Vorlesung ZPO Handlungen des Beklagten & Prozessmaximen 14. Juni 2007.

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Vorlesung ZPOHandlungen des Beklagten

& Prozessmaximen

14. Juni 2007

Reaktion des Beklagten• Passivität ist häufig, aber gefährlich.

– Es droht ein Versäumnisurteil (§ 331).– Außerdem ggf. Ordnungsgeld gem. § 141 III.

• Der Beklagte kann auch anerkennen.– Dann ergeht ein Anerkenntnisurteil (§ 307).– Das Gericht prüft hierbei nur die (unverzichtbaren)

Prozessvoraussetzungen, nicht die Begründetheit.– Im Fall des § 93 trägt die Kosten der Kläger.

• Zumeist aber verteidigt sich der Bekl. aktiv bzw. geht zum Gegenangriff über.

Angriffs- u. Verteidigungsmittel

• Prozesshandlungen und tatsächliches Vorbringen zur Durchsetzung oder Abwehr des eingeklagten Anspruchs.

• § 282 I nennt beispielhaft: „Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden“.

• Sie müssen rechtzeitig mitgeteilt bzw. vor-gebracht werden, sonst droht Präklusion.

• nicht: Rechtsvortrag, Angriff / Verteidigung

Zulässigkeits-/Verfahrensrügen• Im Wesentlichen prüft das Gericht die

Zulässigkeit von Amts wegen.– Allerdings ist frgl., ob es selbst ermitteln muss, vgl.

BGH, NJW-RR 2000, 1156f., und NJW 1996, 1059f. • Der Bekl. kann und sollte gleichwohl auf alle

Bedenken (und zwar idR zugleich und frühzeitig, § 282 III) hinweisen.

• Einige wenige Rügen muss er aber auch erheben, damit das Gericht sie berücksichtigt.– zB Unzuständigkeit (§ 39), offene Kostenerstattung

(§ 269 VI), Schiedsvereinbarung (§ 1032)

Sachrügen• In den meisten Fällen verteidigt sich der

Beklagte jedoch (primär) gegen die Begründetheit des Anspruchs.

• Ist die Klage bereits unschlüssig, ergibt der klägerische Vortrag also den Anspruch gar nicht, muss der Bekl. eigentlich nichts weiter tun.

• Der Bekl. kann insbesondere:– den kl. Vortrag (ggf. substantiiert!) bestreiten,– eigene Behauptungen zum Sachverhalt aufstellen

(etwa auch zu Einwendungen iSd BGB),– (evtl. Gegen-)Beweismittel anbieten,– Einreden iSd BGB erheben

Bestreiten & Geständnis• § 138 II: Erklärungspflicht über Behauptungen• Bestreiten muss konkret erfolgen.

– nicht: „alles, was nicht zugestanden wird, wird bestritten“

• Je nach Detailliertheit der Behauptung und nach Einblick muss das Bestreiten substantiiert sein.– dies kann zu „sekundärer Behauptungslast“ führen

• Bestreiten „mit Nichtwissen“ § 138 IV• Geständnis (§§ 288f.) schwer widerruflich, § 290• Nichtbestrittenes gilt als zugestanden (§ 138 III)

– allerdings im Rahmen der Präklusion nachholbar!

Einreden iSd ZPO• Jedes selbständige Gegenvorbringen:

1. rechtshindernd• Bsp.: §§ 105, 138 I, 275 I (anfgl.) BGB

2. rechtsvernichtend• Bsp.: §§ 362 I, 346 I, 275 I (nachtrgl.) BGB

3. rechtshemmend• Bsp.: §§ 214, 273, 320, 1000 BGB

• Im BGB: 1. und 2. = Einwendungen– übl. Abgrenzung: „von Amts wegen“ zu beachten– aber missverständlich: keine amtswegige Prüfung!– Unterschied vor allem bei Säumnis (Schlüssigkeit!)

• trägt Kl. Einwendung vor, ist die Klage unschlüssig, eine nicht erhobene Einrede hindert Schlüssigkeit nicht

(Prozess-)Aufrechnung• Aufrechnung beliebtes Verteidigungsmittel

( Präklusion möglich!), da sie der Klage den Boden entzieht (§ 389 BGB).

• entweder im Prozess oder Vortrag außerprozessualer Aufrechnung

• Prozessaufrechnung = Doppeltatbestand:– materiell-rechtlich: §§ 387ff. BGB– prozessuale Geltendmachung: Prozesshandlung– Verknüpfung: Prozessaufrechnung entfaltet Wirkung

grundsätzlich nur, wenn beide Teile wirksam sind• zB: bei prozessualer Präklusion keine materielle Wirkung• Begr.: § 139 BGB (analog) oder innerprozessuale Bedingung

Wdh.: Die Aufrechnung

• Voraussetzungen:– Gegenseitigkeit / Gleichartigkeit / kein Ausschluss– Fälligkeit der Gegen- und Erfüllbarkeit der Hauptforderung– Aufrechnungserklärung, § 388 BGB

• Erfüllungssurrogat: Forderungen erlöschen, soweit sie sich decken (§ 389 BGB) – rückwirkend auf das Entstehen der Aufrechnungslage

Hauptforderung (Passivfd.) € 1.500

Gegenforderung(Aktivforderung)€ 1.250

Ich rechne auf!

€ 250

Primär-/Eventualaufrechnung• Aufrechnung kann

– alleinige Verteidigung sein (Primäraufrechnung) oder– neben anderen Verteidigungsmitteln erfolgen (Eventual-

bzw. Hilfsaufrechnung) – kein Fall von § 388 S. 2 BGB.• Bei Hilfsaufrechnung muss die Klageforderung

geprüft werden, auch wenn die Aufrechnung jedenfalls zur Klageabweisung führen wird.– Beweiserhebungstheorie ( Klageabweisungstheorie)

• Erfolgreiche Aufrechnung führt zum Unterliegen des Klägers, bei der Hilfsaufrechnung aber trotzdem nur zur Kostenteilung (§ 92).– Kl. kann ggf. Erledigung erklären

Grenzen der Aufrechnung• Konnexität der Forderungen nicht erforderlich

– bei Fehlen ggf. getrennte Verhandlung, § 145 III• drohende Verzögerung

– Möglichkeit, Vorbehaltsurteil (§ 302) über die entscheidungsreife Klageforderung zu erlassen

– Entscheidung über Aufrechnung im Nachverfahren• rechtswegfremde Forderung - § 17 II GVG?

– nach hM keine Prüfung möglich, da nicht nur „rechtlicher Gesichtspunkt“ (BFH, NJW 2002, 3126)

– zu beachten nur, wenn unbestritten oder rechtskräftig– ggf. Aussetzung nach § 148 ZPO mit Frist zur Klage– aA: § 17 II GVG (+), Prozessökonomie/Rechtsschutz

Aufrechnung:Rechtshängigkeit/-kraft

• Gegenforderung wird nicht rechtshängig (hM)– vgl. § 204 I Nr. 5 BGB

• § 322 II enthält Sonderregelung zur Rechtskraft– Nichtbestehen der Gegenforderung– auch: Bestehen bis zur Aufrechnung– aber: nur bis zur Höhe der Klageforderung (auch bei

Nichtbestehen)– Risiko für Bekl.: zB fehlende Substantiierung– nicht bei Unzulässigkeit der Aufrechnung, etwa bei

fehlender Bestimmtheit / Gegenseitigkeit

Widerklage• „Gegenangriff“ des Bekl.

keine Präklusion gem. § 296 (kein Angriffsmittel, sondern Angriff)

• begründet eigenes Prozessrechtsverhältnis beim selben Gericht; Dopplung der Parteirollen

• idR gemeinsame Verhandlung; bei fehlender Konnexität Trennung mgl., § 145 II

• Gebot der Waffengleichheit, aber auch prozessökonomisch und widersprüchliche Entscheidungen vermeidend

Voraussetzungen der Widerklage

• grdstzl. wie bei normaler Klage• Besonderheiten:

– setzt Rechtshängigkeit der Hauptklage voraus– kann gem. § 261 II mündlich in der Verhandlung

erhoben werden (aber: § 297); vgl. auch § 147– zur sachl. Zuständigkeit vgl. §§ 5, 506

• aber: LG auch für Widerklage bis € 5.000 zuständig, wenn nicht ausschließliche AG-Zuständigkeit

– besonderer Gerichtsstand gem. § 33 I, wenn konnex– Konnexität keine generelle Voraussetzung (hL, aA BGH)– in bestimmten Verfahren ausgeschlossen (vgl. § 595 I)

Wirkung der Widerklage

• nach wirksamer Erhebung eigenständiges Prozessrechtsverhältnis, das nicht mehr von Hauptklage abhängt

• Widerklageforderung wird rechtshängig Problem: darf nicht kontradiktorisches

Gegenteil zur Hauptklage sein• negative Feststellungsklage Leistungsklage

– BGH: versch. Streitgegenstand, Problem d. F‘interesses• 2 Feststellungsklagen, dass jew. Kl. Eigentümer ist

– möglich, da Gegenteil = Hauptkl. ist nicht Eigentümer

Sonderformen der Widerklage

• Hilfswiderklage• Drittwiderklage / parteierweiternde W.

Erstreckung der Widerklage auf Dritte– Voraussetzungen (BGH, i.E. str.):

• Zulässigkeit der Klage gegen Dritten (ohne § 33)• Widerklage zugleich gegen den Kl. (§§ 59ff.)

– Ausnahmen denkbar, vgl. BGH, NJW 2001, 2094• rechtlicher Zusammenhang mit Klage• Voraussetzungen der Klageänderung (§ 263)• nicht hilfsweise erhoben

Sonderformen der Widerklage II• Zwischenfeststellungswiderklage, § 256 II• „petitorische Widerklage“

– gegen possessorische Ansprüche (§§ 861f. BGB) kann Besitzrecht grdstzl. nicht eingewendet werden,§ 863 BGB

– aber: Widerklage auf Feststellung des Besitzrechts (§ 864 BGB) möglich (hM)

– bei gleichzeitiger Entscheidungsreife wird Klage abgewiesen

• Wider-Widerklage– zulässig ohne Beachtung des § 263

Verfahrensprinzipien / Prozessmaximen

• Leitbild: Parteiherrschaft• Dispositionsmaxime ( Offizialmaxime)

– Parteien bestimmen, ob und worüber sie streiten („wo kein Kläger, da kein Richter“)

• Ausdruck in § 308 I: „ne (eat iudex) ultra petita (partium)“, sowie §§ 91a, 269, 306, 307, Vergleich

• Ausnahmen: Kosten (§ 308 II), vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708ff.), §§ 308a, 617

• bezieht sich grdstzl. nicht auf die Verfahrensweise, sie bestimmt das Gericht (Amtsbetrieb)

Verfahrensprinzipien / Prozessmaximen II

• Verhandlungs-/Beibringungsgrundsatz( Untersuchungs-/Inquisitionsgrundsatz)– Parteien müssen Tatsachen vortragen,

grdstzl. keine Ermittlungen von Amts wegen• „da mihi facta, dabo tibi ius“ (vgl. „iura novit curia“)

– Prinzip der formellen Wahrheit: Gericht ist an Parteivortrag gebunden (aber: § 138 I)

– zahlreiche Aufweichungen: zB Aufklärungs-pflicht, § 139; §§ 142ff., 273 II Nrn. 2 u. 5, 448 (Grenze ≈ Ausforschung); pers. Erscheinen

Verfahrensprinzipien / Prozessmaximen III

• Mündlichkeit, §§ 128 I, 286 I– Hintergrund: weg vom Geheimprozess– aber: Aufweichungen ( Prozessökonomie)

• Schriftsätze (§ 129) / Bezugnahme (§§ 137 III, 297 II)• schriftl. Verf., §§ 128 II, III, 495a; Beschlüsse, § 128 IV

• Öffentlichkeit, § 169 GVG– absoluter Revisionsgrund (§ 547 Nr. 5)– Einschränkungen: §§ 169 S. 2, 170ff., 193 GVG– Parteiöffentlichkeit, §§ 299, 299a, 357, 364 IV

Verfahrensprinzipien / Prozessmaximen IV

• Unmittelbarkeit, §§ 128 I, 355 I, 309– Verhandlung/Beweisaufnahme vor

erkennenden Richtern (ggf. gem. § 128a)– Durchbrechungen: v.a. beauftragter/ersuchter

Richter (vgl. §§ 361f.): §§ 278 V, 375• Einheit der mündlichen Verhandlung

– mehrere Termine bilden Einheit, die Prozesshandlungen wirken fort

– Richter können wechseln (§ 309)

Verfahrensprinzipien / Prozessmaximen V

• Konzentrations-/Beschleunigungsmaxime– Verfahren soll schnell und auf möglichst einen Termin

konzentriert (§ 272 I) geführt werden– vgl. erneut etwa §§ 282, 296

• Treu & Glauben im Prozess– Formenstrenge begrenzt Anwendbarkeit von § 242

BGB (zudem: „Kampf ums Recht“)– Fallgruppen:

• arglistiges Schaffen von Prozesslagen (etwa gem. § 23)• venire contra factum proprium (zB bei pactum de non agendo)• Missbrauch prozessualer Befugnisse (zB Verschleppung)• Verwirkung

Verfahrensprinzipien / Prozessmaximen VI

• Faires Verfahren (fair trial), Art. 6 I EMRK– Gericht muss Parteien als Verfahrenssubjekte

behandeln und auf sie angemessen eingehen– Entscheidung binnen angemessener Zeit– Übung zu Formalien nicht überraschend ändern

• vgl. BVerfG, NJW 1988, 2787, zur Unterschrift

• Rechtliches Gehör, Art. 103 I GG– auch: Vortrag muss zur Kenntnis genommen und

berücksichtigt werden, Hinweise auf Lücken, § 139 II– vgl. §§ 156 II Nr. 1, 321a

• Chancen-/Waffengleichheit– zB PKH, Widerklage, Recht auf Beweis und seine Prfg.