Teil1 neu Augsburg AllgemeineDidaktik VorlesungDidaktik der Physik, Universität Augsburg Vorlesung....

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Allgemeine Fachdidaktik

Prof. Dr. Thomas WilhelmDidaktik der Physik, Universität Augsburg

Vorlesung

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Gliederung der Vorlesung

1. Begründung von Physikunterricht

2. Ziele des Physikunterrichts2.1. Klassifikation von Lernzielen2.2. Möglichkeiten der Zielfindung2.3 Die Bildungsstandards

3. Elementarisierung3.1. Was heißt „Elementarisieren“?3.2. Elementarisierung in Beispielen3.3. Möglichkeiten der Vereinfachungen3.4. Elementarisieren durch Analogien

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Gliederung der Vorlesung

4. Methoden im Physikunterricht4.1 Sozialformen4.2 Neuere methodische Großformen4.3 Unterrichtskonzepte im Physikunterricht4.4 Stufen- und Phasenschemata des Unterrichts

5. Medien im Physikunterricht5.1 Grundlegendes5.2 Klassische Medien im Physikunterricht5.3 Computer im Physikunterricht

WS 2011/12Allgemeine Physikdidaktik

6. Experimente

7. Evaluation6.1 Begriffsklärung und Grundlagen6.2 Individualebene (Messung des Lernerfolgs)6.3 Unterrichtsebene (Bewertung des Unterrichts)6.4 Systemebene (Bewertung des Bildungssystems)

8. Arten von Inhalten

Gliederung der Vorlesung

Thomas Wilhelm

WS 2011/12Allgemeine Physikdidaktik

9. Interesse und Physikunterricht

10. Mädchen im Physikunterricht- Einführung- Ursachen für die Unterschiede bei Interesse und Leistung- Ansatzpunkte für mädchengerechten Unterricht- Projekte zur Förderung der Interessen der Mädchen- Fazit- Heute Jungenförderung nötig?

Gliederung der Vorlesung

Thomas Wilhelm

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Verweise auf Lehrbücher

Lehrbücher

Kapitel

der Vorlesung

Hopf, Schecker,

Wiesner:

Physikdidaktik

kompakt

Kircher, Girwidz,

Häußler:

Physikdidaktik.

Theorie und

Praxis

Kircher, Girwidz,

Häußler:

Physikdidaktik. Eine

Einführung

Bleichroth, Dahncke,

Jung, Kuhn, Merzyn,

Weltner:

Fachdidaktik Physik

Mikelskis (Hrsg.):

Physik-Didaktik,

2006

Willer:

Didaktik des

Physikunter-

richts

1 und 2:

Ziele des

Physikunterrichts

Kapitel 2+3,

S. 16 - 28

S. 13 - 100

Kapitel 1+2,

1. Auflage:

S. 11 - 96

2. Auflage:

S. 11 - 106

Kapitel 1.2 + 1.3, S. 37 - 57,

Kapitel 2.2.1,

S. 101 - 108

Kapitel 1.,

S. 11 - 51

Kapitel 4,

S. 79 - 102

3:

Elementarisierung

Kapitel 9,

S. 72 - 77

S. 101 - 134

Kapitel 3,

1. Auflage:

S. 97 - 130

2. Auflage:

S. 107 - 142

Kapitel 2.2,

S. 109 - 129

Kapitel 3.1,

S. 86 - 102-

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Verweise auf Lehrbücher

Lehrbücher

Kapitel

der Vorlesung

Kircher,

Girwidz,

Häußler:

Physikdidaktik.

Eine Einführung

in Theorie und

Praxis

Kircher,

Girwidz,

Häußler:

Physikdidaktik.

Theorie und

Praxis

Mikelskis-

Seifert (Hrsg.):

Physik

Methodik

Hopf,

Schecker,

Wiesner:

Physikdidaktik

kompakt

Bleichroth,

Dahncke, Jung,

Kuhn,

Merzyn, Weltner:

Fachdidaktik

Physik

Mikelskis

(Hrsg.):

Physik

Didaktik

4:

Methoden im

Physikunterricht

Kapitel 5 Kapitel 4 Kapitel 1 - 15

Kapitel 10 -

12,

S. 78 - 98

Kapitel 4.1 – 4.3,

4.7, 5Kapitel 7.1

5:

MedienKapitel 6.1 – 6.5 Kapitel 5.1-5.4 -

Kapitel 15,

S. 115 - 122Kapitel 6 + 4.5 Kapitel 6.2

identisch neu

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

1. Begründung von Physikunterricht

Bildungstheoretische Begründungen Die Bildungstheorie entstand zu Beginn des 19.Jhdts in Deutschland

(Humboldt, Schleiermacher): Glorifizierung der Antike. Deshalb Griechisch und Latein, aber keine Naturwissenschaften. Formale Bildung (verantwortungsbewusst, handlungsbereit etc.) statt materiale Bildung (Fakten, Gesetzmäßigkeiten, Erklärungen).

Später: Einheit von formaler und materialer Bildung, Menschenbildung auch durch die naturwissenschaftliche Methode. Physikunterricht trägt zum mündigen Bürger bei.

Pragmatische Begründungen Pragmatische Schultheorie in Amerika (Dewey) als Gegenentwurf zu

obigen Humanismus. Hintergrund: Pragmatismus (zweckorientiert, fortschrittsgläubig). Naturwissenschaften haben wirtschaftliche und soziale Folgen für Individuum und Gesellschaft.

Deshalb in USA ab Beginn 20. Jhdt. Aufschwung des naturwissen-schaftlichen Unterrichts. In Deutschland erst in 60er Jahren.

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1. Begründung von Physikunterricht

Die physikalische Dimension des Physikunterrichts Physikalische Theorien sind Kulturgüter. Physik hat einen Einfluss

auf das Weltbild der Zeit. Physik hat allgemeinbildenden Aspekt.

Die gesellschaftliche Dimension des Physikunterrichts Wir sind eine technische Gesellschaft. Naturwissenschaftlicher Unterricht ist nötig, um anstehende

Probleme zu lösen und die technische Welt zu verstehen.

Die pädagogische Dimension des Physikunterrichts Der Umgang mit den Dingen der Realität und der soziale Umgang

sind Voraussetzung für allgemeinbildende Ziele (individuelle und soziale Kompetenz).

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2. Ziele des Physikunterrichts

Gliederung:

2.1 Klassifikation von Lernzielen

2.2 Möglichkeiten der Zielfindung

2.3 Die Bildungsstandards

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2.1 Klassifikation von Lernzielen

0. Sinn von Zielen Anhaltspunkte für Kommunikation über den Unterricht. Sie strukturieren den Unterricht. Sie tragen zu objektiven Beurteilungen bei.

1. Klassifikation nach der Allgemeinheit der Ziele:Zielebenen

Leitziele: Allgemeine Bildungs- und Erziehungsziele Richtziele: Allgemeine fachspezifische Ziele Grobziele: Konkrete Lernergebnisse einer Unterrichtsstunde oder

-einheit Feinziele: Feinziele unterteilen Grobziele in spezifische Einzelziele

einer Unterrichtsstunde

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2.1 Klassifikation von Lernzielen

Bemerkungen: Man kann nicht von einem allgemeinen Ziel die speziellen Ziele ableiten.

Illustration der Zielebenen: Leitziel: Motto über den Eingang des Schulhauses Richtziel: Motto über der Tür zum Physikraum oder Physiktrakt Grobziel: Stundenthema als Überschrift an der Tafel Feinziele: Als Merksätze oder Aufgaben in Heft oder Klassenarbeit

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.1 Klassifikation von Lernzielen

Nebenbemerkung: Psychologische Klassifikation der Ziele: Kognitive Ziele: Denk-, Wahrnehmungs- und Gedächtnisbereich Affektive Ziele: Bereich der Interessen, Einstellungen und Gefühle Psychomotorische Ziele: Bereich der Tätigkeiten

2. Fachdidaktische Klassifikation der Ziele: Zielklassen Konzeptziele: konkretes Wissens (Wissen von Einzelheiten/Fakten,

Wissen über Begriffe/Theorien, Verstehen von Zusammenhängen, höhere kognitive Fähigkeiten, Bewerten)

Prozessziele: Physikalische und technische Fähigkeiten und Fertigkeiten (5 Aspekte zu physikalischen Methoden)

Soziale Ziele: Wünschenswertes, sinnvolles und nützliches Verhalten in der Gesellschaft

Ziele über Einstellungen und Werte: Änderung von Einstellungen und Werthaltungen

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2.1 Klassifikation von Lernzielen

3. Klassifikation nach der Komplexität der Ziele:Zielstufen (= Anforderungsstufen)

Lernzieltaxonomie nach H. Roth Lernzieltaxonomie von Bloomfür den kognitiven Bereich

Reproduktion: Reine Wiedergabe von Sachverhalten in der behandelten Weise

Wissen: Reine Wiedergabe von Sachverhalten in der ursprünglichen Form

Reorganisation: Zusammenhängende Darstellung von bekannten Sachverhalten mit eigenen Worten

Verstehen: Fähigkeit, mitgeteilte Informationen umzuformen, zu interpretieren und zu verallgemeinern

Transfer: Übertragung eines Sachverhaltes auf einen (struktur-) ähnlichen Sachverhalt

Anwenden: Fähigkeit, allgemeine Regeln und Methoden in speziellen Situationen zu nutzen

Analyse: Fähigkeit, Situationen in Elemente zu zerlegen und Abhängigkeiten aufzuzeigen

Problemlösen: Anwendung von Bekanntem auf ein neuartiges Problem

Synthese: Fähigkeit, einzelne Elemente durch Kombination zu etwas Neuem zu verbinden

Bewertung: Fähigkeit, Urteile zu fällen (z.B. Widerspruchsfreiheit)

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4. Bemerkungen: Lernziele können also unterschiedlich gegliedert werden: nach

Inhaltsbereich, nach den Anforderungen (= Zielstufen), nach Umfang oder Abgrenzbarkeit (= Zielebenen) oder nach der Überprüfbarkeit.

Zielebene Umfang Abgrenzbarkeit Überprüfbarkeit

Leitziel hoch gering gering

Richtziel hoch gering gering

Grobziel

Feinziel gering hoch hoch

2.1 Klassifikation von Lernzielen

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

4. Bemerkungen: 60er Jahre (realistische Wende in der Pädagogik):

Alle Ziele müssen so formuliert sein, dass man überprüfen kann, ob sie erreicht wurden.

Man sagte: Ziele müssen operationalisierbar sein(operationalisierte Ziele).

Vorteil: Leichte Überprüfbarkeit des Unterrichtserfolgs

Aber: Nicht alle Lernziele sind operationalisierbar (komplexe Fähigkeiten, Bildung, also größere allgemeine Ziele).

Unterricht darf nicht nur an operationalisierbaren Zielen ausgerichtet sein.

2.1 Klassifikation von Lernzielen

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2 Möglichkeiten der Zielfindung

1. Verschiedenes Vorgehen zur Zielfindung

Ein Lernziel ist nicht „richtig“ oder „falsch“! Ziele sind Setzungen.

Ziele werden gesammelt (Brainstorming), gewichtet und aussortiert. Häufig nicht systematisch, sondern intuitiv (z.B. Lehrpläne).

Besser: Systematisch suchen und sammeln.Durch eine Befragung von vielen Experten alle Ziele zu sammeln, ist in der Regel nicht möglich, höchstens bei kleinen Gebieten.

Hilfen zum Sammeln sind: die didaktische Analyse von Klafki oder fachspezifische Fragenkataloge.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2 Möglichkeiten der Zielfindung

2. Die didaktische Analyse von Klafki:vier Zieldimensionen

Für die Konzeption von Unterrichtseinheiten(aber auch Lehrplänen) ist dies ein mögliches Planungsinstrument.

Nach Klafki kann man vier Dimensionen unterscheiden, um ein Thema didaktisch auszuloten: 1. Der allgemeine Sinn oder der Gehalt eines Themas 2. Die Gegenwartsbedeutung aus Sicht der Schüler 3. Die Zukunftsbedeutung eines Themas für den Schüler für sein Leben

(pragmatische Sicht) 4. Die Innere Struktur des Themas (in Bezug zur Struktur der inneren

Schulphysik)

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2 Möglichkeiten der Zielfindung

3. Fragekataloge für die Inhaltsauswahl

Für eine gute Unterrichtsvorbereitung ist eine sorgfältige Analyse der Zielvorstellungen nötig.

Für die Planung von Unterrichtseinheiten sind fachspezifische Fragenkataloge hilfreich.

Es gibt verschiedene Fragekataloge.

Im Folgenden zwei Beispiele.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2.3 Fragenkataloge

2.2.3.1 Ein Fragenkatalog von Kircherentsprechend den vier Zieldimensionen von Klafki (siehe 3.2.2):

1. Zu allgemeiner Sinn oder Gehalt des Themas (über das spezielle Thema hinaus):Ist der Inhalt geeignet, exemplarisch das idealistische Motiv der Naturwissenschaft „Wahrheitssuche“ zu

illustrieren? Erkenntnis- / wissenschaftstheoretische Aspekte der naturwissenschaftlichen Wahrheitssuche thematisieren Grenzen des physikalischen Weltbildes aufzeigen Historische Beispiele der nutzenfreien Forschung kennen (z.B. Einstein)

das pragmatische Motiv der Naturwissenschaften „Beherrschung der Natur”zu illustrieren?

Positive Auswirkungen der Naturwissenschaften / der Technik in der Lebenswelt (Arbeitswelt, Freizeit, Haushalt und öffentliche Dienste) selbstständig erarbeiten

Negative Auswirkungen (der Naturwissenschaften) / der Physik / der Technik für den lokalen und globalen Frieden, für die Arbeitswelt, für die Freizeit, für die lokale / regionale / globale Umwelt durch Projektarbeit analysieren und problematisieren

das wertorientierte Motiv „Erhaltung der Lebensgrundlagen für das Biosystem” als Grundeinstellung zu internalisieren?

Die Komplexität und Sensitivität des Biosystems verstehen, einschließlich dessen Grundlagen Erde, Wasser, Luft. Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kennen, unterstützen, in die Wege leiten. Die Notwendigkeit der nachhaltigen, zukunftsfähigen Nutzung, sowie Recycling von Wertstoffen einsehen und Konsequenzen für den eigenen

Lebensstil ziehen. Probleme des anthropozentrischen Weltbildes diskutieren

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2.3 Fragenkataloge

2. Zu (Gegenwarts-) Bedeutung aus der Sicht des Lernenden:

Ist der Inhalt geeignet, das Weltbild/ den Lebensstil der Kinder und Jugendlichen zu berühren, zu

beeinflussen, zu ändern, zu festigen?

Selbstbewusstsein entwickeln im Umgang mit technischen Geräten Freude am spielerischen Lernen und Entdecken Selbstorganisiertes, kreatives Lernen ermöglichen Sorgfalt im Umgang mit den Lebensgrundlagen thematisieren Rücksichtnahme in der technischen Gesellschaft (Verhalten im Straßenverkehr) fördern

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2.3 Fragenkataloge

3. Zu Zukunftsbedeutung für Schüler:

Ist der Inhalt geeignet, Kindern und Jugendlichen wichtige Kulturtechniken zur gegenwärtigen

und vielleicht künftigen Lebensbewältigung einzuüben? Relevante Geräte der Lebenswelt beherrschen (Handlungsfähigkeit mit technischen Geräten zur eigenen Sicherheit

aneignen (Fahrrad, Moped, Elektrogeräte)) Arbeitstechniken und Darstellungsweisen einüben Selbständig Informationen über physikalisch/ technische Geräte der Lebenswelt beschaffen und adäquat umsetzen Informationen darstellen und interpretieren Im Team (in der Gruppe) arbeiten Informationen kommunikativ darstellen (Standpunkte individuelle / im Team erarbeiten und in Diskussionen vertreten).

Kindern und Jugendlichen wichtige Informationen vermitteln zur physischen und psychischen Gesunderhaltung? Über Suchtgefahren Bescheid wissen (z. B. Geschwindigkeitsrausch im Straßenverkehr) Gefahren und Gefährdungen in der technischen Gesellschaft kennen (Radioaktivität, Lärm, Laserstrahlen). Vorbeugende Maßnahmen gegen Gefahren in der technischen Gesellschaft kennen, gegen Ursachen eintreten, sich

engagieren.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2.3 Fragenkataloge

4. Zu Innere Struktur des Themas (fachliche Sicht):Ist der Inhalt geeignet, exemplarisch Strukturen der Physik zu vermitteln?

Grundlegende Begriffe und Gesetze der Physik erarbeiten Teilchenmodell, Energieerhaltungssatz

Notwendige Zusammenhänge zwischen Begriffen und Theorien herstellen

Die natürliche und technische Umwelt begreifen Phänomene: Regenbogen, Gewitter, Sonnenfinsternis; Elektromotor, Steuerungen und Regelungen

Grundlegende Methoden der Physik kennen lernen, verstehen, anwenden

Grenzen der Anwendung physikalischer Methoden diskutieren

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.2.3 Fragenkataloge

Ist der Inhalt geeignet, Beispiele

1 Grundlegende Begriffe und Gesetze aus der Naturwissenschaft zu erarbeiten?

-Erhaltungssätze-Energie-Atomistische Struktur der Materie

2 für Naturwissenschaft und Technik wesentliche Denkweisen, Methoden, Darstellungsformen, Arbeitstechniken und Verfahren zu erklären?

-Modellbildung-Quantifizierung, Mathematisierung-Experiment

3 Die Grenzen, Vorläufigkeit und Einseitigkeit naturwissenschaft-licher Aussagen aufzuweisen?

-Zusammenbruch des mechanistischen Weltbildes-Modelle als hypothetische Skizzen-Aspektcharakter der Physik

4 Die Erschließung anderer inhaltlicher Bereiche zu erleichtern -Kybnernetische Grundbegriffe (Information, Steuerung, Rückkopplung)-Physikalische Grundgrößen-Atommodell (→ Chemie)

5 Aufzuweisen, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse technisch verwertbar sind und dass technologischer Fortschritt die Natur-wissenschaft vor neue Erkenntnisprobleme stellen kann?

-Elektromagnetismus und elektrische Antriebe -Laborexperiment und technische Großanlage-Festkörperphysik und Transistortechnologie

6 Die wechselseitige Verflechtung von Naturwissenschaft, Technik, Wirtschaft und sozialer Lebenswelt aufzuweisen?

-Technologischer Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum-Kernphysik und Kernkraftwerk-Automation und Arbeitsplatz

7 Die historische Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik und die jeweiligen Faktoren, die zu dieser Entwicklung geführt haben, aufzuzeigen?

-Historische Entwicklung der Atomvorstellung-Industrialisierung-Verfeinerung der von Menschen geschaffenen Werkzeuge

2.2.3.2 Der Fragenkatalog von Häußler & Lauterbach von 1976 (16 Fragen):

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikEinführung Fachdidaktik 2Thomas Wilhelm

2.2.3 Fragenkataloge

8 Durch Naturwissenschaft und Technik ermöglichte Fehlentwicklun-gen aufzuweisen, d. h., ist er ein kontroverses Thema unserer Zeit?

-Rohstoff- u. Energieverknappung-Ökologie-Krise-Kriegstechnologie

9 Zu demonstrieren, wie Naturwissenschaft und Technik unsere Umwelt verändert haben und wie man zur verantwortungsbewussten Mitgestaltung beitragen kann?

-Veränderung der Landschaft durch technische Großbauten-Energieversorgung und Umweltbelastung-Elektrische Geräte im Haushalt

10 Zu demonstrieren, wie heute naturwissenschaftliche Forschung undtechnische Entwicklung vollzogen oder beeinflusst werden können?

-Festlegung und Förderung von Forschungsschwerpunkten-Spezialisierung, Teamarbeit und internationale Kooperation-Standortbestimmung von technischen Großanlagen

11 Dem Schüler Kenntnisse und Verhaltensgewohnheiten zur physi-schen und psychischen Gesunderhaltung zu vermitteln?

-Verkehrssicherheit-Gefahren des elektrischen Stromes-Verhaltensweisen im Umgang mit anderen

12 Dem Schüler Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten zur unmittel-baren Lebensbewältigung zu vermitteln?

-Manuelle Geschicklichkeit-Lesen von Graphiken, Diagrammen und Tabellen, Interpretation von Texten-Kenntnis von Normen und Vereinbarungen

13 Die natürliche und technische Umwelt begreifen zu helfen? -Erklärung von Phänomenen wie Gewitter, Niederschläge, Ebbe und Flut-Funktionsweise technischer Geräte (Haushalt, Kernkraftwerk)-Alarm- und Kontrolleinrichtungen

14 Neigungen, Interessen und Probleme der Schüler gemäß ihrer Lernerfahrungen zu berücksichtigen?

-Naturwissenschaft und Hobby-Berufswahl-Technisches Spielzeug

15 Selbstorganisiertes Lernen, kreatives Denken und selbständiges wie kooperatives Handeln anzuregen und zu ermöglichen?

-Wir drehen einen Film über Umweltschutz-Projekt: Wohnen-Wir bauen einen Computer

16 Selbständiges Experimentieren der Schüler zu ermöglichen? -Elektronik-Elektrische Maschinen-Elektrischer Stromkreis

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.3 Bildungsstandards

TIMSS und PISA veranlassten hektische Reaktionen der Bildungspolitik.

Kultusministerkonferenz ließ Bildungsstandards einführen. Sie gelten für den „Mittleren Schulabschluss“ nach

Jahrgangsstufe 10. Länder haben sich verpflichtet, sie in der Lehrplanarbeit

umzusetzen (in Physik deutschlandweit seit 2005 gültig). Die länderspezifischen Regelungen sind für die Lehrer die

verbindlichen Vorgaben (hier große Spielräume). Bildungsstandards ersetzen keinen Lehrplan, die Länder

dürfen immer noch Lehrpläne aufstellen.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.3 Bildungsstandards

Bildungsstandards geben keine konkreten Lerninhalte mehr an, sondern Kompetenzen.

Kompetenzen sind Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften als Ergebnis langfristiger Lernprozesse.

Ziele von Bildungsstandards: Kompetenzen sind an unterschiedlichen Inhalten zu erlernen. Wechsel von einer Input-Orientierung hinzu einer Outcome-Orientierung Verschiebung von materialer Bildung zu einer formalen Bildung (Klafki)

Erste bundesweite Querschnittserhebung 2008 zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Schulsystems, dann alle drei Jahre.

WS 2011/12Allgemeine Physikdidaktik

Bildungsstandards in der Physik: beschreiben den Beitrag der Physik zur Allgemeinbildung,

geben Kompetenzbereiche an,

legen Standards fest,

führen verschiedene Anforderungsbereiche ein,

geben Beispiele für Kompetenzen an (Deutschland: Regelkompetenzen, Schweiz: Mindestkompetenzen),

haben somit direkt Auswirkungen auf Lehrpläne und indirekt auf den Unterricht.

2.3 Bildungsstandards

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Vier Kompetenzbereiche:Fachwissen, Erkenntnisgewinnung, Kommunikation, Bewertung

Drei Anforderungsbereiche:„wiedergeben“, „anwenden“, „transferieren“ bzw. „verknüpfen“

Vier Basiskonzepte (= themenübergreifende Leitideen):(1) Materie, (2) Wechselwirkung, (3) Systeme, (4) Energie

Das ergibt ein dreidimensionales Koordinatensystem mit 48 Feldern.

2.3 Bildungsstandards

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.3 Bildungsstandards

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.3 Bildungsstandards

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Die KompetenzmatrixAnforderungsbereich

I Wiedergabe II Anwendung III Transfer

Kom

petenzbereich

Fachwissen

Wissen wiedergebenFakten und einfache physikalische Sachverhalte reproduzieren.

Wissen anwendenPhysikalisches Wissen in einfachen Kontex-ten anwenden, einfache Sachverhalte iden-tifizieren und nutzen, Analogien benennen.

Wissen transferieren und verknüpfenWissen auf teilweise unbekannte Kontexte anwenden, geeignete Sachverhalte auswählen.

Erkenntnis-

gewinnung

Fachmethoden beschreibenPhysikalische Arbeitsweisen, insb. Experimentelle, nachvollziehen bzw. beschreiben.

Fachmethoden nutzenStrategien zur Lösung von Aufgaben nutzen, einfache Experimente planen und durch-führen, Wissen nach Anleitung erschließen.

Fachmethoden problembezogen auswählen und anwendenUnterschiedliche Fachmethoden, auch ein-faches Experimentieren und Mathematisieren, kombiniert und zielgerichtet auswählen und einsetzen, Wissen selbstständig erwerben.

Kom

munikation

Mit vorgegebenen Darstellungs-formen arbeitenEinfache Sachverhalte in Wort und Schrift oder einer anderen vorgege-benen Form unter Anleitung dar-stellen, sachbezogene Fragen stellen

Geeignete Darstellungsformen nutzenSachverhalte fachsprachlich und strukturiert darstellen, auf Beiträge anderer sachgerecht eingehen, Aussagen sachlich begründen.

Darstellungsformen selbstständig auswählen und nutzenDarstellungsformen sach- und adressatengerecht auswählen, anwenden und reflektieren, auf angemessenem Niveau begrenzte Themen diskutieren.

Bew

ertung

Vorgegebene Bewertungen nachvollziehenAuswirkungen physikalischer Er-kenntnisse benennen, einfache, auch technische Kontexte aus physikalischer Sicht erläutern.

Vorgegebene Bewertungen beurteilen und kommentierenDen Aspektcharakter physikalischer Be-trachtungen aufzeigen, zwischen physi-kalischen und anderen Komponenten einer Bewertung unterscheiden.

Eigene Bewertungen vornehmenDie Bedeutung physikalischer Kenntnisse be-urteilen, physikalische Erkenntnisse als Basis für die Bewertung eines Sachverhalts nutzen, Phänomene in einen physikalischen Kontext einordnen.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.3 Bildungsstandards

Das Kompetenzmodell ist ein normatives Raster zur geordneten Beschreibung von Bildungserwartungen.

Betonung von anderen Kompetenzen neben Fachwissen. Gefahr des Eindrucks, Erkenntnisgewinnung,

Kommunikation und Bewertung ist gleichwertig zu Fachwissen. Fachwissen ist aber die Grundlage!

Die Unterrichtszeit nahm ja nicht zu und die reicht nicht aus, um alle diese Ziele zu erreichen.

Die Basiskonzepte laufen quer zu den bisherigen Themenbereichen. Man muss sie als Leitideen ansehen, d.h. als physikalische Brillen. Man kann beim gleichen Sachverhalt verschiedene Brillen aufsetzen.

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2.3 Bildungsstandards

Kritik: Schnell (ca. 1 Jahr) von anonymer Gruppe ausgearbeitet. Ohne Diskussion sofort verbindlich erklärt. Regelstandards (für fiktiven Durchschnittsschüler) statt

Mindeststandards. So weniger verbindlich. Nur für die Jahrgangsstufe 10. Die Kompetenzerwartungen sind unrealistisch hoch (TIMSS und

PISA zeigte, dass sehr wenig Schüler eigenständig argumentieren können und begriffliches Verständnis haben).So wird es demotivierend.

Die Basiskonzepte sind willkürlich gewählt ohne Begründung. Lehrern fällt Interpretation der Basiskonzepte schwer, da es keine

Themenbereiche sind (Themenbereiche werden dadurch nicht entbehrlich).

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

2.3 Bildungsstandards

Folgen für den Physikunterricht: mehr physikalisches Argumentieren, weniger formales Rechnen, deutliche Anwendungsbezüge auf Phänomene aus Alltag und

Technik, keine einseitige Ausrichtung auf Fachwissen, breitere Abdeckung der

Kompetenzbereiche, „neue“ Aufgabenkultur (vorher auch schon erfolglos gefordert), Aufgaben kommen ins Zentrum des Unterrichts (statt nur am Rande

als Übungs- oder Testaufgaben), „neue Experimentierkultur“ bei Schülerexperimenten (z.B.

Einbeziehung der Planung des Experimentes), mehr Kooperation in den Fachkonferenzen an den Schulen.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

Insgesamt: Eine Schwerpunktverschiebung

Positiv: Es ist nicht entscheidend, was und wie gelehrt wurde, sondern, was die Schüler am Ende können.

Negativ: Gefahr der Vernachlässigung der Lernsituation, z.B. welche Sachstruktur funktioniert besser.

2.3 Bildungsstandards

Früher:

Unterrichtsgeschehen(Input und Prozess)

(Lernsituation)

Jetzt:

Kompetenzerwerb(Output)

(Leistungssituation)

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3. Elementarisierung

Gliederung:

3.1 Was heißt „Elementarisieren“?

3.2 Elementarisierung in Beispielen

3.3 Möglichkeiten der Vereinfachungen

3.4 Elementarisieren durch Analogien

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

3.1 Was heißt „Elementarisieren“?

3.1.1 Begriffe

Sachstrukturder Physik

Kleine elementareSinneinheiten

Sachstrukturfür den Unterricht

didaktische Reduktion(auch: Elementarisierung)

Rekonstruktion

Elementarisierung (auch: Didaktische Rekonstruktion )

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3.1.1 Begriffe

Elementarisieren = Vereinfachen, Wesentliches herausarbeiten, in Bestandteile zerlegen

Ziel: kleinere Sinneinheiten

Erklärungsmuster besteht aus Reihe von Erklärungsgliedern.

Das Erklärungsmuster ist eine didaktische Rekonstruktion.

Es gibt verschiedene Elementarisierungen des gleichen Inhalts.

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3.1.2 Kriterien der Elementarisierung

Zunächst ein (sensibilisierendes) Beispiel:“Was ist elektrische Spannung?“ Spannung ist die Voltzahl auf einer Batterie, Spannung ist das, was man mit dem Voltmeter misst, Spannung ist die Kraft, die Elektronen im Leiter bewegt, Spannung ist die Ursache für Stromfluss, Spannung ist Potentialdifferenz, Spannung ist Elektronen(dichte)unterschied, Spannung ist Arbeit pro Ladung, Spannung ist die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses, Spannung kann man mit dem Wasserdruck vergleichen, Spannung U = E ds.

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3.1.2 Kriterien der Elementarisierung

Didaktische Rekonstruktionen sollen sein:fachgerecht, schülergerecht, zielgerecht

1. Fachgerecht = fachlich relevant

Auch Modelle/Analogien sind zugelassen, die außerhalb ihres Modellbereiches evtl. falsch sind.

Gemeint ist auch: „fachlich erweiterbar“: Schüler sollen nicht in jeder Jahrgangsstufe umlernen müssen Grundlegende Bedeutungen bleiben erhalten Begriffe werden evtl. später neu interpretiert, aber frühere Aussagen sind

nicht falsch.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

3.1.2 Kriterien der Elementarisierung

2. Schülergerecht: Entwicklungspsychologische Aspekte sind zu berücksichtigen. Vorwissen und Vorverständnis (fachlich Richtiges und Falsches) sind

zu berücksichtigen (siehe Präkonzepte in „Spezielle Fachdidaktik“). Elementarisierungen sollen anregend und attraktiv sein. Also: psychologisch und soziologisch angemessen!

3. Zielgerecht Da die Schulphysik andere Ziele als die Physik hat, kommt sie auch

zu anderen Sachstrukturen und anderen Sinneinheiten. Ziele entscheiden, was intensiv bzw. oberflächlich bzw. nicht

behandelt wird. Für echtes Verständnis sind z.T. andere Sachstrukturen als die

traditionellen nötig (Beispiel: Kinematik/Dynamik, Druck etc.).

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

3.1.3 Arten der Elementarisierung

1. Möglichkeiten in Physik und Physikdidaktik:

Abstrahieren (von Details)

Idealisieren (z.B. „Massepunkt“, „Lichtstrahl“)

Symbolisieren (mathematische Zeichen, Skizzen)

Theoretische Modelle entwickeln (z.B. Modell Lichtstrahl)

Gegenständliche Modelle als Strukturmodelle bauen (z.B. Gittermodelle von Kristallen, Strukturmodelle von Molekülen)

Gegenständliche Modelle als Funktionsmodelle bauen(z.B. Motormodelle)

Analogien bilden (vertraute Kontexte nutzen)

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

3.1.3 Arten der Elementarisierung

2. Möglichkeiten für das Lehren von Physik: Beschränken auf das Phänomen (z.B. magnetische Phänomene

zeigen) , Beschränken auf das Prinzip (z.B. „Eisenschiffe schwimmen dann,

wenn sie nicht mehr wiegen als das Wasser, das sie verdrängen.“), Beschränken auf das Qualitative (z.B. zwei gleichnamige Magnetpole

stoßen sich ab.), Experimentell veranschaulichen (z.B. Brechung des Lichts in Wasser,

brownsche Molekularbewegung), Bildhaft veranschaulichen (z.B. Wirkung einer Sammellinse), Zerlegen in mehrere methodische Schritte (z.B. Elektromotor), Einbeziehen historischer Entwicklungsstufen (z.B. historische

Atommodelle, historische Messverfahren und Messanordnungen).

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

3.1.4 Grundmuster der Elementarisierung

Gegen Komplexität: schrittweise Rekonstruktion Beispiel von Wagenschein (Luftpumpe):

Wenn ich die eingesperrte Luft zusammendrücke, dann geht das immer schwerer. Gut. Aber das „Ich“ muss heraus. Die Luft ist das Wesentliche.

Je kleiner der Raum der Luft geworden ist, desto größer ihr Druck. Diese Je-desto-Fassung genügt nicht. Die Physik will Zahlen sehen.

Messungen ergeben eine Gesetzmäßigkeit: Wenn das Volumen des Gases fünfmal kleiner geworden ist, dann ist der Druck fünfmal größer geworden. Allgemein: n-mal.

Mathematische Formulierung: Das Produkt Druck mal Volumen immer konstant, p · v = konstant Damit ist inhaltlich nichts gewonnen. Wir haben uns nur einen

Rechenautomaten geschaffen, der uns die Worte abnimmt.

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3.1.4 Grundmuster der Elementarisierung

Im Beispiel sind vier Fassungen eines physikalischen Gesetzes (= vier Stufen der Elementarisierung): Qualitativ Halbquantitativ Quantitativ sprachlich Quantitativ mathematisch

Diese vier methodischen Schritte bilden das physikdidaktische Grundmuster der Elementarisierung

Nicht immer wird das Grundmuster vollständig und in dieser Reihenfolge angewandt.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

3.1.4 Grundmuster der Elementarisierung

Auch Lerntheorien enthalten methodische Grundsätze.

Lerntheorie von Bruner: Sachverhalte werden dargestellt: 1. enaktiv = experimentell handelnd 2. ikonisch = bildhaft 3. symbolisch = sprachlich und evtl. mathematisch

Das ist ein psychologisches Grundmuster der Elementarisierung.

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3.2 Elementarisierung in Beispielen

Wiederholung: Drei Aspekte der Elementarisierung

1. Aspekt der Vereinfachung Anforderungsniveau an Schüler angepasst Aus Lehrersicht: Vereinfachung des Inhalts / Niveauabsenkung

2. Aspekt der Bestimmung des Elementaren Das Elementare ist das Allgemeine, die grundlegende Idee, das Gesetz,

das Prinzip, die tragende Wirkungsweise oder Zweckbestimmung. Die Elementarisierung ist der Vorgang, der die Herausstellung dieser

grundlegende Idee oder den Kerngedanken zum Ziel hat.

3. Aspekt der Zerlegung in methodische Elemente Elemente sind Unterrichtsschritte, die in einer gewissen Abfolge

unterrichtet werden.

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3.2.1 Elementarisierung als Vereinfachung

Vereinfachung = auf niedrigeres Niveau bringen

Inhalte können in drei Formen dargestellt werden: 1. verbalsprachlich 2. bildhaft-symbolisch 3. formal-mathematisch

Beispiele für diese Darstellungenmit Bewertung der Elementarisierung bzw.mit Vorschlägen für weitere Vereinfachungen:siehe Übung, Aufgabe 7!

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3.2.1 Elementarisierung als Vereinfachung

Elementarisierung: Verminderung der Abstraktheit undAbbau der Komplexität

D.h. Rückführung zum Konkreten undReduzieren der Anzahl der Elemente

Eine konstruktive Aufgabe: ausdenken, entwickeln, erfinden(braucht Erfahrung, Phantasie, Kreativität).

Vorgehensweisen zur Vereinfachung sind z.B.: 1. Rückführung auf das Qualitative 2. Vernachlässigung 3. Überführung in bildhaft-symbolische Darstellungen

Schema- oder Schnittzeichnungen (z.B. Viertakt-Motor, Dosenbarometer) Graphen (z.B. s-t-Diagramm) Schaltbilder Analogiemodelle

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3.2.2 Elementarisierungals Bestimmung des Elementaren

Das Elementare ist meist die allgemeine Gesetzmäßigkeit. Bei physikalischen Begriffen: Elementare = Idee Bei technischen Geräten/Sachverhalten:

Elementare = Physikalisch genutzte Gesetzmäßigkeit Elementare = konstruktiv-technische Idee Beispiel: Stromwendermotor (Gleichstrom)

Elementare aus Sicht der Physik: Kräfte Elementare aus Sicht der Technik: Rotation und Kommutator

Möglichkeiten der Elementarisierung: 1. Generalisierung 2. Musterbeispiele 3. Frühere historische Entwicklungsstufen

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3.2.3 Elementarisierungals Zerlegung in Elemente

Der Inhalt muss in Elemente zerlegt werden, die in eine Abfolge gebracht werden, zur schrittweisen Aneignung des Inhalts

Beispiel Kompressor-Kühlschrank Unter physikalischem Aspekt (Abkühlung beim Verdunsten):

1. Aktualisieren von Vorerfahrung: Frieren bei nasser Haut 2. Erweiterung: Flüssigkeiten mit stärkerem Abkühlungseffekt 3. Beschleunigung durch Abpumpen des Dampfes

Unter technischem Aspekt (Kühlmittelkreislauf): 1. Verstärkung durch Absaugen des Dampfes 2. Platz sparend aufbewahren durch Kompression 3. Verflüssigung durch Abkühlung 4. Rückführung zum Verdampfer über Ventil (Kapillare)

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3.3 Möglichkeiten der Vereinfachung

Nach den Beispielen nochmals Möglichkeiten der Vereinfachung:

1. Vereinfachung durch Experimente 2. Vereinfachung durch ikonische Darstellungen 3. Vereinfachung durch symbolische Darstellungen

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3.3.1 Vereinfachung durch Experimente

1. Experimente demonstrieren charakteristische Eigenschaften Beispiel: Reflexion, Brechung, Beugung Messgeräte können mathematische Operationen ersetzen

2. Experimente veranschaulichen Idealisierungen bei Begriffen (z.B. )

3. Analogversuche illustrieren relevante Eigenschaften(z.B. Mausefallenversuch, Streichhölzerversuch, Dominosteine, Bierschaumzerfall, Münzen in Schachtel, Magnete und Muttern)

tx

v

:

tx

vt

0lim:

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3.3.2 Vereinfachung durch ikonischeDarstellungen

1. Abbilder (= Abbildungen) Zeigen Merkmale eines existierenden Objektes, die visuell

wahrnehmbar sind. D.h. sie zeigen das Aussehen vonGegenständen.

Beispiele: Fotographien, Zeichnungen, Gemälde,Filme, Animationen.

Teile werden weggelassen, andere betont. Fürs Lernen wichtig: Reduktion aufs Wesentliche,

Symboldarstellungen, z.B. Schaltskizze(weniger wichtig: realitätsnahe Abbildungen)

Auch Abläufe sind darstellbar.

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3.3.2 Vereinfachung durch ikonischeDarstellungen

2. Logische Bilder Inhalt ist in der Realität nicht direkt beobachtbar. Sie benutzen eine bestimmte Kodierung. Für qualitative Zusammenhänge:

Venn-Diagramme, Graphen aus Koten und Linien Beispiel: Darstellung von Wirkungszusammenhänge

in graphischer Modellbildung Beispiel: Feynman-Diagramm

Für quantitative Zusammenhänge: Liniendiagramme, Histogramme, Balken-, Säulen-,

Kreis-, Streu- und Isotypendiagramme Beispiel für Symbol: Pfeil in Animation gibt Richtung und Betrag der

Geschwindigkeit an (dynamisch ikonische Repräsentation)

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3.3.2 Vereinfachung durch ikonischeDarstellungen

3. Analoge Bilder (= bildliche Analogien) in äußerer Gestaltung wie Abbildungen zielen auf analoge Bedeutung versuchen, Zusammenhang zwischen vertrauten

Dingen und neuen Inhalten herzustellen verweisen auf nicht dargestellte Strukturen,

Relationen, Funktionen, Prozesse Beispiel: Größenverhältnis von Atomkern und

Atomhülle entspricht Kirsche und Fußballfeld Es gibt strukturelle Analogien

(z.B. Aufbau Atom - Aufbau Planetensystem)und funktionale Analogie(z.B. Elektronendrift als Bild für elektrischen Strom in Metallen)

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3.3.3 Vereinfachung durch symbolische Darstellungen

Schriftzeichen verschiedener Alphabete, Symbole der Mathematik, spezielle Zeichen in der theoretischen Physik, z.B. „bra-ket“-Schreibweise Maximal informativ bei Minimum an Zeichen und Symbolen

Sehr wichtig: Darstellung physikalischer Größen durch Pfeile (liegt zwischen ikonischer und symbolischer Darstellung, eher ikonisch)

Ersetzen mathematischer Operationen durch geometrische Konstruktionen: Vektorsumme bei Kräften und Bewegungen Skalarprodukt bei mechanischer Arbeit Weg als Fläche unter dem t-v-Graphen

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3.3.3 Vereinfachung durch symbolische Darstellungen

Beispiel: Zeichnerische Bestimmung des Gesamtwiderstand einer Parallelschaltung

Zeichne R1 und R2 parallelals Strecke ein und verbindedie Endpunkte

Die parallele Streckebis zum Schnittpunkt ist Rges.

Beweis:Es gilt: (1) und (2) (Strahlensatz)

(1)+(2) ergibt:

Daraus folgt: und

bab

RRges

1ba

aR

Rges

2

baba

RRRRRR gesges

21

12

21

21

RRRRRges

21

111RRRges

a b

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3.4 Elementarisieren durch Analogien

1. Was sind Analogien? Analogien = Ähnlichkeiten bzw. Vergleich mit Bekanntem In der Wissenschaftsgeschichte zur Problemlösung verwendet (z.B.

Coulombgesetz aus Gravitationsgesetz; Ohm fand Gesetze über strömende Elektrizität aus Analogie zur Wärmeleitung)

Bei Lernschwierigkeiten als Lernhilfe herangezogen. Analogien verwenden, heißt einen Umweg machen. Ähnlichkeiten sind reflexiv und symmetrisch,

aber weder transitiv noch intransitiv. Der analoge Bereich muss vertraut sein! Analogien sind eine problematische Lernhilfe. Es ist umstritten, ob der Umgang mit Analogien mehr geübt werden

sollte.

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3.4.2 Hinweise zu Analogien

Zu beachten: Die Verwendung von Analogien als Lernhilfen ist grundsätzlich

ambivalent. Analogien erklären nicht, sondern machen „nur“ einen Sachverhalt

verständlich. Analogien wirken eher individuell als global, weil nicht alle Schüler

eine bestimmte Analogie akzeptieren (Akzeptanzproblem). Schüler orientieren sich eher an Äußerlichkeiten der Analogie

(„Oberflächenstruktur“) als an physikalischen Gesetzmäßigkeiten („Tiefenstruktur“ der Analogie).

Möglichkeit: Im Unterricht wird die „Tiefenstruktur“ (z.B. elektrischer Stromkreis) zuerst thematisiert, dann durch eine (gespielte) Analogie illustriert.

Eine Reflexion der Analogienutzung (Metakognition) im Unterricht ist unbedingt notwendig.

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Vorbemerkung• Methoden und Medien sind eigentlich

Themen der Allgemeinen Didaktik, die ein Teilgebiet der Schulpädagogik ist.

• Wir behandeln diese Themen speziell unter dem Gesichtspunkt Physikunterricht.

• Es geht also auch darum, was jeweils für den Physikunterricht typisch ist.

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4 Methoden im Physikunterricht4.1 Sozialformen

4.1.1 Lehrerzentrierter Unterricht (Frontalunterricht)4.1.2 Gruppenunterricht4.1.3 Individualisierter Unterricht

4.2 Neuere methodische Großformen4.2.1 Unterrichtseinheit4.2.2 Kursunterricht4.2.3 Projekt oder projektorientierter Unterricht4.2.4 Spiele im Physikunterricht4.2.5 Lernzirkel oder Lernen an Stationen4.2.6 Offener Unterricht - Freiarbeit

4.3 Unterrichtskonzepte4.3.1 Darbietender Unterricht4.3.2 Exemplarischer Unterricht4.3.4 Genetischer Unterricht4.3.5 Entdeckender Unterricht

4.4 Stufen- und Phasenschemata des Unterrichts4.4.1 Historische Stufenschemata4.4.2 Allgemeines4.4.3 Kritik4.4.4 Phasen bei einer Dreiteilung

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(Beobachtungs-) Ebenen

• Ebene der Sichtstruktur

Alles, was im Unterricht direkt beobachtbar und

objektiv feststellbar ist.

• Ebene der Tiefenstruktur

Elemente, die nicht direkt beobachtbar sind,

sondern indirekt aus Beobachtungen

erschlossen werden müssen.

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Methodenebenen der Sichtstruktur

• 4.1 Sozialformenbestimmen die Kommunikations- und Interaktionsstruktur

• 4.2 MethodenkonzeptionenGroßformen des Unterrichtens

• 4.3 Unterrichtskonzepte im PhysikunterrichtPrinzipien des Unterrichtens, durch pädagogische oder psychologische Theorien legitimiert

• 4.4 ArtikulationsschemataStufen- oder Phasenschemata strukturieren den Unterrichtsverlauf

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4.1 Sozialformen• 4.1.1 Lehrerzentrierter Unterricht (Frontalunterricht)

kann eine effektive Art der Wissensvermittlung sein.

• 4.1.2 Gruppenunterricht

hat eine besondere Bedeutungals die schülerorienterte Sozialform.

• 4.1.3 Individualisierter Unterricht

erlaubt Binnendifferenzierung bei heterogenen Lerngruppen,

erlangt mit neuen Medien zunehmend Bedeutung.

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4.1.1 Lehrerzentrierter Unterricht• Schüler werden gemeinsam

unterrichtet.

• Lehrer steuert Unterricht:Arbeits-, Interaktions- und Kommunikationsprozesse

• Fragend-entwickelnder Unterricht ist das vorherrschende Skript des deutschen Physikunterrichts (im Unterschied zu anderen Ländern).

• Guter Frontalunterricht fordert sehr viele Kompetenzen vom Lehrer, stellt also hohe Anforderungen an den Lehrer.

• Lehrer sprechen sich dagegen aus, unterrichten aber hauptsächlich so.

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4.1.1 Lehrerzentrierter Unterricht• Vorteile:

– kann zeitsparend und effektiv sein!!,– erlaubt eindrucksvolle attraktive Demonstrationen,– gibt gutem Lehrer direkte Rückmeldung, befriedigt das

Sicherheitsbedürfnis, sichert Unterrichtsdisziplin.

• Ist notwenig, wenn:– Klassen sehr groß sind,– adäquate Ausstattung für andere Methoden fehlt,– Schülerversuche verboten sind (gefährliche Versuche).

• Ist didaktisch sinnvoll:– bei Überblick/Zusammenfassung komplexer Sachverhalte,– bei schrittweisen elementarisierten Erklärungen komplexer

Phänomene und dem Lernen schwieriger Konzepte,– bei Zeitmangel und beim Vorführen attraktiver Demos.

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4.1.2 Gruppenunterricht• Sehr alte Unterrichtsform

• Verstärkte Beachtung abEnde der 60er Jahre

• Spezialfall: Partnerarbeit

• Äußere Seite: Lehrer rückt in den Hintergrund, hat aber Verantwortung und führt.

• Innere Seite: Schüler eignen sich Methoden der Physik an, soziale Ziele werden angestrebt.

• Gruppenunterricht muss gut vorbereitet werden.

• Gruppenunterricht muss in den Unterrichtsablauf integriert werden (nächste Folie).

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• Vorher ist zu klären (Teil der Vorbereitung):– Ist das Thema geeignet?– Sind die Schüler geeignet?– Ist der Raum geeignet?– Wie werden die Gruppen gebildet?– Sind die Arbeitstechniken vertraut?

• Ablauf:– Einführung des Themas im Plenum– Arbeitsaufträge werden diskutiert und vergeben– Gruppenbildung– Gruppenarbeit– Zusammentragen der Ergebnisse im Plenum– Ergebnisse interpretieren und diskutieren– Reflexion des Gruppenunterrichts

4.1.2 Gruppenunterricht

Also auchhier ist das Plenum sehr wichtig!Auch hier gibt es lehrer-zentrierte Phasen!

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4.1.2 GruppenunterrichtKlassische Begründungen:• Erzieherische Wirkung einer Gruppe, soziales Lernen;• Selbstständigkeit im Denken, Fühlen und Handeln;• Fähigkeit und Bereitschaft zum solidarischen Handeln fördern;• Förderung der Kreativität der Schüler.

Begründungen in neuerer Zeit:• Naturwissenschaft ist ein sozialer Prozess.• Sozialer Konstruktivismus.• Wissenschaft ist geprägt durch Kooperation und

Kommunikation, „Aushandeln“ von Bedeutungen.• Lernen als Konstruktion erfordert Regelkreise.

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Formen von Gruppenunterricht• Arbeitsgleicher Gruppenunterricht (häufiger)

– Alle Gruppen machen das Gleiche, gleiche Aufgaben.– Einfacher in Durchführung, aber Geräte mehrfach nötig.

• Arbeitsteiliger Gruppenunterricht (seltener)– Problem wird von verschiedenen Gruppen unterschiedlich

bearbeitet, verschiedene Aufgaben.– Interessanter, anspruchsvoller, schwieriger in der Durchführung,

relevanter.

• Zwischenform:– Im Verfahren arbeitsgleich, aber verschiedene Gegenstände und

verschiedene Ergebnisse.

• Projektunterricht– Große Freiheiten, thematisch weiter gefasst.

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Warum ist Gruppenarbeit so selten?• Zeit- und Materialaufwand

• Zu große Klassenstärken, zu viele Schüler

• Ungeeignete Räume

• Keine Experimentiergeräte für Gruppenarbeit

• Ungeeignete Schüler

• Mangelnde Kontrolle über Schüler, Risiko

• Zu intensive Belastung des Lehrers (Zeitaufwand!)

• Zu wenig Ausbildung der Lehrkräfte in Gruppenarbeit

• Lehrer können selbst nicht in Gruppen arbeiten.

• Lehrer wissen nicht, dass Gruppenarbeit gelernt und gelehrtwerden muss und wie das geht.

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Allgemeine Prinzipien zur Gruppenarbeit

• Gruppenfähigkeit ist selbst ein Lernziel und benötigt Zeit zur Entwicklung.

• Es ist unverzichtbar, Gruppenarbeit zu trainieren.• Es sind klare Regeln zu vereinbaren und ihre Beachtung zu

kontrollieren.• Gruppenprozesse müssen reflektiert werden, während der

Arbeit ist Zurückhaltung des Lehrers nötig.• Themen und Materialien müssen zur Bearbeitung durch

Gruppen geeignet sein.• Arbeitsaufträge und Ziele sind verständlich und klar.• Ergebnisse müssen inhaltlich, arbeitstechnisch und zeitlich

erreichbar sein.

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Beispiel Gruppenpuzzle• 1. Phase: „Expertengruppen“

arbeiten sich arbeitsteiligin Themen ein.

• 2. Phase: „Unterrichtsgruppen“mit je einem Experten, gegen-seitiges Erklären

• Forschungsergebnisse bzgl. Vergleich mit Frontalunterricht (Berger):

– keine Unterschiede bei der Leistung– große Unterschiede bei Autonomieerleben, bei sozialer

Eingebundenheit, z.T. bei Kompetenzerleben und bei intrinsischerMotivation

– Richtlinie/Empfehlung: Komplexe Sachverhalte im Frontalunterricht, einfachere Themen im Gruppenpuzzle

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Weitere Beispiele – Gesprächskultur

• Kugellager:Zwei Kreise, Gespräch mit Partner über vorgegebenes Thema (z.B. Vorhersage,

Erklärung), auf Zeichen Weiterrotation

• 3x3 GesprächsmühleImmer drei Schüler tauschen sich drei Minuten über eine Frage aus, dann Wechsel: Treffen mit anderen Schülern, neue Frage

• Fishbohl 4+1Vier Schüler diskutieren Problem stellvertretend (Fische im Aquarium). Person im Außenkreis darf sich auf freien Stuhl dazusetzen. Dann darf Person aus Innenkreis nach außen.

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Weitere Gruppenarbeitsmethoden

• Methoden zur Schüleraktivierung:– Bienenkorb (Austausch in Kleingruppen über Vorwissen,

ein Sprecher)

– Pro-Contra-Debatte (zwei Gruppen)

– Vernissage (Lernplakate, 3 Phasen)

– Murmelgruppe (Diskussion mit Tischnachbar)

– Snowballing (= verdoppelte Murmelgruppe)

– Glückstopf (Fachbegriffe in Kleingruppe aufschreiben, werden in anderer Gruppe erklärt)

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4.1.3 Individualisierter Unterricht• Keine Interaktionen zischen den

Schülern und mit dem Lehrer

• Ungestörte Einzelarbeit

• In jeder Unterrichtsphase, inProjekten und Lernzirkeln möglich

• Instrument der Binnendifferenzierung

• Aktivierung von Schülern: Selbstständigkeit und Individualität

• Durch Neue Medien nimmt individuelles Lernen zu.

• Änderung der Lehrerrolle: Moderator von Lernprozessenstatt Instruktor

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4.1.3 Individualisierter Unterricht• Beispiele für Unterrichtssituationen:

– Informationsaufnahme (Lesen, Recherchieren, Internetarbeit, Referate, Facharbeiten)

– Informationsverarbeitung (Notizen, Protokolle, Berichte, Zeichnungen, Zusammenfassungen)

– Üben und Routinebildung (Aufgaben, Lernzirkel, Wochenplanarbeit, Freiarbeit)

– Anwenden(Aufgaben, Präsentationen, Basteln, Bauen)

– Verständniskontrolle(in Lernsituationen unbenotet, in Leistungssituationen benotet)

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Methodenebenen der Sichtstruktur

• 4.1 Sozialformenbestimmen die Kommunikations- und Interaktionsstruktur

• 4.2 MethodenkonzeptionenGroßformen des Unterrichtens

• 4.3 UnterrichtskonzeptePrinzipien des Unterrichtens, durch pädagogische oder psychologische Theorien legitimiert

• 4.4 ArtikulationsschemataStufen- oder Phasenschemata strukturieren Unterrichtsverlauf

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4.2 MethodenkonzeptionenBeispiele nach Meyer (1987):• Lehrgang

• Projekt

• Trainingsprogramm

• Kurs

• Lektion

• Unterrichtseinheit

• Workshop

• Projektwoche

• Praktikum

• Exkursion

• Offener Unterricht

• Spiele

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4.2.1 Unterrichtseinheit• Traditioneller Unterricht besteht aus Unterrichtseinheiten

• Unterrichtseinheit = Sinneinheit des Lernstoffes

• Können in ihrer Länge stark variieren (Dauer: Stunde, Tag, Woche, Monate)

• Ergeben sich nicht nur aus der Fachlogik, sondern auch aus pädagogischen, psychologischen und anderen Kriterien(→ Elementarisierung)

• Können fachspezifisch, fachüberschreitend, fächerübergreifend sein und dabei verschiedene Sozialformen fördern und pflegen

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4.2.2 Kursunterricht• Kursunterricht wurde mit der Reform der gymnasialen

Oberstufe in 70er Jahren eingeführt, um individuelle Begabungen besser zu fördern.

• Weniger Schüler pro Kurs als in Klassen

• Charakteristisch: sehr spezielle Thematik, zeitlicher Umfang und Zusammensetzung

• Zeitlicher Umfang in der Regel ein Halbjahr (AGs ein Jahr). An Uni auch verlängertes Wochenende oder ganzes Jahr.

• Zusammensetzung der Teilnehmer orientiert sich an:Interesse am Fach, sozialen Konstellationen, individueller Leistungsfähigkeit, Lehrkraft

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4.2.2 Kursunterricht• Chancen

– Bessere Förderung individueller Neigungenund Begabungen (insbesondere in AGs)

– Neue soziale Beziehungen (jahrgangsübergreifend)– Demokratische Elemente im Schulalltag– Freie Wahl des Lehrers

• Schwierigkeiten– Förderung individueller Abneigungen– Verlust bestehender sozialer Beziehungen– Gefahr der Überforderung– Er erfordert einen adäquaten Lehrplan.

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4.2.3 Projektunterricht• Anfang 20. Jhdt. In USA entstanden (Dewey + Kilpatrick), 20er Jahren

nach Deutschland (Reformpädagogik), in 70er Jahre wieder aufgegriffen

• Einflussfaktoren:

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4.2.3 Projektunterricht• Projekte heute in den meisten Lehrplänen der

verschiedenen Schularten enthalten

• Prinzip „Learning by doing“

• Lehrer wirkt organisierend und beratend

• Mehr Bezug zum Alltag, weniger fachbezogener Unterricht

• Schüler (mit-)verantwortlich für Planung, Verlauf und Ergebnis des Projekts

• Projektmethode nach Frey betont Orientierung an Interessen und Bedürfnissen der Schüler

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Merkmale nach Otto (1974):• Bedürfnisbezogenheit = Selbstbestimmtes Lernen

– Thema muss Schülern wichtig sein (intrinsische Motivation)• Situationsbezogenheit = Lebenspraxisbezug

– Bezug zur Alltagswelt außerhalb der Schule• Selbstorganisation des Lehr-Lern-Prozesses

– Zielsetzung, Planung, Durchführung wird von Schülern übernommen• Kollektive Realisierung = Kommunikabilität

– Einsicht in Teamarbeit• Produktorientiertheit = Gebrauchswertorientierung

– Am Ende steht ein „greifbares“ Ergebnis• Interdisziplinarität

– Zusammenarbeit mit fachfremden Sachbereichen• Gesellschaftliche Relevanz = Gesellschaftsbezug

– Bezug zur Gesellschaft

4.2.3 Projektunterricht

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Projektmethode (Frey, 1982)Grundmuster für den Ablauf (sieben Komponenten):

1. Projektinitiative

2. Auseinandersetzung mit Projektinitiative (Gruppenbildung)

→ Projektskizze

3. Entwicklung des Betätigungsfeldes

→ Projektplan (wer, was, wie, womit)

4. Aktivitäten im Betätigungsfeld

→ Produkte (Hardware/Software)

5. Projektabschluss

→ Präsentation, Reflexion

6. Fixpunkte

7. Metainteraktionen

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Elemente und Reduktionsformen nach Frey:

Heute keine strenge Definition mehr von „Projekt“ und keine Unterscheidung mehr zwischen„Projekt“ und „projektorientiertem Unterricht“!

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4.2.3 Projektunterricht• Chancen

– Lernen durch Eigenerfahrung

– Integration schwächerer/stillerer Schüler

– Vertikale Sozialisation (bei Teilnahme mehrerer Jahrgangsstufen)

• Schwierigkeiten– Freiräume in Lehrplänen erforderlich, Zeitbedarf

– Kooperationsbereitschaft der Lehrerkollegen

– Benotung

– Mangelnde Vernetzung physikalischen Wissens

– Ungewohnte Anforderungen an den Lehrer

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4.2.4 Spiele• Merkmale

Ambivalenz, Quasi-Realität, Freiheit, Geschlossenheit, Gegenwärtigkeit (Flow-Erlebnisse), häufig Wettstreit

• Chancen– Kultureller Eigenwert des Spiels

– Änderung der Einstellung zur Physik

– Spiele im Physikunterricht fördern:

Soziale Ziele, Kreativität, adäquates Lerntempo (Entschleunigung),Voraussetzungen wissenschaftlichen Arbeitens

• Gefahren– starke pädagogische Instrumentalisierung des Spiels

– Spiel nur als bloße Motivation ohne Wissensvermittlung

– Spiel nur als bloße Übungsspiele zur Wissensvermittlung

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Klassifikation von Spielen• Psychomotorische Spiele

– Geschicklichkeitsspiele („Der heiße Draht“, labiles Gleichgewicht)– gespielte Physik (Teilchenmodell, Stromkreis)

• Phantasie- und Rollenspiele– Spielprojekte– historische Rollenspiele

• Regelspiele– Konkurrenzspiele und Kooperationsspiele

(Würfelspiele mit Ereigniskarten, Fragekarten, Punktesystem;Kartenspiele; Brettspiele; Roulett. Notfalls von Schülern erfunden)

• Konstruktionsspiele, Bauspiele– Kommerzielle Baukästen– Technische Kreativität (Gummibandauto, Eifallbremser, Schiffe)

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4.2.4 Spiele• Aufgaben des Lehrers:

– Spiel von anderen Unterrichtssituationen unterscheidbar machen

– Rolle des Lehrers beschreiben und daran halten

– Materialien für Spiele anbieten

– Spiele nicht stören, nur beraten

• Spielförderung:– Freies Spielen in Pausen

– Spiele in speziellen Unterrichtseinheiten

– Gespielte Analogien

– Nachdenken über Spiele (Metakognition)

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4.2.5 Lernen an Stationen• Bezeichnung:

– „Lernzirkel“ erinnert an Trainingszirkel im Sport

– „Lernen an Stationen“ heute üblicher Begriff

• Beschreibung:– Kleinere Lernstationen (Bearbeitungsdauer ca. 10 Min) in 1 bis 3 Std.

– Partner- oder Einzelarbeit

– Aufgaben auf Stationenzettel

– Überblick auf Laufzettel

– Stationen sehr unterschiedlich und multimedial(Physik und technische Anwendungen, Spiel und wissenschaftlichesArbeiten, Lesen, Aufsatz und moderne Medien)

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4.2.5 Lernen an Stationen• Arten:

– Einführungszirkel• Interesse wecken, erster Überblick, Vorwissen aktivieren

• anschließend im Unterricht gründlich vertieft

– Erarbeitungszirkel (selten)• Allgemeine Gleichung oder Stoffeigenschaft finden

• Nachher sicherstellen, dass alle gleiches Wissen haben

– Lernzirkel zum Vertiefen• Übungszirkel zur Sicherung

• Auch Transferaufgaben möglich

– Experimentierzirkel• Es wird nur experimentiert

• Als Einführungszirkel, Erarbeitungszirkel oder Vertiefungszirkel möglich

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4.2.5 Lernen an Stationen• Offenerer, weniger lehrerzentrierter Unterricht

• Kein völlig offener Unterricht, da Lehrer Stationen vorgibt.

• Mehr eigenverantwortliches Lernen

• Gewisse Entscheidungsfreiheiten:– Pflicht- und Kann-Stationen (Differenzierungsmöglichkeiten)

• Lehrer kann beobachten, auf einzelne eingehen

• Dialog zwischen Schülern

• Soziale Kompetenzen, wie Teamfähigkeit

• Großer Vorbereitungsaufwand

• Mehr Unterrichtszeit nötig als im lehrerzentrierten Unterricht

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• Anmerkungen zu Schülerlaboren

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4.2.6 Offener Unterricht• „Offener Unterricht“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene

Reformansätze aus den 1920er und 1930er Jahren.

• Öffnung bezüglich Inhalte, in Methode, Organisation, Raum und Zeit.

• Inhalte und Lehrmethoden nicht festgelegt, Schüler werden an unterrichtlichen Entscheidungen beteiligt (Selbstbestimmtheit des Lernens)

• Auch Jahrgangsklassen zugunsten von Gruppenarbeit aufgelöst

• Selbstständiges, selbstbestimmtes, handlungsorientiertes, erfahrungsbezogenes und soziales Lernen

• Wird vor allem in der Grundschule eingesetzt

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Formen offenen Unterrichts• Stuhlkreis:

– Ein Gesprächskreis (Morgenkreis, Abendkreis, Wochenrunde, Klassenrat)

• Freiarbeit– Schüler wählen Lernmöglichkeit aus, eigene Einteilung– Pflichtaufgaben, frei wählbare Aktivitäten, weitere Anregungen– Zentrum offenen Unterrichts

• Wochenplan– Hilfsmittel zur Organisation und Überprüfung der Lernarbeit– Jeder Schüler bekommt einen Plan.– Pflichtaufgaben, frei wählbare Aktivitäten, weitere Anregungen

• Projektarbeit– Siehe 4.2.3

• Stationenlernen/Lernzirkel– Siehe 4.2.5

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4.2.6 Offener Unterricht• Chancen

– Förderung von Selbstständigkeit, Mitverantwortung, Eigenaktivität

– Abbau von Schulunlust

– Individuelle Lernmuster, mehr innere Differenzierung

– Angenehmerer Unterricht für den Lehrer

• Probleme– Sehr hohe Anforderungen an den Lehrer

– Restrukturierung der Lernumgebung notwendig

– Motivationsverlust bei mangelnder Fähigkeit zur Handlungsregulation

– Erwünschte Effekte nicht empirisch nachgewiesen

– Selbstständiges Experimentieren verläuft häufig zufallsgeleitet und unsystematisch.

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Methodenebenen der Sichtstruktur

• 4.1 Sozialformenbestimmen die Kommunikations- und Interaktionsstruktur

• 4.2 MethodenkonzeptionenGroßformen des Unterrichtens

• 4.3 Unterrichtskonzepte im PhysikunterrichtPrinzipien des Unterrichtens, durch pädagogische oder psychologische Theorien legitimiert

• 4.4 ArtikulationsschemataStufen- oder Phasenschemata strukturieren Unterrichtsverlauf

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4.3 Unterrichtskonzepte

Gliederung:

4.3.1 Darbietender Unterricht

4.3.2 Exemplarischer Unterricht

4.3.3 Genetischer Unterricht

4.3.4 Entdeckender Unterricht

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4.3.1 Darbietender Unterricht• Typische Sozialform: Lehrerzentrierter Unterricht• Nötig: Sinnvolles, nicht mechanisches Lernen!• Unterrichtsziele

Effektiv bei Konzeptzielen: begriffliche Struktur der Physik, gezielte Förderung fachlicher Kompetenz (Schüler lernen genauer, falls sie nicht abschalten).

• OrganisationLehrer baut vorher Demonstrationsversuche auf, kurzfristige und detaillierte Planung, im Unterricht Lehrerversuch und -vortrag, oft fragend-entwickelnder Unterricht, Schüler assistieren bei Versuchen.

• Implizite ProblemeErreicht oft nur verbales Wissen, träges Wissen, geringe Motivation, mäßige Mitarbeit der Schüler, Verständnisschwierigkeiten

• Hohe Anforderungen an Lehrer

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4.3.2 Exemplarischer Unterricht• Gründlichkeit durch Selbstbeschränkung (Auswahl)

• Physikalische Strukturen, Arbeits- und Verfahrensweisen, Erkenntnismethoden der Physik werden exemplarisch an Beispielen erarbeitet und auf weitere Beispiele übertragen

• Herstellen des Zusammenhangs zwischen Beispielen

• im Einzelnen das Ganze suchen

• Zeitgewinn, da Physik nicht vollständig gelehrt wird

• Intensive Beschäftigung und gründliches Verstehen

• Wagenschein fordert: Organisatorisch in Epochenunterricht (1 - 3 Wochen mit 6 - 8 Std. pro Woche)

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4.3.3 Genetischer Unterricht• Vorstellungen von einer natürlichen, besonders wirksamen

Lehrmethode

• Orientiert an dominierenden Weltbildern, psychologischen Theorie oder pädagogischen Auffassungen

• Drei Aspekte bzw. drei Formen:– Individual-genetisch:

• berücksichtigt Vorwissen, Vorerfahrungen, entwicklungspsychologischeMöglichkeiten der Schüler

– Logisch-genetisch:• Nachentdecken physikalischer Sachverhalte

– Historisch-genetisch:• Folgt dem Erkenntnisgewinnungsprozess in der Geschichte der Physik

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4.3.3 Genetischer Unterricht• Individual-genetischer Unterricht:

– Ausgehend von Erfahrungen, Alltagsvorstellungen und Weltbildern der Schüler

– Vorstellungen werden weiter entwickelt, ohne zu schnell die physikalische Sicht überzustülpen bzw. Fachwörter zu benutzen

– Sokratischer Dialog mit Schülern: nicht dozierend, nicht dogmatisch, Dialog mit Zeit zum Nachdenken, Herantasten an Begriffe

– Exemplarisch, auf Beispiele beschränken

– Also: Bruchloser Weg von Alltagsvorstellungen zu physikalischen Vorstellungen

– Betonung des Verstehens

– Lehrer sind nicht Instruktoren, sondern Moderatoren von Lernprozessen (hohe Anforderungen an sensible Lehrer)

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4.3.4 Entdeckender Unterricht• Basis: Lernpsychologie von Bruner (Entdeckendes Lernen)

und Reformpädagogik

• Entdeckt werden soll subjektiv Neues– Mit Hinweisen des Lehrers: gelenkte Entdeckung

– Ohne Hilfen des Lehrers: forschender Unterricht

• Lernpsychologische Begründung für entdeckendes Lernen:– Erzeugt in einzigartiger Weise Motivation und Selbstvertrauen

– Wichtigste Quelle für intrinsische Motivation

– Sichert das Gelernte langfristig im Gedächtnis

– Entdecken ist Hauptmethode der Vermittlung von Fachwissen

– Notwendige Voraussetzung, vielfältige Problemlösetechniken zu lernen

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4.3.4 Entdeckender Unterricht• Schülerorientierter Unterricht

Gruppenunterricht und individualisierter Unterricht

• Unterrichtsziele:Prozessziele, soziale Ziele, Realitätserfahrung, Erfolgserlebnisse

• Organisation:Vorbereitung der Schülerarbeitsmittel, längerfristige Grobplanung, Epochenunterricht, Schüler agieren, Lehrer beratend, Unterrichtsverlauf offen

• Implizite ProblemeZeitlicher Aufwand, Lehrplanerfüllung, organisatorischer Aufwand, finanzieller Aufwand, oberflächliche Begriffsbildung

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Methodenebenen der Sichtstruktur

• 4.1 Sozialformenbestimmen die Kommunikations- und Interaktionsstruktur

• 4.2 MethodenkonzeptionenGroßformen des Unterrichtens

• 4.3 UnterrichtskonzeptePrinzipien des Unterrichtens, durch pädagogische oder psychologische Theorien legitimiert

• 4.4 ArtikulationsschemataStufen- oder Phasenschemata strukturieren Unterrichtsverlauf

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4.4 Artikulationsschemata• Eine Unterrichtsstunde ist durch Phasen gegliedert.

• Artikulationsschemata = Stufen- und Phasenschemata

• Es existieren viele Begriffe(Formalstufen, Arbeitsstufen, Bildungsstufen, Etappen, Figuren).

• Sie modellieren den methodischen Gang des Unterrichts.Sie sind theoretisch begründet.

• Lehrer: Pragmatischer Umgang damit.Didaktiker: 300 Jahre Glaubenskriege, insb. im 19. Jhdt.

• Beginn 20. Jhdt.: Reformpädagogen gegen bestehendes Stufenmodell, führen jedoch neue Schemata ein.

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4.4 Artikulationsschemata4.4.1 Historische Stufenschemata4.4.1.1 Überblick

– Johann Amos Comenius (1595 – 1670):• Erster, der Stufenbildung im Unterrichtsprozess forderte• Unterricht muss schrittweise vorangehen wie die Natur!• Er glaubte an eine natürliche Methode. Viele Pädagogen suchten nach ihr.• Heutige Sicht: Es gibt keine natürliche Methode, Unterricht ist künstlich.

– Johann Friedrich Herbart (1776 – 1841):• Wechsel von Vertiefung und Besinnung• Vertiefung: beispielhafte Veranschaulichung, aktives Handeln,

gründliches Studieren. Führt zu Klarheit und zu Assoziationen.• Besinnung: Reflexion, Vergleich, Rückgewinn der inneren Ruhe• Stufen: Klarheit, Assoziationen, System, Methode• Kein Stufenschema, sondern eine offene Interpretation des

Bildungsprozesses. Fordert methodische Phantasie vom Lehrer!!

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– Herbartianer: Stoy, Ziller, Rein

• Weiterentwicklung von Herbarts Didaktik

• Fest gefügtes Kategorienraster: Formalstufentheorie

• Technik des Lektionenhalten, bis heute stark kritisiert

• Fünf formale Stufen für alle Schulstufen und Jahrgangsstufen:1. Vorbereitung, 2. Darbietung, 3. Verknüpfung, 4. Zusammenfassung,5. Anwendung

• Weitere Entscheidungen: nur kognitive Orientierung, sehr hohe Lehrer-zentriertheit, Stillstellung der Schüler-Körper, autoritäres Verhalten u.a.!

– Gaudig (1860 – 1923):

• Reformpädagogik (Phasenkonzept: offen, expressiv, handlungsbezogen, schülerorientiert), Phasenmodell der Arbeitserziehung

– Heinrich Roth (1906 – 1983):

• Er hat 1963 ein modernes Stufenschema entwickelt (siehe 2.4.1.2)

• Dieses fand in Deutschland in den 60er und 70er Jahren in der Lehreraus-und -fortbildung große Resonanz!

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– Galperin (1902 – 1988):

• Grundlage: Tätigkeitspsychologie der Kulturhistorischen Schule der Sowjetunion (Verinnerlichung gegenständlich ausgeführter Handlungen)

• Galperins Etappenmodell:

– Schmidkunz, Lindemann:

• Schemata für den problemlösenden Unterricht (= Form des entdeckenden Unterrichts)

• Schema:

Durchführung der KontrollhandlungEndgültige VerinnerlichungSprache wird zum Mittel des DenkensSprachliche Begleitung der HandlungMaterielle/materialisierte Handlungen

Durchführung der ArbeitshandlungSchaffung einer Orientierungshilfe

Wissenssicherung und Anwendung5Abstraktion der gewonnenen Erkenntnisse4Durchführung eines Lösungsvorschlages3Überlegungen zur Problemlösung2Problemgewinnung1

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4.4.1.2 Heinrich Roth (1906 – 1983):– Unterscheidung: Probleme, 1. die Lernende selbst ohne Lernabsicht lösen, 2. die

Lernende selbst mit Lernabsicht lösen, 3. die der Lehrer zur Belehrung stellt.– Zu lösende Probleme werden in den Mittelpunkt gestellt.– Sechs Stufen:

• 1. Stufe der Motivation– Handlung kommt zustande/ Lernwunsch erwacht/ Lernprozess wird angestoßen

• 2. Stufe der Schwierigkeiten– Handlung gelingt nicht/ Neuerwerb gelingt nicht/ Lehrer entdeckt leichtfertige

Schülerlösung

• 3. Stufe der Lösung (entscheidender Schritt)– Neuer Lösungsweg wird entdeckt/ Neuerwerb gelingt mehr/ Lehrer zeigt Lösungsweg

• 4. Stufe des Tuns und Ausführens– Lösungsweg wird durchgeführt/ vollzogen/ Lehrer lässt durchführen

• 5. Stufe des Behaltens und Einübens– Neues wird im Gebrauch verfestigt/ bewusst eingeübt/ in Anwendungen eingeprägt

• 6. Stufe des Bereitstellens, der Übertragung und Integration– Neues steht bereit/ Neues bewährt sich im Leben/ Lehrer bemüht um Verwachsen

mit Person, damit zum freien Gebrauch zur Verfügung

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4.4.2 Allgemeines– Alle Stufenschemata haben: 1. eine Einleitung, 2. einen Hauptteil und

3. einen Schluss

– In den Stufenschemata findet eine starke Vereinfachung der tatsächlichen Vielschichtigkeit des Unterrichtsprozesses statt.

– Was auf der Planungsebene entmischt wurde, vermischt sich im wirklichen Unterrichtsprozess wieder.

– Ein Lehrer kann nicht im Voraus programmieren, wann und wie sichein Schüler motiviert fühlt, was ihm wann deutlich wird etc.

– Stufenschemata leisten eine Reduzierung der Komplexität des Unterrichtsprozesses im Bewusstsein des Lehrers.

– Stufenschemata sind komplexe (theoretisch mehr oder weniger gut begründete) Unterrichtsrezepte für den Schulalltag.

– Lehrer sollten im Unterricht mehrere Schemata verwenden, sie flexibel anwenden ohne feste Zeitvorgaben.

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4.4.3 Kritik

– Schemata verstärken Lehrerzentrierung des Unterrichts.

– Sie verstärken die kognitive Ausrichtung des Unterrichts.

– Sie gängeln die Phantasie des Lehrers.

– Sie machen aus der lebendig-anarchischen Lernhaltung der Schüler einen offiziellen methodischen Gang, der eher eine Rennbahn als eine Spielwiese ist.

– Auf eine Strukturierung des methodischen Ganges kann aber nicht verzichtet werden.

– Der Allgemeingütigkeitsanspruch der Stufen- und Phasenschemata muss aufgegeben werden!

– Die sechs Schritte von Roth sind für problemorientierten Unterricht in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern geeignet.

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4.4.4 Phasen bei einer Dreiteilung

4.4.4.1 Phase der Motivation– Motivation durch kognitive Konflikte

(Überraschung, Zweifel, Ungewissheit,Widersprüche)

– Einstieg über Naturbeobachtung

– Einstieg über physikalisch-technische Geräte

– Einstieg über qualitative Versuche und Freihandversuche

– Einstieg über Schlüsselbegriffe

– Historischer Einstieg (Erzählung oder Quelle)

– Einstieg über ein aktuelles Problem

– Einstieg über ein technisches Probleme

– Einstieg über eine Bastelaufgabe

– Einstieg über ein Spiel oder über ein Spielzeug

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4.4.4.2 Phase der Erarbeitung– Experiment werden im Physikunterricht anderen Medien bevorzugt– Schritte beim Experimentieren:

• 1. Hypothesenbildung• 2. Planung des Experiments• 3. Durchführung des Experiments• 4. Auswertung des Experiments• 5. Rückblickende Erörterung des Experiments• 6. Allgemeine Erörterung des Experiments

4.4.4.3 Phase der Vertiefung– Aufgaben dieser Phase:

• Neues behalten,• auf neue Situationen übertragen (Transfer),• Verbindungen zum bisher Gelernten des Faches (vertikal vernetzen),• Verbindungen zu Inhalten anderer Fächer (horizontal vernetzen),• Verbindungen zur Technik (horizontal vernetzen),• überprüfen, wie weit Lernziele erreicht sind.

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– Hier hat der Lehrervortrag eine wichtige Bedeutung.

– Genauso ist das Unterrichtsgespräch wichtig, bei dem Schüler ihre Interessen zeigen und Missverständnisse korrigiert werden können.

– Horizontaler Transfer (lateraler Transfer): Übertragung des Gelernten auf ähnliche Beispiele (geänderter Kontext)

– Vertikaler Transfer (Problemlösen): Übertragung des Gelernten auf andere Gebiete (Verknüpfung mit anderen Themenbereichen), stellt höhere Anforderungen

– Transferieren ist schwierig und muss geübt werden.

– Phase der Vertiefung häufig auch in nächster Unterrichtsstunde.

– Beispiele zur Vertiefung:• Anwendungen im Alltag, Arbeit mit Schulbuch, Nachschlagewerk,

Internet

• Lösen spezieller Aufgaben (Anwendungsaufgaben, Denkaufgaben), experimentelle Aufgaben, Modell/Gerät anfertigen

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• Früher gab es Glaubenskriege um die richtige Methode im Unterricht.

• Bisherige Studien zeigten, dass verschiedene Unterrichtsmethoden nur wenig auf die Lernleistung zurückwirken! Die Sachstruktur ist wichtiger!

• Das heutige Paradigma heißt: Methodenvielfalt.

• VERMEIDEN SIE EINE METHODISCHE MONOKULTUR!

• Aber beachten Sie: Nicht jede Kombination von Methoden ist sinnvoll. Orientieren sie sich an Lernprozessen.

4.5 Zusammenfassung

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Methodenvielfalt im Physikunterricht2. Methodische Großformen

1. Unterrichtseinheit2. Kursunterricht3. Projekt oder projektorientierter

Unterricht4. Spiele im Physikunterricht5. Lernzirkel oder Lernen an Stationen6. Offener Unterricht – Freiarbeit7. Workshop8. Exkursion9. Experimentalpraktikum

3. Methodische Konzepte1. Darbietender Unterricht2. Exemplarischer Unterricht3. Genetischer Unterricht4. Entdeckender Unterricht5. Erarbeitender Unterricht6. Forschendes Lernen

4. Methodische Unterrichtsschritte / Phasen1. Phasenschema von Roth2. Phasen des Experimentierens3. Problemlösephasen4. Übungsphasen

5. AktivitätenSchüler: Lehrer:

Beobachten, Registrieren, Erklären, Besprechen,Beschreiben, Zeichnen, Vortragen, ErzählenDarstellen, Präsentieren Experiment vorführenExperimentieren Diskussion leitenAufgaben bearbeiten Zusammenfassen, Diktieren

1. Sozialformen• Frontalunterricht• Gruppenunterricht• Gruppenpuzzle• Einzelarbeit• Partnerarbeit

6. Methodenwerkzeug• Wissen beschreiben, darstellen, präsentieren• Ordnen von Informationen, Ideen, Wissen• Ideen sammeln• Argumentieren, Diskutieren,• Üben, Vertiefen

Methodische Elemente im Physikunterricht(6 Betrachtungsebenen)

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5. Medien im PhysikunterrichtGliederung:

5.1 Grundlegendes5.1.1 Grundlagenwissen5.1.2 Bilder im Physikunterricht5.1.3 Texte im Physikunterricht

5.2 Klassische Medien im Physikunterricht5.2.1 Tafel5.2.2 Arbeitsblatt5.2.3 Tageslichtschreiber5.2.4 Film und Video5.2.5 Schulbuch5.2.6 Weitere Medien

5.3 Computer im Physikunterricht5.3.1 Grundlegendes5.3.2 Lernprogramme5.3.3 Messwerterfassung und -reproduktion5.3.4 Simulationen (mit Modellbildung und virtuellen Welten)5.3.5 Information und Präsentation5.3.6 Kommunikation und Kooperation

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5.1 Grundlegendes

Gliederung:5.1.1Grundlagenwissen

BegriffeMedienkompetenzKlassifikationen

5.1.2Bilder im PhysikunterrichtArten von BildernFunktionen von BildernProbleme beim BildeinsatzHilfen des Lehrers

5.1.3Texte im PhysikunterrichtGestaltungsrichtlinienAufgabenstellungen für zielgerichtete Textaufnahme

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5.1.1 Grundlagenwissen• Begriffe:

– Medien: Mittler, die Informationen übertragen können.– Unterrichtsmedien: Nichtpersonale Informationsträger; Hilfsmittel für

den Lehrer oder Lernmittel für den SchülerMittel, „deren sich Lehrende und Lernende bedienen, um sich über Informationen, Themen und Verfahren im Unterricht zu verständigen“ (Schulz, 1969, S. 34)

– AV-Medien: Technische Informationsträger, die Informationen auditiv und/oder visuell übermitteln.

– Medien können auch selbst zum Unterrichtsgegenstand werden.– Mediendidaktik: Wissenschaftliche Teildisziplin (der Didaktik), die

sich mit den theoretischen Grundlagen und den praktischen Einsatzmöglichkeiten von Medien beim Lehren und Lernen im Unterricht beschäftigt.

– Medienpädagogik: Beschäftigt sich mit der Erziehung des Heranwachsenden zu einem kritischen Umgang mit den Medien.

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Medienbegriff

Beispiel Inhalt Methode Medium Keines

Luftkissenfahrbahn

Karussell auf dem Jahrmarkt

Sprache des Lehrers

Modellbildungssoftware

Formelsammlung

Versuchsskizze

Übung: Was ist was? Oder was kann was sein?

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Medienkompetenz• Medienkompetenz umfasst

– Orientierungs- und Strukturwissen– Kritische Reflexivität– Handlungsfähigkeit– Fähigkeit zur kreativen, sozialen Interaktion

• Medienkompetenz umfasst Handlungskompetenz im Zusammenhang– der Nutzung vorhandener Medien– der eigenen Gestaltung medialer Aussagen

• Handlungskompetenz beinhaltet die Analyse- und Urteilsfähigkeit im Bereich– der Gestaltungsmöglichkeiten– der Nutzungsvoraussetzungen und –wirkungen– der Bedingungen von Medienproduktion

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MedienkompetenzMedienkompetenz ist die Fähigkeit:• Mediengestaltungen auszuwählen und zu nutzen• Mediengestaltungen zu verstehen und zu bewerten• eigene Medien zu gestalten und zu verbreiten• Medieneinflüsse zu erkennen und aufzuarbeiten• Bedingungen der Medienproduktion und –verbreitung zu

analysieren• Einfluss auf die Entwicklung der Medienlandschaft zu

nehmen

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5.1.1 Grundlagenwissen• Klassifikation nach technischen Aspekten:

– Vortechnische Medien: Tafel, Wandkarte, Atlas, Wandbild, Modell, Buch, Karte, Textblätter

– Technische Medien:• Tonmedien: Rundfunk, Kassettenrekorder, CD-Player, MP3-Player• Bildmedien: Diaprojektor, Episkop, Arbeitsprojektor• Audiovisuelle Medien: Tonbildreihe, Filmgerät, Fernsehen,

Videorecorder, DVD-Player, Multimedia-Computer

– Die Medien unterscheiden sich bzgl. Einsatzformen, Vorbereitungsaufwand und Verfügbarkeit, aber z.B. nicht lernpsychologisch, wenn sie das gleiche Bild zeigen.

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5.1.1 Grundlagenwissen• Klassifikation nach informationspsychologischen Aspekten

– Angesprochene Sinne: Visuell, auditiv, audiovisuell, haptisch

– Symbolsysteme: Sprache, Zahlen, Bilder

– Darstellungsebene:• Objektale Medien (liegen als Objekte vor)

• ikonische Medien (vermitteln optische Informationen)

• symbolische Medien (verwenden eine spezielle Symbolik)

• Klassifikation nach didaktisch-methodischen Aspekten:– Betrachtung der unterrichtliche Handlungsformen, Lernaktivität der

Schüler, Einbindung in den Lehr-Lernprozess

– Aktive und passive Handlungsformen

– Beispiele: zeigen, durchsprechen, erstellen

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5.1.2 Bilder im Physikunterricht• Arten von Bildern:

– Siehe: „Vereinfachung durch ikonische Darstellungen“– Abbildungen, logische Bilder, analoge Bilder

• Die Funktion von Bildern:– Bilder können viele unterschiedliche Funktionen haben

(Verschiedene Autoren nennen verschiedene Funktionen, die unterschiedlich geordnet werden).

– Ordnung der Funktionen (für nächste drei Folien):• Wissensvermittlung• Hilfen zum Textverständnis (multiple Codierung)• Organisation und Strukturierung kognitiver Inhalte• Motivation

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Funktionen der Wissensvermittlung1. Zeigefunktion:

Neue, unbekannte Sachverhalte werden gezeigt: Gegenstände und Abläufe (hohe Informationsdichte!)

2. Fokusfunktion:Details werden gezeigt (Vorkenntnisse nötig): Lupenaufnahmen

3. Konstruktionsfunktion:Sachverhalte werden aus bekannten Elementen zusammengesetzt und so neues Wissen konstruiert.

4. Physikspezifische Visualisierungen:Optische Vorstellungshilfen (Beispiele: Vektoren für physikalische Größen, Feldlinienbilder, Elektronendichteverteilungen).Sie können direkt an experimentelle Messwerte anknüpfen, können bildhafte Analogien sein oder räumliche oder mehrdimensionale Zusammenhänge aufzeigen.

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Bilder als Hilfen zum Textverständnis1. Ersatzfunktion (für komplexe Beschreibungen):

Ein Bild ersetzt die verbale Beschreibung, die zu aufwendig wäre.2. Repräsentationsfunktion:

Bilder spiegeln den Textaussagen visuell wider (steigert Behaltensleistung).

3. Abbildfunktion (= darstellende Funktion):Konkretisierung der Textinformation, zur Ergänzung und Veranschaulichung des Materials.

4. Interpretationsfunktion:Bilder interpretieren Textaussagen.

5. Bildanleitung:Bilder sind die primäre Informationsquelle (z.B. Bedienungsanleitungen), der Text organisiert nur.

6. Dekorative Funktion:Bilder sind nur dekorativ, haben keine inhaltliche Bedeutung.

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Funktionen der Organisation1. Concept Maps (Spezialfall: Mind Maps):

Inhalte und Konzepte mit ihrem Beziehungsgefüge werden räumlich-bildhaft angeordnet.

2. Advance Organizer:Neuer Inhalte oder Texte werden vorstrukturiert und gegliedert.

3. Bezugsrahmen:Übersichtlicher gegliederter Bezugsrahmen zum Text (Zeitabschnitte, räumliche Zusammenhänge, inhaltliche Einordnungen).

4. Gedächtnisstützende Funktion:Texte oder Formeln werden als originelle Bildschöpfungen dargestellt und dienen als Eselsbrücken der Speicherung (Verwandlungsfunktion, transformierenden Funktion).

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5.1.2 Bilder im Physikunterricht• Probleme beim Bildeinsatz:

– Der Schüler betrachtet das Bild nur oberflächlich, Wichtiges wird nicht wahrgenommen.

– Der Schüler versteht einzelne Elemente nicht, die Bildaussage wird so nicht erfasst.

– Der Schüler betracht das Bild nicht zielgerecht, Nebensächliches rückt in den Vordergrund.

• Hilfen des Lehrers:– Aufmerksamkeit lenken– bei Interpretation helfen– zentrale Bildinformation herausarbeiten– Aufgaben geben (Beschriften, Ergänzen, Abzeichnen)

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5.1.3 Texte im PhysikunterrichtGestaltungsrichtlinien:• Verständlichkeit

– Einfachheit: kurze, einfache Sätze– Gliederung/Ordnung: äußere Ordnung (Überschriften, Abschnitte,

Hervorheben) und innere Ordnung (sinnvolle Reihenfolge)– Kürze/Prägnanz: Knappheit, keine Weitschweifigkeit– Anregende Zusätze: Beispiele, Humor, Spannung, Episoden

• Organisationshilfen– Advance Organiser: vorangestellte Organisationshilfen– Zusammenfassungen: am Anfang oder am Ende– Überschriften, Randbemerkungen, Farbe, Schriftgröße, Schrifttyp

• Sequenzierung von Informationen– Für Schlussfolgerungen nötige Informationen nahe beieinander

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5.1.3 Texte im PhysikunterrichtBei Textarbeit ist die Verarbeitungstiefe

entscheidend.Dazu: bewusstes Lesen nötig.

• Aufgabenstellungen für zielgerichtete Textaufnahme:– Wiedergabe mit eigenen Worten– Herausarbeiten der Hauptidee– Kausalzusammenhänge, Ursache-Wirkungs-Ketten,

Gesetzmäßigkeiten herausarbeiten– Schwer Verständliches diskutieren– Anwenden auf Beispiel, für konkretes Problem verwerten

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5.2 Klassische Medien• Gliederung:

5.2.1 Tafel

5.2.2 Arbeitsblatt

5.2.3 Tageslichtschreiber

5.2.4 Film und Video

5.2.5 Schulbuch

5.2.6 Weitere Medien

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5.2.1 Die Tafel• Vortechnisches Medium mit immer noch herausragender

Rolle!• Tafeltypen:

– Kunststofftafel– Alu-/Emailletafel– Glastafel– Whiteboard (für spezielle Filzmarker) – interaktives Whiteboard (z.B. Smartboard)

• Tafelarten:– Umblätter-/Blocktafel– Flanelltafel– Magnettafel– Anschlagtafel– Wand-/Schreibtafel

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5.2.1 Die Tafel• Vielfältige Funktionen:

– Vervielfältigung, Veranschaulichung, Protokoll der Unterrichtsstunde, Festhalten der Ergebnisse, Dokumentation der Erarbeitung der Sachverhalte, Notizzettel.

• Maßnahmen zur Strukturierung des Tafelbildes:– Teilziele/Teilaussagen trennen durch Kästchen, Farbe,

Nummerierung, Abstand, Teilüberschriften– Zusammenhänge/Beziehungen verbinden durch Pfeile,

Farbgebungen, Umrahmungen– Akzente setzen durch Unterstreichen, Schrift, Farbe

• Inhaltliche Gliederung passt so zurräumlichen Anordnung, zu Farben und Symbolen

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5.2.1 Die Tafel• Vorteile:

– Einfach in der Handhabung, sehr robust, unmittelbar verfügbar, universal einsetzbar, billig

– Situationsbedingte Anpassung an Unterrichtsverlauf möglich

– Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Medien (Videofilm wird protokolliert, Ergebnisse einer Diskussion/Arbeit nach Folie/Arbeitsblatt wird festgehalten)

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5.2.1 Die Tafel• Vorteile:

– Physikalische Versuche möglich:

• Versuche aus der Statik (Kraftvektoren)

• Fahrbahn auf der Tafel

• Lichtschranken an der Tafel

• Optik-Versuche an Magnettafel

• Elektronikversuche

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5.2.1 Die Tafel• Tafelarbeit / handwerkliche Tipps:

– Tafel begleitet Gang des Unterrichts• Schüler kann nach Abschalten wieder Anschluss gewinnen

– Hausaufgabe auf äußerer Tafel, Neues beginnt mit Aufklappen

– Seitentafel als Notiztafel oder Schmierzettel– Tafel ist Vorbild für Heft des Schülers

• Mitteltafel halbieren (nicht breiter als Schülerheft)• Ansagen: „Zeile frei“, „Einrücken“, „Heft quer“, „nicht

mitschreiben“• Wischen ist kein Arbeitsmittel• Farbig, aber nicht bunt

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5.2.1 Die Tafel• Whiteboard (Weißwandtafel oder weiße Tafel):

– spezielle, glatte Oberfläche aus weißem Kunststoff oder weiß emailliertem Metallblech für spezielle Filzmarker

– Schreiben mit Filzstift statt mit Kreide:• Kein Kreidestaub

• Wegwischen ohne Wasser

• Schwarz auf Weiß statt Weiß auf Grün

• Kräftige Farben

• Häufig leere Filzstifte

– Heute selten in der Schule; statt dessen interaktive Whiteboards (z.B. Smartboards)

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5.2.1 Die Tafel• Interaktive Whiteboard (z.B. Smartboards):

– berührungsempfindlichen Bildschirm in der Größe einer Wandtafel plus ein PC und ein Beamer

– Weltweit ca. 1,5 Millionen Klassenräume mit einem interaktiven Whiteboard (Stand 2008):

• England: Über 60 % der Klassenräume (rund 500.000 Whiteboards)

• Deutschland: Ca. 5 % der Klassenräume (rund 26.000 Whiteboards)

– preiswerte Variante: Selbstbau auf der Basis der Nintendo Wii-Remote-Unit

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5.2.1 Die Tafel– Vorteil: Kombination von Tafel und PC:

• PC sichtbar mit Finger (oder speziellem Stift) steuern

• Darstellungen per Hand markieren und ergänzen

• Texte per Handschrift ergänzen

• Tafelbild abspeicherbar und wieder aufrufbar

• In Tafelbild Computeranwendungen integrieren (Diagramme von Funktionen, Grafiken mit einfachem Grafikprogramm)

• Lehrer hat alles im Griff (im Gegensatz zur Arbeit an Laptops)

– Nachteile:• Kosten

• notwendiges Know-how der Lehrkräfte

• Gefahr: Mehr Frontalunterricht

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5.2.2 Das Arbeitsblatt• Arten von Arbeitsblättern

– informierend: Text- und Bildmaterial ergänzend zum Schulbuch (Arbeitsblatt?)

– vertiefend: Fordert Ergänzen, Vervollständigen, Bearbeiten (Prinzip der Aktivierung, eigentliches Arbeitsblatt)

– kontrollierend• Interessant: Kombination mit Arbeitsprojektor

– Lehrer und Schüler bearbeiten simultan• Bei Schülerversuchen:

– Verbindung zur Theorie– Steuerung des Ablaufs– Hilfen für gezielte Auswertung

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5.2.3 Der Tageslichtschreiber• Alternative Bezeichnungen: Zeichenprojektor, Schreibpro-

jektor, Overheadprojektor, OHP, Arbeitsprojektor (nach DIN)• Vorteile:

– Einfache Erstellung der Folien– Optimale Gestaltung im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung

möglich– Darstellung großflächig, lichtstark, nach Bedarf zu- oder

wegschaltbar– Schrittweise Entwicklung von Inhalten möglich (Overlaytechnik,

sukzessives Aufdecken, Ergänzung mit Folienstiften)– Orientierung des Lehrers zu den Schülern– Lehrer kann unbemerkt in sein Konzept schauen– Archivierbar, z.B. für Wiederholungsphase

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• Häufige Fehler / Probleme:– Verzerrte Wiedergabe– Farbzonen an den Rändern (schlechte Justierung der Lampe)– Zusätzlicher Lichteinfall durch Sonne– Unterkante der Projektionsfläche zu niedrig (keine freie Sicht für

Schüler)– Folien schief aufgelegt– Projektionsstrahl durch Schultern oder Arme abgedeckt– Zu schnelles Wechseln der Folien (Überforderung der Zuhörer)– Zu hohe Informationsdichte, zu hohes Tempo– Lehrer geblendet– Schüler lesen voraus Aufmerksamkeit weg– Schüler haben nichts zu tun

5.2.3 Der Tageslichtschreiber

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• Hinweise zur Gestaltung von Folien:– Nicht überfrachten

• Wenig Folien, wenig Inhalt pro Folie, wenig Farben (maximal 3)– Ausreichende Schriftgröße (Minimum 20pt)– Jede Folie ein Bild (auch bei Powerpoint)– Kurze treffende Überschrift– Optische Gliederung!– Keine Rollfolien– Klappfolien mit Tesafilm basteln– Drehbare Folien und Schiebeschlitzfolien selbst basteln– Folien im Vortrag auf darüber gelegter Leerfolie

ergänzen– (Bei professionellen Vorträgen: Querformat)

5.2.3 Der Tageslichtschreiber

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• Zwei Anzeigemöglichkeiten:– Mit Stift auf der Folie

• Ökonomisch, schnell, Lehrer bleibt Schülern zugewandt

• Zuhörer verlieren Blickkontakt zu Vortragendem

• Großräumige, aufweckende Motorik fehlt

– Mit Zeigestab auf Projektionsfläche• Lehrer bleibt im Blickfeld

• Nonverbale Ausdrucksmittel möglich

5.2.3 Der Tageslichtschreiber

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5.2.3 Der Tageslichtschreiber• Weitere Anwendungsmöglichkeiten:

– Kleine Gegenstände im Schattenriss

– Fertige Funktionsmodelle für OHP (z.B. Ottomotor)

– Bewegungen werden mit Polarisationsfolien simuliert (käufliche Folien)

– Physikalische Versuche möglich:• Darstellung von Magnetfeldlinien

• Darstellung von E-Feldlinien

• Versuche mit Wasserwellen

• Versuche zur Polarisation

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5.2.4 Film, Video• Technisch:

– Früher: Schmalfilm (16 mm), Super-8-Film (8 mm),Video-Fernseher-Technik

– Heute: Beamer mit DVD-Player, PC, Kamera

• Vorteile:– Anschaulichkeit (vor allem wenn fotorealistische

Darstellungen sachdienlich sind)

– Sinnvoll, wenn verbale Beschreibung zu aufwändig

– Spezielle Möglichkeiten (Zeitlupe, Zeitraffer, Zoomen, etc.)

– Räumliches Empfinden deutlicher als beim Bild

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• Nachteile:– Verlangt spezifische Beobachtungsfähigkeiten– Hohe Informationsdichte– Betrachtungsdauer und Abfolge festgelegt– Viele Informationen, die nicht lernzielrelevant sind

(Hintergrund, Tapetenmuster, Moderator)• Maßnahmen des Lehrers gegen zu hohe

Informationsdichte:– Vorbereitende Erklärungen– Pausen mit Zusatzinformationen– Standbilder zur Besprechung von Details– Anspruchsvolles mehrfach abspielen– Zeitlupenablauf verwenden

5.2.4 Film, Video

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Phasen des Filmeinsatzes• Vorbereitung der Schüler:

– Hinweis auf Wichtiges, Aufmerksamkeit lenken– Vorwissen aktivieren– Gliederung des Films vorher aufzeigen– Fragen formulieren– Konkrete Beobachtungsaufgaben stellen– Gründe für das Zeigen des Films nennen

• Beim Vorführen des Films:– Ganz zeigen oder nur wichtige Ausschnitte– Am Stück oder mit Unterbrechungen– Einmal oder mehrmals zeigen

• Nachbereitung:– Missverständnisse/Unklarheiten beheben– Kernaussagen zusammenfassen, Aussagen formulieren

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5.2.5 Das Schulbuch• Fachliche Funktionen:

– Fachinhalte darstellen und strukturieren (Sachbuch)– Einführung in die Fachsprache– Fachspezifische Arbeits- und Betrachtungsweisen vorstellen– Übersicht für Schüler (schnelle Orientierung)– Wiederholung des Stoffes

• Pädagogische und lernpsychologische Funktionen:– Vermittlung von Arbeitstechniken im Umgang mit Texten– Durch ansprechende Darstellungen motivieren– Selbstständiges Lernen anregen und fördern (Befähigung zu

autonomem Lernen)– Individuelles und differenziertes Lernen ermöglichen– Umgang mit Literatur schulen

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• Funktion als Material für den Unterricht:– Materialien bereitstellen, wie Bilder, Tabellen, Texte– Arbeitsbuch: Aufgaben (Übungsbuch)– Arbeitsbuch: Versuchsanleitungen (Experimentierbuch)

• Bemerkungen:– Physik-Schulbücher werden im Unterricht kaum genutzt.– Zu den Schulbüchern gibt es Aufgabensammlungen,

Versuchsanleitungen, Praktikumshefte, Formelsammlungen, Multimediaprogramme.

– Lehrer muss mit dem lehrmittelfrei eingeführtem Buch klar kommen (selektive Auswahl).

5.2.5 Das Schulbuch

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• Beispiele für konkrete Kurzeinsätze im Unterricht:– Abbildung im Buch dient zum motivierenden Einstieg in die Stunde. – Eine schematische Zeichnung gibt Anlass, die Funktion eines

technischen Gerätes zu klären oder eine Modellvorstellung zu verdeutlichen.

– Die Klasse diskutiert ein Diagramm oder eine Tabelle.– Schüler führen ein Experiment nach Anleitung durch das Buch

durch.– Eine Textpassage, z.B. ein historischer Bericht, wird gemeinsam

gelesen.– Unbekannte Begriffe, Gesetze, Formeln oder Zahlenwerte werden

nachgeschlagen.– Die Schüler bearbeiten Übungsaufgaben aus dem Buch.

5.2.5 Das Schulbuch

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• Anforderungen an Schulbüchern:1. Auf Lehrplan abgestimmt2. Schülergerechte Darbietung3. Wissenschaftliche Zuverlässigkeit4. Darstellung wissenschaftlicher Arbeitsweisen(1. durch Kultusministerien sichergestellt, 2.-4. nicht immer

gegeben)

• Tendenz bei Schulbüchern:– Attraktive Abbildungen und graphische Darstellungen

statt Grau in Grau– Einfachere Sprache statt schlecht verständliche Sprache

mit zu vielen Fachwörtern

5.2.5 Das Schulbuch

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• Weitere Schwächen von Schulbüchern:– Distanzierte autoritative Aussagen in entpersonalisierten Texten– Präzision zu Lasten einer auf die Lernenden bezogenen

Begriffsentwicklung– Eingeschränkter Kontext nur in fachspezifischen Grenzen– Eingeschränkte Syntax (kurz und knapp), die nicht das Verständnis

fördern– Starres monotones rhetorisches Muster ( nachlassende

Aufmerksamkeit)– Tun in den Naturwissenschaften vorrangig vor das Nachdenken– Theorie ergibt sich scheinbar wie von selbst aus den Daten.– Naturwissenschaftliches Wissen erscheint als zwangsläufige

Resultat richtigen Vorgehens (kein selbstkritisches Ringen um Erkenntnis, keine falschen Wege).

– Physik nur rational erscheinen lassen, frei von Befürchtungen

5.2.5 Das Schulbuch

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• Funktion der Schulbücher in der Unterrichtsplanung des Lehrers:– Interpretation des Lehrplans– Orientierungshilfe bzgl. Gliederung, Stoffauswahl,

Beispielen, Experimenten, Einstiege– Quelle für ergänzendes Wissen (Geschichte, Technik,

angrenzende Fachgebiete)– Anregung für die Unterrichtsgestaltung– Arbeitserleichterung bei der Unterrichtsvorbereitung– Konkretisierung fachdidaktischer Ansätze– Lehrerfortbildung– Reform des Physikunterrichts

5.2.5 Das Schulbuch

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• Episkop: ersetzt durch Kopien auf Folie• Diaprojektor: durch Farbfolien

und Beamer ersetzt• Poster / Wandbilder, z.B. historische Entwicklung

oder großtechnische Anlagen, kurzfristiger Einsatz oder dauerhafte Präsentation

• Technisches Anschauungsmaterial,z.B. aufgeschraubte Geräte

• Anschauungsmodelle, z.B. Gitterstruktur eines Festkörpers

• Funktionsmodelle: Zeigen Funktionsweise, z.B. Ottomotor

5.2.6 Weitere Medien

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Zusammenfassung• Medien haben verschiedene Funktionen:

– Informationsquelle, Motivation, Veranschaulichung, Erarbeiten, Wiederholung, Übung, Kontrolle, Individualisierung, Differenzierung

• Auch hier gilt wie bei Methoden:– Nutzen Sie die Vielfalt der verschiedenen Medien– Achten Sie beim Einsatz auf medienspezifische Besonderheiten – Nutzen Sie einen möglichen Mehrwert durch die Kombination von

Medien – wo sinnvoll!

• Aufgaben des Lehrers:– Kenntnis der Codesysteme sicherstellen– Informationsdichte angemessen wählen– Steuerung der Aufmerksamkeit– Verarbeitungstiefe garantieren

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5.3 Computer im Physikunterricht

• Gliederung:5.3.1 Grundlegendes

5.3.2 Lernprogramme

5.3.3 Messwerterfassung und -reproduktion

5.3.4 Simulationen

5.3.5 Information und Präsentation

5.3.6 Kommunikation und Kooperation

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5.3.1 Grundlegendes• Gliederung:

5.3.1.1 Funktionen des Computereinsatzes

5.3.1.2 Animationen

5.3.1.3 Werkzeuge (cognitiv tools)

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Funktionen• Praktische Funktionen

– Orientierungs- und Strukturwissen im Umgang mit Computern / Neuen Medien

– Handlungskompetenz für die Nutzung• Fachliche Funktionen

– Messwerterfassung und –auswertung (siehe 5.3.3)– Simulation (siehe 5.3.4)– Modellbildung (siehe 5.3.4)– Informations- und Datenressource

• Pädagogische Funktionen– Analyse- und Urteilsfähigkeit von

Gestaltungsmöglichkeiten– Nutzungsvoraussetzungen und Wirkungen

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• Erkenntnismethodische Funktionen– Moderne Methoden der Physik

– Theoriebildung ohne komplexe Mathematik

– Experimentieren mit Ideen

– Nachforschen

• Lernpsychologische Funktionen– Besseres Behalten durch mehrfache Kodierung

– Visualisierung komplexer Vorgänge

– Individuelles, selbstgesteuertes Lernen

– Komplexe und realitätsnahe Probleme

Funktionen

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Animationen• Verbindung der Vorteile von Film und Standbild• Didaktische Funktion

– Demonstration sequentieller Abläufe– Veranschaulichung kausaler Zusammenhänge– Visualisierung unsichtbarer Funktionen– Illustration von Beschreibungen– Darstellung visueller Analogien– Steuerung der Aufmerksamkeit– Hilfe, um Situation in Erinnerung zu behalten– Darstellung physikalischer Größen im Kontext der

Situation.

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Animationen• Spezialfall „dynamisch ikonische Repräsentationen“:

– Physikalische Größen einer Messung oder einer Simulation werden durch Pfeile, Flächen,Säulen, Linien etc. dargestellt, derenGröße die Größe der physikalischenGröße darstellt.

– Aussagen und Zusammenhängeleichter zu erfassen, als beiZahlen oder bei Graphen

– Können beim Übergangzu Graphen helfen

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Werkzeuge• Cognitiv Tools sind Hilfswerkzeuge bei der geistigen

Arbeit (keine physikspezifischen Werkzeuge).

• Beispiele:– Textverarbeitungssysteme

(mit Rechtschreibprüfung)

– Präsentationsprogramme

– Funktionsplotter

– Tabellenkalkulationsprogramme

– Computeralgebrasysteme (CAS)

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5.3.2 Lernprogramme1. Klassische Übungsprogramme:

– (1) Anbieten einer Aufgabe, (2) Registrieren der Antwort, (3) Bewertung, (4) Überleitung zur nächsten Aufgabe

– Veraltete Lernvorstellung (behavieristisch)

2. Tutorielle Programme:– Erst Information, dann Verständnisfragen. Abhängig von Antwort

weitere Informationen.

3. Lernumgebungen: e-Learning (z.B. Moodle)

• In Physik kaum gute Programme vorhanden.• In anderen Fächern häufiger.

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• Tatsächliche Größen eines physikalischen Ablaufs werden vom Computer gemessen, weitere physikalische Größen daraus berechnet, Ergebnisse dargestellt.

• Die Messwerte können abgespeichert werden und später wieder aufgerufen werden.

• Werden herkömmlich gemessene Daten in den Computer zur Darstellung eingegeben, ist das keine computerbasierte Messwerterfassung!

5.3.3 Messwerterfassung

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5.3.3 Messwerterfassung• Das historisch Erste war die Spannungsmessung

mittels AD-Wandlern (1980er Jahre im Unterricht).• Heute gibt es zu Messwerterfassungssystemen

eine Vielzahl spezieller Sensoren, um physikalische Größen zu erfassen.

• Ein besonderes Messverfahren für Bewegungen ist die Videoanalyse.

• Ein Spezialfall für Messwertreproduktion sind Interaktive Bildschirmexperimente (IBEs).

• Sehr speziell: Remote Controlled Laboratory (RCL)

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• Vorteile:– Viele Messwerte in kurzer Zeit aufnehmbar– Automatische Erfassung in großen Zeiträumen– Viele Möglichkeiten der Präsentation der Daten– Viele Möglichkeiten der Auswertung der Daten– Auswertung und Darstellung in Echtzeit möglich– Zeitersparnis, Wiederholung mit anderen Parametern– Daten sind gespeichert, können z.T. auch langsamer

ablaufen

• Gefahren:– Komplizierte Messungen und zu schnelles Vorgehen

5.3.3 Messwerterfassung

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5.3.3 Messwerterfassung• Produktnamen für Messwerterfassungssysteme:

– Sehr gute, international viel benutzte Programme sind: Datastudio (Pasco, USA) und Coach (aus Niederlanden), die beide in Deutschland kaum benutzt werden.

– Die Marktmacht in Deutschland hat Cassy (Firma LD-Didaktik),was nur historisch zuverstehen ist.

– Ergebnisse zweier Erhebungen 2004 und 2009: 1 %0 %Eigenbau

1 %0 %Corex (Cornelsen)

1 %0 %CBL (TI)

2 %0 %DiBox

2 %0 %Lap Pro (Vernier)

0 %1 %Coach (CMA)

4 %2 %Cobra (Phywe)

0 %17 %DataStudio (Pasco)

2 %24 %PAKMA (Uni Wü)

53 %63 %Cassy (Leybold)

Rh-Pfalz 2004, N=293

Unterfranken 2009, N=98

UmfrageName (Firma)

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Videoanalyse• Digitale Videos von Bewegungen heute problemlos möglich.

• Videos enthalten Orts- und Zeitinformationen (Einzelbilder in festen Zeitabständen).

• Ist eine Referenzlänge bekannt, kann jeder Ort berechnet werden.

• Früher: Folie auf Fernsehbildschirm gelegt und mit Lineal abgemessen.

• Heute Computerprogramm, das die Berechnung und Darstellung übernimmt (sehr unterschiedliche).

• Ortsmessung durch Mausklick oder durch intelligentes Programm.

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Videoanalyse• Produktnamen für Videoanalysesysteme:

– Einfache, billige Klick-Programme, bei denen die Auswertung nur manuell möglich ist:

• Deutsch: DiVa (aus Augsburg!), Gallileo, David, ViMPS, Easyvid,VideoAnalyzer, DOTSPOT

• Englisch: VideoPoint, World-in-Motion

– Programme, die eine automatische Auswertung haben:• Viana, Coach (funktioniert schlecht, da nur Farbanalyse)

• AVA (Erprobungszeitraum abgelaufen)

• measure Dynamics (sehr sehr gut, teuer, mit vielfältigenDarstellungsmöglichkeiten)

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Videoanalyse• Vorteile:

– Interessante Alltagsbewegungen sind analysierbar.– Berührungsfreies Messen ist möglich.– Zweidimensionale Bewegungen sind messbar.– Schüler können selbsttätig analysieren.– Auch zu Hause möglich, wenn Videos vorhanden.

• Probleme:– Es sind gute Videos nötig (verzerrungsfrei, hohe

Framerate)– Hohe Messungenauigkeit (Beschleunigung!)– Nur in der Mechanik einsetzbar.

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Interaktive Bildschirmexperimente• Interaktive Bildschirmexperimente (IBEs):

– Fotos von Realexperimenten werden in Abhängigkeit verschiedener Parameter gespeichert.

– Der Anwender manipuliert scheinbar mit der Maus das Experiment und bekommt zu seinen Einstellungen das passende Foto.

– Es entsteht der Eindruck, man würde experimentieren.

– Moderne IBEs erlauben viele Einstellungen, auch solche, die nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen (wie beim realen Experimentieren).

– Beispiele: 1. Generation: , aktuelle:

• Interaktive Bildschirmexperimente (IBEs):– Fotos von Realexperimenten werden in Abhängigkeit

verschiedener Parameter gespeichert.

– Der Anwender manipuliert scheinbar mit der Maus das Experiment und bekommt zu seinen Einstellungen das passende Foto.

– Es entsteht der Eindruck, man würde experimentieren.

– Moderne IBEs erlauben viele Einstellungen, auch solche, die nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen (wie beim realen Experimentieren).

– Beispiele: 1. Generation: , aktuelle:

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Interaktive Bildschirmexperimente

• Vorteile:– Ersatz aufwendiger, teurer oder gefährlicher

Realexperimente

– Lernen durch Eigenerfahrung

– kostengünstig „Schülerexperimente“ möglich

– beliebige Wiederholung der Experimente, auch zu Hause, möglich.

• Nachteile:– Experimente nicht real

– Es ist vorgegeben, was man verändern kann.

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5.3.4 Simulationen• Nachbildung ausgewählter Realitätsaspekte• Im Hintergrund liegt ein vereinfachtes

mathematisches Modell(Konkretisierung einer Theorie).

• Simulationen ermöglichen, Elemente zu variieren• Darstellung möglichst mit Animationen• Vielfältiges Angebot kleinerer Simulationen

vorhanden (gute und schlechte)• Lehrer muss erklären und anleiten.• Beispiel:

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• Wann nutzt man Simulationen?– Wenn die Experimente zu teuer, aufwändig oder

gefährlich sind,– wenn ein reales System nicht existiert,– wenn ein reales System nicht beobachtet werden kann,– wenn ein reales System zu komplex ist,– wenn Parameter einfach und schnell verändert werden

sollen.• Simulationen in der Schule:

– Systeme bzw. Situationen können vereinfacht werden,– Abhängigkeiten können gezielt untersucht werden.– Achtung: Ohne Lernumgebung können die Schüler

überfordert werden.

5.3.4 Simulationen

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• Vorteile:– Abstraktion und didaktische Vereinfachung (Reduktion)– Substitution realer Größen durch modellspezifische

Größen: Bildhafte und symbolische Darstellungen– Einfachheit (wenig grundlegende Annahmen)– Reproduzierbarkeit (Üben)– Wertvoll, wenn reale Situation schwer zugänglich

• Nachteile:– Schüler muss Analogie zur Realität sehen (kein Spiel)– Gefahr, dass sie Realexperimente ersetzen statt

ergänzen.

5.3.4 Simulationen

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5.3.4 Simulationen• Existierende vorgefertigte Simulationen sind sehr

unterschiedlich:– Realistische Simulationen vs. erfundene Welten– Eingreif- und Steuermöglichkeiten sehr unterschiedlich– Berechnung selbst unterschiedlich einsehbar– Didaktische Qualität sehr unterschiedlich– Unterschiedliche technische Realisierungen:

• Datenträgerbasierte Simulationen– DOS-Programme (sehr alt, aber noch im Einsatz)– Windows-Programme

• Browserbasierte Applets/Physlets– Suchen und runterladen mit www.natsim.net

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• Bekannte Simulationsplattformen:

Albert

5.3.4 Simulationen

Walter Fendt

PhETCrocodile Physics/YenkaPhyslets (W. Christian)

PAKMA

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• Links zu Simulationssammlungen:– Simulationen von Walter Fendt:

http://www.walter-fendt.de/– Crocodile Physics/Yenka:

http://www.crocodile-clips.com/de/Physik/– Simulationen Phet:

http://phet.colorado.edu/simulations/index.php– Simulationen mit Cinderella.2:

http://www.cinderella.de/files/HTMLDemos/– Virtuelles Physiklabor von Prof. Matzdorf:

www.physik.uni-kassel.de/en/virtuelles-physiklabor.html

5.3.4 Simulationen

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• Interessant sind Simulationsprogramme wie Crocodile Clips, Albert, CliXX Physik oder PAKMA, bei denen unter einer Oberfläche verschiedeneSimulationen laufen können.

5.3.4 Simulationen

• Welche Produkte vonSimulationen nutzen Lehrer?– Programme, die mehrere

Medien unter einer Programmoberflächevereinen, werden kaum genutzt:

• PAKMA: Messwerterfassung, Simulation, Modellbildung, Videos

• Coach: Messwerterfassung, Modellbildung, Videoanalyse, Applets, Texte 19 %6 %Albert

6 %7 %CliXX Physik

3 %7 %Interactive

Physics

0 %8 %JPAKMA

17 %19 %DOS-

Programme

13 %24 %Crocodile Physics

8 %29 %PAKMA

33 %55 %Applets

Rh-Pfalz 2004, N=293

Unter-franken

2009, N=98

Umfrage

Name

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• Benutzer muss selbst die Zusammenhänge zwischen den Größen angeben.

• Programm erstellt die anschließende Simulation durch numerische Integration.

Modellbildung

• Es gibt: gleichungsorientierte Modellbildung mit einer Programmiersprache und graphisch orientierte Modellbildung mit spezieller Software

• Ausgabe meist nur mit Graphen, bei VisEdit und Modellus 4 auch als Animation.

• Welche Modellbildungs-systeme nutzen Lehrer? 1 %0 %Coach

3 %0 %Powersim

3 %0 %Moebius

5 %0 %Modus

4 %1 %STELLA

18 %4 %Dynasys

0 %12 %JPAKMA

0 %15 %Newton-II

2 %17 %VisEdit/PAKMA

2 %63 %Tabellenkalk.

Rh-Pfalz N=293

Unterfranken2009, N=98

UmfrageName

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SammelgrößeFunktionsgrößeKonstanteVisEdit /PAKMA

Coach 5

Modus

Powersim

mit ÄnderungsrateEinflussgrößeKonstanteSTELLADynasys

Zustandsgröße(Speichergröße)

mit Veränderung

ZwischengrößeVorgabegröße(exogene Einwirkung)

Programm

ModellbildungSymbole bei graphisch orientierten Modellbildungssystemen:

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• Beispiel: Fall eines FallkegelsModell: Ausgabe/Simulation:

• Hier:– Verstehen eines Realexperiments, kein Ersatz– Umgehen anspruchsvoller Mathematik

Modellbildung

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• Vorteile:– Physikalische Strukturzusammenhänge visualisieren– Lernprozesse beim Modellerstellen, Rückmeldung beim

Ablauf– Ausrichtung auf tägliche komplexe Erfahrungswelt,

Einbeziehen von Reibung– Komplexe Aufgaben, keine Überbetonung von

Rechenaufgaben– Hypothesen über Beziehungen zwischen Größen

aufstellen und testen– Keine speziellen Bewegungsfunktionen, sondern

grundlegende Zusammenhänge

Modellbildung

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• Speziell:Virtuelle Welten = Simulationsbaukästen– Programme kennen die ganze Physik– Nutzer muss nur die gewünschte Situation in

einer zweidimensionalen Welt erstellen– Beispiele:

• Interactive Physics• Freewaresoftware „Phun“ und kostenpflichtige

Nachfolgerversion „Algodoo“• Am bekanntesten ist „Crocodile Physics“,

Nachfolgeprogramm heißt „Yenka Physik“

Virtuelle Welten

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Virtuelle Welten• Beispiele mit Interactive Physics:

• Beachte den Unterschied:– Bei Simulationen ist die Situation vorgegeben und es werden nur

Parameter variiert.– Bei Modellbildung muss alles selbst erstellt werden, die

physikalischen Zusammenhänge müssen eingegeben werden.– Eine virtuelle Welt kennt die gesamte Physik schon richtig. Man

erzeugt sich nur die Situationen.

• Vorteile:– Experimentieren mit Ideen, Nachforschen– Visualisieren, Erstellen von Animationen

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5.3.5 Information und Präsentation

Beispiele:• Das World Wide Web oder CD-ROMs dienen als

Informationsquelle in Projekten, in offenem Unterricht oder für Hausaufgaben.

• Schülergruppen präsentieren ihre eigenen Ergebnisse mit Powerpoint, auf der Schulwebseite, in einem Blog etc.

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5.3.6 Kommunikation + Kooperation

Beispiele:• Schüler nehmen in einem Projekt Verbindung zu

Experten auf und holen so Informationen ein.

• Schüler (auch verschiedener Schulen, auch länder-übergreifend) führen ein gemeinsames Projekt durch (E-Mail, Forum, Chat).

• Schüler kommunizieren über E-Mail mit ihrem Lehrer.

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5.3.6 Kommunikation + Kooperation• Just-in-Time-Teaching (JiTT)

– Unterrichtsvorbereitung, die auf Rückmeldungen von Schülern aufbaut, unter Verwendung von Webseiten mit Email-Links oder Webformularen

– zur motivierenden Vorbereitung von neuen Themen– für Simulationen als Hausaufgabe – zur Erfolgskontrolle nach dem Unterricht – Motivation der Schüler durch Diskussion über eigene

Formulierungen – Unterricht besser vorhersagbar – zurückhaltende Schüler bekommen eine Chance, sich

auszudrücken – besser vorbereitete Schüler– Beispiel:

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Unterrichtseinsatz der experimentellen Physikmedien:PC-Messwerterfassung,Interaktive Bildschirmexperimenteund Videoanalyse

Unterrichtseinsatz der theoretischen Physikmedien:Simulationen, Modellbildung, Informationsmedium Internet und Kommunikationsmedium Internet

Untersuchung: Physik-Gymnasiallehrer in Unterfranken 2009

Was wird eingesetzt?

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• Wie viele Lehrkräfte setzen was ein? 2009:– Infos Internet 94 %– Simulationen 83 %– PC-Messung 82 %– IBEs 67 %– Modellbildung 56 %– Kommunikation 46 %– Videoanalyse 35 %

• Lehrkräfte, die noch nie den Computer einsetzten:

– 2004 in Rheinland-Pfalz: 7 %– 2009 in Unterfranken: 1 %

Was wird eingesetzt?

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Zusammenfassung• Der Computereinsatz:

– ist nicht an sich positiv,– kann gut und schlecht genutzt werden,– eröffnet neue Möglichkeiten zur Motivation und zur

Aktivierung der Schüler,– kann durch geschickte Darstellungen zum Verständnis

helfen.• Und auch hier gilt:

– Nutzen Sie die Vielfalt der verschiedenen Medien.– Achten Sie beim Einsatz auf medienspezifische

Besonderheiten.– Nutzen Sie einen möglichen Mehrwert durch die

Kombination von Medien – wo sinnvoll!– Machen Sie sich vor der Nutzung damit vertraut.

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6. Experimente

Gliederung:6.1 Didaktische Gründe für Experimente6.2 Klassifikation von Schulexperimenten6.3 Schülerexperimente6.4 Freihandexperimente6.5 Ratschläge für den Aufbau6.6 Ratschläge für das Vorführen6.7 Weitere Ratschläge

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ZielsetzungAm Ende dieses Abschnitts sollen Sie• die zahlreichen Funktionen von Experimenten in

der Schule kennen,• Schulexperimente klassifizieren können,• den Einsatz von Experimenten unter

lernpsychologischer, wahrnehmungs-psychologischer, pädagogischer, motivationspsychologischer und fachwissenschaftlicher Sicht erörtern können,

• die Bedeutung von Schülerexperimenten diskutieren können.

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Grundlegendes• In der Physik:

– Experiment ist wiederholbares, objektives Verfahren zur Erkenntnisgewinnung, jederzeit reproduzierbar.Von Bedeutung sind quantitative Experimente.

– Ein einzelnes Experiment beweist oder widerlegt keine Theorie.

– Experimente sind theoriegeleitet.

• In der Schule: Vor allem qualitative Experimente als Realitätserfahrung.

• In der Didaktik manchmal Unterscheidung zwischen Experiment und Versuch, hier Synonyme.

• Didaktische Sicht: Experimente sind auch Mittel zur Veranschaulichung, also ein Medium; Experimente zeigen Phänomene und Effekte.

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6.1 Gründe/Funktionen• Phänomene darstellen

– z.B. Magnetfeld, E-Feld, Brechung, Trägheit

• Physikalische Konzepte veranschaulichen– z.B. geradlinige Lichtausbreitung mit Nebelmaschine

• Grunderfahrungen auf- bzw. ausbauen– z.B. für Kreisbewegung Stöße nach innen nötig

• Physikalische Gesetzmäßigkeiten erfahren– z.B. Kraftwandler

• Theoretische Aussagen prüfen– z.B. Klingel im Vakuum

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• (Schüler-)vorstellungen prüfen– z.B. Verbrauchsvorstellung beim elektrischen Strom

• Physik in Technik und Alltag aufzeigen– z.B. Motore, Lautsprecher, Sensoren

• Denkanstöße geben, Denkstrategien entwickeln– z.B. verblüffende Spiegelbilder

• Physikalische Vorstellungen aufbauen– z.B. Modelle für Mondphasen, Mond- und

Sonnenfinsternis

6.1 Gründe/Funktionen

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• Physikalische Gesetze quantitativ prüfen– z.B. ohmsches Gesetz, Hooke‘sches Gesetz

• Physikalische Arbeitsweisen einüben– z.B. Widerstandskennlinie aufnehmen

• Motivieren und Interesse wecken– z.B. Eisenschiff schwimmt

• Nachhaltige Eindrücke vermitteln– z.B implodierende Coladose, Eissprengung

• Meilensteine der Kulturentwicklung aufzeigen– z.B. Gravitationsgesetz, brownsche Bewegung, Induktion

6.1 Gründe/Funktionen

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6.2 Klassifikation von Experimenten6.2.1 Klassifizierung nach Akteuren:

– Unterrichtsexperimente– Demonstrationsexperimente– Schülerexperimente

6.2.2 Klassifizierung nach Realitätsbezug:– Konkretes Objekt– Gegenständliches Modell– Simulation am Computer– Gedankenexperiment

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6.2 Klassifikation von Experimenten

6.2.3 Klassifizierung nach technischem Aufwand:– Freihandversuche– Experimente mit Lehrmittelgeräten– Präzisionsexperimente

6.2.4 Klassifizierung nach Art der Datenerfassung:– Qualitativ– Quantitativ

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6.2 Klassifikation von Experimenten6.2.5 Klassifizierung nach Unterrichtsphasen:

– Einstiegsversuch• Überraschung, Aktivierung von Vorerfahrung

– Erarbeitungsversuch• Hypothesen testen, Gesetze finden, Gültigkeitsbereich testen

– Versuch zur Vertiefung• Wiederholung in abgewandelter Form, Erweiterung

6.2.6 Klassifizierung nach Ablaufsform:– Einzelversuch– Parallelversuch– Serienversuch

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6.3 Schülerexperimente6.3.1 Definition• Vage Definition: Schülerexperimente sind

Unterrichtsphasen, bei denen Schüler mit Geräten arbeiten und damit physikalische Versuche durchführen.

• Möglich:– Im Klassenverband oder in Kleingruppen– Im regulären Unterricht oder in Blockform– Zur Einführung, Erarbeitung oder Vertiefung– Enge Führung oder selbstständiges Bearbeiten selbst gewählter

Probleme– Alltagsmaterialien oder Laborgeräte– Reproduktion von Bekanntem oder Suchen von Neuem– Ziel: Fachwissen oder Interesse oder Arbeitsmethoden

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6.3.2 Geschichte:• Praktika an den Unis bereits im 19. Jahrhundert

• In der Schule Ende des 19. / Anfang des 20. Jhdts. (z.B. Meraner Beschlüsse 1905)

• In den 1960er Jahren neuer Aufbruch durch den Sputnick-Schock.

• Große Rolle besonders in englischen Schulen.

• Heute nur wenig Schülerexperimente in der Schulpraxis.

• Evtl. neuer Aufbruch durch Bildungsstandards.

6.3 Schülerexperimente

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6.3 Schülerexperimente6.3.3 Verfolgte Ziele (zu viele!)• Erfahrungen mit experimentellen Untersuchungen• Erlernen experimenteller Fertigkeiten und Erwerb

fachspezifischer Handlungsschemata (Arbeitsmethoden)• Vertiefung begrifflichen Wissens• Verständnis für die Wissensgenerierung in der Physik• Entwicklung kollaborativer Fähigkeiten (soziales Verhalten)• Entwicklung angemessener Einstellungen und

Werthaltungen• Entwicklung naturwissenschaftlicher Denk- und

Kommunikationsprozesse• Motivation der Schüler

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6.3 Schülerexperimente6.3.4 Probleme• Experimentieren ohne nachzudenken

– Befolgen Kochrezepte („very busy getting nowhere“), Überforderung• Unterschiedliche Wahrnehmung der Ziele zwischen Lehrer

und Schüler– Schüler: Experimentieren ist Gerätebedienen.

• Mangelnde Vorkenntnisse der Schüler– Schüler kennen nicht den Sinn von Experimenten.

• Kaum Effekte beim Wissenserwerb oder bei Einstellungen• Schüler verbinden Theorie und Praxis nicht.• Einfluss der Alltagsvorstellungen

– Schüler nehmen entsprechend den Fehlvorstellungen wahr.• Mangelnde Vermittlung experimenteller Fähigkeiten• Kochbuchartige Handlungsanweisungen

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6.3 Schülerexperimente6.3.5 Weitere Vorteile• Beteiligung der Schüler• Lernen durch Eigenerfahrung• Individualisierungsmöglichkeiten6.3.6 Praktische Schwierigkeiten in der Schule• Hoher Anforderungen an die Ausstattung• Hoher Aufwand bei Vorbereitung und Durchführung• Begünstigung disziplinärer Schwierigkeiten6.3.7 Neuere Forderungen• Aktivierung höherwertiger kognitiver Prozesse• Größere Offenheit• Größere Authentizität der Problemstellung• Metakognitive Arbeiten unterstützen

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6.3 Schülerexperimente6.3.8 Empirische Forschungsergebnisse• Die Wirksamkeit von Schülerexperimenten konnte trotz intensiver

langjähriger Forschung NICHT belegt werden:– bzgl. der Vermittlung kognitiven Wissens und– bzgl. experimenteller Fähig- und Fertigkeiten und– bzgl. den Einstellungen der Schüler.

• Schlussfolgerung einer neuen Forschungsarbeit: „Selbst das Einbeziehen verschiedenster Forderungen an erfolgreiche Schülerexperimente wie Offenheit, Authentizität usw. führt immer noch nicht zu verbessertem Lernen oder positiveren Einstellungender Schülerinnen und Schüler. Die alte didaktische Forderung nach dem vermehrten Einsatz von Schülerexperimenten ist nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchungen als Mythos zu bewerten.“ (Prof. Dr. Martin Hopf)

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6.3.9 Organisationsformen• Arbeitsgleiches Experimentieren („auf gleicher Front“):

Jede Gruppe macht das Gleiche (gleichzeitig unter Anweisung odernach vorhergehender Besprechung).

• Übergangsform:Gleiches Verfahren, aber verschiedene Gegenstände.

• Arbeitsteiliges Experimentieren (“mit mehrseitigem Angriff“):Problem wird von Gruppen mit verschiedenen Verfahren gelöst.

6.3.10 Geräte beiholen• Je nach Erfahrung: 1. Geräte liegen auf Arbeitsplatz, 2. Ein

Schüler pro Gruppe holt vom Gerätetisch, 3. Schüler muss von Gerätetisch aussuchen, 4. Schüler holt aus Schrank.

• Schüler räumen auf (aber nicht in Schrank!).

6.3 Schülerexperimente

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6.4 Freihandexperimente6.4.1 Definition• Versuche aus der Hand heraus, d.h. die Hand ist Halterung,

Stativ, Auslöser.

• Versuche mit einfachen Mitteln, Gegenstände des täglichen Lebens.

• Aber auch einfache Gegenstände der Physiksammlung.

• Wesentlich: Phänomen/Effekt wird deutlich sichtbar.

• Es löst Erstaunen aus wie Zauberkunststücke.

• Also nur qualitative Versuche.

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6.4 Freihandexperimente6.4.2 Geschichte• Bereits im Altertum verwendet (z.B. Aristoteles, Heron)• Auf Jahrmärkten im Mittelalter von Gauklern verwendet• Im 30-jährigen Krieg als gedruckte Sammlung in

Französisch• Im 18. und 19. Jhdt. in populärwissenschaftlichen Vorträgen• Vom Physiklehrer Bernhard Schwalbe gesammelt (>1800)• Vom Kollegen Hermann Hahn 1905 veröffentlicht.• Heute zu finden in: Bücher für Kinder und

Jugendliche, spezielle Bücher für Physiklehrer, fachdidaktische Zeitschriften.

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6.4 Freihandexperimente6.4.3 Vorteile:• Es wird sichtbar: Physik hat mit der realen Welt zu tun.• Emotionale und motivationale Wirkung.• Zu Hause nachmachbar.• Sie lösen einen kognitiven Konflikt aus.• Sie brauchen wenig Unterrichtszeit.6.4.4 Kritik:• Manche funktionieren nicht.• Es handelt sich um Spezialfälle.• In der Regel sind es komplexe Versuche mit mehreren

Gesetzmäßigkeiten. In der Erklärung wird übervereinfacht.• Schüler faszinieren auch Laborgeräte.

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6.5 Ratschläge für den Aufbau6.5.1 Nur das Wesentliche

– Nebeneffekte ausblenden (zumindest anfangs)– Weitere Experimente abdecken oder räumlich getrennt stellen– Keine Experimente anderer Stunden auf dem gleichen Tisch– Keine unnötigen Geräte auf dem Tisch

6.5.2 Strukturierter Aufbau– Kabelverbindungen möglichst kurz– Kein Kreuzen von elektrischen Kabeln– Farbwahl elektrischer Kabel nach deren Funktion (Stromkreis,

Spannungsmessung)– Teilsysteme räumlich trennen oder zusammenfassen– Von links nach rechts aufbauen (z.B. links Primärspule/rechts

Sekundärspule; links angelegte Spannung, rechts gemessener Stromstärke)

– Spannungsquellen und andere Versorgungsgeräte in den Hintergrund, evtl. nicht sichtbar (nur Symbol)

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6.5 Ratschläge für den Aufbau6.5.3 Betonung des Wesentlichen

– Eigentliches Versuchsobjekt zentral anordnen– Wichtige Geräte beschriften

6.5.4 Gute Sichtbarkeit– Vertikaler statt horizontaler Aufbau– Podeste und Regale für verschiedene Ebenen nutzen– Messgeräte mit großen Anzeigeskalen– Kleine Aufbauten mit Schatten- oder Videoprojektion– Wichtige Bedienelemente sollen sichtbar sein

6.5.5 Orientierungshilfen– Schaltung auf Tafel oder Folie mit gleicher Anordnung

und gleichen Farben

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6.6 Ratschläge zum Vorführen6.6.1 Ablauf gliedern

– Relevante Zeitabschnitte herausarbeiten (z.B. Einschwingvorgang)

– Zeitlich gegliederter Ablauf räumlich nachbauen (von links nach rechts, von oben nach unten)

– Komplexen Ablauf mehrmals mit verschiedenen Beobachtungsaufgaben zeigen

– Schnelle Abläufe mehrmals zeigen, zusätzlich als Film in Zeitlupe

6.6.2 Schüler motivieren– Ablauf spannend gestalten– keine Effekte vorwegnehmen– Schülern Aufgaben zuteilen– Vorhersagen machen lassen (nicht kommentieren, nur

sammeln)

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6.6 Ratschläge zum Vorführen6.6.3 Idealen Standort suchen

– Blick auf Medien nicht versperren– Sich links vom Experimentiertisch stellen– Nicht längere Zeit hinter einem Tisch stehen

6.6.4 Ruhiger Stand des Experimentators– Nicht viel Bewegung in den Beinen. Ruhiger Stand gibt

Sicherheit und zeigt Souveränität.– Bei Themenwechsel ruhig Standort verändern– Beim Ansprechen der Klasse auf diese zugehen– Frei stehen, nicht anlehnen

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6.7 Weitere Unterrichtstipps Tipps aus lernpsychologischer Sicht:• Versuchsinhalte mit vorhandenen Konzepten verknüpfen

• Verwendete Darstellung müssen Schülern vertraut sein.

• Wichtige Teilschritte sollen als solche erkennbar sein.

• Schüler sollen im Versuchsablauf Zusammenhänge erkennen können.

• Aufbau, Ablauf und Ergebnis werden in verschiedenen Repräsentationsformen festgehalten (Foto und Schaltbild; verbal, schriftlich, graphisch)

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6.7 Weitere Unterrichtstipps Tipps zur Vorbildwirkung (erzieherische Sicht):• präzises Arbeit beim Experimentieren zeigen,

• auf Sicherheitsaspekte hinweisen und sie selbst befolgen,– z.B. elektrische Schaltungen zur Quelle hin aufbauen, erst nach

Prüfung anschalten, Schutzvorrichtungen verwenden

• sachgerechter Umgang mit Messgeräten,– z.B. im höchsten Messbereich einschalten

• Verbrauchsmaterial sachgerecht entsorgen,

• korrekte Fachsprache bei der Beschreibung experimenteller Anordnungen oder Abläufe verwenden

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6.7 Weitere Unterrichtstipps Tipps zum Einführen physikalischer Denk- und

Arbeitsweisen:• Schüler sollen erfahren, wie physikalische

Erkenntnisgewinnung aussieht und welchen Beitrag Experimente liefern.

• Experimentieren im Unterricht sollte fünf Schritte haben:– Problematisieren– Hypothesenbildung– Entwicklung der experimentellen Anordnung und des

Versuchsplanes– Durchführen und Kontrolle der Parameter– Deutung der beobachteten Effekte bzw. Messwerte

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Zusammenfassung• Experimente haben zahlreiche und äußerst

unterschiedliche Funktionen im Schulunterricht.

• Es gibt viele verschiedene Arten von Schulexperimenten.

• Schülerexperimente sind eine Möglichkeit zur Methodenvielfalt. Dass Schüler dadurch besser lernen, ist ein Mythos.

• Beim Einsatz von Experimenten in der Schule sind viele Aspekte zu beachten.

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7. EvaluationGliederung:

7.1 Begriffsklärung und Grundlagen

7.2 Individualebene(Messung des Lernerfolgs)

7.3 Unterrichtsebene(Bewertung des Unterrichts)

7.4 Systemebene(Bewertung des Bildungssystems)

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7.1 Begriffsklärung und Grundlagen

Ziele dieses Abschnitts:

Am Ende dieses Abschnitts sollen Sie

• das Konzept Evaluation erläutern können,

• das Konzept Evaluation im Kontext Schule diskutieren können,

• die verschiedenen Ebenen der Evaluation im Kontext Schule kennen,

• grundlegende Gütekriterien der Evaluation erläutern können.

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Was ist eigentlich Evaluation?Aus dem Duden:E|va|lu|a|ti|on, die; -, -en [lat.-frz.-engl.: frz. évaluation = Schätzung, évaluer = (ab)schätzen, lat. valere = stark, engl. evaluation "Berechnung, Bewertung„ → evaluieren]

a) Bewertung b) Beurteilung

Aus einem Standardwerk (Bortz & Döring, 1995):„Evaluation umfasst die Bewertung des Erfolgs von gezielt eingesetzten Maßnahmen oder um Auswirkungen von Wandel in Natur, Kultur, Technik und Gesellschaft.“

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• Evaluation muss wissenschaftlichen Kriterien

genügen (Bortz & Döring, 1995).

• Evaluation ist eine Kunst des Möglichen

(Cronbach, 1982).

• Wissenschaftliche Kriterien oder pragmatische

Auftragserfüllung?

• Evaluation sollte so professionell wie möglich und

so effizient wie nötig durchgeführt werden!

Was ist eigentlich Evaluation?

In der Schule?

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Evaluation im Kontext Schule?• Lernerfolg schließt neben Leistung weitere Aspekte

ein.• Aber was ist Lernerfolg?

Ein Lernerfolg liegt dann vor, wenn die vonder Gesellschaft für die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler gesetzten Ziele erreicht werden.

• Und was ist mit den Zielen der Lehrer?

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Ebenen der Evaluation• Individualebene

Gegenstand der Evaluation sind Merkmale, die dem einzelnen Schüler zuzuordnen sind.

• UnterrichtsebeneGegenstand der Evaluation sind Merkmale, die dem Unterricht in einer Klasse (also z.B. dem Lehrer) zuzuordnen sind.

• BildungssystemebeneGegenstand der Evaluation sind Merkmale, die nur dem Bildungssystem als Ganzem zuzuordnen sind.

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Gütekriterien der Evaluation• Die Erfassung eines Merkmals einer Maßnahme

erfolgt durch ein Messinstrument• Anforderungen an das Messinstrument

– Objektivität (= Intersubjektivität):Das Ergebnis ist unabhängig vom Benutzer.

– Reliabilität (= Zuverlässigkeit):Das Ergebnis ist im Rahmen kleiner Abweichungen reproduzierbar. Das Messinstrument misst also genau.

– Validität (Gültigkeit):Das Ergebnis spiegelt das, was gemessen werden sollte, wieder. Das Messinstrument misst das, was es zu messen vorgibt (schwer zu prüfen!).

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Zusammenfassung

• Evaluation ist die Bewertung gezielter Maßnahmen.

• Evaluation muss sowohl wissenschaftlichen Kriterien

genügen wie auch pragmatisch sein.

• Im Kontext Schule bedeutet Evaluation die

Bewertung der mit dem Unterricht verbundenen

Ziele; daraus ergeben sich drei Ebenen der

Evaluation.

• Evaluation muss objektiv, reliabel und valide sein.

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7.2 Individualebene

Ziele dieses Abschnitts:

Am Ende dieses Abschnitts sollen Sie

• den Lernerfolg im kognitiven und nicht-kognitiven

Bereich als zentrale Aspekte der Evaluation auf der

Individualebene kennen,

• Details der Messung von Lernerfolg im kognitiven

und nicht-kognitiven Bereich kennen.

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Evaluation der Individualebene• Bemessung des Lernerfolgs:

– Schule verfolgt das Ziel der Veränderung von kognitiven und nicht-kognitiven Variablen auf der Individualebene

– Evaluation dient der Beurteilung, inwieweit die Schule dabei erfolgreich ist.

• Zu unterscheiden:– Lernerfolg im kognitiven Bereich

– Lernerfolg im nicht-kognitiven Bereich

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Funktionen der Messung des Lernerfolgs:• Rückmeldung für die Schüler

• Rückmeldung für die Lehrkraft– Lernberatung der Schüler oder Eltern

– Korrektur des eigenen Unterrichts

• Bewertung als Lernsituation

• Disziplinierungsfunktion

• Auslesefunktion

Evaluation der Individualebene

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Lernerfolg im kognitiven Bereich

Bewertung: Fähigkeit, Urteile zu fällen (z.B. Widerspruchsfreiheit)

Synthese: Fähigkeit, einzelne Elemente durch Kombination zu etwas Neuem zu verbindenProblemlösen: Anwendung von

Bekanntem auf ein neuartiges Problem

Analyse: Fähigkeit, Situationen in Elemente zu zerlegen und Abhängigkeiten aufzuzeigen

Anwenden: Fähigkeit, allgemeine Regeln und Methoden in speziellen Situationen nutzenTransfer: Übertragung eines

Sachverhaltes auf einen ähnlichen Sachverhalt

Verstehen: Fähigkeit, mitgeteilte Informationen umzuformen, zu interpretieren und zu verallgemeinern

Reorganisation:Zusammenhängende Darstellung von Sachverhalten mit eigenen Worten

Wissen: Reine Wiedergabe von Sachverhalten in der ursprünglichen Form

Reproduktion: Reine Wiedergabe von Sachverhalten in der behandelten Weise

Kognitive Leistungen nach Bloom (1956):Kognitive Leistungen nach H. Roth:

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Lernerfolg im kognitiven Bereich

Kognitive Leistungen nach Kircher (2001):

1. Wissen von Einzelheiten und Benennungen

2. Wissen über Begriffe und Theorien

3. Verstehen von Zusammenhängen

4. Höhere kognitive Fähigkeiten

5. Bewerten

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Problem Rechenaufgaben• Problem: Überbetonung von Rechen- und

Einsetzaufgaben (Formelsammlung statt physikalische Arbeitsweisen)

– Rückwärtssuche• Neue Aufgabenkultur:

– Aufgaben mit unterschiedlichem Lösungsweg:• Lösen durch Anwenden verschiedener physikalischer Prinzipien• Konstruktions-/Bau-Aufgaben• Qualitative, graphische, halbquantitative oder pragmatische

Lösungen

– Aufgaben mit variierendem Kontext– Aufgaben, die die Intuition fördern– Fehlerkartei, Fehlerwettbewerbe, Lernen aus Fehlern

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Neue Aufgabenkultur

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AntwortformenGebundene Antwortform:• Mehrfachaufgaben = Multiple-Choice-Aufgaben• Richtig/falsch-Aufgaben• Zuordnungsaufgaben = Multiple-Select-Aufgaben

Freie Antwortform:• Ergänzungsaufgabe (Lückentext oder Lückenzeichnung)• Begriffsnetze erstellen lassen• Einige Sätze schreiben oder eine Zeichnung erstellen• Kurzaufsatz, längere Gedankenführung• PortfoliosNicht jede Form ist für jede kogn. Leistung gleich gut geeignet!

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Inhaltliche AlternativenAlternativen zu Rechenaufgaben:• Beschreibung und Deutung eines Versuchs

(bekannt oder real vorgeführt)• Beschreibung eines Ablaufs (z.B. Ottomotor,

Dampfmaschine)• Erklärung eines Phänomens/eines Gerätes

(z.B. Laser)• Grapheninterpretation• Aufgaben mit ikonischen Repräsentationen der

physikalischen Größen• Usw.

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Ikonische Darstellungen nutzen• Bildliche Darstellungen wie Säulen oder Pfeile

– z.B. für Geschwindigkeit, Beschleunigung, Kräfte, Ströme, Ladungen, Spannungen

• Ermöglicht anspruchsvolle Aufgaben ohne Mathematik, die Verständnis fordern.

• Drei Beispiele auseiner Schulaufgabe(11. Klasse):

– Senkrechter Wurf:Zeichne Kraft,Beschleunigung,Geschwindigkeit ein!

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Ikonische Darstellungen nutzen– Kugel an Faden:

Zeichne Geschwindigkeit,Beschleunigung, Kraft ein!

– Fallbewegung mitgeschwindigkeits-abhängigerReibung!

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Lückentextaufgaben• Beispiel:

– Metalle …….... den elektrischen Strom,Glas oder Kunststoff sind ………..….

• Lassen nur eng begrenzte Reaktion zu.

• Reine Überprüfung der Wissensreproduktion,keine Verständnisaufgaben möglich.

• Besser: Lückenbildaufgaben

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Lückenbildaufgaben• Zeichnungen sind zu vervollständigen,

Konstruktionen sind nötig

• Wissen und Verständnis

• Freiere Antwort als bei Lückentext

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Weitere Beispiele:Zeichne die Magnetfeldlinien ein:

Zeichne die Bewegungsrichtung so ein,dass bei A Elektronenüberschuss auftritt:

LückenbildaufgabenZeichne die Kraft ein:

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Multiple-Choice-AufgabenBeispiel (TIMSS 99):

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Multiple-Choice-Aufgaben• Gegeben: Hohe Objektivität

• Wichtig: Gute Distraktoren (schwierig)

• Reliabilität leidet unter Ratewahrscheinlichkeit.

• Abhilfe schafft:

– Erhöhung der Distraktoren (schwierig)

– Einführung einer Begründung

– Erhöhung der Aufgabenzahl

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Begriffsnetze• Nicht-physikalisches Beispiel:

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Begriffsnetze• Darstellung der Wissensstruktur und des

Verständnisses der Zusammenhänge

• Analyse über Anzahl der Beziehungen und deren inhaltliche Deutung

• Gute Analyse, aber komplex und aufwändig

• Wenn Schülern geläufig, dann vielfach nutzbar:– Verständnis abprüfen (Begriffstrennung,

Schlüsselbegriffe, Begriffsstruktur)

– Schülern Wissensveränderungen aufzeigen

– Als Hilfe für Textanalyse, Gliederungen, Stoffsammlungen

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Aufgaben mit freier Antwort• Freie Formulierung einiger Antwortsätze oder

Anfertigung einer Zeichnung• Beispiel:

Angenommen Du hast einen Stabmagneten und einen gleich aussehenden Eisenstab. Wie kannst Du beide unterscheiden?

• Je nach Aufgabe: Wissen, Verstehen oder höhere kognitive Leistung

• Niedrigere Auswerteobjektivität• Mögliche Optimierungen:

– Bewertungsschlüssel als Abstufung zwischen bester und schlechtester Antwort

– Kategorisierung der Antworten

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Aufsätze• Beispiel:

Erläutern Sie die Entwicklung des Atommodells vom Dalton-Modell über das Rutherford-Modell zum Bohr-Modell

• Starke Betonung individueller Charakteristiken• Eingeschränkte Erfassung spezifischer

Fähigkeiten. Abhilfe durch Akzentuierung durch Teilaufgaben.

• Bewertung - wie die Bewertung freier Aufgaben -sehr schwierig.

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Portfolios• Anlehnung an die Mappe der Künstler• Sammlung von Dokumenten zu einer bestimmten

Aufgabe bzw. zu einem bestimmten Thema• Beispiele:

– Heimexperimente– Eigene Berechnungen– Erörterungen– Diskussion von passenden Zeitungsartikeln

• Voraussetzungen– Klarheit der Lernziele– Klarheit, was als Erreichung der Lernziele angesehen

wird

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• Ebenfalls schlechte Auswerteobjektivität. Abhilfe: Bewertung der Portfolios durch die Schüler selbst

• In den USA sehr beliebt, in Deutschland erst im Kommen

• Bei Schülern beliebt• Häufig Sammler- und Jägertrieb bei den Schülern• Minimiert Prüfungsangst• Bewertung weniger punktuell und fußt auf

Beiträgen, die über einen langen Zeitraum entstanden sind.

Portfolios

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Lernerfolg im nichtkognitiven Bereich

Zum Beispiel:

• Einstellung zu Objekten

• Selbstkonzept des Leistungsvermögens

• Soziale Kompetenzen

• Interesse und Motivation

• Emotionen und Befindlichkeiten

• Handwerkliche Fähigkeiten

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Lernerfolg im nichtkognitiven BereichTypisches Instrument: Geschlossener Fragebogen• Stammtext: Einführung in den Fragebogen • Items: Mindestens 4 Items• Mehrstufige Antwortskala (Likert-Skala):

3- bis 7-stufige Skala: sehr schlecht ... sehr gut • Zuordnung von Werten zu Stufen:

sehr stark (5), …, sehr schwach (1)

Probleme:• Tendenz zur Neutralität• Soziale Erwünschtheit

Alternativen und Optimierungen:• Kontinuierliche Antwortskalen• Kategorisierung offener Antwortformate

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Lernerfolg im nichtkognitiven Bereich

7. ...damit ich nicht zur Nachhilfe muss.

6. ...um zu erfahren, ob meine Antwort stimmt oder nicht.

5....damit ich keinen Ärger mit meinen Eltern bekomme.

4. ...weil es für mich wichtig ist, die Experimente zu

begreifen.

3. ...damit mich meine Eltern loben.

2. ...weil ich den Stoff verstehen möchte.

1. ...weil von mir erwartet wird, dass ich meine Hausaufgaben

mache.

stimmt genaustimmt faststimmt kaumstimmt nichtWarum machst du deine Physikhausaufgaben?

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7.3 UnterrichtsebeneZiele dieses Abschnitts:

Am Ende dieses Abschnitts sollen Sie

• die Notwendigkeit der Reflexion über den gehaltenen Unterricht erläutern können,

• verschiedene Ansätze zur Reflexion über den gehaltenen Unterricht kennen,

• zwei Beispiele für Ansätze zur Analyse von videographierten Unterrichtsstunden erläutern können.

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Evaluation auf Unterrichtsebene• Unterricht wird häufig nicht wie intendiert

durchgeführt.• Mögliche Ursache ist eine notwendige Flexibilität

des Lehrers (positiv).• Aber andererseits zeigen Untersuchungen

deutliche Schwächen hinsichtlich der Diagnosekompetenz bei Lehrern.

• Eine Reflexion des durchgeführten Unterrichts im Hinblick auf die im Unterricht ablaufenden Prozesse ist zwingend notwendig.

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Videoanalyse von Unterricht

• Seit den 80er Jahren eingesetztes Werkzeug zur

Erfassung von Unterrichtsabläufen

• Heutzutage technisch vergleichsweise geringer

Aufwand nötig

• Möglichkeit, Situationen detailliert zu analysieren,

wiederholt zu analysieren und von verschiedenen

Personen analysieren zu lassen

• Wichtig: Gütekriterien!

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Videoanalyse von UnterrichtZwei Beispiele für Analyse der Videodaten

• Vergleichende Analyse – Basis ist der geplante Unterrichtsablauf

– Vergleich von geplantem und tatsächlichem Unterrichts

– Ergründung möglicher Ursachen für Abweichungen

• Kategoriengeleitete Analyse– Basis sind Analyseeinheiten

(Zeitintervallen, Turns, ...)

– Zuordnung von Kategorien zu Analyseeinheiten

– Auswertung mittels deskriptiver Statistik

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Lernstandserhebungen• Leistungen der Klassen werden landesweit

identisch erhoben.

• Erlaubt dem Lehrer eine Einordnung der Klasse in das landesweite Leistungsspektrum einerseits und die Bewertung der Schülerleistungen im Hinblick auf definierte Standards andererseits.

• In vielen Bundesländern üblich.

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Lernstandserhebungen• In Bayern:

– Freiwillige Lernstandserhebung in Natur und Technik an Gymnasiengegen Ende von Jahrgangsstufe 6

– Zentrale Jahrgangsstufentests in Mittelschule, Realschule und Gymnasium.

• Beispiel Gymnasium:

– Ländergemeinsame Vergleichsarbeiten (Vera):• Orientierungsarbeiten Rechtschreiben in der Jahrgangsstufe 2 • Vergleichsarbeiten in der Jahrgangsstufe 3 in Deutsch und Mathe• Vera 8 in Deutsch, Mathematik und in der 1. Fremdsprache Englisch an

Haupt-, Förder-, Real-, Wirtschafts- sowie integrierten Gesamtschulen und Gymnasien

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Zusammenfassung• Der tatsächliche Ablauf von Unterricht entspricht

häufig nicht dem geplanten.

• Dies deutet auf Mängel in der Diagnosekompetenz des Lehrers, entweder in der Vorbereitung oder im Unterricht selber hin.

• Durch gezielte Reflexion des Unterrichts, zum Beispiel durch Videoanalyse, kann die eigene Diagnosekompetenz systematisch entwickelt werden.

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7.4 SystemebeneZiele dieses Abschnitts:

Am Ende dieses Abschnitts sollen Sie

• die Evaluation auf Systemebene am Beispiel internationaler Vergleichsstudien erläutern können,

• Notwendigkeit theoretischer Rahmungen bei internationalen Vergleichsstudien erläutern können,

• die zentralen Ergebnisse deutscher Schüler im internationalen Vergleich wiedergeben können.

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Internationale Vergleichsstudien• Third (Trends in) International Mathematics and Science

Study (TIMSS)TIMSS 1995, TIMSS 1999, TIMSS 2003, TIMSS 2007

– International standardisierte Leistungsmessung

– Videoanalyse von Unterricht

• Programme for International Student Assessment (PISA)PISA 2000, PISA 2003, PISA 2006, PISA 2009, PISA 2012

– Elaborierter theoretischer Rahmen

– International standardisierte Leistungsmessung

– Teilnehmer 3.500 bis 10.000 Schüler im Alter von 15 Jahren in 32 Staaten

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Theoretischer Rahmen von TIMSS

• Erfassung mathematischer und naturwissen-schaftlicher Leistung und Lesekompetenzüber spezifische Tests

• Konstruktion der Tests nach harten psychometrischen Kriterien mit dem Ziel einer hohen Vergleichbarkeit zwischen Jahrgängen, Schulen, Ländern

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Ergebnisse von TIMSS• Unterdurchschnittliche Leistungen deutscher

Schüler in Mathematik und Naturwissenschaften• Große Heterogenität der mathematischen und

naturwissenschaftlichen Fähigkeiten deutscher Schüler

• Etwa 20 Prozent der Schüler erreichen nur ein erweitertes Grundschulniveau.

• Diskrepanz zwischen angestrebten und erreichten Fähigkeiten – besonders beim Verständnis zentraler Konzepte und naturwissenschaftlicher Arbeitsweisen

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Ergebnisse von TIMSS Video• Große Unterschiede bei den beobachteten Lehrern

innerhalb eines Landes• Unterschiede unmaßgeblich im Vergleich zwischen

den teilnehmenden LändernLänder-/kulturspezifische Unterrichtsskripte

• In Deutschland im Wesentlichen zwei Unterrichtsskripte

• Außerdem deutliche Unterschiede in der Art der Aufgaben

• ABER: Kein Zusammenhang zwischen diesen Unterschieden und Leistungsunterschieden

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Theoretischer Rahmen von PISA• Modell lebenslangen Lernens

• Das „Literacy“-Konzept– Reading Literacy (Schwerpunkt 2000+2009)– Mathematical Literacy (Schwerpunkt 2003+2012):

Mathematische Grundbildung– Scientific Literacy (Schwerpunkt 2006+2015):

Naturwissenschaftliche Grundbildung

• Der Kompetenz-Begriff– Operationalisierung des „Literacy“-Konzepts– Kompetenzstufenmodell

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Ergebnisse von PISA 2000• Bestätigung der Ergebnisse der TIMS-Studie

Leistungen deutscher Schüler unterdurch-schnittlich im internationalen Vergleich

• Leseleistung unterdurchschnittlich im internationalen Vergleich

• Spannweite bei den Leseleistungen größer als in allen anderen Teilnehmerländern

• Über 20 Prozent der Schüler sind funktionale Analphabeten

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Ergebnisse von PISA 2003• Im Hinblick auf die Leseleistung ein insgesamt

ähnliches Bild

• Bei nach wie vor großen Streuungen und Risikogruppen leichte Verbesserungen bei den Mathematikleistungen

• Verbesserungen in den Naturwissenschafts-leistungen bei verbleibendem Abstand zur Spitzengruppe und höherer Streuung

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KonsequenzenNeben vehement geführten Diskussionen:

• Verschiebung im Bildungsbegriff– Klassischer vs. pragmatischer Bildungsbegriff

• Kompetenz statt Wissen „(..) die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problem-lösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert, 2001)

• Einführung nationaler Bildungsstandards

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Was kann man daraus lernen?• Vergegenwärtigen Sie sich die Zielvorgaben, die

Ihre Schüler erreichen sollen!

• Überlegen Sie, welche dieser Zielvorgaben wie im Physikunterricht zu erreichen sind!

• Planen Sie Ihren Unterricht sorgfältig und im Hinblick auf diese Ziele!

• Nutzen Sie bestehende Möglichkeiten der Evaluation auf Unterrichtsebene, um zu überprüfen, wie erfolgreich Sie sind!

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Zusammenfassung• Internationale Vergleichsstudien dienen der

vergleichenden Einordnung der Schülerleistungen mit dem Ziel einer Einordnung der Qualität des Bildungssystems.

• Ein elaborierter theoretischer Rahmen erlaubt es die Ergebnisse auf die an das Bildungssystem gestellten Anforderungen zu beziehen.

• TIMSS und PISA zeigen, dass Schüler in Deutschland extrem heterogene Leistungen zeigen, wobei ein beachtlicher Teil der Schüler ein Minimalniveau nicht erreicht.

WS 2011/12Allgemeine PhysikdidaktikThomas Wilhelm

8. Arten von Inhalten

Gliederung:8.1 Modelle

8.2 Inhalte aus der Technik

8.3 Die Methode der Physik

8.3.1 Methodische Konzepte

8.3.2 Physikalische Theorien

8.4 Weitere Inhalte des Physikunterrichts

8.4.1 Physikalische Phänomene

8.4.2 Physikalische Begriffe

8.4.3 Physikalische Gesetze

8.4.4 Erklärungen von Phänomenen und Gesetzen

8.4.5 Physikalische Konzepte

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Physik ist wie (andere Wissenschaften) eine Modellbildungswissenschaft; sie macht sich Modelle der Welt. Modellbildung ist ein wesentlicher Aspekt von Physik.

Definition: Ein Modell ist ein Gegenstand oder theoretisches Konstrukt zur Beschreibung von Wirklichkeit. Es wird von einem Subjekt von etwas und für etwas konstruiert wird.

Es bestehen (reale oder fiktive) korrespondierende Beziehungen (Analogien) zwischen dem Modell und dem Objekt.

Bestimmte Eigenschaften sind im Modell leichter verständlich als am realen Objekt.

8.1 Modelle

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8.1 Modelle

Im Kopf des Physikers:

In der Welt:

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8.1 Modelle

Verschiedene Klassifikationen von Modellen: Realisation des Modells:

Gegenständliches Modell (Sachmodell) Ikonisches Modell (bildhaftes Modell) Symbolisches Modell (abstrakt-mathematisches Modell)

Lernabsicht bzgl. des Objektes: Strukturelles Modell (Strukturmodell) Funktionelles Modell (Funktionsmodell) Originalbezogenes Modell (gestaltähnliches Modell)

Art der Benutzung: Wissenschaftliches Modell (in der Wissenschaft) Didaktisches Modell (in der Lehre)

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8.1.1 Gegenständliche Modelle

Gegenständliche Modelle sind plastische, real existierende Objekte zum Anfassen.

Zwei Arten: Modelle von Technikgegenständen

Mehr oder weniger wirklichkeitsgetreue Nachbildungen zur Erklärung der Funktionsweise (meist Funktionsmodelle, auch gestaltähnliche)

Didaktische Anforderungen: Relevantes gut erkennbar Beispiele: Modelle eines Elektromotors/Benzinmotors

Modelle von Vorstellungen Geistige Modelle werden gegenständlich dargestellt zur Beschreibung

von Vorstellungen (häufig Strukturmodelle, auch Funktionsmodelle) Beispiele: Kristallgittermodell aus Kugeln und Federn, Kugelmodell zur

kinetischen Gastheorie, Modelle von Molekülen

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8.1.2 Ikonische Modelle

Ikonische Modelle sind bildhafte Vorstellungen, die sich der Mensch von etwas Realem, aber Unanschaulichem macht.

Zwei Arten: Idealisierungen der Realität (Massenpunkt, Lichtstrahl, Punktladung) Vorstellungen mit geringem Bezug zur Realität (Teilchenmodell des

Festkörpers, Lichtwelle, Lichtquant, Elektron, Kern-Hülle-Atommodell)

Konflikt: Darstellen von Realem, aber auch vereinfachen. Beispiel Bohrsches Atommodell:

Falsch ist: Elektronen auf definierten Bahnen, zweidimensional; falsche Vorstellungen werden geweckt.

Veranschaulicht: Größenverhältnisse, Ladungsverteilung

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8.1.3 Symbolische Modelle

Symbolische Modelle sind Relationsgefüge zwischen physi-kalischen Größen, die nur z.T. beobachtet werden können.

Beispiel: Licht ist weder Welle noch Teilchen (unzureichen-de Modelle), sondern etwas Drittes. Es wird beschrieben durch den unanschaulichen mathematischen Formalismus der Quantenfeldtheorie (Es gibt keinen Dualismus!).

Symbolische Modelle haben häufig die Gestalt von Differentialgleichungen (im Unterricht selten möglich).

Lösung: Betrachtung von Differenzengleichungen, Lösung mit Computer mit Methode der kleinen Schritte (Modellbildungssysteme).

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8.1.4 Eigenschaften von Modellen

Anschaulichkeit Nicht nur materielle Objekte sind anschaulich. Anschaulich ist, woran wir uns gewöhnt haben. Was anschaulich ist, hängt von Vorerfahrungen ab.

Einfachheit Anzahl der Begriffe und Art ihrer Verknüpfung im Modell Zugänglichkeit durch einen Messvorgang (Überprüfungsmöglichkeit) Bei gegenständlichen Modellen: Verzicht auf Überflüssiges,

Hervorhebung von Relevantem

Transparenz Relevantes wird hervorgehoben (z.B. visuell durch Farbe, Form),

auf Unwesentliches verzichtet

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8.1.4 Eigenschaften von Modellen

Vertrautheit Wird das Modell stabil gespeichert, wird es später wieder erkannt

und als vertraut empfunden. Hilfreich sind emotionale Beziehungen zum Modell.

Produktivität Es können damit noch weitere Objekte erforscht und erklärt werden

(Chaostheorie, Relativitätstheorie, Teilchenmodell).

Bedeutsamkeit Der Schüler soll das Modell als bedeutsam empfinden.

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8.1.5 Funktion von Modellen

1. Erklärung von Objekten durch Modelle (Verstehen) 2. Vorhersagen von Verhalten durch Modelle 3. Lernen von Sachverhalten durch Modelle (als Medien)

Steuerung kognitiver Lernleistungen Motivation für sinnvolles Lernen Hilfen beim Üben Förderung der Eigenaktivität

Im Unterricht haben wir also: Lernen von Modellen (z.B. Teilchenmodell) Lernen durch Modellen (als Medien) Lernen über Modelle (als Lernen über Physik)

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8.2 Inhalte aus der Technik

1. Funktionszusammenhänge, die auf EINEN physikalischen Zusammenhang beruhen Beispiel: Wärmewirkung des elektrischen Stromes Beispiel: Magnetische Wirkung des elektrischen Stromes Beispiel: Lorentzkraft, Induktion etc. Beispiel: Drittes Newtonsches Gesetz

2. Komplexe technische Funktionszusammenhänge Beispiel: Verbrennungskraftmaschinen Beispiel: Kältemaschine (Kühlschrank und Wärmepumpe) Beispiel: Elektrische Energieversorgung

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8.2 Inhalte aus der Technik

3. Technische Systeme Beispiele: elektrische Energieversorgung, Produktionsanlage,

Verkehrssysteme, Nachrichtensysteme, Auto, Flugzeug, Fernseher

4. Technische Verfahren und Prinzipien Beispiel: Umwandlung von Bewegungen Beispiel: Prinzip der Selbststeuerung

5. Historische Zusammenhänge Technik hat eine Entwicklungsgeschichte Beispiel: Von der Wachstrommel über Schallplatte bis zur CD Beispiel: Von Lilienthal bis zum Überschallflugzeug Vorteil: Am Anfang einfachere monokausale Lösungen, die leichter

verständlich sind.

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8.3.1 Methodische Konzepte

Methodische Konzept der Physik = System bewährter Methoden des Experimentierens und Theoretisierens

Es wird im Unterricht nicht als System thematisiert, sondern an Beispielen werden Einzelelemente behandelt (Begriffs-bildung, Experimentiermethoden, Modellvorstellungen usw.)

Grundzüge der Methode der Physik: Gallilei ist der Begründer der Methode der Physik. Aber: Vor ihm haben viele schon gut experimentiert und

physikalische Gesetze mathematisch formuliert. Kant: Die Vernunft sieht nur das ein, was sie selbst hervorbringt.

Physik geht mit Prinzipien und Experimenten an die Natur heran: Experimente werden nach Prinzipien ausgedacht.

Das theoretische Konzept bestimmt, was gemessen wird.

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8.3.1 Methodische Konzepte

Gallilei: „Ich habe ein Experiment darüber angestellt, aber zuvor hatte die natürliche Vernunft mich ganz fest davon überzeugt, dass die Erscheinung so verlaufen musste, wie sie tatsächlich verlaufen ist.“

Gallilei: „Ich will mich im Experiment davon überzeugen, dass die beim natürlichen Fallen auftretenden Beschleunigungen mit den vorher [durch die Theorie] beschriebenen übereinstimmen.“

Abstrahierender Idealisierungsprozess führt zu „reine Phänomene“. Aufhebung der Trennung von Physik und Technik durch Gallilei:

Experiment gehört zur Physik. Mathematisierung: Hineinprojektion in die Phänomene. Höhepunkt der Methode: Newtons Werk 1686

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8.3.1 Methodische Konzepte

Induktion:= von Ein-zelfällen auf das All-gemeine schließen

Deduktion:= Ableiten des Einzelnen aus dem Allgemeinen

Beispiel: Ich habe bisher nur weiße Schwäne gesehen. Also sind alle Schwäne weiß.

Beispiel: Vögel können fliegen, Pinguine sind Vögel. Also können Pinguine fliegen.

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8.3.1 Methodische Konzepte Häufige Fehlvorstellungen in Physikbüchern (und Lehrplänen):

1. Beobachtung und Experiment bilden die alleinige Quelle der naturwissenschaftlichen Erkenntnis.

2. Naturwissenschaftliche Begriffsbildungen werden nur aus Beobachtungen und Experimenten gewonnen.

3. Naturwissenschaftliche Begriffe müssen durch operationale Definitionen exakt festgelegt und veranschaulicht werden.

4. Hypothesenbildung erfolgt ausschließlich aufgrund empirischer Erfahrung. 5. Naturwissenschaftliche Gesetze und Theorien lassen sich direkt durch

Verallgemeinerungen spezieller empirischer Daten im Prozess der generalisierenden Induktionen finden.

6. Theorien sind effektive Verfahren zur ökonomischen Beschreibung von Sinneswahrnehmungen.

7. Theorien sind systematisch geordnetes, konzentriertes Erfahrungswissen, das nicht über die Erfahrung hinausgeht.

8. In Form eines so genannten "experimentum crucis" führt ein Experiment eine Entscheidung zwischen einander widersprechenden Theorien herbei.

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Konsensfähige Ansichten über die Natur der Naturwissenschaften: Wissen in den Naturwissenschaften ist, obwohl es zuverlässig ist, nicht unveränderlich. Wissen in den Naturwissenschaften beruht stark, aber nicht vollständig, auf Beobachtungen,

experimentellen Resultaten, rationalen Begründungen und einer gewissen Skepsis. Es gibt nicht nur einen Weg der naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung (Deshalb gibt es auch

keine universelle naturwissenschaftliche Methode, die Schritt für Schritt abgearbeitet wird.) Naturwissenschaften verstehen sich als Ansatz, Phänomene der Natur zu erklären. Gesetze und Theorien dienen unterschiedlichen Zwecken, deshalb werden aus Theorien auch keine

Gesetze, auch wenn zusätzliche Daten vorliegen. Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen tragen zu den Naturwissenschaften bei. Neue Erkenntnisse müssen klar und offen dargestellt werden. Naturwissenschaftliche Ergebnisse müssen nachvollziehbar dokumentiert sein, werden von Experten

begutachtet und müssen replizierbar sein. Beobachtungen sind theoriegeleitet. Naturwissenschaftler sind kreativ. Die Geschichte der Naturwissenschaften kennt evolutionäre und revolutionäre Entwicklungen. Naturwissenschaften sind Teile sozialer und kultureller Entwicklungen. Naturwissenschaften und Technik beeinflussen sich gegenseitig. Naturwissenschaftliche Ideen werden von sozialen und historischen Faktoren beeinflusst.

8.3.1 Methodische Konzepte

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8.3.1 Methodische Konzepte

Genauere Darstellung der Methode der Naturwissenschaften in der Vorlesung „Spezielle Physikdidaktik für Gymnasium“

Dort Darstellung verschiedener erkenntnistheoretischer Positionen

Gliederung dort:18.1 Empirismus und Positivismus18.2 Kritik an der induktiven Methode18.3 Neuere Erkenntnistheorien

18.3.1 Falsifikation (Popper)18.3.2 Paradigmenwechsel (Kuhn)18.3.3 Historische Traditionen (Feyerabend)18.3.4 Forschungsprogramme (Lakatos)

18.4 Die fünf wichtigsten Positionen im Überblick18.5 Auswirkungen auf die Schule

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8.3.2 Physikalische Theorien

Physikalische Theorie= geordnete Menge an Einzeldaten und Gesetzen

Theorie = hypothetisch-deduktives System zur Erklärung eines Wirklichkeitsbereiches

Als Unterrichtsinhalt nur in der Sekundarstufe II

Entscheidendes Hilfsmittel: Modelle

Theorien sind immer hypothetisch, kein ikonisches Abbild der Wirklichkeit.

Theorien sind weder beweisbar noch widerlegbar. Sie bewähren sich gut oder schlecht.

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8.4.1 Physikalische Phänomene

1. Welche Phänomene? Naturvorgänge und Erscheinungen aus der Erfahrungswelt der

Schüler (Reflexion, Brechung, Anziehung, Ausdehnung) Phänomene, die nur in bestimmten experimentellen Anordnungen

beobachtet werden können (Brownsche Molekularbewegung, Nebelkammerbahnen)

2. Phänomene in einer künstlichen Situation In der Natur vorhandene Randeffekte werden weggelassen Die Theorie ist Ausgangspunkt der Betrachtung

3. Phänomene als Alltagserfahrung Man beginnt mit dem Naturphänomen und reduziert es dann auf das

Wesentliche (also umgekehrtes Vorgehen wie bei 2, motivierender).

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8.4.2 Physikalische Begriffe

1. Arten physikalischer Begriffe

Klassifikatorische Begriffe Beispiel: fest/flüssig/gasförmig, Leiter/Halbleiter/Isolator

Komparative Begriffe Beispiel: wärmer/kälter

Metrische Begriffe Größenwert = Zahlenwert mal Einheit Problem: Häufige Lehrerfehlvorstellung zum Lernen eines Begriffes

(„wissenschaftslogisches Kompetenzerwerbungsmodell“)

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8.4.2 Physikalische Begriffe

2. Eigenschaften physikalischer Begriffe

Einfach Kurze Worte

Sehr allgemein Beispiel: Beschleunigung

Theoriegeladen Um den Begriff zu verstehen, muss man das ganze Gedankengebäude

verstehen (Beispiel: Kraft)

Entspringen der schöpferischen Phantasie und Intuition

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8.4.2 Physikalische Begriffe

3. Spezielle Möglichkeiten der Begriffsbildung im Unterricht

Erläuterung von Eigenschaften / Klassifizieren nach Eigenschaften Differenzierung umgangssprachlicher Begriffe Betrachtung von Analogien Mathematische Definition als Endstation der Begriffsbildung

Hinweise: Schüler müssen motiviert werden, neue Begriffe zu lernen Achtgeben, dass die Schüler nicht zu enge Vorstellungen entwickeln Begriffe anfangs immer zusammen mit ihrer Definition verwenden Unterschiede zwischen physikalischem Begriff und Umgangssprache

herausstellen.

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8.4.3 Physikalische Gesetze

Physikalisches Gesetz: intersubjektiv überprüfbarer Zusammenhang

Unmöglich: Gesetze rein induktiv gewinnen; Experimente sind theoriegeleitet.

Beispiel für nicht induktiv gewonnene Gleichungen:s=½gt², Linsengleichung, Coulombgesetz, Photoeffekt

Es gibt keinen direkten, logisch zwingenden Weg von empirischen Daten zu einer ganz bestimmten Theorie.

Physik: Nicht einmal induktives, einmal deduktives Vorgehen, sondern unauflösbares Zusammenspiel von beidem.

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8.4.3 Physikalische Gesetze

Drei Stufen von Gesetzen:

Nicht-quantitative Gesetze = Allsätze Logisch nicht begründbar Naturprinzipien sind Allsätze (Energie- und Impulserhaltung)

Halb-quantitative Gesetze (meist in Je-desto-Form)

Quantitative Gesetze Unterricht: nicht nur Gesetze als Endergebnis, auch der

Herleitungsprozess selbst ist ein wichtiger Inhalt.

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8.4.4 Erklärungen von Phänomenen/Gesetzen

Erklärungen hängen ab von:1. Komplexität des Sachverhalts2. Abstraktionsvermögen der Schüler

Ziel: Bei Gesetzen: Vorstellung damit verbinden Phänomen: Verständnis Einzelerkenntnisse sollen verknüpft werden.

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8.4.5 Physikalische Konzepte

Konzepte = Naturprinzipien

Übergeordnete „Formeln“ für verschiedene Teilgebiete

Umfassend und weit reichend

Beispiel: Energieerhaltungssatz

Hohe Anforderungen an den Lernenden

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9 Interesse und Physikunterricht• Gliederung des Kapitels:

– Begriffe der Interessensforschung– Sachinteresse

• Dimensionen des Sachinteresses• Einfluss auf das Sachinteresse

– Fachinteresse– Einfluss auf das Fachinteresse– Interessensbereiche– Nötige Unterrichtsanpassung

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Interesse• Individuelles Interesse:

– Überdauernde Vorliebe für eine bestimmte Sache– persönlicher Wesenszug

• Situatives Interesse:– Folge des spezifisches Anreizes einer Situation

• Ziel im Physikunterricht:– Individuelles Interesse wecken und aufbauen– Bedingungen schaffen, die zu situativem Interesse führen– Frage: Unter welchen situativen Bedingungen findet eine aktuelle

Hervorkehrung von überdauernden Vorlieben statt?

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Interesse• Sachinteresse:

– Interesse an physikalischen Sachverhalten

• Fachinteresse:– Interesse, das dem Physikunterricht entgegengebracht wird

• Empirische Untersuchungen zeigten:– Geringe Korrelation zwischen Sachinteresse und Fachinteresse

– Wenig Zusammenhang zwischen Sachinteresse und Zeugnisnoten

– Zusammenhang zwischen Fachinteresse und Zeugnisnoten

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Dimensionen des Sachinteresses

Beim Sachinteresse ist zu unterscheiden:

1. Gebiete der Physik:Licht, Linsen, Spiegeln, optische Instrumente / Töne, Klänge und Geräusche /Wärmeausbreitung, Wärmekraftmaschinen / Bewegung und Kraft /Elektrizität und Magnetismus / Elektronik / kleinsten Teilchen, Atomzerfall

2. Anwendungsbereiche/Kontexte:Physik als Mittel zur Bereicherung emotionaler Erfahrungen /zum Verständnis technischer Objekte / als Grundlage für Berufe /als Methode und Denkgebäude / gesellschaftliche Bedeutung

3. Tätigkeiten:Infos aufnehmen / praktisch konstruieren / theoretisch konstruieren/bewerten

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Dimensionen des Sachinteresses

Ergebnisse der Forschung:1.Gebiete der Physik:

Zwischen den verschiedenen Gebieten gibt es nicht so großeInteressensunterschiede.

2.Interessante Anwendungsbereiche/Kontexte:• Physik am menschlichen Körper (z.B. Brille, Röntgengerät)• Physik in Alltagssituationen (z.B. Foto, Bremsverhalten vom Auto)• Physik zur Erklärung von erstaunlichen Phänomenen

(z.B. Regenbogen, Ebbe und Flut)• Die gesellschaftliche Bedeutung von Physik (z.B. Kernkraft,

Sonnenenergie)

3.Tätigkeiten:• Jüngere Schüler: bauen und konstruieren• Ältere Schüler: diskutieren und bewerten

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Dimensionen des Sachinteresses

• Interesse an physikbezogenen Tätigkeiten:

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Dimensionen des Sachinteresses

Ergebnisse der Forschung:- Schüler sind keine „kleinen Forscher“: Sie sind nicht an

allgemeingültigen Wahrheiten interessiert, sondern daran, wie man mit den Gesetzen umgeht.

- Schüler interessieren sich weniger für Physik als Wissenschaft, sondern mehr für die Anwendungen und den praktischen Nutzen.

- Die meisten Schüler empfinden die quantitative Erfassung eines Problems als uninteressant.

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Einfluss auf das Sachinteresse• Wichtige Faktoren für das Sachinteresse sind:

– Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit– Individuelle Begeisterungsfähigkeit für technische

Phänomene– Individuelle Begeisterungsfähigkeit für natürliche

Phänomene– empfundene persönliche Bedeutung

• Ohne Einfluss auf das Sachinteresse sind:– Geschlecht (das unterschiedliche Gesamtinteresse liegt

offenbar an Faktoren wie Begeisterungsfähigkeit für Technik)

– Elterliche „Unterstützung“ / Förderung (z.B. haben der Besuch einer technischen Ausstellung oder eines Museums keinen Einfluss)

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Fachinteresse• Man erhält unterschiedliche Ergebnisse je nachdem, ob

man nach den beliebtesten, den unbeliebtesten Fächern fragt oder Mittelwerte aus Beliebtheitswerten nimmt.

• Man muss also sowohl nach beliebtesten und unbeliebten Fächern fragen.

• Studie in Realschule:

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Fachinteresse• Physik (und Chemie) sind eher unbeliebt

(im Gegensatz zur Biologie).

• Physik (und Chemie) werden von Schülern als abweisend, zu abstrakt, zu trocken und zu anspruchsvoll eingeschätzt.

• Studie von Zwick & Renn (2000):– Die Befragten sollten ihre zwei beliebtesten sowie

unbeliebtesten Schulfächer nennen.

– Spitzenreiter der Negativnennungen waren mit weitem Abstand die Fächer Physik (30%) und Chemie (28%).

– Bei den Lieblingsfächern belegten diese beiden Fächer hintere Ränge (während Biologie zu den beliebtesten Fächern zählt).

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Fachinteresse• Fachinteresse an Physik

– Das Interesse am Fach Biologie ist während der ganzen Schulzeit auf gleichbleibend hohem Niveau (bei Mädchen geringfügig größer).

– Das Interesse am Fach Chemie ist kleiner als am Fach Biologie, aber größer als am Fach Physik (Mädchen weniger interessiert als die Jungen).

– Im Fach Physik ist das Anfangsinteresse vergleichbar dem der Chemie. Einem hohen Interesse der Jungen steht ein weniger ausgeprägtes Interesse der Mädchen gegenüber.

– Im Gegensatz zumChemieunterrichtentwickeln sichaber die beidenGeschlechterweiter auseinander.

– Am Ende der Sek I fürMädchen eines deruninteressantesten Fächer.

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Einfluss auf das Fachinteresse• Keinen Einfluss auf das Fachinteresse:

– Das Sachinteresse der Schüler und Begeisterung für technische und natürliche Phänomene

• Der angebotene Unterricht berücksichtigt offenbar nicht die Sachinteressen der Schüler.

• Physik wird zu wissenschaftsorientiert als Denkgebäude unterrichtet, zu wenig die Bereiche Alltag, Gesellschaft, Erlebnis.

• Durch ein verändertes Unterrichtsangebot ist vermutlich eine erhebliche Steigerung des Fachinteresses möglich (siehe Biologie).

• Wichtigster Einflussfaktor:– Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit

• Da das Selbstvertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit bei Mädchen schwächer ausgeprägt ist als bei Jungen (mit zunehmender Schulzeit ist das immer mehr der Fall), lassen sich die Unterschiede im Fachinteresse erklären.

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Einfluss auf das Fachinteresse

• Forschungsergebnisse der IPN-Studie:Pfadkoeffizient von Prädikatoren für das Interesse am Physikunterricht:

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InteressensbereicheDrei Interessenbereiche:1. Physik und Technik: Interesse an der „reinen“ Wissenschaft Physik, die

nicht auf Anwendung bezogen ist.– Z.B. Versuche planen um zu untersuchen, wovon es abhängt, wie schnell

eine Flüssigkeit abkühlt, – Z.B. sich für die Funktion elektronischer Bauteile in Haushaltsgeräten

interessieren.

2. Mensch und Natur: Interesse an Anwendungen der Physik zur Erklärung von Naturphänomenen und auf den menschlichen Körper.– Z.B. „Warum ist der Himmel blau und der Schnee weiß“ oder „Wie

verwendet der Arzt Spiegel, Mikroskope,

3. Physik und Gesellschaft: Interesse an der Erörterung der gesellschaftlichen Bedeutung von Physik– Z.B. über friedliche und militärische Anwendung von Lasern diskutieren.

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InteressenstypenEs gibt drei Interessens-Typen von Schülern:A 13%, meist ein (eher jüngerer) Junge, gute Physiknoten,

hohes Könnensbewusstsein, keine inhaltliche Präferenzen, an allem interessiert, sogar an quantitativer Erfassung

B 50%, gleich viele Jungen wie Mädchen, Physiknoten im mittleren Bereich, Interesse für den Bereich Mensch und Natur (z.B. Medizin), Physik um der Physik willen steht nicht im Zentrum, sondern die praktischen Anwendungen

C 37%, meist ein (eher älteres) Mädchen, schlechte Noten in Physik, kein Könnensbewusstsein, Interesse an „Physik und Gesellschaft“ sowie für den Bereich Mensch und Natur (wenn es ihr etwas persönlich bedeutet)

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Unterrichtsanpassung• Schlechte Passung zwischen Schülerinteresse und

wahrgenommenem Unterrichtsangebot:

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UnterrichtsanpassungFolgerungen:• Nötig:

– Bessere Passung zwischen dem Unterrichtsangebot und den Interessenprofilen– Am besten Orientierung an Typ B

• Geeignete Kontexte für die Vermittlung physikalischer Inhalte:– Wie nutzt die Physik den Menschen?– Wie kann man Naturereignisse physikalische erklären?– Wie funktionieren aus dem Alltag bekannte Geräte?– Wie kann man Geräte selber bauen?

• Zurückhaltend behandeln:– „reine Physik“ ohne Anwendungsbezug– Die gesellschaftliche Dimension der Physik auf Themen beschränken, in denen sich

das besonders anbietet (Energieversorgung, Umweltbelastung).

• Rechnen:– nur in besonders interessanten Fällen, in denen sichtbar wird, welchen Vorteil es hat

und welchen Gewinn es bringt, eine Gleichung aufzustellen bzw. etwas zu berechnen.

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Unterrichtsanpassung10 Gesichtspunkte für die Gestaltung von Physikunterricht, um ihn

insgesamt, besonders für Mädchen, interessanter zu machen:1. Wie wird Schülern Gelegenheit gegeben, zu staunen und neugierig zu werden, und wie

wird erreicht, dass daraus ein „Aha-Erlebnis“ wird? 2. Wie wird an außerschulischen Erfahrungen angeknüpft, die zur Vermeidung geschlechts-

spezifischer Dominanzen Mädchen und Jungen in gleicher Weise zugänglich sind? 3. Wie wird es Schülern ermöglicht, aktiv und eigenständig zu lernen und Erfahrungen aus

erster Hand zu machen? 4. Wie wird erreicht, dass Schüler einen Bezug zum Alltag und zu ihrer Lebenswelt

herstellen können? 5. Wie wird dazu angeregt, die Bedeutung der Naturwissenschaften für die Menschen und

die Gesellschaft zu erkennen und danach zu handeln? 6. Wie wird der lebenspraktische Nutzen der Naturwissenschaften erfahrbar gemacht? 7. Wie wird ein Bezug zum eigenen Körper hergestellt? 8. Wie wird die Notwendigkeit und der Nutzen der Einführung und des Umgehens mit

quantitativen Größen verdeutlicht? 9. Wie wird sichergestellt, dass den Gleichungen ein qualitatives Verständnis der Begriffe

und ihrer Zusammenhänge vorausgeht? 10. Wie kann vorzeitige Abstraktion vermieden werden zugunsten eines spielerischen

Umgangs und unmittelbaren Erlebens?

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10. Mädchen im PhysikunterrichtGliederung:1. Einführung2. Ursachen für die Unterschiede bei Interesse und Leistung3. Ansatzpunkte für mädchengerechten Unterricht4. Projekte zur Förderung der Interessen der Mädchen

4.1 Die IPN-Interessenstudie4.2 Der BLK-Modellversuch4.3 Der Realschul-Modellversuch4.4 Die Schweizer Koedukationsstudie4.5 Salters Advanced Physics Project4.6 An Schülervorstellungen orientierte Unterrichtskonzepte

5. Fazit6. Heute Jungenförderung nötig?

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10.1 Einführung• Physik ist für viele Mädchen das „Horrorfach“ schlechthin.• Viele Mädchen wählen Physik ab. Beispielzahlen von 2005

von allen Frankfurter (a. M.) Gymnasien:– 12.Kassenstufe:

• 77 % der Schülerinnen und 42,4 % der Schüler haben Physik abgewählt.• 3,3 % der Schülerinnen und 17,2 % der Schüler besuchen den Leistungskurs.

– 13.Klassenstufe:• 83,9 % der Schülerinnen und 59,1 % der Schüler haben Physik abgewählt.• 2,6 % der Schülerinnen und 15,7 % der Schüler belegen den Physikleistungskurs.

• Nur wenige entscheiden sich für einen Beruf im naturwissenschaftlich-technischen Bereich:Sie können bei gesellschaftlich wichtigen Fragen nicht mitreden.Ihnen bleibt ein schmales Spektrum an Möglichkeiten bei der

persönlichen und beruflichen Entwicklung.

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10.1 Einführung• TIMS-Studie (Schulleistungsstudie im Bereich der

Naturwissenschaften) testete Jugendliche der 7. und 8. Jahrgangsstufe sowie Abiturientinnen und Abiturienten:

– In der Mittelstufe erzielen Mädchen schlechtere Leistungen als Jungen in Mathematik und Physik.

– Leistungsunterschiede nehmen im Laufe der Schulzeit zu.

– Insgesamt erzielen Mädchen aber bessere Schulabschlüsse.

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10.1 Einführung• TIMS-Studie:

– In den alten Bundesländern entspricht der Leistungsunterschied zwischen Mädchen und Jungen der 8. Klasse etwa einem Schuljahr.

– Dieser Unterschied war in den neuen Bundesländern nur etwa halb so groß.

– Bis vor einigen Jahren wurde dies noch mit den unterschiedlichen kognitiven Fähigkeiten von Jungen und Mädchen erklärt, was aber durch neuere Test nicht belegt werden konnte.

– Häufig wird ein Zusammenhang zwischen geringen Leistungen und geringem Interesse vermutet, was jedoch nicht nachgewiesen werden konnte.

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10.2 Ursachen• Hauptursache: Das in der Gesellschaft fest

verankerte GeschlechtsstereotypeWeiblichkeit und Interesse an Physik lassen sich nicht

vereinbaren.

• Mädchen und Jungen machen unterschiedliche Vorerfahrungen in Bezug auf Physik.

• Lehrkräfte gehen unterschiedlich mit Jungen und Mädchen um.

• unterschiedliches Selbstbild

• Unterricht berücksichtigt nicht Mädcheninteressen.

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Vorerfahrungen• Mädchen werden vom Umfeld seltener dazu

angeregt, sich mit physikalischen Inhalten zu beschäftigen als Jungen.

• Folge: Mädchen bringen nachweislich weniger Vorwissen mit in den Physikunterricht als Jungen.

• Physikerinnen kommen in den Medien sowie in Physikbüchern nur am Rande vor.

• Folge: keine Identifikationsmöglichkeit für Mädchen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften

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Interaktionsmuster von Lehrkräften

• Lehrkräfte gehen mit Jungen anders um als mit Mädchen.

• Mädchen werden weniger beachtet, erhalten weniger Lob oder Tadel und werden seltener am Unterricht beteiligt.

• Jungen erhalten bei gleichen Leistungen mehr Lob.• Mädchen erhalten dafür Anerkennung für soziales

Wohlverhalten.• Dieses Verhalten ist Lehrkräften nicht bewusst.

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• Thesen zu Interaktionsprozessen im Unterricht– Leistungen von Mädchen und Jungen werden unterschiedlich bewertet. Häufige Meinung,

dass Mädchen geringere naturwissenschaftliche und technische Fähigkeiten haben als Jungen; hohe Leistungen in Physik und Chemie eher bei Jungen erwartet.

– Lehrkräfte schätzen die Berufswünsche und Lebensplanungen ihrer Schülerinnen häufig falsch ein. Schülerinnen eher in traditionellen Frauenberufe wie Sekretärin, Lehrerin, Krankenschwester vorgestellt. Im naturwissenschaftlich-technischen Bereich werden ihnen höchstens Assistenztätigkeiten zugetraut.

– Jungen erfahren schon in der Grundschule deutlich mehr Beachtung seitens der Lehrperson als Mädchen. Dies setzt sich dann in der Sekundarstufe I besonders im naturwissenschaftlichen Unterricht fort.

– Leistungen der Mädchen werden häufig unterschätzt, sowohl von den Lehrkräften als auch von den Schülerinnen und Schülern. Jungen erhalten eher die unterschwellige Botschaft: „Du könntest, wenn Du nur wolltest“; bei Mädchen: „Du hast Dir Mühe gegeben, aber es reicht nicht“; selbst gute Leistungen werden häufig als Anpassung an die von der Schule gesetzten Forderungen „abgewertet“.

– Jungen lassen Mädchen häufig nicht ausreden, unterbrechen sie, insbesondere wenn die Mädchen häufig eigene Erfahrungsbereiche einbringen. Jungen beleidigen die Mädchen während des Unterrichts mit schmähenden - oft sexuell anzüglichen - Bemerkungen, und die Lehrkraft schweigt.

Interaktionsmuster von Lehrkräften

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Unterschiedliches Selbstbild• Wichtiger Einflussfaktor auf Interesse und Leistungen ist das

Selbstvertrauen und die Einschätzung der eigenen Leistung (fachspezifisches Selbstkonzept).

• Mädchen haben generell weniger Selbstvertrauen als Jungen.

• Unterschiedliche Erfolgsattributierung:– Mädchen neigen dazu, Erfolge eher äußeren Faktoren

zuzuschreiben („einfach Glück gehabt“, „die Arbeit war leicht“)– Mädchen neigen dazu, Misserfolge werden eher der eigenen

Unfähigkeit und mangelnden Begabung zuzuschreiben– Bei Jungen ist dieses Muster genau umgekehrt: Misserfolg liegt an

äußeren Ursachen („Pech“, „schwere Aufgaben“), Erfolg an der eigenen Begabung

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Unterrichtsgestaltung• Der traditionelle Physikunterricht berücksichtigt die

Interessen der Mädchen zu wenig.

• Mädchen haben durchaus Interesse an Physik, reagieren aber sensibel darauf, in welchen Kontext das jeweilige Thema eingebettet ist.

• Mädchen bevorzugen andere Lernformen als Jungen: kooperatives und argumentatives Lernen.

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10.3 AnsatzpunkteDer Unterricht:• muss auf die unterschiedlichen Vorerfahrungen Rücksicht

nehmen,

• ist sprachlich so zu gestalten, dass er für beide Geschlechter verständlich ist,

• hat auf besonderen Lern- und Arbeitsstil der Mädchen Rücksicht zu nehmen,

• ist kommunikativ und argumentativ zu gestalten,

• soll den Eindruck vermeiden, das Physik eine Männerdomäne ist.

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10.3 Ansatzpunkte• Mädchenprojekte

– reine Mädchenveranstaltungen (z.B. Girls‘ Day)• Lehrertraining

– Sensibilisierung auf die Problematik der Mädchen• Reattributionstraining

– gezieltes Training für Mädchen um Mechanismen aufzubrechen, die zu einer Verstärkung ihres negativen Selbstbildnis beitragen

• Aufhebung der Koedukation– Es gilt als erwiesen, dass Mädchen an Mädchenschulen

besser gefördert werden.– Evtl. phasenweise.

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10.4 Projekte zur Mädchenförderung10.4.1 Die Interessenstudie des IPN (1980er Jahre)10.4.2 Der BLK- Modellversuch „Chancengleichheit-

Veränderung des Anfangsunterrichts Physik/ Chemie unter besonderer Berücksichtigung der Kompetenzen und Interessen von Mädchen“ (1990er Jahre)

10.4.3 Der Realschul-Modellversuch „Förderung naturwissenschaftlich-technischer Bildung für Mädchen“ (1990er Jahre)

10.4.4 Die Schweizer Koedukationsstudie (1990er Jahre)

10.4.5 Salters Advanced Physics Project

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• Studie von Hoffmann, Häußler und Lehrke in den 1980er Jahren in Kiel durchgeführt.

• Es wurde untersucht, wo die Interessen von Jungen und Mädchen bezogen auf Physikunterricht liegen und wie sie sich im Laufe des Schulzeit ändern.

• Wichtigste Ergebnisse der Interessenstudie wurden im BLK- Modellversuch umgesetzt und dessen Wirksamkeit untersucht.

10.4.1 IPN-Interessensstudie

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• Wichtigste Ergebnisse:– Sachinteresse ≠ Fachinteresse

– Sachinteresse nimmt im Laufe des Schulzeit bei allen Schülern ab, bei Mädchen aber viel stärker

– Das Sachinteresse von Mädchen wird vom Kontext bestimmt; sie reagieren sensibel darauf, in welchen Kontext das Thema eingebettet ist.

– Was Mädchen interessiert, interessiert auch Jungen, umgekehrt aber nicht!

10.4.1 IPN-Interessensstudie

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10.4.1 IPN-Interessensstudie• Besonders für Mädchen günstige Kontexte:

– Anbindung an alltägliche Erfahrungen (Umwelt)• Mädchen sollten aber auf Erfahrungen zurückgreifen können, die

sie tatsächlich gemacht haben.

– Inhalte mit emotional positiver Komponente• Naturphänomene und Aha-Erlebnisse• Bei Mädchen eher etwas, was die Sinne anspricht als z.B.

technische Errungenschaften.

– Bezug zum menschlichen Körper!• Interesse dran gerade bei Mädchen auffallend groß• z.B. Anwendung in der medizinischen Diagnostik

– Themen mit gesellschaftlicher Bedeutung• Bei Mädchen ist hier das Interesse höher, je älter sie sind und je

deutlicher eine unmittelbare Betroffenheit angesprochen wird.

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10.4.1 IPN-Interessensstudie• Günstige Tätigkeiten im Unterricht:

– hohes Interesse auf der praktisch-konstruktiven Ebene• z.B. „etwas bauen“, „ein Gerät konstruieren“, „etwas messen“

• Ungünstige Tätigkeiten im Unterricht :– Geringes Interesse auf der theoretisch-konstruktiven

Ebene• z.B. „sich ausdenken“, „etwas berechnen“, „Aufgaben lösen“• Entdecken oder Nachvollziehen von Gesetzmäßigkeiten um ihrer

selbst willen wird von beiden Geschlechtern als weniger Interessant empfunden.

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10.4.1 IPN-Interessensstudie• Zusammenfassung der Ergebnisse:

– Mädchen und Jungen unterscheiden sich kaum in ihren Aussagen, was Physikunterricht interessant machen könnte.

– Was Mädchen interessiert, stößt immer auch auf Interesse bei den Jungs (umgekehrt gilt dies nicht).

– Traditioneller Unterricht nimmt auf Mädcheninteressen kaum Rücksicht.

• Folgerungen:– Physikunterricht sollte an den Interessen der Mädchen ausgerichtet

sein.

– Mathematisierung reduzieren

– Offene Unterrichtsformen einbeziehen

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10.4.2 Der BLK-Modellversuch• Modellversuch wurde in den Jahren 1992-1998

durchgeführt.• Ziel: Unterrichtskonzepte entwickeln, die beiden

Geschlechtern eine umfassende Entwicklung ermöglichen.

• Es wurde untersucht, wie sich eine Orientierung des Physikunterrichts an den Interessen der Mädchen auch auf Jungen auswirkt.

• Für die Jahrgangsstufe 7 des Gymnasiums wurde ein Curriculum entwickelt, das sich durch lebensweltliche Kontexte auszeichnet.

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10.4.2 Der BLK-Modellversuch• Da Mädchen weniger Vorwissen mit in den Physikunterricht

bringen wird dem Anfangsunterricht eine Schlüsselrolle zugesprochen.

• Es gab neben Kontrollklassen drei verschiedene Unterrichtsformen:

– durchgängig koedukativ (mit und ohne Sensibilisierung der Lehrkräfte)

– durchgängig koedukativ, aber abwechselnd im Klassenverband und in Halbklassen (Halbierung in jeder zweiten Stunde),

– Mischform aus koedukativem und monoedukativem Unterricht (Halbierung nach Geschlechtern in jeder zweiten Stunde).

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10.4.2 Der BLK-Modellversuch• Forschungsdesign:

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• Gesichtspunkte für die Gestaltung des Unterrichts:– Wie wird Schülerinnen und Schülern die Gelegenheit gegeben, zu

staunen und neugierig zu werden und wie wird erreicht, dass daraus ein „Aha- Erlebnis“ wird?

– Wie wird an außerschulische Erfahrungen angeknüpft, die zur Vermeidung geschlechtsspezifischer Dominanzen Mädchen und Jungen in gleicher Weise zugänglich sind?

– Wie wird es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, aktiv und eigenständig zu lernen und Erfahrungen aus erster Hand zu machen?

– Wie wird erreicht, dass Schülerinnen und Schüler einen Bezug zum Alltag und zu ihrer Lebenswelt herstellen können?

10.4.2 Der BLK-Modellversuch

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10.4.2 Der BLK-Modellversuch

– Wie wird dazu angeregt, die Bedeutung der Naturwissenschaften für die Menschen und die Gesellschaft zu erkennen und danach zu handeln?

– Wie wird der lebendpraktische Nutzen der Naturwissenschaften erfahrbar gemacht?

– Wie wird ein Bezug zum eigenen Körper hergestellt?

– Wie werden die Notwendigkeit und der Nutzen der Einführung und des Umgehens mit quantitativen Größen verdeutlicht?

– Wie wird sicher gestellt, dass den Formeln ein qualitatives Verständnis der Begriffe und ihrer Zusammenhänge vorausgeht?

– Wie kann man vorzeitige Abstraktion vermieden werden zugunsten eines spielerischen Umgangs und unmittelbaren Erlebens?

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10.4.2 Der BLK-Modellversuch• Ergebnisse des Modellversuchs:

– Einfluss der verschiedenen Maßnahmen auf Interesse und Leistung wurde deutlich.

– Positive Auswirkungen, jedoch nicht den Erwartungen entsprechend.– Curriculum:

• Dies allein führte nicht dazu, den Interessensverlust der Jungen und Mädchen zu stoppen.

• Wesentlicher Effekt: Die Behaltensleistung der Schüler wurde langfristig gesteigert. Auch die Jungen profitierten hier.

• Vertrauen der Mädchen in ihre physikalischen Fähigkeiten wurde gesteigert (besseres Selbstkonzept).

– Sensibilisierung der Lehrkräfte:• Erhöhung der Motivation der Mädchen wurde nur beobachtet, wenn die

Lehrer sensibilisiert waren.

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10.4.2 Der BLK-Modellversuch• Ergebnisse des Modellversuchs:

– Entscheidende Maßnahme zur Förderung der Mädchen ist die Trennung in geschlechtshomogene Halbklassen.

• Die Leistungen der Mädchen lagen hier über dem Niveau der anderen Gruppen.

• Dies war die einzige Maßnahme, die dazu führte, dass der Interessenverlust gestoppt wurde.

• Das führte aber nicht zur Verbesserung des Selbstkonzeptes.

• Daraus folgte die Forderung nach teilweiser Aufhebung der Koedukation im naturwissenschaftlichen Unterricht.

– Studie zeigte, dass Veränderung der Interesse sehr schwierig zu erreichen ist.

– Die Studie zeigte auch eindrucksvoll, dass beim mädchen-orientierten Unterricht auch die Jungen in hohem Maße profitieren.

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10.4.3 Realschul-Modellversuch• Ziel:

– Physikunterricht soll unter Berücksichtigung von Interessen, Erfahrungen und Fähigkeiten von Mädchen stattfinden.

– Vermeidungsverhalten der Mädchen gegenüber naturwissenschaftlichen-technischen Berufen soll abgebaut werden.

• Umsetzung:– Es gab zwei arbeitsteilige Praktikumsblöcke (Mechanik/

Wärmelehre und Optik) mit geschlechtshomogenen Gruppen.

– Praktikumsblöcke wurden auf Forderung der Lehrkräfte durch konventionellen Unterricht ergänzt.

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10.4.3 Realschul-Modellversuch• Fazit:

– Projekt scheiterte.– Wahlen der Mädchen fielen nicht wie erwartet

auf naturwissenschaftliche Fächer.– geschlechtshomogenes Praktikum führte dazu,

dass Mädchen besser damit zurechtkamen als Jungen.

• Gründe:– Unterrichtsthemen waren nicht auf Interessen der Mädchen

abgestimmt, sondern konventionell.

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Vergleich der Modellversuche

• Wärmelehre und Temperatur

• Heizen eines Zimmers durch Wärmetransport

• Dehnung bei Federn: Hooke‘sches Gesetz

• Die goldenen Regeln der Mechanik

• Experimente mit Spiegeln, Abbildungen mit Spiegeln

• Wärme und Wärmequellen beim Zubereiten von Speisen

• Wir untersuchen den Fahrradhelm.

• Wir machen Bilder (Fotografieren mit einer Lochkamera).

• Wir bauen Musikinstrumente und messen Lärm.

Realschul-Modellversuch BLK-Modellversuch

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10.4.4 Die Schweizer-KoedukationsstudieDer Unterrichtsgestaltung wurden folgende Kriterien eines

mädchengerechten Unterrichts zugrunde gelegt:• Vorerfahrungen:

– Unterricht soll Rücksicht auf unterschiedliche Vorerfahrungennehmen und sich nach außerschulische Erfahrungen der Schüler richten.

• Kontextbezug:– Themen sollen nicht abstrakt dargeboten werden, sondern in Bezug

auf Alltag und anderen Fächern.

• Lernstile:– Lernstil der Mädchen ist eher kooperativ statt konkurrierend.– ihnen soll genügend Zeit zum Lösen der Aufgaben gegeben werden– geschlechtshomogene Gruppenarbeit.

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10.4.4 Die Schweizer-Koedukationsstudie• Sprache

– Sprache soll für beide Geschlechter verständlich sein.– Fachsprache sollte nur mäßig gebraucht werden.– Übergang von der phänomenalen zur modellhaften Wirklichkeit soll

durch die Sprache nachvollziehbar sein.

• Kommunikation– Unterricht kommunikativ und argumentativ gestalten.– Klasse dient als Ort der Wahrheitsfindung durch experimentierende

und argumentierende Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand.

• Attributionsstil– Leistungsselbstvertrauen der Schüler soll gestärkt werden.

• Geschlechtsidentität– Physik ist keine Männerdomäne.– aktive Teilnahme am Unterricht darf nicht im Widerspruch zur

weiblichen Geschlechtsidentität stehen.

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10.4.4 Die Schweizer-Koedukationsstudie

• Auch hier wurden die Klassen in Gruppen eingeteilt, wovon einige von Lehrern unterrichtet wurden, die für Mädchenprojekte sensibilisiert wurden, die anderen Klassen konventionell.

• Zur Sensibilisierung gab es eine Checkliste für die Lehrkräfte, z.B.:

1. „Ich bemühe mich darum, den Schülerinnen gleich viel Aufmerksam zukommen zu lassen wie den Schülern.“

2. „Ich signalisiere den Mädchen, das sie als Frauen nicht unattraktiver sind, wenn sie sich für die Physik interessieren und gute Leistungen in diesem Fach erbringen.“

3. „Ich achte auf die unterschiedlichen Vorerfahrungen, die die Schülerinnen und Schülern mit in den Unterricht bringen.“

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10.4.4 Die Schweizer-Koedukationsstudie

Ergebnisse:• Versuchsklassen schnitten im Optiktest besser,

im Kinematiktest schlecht als die Kontrollklassen ab.• Erwartungen an den zukünftigen Physikunterricht ist bei den

Mädchen gestiegen. Dies aber nur in den Kontrollklassen, nicht aber in den Versuchsklassen.

• In den Kontrollklassen wurde die Lehrkraft positiver in ihrer Art zu unterrichten beurteilt.

• Diese überraschenden Ergebnisse wurden darauf zurückgeführt, dass:

– die Maßnahmen in den Versuchsgruppen nur teilweise umgesetzt wurden,

– die Maßnahmen spontan in den Kontrollgruppen umgesetzt wurden.

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10.4.4 Die Schweizer-Koedukationsstudie

• Daraufhin wurde eine zweite Analyse durchgeführt.

• Ergebnisse der 2. Analyse:– In Klassen, in denen viele Kriterien des mädchengerechten

Unterrichts erfüllt wurden:• stiegen Motivation und Leistung• waren die Schüler mit Unterricht und Lehrperson zufriedener• wurde die Lehrperson wenig autoritär eingeschätzt

– Je mehr Kriterien erfüllt waren, desto zufriedener waren die Schüler mit der Lehrkraft und schätzen deren Erklärungskompetenzen höher ein.

– Wie im BLK-Modelversuch gilt auch hier, dass von einem mädchengerechten Unterricht Jungen und Mädchen gleichermaßen profitieren.

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10.4.5 Salters Advanced Physics Project

• Projekt der Universität York• Konsequent kontextorientierter Physikunterricht in der

Oberstufe• Lehrbücher stellten Alltagssituationen in den Mittelpunkt• Titel der Unterrichtseinheiten:

– Der Klang der Musik– Technologie im All– Die Vergangenheit ausgraben– Ersatzteil-Chirurgie

• Schüler schnitten in den Abschlusstest mindestens ebenso gut ab, wie die traditionell unterrichteten Schüler.

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10.4.6 An Schülervorstellungen orientierteUnterrichtskonzepte

• Vermutung:– Mädchen reagieren stärker auf gute/schlechte Erklärungen/

Sachstrukturen.– Für sie ist es wichtiger, dass die Inhalte verstehbar sind.

• Beispiel:– Forschungsprojekt „Zweidimensionale dynamische Einführung in die

Mechanik“ von Prof. Wilhelm, Prof. Hopf, Prof. Wiesner et al.

• Hintergrund:– Die gesamte Mechanik macht fast ein Drittel des Physikunterrichts der

Sekundarstufe I aus und beginnt im G8 schon in Jahrgangsstufe 7.– Grundlage ist der newtonsche Kraftbegriff.– Aber: Der newtonsche Kraftbegriff und der Beschleunigungsbegriff

werden nicht verstanden, der Unterricht ist ineffektiv.– Newtonsche Mechanik ist eines der schwierigsten Inhaltsgebiete.

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10.4.6 An Schülervorstellungen orientierteUnterrichtskonzepte

• Lehr-Strategie:– Grundlage ist eine gemäßigt konstruktivistische Auffassung vom

Lernen.– Wichtig: Genaue Kenntnisse der Schülervorstellungen.– Ziel: Kategorienwechsel beim Begriffelernen.– Verwendung von Schlüsselreizen, die anknüpfungsfähige

Vorstellungen aktivieren.– Lehr-Lernstrategie: „instruktionsinduzierte Begriffsentwicklung“

• Fachliches Vorgehen:– Beginn mit zweidimensionalen Bewegungen– Geschwindigkeit vektoriell (Tempo + Richtung), dargestellt mit Pfeil.– Zusatzgeschwindigkeit als eigenständige Größe– Zweites newtonsches Axiom in der Form

Statik nur als Spezialfall der Dynamik erwähnen (Kräfte kompensieren sich).

vvmtF

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10.4.6 An Schülervorstellungen orientierteUnterrichtskonzepte

• Ergebnisse: mehr Verständnis bei den Schülern.• Ergebnisse nach Geschlechtern:

– In Kontroll- und Treatmentgruppe sind die Jungen den Mädchen in Vorwissen hoch bzw. höchst signifikant überlegen.

– Unterschiede bleiben in der Kontrollgruppe bestehen oder wachsen.

– In Treatmentgruppe nach Unterricht keine signifikanten Unterschiede! Die Mädchen holen also auf!

***2.533.13**2.683.18VortestSignifik.MädchenJungenSignifik.MädchenJungen

TreatmentgruppeKontrollgruppe

Mittelwerte nach Geschlechtern (** hoch signifikant, *** höchst signifikant)

n. s.4.765.25***3.644.58ZeitverzögerterNachtest

n. s.5.185.57**3.944.62Nachtest

***2.533.13**2.683.18VortestSignifik.MädchenJungenSignifik.MädchenJungen

TreatmentgruppeKontrollgruppe

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10.4.6 An Schülervorstellungen orientierteUnterrichtskonzepte

• Ähnliche Ergebnisse in Projekten mit gleichem Vorgehen:– Energiekonzept von Bader

und Wiesner:

– Wärmelehre nach Baderund Wiesner:

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10.5 Fazit• Mädchengerechter Unterricht:

– Von mädchengerechtem Unterricht profitieren beide Geschlechter.– Die große Lücke bezüglich Interesse und Leistung zwischen Jungen

und Mädchen konnte durch die Maßnahmen nicht geschlossen werden.

– Das Interesse der Mädchen hat sich dennoch tatsächlich erhöht!– Kleine Teilerfolge wurden durch Sensibilisierung der Lehrkräfte,

einen auf Mädchen ausgerichteten Unterrichtsstil und ein auf die Interessen von Mädchen zugeschnittenes Curriculum erzielt.

• Auf Schülervorstellungen ausgerichteter Unterricht:– Erzielt besseres Verständnis bei den Jungen, aber vor allem die

Mädchen holen auf.– Aber kein Einfluss auf das Interesse.

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10.6 Heute Jungenförderung nötig?• Situation:

– In Hauptschule vor allem Jungen– Bei Abitur ca. 54 % Mädchen.– Im Studium ca. 60 % Frauen.

• Die Versager unseres Schulsystems sind die Jungen:

– Sie haben schlechtere Noten.– Bei PISA schnitten Mädchen besser als Jungen ab.– Sie bleiben häufiger sitzen (vor allem am Gymnasium).– Jeder zehnte Junge hat keinen Schulabschluss.

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10.6 Heute Jungenförderung nötig?• Mögliche Ursachen:

– Jungen haben weniger Bücher als Mädchen (weniger Leseförderung).

– Lehrende sind fast überwiegend Frauen von Kinderhort bis Abitur.– Unterricht läuft vor allem über Sprache.– Jungen sind in der Pubertät mit „Coolem Gehabe“ (stören,

provozieren) beschäftigt, um Mädchen zu beeindrucken.– Jungen haben Angst, als Streber zu gelten

• Vorschläge:– Phasenweise oder dauerhaft nach Geschlechtern getrennter

Unterricht in den Fächern Deutsch und Fremdsprachen.– Deutschunterricht muss mehr an die Interessen der Jungen

angepasst werden.– Schule muss jungengerechter werden.

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Fazit• Unterschiede zwischen den Geschlechtern müssen

berücksichtigt werden, ein Negieren hat negative Folgen (geschlechtsneutrale Erziehung geht nicht).

• Bei den Sprachen und in Physik/Chemie ist eine phasenweise Aufhebung der Koedukation sinnvoll.

• Diese Fächer müssen die Interessen von Mädchen und Jungen berücksichtigen.

• Es braucht jeweils eine Sensibilisierung der Lehrkräfte.

• Es braucht in allen Schulstufen und Fächern Vorbilder beider Geschlechter.