Post on 25-Jun-2015
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Vertriebscontrolling Kundenscore
Jörg Becker www.beckinfo.de
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Es soll die Wirtschaftlichkeit von Geschäftsbeziehungen analysiert werden.
Anhand der Informationen über Nutzen und Kosten lassen sich Kundenbin-
dungsstrategien zielgenauer umsetzen. Schwierigkeiten für die Ermittlung
von Kundenwerten ergeben sich u.a. dadurch, dass
die Daten im Rechnungswesen eher abteilungs- und produktorientiert als
kundenorientiert aufgebaut sind
in der Kundendatenbank nur wenig Informationen über Kosten und Nut-
zen von Geschäftsbeziehungen gespeichert werden.
Kundenwertbezogene Außendienststeuerung
Star-
kunde
Fragezeichen-
kunde
Ertrags-
kunde
Mitnahme-
kunde
Besuchs-
häufigkeit
Muster-
versand
Kulanz-
regelung
Preisstellung/
-staffel
Anwendungs-
technik
Präsente,
Bewirtung
6 x
im
Jahr
6 x
im
Jahr
3 x
im
Jahr
alle
2 Jahre
kostenlos
bei Bedarf
kostenlos
anbieten
ggf. mit
Kosten-
beteiligung
gegen
Berechnung
groß-
zügighöchste geringer gar nicht
viel,
kostenlos
viel
mittel,
kostenlos
wohlabgewogen
dosiert
nur wenn
notwendig
wenig
gegen
Kostenbeteiligung
gar nicht
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In einem Scoring-Modell können sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Größen
der Kundenbeziehung durch die Vergabe von Punkten bewertet werden die dann
zum Kunden-Score-Gesamtwert aufsummiert werden. Mit der RFMR-Methode
(Recency Frequency Monetary Ratio) werden die Kunden zunächst nach dem
Merkmal Kaufverhalten klassifiziert. Ausgehend von einem Basiswert werden
Kunden mit nur kurz zurückliegenden Käufen Punkte gutgeschrieben, Kunden mit
längere Zeit zurückliegenden Käufen (Recency) erhalten dagegen einen Punkteab-
zug. Kunden mit Mehrfachbestellungen innerhalb einer Periode erhalten mehr
Punkte als Einmal-Käufer (Frequency). Käufer mit höherem Bestellwert erhalten
ebenfalls mehr Punkte (Monetary Ratio), während Kosten der Kundenbeziehung
wie z.B. Versand von Katalogen oder Warenrücknahmen mit einem Punkteabzug
bewertet werden:
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I. Startwert = 25 Punkte
Letztes Kaufdatum bis 6 > 6 - 9 > 9 - 12 > 12 - 18 > 18 -24 > 24
zurückliegend: Monate Monate Monate Monate Monate Monate
II. Punkte
Zuschlag 40 25 15 5 Abzug -5 -15 Einkaufs- häufigkeit letzte
III. 18 Monate = Zahl der Aufträge multipliziert mit Faktor: 6
Durchschnittl. Auftragswert bis 100 > 100-250 >250-500 >500-1000 >1000-5000 >5000 letzte drei Einkäufe
IV. Punkte
Zuschlag 5 15 25 35 50 75 Abzug Anz. Retouren 0-1 2-3 4-6 7-10 11-15 > 15
V. Punkte
Abzug 0 -5 -10 -20 -30 -40 Anzahl je Haupt- je Sonder- je Mailing Werbe- katalog katalog
VI. sendungen -12 -6 -2
Kunden-
VII. Gesamtscore:
Kalkulations-Schema für Kunden-Scorewert
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Kunde letztes Kauf- Einkaufs- Durchschn. Anzahl Anzahl
datum häufigkeit Auftragswert Retouren Werbe- Gesamt
zurück- letzte letzte drei sendungen Score
liegend 18 Monate Einkäufe des Kunden
Monate Aufträge Anzahl Anzahl
Kunde A -5 4 520 0 0
Punkte: 40 24 35 0 0 99
Kunde B -15 1 7000 1 2
Punkte: 5 6 75 0 -12 74
Kunde C -30 0 400 3 0
Punkte: -15 0 25 -5 0 5
Kunden D -1 12 400 0 1
Punkte: 40 72 25 0 -12 125
Kunde E -1 5 1500 3 5
Punkte: 40 30 50 -5 -10 105
Kunde F -7 35 40 0 10
Punkte: 25 210 5 0 -20 220
Kunde Z -3 5 6000 3 3
Punkte: 40 30 75 -5 -18 122
220
125
122
105
99
74
5
0 50 100 150 200 250
Kunde F
Kunde Z
Kunde A
Kunde C
Punkte
Punkte
Beispiel für nach Kalkulationsschema berechnete Kunden-Scorewerte
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Nur wenige Unternehmen wissen überhaupt, welche ihrer Kunden profitabel
sind und welche negative Effekte auf das Ergebnis auslösen. Die häufig
praktizierte Bewertung der Kunden nach A-, B-, C- und D-Umsatzgrößen ist
als scheinrationales Raster als Steuerungsinstrument wenig geeignet: der
Umsatz des Kunden sagt allein wenig über die Profitabilität des Kunden
aus. Oft sind es die umsatzstärksten Kunden, die ohne Be- oder
Verrrechnung überproportional Serviceleistungen in Anspruch nehmen. Um
die Schwächen der eindimensionalen, rein umsatzbezogenen ABC-Analyse
zu vermeiden, läßt sich diese zusätzlich um den Bewertungsmaßstab De-
ckungsbeitrag erweitern. Daraus lassen sich 9 mögliche Kundenklassen ab-
leiten: Die AA-Kunden mit hohem Umsatz- und DB-Anteil haben den
höchsten Kundenwert, die CC-Kunden demgegenüber den niedrigsten Kun-
denwert:
Kunden ABC-Analyse kombiniert aus Umsatz und Deckungsbeitrag
Der Konzentrationsgrad wird rechnerisch aus Deckungsbeitrags- und Kundenanteil ermittelt:
Deckungsbeitragsanteil
Konzentrationsgrad = ----------------------------
Kundenanteil
Umsatz
DeckungsbeitragKunden mit
A-Umsatz
Kunden mit
B-Umsatz
Kunden mit
C-Umsatz
Kunden mit A-DB
Kunden mit B-DB
Kunden mit C-DB
AA BA CA
AB BB CB
AC BC CC
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ABC-Kundenwerte
Kundenklasse A B C
I. Anzahl Kundenl in %
II. Deckungsbeitrags-
anteil in %
III. = Konzentrationsgrad
= II. : I.
25 30 45
75 15 10
3,00 0,50 0,22
GESAMT
100
100
1,00
CBA
Kundenmerkmale (Beispiel:Versicherung)
o hohe Referenzwirkung
o > 3 Verträge
o hohes Prämienvolumen
o hohes Potential
o 2-3 Verträge
o große Chance zur zu-
künftigen Geschäfts-
ausweitung
o 1-2 Verträge
o keine o. nur geringe
Chancen zur Auswei-
tung des zukünftigen
Geschäfts
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ROC-Analyse nach Deckungsgrad des Kunden und Forderungs-Umschlagshäufigkeit
Kundenklassen nach Rentabilität und Bonität
Umschlagshäufigkeit Forderg.
Deckungsgrad DG
Umschlag-
häufigk.
hoch
Umschlag-
häufigk.
niederig
DG = Hoch
DG = niedrig
DG = negativ
A B
C D
E F
A-Kunde
B-Kunde
C-Kunde
D-Kunde
E-Kunde
F-Kunde
hinsichtlich Absatz/Wirtschaftlichkeit höchster Kundenwert
Absatz optimal, Zahlungsverhalten verbesserungsfähig
finanzwirtschaftl. optimal, Deckungsgrad verbesserungsfähig
absatz- und finanzwirtschaftl. unbefriedigend
problemtatisch, ROC-Wert ist negativ
problematisch, ROC-Wert ist negativ
Bonität
ROC
hoch mittel niedrig
hoch
mittel
niedrig
A 1 A 2 A 3
B 1 B 2 B 3
C 1 C 2 C 3
negativ
schlecht
D 1 D 2 D 3
B 4
C 4
D 4
A 4
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Die nachfolgende Analyse basiert auf a) der Attraktivität der Kunden, ge-
messen anhand von
effektivem Umsatzpotential
Bonität
Rentabilität
Leistungszahl
sowie basiert auf b) dem eigenen Exklusivitätsgrad, gemessen anhand von
Zahl der Lieferanten des Kunden
eigener Lieferanteil beim Kunden.
Kundenanalyse anhand Attraktivitätsgrad des Kunden und eigenem Exklusivitätsgrad
eigener Exklusivitätsgrad
Attraktivitätsgrad Kunde
hoch mittel gering
hoch
mittel
niedrig
A 1 A 2 A 3
B 1 B 2 B 3
C 1 C 2 C 3
A1-Kunde
C3-Kunde
Verteidigungskunde
Desinvestitionskunde
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Im Zusammenhang mit Konzepten für eine Wissensbilanz finden
sich detaillierte Ausführungen bei Becker, Jörg: Wissensbilanz
mit Kundenbarometer – Kapital der Kundenbeziehung, 2009,
ISBN 9783837051773.
Geschäfte mit bereits existierenden Kunden werfen oft den höchsten Ge-
winn ab. An kaum einer anderen Stelle finden sich ähnlich hohe Gewinnpo-
tentiale im Vergleich zu denen beim Ausbau des Geschäfts mit den eigenen
Kunden. Neben den Potentialen der bestehenden Kundenbasis spielt insbe-
sondere auch das Kostenverhältnis im Vergleich Kundengewinnung zu
Kundenbindung eine Rolle: Statistisch gesehen kann jede ernsthafte Störung
der Kundenbeziehung zum Verlust von 3-15 weiteren, potentiellen Käufern
führen. Es kostet fünf- bis zehnmal mehr, einen neuen Kunden zu gewinnen,
als einen bestehenden Kunden durch dessen Zufriedenheit an sich zu bin-
den. Diese banale, allseits bekannte Feststellung hat es trotzdem verdient,
sie sich von Zeit zu Zeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Voraussetzung für
eine Stärkung von Kundenbindungsfaktoren ist die Verfügbarkeit detaillier-
ter Informationen. Wichtig ist deshalb ein laufendes Monitoring der beste-
henden Geschäftsbeziehungen, aus dem mit kontinuierlicher Datenerfassung
sukzessive trennscharfe Kundenprofile aufgebaut werden können.
- Strategiethema Kundenbindung
- Zielgruppenbewusstes Segment-Vorgehen
- Kaufkraft und andere Kennziffern
- Andocken am Gerüst der Wissensbilanz
- Ausgangslage: Bewertung Wissensfaktoren
- Ausgangslage: Wissensbilanz-Ampeldiagramme
- Ausgangslage: Wissensbilanz-Portfolios
- Wissensbilanz-Beziehungsfaktor: Kundenzufriedenheit
- Kunden binden statt finden
- Kundenklassifizierung und –struktur
- Auftragsdaten mit Informationspotential
- Betrachtung des Kundenwertes
- Kundenbeziehung im Potential-Portfolio
- Kundenbeziehung im Wissensbilanz-Wirkungsgeflecht
- Im Lifecycle der Kundenbeziehungen
- Ausblick
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Offensive Strategien zur Gewinnung von Neukunden sind teuer, Defen-
sivstrategien zur Bindung treuer Käufer versprechen bei gleichem Mit-
teleinsatz mehr an Wirkungen. Große Teile des Umsatzes setzen sich oft
aus Wiederholungskäufen zusammen. Ergebnis: Kundenbindung geht
vor Kundenfindung. Stärkere Kundenbindung bedeutet für das Unter-
nehmen gleichzeitig mehr Sicherheit. D.h. weniger Risiko, dass der
Kunden beim geringsten Anlass zur Unzufrieden-heit gleich zu einem
anderen Lieferanten wechselt. Höhere Kundenbindung bedeutet gleich-
zeitig auch bessere Kenntnisse der Kundenbedürfnisse und –wünsche,
daraus folgend wiederum geringere Risiken bei Produktinnovationen. In
einem Scoring-Modell können sowohl monetäre als auch nicht-monetäre
Größen der Kundenbeziehung durch die Vergabe von Punkten bewertet
werden, die dann zum Kunden-Scorewert aufsummiert werden. Neben
Mechanismen der Kundenklassifizierung und –portfolios wird die Ar-
beits-weise von Lifecycle-Rechnungen für Kundenbeziehungen erörtert.