Post on 21-Dec-2015
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VO: Ephemere Filme als historische Quelle
WS 2011/12 Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien
Doz. Dr. Siegfried Mattl Siegfried.mattl@univie.ac.at
Mag.a Karin Fest karin.fest@univie.ac.at
Medienentwicklung
Prä-‐kinematographische Aufzeichnungsformen
-‐ Camera Obscura: seit An3ke Lochkamera, seit Mi:elalter mit Linse -‐ Panoramen: 18. Jhd. (Malerei), 19. Jhd. -‐ Stereoskop -‐ Kaiserpanorama -‐ Daguerrotypie: Mi:e 18. Jhd. (1939/49) versilberte Kupferpla:e -‐ 1883 erstes Foto in Illustrierter Zeitung (Leipziger WochenzeitschriT) -‐ Edward Muybridge, Ende 19. Jahrhundert: Bewegunsstudien mit Fotografien um Bewegungsabläufe zu studieren
Wird es der Photographie erlaubt, die Kunst in einigen ihrer Funk7onen zu ergänzen, so wird diese alsbald völlig von ihr verdrungen und verderbt sein dank der natürlichen Bundesgenossenscha@, die aus der Dummheit der Menge ihr erwachsen wird. Sie muß daher zu ihrer eigentlichen Pflicht zurückkehren, die darin besteht, der Wissenscha@en und der Künste Dienerin zu sein, doch eine recht bescheidene Dienerin, ähnlich dem Buchdruck und der Stenographie, die niemals noch die Literatur erschufen oder ergänzten. Mag sich rapid das Album des Wanderers bereichern und seinen Augen die Genauigkeit ersetzen, die seinem Gedächtnis versagt blieb; mag sie die Bibliothek des Naturforschers schmücken, die mikroskopischen Tiere vergrößern, sogar durch manche Nachweisungen dem Astronomen seine Hypothesen stützen; mag sie endlich der Sekretär und No7zführer irgend jemandes sein, der in seinem Berufe einer absoluten materiellen Genauigkeit bedarf; so weit ist alles schön und gut. Mag sie die hangenden Ruinen, die Bücher, die Stempeldrucke und die Manuskripte, an denen die Zeit schon nagt, mag sie die kostbaren Dinge dem Vergessen entreißen, deren Form entschwinden wird und die doch in den Archiven unseres Gedächtnisses einen Platz beanspruchen; man wird ihr dafür Dank und Beifall zollen. Aber: Darf sie erst in die Domäne des Unantastbaren und Imaginären entweihend eindringen, in alles das, was ohne Wert ist, wenn nicht der Mensch ihm seine Seele einhaucht -‐ dann wehe uns.
(Charles Baudelaire. Das moderne Publikum und die Photographie. S. 180-‐181)
Dem Historismus geht es um die Photographie der Zeit. Seiner Zeitphotographie entspräche ein Riesenfilm, der die in ihr verbundenen Vorgänge allsei7g abbildete.
Die Wendung zur Photographie ist das Vabanque-‐Spiel der Geschichte.
(Kracauer, Die Photographie, S. 24 / S. 37)
Bilder -‐ Werbung
Bild: Wiener Bilder, 15.08.1926, Nr. 33, S. 12. Anno, ÖNB Schwimmerfamilie, daneben VEET Werbung – entfernt überflüssiges Haar – Kommunikation zwischen den beiden Bildern
...wie der Photograph ist der Historiker nicht willens, über seinem Vorverständnis seine Aufnahme-‐Verpflichtung zu vernachlässigen und das Rohmaterial, das er zu gestalten sucht, vollständig zu verzehren.
... Die... Kamera-‐Realität ... hat alle Kennzeichen der Lebenswelt an sich. Sie umfasst leblose Objekte, Gesichter, Massen, Leute, die sich mischen, leiden und hoffen; ihr großar7ges Thema ist Leben in seiner Fülle, Leben, wie wir es gemeinhin erfahren. Kein Wunder, dass Kamera-‐Realität historischer Realität in Hinsicht auf ihre Struktur, ihre allgemeine Verfassung parallel läu@. Genau wie historische Realität ist sie teils geformt, teils amorph -‐ in beiden Fällen eine Folge des halbgaren Zustands unserer Alltagswelt.
(Beide: Kracauer, Geschichte – Vor den letzten Dingen, S. 76/77)