben das Heu auf der Wiese, als sie plötzlich an ihren entblößten Füßen helles, klares Blut bemerkte, das aus der Erde quellend dieselben netzte. Hierüber ganz betroffen, rief die Frau ihren Ehemann sammt zwei Dienstmägden und einem Nachbar herbei. Sämmtliche Herbeigerufene sahen mit höchster Verwunderung an fünf verschiedenen Stellen der Wiese klares Blut aus dem Boden wallen. Diese Aufwallung erreichte die Höhe eines halben Schuhes und wurde von diesen Leuten über eine Viertelstunde andauernd gesehen. Die geistliche Obrigkeit ordnete bald darauf eine Untersuchung an, ob das Ganze nicht von natürlichen Ursachen herrühre. Beim Nachgraben fand man nichts als schwarze Mooserde und verfaultes Holz. Indessen wurde nun ein hölzernes Kreuz errichtet, bei welchem das Volk der Andacht pflegte und mancherlei Wunder geschahen, worauf nachmals Kirche und Kloster der Franziskaner errichtet worden.

449. Sankta Orilla.

Münsters Cosmogr. S. 789. J.W. Wolf deutsche M.u.S. 202.

Auf der Burg, welche zur Mittagsseite der Stadt Lindau im See neben der Schiffbrücke und dem Geräthhaus liegt, ruht der Leib einer heiligen Jungfrau, Sankta Orilla oder Aurelia genannt; so geht die gemeine Sage. Die soll zu einer Zeit der Durchächtung in einem Schritt von Fußach, welches Dorf jenseits des Sees auf eine Meile Abstand gelegen, davon den Namen empfing, bis nach Lindau auf gemeldete Burg geschritten sein. Man zeiget ihr Grab noch heute.

450. Der Pesttanz zu Immenstadt.

A.C. Cammerer Naturwunder, S. 151.

Als zu den Zeiten des dreißigjährigen Krieges, besonders zwischen 1632 und 1639, durch Raub und Verheerungen der Schweden unter ihrem General Grafen Mansfeld, in den friedlichen Thälern des Gebietes von Immenstadt eine gräßliche Hungersnoth, und in deren Gefolge die menschenfressende Pest wüthete; da alle Freude verstummt, auf allen Gesichtern nur Todesschrecken zu lesen war, und selbst bei der allmähligen Verringerung der Sterblichkeit überall nur todte Trauer und stumpfe Betäubung herrschte: gab ein Priester den Rath, öffentlich Volksbelustigungen und Tänze anzustellen und die in Trauer und Schrecken versunkenen Gemüther wieder zur Lebensfreude aufzuregen. Der Rath ward angenommen und alsbald in's Werk gesetzt. Man zog mit Musik in versammelten Schaaren auf den Marktplatz, hielt öffentliche Umzüge, Tänze, Vermummungen, und fand allgemein an den neuen derben Possen Vergnügen und – die ersehnte Hilfe. Darum hält man dahier noch jetzt fast alle Jahre zum bleibenden Andenken an jene höchst betrübten Zeiten auf dem Marktplatze und in den vornehmsten Straßen öffentliche Umzüge und Volksbelustigungen,

von Einheimischen und Fremden recht gerne gesehen, und nach dem Ursprung der Pesttanz genannt.

451. Der Schäfflertanz zu München.

Von F.G. Pocci. – A. Baumgartner der Schäfflertanz in München, München 1830. Westenrieder Beitr. VII., 281. Lipowsky Urgesch. II., 185. J.H. Wolf Geschichtsjahrbücher V., 88. Förster, Panzer, Marggraff u.A.

Zu München im Land Bayern Ist eine schwere Zeit, Man hört kein Freudenwörtlein Und trauert weit und breit.

Die Häuser sind geschlossen, Die Straßen öd und leer, Kein froher Sang erschallet Und still ist's ringsumher.

Geh nicht zu deinem Nachbar, Schließ dich in's Kämmerlein, Laß reichen dir mit Zangen Das Brod durch's Fenster ein.

Und wär' dein Bruder draußen Und auch dein eigen Kind, Laß unberührt sie stehen Und fliehe nur geschwind!

Man betet in den Kirchen Man hält kein frohes Mahl, Die Pest ist's, die mit Grausen Durchzieht das Isarthal.

Die Reichen wie die Armen Sie sterben alle hin, Es müssen Jung und Alte Schnell aus dem Leben ziehn.

Und wer will sie bestatten, Die so gestorben sind? – Kaum daß ein Todtengräber Sich für die Leichen find't.

Da solch' ein gift'ger Odem Durch alle Straßen weht, Bedarf's wohl kühnen Muthes Wenn man in's Freie geht.

Da wagten denn die Schäffler – Die ersten – den Versuch, Und dachten: Gott wird helfen, Der Trauer war genug! –

Es kleideten sich festlich Mit rothen Wämsen an, Es schmückten sich mit Kränzen Wohl an die dreißig Mann.

Sie zogen durch die Straßen Mit Saitenspiel und Sang Ein Schalksnarr an der Spitze Oft ganze Tage lang.

Und vor den Häusern hielten Sie einen lust'gen Tanz Und schwenkten Gläslein Weines Auf grün umwundnem Kranz.

Da lockten sie die Bangen Bald an die Fenster vor Zu treten wagten Viele Herunter bis ans Thor.

Wohl gar auch auf die Straßen Zu schau'n der Schäffler Tanz, So daß auch Angst und Sorge Verschwanden endlich ganz.

Da hört der Bayern Herzog, Ein edler frommer Mann, Auf was die Schaar der Schäffler Zu Trost und Kurzweil sann.

Er hieß sie zu sich bieten, Um ihren Tanz zu schau'n Und hatte Wohlgefallen An ihrem Gottvertrau'n.

Da sprach er: Hört ihr Leute, Da ihr so wacker seid Soll euer Schäfflerreihen Besteh'n für alle Zeit.

Und alle sieben Jahre Soll sich der Tanz erneun, Und alle guten Münchner Die Kurzweil hoch erfreu'n.

So tanzen denn die Schäffler, Getreu wie's damals war, Zu München auf den Straßen Noch alle sieben Jahr.

Das Schurzfell um die Lenden

Sammt-Käpplein auf dem Haupt, Schwingen sie bunte Reife Und Kränze grünumlaubt.

Sie ziehn nach alter Sitte Aus ihrer Herberg aus Und machen ihre Sprünge Auch vor des Königs Haus.

In Ehren soll'n wir halten Was alter Brauch uns bringt, Drum ists daß auch mein Liedlein Den Schäfflertanz besingt.

452. Das Wurmeck zu München.

Mündlich, u.C.F. Münchner Hundert und Eins I., 22.

Auf dem Eckhause der Weinstraße gegen den Schrannenplatz zu befindet sich ein Bild, welches einen Lindwurm vorstellt, daher der Name: »Wurmeck.« Dieses greifenähnliche Ungethüm war einst über München hingeschwebt und hatte es mit seinem Pesthauch vergiftet. Die Zeit der Begebenheit wird nicht näher angegeben, aber wahrscheinlich ist es in dem fünfzehnten Jahrhundert geschehen, als der »schwarze Tod« die Stadt entvölkerte. Eine spätere Sage fügte noch hinzu, daß jener Lindwurm auf dem Schrannenplatze sich niedergelassen und von einer an der Hauptwache stehenden Kanone getödtet worden sei.

453. Der Balken von der Frauenkirche in München.

Mitgeth. von M. Körner.

Auf dem Boden des Dachgerüstes der Kirche von Unser lieben Frau in München, ist noch heut zu Tage ein Balken (Trum) zu sehen, den der Zimmermeister zum bleibenden Wahrzeichen seiner Meisterschaft dort zurückgelassen hat. Die Sache verhält sich damit also: Nachdem der Meister das Gerüst vollendet und aufgerichtet hatte, nahm er einen Balken heraus und legte denselben auf den Boden hin. Nun soll ihm, wer da wolle, kommen und sagen, wo ein Balken im Gerüste fehle, oder wo der herausgenommene füglich hineingehöre. Das hat aber noch Niemand seit des Zimmermeisters Tode, der doch schon vor einigen hundert Jahren erfolgt ist, ausfindig gemacht, und so wird der Balken ewig das »Wahrzeichen« der unübertrefflichen Kunst dieses Meisters bleiben.

454. Luther zu München.

Hormayr goldene Chronik S. 179.

Auch zu München ließ eine alte Volkssage den Reformator gewesen sein. Am Schrannenplatz unter den Bögen, unweit des alterthümlichen Wurm-Eck, war ein altes Ebenbild »Luthers und seiner Katherl« und in der Sendlinger-Gasse wies man das Haus beim Koch in der Hölle, wo der flüchtige Luther schnell den Durst gelöscht haben, die Wurst aber vor lauter Eile schuldig geblieben sein soll. Der Pöbelwitz ließ ihn auf unzähligen Bildern mit der Bratwurst auf einer Sau davon galoppiren.

455. Der Teufel holt einen Spieler aus der Kirche.

A. Crammer dritte verb. Aufl. des teutschen Roms. München 1784, S. 59.

In der Kirche der Väter Franziskaner zu München war ehemals ein rundes, großes Mauerloch zu sehen, durch welches der Teufel einen verruchten Spieler, der das Bildniß des gekreuzigten Heilandes mit gotteslästerlicher Zunge und ausgespieenem Speichel gröblichst verunehret, soll hinausgerissen haben.

456. Die zwölf Apostel zu München.

S. Münchner Hundert und Eins. Von C.F. München 1840. I., 8.

Zwölf Männer in schwarzen Kutten mit weißen Halskrausen und mittelalterlichen Hüten wandeln paarweise an den Quatembertagen von dem Heiliggeistspital nach der Frauenkirche, um dort, einer uralten Stiftung gemäß, zu beten. Als zu Anfange dieses Jahrhunderts manches Altehrwürdige von gefühllosen Händen beseitigt wurde und wohl auch die Münchner Apostelschaar in Gefahr der Auflösung schwebte, ging zu München die Sage, daß jene zwölf Spittelleute um Mitternacht ihren Kirchgang hielten und die Thüre des Doms von selbst sich öffnete und hinter ihnen wieder schloß. Viele Bewohner wollten sie damals durchaus gesehen haben.

457. Münchner Bierbeschau.

Von G. Görres.

Schon ziemlich lange mag es sein Man zählte just das Jahr, Als noch die alte Redlichkeit In Deutschland üblich war.

Nun damals galt in München auch Ein hergebrachtes Recht, Wie man das neue Bier beschaut, Der Brauch war gar nicht schlecht.

Drei Männer sandte aus dem Rath Die Münchner Bürgerschaft Zum Bräuer, ob das junge Bier Geerbt des alten Kraft.

Ihr meint, die Herren aus dem Rath Die tranken nun aus Pflicht, Das mag die Sitte jetzo sein, Doch damals war sie's nicht.

Sie goßen's auf die Bank fein aus Und setzten drauf sich frei, Und kleben mußte dann die Bank, Erhoben sich die drei.

Sie gingen drauf mit selber Bank Vom Tische bis zur Thür Und hing die Bank nicht steif und fest, Verrufen war das Bier.

Doch wie hier unterm Mondenschein Auch gar nichts kann bestehn

Und sich die Welt nur immerfort Im Kreise pflegt zu drehn,

Es kam die aufgeklärte Zeit Und die war dünn und karg Und mit der deutschen Redlichkeit War's lang nicht mehr so arg.

Und matt und dünn und aufgeklärt Ward da das Bier halt auch Und somit nahm ein Ende dann Der alte schöne Brauch.

Vielleicht daß Gerst und Hopfen man Zu wenig heute pflegt, Vielleicht auch, daß vom Pfennigkraut Zu viel hinein man legt.

Doch wird noch von der Bürgerschaft Der alte Brauch geehrt Nur hat sie ihn wie anders auch, In's Gegentheil gekehrt.

An ihnen klebt die Bank nicht mehr, Drum kleben sie an ihr, Und sitzen drauf wie angepicht, Als wär's das alte Bier.

Und wer den Krug zum Munde führt, Der setzt ihn nicht mehr ab, Bis er den letzten Tropfen hat Gebracht in's sichre Grab.

458. Der Menschenfuß zu Freising.

Mündlich, und: Lexikon v. Bayern I., 634. Reise durch den bayr. Kreis. Salzburg u. Leipzig 1789, S. 79.

Auf der obern Gallerie der Domkirche zu Freising rechter Hand steht ein dem heil. Sigismund geweihter Altar. Daneben hängt in einem Glaskästchen das unterste Gelenke eines Menschenfußes. Diese Reliquie unterscheidet sich von allen übrigen dadurch, daß sie nicht von einem Heiligen, sondern von einem Gotteslästerer herstammt. Die Bauern des Dorfes Manching an der Vils unweit Landau kamen alljährlich am zweiten Pfingsttage in Prozession zu dem heiligen Sigismund nach Freising gezogen. Einst da sie schon in feierlichem Zuge aus dem Dorfe wallfahrteten, sahen sie einen der Nachbarn auf dem Kirschbaum sitzen und Früchte brechen. Da fragten sie ihn, warum er nicht mit ihnen nach Freising wallfahrten ginge? »Ich möchte nicht, daß ein Fuß von mir dort stünde,« rief der gottlose Bauer vom Baum herab, und siehe da, in demselben Augenblick löste sich ein Fußgelenke vom Leibe des Frevlers und fiel zur Erde. Da lag aber des Bauers Hofhund, der faßte den herabgefallenen Fuß und trug ihn, neben den Wallfahrern herlaufend, in die Domkirche nach Freising und legte ihn dort auf dem Altare des heiligen Sigismund nieder.

459. Legende vom h. Corbinian.

Arnpekh l. 2 c. 17 u. 18. Brunner P. I., l. 5 p. 163. Freiberger vita S. Corb. in Deutinger's Beitr. I., 31 u.A.

Die Anhöhe bei Freising, auf welcher nachmals St. Stephanskloster sich erhob, war ein Lieblingsaufenthalt des heil. Corbinian und seiner Gefährten. Es gebrach aber dem Orte an Wasser, so daß man Mühe hatte, es von Weitem herbeizuschleppen. Da verrichtete der Gottesmann ein Gebet, ergriff seinen Stab und schlug auf den Felsen, worauf alsobald eine Quelle des reinsten Wassers hervorquoll. Als der Heilige starb, versiegte die Quelle und kam erst 50 Jahre später, da Corbinians Leichnam nach Freising gebracht worden war, auf's Neue zum Vorschein.

460. Der Bär des h. Corbinian.

Meichelbeck Hist. Frising. I., 10. Falkenstein antiqq. Nordgav. I., 227 u.A.

Sanct Corbinian wird gemeiniglich mit einem Bären abgebildet, der Gepäck auf dem Rücken trägt. Davon geht die Sage: Als der heilige Bischof Corbinian auf seiner Reise nach Rom durchs Vintschgau kam und einmal in dichter Waldung Rast hielt, wurde eines seiner weidenden Saumrosse von einem grimmigen Bären zerrissen. Wie das der Bruder Ansericus, des Bischofs Gefährte, ersah, schrie er voll Furcht und rief den Heiligen zu Hilfe. Corbinian aber gebot ihm im Vertrauen auf den Herrn, alsogleich den Bären zu peitschen und mit dem Gepäcke des Rößleins zu beladen. Nicht ohne Zagen gehorchte der Bruder und siehe, das wilde Thier war zur Stelle gehorsam nach des Heiligen Willen.

461. Das Bild des heil. Ulrich zu Thann.

Bei Zolling in Oberbayern. – Wening Beschreib. III, 103.

Dieses Bildniß hing vor Alters an einem Eichenast. Der Bauer Hans Stöttner, welcher den Platz, worauf der Baum stand, in einen Acker umwandeln wollte, nahm das Bild herunter und trug es in die Pfarrkirche nach Zolling, allein bald darauf war das Bild wieder an seinem Platze. Das geschah zu wiederholten Malen, da ward der Bauer unwillig und beschloß den Baum umzuhauen. Doch kaum war die That verübt, so war der Bauer stockblind und konnte nicht mehr den Weg nach Hause finden. Als er nun länger ausblieb und sein Weib ausging, ihn zu suchen, fand sie den Armen in Jammer und Verzweiflung, des Augenlichtes beraubt. Reuevoll bat der Geschlagene den heiligen Bischof um Verzeihung und gelobte, über das Bildniß eine Strohhütte zu bauen, wenn er sein Augenlicht wieder erhielte. Da ward seine Bitte erhört und die Blindheit hinweggenommen. Darnach setzte der Bauer das Bildniß auf einen Stock des Eichenstammes und baute die Strohhütte darüber welche nachmals Heinrich von Plutzing in eine steinerne Kirche verwandelt hat.

462. Die Kirchen in Tollbath und Weissendorf bei Ingolstadt.

Fr. Panzer S. 242 u. Oberbayr. Archiv Bd. V. H. 3.

In der Mauer der sehr alten Kirche zu Tollbath bei Ingolstadt, ist eine männliche Figur in Stein ausgehauen, welche nur einen Fuß hat. Von dieser geht folgende Sage: Vor vielen hundert Jahren lebten in dieser Gegend zwei Riesen, welche Baumeister waren, und miteinander übereinkamen, daß jeder eine Kirche, der eine in Tollbath, der andere in dem eine Stunde entfernten Dorfe Weißendorf, aber in äußerst kurzer Frist erbauen sollte. Dabei machten sie zur Bedingung, daß derjenige, welcher seinen Bau später als der andere beendigen würde, nicht nur sein Vermögen, sondern auch seine Freiheit verlieren sollte, so daß er sein ganzes künftiges Leben hindurch dem anderen als Sclave dienen müßte. Der Anfang mit den Bauten wurde gemacht, und das Werk beiderseits mit der größten Thätigkeit betrieben. Da aber der Riese in Weißendorf wahrnahm, daß der Riese in Tollbath seinen Bau eher beendigen werde, als er, so wurde er um so mehr hierüber ergrimmt, als sein Werk wegen allerlei Hindernissen weniger rasch von Statten ging. Wie er erst sah, daß sein Gegner

eines Tages gänzlich mit seinem Bau fertig werden, bei ihm es aber noch einen Tag länger dauern werde, kehrte sich sein Zorn in Wuth; er schleuderte von Weißendorf große Steine nach Tollbath, und, da dieses nicht helfen wollte, warf er in dem Augenblick, wo der letzte Stein gelegt, und der letzte Hammerschlag gemacht werden sollte, seinen großen Hammer mit solcher Kraft hinüber, daß dadurch das linke Bein des Riesen in Tollbath hinweggerissen wurde, und dieser das Leben einbüßte. Zum Andenken sei der Riese in Stein ausgehauen, und dieser in die Kirche eingemauert worden.

463. Marienbild zu Ingolstadt.

J.A. Zimmermann Chur-bayr. geistl. Kal. I., 83.

In der jetzigen Franziskaner- früher Augustinerkirche, sieht man an der Decke ein Gemälde, dessen Vorstellung der Inhalt einer Volkssage ist. Als die Juden von Ingolstadt vertrieben wurden, wurde an die Stelle ihrer Synagoge eine Kirche erbaut, worin sich ein gnadenreiches Marienbild befindet. Dieses Bild ward der Volkssage gemäß nach Abhauung des Kopfes von den Juden in die Donau geworfen, woraus es in die Schutter schwamm und bei dem Kloster ankam.

464. Die Kapelle des heiligen Bauers bei Vohburg.

Bei Schwaig unweit Vohburg in Oberb. – Zimmermann Chur-bayr. geistl. Kal. I., 103. Lexikon v. Baiern III, 313 A. Müller d. obere Donau S. 50.

In der Nähe von Schwaig gegen Geisenfeld zu im Holze befindet sich die kleine Kapelle des in der ganzen Gegend bekannten »heiligen Bauers.« Dieser lebte vor nahezu dreihundert Jahren, war ein reicher, gottseliger Mann, verkaufte seinen Hof bei Vohburg und lebte als Einsiedler in stiller Klause. Er that den Armen viel Gutes und war ein Freund seiner Nebenmenschen. Endlich ward er von Bösewichtern geplündert und aufgehängt, hierauf wegen Verdachts des Selbstmordes unter den Vohburger Galgen gehängt, nachgehends aber, als seine Unschuld an den Tag gekommen, zu Vohburg in der Kirche begraben.

465. Histori vom Ursprung des Gotteshauß Salvators zu Bettbrunn.

Von Georg Prantel. – Bettbrunn Pfarrdorf, 4 St. von Ingolstadt. Sanct Salvator zu Bettbrunn in Bayrn etc. Durch J. Engerd. Ingolstatt 1584. Chur-Bairen I., 143 Lexikon v. Baiern I., 366. L. Kornmesser Wallfahrtsbüchlein S. 37. Zimmermann geistl. Kal. I., 131.

Als man gezählt Eylffhundert Jar Und fünfunzweyntzig, das ist war, Geschach ein Wunderzeychen bald Mit einem Hirten in dem Walt, Der beycht zu Oesterlicher Zeit, Wie ander fromme Christen Leut: Nam Christum under Brodts Gestalt, Nach brauch der christlich Kirchen alt. Als er solchs in sein Mundt empfieng, Von stundan er vom Prieger gieng: Ein wenig nur von dannen kam, Die Hosti auß dem Mundt er nam, Legts in ein saubers Schächtelein: Diß Himmel Brodt sein Schatz solt seyn: Dasselb er täglich mit jhm nam, Weyl selten er gen Kirchen kam: Grub auß alßbald ein Hirten Stab,

Wie ichs zuvor beschrieben hab. Wann dann kam der klar Sonnen Schein, Steckt er den Stab ins Erdreich nein, Setzt drauff das heilig Sacrament, Kniet nider, und hub auff sein Händ, Bett solches an mit Andacht fein, Daß jhm Gott wöll genädig seyn, Verzeyhen seine Missethat Und Sünd, die er begangen hat. Einsmals er ohn gefährd ersicht, Daß sich sein Viech zum Schaden richt, Alßbaldt er auffsteht von der Erdt, Vergißt also der Hosti werd, Und wirfft sampt diser seinen Steckn Nach seinem Viech nein in ein Heckn. Dahin fiel auch das Himmel Brodt, Leib und Blut Christi, Mensch und Gott: Deßhalben er groß Schrecken nam, Und inn sehr grosses Trawren kam: Griff gleichwol nach dem Sacrament, Auffheben wolts mit seiner Händt, Möchts aber nicht zuwegen bringn: Darumb laufft er vor allen Dingn Zu seinem Pfarrher eylendts dar, Jhm das Geschicht macht offenbar: Der Pfarrher sich nicht saumet lang, Von stundan mit dem Hirten gang, Das Sacrament erheben wolt, Villeicht solchs nicht geschehen solt. Dieweyl, so offt er griff darnach, Es weytter von jhm wich gemach, Dadurch er kundt erkennen klar, Daß es von Gott geordnet war, Sein Bischoff er berichtet das, So eben da zu Regnspurg was. Der Bischoff und die Clerisey, So diese Zeit jhm wohnten bey, Mit Wunder zogen in der Eyl Dahin bis in die sieben Meyl, Bald kamen an das Ort und End, Da lag das heilig Sacrament: Ein herrlich Bittfart richten an, Darzu kam Jung, Alt, Fraw und Mann, All fielen nider auff die Erdt, Und betten an die Hosti werd, Und rufften Gott von Himmel an Daß er jhm wolt sein Beystandt than, Verlobten Christo auch darnebn, Wann solch der Bischoff köndt erhebn, Sie wolten an das Ort daher Ein Kirchl in Sanct Salvators Ehr

Erbawen, welchs geschehen ist, Verbrunnen doch in kurtzer Frist. Drumb haben fromme Mann und Frawn Auß Andacht wider lassen bawn Diß herrlich schön Gottshauß allhie, Mit viel Unkost und großer Müh, Dahin kompt offt der Bilger Schar, Und bringt jhr Gab und Opffer dar, Daß jhr Gebett Gott woll erhörn, Sein Gnad bey jhnen reichlich mehrn: Allda durch Gottes Macht und Sterck Geschehn viel Tausend Wunderwerck. O Mensch bedencks mit gantzem Fleyß, Und sag Gott Danck, Lob, Ehr und Preyß.

466. Fritz von Randeck.

Von J.A. Pangkofer. – Randeck im Altmühlthale.

Der Rauhgraf Fritz von Randeck warb Um Fräulein Adelheide, Und's schöne, reiche Fräulein ward Des Grafen Liebesweide. Er führt als froher Ehgenoß Sie heim auf 's ritterliche Schloß, Verschwelgt mit seiner Blonden Sechs hochbeglückte Monden.

Einst war er in den Forst hinaus Auf Eberjagd geritten. Zur Gräfin, die allein zu Haus Kömmt da ein Weib geschritten, Gar schön, doch bleich – an hoher Brust Ein Kindlein hält's mit Mutterlust Und spricht mit sanftem Weinen: »Verzeihet mein Erscheinen!«

»Wohl seid ihr fromm, wohl seid ihr gut, Dürft doch nicht glücklich bleiben; Des Grafen schnöde Liebesglut Nur Spiel mit Euch will treiben. Wie ihr, so ich ward am Altar Ihm angetraut; kaum sind's zwei Jahr, Und schon bin ich verlassen, Sein Lieben ward zum Hassen.«

Der Gräfin bricht das Herz, das Knie, Die Frucht regt sich im Leibe, Und laut aufschluchzend sinket sie An's Herz dem bleichen Weibe. »O lehre große Dulderin Zu meiner Schmach mich hohen Sinn!«

Fleht aus betäubtem Leide Erwachend Adelheide.

Schon war es Nacht, da stellte sich Ein Knappe vor die Frauen. Hu, hu, dem war recht schauerlich In's blasse Antlitz schauen; Und gräßlich, wie sein Angesicht Vom Schreck verzerrt, war sein Bericht Von dem, was sich beim Jagen Im Forste zugetragen.

»Die Jagd ist aus! Es fuhr der Graf Mit Roß und Hund zur Hölle. Wohl kämpft er lang, wohl kämpft er brav An fels'ger Waldesstelle, Doch stärker war in Saugestalt Des Teufels tückische Gewalt, Er riß ihn vor uns Allen Hinab mit wüth'gen Krallen.«

Die Frauen das vernommen han, Da sinken sie zur Erden, Und beten für den argen Mann, Als könnt' ihm Heil noch werden. »Wer schnöd nur solche Frauen minnt, Der hat die Hölle wohlverdient. Wollt' nimmer für ihn beten, Ihn hat der Herr zertreten.«

467. D' Nix und da Zweag.

Von J.A. Pangkofer. – Sage aus dem Schambachthal zwischen Riedenburg und Schamhaupten.

An da Schaama drunten Af da greana Wies' Han i Bleamel g'funden Wiar im Paradies, Rötha net und gelba Als duat bei dee Felba, Niagat's so schö blob Find' stas' af und ob.

Feuri san s' und blitzat, Denn dee Nix hat s' g'macht, Still am Wassa' sitzat In da Moschei-Nacht; Do voar ihra G'sichtel, Wael da Zweag'nwichtel Drei voliebt is goar, Halt s'en Nebelschloar.

Duach dee Felsenklüftel Schlupft glei aus sein Beag, Spüat a d' Abendlüftel, Da voliabte Zweag; Af da Silbaschwigel, Ueber Thal und Hügel Blast a hi sei Liad, Wiad im Klog'n net müad.

Aus da Höh' und Tiafen, Foppt en überall, In da Grad und Schiafen Lus', da Widahall; D' Feuamanna hupfa Spottet uma, schlupfa Zwischen Felb und Eal Um dees klogat Heal.

Wann da Mo vosunka, Wann si üban Wald, Wo der Stean vofunka, Falbt da Himmel bald, Eh' dee Wulkan brenna, Si vom Himmel trenna Schwoaz dee Felsenriff, Thuat a' n letzten Pfiff,

Gehat thuat a greiffa Jatz an's blutat Heaz Nach dem letzten Pfeiffa, Den aushaucht sei Schmeatz; Und vo hoaße Zahra, Wo dee Nix in schwara Wehmuath loant duat bloach, Wiad da Wasen woach.

Na, da Zweag und d' Schaama, Wos hülft s' Liab und Gunst, Kemma niamal z'samma Als im Klang und Dunst; Drum beim Moschei schauri Und so weh und trauri Is 's halt allemal Drunt im Schaamathal.

468. Die Burgfrau von Laber.

Mündlich.

Die Frau eines Herrn von Laber hatte, während ihr Gemahl im Kriege abwesend war, großartige Bauten am Schlosse zu Laber begonnen, unter andern den Plan gefaßt, den Laberfluß um die Burg zu leiten. Schon hatte sie große Summen verschwendet, als sie

unvermuthet von der Rückkehr ihres Gatten benachrichtiget wurde. Da fürchtete sie seine Vorwürfe wegen der Summen, welche sie mit dem Baue vergeudet hatte, und stürzte sich in Verzweiflung von dem höchsten Thurme des Schlosses herab.

469. Die Wallfahrtskirche Rehberg bei Beratzhausen.

J.A.v. Reisach hist.-top. Beschr. des Herzogthums Neuburg S. 142.

Ein gewisser Graf und Herr zu Ehrenfels begab sich eines Tages (im Jahre 801) nahe bei Beratzhausen auf die Jagd. Einer seiner Jagdhunde verfolgte ein Reh bis zu einem Baume. Als der Graf herbeikam, fand er das verfolgte Thier an dem Baum auf seinen hinteren Läufen sitzend, mit den vordern sich an den Baum hinauf wendend. Hierüber wunderte sich der Graf, sah gegen den Baum empor und erblickte, o Wunder! in den Zweigen des Baumes das Gnadenbild der heiligen Maria. Dem Rehe wurde nun das Leben geschenkt, und am Fuße des Berges, auf welchem der Baum stand, eine Kirche zu bauen begonnen. – Allein der Bau gerieth bald in's Stocken, denn die Rehe trugen immer bei Nacht die Balken und Steine hinweg und den Berg hinauf zu dem Wunderbaume, daher man endlich bewogen wurde, die Kirche auf den Berg zu versetzen. Diese Sage ist in der Kirche selbst auf einem Gemälde der Decke verewigt.

470. Die Wallfahrt zu Habsberg.

Ldg. Parsberg. – Mündlich.

Ein abgebrannter Bauer zu Unter-Wiesenacker suchte überall Hilfe, fand aber keine. In seiner höchsten Noth nahm er einen Strick und begab sich damit in den Wald bei Habsberg des Willens, sich aufzuhenken. Als er dort ankam, begab er sich vorher in die Kapelle, kniete vor das Muttergottesbild nieder und betete: Ich habe überall umsonst gesucht; weil ich so nicht mehr leben kann, will ich meinem Leben ein Ende machen! Nach diesen Worten ging er zur Kapelle hinaus und war schon daran, sich zu erhenken, als ihm die Muttergottes in Gestalt des Gnadenbildes erschien, eine derbe Maulschelle gab, den Strick zerriß und zu ihm sagte, er solle nur weiter gehen und werde Hilfe finden. Dieses geschah. Auf die Kunde des Vorfalls mehrten sich die Besucher der Wallfahrt, so daß ein neues Kirchlein erbaut werden konnte. Der Strick soll zum Andenken noch in der Kirche hängen.

471. Die drei steinernen Jungfrauen bei Velburg.

Denkwürdigkeiten aus Bayern. Sulzbach 1847, S. 87. Vaterl. Mag. 1840, S. 240.

In der Mitte des Colomanniberges bei Velburg sieht man drei mannshohe nebeneinander stehende Felsen, genannt die drei steinernen Jungfrauen. Ein halbzerrissenes Blatt im Stadtarchive auf dem Rathhause zu Velburg meldet davon: Die drey Töchter eines Ritters uff Velburg seynd von etlich flichtigen Buem davon geführt worten. Der Vater, als er den Raub von weitem noch zuegesehen, ist entbrunnen, und hat über die Metzen gefluegt, so, das die Weibsperson seynd zu stain geworten, und haben Müessen sten bleim.

472. Die Jungfrau von Hochenfels.

Zimmermann Churbayr. geistl. Kal. V., 175.

An der Burg von Hochenfels ragt ein steiler Felsen empor, an dessen Abhang vor Zeiten ein hölzernes Kreuz aufgerichtet worden. Zur Zeit des Schwedenkrieges war ein Fräulein von Hochenfels auf der Burg, durch Schönheit und Tugend ausgezeichnet. Da kam ein schwedischer Offizier in die Gegend, der sah die Jungfrau und entbrannte von Begierde nach ihr. Ueberall stellte er ihr nach, doch vergebens; sie widerstand mit männlichem Muthe seinen

gottlosen Anträgen. Eines Tages verfolgte er sie im Freien mit der Absicht, ihr Gewalt anzuthun. So trieb er die Arme bis auf den Vorsprung des jähen Felsens, der zum Schlosse emporragt. Hinter sich den Verführer, vor sich den Abgrund: was sollte die Verfolgte beginnen? Die Wahl währte nicht lange. Mit Einem Sprunge lag sie zerschmettert im Abgrund. Zum Gedächtnisse der heldenmüthigen That ist hienach ein hölzernes Kreuzbild errichtet worden.

473. Der Berg bei Hohenburg.

Mündlich.

Im Jahre 1335 begaben sich etliche zwanzig Bürger von Amberg in einen hohlen Berg bei Hohenburg und gingen 900 Klafter tief hinein. Sie sahen darin, doch Alles nur im Finstern, viele seltsame Sachen, als Paläste, Bilderwerk, Plätze, rauschende Wasser, fließende Brunnen, große Riesengebeine und unverweste Leichname. Einer von ihnen kehrte aus Furcht zurück, und kam halb todt wieder an's Tageslicht. Ein Anderer wurde von einem Weibe mit einem Stein geworfen, wodurch er beinahe blind wurde. Nach acht Stunden, als sie nicht weiter kommen konnten, kehrten sie um und erblickten todtenbleich das ersehnte Tageslicht wieder.