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URP / DEP 5 | 2014
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Inhalt
Résumé 355
Zusammenfassung 355
I. Einleitung 356
II. UmfangdesGrundeigentumsinhorizontalerSicht 357
III. UmfangdesGrundeigentumsinvertikalerSicht 358
IV. ZumBegriffdesUntergrundes 359
V. ZurAbgrenzungdesGrundeigentumsvomUntergrund 3591. Allgemein 3592. DaspositiveunddasnegativeInteresse 3603. DieSchutzwürdigkeitdesInteresses 3604. DasindividuelleInteresse 3615. DerEinzelfall… 3626. DaskünftigeInteresse 3637. DieAnwartschaft 3638. DieRückwirkung 3639. Beweislast 365
VI. HerrschaftunterdemBoden 3651. KantonaleGesetzgebungshoheitimUntergrund 3652. NormenimUntergrund 3663. NormenüberdemUntergrund 3674. BeschränkungdesGrundeigentumsdurchkantonaleBestimmungen
überdieNutzungdesUntergrundes? 3675. ZursachenrechtlichenQualifikationdesUntergrundes 368
Wem gehört der Untergrund?
Thomas EndEr,Dr.iur.,Rechtsanwalt,UrkundspersonimKantonAargau,Fach-anwaltSAVBau-undImmobilienrecht,BaurHürlimannAG,BadenundZürich
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Résumé
Lapropriétéfoncières’étenddanstoutelaprofondeurutileàl’exercicedudroitdepropriété.Cetintérêtàl’exercicedudroitdepropriétédoitêtredignedeprotection;lefaitdesavoirsicetintérêtestdignedeprotectionestdéterminédanslecasparticulier,étantpréciséqueladoctrineetlajurispru-denceontdéveloppédenombreuxcritères.Le jugedisposetoutefoisd’unlargepouvoird’appréciationpourjugersil’intérêtàl’exercicedelapropriétéestdignedeprotection.Cettedélimitationdelapropriétévautaussibienparrapportauxpropriétairesfonciersvoisinsque«verslebas»,endirectiondusous-sol;enprincipe,elletientsuffisammentcomptedesintérêtsdesperson-nesconcernéesetafaitsespreuves.Ledroitdepropriétéexisteégalementau-dessousdusol,dansleslimitesdel’ordrejuridique.Enmatièredesous-sol,soitau-dessousdelapropriétéfoncière, lecantondisposed’unecom-pétencenormativeexhaustive,danslamesureoùlaConfédérationn’estpashabilitéeàréglementerenvertud’unecompétenceindividuelle.Laquestiondel’assujettissementauxdroitsréelsdusous-soln’apasétérésoluejusqu’àcejour.Laplupartdescantonsontexercéleurscompétencesenmatièredesous-soldemanièremarginalejusqu’ici.Leursdispositionssurl’utilisationdusous-solontlepotentield’influencerl’intérêtàl’exercicedudroitdepropriétédupropriétaireterrien,etparconséquentaussil’étenduedesapropriété.
Zusammenfassung
DasEigentumanderErdoberflächereichtsoweitindenBoden,alseinAusübungsinteresse des Eigentümers besteht. Dieses Ausübungsinteressemussschutzwürdigsein;obdieseSchutzwürdigkeitvorliegt,wirdimEinzelfallbestimmt,wobeiLehreundRechtsprechungzahlreicheKriterienentwickelthaben.DasErmessendesRichtersbeiderBeurteilungderSchutzwürdigkeitdieses Interesses bleibt aber gross. Diese Abgrenzung des Eigentums giltsowohlgegenüberdenbenachbartenGrundeigentümern,wieauch«nachun-ten»,gegenüberdemUntergrund;sieträgtdenInteressenderBetroffenenin
VII. ZurNotwendigkeiteinesneuenEigentumsbegriffes 369
VIII. Fazit 370
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derRegelangemessenRechnungundhatsichbewährt.DasEigentumsrechtbestehtauchunterdemBodenalleinindenSchrankenderRechtsordnung.ImUntergrund,alsounterdemGrundeigentum, istderKantonumfassendregelungskompetent,soweitnichtderBundaufgrundeinerEinzelkompetenzbefugt ist.DiesachenrechtlicheZuordnungdesUntergrundesistbisheuteungeklärt.DiemeistenKantonehabenihreKompetenzenimUntergrundbisanhinehermarginalwahrgenommen.IhreBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrundeshabendasPotential,dasAusübungsinteressedesoberir-dischenGrundeigentümers,unddamitauchdenUmfangseinesEigentums,zubeeinflussen.
I. Einleitung
DerTiteldiesesBeitragsistwenigjuristisch;wasvorallemdaranliegt,dass «gehören» viel bedeuten kann.1 Er entspricht dem Titel des entspre-chendenReferatesanlässlichderJahrestagungderVURvom26.Juni2014.MeinBeitragerhebtnichtdenAnspruch,dieRechtslageunterdemBodenumfassendzuerfassen,sondernversuchtprimär,dieAbgrenzungzwischenprivatemEigentumundöffentlichemGrundunterdemBodendarzustellen.Ichhabezudemdaraufverzichtet,jedeRechtsquelleinLehreundRechtspre-chungzumThemazukonsultierenundzudiskutieren.
«Gehören»kannverstandenwerdenalsAusdruckvonEigentumoderBe-sitz,alsNutzungsberechtigungoderalsPlanungsberechtigung.2
Eigentümeristjener,welcherdierechtlicheGewaltübereineSachehat,resp.beiGrundstückenimGrundbucheingetragenist.Besitzer ist,werdietatsächliche Gewalt über die Sache hat, also beispielsweise – neben demEigentümer–aucheinMieter,PächteroderKonzessionsinhaber.EigentumoderBesitzistdurchBundesprivatrechtbestimmt.
NutzungsrechtewerdendurchdasöffentlicheRechtbestimmt;siebe-stehen in den Schranken der Rechtsordnung (z.B. Bau- und Nutzungsord-nungen),oderwerdenverliehendurchKonzessionoderdurchPolizeibewilli-gung.DieNutzungdesUntergrundesumfasstinsbesonderedieErforschungund Gewinnung von Bodenschätzen, die Geothermie, die Gasspeicherung(z.B. CO2-Sequestrierung, Wasserstoffspeicherung, Druckluftspeicherung).Auchgeologisch-geophysikalischeUntersuchungenwieGrabungen,Bohrun-
1 Vgl.dazuZweidler reinhard,am4thSwissGeoscienceMeeting,Bern2006.2 Vgl.dazuders.
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gen,seismischeUntersuchungensindmöglicheNutzungenamUntergrund(vgl.§2Mustergesetz).
DiePlanungsberechtigungresp.diePlanungshoheitliegtfürdieGrund-sätzederRaumplanungbeimBund,ausserhalbderRaumplanungaberbeidenKantonen,welche fürdiezweckmässigeundhaushälterischeNutzungdes Bodens und die geordnete Besiedlung des Landes zu sorgen haben(Art.75BV).3DiePlanungshoheitstehtjenemStaatskörperzu,demderUn-tergrundangehörtbzw.dessenBestandteilerbildet.DasAngehöreni.S.derPlanungs-undGesetzgebungshoheithatbegrifflichmitdemEigentumnichtszutun.FürdiePlanungshoheitistgeradenichtvorausgesetzt,dassderKan-tonEigentumüberdenentsprechendenUntergrundhat.Gleichzeitigvermit-teltdiePlanungs-undGesetzgebungshoheitansichnochkeinEigentum.
Dasallesklingtsehrselbstverständlich;dieDiskussionumdenUnter-grund und die darin herrschende Rechtslage zeigt aber, dass Begriffe oftnicht gleich verwendet werden, und dass daraus Missverständnisse resp.Konflikteentstehen.
II. Umfang des Grundeigentums in horizontaler Sicht
WemderBodenauf der Erdoberfläche gehört,istfastimmersehrgenaubestimmt: Dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer. Liegenschaften(gemässLegaldefinition inArt. 2Bst. aGBV4Bodenflächenmitgenügendbestimmten Grenzen5) werden als Grundstücke in das Grundbuch aufge-nommen(Art.943Abs.1Ziff.1ZGB6).AusnahmenbestehenallerdingsfürnichtimPrivateigentumstehendeunddemöffentlichenGebrauchdienendeGrundstücke(Art.944Abs.1ZGB);vondiesenAusnahmenabgesehengibtdieEinsicht insGrundbuchraschundzuverlässigAuskunftüberdieEigen-tumsverhältnisseaufdemBoden.
DiehorizontaleAusdehnungeinerLiegenschaftistbestimmtdurchdieindenGrundbuchpläneneingezeichnetenGrenzlinienunddurchdieAbgren-zungenaufdemGrundstückselber,d.h.durchdieamtlichenGrenzzeichen,auchVermarchunggenannt(Art.668Abs.1ZGB).7
3 Vgl.ders.4 Grundbuchverordnungvom23.September2011(SR211.432.1).5 Näheresbeischmid Jürg,inBaslerKommentar,ZivilgesetzbuchII,4.Aufl.,Basel2011,Art.943N.3.6 SchweizerischesZivilgesetzbuchvom10.Dezember1907(SR210).7 Näheres bei rey heinZ/Trebel lorenZ, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 4. Aufl., Basel 2011,
Art.668ZGBN.1.
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III. Umfang des Grundeigentums in vertikaler Sicht
InvertikalerSichterstrecktsichdasGrundeigentumindenHimmelundindasErdreich,soweit für die Ausübung ein Interesse besteht (Art.667ZGB).DieseLösungistimeuropäischenRaumoriginell.8DasGrundeigentumum-fasstdemnachdieLuftsäuleüberdemGrundstücknicht biszudenSternenoderindenHimmel,undauchdenBodennichtbisindiesagenhafteUnter-welt.9DemeidgenössischenRechtlagdieIdeedesräumlichunbegrenztenEigentumsandersalsineuropäischenRechtsordnungenniealsAusgangsla-gezugrunde,obwohlvorEinführungdesZivilgesetzbuchesdiemeistenkan-tonalenGesetzgebungenvondiesemVerständnisausgegangenwaren.10
DasGesetzverstehtdasGrundstückdamitnichtalsblosseFläche11,son-dernalseinennachobenunduntenbegrenztendreidimensionalenKörper.DieSeitengrenzendiesesKörperssindfest,dieobereunddieuntereGrenzesindvariabel,resp.individuellbestimmbar.12Sowohlnachobenwienachun-tenbildetdasAusübungsinteressedieGrundstücksgrenze.13PrivateigentumkanndemnachnichtweiternachuntenreichenalsdurchdasAusübungsin-teressebestimmt.
Diese Grenzziehungsfunktion des Ausübungsinteresses kommt aberauchdannzumTragen,wennanderErdoberflächeLandliegt,anwelchemnachArt.644Abs.2ZGB«keinPrivateigentum»besteht(z.B.öffentlicheGe-wässer,Felsen,Schutthalden),unddasdeshalbunterkantonalerHoheitsteht(soBGE119Ia398).
8 meier-hayoZ arThur,BernerKommentarzumSchweizerischenPrivatrecht,Bern1974,Art.667ZGBN.2;liver PeTer,SchweizerischesPrivatrechtSPR,Basel/Stuttgart1977,S.166;BGE119Ia398.
9 «Cuiusestsolumeiusestusqueadsidera,usqueadinferos»;«Quidominusestsolidominusestcoelietin-ferorum»:keinerömischenRechtssätze,sonderneinRechtsgedankederitalienischenRechtswissenschaftdesMittelalters:soliver(Fn.8),S.166.DieIdeedesräumlichunbegrenztenEigentumswargerichtetgegenherrschaftlicheBedrückungdurchfiskalischeBelastungvonBodennutzungen.
10 meier-hayoZ(Fn.8),Art.667ZGBN.2;liver(Fn.8),S.167:DieBegrenzungaufdasAusübungsinteresseistdembündnerischenCGBvon1862entnommen.
11 BGE132III353=Pra2007Nr.18.12 meier-hayoZ(Fn.8),Art.777ZGBN.7.13 Stattvielermeier-hayoZ(Fn.8),Art.667ZGBN.7ff.;liver(Fn.8),S.166ff.;rey heinZ/sTrebellorenZ (Fn.7),
Art.667ZGBN.3ff.
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IV. Zum Begriff des Untergrundes
MitderAbgrenzung,wieweitdasEigentumnachuntenreicht,istnichtsdarübergesagt,wemder«Untergrund»gehört.DafürmüsstezuerstderBe-griff«Untergrund»definiertwerden.Juristischisternichtdefiniert.ErtauchtzwarinverschiedenenErlassenauf(wiebspw.inArt.3Abs.2lit.aGSchV,Art.40Abs.1KEG14),aberohnedassernäherumschriebenwürde.DasMus-tergesetzderNordostschweizerKantoneüberdieNutzungdesUntergrundesdefiniertdenUntergrundalsjenenTeildesErdinnern,dernichtGegenstandderBundeszivilgesetzgebungbildet(§2Abs.1).15DasGesetzüberdieNut-zungdestiefenUntergrundsunddieGewinnungvonBodenschätzen(GNB)16desKantonsAargaubezeichnetdieErdtiefeausserhalbdesgemässPrivat-rechtgeschütztenEigentumsalstiefenUntergrund.17,18Eszeigtsichimmerwieder,dassdasunterschiedlicheVerständnisdesBegriffsdesUntergrundeszuMissverständnissenführt.ImFolgendenwirdderBegriffdesUntergrundsalsUmschreibungfürallesverwendet,wasunterhalbdesgemässPrivatrechtgeschütztenEigentumsliegt.19
V. Zur Abgrenzung des Grundeigentums vom Untergrund
1. Allgemein
DasEigentumreichtsoweit,wieeinAusübungsinteressebesteht.DieUmschreibungerfolgtinLehreundRechtsprechungindenDetailssehrun-einheitlich.Esmusssichumein«aufdieBeherrschungdesRaumesgerich-tetesNutzungsinteressehandeln,fürdasdietatsächlicheundrechtlicheBe-
14 Kernenergiegesetz(KEG)vom21.März2003(SR732.1).15 MustergesetzderNordostschweizerKantoneüberdieNutzungdesUntergrundes,§2Abs.1:«AlsUnter-
grundgiltjenerTeildesErdinnern,dernichtGegenstandderBundeszivilgesetzgebungbildet.»16 Gesetzvom19.Juni2012überdieNutzungdestiefenUntergrundsunddieGewinnungvonBodenschätzen
(GNB;SAR671.200).17 §2Abs.2:«UnterNutzungdestiefenUntergrundswerdenNutzungeninderErdtiefeausserhalbdesgemäss
PrivatrechtgeschütztenEigentumsverstanden.»18 DasaargauischeGesetzunddasMustergesetzstimmendamitwederimBegriffnochinderBegriffsdefiniti-
onüberein.19 Sohürlimann roland/ender Thomas,RechtaufdieUnterwelt,SI+A1997,S.1049ff.,S.1049;KnaPP blaise,
L’urbanismedusous-sol,BR/DC1987,S.28ff.,S.31;entsprechendalsodemBegriffdestiefenUntergrundsi.S.desGNB(AG)(Fn.15).
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herrschungsmöglichkeiterforderlichist»20.WobeidiesnureinevondiversenjeweilsähnlichenaberebennichtgenaugleichenDefinitionenist,derenUn-terschiedeimErgebnisnichtimmerersichtlichsind.Einigkeitbestehtindesdarin,dassdieAusübungdesInteressestechnischmöglichundrechtlichzu-lässigseinmuss.21
2. Das positive und das negative Interesse
DasAusübungsinteressekannsowohlpositivwienegativWirkungent-falten. Ein positives Interesse liegt dann vor, wenn der Eigentümer unterderErdoberflächeausdemEigentumsrechtfliessendeNutzungsbefugnisseausübenwill.DiesesInteressewirdauchAusübungs-oderBeherrschungsin-teressegenannt.DasnegativeInteresse,dassogenannteAbwehrinteresse,besteht darin, dass sich der Eigentümer gegen Tätigkeiten Dritter wehrenwill,welchesich fürdieNutzungseinerLiegenschaftnachteiligauswirkenkönnen.22VieleneuereGerichtsentscheidebetreffenalleindasnegativeInte-resse:OftgehtesumdieEntfernungvonAnkerndesNachbarnimeigenenGrund.23
3. Die Schutzwürdigkeit des Interesses
EsreichtnichtjedesmöglicheInteresse.DasAusübungsinteressemussschutzwürdigoderschützenswertsein,wasaufdasrichterlicheErmessenimkonkretenEinzelfallverweist.24
Die Umschreibungen enthalten viele unbestimmte Begriffe, resp. insrichterlicheErmessenreichendeBegriffe,diesichauchimmerwiederüber-schneiden.Das Interessemusskonkret sein;LageundBeschaffenheitderLiegenschaft sind massgeblich, die übungsgemässe Nutzung des Bodens,dienatürlichen,technischenundrechtlichenHindernisse,undzuguterLetzt
20 SomaTZKe luKas,ZweiEntscheidedesBundesgerichtszurvertikalenAusdehnungdesGrundeigentumsimUntergrund,recht2007,S.235ff.,S.237.
21 rey heinZ/sTrebellorenZ (Fn.7),Art.667ZGBN.6.22 meier-hayoZ (Fn.8),Art.667ZGBN.7;maTZKe (Fn.19),S.237;hürlimann/ender (Fn.18),S.1049;KnaPP
(Fn.18),S.30.BGE132III689E.4.2=Pra2007Nr.69,S.465,mitzahlreichenVerweisenaufLehreundRechtsprechung.
23 Z.B.BGE119I398;BGE132III353=Pra2007Nr.18;BGer5A_639/2010vom7.März2011.24 Stattvielerschmid Jörg/hürlimann-KauP beTTina,Sachenrecht,4.Aufl.,2012,N.886;meier-hayoZ (Fn.8),
Art.667ZGBN.7;rey heinZ/sTrebellorenZ (Fn.7),Art.667ZGBN.5.
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auchdieallgemeineVerkehrsauffassung. ImmermusseineBeziehungzwi-schendem InteresseunddemGrundeigentumbestehen.25VonvornhereinkeinAusübungsinteressebestehtdann,wenneinbestimmtesVerhaltenfürdenGrundeigentümernutzlosist,undnurdaraufabzielt,einenNachbarnzuschädigenoderdieBezahlungeinerEntschädigungzuerreichen.26
WiegrossdievertikaleAusdehnungdesEigentumsist, lässtsichdes-halbnichtinallgemeingültigerWeisefestlegen,sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interes-se des Eigentümers, diesen Raum selbst zu nutzen oder zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren.27
4. Das individuelle Interesse
Zwar wird wiederholt festgestellt, das Interesse werde individuell ver-standen.28DiebundesgerichtlicheRechtsprechungstelltfaktischabernichtaufdie individuellenEigenschaftendesGrundeigentümersab,sondernnuraufdieIndividualitätdesGrundstücks.SodurftesichdieKraftwerkeOberhas-liaufeinschutzwürdigesInteresseanderNutzungvonRauchquarzkristallenineinerKluftunterbzw.damitebeninihremGrundstückberufen,auchwenndieAusbeutungvonMineraliennichtzuihremKerngeschäftgehört.29ObderGrundeigentümereinschutzwürdigesInteressehat,seinEigentumbisineinebestimmteTiefeauszunutzen,entscheidetsichnichtnachdergegenwärti-genwirtschaftlichenTätigkeitdesEigentümers,sonderndanach,oberdenbetreffenden Raum überhaupt beherrschen und daran aus dem EigentumfliessendeNutzungsbefugnisseausübenkann.AuchinanderenEntscheidenhatsichdasBundesgerichtnichtandenwirtschaftlichenMöglichkeitendesansprechenden Grundeigentümers orientiert, sondern abstrakt festgestellt,wasaufdemGrundstückrealisierbarist.
25 meier-hayoZ,(Fn.8),Art.667ZGBN.9;BGE132III353=Pra2007Nr.18:«DarüberhinauswirddievertikaleAusdehnungdesGrundeigentumsdurchdasInteressebestimmt,dasdieAusübungdesEigentumsrechtsmitsichbringt.»
26 meier-hayoZ(Fn.8),Art.667ZGBN.8.27 SodieUmschreibunginBGer5A_639/2010vom7.März2011;BGer1C_27/2009vom17.September2009.28 SodieebenzitiertebundesgerichtlicheDefinition.29 BGE100IV155.
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5. Der Einzelfall …
ObdasGrundstückeinAusübungsinteressezulässt,wirdstrengvonFallzu Fall beurteilt. Das Bundesgericht hat in BGE 132 III 353 abgelehnt, dieEntfernungvonabgespanntenErdankernanzuordnen,obwohlspätereBau-werkemitdiesenAnkerninKonfliktgeratenkönnten.ZwarseitechnischundwirtschaftlichgeseheneinAushub indieTiefederAnkermöglich,aberesbestehekeinkonkretesoderpräzisesBauprojekt.Zudemwäreeinunterirdi-scherAusbauauchausserhalbderEinflusszonederstrittigenAnkermöglich.SodannsprechendieBeschaffenheitderBauteaufdembetroffenenGrund-stück, öffentlich-rechtliche Bau- und Umweltvorschriften sowie Parkplatz-richtlinienderGemeinde«eher»gegeneinenunterirdischenAusbau;diesersei«nichtsinnvoll»oder«wenigrealistisch».DerEntscheid«atmet»geradezudieErmessensausübung.IneinemanderenUrteil2011(5A_639/2010,Urteilvom7.März2011)hatdasBundesgerichtdieEntfernungvonAnkernange-ordnet:DieEigentümerdesbeanspruchtenGrundstücksverfügtenübereinerechtskräftigeBaubewilligung,welchemdieAnkerindieQueregekommenwären.DasgeplanteProjektresp.diedamitverbundeneAusnutzungindenHanglagenseiortsüblich.ZwarseidasProjekttechnischschwierig,aberrea-lisierbar.DieWirtschaftlichkeitzuprüfenhatdasBundesgerichtjedochabge-lehnt,auchdieVorinstanzseidazunichtgehaltengewesen.
InderNähevonwenigenMeternzurErdoberflächestellensichdamitregelmässig wenig Abgrenzungsfragen. Im Entscheid BGE 122 II 246 hatdasBundesgericht–ohneeinWortdarüberzuverlieren–GrundeigentumineineTiefevon3.5bis4mangenommen.30SoweitnachheutigentechnischenMassgabenundnachMassgabederRechtsordnungeineInanspruchnahmetechnischmöglich, aber auch insgesamt realistisch, ist, dürftedieSchutz-würdigkeit des Ausübungsinteresses zu bejahen sein. Allerdings wurde inBGer1C_27/2009vom17.September2009beilandwirtschaftlichgenutztemBodendasAusübungsinteresseineinerTiefevon5mverneint.
Sobald die Ausübung unter wenigen Metern liegt, ist die vorgängigeBeurteilung schwierig, und die Gerichte nehmen eine umfassende Bewer-tungder Interessenvor,wobeidieGewichtung fürdenLesernicht immerschlüssigoder vergleichbar ist: Es entscheidetderEinzelfall. ImEntscheidBGer5A_639/2010vom7.März2011hatdasBundesgericht–nachgründ-licherKlärungderkonkretenVerhältnisse–ineinerTiefevon8mresp.15m
30 DieunterirdischeNutzungdesGrundstückswäredurchdiebaulicheNutzungnichtbegrenztgewesen;we-gendesTunnelbauswardieunterirdischeNutzungaufeineinzigesUntergeschossbegrenzt.
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einAusübungsinteressebejaht;31inBGE132III353wurdeesineinerTiefevon20mbis40mTiefeverneint.
6. Das künftige Interesse
AucheinzukünftigesInteressekanneinschutzwürdigesInteressesein,wennseineRealisierungnachdemgewöhnlichenLaufderDingeinabseh-barerZukunftwahrscheinlich ist.32Soweit rechtlicheRegelndem Interesseentgegenstehen,musseineÄnderungderRechtslagemithoherWahrschein-lichkeitzuerwartensein,umeinkünftigesInteressebejahenzukönnen;dieblosseMöglichkeitgenügtnicht.
7. Die Anwartschaft
ImGegensatzzumzukünftigenInteressestehtdieAnwartschaft:AlleindieMöglichkeit,dasstechnischeEntwicklungenirgendeinmaleinkonkretesInteressemöglichmachenwürden,istnichtbeachtlich.DasBundesgerichthat inBGE119 Ia390 ff. dieAuffassungausdrücklichverworfen,wonachGrundeigentumgrundsätzlichbisintiefsteLagenmöglichsei,unddassfak-tischeineAnwartschaftdesGrundeigentümersaufkünftigmöglicheNutzun-genbesteht.
8. Die Rückwirkung
Das Interessewirktnichtzurück.Wer imUntergrundgebauthat,weildas Eigentum nach den Kriterien im Zeitpunkt des Baus so weit hinunternichtreichte,mussnichtbefürchten,dassdasBauwerkplötzlichinsEigen-tumdesoberirdischenEigentümersgerät,weildietechnischeEntwicklungmitderZeitdenBodenweiterhinunterbeherrschbarmacht.MassgeblichistderZeitpunkt,inwelchemderUntergrunddamalsrechtmässigundohneVer-
31 EswurdenunterirdischeAnkerinTiefenvon6m,8m,11.2mund15mgesetzt.AusdemEntscheidistabernichtersichtlich,inwelcherTiefedieinsEigentumsrechtdesNachbarnragendenAnkertatsächlichlagen;dieVorinstanzhatteeinAusübungsinteressebis indieTiefevon22.4bzw.23.5mangenommen.DadieGrundstückeineinerHanglageliegen,gebendiekonkretenTiefenm.E.keineverallgemeinerungsfähigenHinweise.
32 BGE132III689,699;BGE132III353E.2.1;BGE100IV155E.2.
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letzungdesEigentumsrechtsdesGrundeigentümersinAnspruchgenommenwordenist.33
ImEntscheidBGer1C_27/2009vom17.September2009gingesumeineEnteignungsentschädigung:seitungefähr1897unterquertderZimmer-bergtunneleinGrundstück,ohnedafürdurcheineDienstbarkeitberechtigtzusein.DieheutigeGrundeigentümerinkonntedeshalbnichtsobauenwiesiegewollthätte,undverlangteeineEntschädigungfürdieBeeinträchtigung,resp.dieentschädigungspflichtigeErrichtungeinerTunneldienstbarkeit.DasBundesgericht hat lapidar festgestellt, dass die fragliche Parzelle bis Mittedes letzten Jahrhunderts landwirtschaftlich, als Baumgarten und Rebland,genutztwordensei.DasAusübungsinteresseseideshalb imZeitpunktdesTunnelbaus zwischen 1894 und 1897 nicht bis zum Tunnelscheitel gegan-gen,womitderTunnelausserhalbdesPrivateigentumserrichtetwordensei.UnddassdeshalbbeimBaudesTunnelseineDienstbarkeit resp.eineent-sprechende Enteignung nicht nötig gewesen sei. Das AusübungsinteressereichtedamalsbiszurWurzelspitze,mitnochetwasPlatzalsGrundlagefürdieWurzeln.DarunterdurftederStaat(incasuderBund,alsInhabereinesEisenbahninfrastruktur-undBetriebsmonopols)Konzessionenvergeben,waserfürdenBahnlinienbauunddamitauchdenTunnelbaugemachthatte.
ZwarmagsichdasAusdehnungsinteressedesGrundeigentümersinver-tikalerHinsichtimLaufederJahreveränderthaben,dasichauchdietech-nischenMöglichkeitenfürdieNutzungdesUntergrundsverbesserthaben.DasändertindesnichtsanderTatsache,dassderTunnelindiesemZeitpunktbereitsrechtmässigundohnedieNotwendigkeitderDurchführungeinesfor-mellenEnteignungsverfahrenserrichtetwordenwar.DieGrundeigentümerinkonntedeshalbimBereichdesTunnelskeinEigentumgeltendmachen.
DieFragenacheinerEntschädigungkönntesichdannstellen,wennderBetrieb im Tunnel ganz andere und merkbare Dimensionen angenommenhätte,alsimZeitpunktderInanspruchnahmedesBodensresp.desEnteig-nungsverfahrensangenommenwerdenmusste.DerTunnelbetriebhabeaberinden letztenJahrennichtsmit sichgebracht,wasalsunvorhersehbar zuwertensei.
VornachträglichenForderungenbrauchtderEignereineseinstrechtenserstelltenBauwerksimUntergrundalsokeineAngstzuhaben.
33 BGer1C_27/2009vom17.September2009.
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9. Beweislast
DieBeweislast fürdenNachweisdesschutzwürdigen Interesses trägtderGrundeigentümer.Ermussbeweisen,dassereinschutzwürdigesInte-resseanderAusübungseinerEigentumsrechteinderTiefehat,ermussdenNachweisfürdenUmfangseinesEigentumsrechtserbringen;undnichtderDritte,dassdasEigentumsrechtnichtbesteht.34DieseBeweislastverteilungistauchunterdemGesichtspunktderBeweisbarkeitnaheliegender;derEi-gentümerkanneinfacherdenBeweiserbringen,dassseinInteressebesteht,alsderDrittedenNachweis,dasskeinAusübungsinteressevorhanden ist.DerEigentümerkenntdieArtundEigenschaftenseinesGrundstücksunddieinabsehbarerZeitgeplanteNutzung.
VI. Herrschaft unter dem Boden
1. Kantonale Gesetzgebungshoheit im Untergrund
Für jenen Teil des Erdreichs, welcher unterhalb des Grundeigentumsliegt,alsofürdenUntergrundgemässvorstehenderTerminologie,enthältdasZGBkeineRegelungen.
ZwarstelltdasZGBherrenloseundöffentlicheSachenunterdieHoheitdesKantons,indessenGebietsiesichbefinden(Art.664Abs.1ZGB).35AberdassderUntergrundherrenlosoderöffentlichsei, sagtdasGesetzgeradenicht.AuchausArt.664Abs.2ZGB lässt sich fürdenUntergrundnichtsableiten.DieBestimmungsagtallein,dassöffentlicheGewässerunddasderKulturnichtfähigeLandnichtprivatrechtsfähigsind(Art.664Abs.2ZGB).
Das Bundesgericht hat in BGE 119 Ia 390 ff. die VerfügungsbefugnisüberdenGrundunterdemEigentumdemKantonzugewiesen,indessenGe-bietsichderfraglicheUntergrundbefindet,entsprechenddemGrundgedan-kenvonArt.664ZGB.DerUntergrundunterstehtdamitderkantonalenGe-setzgebungshoheit,undzwardemöffentlichenRechtderKantone.SchrankedieserGesetzgebungshoheitistnunaberwiederumdasBundesrecht;durchBundesrechtbegründeteprivateRechtedürfendurchdiekantonaleLegiferie-
34 BGE132III689;maTZKe(Fn.19),S.241;a.A.meier-hayoZ(Fn.8),Art.767ZGBN.11.35 Dazuschmid/hürlimann(Fn.23),N.815ff.,mitweiterführendenLiteraturangaben.Art.664ZGBisteinun-
echterVorbehaltzuGunstendeskantonalenRechts;dieHoheitdesKantonsergibtsichbereitsausderge-wöhnlichenKompetenzverteilungzwischenBundundKantonen.
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rungnichtbeeinträchtigtwerden.UndnatürlichgehenauchandereBestim-mungendesBundesrechtsdemkantonalenRechtvor.36
Vereinfacht kann also gesagt werden: Alles was unterhalb des Aus-übungsinteressesdesGrundeigentümers liegt,wirdvomkantonalenRechtbeherrschtundreguliert,allerdingsnursoweit,alskeineBundeskompetenzbesteht.
2. Normen im Untergrund
SoweitdasGrundeigentumnachuntenreicht,stehtdieGesetzgebungs-kompetenz auf jeden Fall dem Bund zu, welcher sie mit dem Erlass desZGBausgeübthat,unddiesenBereichdesunterirdischenBodensebenzuGrundeigentumgemachthat.Daruntergibteswenigebundesrechtlichepri-vatrechtlicheBestimmungenüberdieBergwerke37unddasWasserrecht,ineinzelnenKantonenkantonalrechtlicheprivatrechtlicheBestimmungenüberdasBergregal38,wenigeöffentlich-rechtlicheBestimmungendesBundesz.B.zum Thema Gewässerschutz39, oder im Zusammenhang mit geologischenTiefenlagern40,unddannöffentlich-rechtlicheBestimmungenderKantone.41AufkantonalerEbeneistdieVerfügungsgewaltüberdenUntergrundhäufignurmarginalundfüreinzelneRessourcengeregelt.42ZudenRegelungenimUntergrundgehöreninsbesonderekantonaleBestimmungenüberdieBerg-
36 Dazuschmid/hürlimann(Fn.23),N.826.37 DieTragweitevonArt.655Abs.3ZGBundArt.943Ziff.3ZGBbeschränktsichdarauf,dassBergwerke(resp.
die Bergbauberechtigung – heinZ rey, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 3. Aufl.,Bern2007,N.1053)denBestimmungenüberdasGrundeigentumunterstehen;dasZGBhatkeineidgenös-sischesBergrechtgebildet(meier-hayoZ[Fn.8],Art.655ZGBN.56).
38 DasBergregalisteinhistorischesMonopolrechtderKantone.Art.94Abs.4BVbehältdenKantonendieHoheitüberdieGewinnungvonBodenschätzenwiefossilenBrenn-bzw.Kohlewasserstoffen,Metallen,Er-zen,Edelsteinenusw.vor.EsistSachederKantonezubestimmen,obderBergbaudemStaatzusteht(Berg-regal)oderBestandteildesGrundeigentumsist(meier-hayoZ[Fn.8],Art.655ZGBN.56).DiemeistenKanto-nehabendenBergbauzumGegenstanddesRegalsgemacht.
39 ImBereichdernutzbarenGrundwasservorkommenregeltdasGewässerschutzrechtdienachhaltigeNutzungdesGrundwasservorkommens;vgl.Bundesgesetzvom24.Januar1991überdenSchutzderGewässer(Ge-wässerschutzgesetz,GSchG;SR814.20).
40 ZurSicherungderNutzungdesUntergrundesbeigeologischenTiefenlagernenthältdasKernenergiegesetzinArt.40eineBestimmungzumSchutzbereichundeineBestimmunginArt.41zurVerwendungdererdwis-senschaftlichenDaten.
41 Vgl.dazudieguteundkurzeEinführungin«DieNutzungdesgeologischenUntergrundsinderSchweiz–EmpfehlungendesSchweizerGeologenverbandsCHGEOLzurHarmonisierungvonVerfügungshoheit,Sach-herrschaftundNutzungsvorschriften».
42 rey(Fn.36),N.179;ErläuterungenzumGesetzüberdieNutzungdesUntergrundes,N.6.
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gesetzgebung,dasGrundwasserrecht,denGewässerschutzundineinzelnenKantonen–eben–überdieNutzungdesUntergrundes.43
3. Normen über dem Untergrund
ImUntergrundherrschtalsoderKanton.Füralles,wasüberdemUn-tergrund–alsoinnerhalbdesAusübungsinteresses–liegt,giltArt.641ZGB:WerEigentümereinerSacheist,kannindenSchrankenderRechtsordnungübersienachseinemBeliebenverfügen(Art.641ZGB).DieSchrankensindallerdingsderartzahlreich,dassdas«nachseinemBelieben»eineerheblicheingeschränkte Bedeutung hat. Die Schranken sind privatrechtlicher Na-tur und öffentlich-rechtlicher Natur. Und die Schranken bestehen im Bun-desrecht und im kantonalen Recht.44 Öffentlichrechtliche bundesrechtlicheBeschränkungenfindensichz.B. indenBundesgesetzenüberdenHeimat-schutz45,dieEnteignung46oderdieRaumplanung47.Öffentlichrechtlichekan-tonaleBestimmungensindetwabaupolizeilicheVorschriftenoderfeuerpoli-zeilicheVorschriften48wieauchdieübrigenVorschriftenderkantonalenundkommunalenBau-undNutzungsordnungen,welchediemöglicheNutzungdesGrundeigentumsbestimmen.
4. Beschränkung des Grundeigentums durch kantonale Bestimmungen über die Nutzung des Untergrundes?
DarananschliessenddieFragenachderBeschränkungdesGrundeigen-tumsdurchkantonaleBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrundes:Esistunbestritten,dassBestimmungendeskantonalenöffentlichenRechtsdasGrundeigentumbeschränken,soweitesdieoberirdischeEigentumsaus-übungbetrifft,undauchunterirdisch.ZudenkenistgeradeanBauvorschrif-ten;siegeltenauchfürBautenunterdemBoden.Esistdeshalbnaheliegend,denkantonalenBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrundeseinever-gleichbare,alsodasEigentumbeschränkende,Wirkungzuzugestehen:Das
43 Vgl.Fn.14,15.44 Dazuschmid/hürlimann(Fn.23),N.919ff.45 Bundesgesetzvom1.Juli1966überdenNatur-undHeimatschutz(NHG;SR451).46 Bundesgesetzvom20.Juni1930überdieEnteignung(EntG;SR711).47 Bundesgesetzvom22.Juni1979überdieRaumplanung(Raumplanungsgesetz,RPG;SR700).48 schmid/hürlimann(Fn.23),N.922.
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AusübungsinteressebestehtimmernurimRahmenderRechtsordnung.49Be-stimmungenüberdieNutzungdesUntergrundeskönnendemnachdazufüh-ren,dassdasAusübungsinteressenichtsoweitreicht,wieesreichenwürde,wenneskeinekantonalenBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrun-desgäbe.Ichgehedeshalbdavonaus,dassdieGesetzgebungderKantoneüberdieNutzungdesUntergrundesdurchausfähigist,dasAusübungsinte-resseunddamitdenUmfangdesGrundeigentumszubeeinflussen.SchrankeistaufjedenFalldieEigentumsgarantie.
5. Zur sachenrechtlichen Qualifikation des Untergrundes
WiederUntergrundsachenrechtlichzuqualifizierenist,hatBundesge-richtbisanhinkonstantoffengelassen;50nachmeinemVerständniskannvonEigentumebengeradenichtdieRedesein,dadasZGBdefiniert,wasGe-genstanddesGrundeigentumsseinkann,undderUntergrundunterhalbdesAusübungsinteressesebengeradenichtEigentumist,aufjedenFallnichtEi-gentumimzivilrechtlichenSinn.DieBeantwortungderFragescheintprimärnichtvongrundlegenderBedeutungzusein,weildieumfassendeNormset-zungskompetenzanderSachedazuführt,dassdemStaatdasEigentums-rechtanderSachegarnichtmehrRechteeinbringenkönnte,alseraufgrundderNormsetzungskompetenzohnehinschonhat.51
Indes hat die Qualifikation eben doch Bedeutung, insbesonde-re bei der Beurteilung haftungsrechtlicher Fragen, was sich anhandBGE119 Ib334ff.verdeutlichen lässt:BeimBaueinesSondierstollens fürdenRawyl-AutobahntunnelwurdeoffenbareinunterirdischesWasserreser-voirangezapftundentleert.DadurchverlorderUntergrundunterder1.5kmentferntgelegenenStaumauervonZeuzierseineFestigkeit,waszuRisseninderStaumauerführte.BauherrdesSondierstollenswarderKantonWallisge-wesen.AufgrundderBeschreibungenimUrteilistdavonauszugehen,dassderStollentiefimUntergrundlag,aufjedenFallausserhalbdesAusübungs-interessesdesEigentümersderStaumauer;dieStaumauerwarzudemho-rizontal 1.5 km entfernt. Das Bundesgericht hat die Haftung des KantonsWallisgestütztaufArt.685ZGBbejaht–eshatalsoeineBestimmungdesNachbarrechtsbeigezogen,welche Grundeigentum im zivilrechtlichen Sinne
49 StattvielerBGE132III353=Pra2007Nr.18:«IndieserHinsichtistderLageundderArtdesGrundstücks,dergeplantenVerwendung,sowiedenHindernissentechnischeroderrechtlicherArtRechnungzutragen».
50 SoinBGE119Ia399;1C_27/2009E.2.4i.f.51 meier-hayoZ(Fn.8),Art.664ZGBN.21ff.
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voraussetzt. Das Bundesgericht stellte nicht auf die BauherreneigenschaftdesKantonsab,sondernaufdieEigentümerstellung.DerKantonWallismussnachdiesemEntscheidprivatrechtlichverantwortlicherEigentümerdesUn-tergrundesimWallissein.
ZudemliessdasGerichtdenEinwandnichtgelten,dassdieStaumaueraufrelativunstabilemGrundstand.BeiAnwendungvonArt.685ZGBgenies-senEigentümereinerbereitsbestehendenBauteeinPrivileg:SiekönnensichgegenüberallenBauarbeiten,welche ihrEigentumschädigenwürden, aufseineAbwehrfunktionberufen.DerBauendehatdafürzusorgen,dassdienatürliche Stabilität des Bodens nicht beeinträchtigt wird. Das Gericht hatArt.685ZGBalsomitallenseinenKonsequenzenangewendet.
DieTragweitedieserRechtsprechungwäreenorm,wenndasBundes-gerichtsieaufrechterhaltenwürde:SieführtzunichtsanderemalszueinerKausalhaftungdesKantonsfüralleSchädigungenanbestehendenBautenalsFolgevonBauarbeitenimUntergrund–unabhängigdavon,oberalsBauherrauftrittodereinDritterBauherr ist.DiesePrognoseistallerdingsvorsichtigzugeniessen,dennnachmeinemVerständnisgehtdasUrteilvonfalschenPrämissenaus,undeinenvergleichbarenEntscheidhates–soweitersicht-lich–seithernichtgegeben.
ZudembliebewahrscheinlichauchderEinwanddesKantonsmöglich,z.B.einKonzessionsnehmer,welchereinenSchadenverursacht,hafteallein;immerhinhatdasBundesgerichtinBGE132III689dieStadtLausannealsGrundeigentümerinentlastetunddieVerantwortungfüreineStörungdesun-terirdischenEigentumsdesNachbarnalleinbeimBaurechtsnehmergesehen,welcherdieAnkerindasEigentumdesNachbarnversenkthatte;allerdingsunterderVoraussetzung,dassderGrundeigentümerkeinenEinflussaufdieArtundWeisehat,wiederBauberechtigtedietatsächlicheHerrschaftaus-übt.AnalogwäreauchdieÜbertragungderHaftungfürArbeitenimUnter-grundalleinaufdenKonzessionsnehmermöglich.
VII. Zur Notwendigkeit eines neuen Eigentumsbegriffes
EswirdverschiedentlichdieAuffassungvertreten,esmüsseeinneuerEigentumsbegriff geschaffen werden, welcher die heute bestehende Unsi-cherheitbezüglichAusdehnungdesGrundeigentumsnachuntenbeseitige,indemz.B.festeGrössenbestimmtwerden,wieweitnachuntendasEigen-tumreicht.HeutereichedasPrivateigentumzuweitnachunten,dievermehr-teNutzungdesUntergrundeswürdevermehrtzuForderungenvonEntschä-
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digungenführen.52SoweitnachuntenreichtdasEigentumnunabergeradenicht. Zudem führen feste Grössen nach meinem Verständnis zu keinendauerhaftenLösungen.DassesheutezuKonfliktenimUntergrundkommt,weilbeispielsweiseeinbereitsvoneinemTunnelodervonErdsondenbean-spruchterPlatzfüreineandereBauteimUntergrundbenötigtwürde,hatmitdemEigentumsbegriffnichtszutun,sondernmitderPlanung.SolcheKon-flikte lassensichnichtvermeiden,aberauchoberirdischnicht.DieheutigeRegelunghatsichbewährt,sieträgtdenInteressendesEigentümersunddesGemeinwesensgutRechnung.DieKantonehättenansichgenügendKompe-tenzenundMöglichkeiten,dieNutzungdesUntergrundeszuregeln.ObdieKompetenzdemBundübertragenwerdenmüsste,kannnatürlichdiskutiertwerden.EbensodieFrage,obdieRolledesBundesgestärktwerdenmuss.53DasistfürmichnunaberehereineFragedesstaatspolitischenVerständnis-ses,alssachlichzwingend.RegelungendesBundessindnichtzwingendbes-seralsjenederKantone.Zudemistauchnichtersichtlich,dassdieRegelungderNutzungimUntergrundbundesweiteinheitlichgeregeltwerdenmüsste.
VIII. Fazit
DasErdreich ist in zweiHerrschaftsbereiche aufgeteilt:Der obereTeildesErdreichsgehörtzumEigentumderdarüber liegendenParzelleaufderErdoberfläche.EsgeltendieBestimmungenüberdasGrundeigentum,mitallenSchranken,welchedieRechtsordnungfürdiesesbereithält.DeruntereTeil,UntergrundodertieferUntergrundgenannt,stehtunterderHerrschaftderKantone,soweitnichtderBundaufgrundeinerBundeskompetenzinei-nemSpezialgebietBestimmungenerlassenhat.DieKantonehabenbisanhininsehrunterschiedlicherDichte,undehermarginal,dieRechtslageimUn-tergrundgeregelt.DieAbgrenzungzwischendemGrundeigentumunddemUntergrundistrelativ,undistbestimmtdurchdasAusübungsinteressedesEigentümersderParzelleaufdemErdboden:Eigentumreicht soweit,wieseinAusübungsinteresse.DieseLösungschaffteinedifferenzierteAbgren-zungzwischendenInteressendesGrundeigentümersgegenüberbenachbar-tenGrundeigentümernundgegenüberderöffentlichenHand.
52 CHGEOL,KoordinationderNutzungdesUntergrundes,S.3.53 CHGEOL,EmpfehlungendesSchweizerGeologenverbandsCHGEOLzurHarmonisierungvonVerfügungsho-
heit,SachherrschaftundNutzungsvorschriften,S.30.