Studierende der Humanmedizin 5. Semester ... · • akut ödematös -exsudative Pankreatitis ... CT...

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Studierende der Humanmedizin 5. SemesterUniversitätsmedizin Rostock

Wintersemester 2015/2016

Entzündung - Fallvorstellung

Dr. Frédéric Gabriel

51 j. Frau →Notaufnahme mit Rettungsdienst

• Erbrechen

• messerstichartige Oberbauchschmerzen

− anfänglich in Intervallen, dann konstant

− Ausstrahlung in Unterbauch und Rücken

• Atemfrequenz + O2-Sättigung normwertig

• Blutdruck 200/115 mmHg, Tachykardie 123/min

• Kein Fieber

Körperliche Untersuchung:

• Abdomen

− weich

− ubiquitär starke Spontanschmerzen

− schwache Darmgeräusche in 4 Quadranten

• ansonsten unauffällig

Entzündung - Fallvorstellung

Oberbauchschmerzen: Differentialdiagnose

• Gallenkolik / akute Cholezystitis

• Akute Pankreatitis

• Ulcus duodeni oder ventriculi

• Mesenterialischämie

• Mechanischer Ileus

• Posteriorer Myokardinfarkt

• Aortendissektion

• Rupturiertes Aortenaneurysma

u.v.m.Universität Bochum-Ruhr, Basiskolleg Innere Medizin - Gastroenterologie

Gerinnung

Elektrolyte

Leberenzyme

Entzündung

Cholestase

Niere

Zellumsatz

Pankreas

kleines BB

Zuckerstoffwechsel

Schilddrüse

Notaufnahme: Labor

Peter Simon, Universität Greifswald

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Akute Pankreatitis1.) Diagnose2.) Ursache3.) Schweregrad

Gerinnung

Elektrolyte

Leberenzyme

Entzündung

Cholestase

Niere

Zellumsatz

Pankreas

kleines BB

Zuckerstoffwechsel

Schilddrüse

Notaufnahme: Labor

1.) Diagnose der Akuten Pankreatitis

Vielzahl von Laborparametern zur Diagnosesicherung

Kein einziger der Serumlipase-Bestimmung überlegen

Sensitivität und Spezifität:

jeweils 82 – 100% bei 3-facher Erhöhung über oberen Grenzwert

Zusätzliche Bestimmung von Amylase : kein diagnostischer Zugewinn

Höhe der Amylase und Lipase-Aktivitäten

→ kein Rückschluss auf Schweregrad

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. M.G. Bachem, Universitätsklinikum Ulm

Zeitlicher Verlauf von Leukozyten, CRP, Lipase

Nach kurzzeitiger Besserung des AZ → Tag 11 wieder starke Bauchschmerzen, keine Darmgeräusche. → Notfall-CT → V.a. Ileus ausgeschlossen

Tag 11

Höhe der Lipase-Aktivität → kein Rückschluss auf Schweregrad

Symptome der akuten Pankreatitis

Symptom Häufigkeit (%)

Gürtelförmiger Bauchschmerz 90

Erbrechen 80

Paralytischer (Sub)-Ileus 70

Fieber 60

Gummibauch 60

Tachykardie 50

Vigilanzstörung 10

Grey-Turner, Cullen-Zeichen 1

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

↓↓

Meist uncharakteristische Schmerzen in der Voranamnesemit Koliken (Gallensteine) bzw. Oberbauchschmerzen (chronische Pankreatitis wegen C2)

Meist plötzlicher Beginn mit Schmerzen im Oberbauch, Oberbauchperitonismus. Schmerzaustrahlung gürtelförmig in den Rücken, in die Schulter und gegen den Unterbauch.Die Schmerzen nehmen stetig an Intensität zu.

(Ober)bauchschmerzen - Schmerzmuster

Akute Cholezystitis

Säuberli, Largiadèr, Das Akute Abdomen, Verlag Hans Huber, Bern

Rupturiertes Aortenaneurysma

PerforiertesGastroduodenalulkus

Akute Pankreatitis

2.) Ursachen der Pankreatitis

Ursachen Häufigkeit (%)

• Häufig− Gallensteinleiden 35 − 40− Alkohol 35 − 40− Iatrogen ∗ Medikamentös (Azathioprin, Valproinsäure, Virostatika) 3 − 5

∗ Post-ERCP 1 − 5∗ Postoperativ, Trauma 1 − 3

• Selten− Hyperlipidämie (Typ I, IV, V)

− Virusinfekte (Mumps)

− Hyperkalzämie

− Medikamente

− Pancreas divisum

− Hereditäre Pankreatitis

• Ausschlussdiagnose

− Idiopathisch 1W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Peter Simon, Universität Greifswald

Ursache der Pankreatitis

Klärung der Ätiologie → Konsequenzen:

− Prognose bei alkoholischer Pankreatitis schlechter

− Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) bei biliärer Pankreatitis

→ Bedeutung von

− Anamnese (Alkoholkonsum, Gallensteine, Koliken, Stuhlentfärbung, Urindunkelfärbung)

− klinischer Untersuchung

− Labordiagnostik

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Bilirubin-Urobilinogen-Kreislauf

ausgestrichene Pfeile: Bilirubin-Diglucuronid - gepünktelte Pfeile: Urobilinogen

Harper‘s Review of

Biochemistry,

18th ed.

Nachweis/Auschluss Biliäre Pankreatitis

Frühzeitige Abgrenzung der biliären Pankreatitis→ endoskopische SteinentfernungNachweis: − Alkalische Phosphatase− Gammaglutamyltransferase (γGT)− Bilirubin− Aspartat-Aminotransferase (AST)− Alanin-Aminotransferase (ALT)

↑ ALT auf > 300% der oberen Grenze des Normbereichs → Positiv Prädiktiver Wert von 95% für biliäre Genese

Procalcitonin und Computertomographie zum Auschluss/Nachweis einer biliären Pankreatitisentbehrlich

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 – 832P. Veit 2011, Clin. Gastroenterol. Hepatol. 9, 995-1000

Cholestaseparameter

Gerinnung

Elektrolyte

Leberenzyme

Entzündung

Cholestase

Niere

Zellumsatz

Pankreas

kleines BB

Zuckerstoffwechsel

Schilddrüse

Notaufnahme: Labor

Erkrankungen mit Erhöhung der Alanin-Aminotransferase (ALT)

Renz 2009, Praktische Labordiagnostik, de Gruyter

Lichtinghagen, DGKL-Kurs 2013, Medizinische Hochschule Hannover

Sonographie von Gallenblase und Gallenwegen: hohe Sensitivität und Spezifität

wichtigste Untersuchungsmethode in der Diagnosestellung von Gallensteinleiden und von entzündlichen Erkrankungen der Gallenblase

Nachweis/Auschluß Biliäre Pankreatitis

http://www.swiss-magen-darm.com/de/gallenwege.html

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Ruhr-Universität Bochum

Erweiterung des Ductus hepaticus communis= common bile duct (CBD)

Endosonographie der Gallenwege und des Pankreasdem konventionellen Ultraschall insbesondere im Nachweis präpapillärer Konkremente überlegen

Endoskop mit an der Spitze eingebautem UltraschallkopfSchallkopf über Duodenum nahe an das Zielorgan herangebracht →Veränderungen in den Zielorganen gut erkennbar.

Endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP): − Direkte Darstellung der Gallenwege / Bauchspeicheldrüsengang mit Röntgenkontrastmitteln − Durchführung von therapeutischen Eingriffen (z.B. Entfernung von eingeklemmten Gallensteinen).

Nachweis/Auschluß Biliäre Pankreatitis

http://www.swiss-magen-darm.com/de/gallenwege.html

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Ruhr-Universität Bochum

Patientin → Oberbauchsonographie (2 Tage nach Aufnahme):

Eingeschränkte Schallbedingungen bei Adipositas und Luftüberlagerung Soweit sonographisch beurteilbar :

• akut ödematös-exsudative PankreatitisExsudatstraße in der Bursa omentalis sowie perilienal, perihepatisch und perirenal rechtsseitig; auch eine Exsudatstraße in die mesenterialenStrukturen ziehend.

• Steatosis hepatis• Sludgeartiges Material im Gallenblasenlumen (Ansammlung von Mucus, Kalziumbilirubinat

und Cholesterinkristallen)

Anfänglich deutlich erhöhte Transaminasen und Gamma-GT + konstant sinkendes Calcium→ Endosonographie

Endosonographie (3 Tage nach Aufnahme):

• akute ödematös-exsudative Pankreatitis• keine Choledocholithiasis• keine Cholezystolithiasis

Pankreas

Lagebeziehung des Pankreas zum Peritoneum

Eingang zur Bursa omentalis

Fritsch/Kühnel, Taschenatlas Anatomie, Thieme, 11. Auflage

3.) Ausprägung der Pankreatitis

Leichte/ödematöse ↔ schwere/nekrotisierende Pankreatitis

Schwere akute Pankreatitis erfordert frühzeitige intensivmedizinische Überwachung und Therapie

Trotz großer diagnostischer Fortschritte frühe Prädiktion des Schweregrades unbefriedigend

C-reaktives Protein: Erhöhung über 150 mg/l spricht für nekrotisierende Pankreatitis

CRP hierbei Zytokinen wie IL-1, IL-8 und TNFα überlegen, dem IL-6 zumindest gleichwertig

CRP preiswerter und überall verfügbar.

Für eine Reihe weiterer klinisch-chemischer Parameter wie u.a. Procalcitonin

steht Beweis eines diagnostisch-prädiktiven Zugewinns noch aus.

Aufgrund der Latenz des CRP-Anstieges Parameter erst nach 2 bis 3 Tagen prädiktiv

→ obige Parameter in der Primärversorger-Situation keinen ausreichenden prädiktiven Wert.

Frage nach dem Schmerzbeginn: Patienten mit schwerer Pankreatitis suchen Arzt signifikant

häufiger innerhalb der ersten 24h nach Schmerzbeginn auf.

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

3. Tag des Krankenhausaufenthaltes

Möglicher Hinweis auf einen schweren Krankheitsverlauf

KIM 11, 2 Tage nach Aufnahme

Notaufnahme

Systemische Erscheinungen (selbst bei mildem Verlauf möglich)

Akute Pankreatitis: intrazelluläre Aktivierung von Verdauungsenzymen→ Selbstverdau des Pankreasgewebe = grundlegende pathophysiologische UrsacheNichtinfektiöse Zerstörung des Pankreasparenchyms → Lokale Entzündungsreaktion

Besonderheit bei der Akuten Pankreatitis: Ausweitung des lokalen Krankheitgeschehens→ Generalisierte systemische Entzündungsreaktion→ Systemische Manifestationen im Endeffekt meistens verantwortlich

für Schwere des Verlaufs und Mortalität

→ Meisten Patienten mit einer selbst milden Pankreatitis entwickeln systemische Krankheitserscheinungenwie Fieber, Tachykardie, Hypovolämie, Tachypnoe und Hypoxie,12% der Patienten mit Akuter Pankreatitis: Respiratorische Insuffizienz, Schock

Akute Pankreatitis − Pathophysiologische Ursache und Besonderheit

Schwere Akute Pankreatitis

intravasales Volumen ↓ ↑ Hämatokrit

↓ Cardiac Output

O2-Versorgungder Gewebe ↓

↑ Lactat

Metabolische Azidose

Hämodynamische Komplikationen der akuten Pankreatitis

Prärenales Nierenversagen

↑ Kreatinin

• Erstuntersuchung • nach 48 Stunden− Alter > 55 Jahre − Volumendefizit > 6 l − Leukozyten > 16 G/l − Anstieg von Urea um > 1.8 mM (5 mg/dl)− ASAT > 250 U/l − Base excess < - 4 mM− LDH > 350 U/l − paO2 ≤ 8 kPa (60 mmHg)− Blutzucker > 11.1 mM − Ca < 2mM

− Abfall (???) des Hämatokrits um > 10%

Pro Komponente 1 Punkt

Letalität (1974)0-2 Punkte <1%3-4 Punkte 15%5-6 Punkte 40%>6 Punkte 100%

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Akute Pankreatitis − Abschätzung des Schweregrades

Ranson-Kriterien

ja

ja

jaja

ja

11.1 mM

51 Jahre

9.7 mM

188 U/l

408 U/l

Tag 2: 1.65 mM

Tag 2: 4.0 mM

Tag 5: 8.4 mM

Base excess < - 4 mM

Tag 3: -6.8 mM

16.5 GPT/L

Akute Pankreatitis − Abschätzung des Schweregrades• Hyperglykämie prognostisch ungünstig:

Blutzuckerspiegel (Ref. 4.1 – 6.6) > 6.9 mM →hohe Sensitivität (83%) und hoher negativ prädiktiver Wert (92%)für Auftreten einer nekrotisierenden Pankreatitis

• Hämatokrit→ Abschätzung des Blutverlustes (Hämorrhagische Pancreatitis ←Ranson Kriterien)

→ Abschätzung der Hypovolämie

Hämokrit > 43% (Mann) bzw. > 39,6% (Frau, Ref. 35 – 47%) →hohe Sensitivität (74%) und hoher negativ prädiktiver Wert (88%)für Auftreten einer nekrotisierenden Pankreatitis

→ Nicht jeder Patient mit diesen Werten wird eine nekrotisierende Pankreatitis entwickeln,aber diese unwahrscheinlich, wenn keine Hyperglykämie bzw. keine Hk-Erhöhung vorliegen

• Harnstoff (Ref. 3.6 – 5.1): hoher frühzeitiger prognostischer WertAuswertung von ~ 18000 Fällen: Erhöhung auf > 4.2 mMals einziger Laborparameter der ersten 24 h nach Aufnahme signifikant mit Letalität assoziiert,im Gegensatz zu allen anderen Ranson-Score Parametern

↑ Harnstoff →Zeichen einer eingeschränkten Nierenfunktion, Dehydrierung

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

Anzahl Kranke

Anzahl Nicht-Kranke

Cutoff

positivnegativ

Messergebnis

rp

fn

rn

fp

Negativ prädiktiver Wert =rn / (rn + fn)

Zusammenhang Sensitivität − negativ prädiktiver Wert

Sensitivität =rp / (rp + fn)

• Intensivmedizinischer Score• 12 Akutparameter• Alterspunkte•Punkte für chronische Vorerkrankungen→ Schwere Pankreatitis wahrscheinlich bei ≥ 8 Punkten

− Ausreichende Prognose frühestens nach 2 Tagen− Vorhersage einer schweren Pankreatitis bei Aufnahme:

Sensitivität 36%, positiv-prädiktiver Wert 24%

Akute Pankreatitis, Abschätzung des Schwergrades: Apache-II-Score

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

in ähnlicher Form auch in den Ranson-Kriterien enthalten

Labor-parameter

Akute Pankreatitis, Abschätzung des Schweregrades: Computer-Tomografie mit i.v. Kontrastmittel

• vitales Gewebe nimmt KM auf ↔ fehlende KM-Aufnahme durch nekrotische Areale

•2 Tage nach Aufnahme: späteres Ausmaß der Erkrankung nicht erkennbar

•erst 7 Tage nach Aufnahme ausreichende Ausagekraft

• in der Frühphase der Erkrankung allenfalls sinnvoll zum Auschluß anderer Erkrankungen (gleiches gilt für das NMR)

W. Huber, R.M. Schmid 2011, Internist, 52, 823 - 832

CT Oberbauch arteriell und Abdomen portalvenös mit 100 ml Ultravist i.v. und KM oral (5 Tage nach Aufnahme):

• Paralytische Spiegelbildungen im Duodenum und Colon ascendens

ohne Nachweis eines paralytischen Ileus.

• Bekannte akute exsudative ödematöse Pankreatitis mit zunehmenden fluiden Infiltrationen abdominal, betont peripankreatisch und perihepatischim Vergleich zur Voruntersuchung.

• Kein Nachweis einer Abszess-typischen oder Pseudozysten-Formation.

• Kein eindeutiger Nachweis einer Nekrotisierung.

• Gallenblasenhydrops. Kein Nachweis einer intrahepatischen Cholestase.

• Steatosis hepatis.

• Pleuraergüsse bds.

Diagnosen:

• Akute ethyltoxische Pankreatitis, ödematös-exsudativ

− chron. C2-Abusus

− prärenales akutes Nierenversagen

• Steatosis hepatis

• Gallenblasensludge