Text vs Theorie –Textvarianten der ursprünglichen Principia und Übersetzungen –Textstruktur...

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• Text vs Theorie– Textvarianten der ursprünglichen Principia und

Übersetzungen– Textstruktur vs. Deduktionsstruktur– Wörter vs. Begriffe

• Historische vs. Moderne Theorie– Newtons Theorie vs. Newtonsche Mechanik

• Physik vs. Mathematik– Begriffe und Wissensgebiete

• Sprachliche vs. Nicht-Sprachliche Repräsentation

Interpretationsebenen

Textvarianten der Principia

• M – Manuskript• E1- Erstausgabe London 1687

• E1i,a- Newtons Handexemplare mit Bem.

• E2- Zweite Ausgabe London 1717

• E2i,a- Newtons Handexemplare mit Bem.

• E3- Dritte Ausgabe London 1736

Übersetzungen

• Deutsch: Schüller 1999– ersetzt Wolfers 1871

• Englisch: Cohen/Whitman 1999– ersetzt: Motte/Cajori/Crawford

Textstruktur vs Deduktionsstruktur • Textstruktur

– Vorworte, Bücher, Kapitel– Inhaltsverzeichnis, Index– Fussnoten

• Deduktionsstruktur– Definitionen, Axiome– Propositionen

• Theoreme und Probleme• Beweise

– Korollare– Scholien

Historische vs Moderne Theorie

• „Newtons Theorie“ vs „Newtonsche Mechanik“– Ähnlich: Euklids Geometrie vs Euklidische Geometrie

• Unterschiede– Bedeutung der Begriffe

• Verknüpfung mit anderen Begriffen• Extensionale Bedeutung

– Mathematische und begriffliche Deduktionsmittel• Energiebegriff, Vektoralgebra

– Gültigkeitsbereich der Theorie• Anwendungsbereich• Paradigmenfunktion

Physik vs Mathematik

• Begriffe– Physikalische: Kraft, Körper, Raum, Zeit– Mathematische: Dreieck, „letzte Verhältnisse“,

proportional• Wissensgebiete

– Phys. Astronomie (Planetenbewegung, Kometenbewegung)

– Math.: Euklidische Geometrie, Kegelschnitte, Proportionenlehre, Analysis („Fluxionen“, etc.)

Sprachliche vs. Nicht-sprachliche Repräsentation

• Sprachliche– Wörter für Begriffe

• Kraft

– Ausdrücke für logische Verhältnisse• infolge der vis insita, nach Gesetz I• daher, also, wenn, nämlich

• Nicht-sprachliche– Geometrische Zeichnungen– Benennungen

Proposition I, Theorem I

Die Flächen, welche herumkreisende Körper mit ihren zu einem festen Kräftemittelpunkt hin gezogenen Radien überstreichen, liegen in festen Ebenen und sind den Zeiten proportional.

Areas, quas corpora in gyros acta radiis ad immobile centrum virium ductis describunt, & in planis immobilibus consistere, & esse temporibus proportionales.

Interpretation I: Deduktionsstruktur

• Voraussetzung 1: Herumkreisende Körper• Voraussetzung 2: Fester Kräftemittelpunkt• Deduktionsmittel: Radius vom Kräftemittelpunkt zum

Körper• Behauptung 1: Vom Radius beschriebene Flächen liegen in

festen Ebenen• Behauptung 2: Vom Radius beschriebene Flächen sind den

Zeiten proportional

Interpretation II: Historische vs. Moderne Theorie

Die Flächen, welche herumkreisende Körper mit ihren zu einem festen Kräftemittelpunkt hin gezogenen Radien überstreichen, liegen in festen Ebenen und sind den Zeiten proportional.

Der Flächensatz für Zentralkräfte ist Ausdruck der Drehimpulserhaltung, der seinerseits die Konsequenz der Isotropie des Raumes ist.

Interpretation III: Physik vs. Mathematik

Die Flächen, welche herumkreisende Körper mit ihren zu einem festen Kräftemittelpunkt hin gezogenen Radien überstreichen, liegen in festen Ebenen und sind den Zeiten proportional.

Areas, quas corpora in gyros acta radiis ad immobile centrum virium ductis describunt, & in planis immobilibus consistere, & esse temporibus proportionales.

Interpretation IV: Sprachliche vs Nichtsprachliche Repräsentation

Die Flächen, welche herumkreisende Körper mit ihren zu einem festen Kräftemittelpunkt hin gezogenen Radien überstreichen, liegen in festen Ebenen und sind den Zeiten proportional.

A

B

c

S

CDE

F

Proposition I

Beweis

Prop.I, BeweisMan teile die Zeit in gleich große Teile ein,

Prop.I, Beweis..., und im ersten Zeitteil möge der Körper infolge der vis insita die Strecke AB zurücklegen.

A

B

Prop.I, BeweisIm zweiten Teil würde er, wenn ihn nichts daran hinderte, nach Gesetz I ...

A

B

Gesetz I

Jeder Körper verharrt in seinem Zustand des Ruhens oder Sich-geradlinig-gleichförmig-Bewegens, außer insoweit wie jener von eingeprägten Kräften gezwungen wird, seinen Zustand zu verändern.

Prop.I, Beweis... seine Bewegung geradlinig bis c fortsetzen und dabei die mit AB gleich lange Strecke Bc zurücklegen, ...

A

B

c

Prop.I, Beweis... so daß die gleich großen Flächen ASB, BSc entstünden, wenn man die Radien AS, BS, cS zum Mittelpunkt hin zieht.

A

B

c

Prop.I, Beweis... so daß die gleich großen Flächen ASB, BSc entstünden, wenn man die Radien AS, BS, cS zum Mittelpunkt hin zieht.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

Prop.I, Beweis... so daß die gleich großen Flächen ASB, BSc entstünden, wenn man die Radien AS, BS, cS zum Mittelpunkt hin zieht.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

Prop.I, BeweisSobald aber der Körper in B angekommen ist, möge die Zentripetalkraft mit einem einzigen, aber kräftigen Anstoß [auf ihn] einwirken, und bewirken, daß der Körper von der Geraden Bc abbiegt und seine Bewegung auf der Geraden BC fortsetzt.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

Prop.I, BeweisSobald aber der Körper in B angekommen ist, möge die Zentripetalkraft mit einem einzigen, aber kräftigen Anstoß [auf ihn] einwirken, und bewirken, daß der Körper von der Geraden Bc abbiegt und seine Bewegung auf der Geraden BC fortsetzt.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Prop.I, BeweisZu BS ziehe man die Parallele cC, die in C auf BC treffen möge, ...

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Prop.I, Beweis... dann wird sich nach Ablauf des zweiten Zeitteils der Körper nach Korrollar I der Gesetze ...

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Korollar I der Gesetze

Ein Körper legt infolge [zweier] miteinander verbundener Kräfte die Diagonale des Parallelogramms in der gleichen Zeit zurück, in welcher [er] die Seiten infolge der für sich alleine genommenen [Kräfte zurücklegen würde].

Prop.I, Beweis... dann wird sich nach Ablauf des zweiten Zeitteils der Körper nach Korollar I der Gesetze in C, in der gleichen Ebene wie das Dreieck ASB, befinden.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Prop.I, BeweisMan ziehe die Strecke SC, dann wird das Dreieck SBC wegen der Parallelen SB, Cc mit dem DreieckSBc gleich groß sein und daher auch mit dem Dreieck SAB.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Prop.I, BeweisMan ziehe die Strecke SC, dann wird das Dreieck SBC wegen der Parallelen SB, Cc mit dem DreieckSBc gleich groß sein und daher auch mit dem Dreieck SAB.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Prop.I, BeweisMan ziehe die Strecke SC, dann wird das Dreieck SBC wegen der Parallelen SB, Cc mit dem Dreieck SBc gleich groß sein und daher auch mit dem Dreieck SAB.

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

C

Euklid I.37

Auf derselben Grundlinie zwischen denselben Parallelen gelegene Dreiecke sind einander gleich.

Prop.I, BeweisAufgrund einer ähnlichen Argumentation gilt, wenn die Zentripetalkraft nacheinander in C, D, E etc. [auf den Körper] einwirkt und dabei dafür sorgt, daß der Körper in den jeweiligen kleinen Zeitteilen die jeweiligen Strecken CD, DE, EF, etc. zurücklegt, ...

A

B

c

S(Mittelpunkt:)

CDE

F

Prop.I, Beweis... , so werden diese alle in der gleichen Ebene liegen, ...

c

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

Prop.I, Beweis..., und das Dreieck SCD wird mit dem Dreieck SBC gleich groß sein, SDE mit SCD und SEF mit SDE.

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

Prop.I, BeweisEs werden also in gleich großen Zeiten [mit dem Radius] gleich große Flächen in der festen Ebene überstrichen, ...

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

Prop.I, Beweis... und componendo verhalten sich die beliebigen Flächensummen SADS, SAFS so zueinander, wie sich die Zeiten für ihre Überstreichung [zueinander] verhalten.

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

componendodt: „indem man zusammensetzt“

a:b = c:d => (a+b):b = (c+d):d

Ist eine Proportionalität der Form „a verhält sich zu b wie c zu d“ gegeben, so gilt auch die Proportionalität „a und b verhält sich zu b wie c und d zu d“.

Mit diesem Ausdruck wird auf eine Aussage aus der Lehre der Proportionen verwiesen:

In Formeln:

Prop.I, BeweisMan lasse nun die Anzahl der Dreiecke unendlich groß und ihre Breite unendlich klein werden, dann wird ihre letzte Randlinie ADF nach dem vierten Korollar des dritten Lemmas ...

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

Buch I, Lemma III, Korollar IV

Deshalb sind auch diese letzten Figuren hinsichtlich der Randlinie acE nicht geradlinig, sondern krummlinige Grenzen geradliniger [Figuren].

Prop.I, BeweisMan lasse nun die Anzahl der Dreiecke unendlich groß und ihre Breite unendlich klein werden, dann wird ihre letzte Randlinie ADF nach dem vierten Korollar des dritten Lemmas eine gekrümmte Linie sein, ...

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

Prop.I, Beweis..., folglich wirkt die Zentripetalkraft, von welcher der Körper beständig von der Tangente dieser Kurve weggezogen wird, unaufhörlich [auf ihn] ein.

(Mittelpunkt:) A

B

c

S

CDE

F

Prop.I, BeweisAber auch in diesem Falle werden die beliebigen überstrichenen Flächen SADS, SAFS, die den Zeiten für ihre Überstreichung immer proportional waren, diesen Zeiten proportional sein. w.z.b.w.

A

B

c

S

CDE

F