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URP / DEP 5 | 2014 Tagung | Séminaire 354 Inhalt Résumé 355 Zusammenfassung 355 I. Einleitung 356 II. Umfang des Grundeigentums in horizontaler Sicht 357 III. Umfang des Grundeigentums in vertikaler Sicht 358 IV. Zum Begriff des Untergrundes 359 V. Zur Abgrenzung des Grundeigentums vom Untergrund 359 1. Allgemein 359 2. Das positive und das negative Interesse 360 3. Die Schutzwürdigkeit des Interesses 360 4. Das individuelle Interesse 361 5. Der Einzelfall … 362 6. Das künftige Interesse 363 7. Die Anwartschaft 363 8. Die Rückwirkung 363 9. Beweislast 365 VI. Herrschaft unter dem Boden 365 1. Kantonale Gesetzgebungshoheit im Untergrund 365 2. Normen im Untergrund 366 3. Normen über dem Untergrund 367 4. Beschränkung des Grundeigentums durch kantonale Bestimmungen über die Nutzung des Untergrundes? 367 5. Zur sachenrechtlichen Qualifikation des Untergrundes 368 Wem gehört der Untergrund? THOMAS ENDER, Dr. iur., Rechtsanwalt, Urkundsperson im Kanton Aargau, Fach- anwalt SAV Bau- und Immobilienrecht, Baur Hürlimann AG, Baden und Zürich

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354

Inhalt

Résumé 355

Zusammenfassung 355

I. Einleitung 356

II. UmfangdesGrundeigentumsinhorizontalerSicht 357

III. UmfangdesGrundeigentumsinvertikalerSicht 358

IV. ZumBegriffdesUntergrundes 359

V. ZurAbgrenzungdesGrundeigentumsvomUntergrund 3591. Allgemein 3592. DaspositiveunddasnegativeInteresse 3603. DieSchutzwürdigkeitdesInteresses 3604. DasindividuelleInteresse 3615. DerEinzelfall… 3626. DaskünftigeInteresse 3637. DieAnwartschaft 3638. DieRückwirkung 3639. Beweislast 365

VI. HerrschaftunterdemBoden 3651. KantonaleGesetzgebungshoheitimUntergrund 3652. NormenimUntergrund 3663. NormenüberdemUntergrund 3674. BeschränkungdesGrundeigentumsdurchkantonaleBestimmungen

überdieNutzungdesUntergrundes? 3675. ZursachenrechtlichenQualifikationdesUntergrundes 368

Wem gehört der Untergrund?

Thomas EndEr,Dr.iur.,Rechtsanwalt,UrkundspersonimKantonAargau,Fach-anwaltSAVBau-undImmobilienrecht,BaurHürlimannAG,BadenundZürich

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Résumé

Lapropriétéfoncières’étenddanstoutelaprofondeurutileàl’exercicedudroitdepropriété.Cetintérêtàl’exercicedudroitdepropriétédoitêtredignedeprotection;lefaitdesavoirsicetintérêtestdignedeprotectionestdéterminédanslecasparticulier,étantpréciséqueladoctrineetlajurispru-denceontdéveloppédenombreuxcritères.Le jugedisposetoutefoisd’unlargepouvoird’appréciationpourjugersil’intérêtàl’exercicedelapropriétéestdignedeprotection.Cettedélimitationdelapropriétévautaussibienparrapportauxpropriétairesfonciersvoisinsque«verslebas»,endirectiondusous-sol;enprincipe,elletientsuffisammentcomptedesintérêtsdesperson-nesconcernéesetafaitsespreuves.Ledroitdepropriétéexisteégalementau-dessousdusol,dansleslimitesdel’ordrejuridique.Enmatièredesous-sol,soitau-dessousdelapropriétéfoncière, lecantondisposed’unecom-pétencenormativeexhaustive,danslamesureoùlaConfédérationn’estpashabilitéeàréglementerenvertud’unecompétenceindividuelle.Laquestiondel’assujettissementauxdroitsréelsdusous-soln’apasétérésoluejusqu’àcejour.Laplupartdescantonsontexercéleurscompétencesenmatièredesous-soldemanièremarginalejusqu’ici.Leursdispositionssurl’utilisationdusous-solontlepotentield’influencerl’intérêtàl’exercicedudroitdepropriétédupropriétaireterrien,etparconséquentaussil’étenduedesapropriété.

Zusammenfassung

DasEigentumanderErdoberflächereichtsoweitindenBoden,alseinAusübungsinteresse des Eigentümers besteht. Dieses Ausübungsinteressemussschutzwürdigsein;obdieseSchutzwürdigkeitvorliegt,wirdimEinzelfallbestimmt,wobeiLehreundRechtsprechungzahlreicheKriterienentwickelthaben.DasErmessendesRichtersbeiderBeurteilungderSchutzwürdigkeitdieses Interesses bleibt aber gross. Diese Abgrenzung des Eigentums giltsowohlgegenüberdenbenachbartenGrundeigentümern,wieauch«nachun-ten»,gegenüberdemUntergrund;sieträgtdenInteressenderBetroffenenin

VII. ZurNotwendigkeiteinesneuenEigentumsbegriffes 369

VIII. Fazit 370

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derRegelangemessenRechnungundhatsichbewährt.DasEigentumsrechtbestehtauchunterdemBodenalleinindenSchrankenderRechtsordnung.ImUntergrund,alsounterdemGrundeigentum, istderKantonumfassendregelungskompetent,soweitnichtderBundaufgrundeinerEinzelkompetenzbefugt ist.DiesachenrechtlicheZuordnungdesUntergrundesistbisheuteungeklärt.DiemeistenKantonehabenihreKompetenzenimUntergrundbisanhinehermarginalwahrgenommen.IhreBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrundeshabendasPotential,dasAusübungsinteressedesoberir-dischenGrundeigentümers,unddamitauchdenUmfangseinesEigentums,zubeeinflussen.

I. Einleitung

DerTiteldiesesBeitragsistwenigjuristisch;wasvorallemdaranliegt,dass «gehören» viel bedeuten kann.1 Er entspricht dem Titel des entspre-chendenReferatesanlässlichderJahrestagungderVURvom26.Juni2014.MeinBeitragerhebtnichtdenAnspruch,dieRechtslageunterdemBodenumfassendzuerfassen,sondernversuchtprimär,dieAbgrenzungzwischenprivatemEigentumundöffentlichemGrundunterdemBodendarzustellen.Ichhabezudemdaraufverzichtet,jedeRechtsquelleinLehreundRechtspre-chungzumThemazukonsultierenundzudiskutieren.

«Gehören»kannverstandenwerdenalsAusdruckvonEigentumoderBe-sitz,alsNutzungsberechtigungoderalsPlanungsberechtigung.2

Eigentümeristjener,welcherdierechtlicheGewaltübereineSachehat,resp.beiGrundstückenimGrundbucheingetragenist.Besitzer ist,werdietatsächliche Gewalt über die Sache hat, also beispielsweise – neben demEigentümer–aucheinMieter,PächteroderKonzessionsinhaber.EigentumoderBesitzistdurchBundesprivatrechtbestimmt.

NutzungsrechtewerdendurchdasöffentlicheRechtbestimmt;siebe-stehen in den Schranken der Rechtsordnung (z.B. Bau- und Nutzungsord-nungen),oderwerdenverliehendurchKonzessionoderdurchPolizeibewilli-gung.DieNutzungdesUntergrundesumfasstinsbesonderedieErforschungund Gewinnung von Bodenschätzen, die Geothermie, die Gasspeicherung(z.B. CO2-Sequestrierung, Wasserstoffspeicherung, Druckluftspeicherung).Auchgeologisch-geophysikalischeUntersuchungenwieGrabungen,Bohrun-

1 Vgl.dazuZweidler reinhard,am4thSwissGeoscienceMeeting,Bern2006.2 Vgl.dazuders.

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gen,seismischeUntersuchungensindmöglicheNutzungenamUntergrund(vgl.§2Mustergesetz).

DiePlanungsberechtigungresp.diePlanungshoheitliegtfürdieGrund-sätzederRaumplanungbeimBund,ausserhalbderRaumplanungaberbeidenKantonen,welche fürdiezweckmässigeundhaushälterischeNutzungdes Bodens und die geordnete Besiedlung des Landes zu sorgen haben(Art.75BV).3DiePlanungshoheitstehtjenemStaatskörperzu,demderUn-tergrundangehörtbzw.dessenBestandteilerbildet.DasAngehöreni.S.derPlanungs-undGesetzgebungshoheithatbegrifflichmitdemEigentumnichtszutun.FürdiePlanungshoheitistgeradenichtvorausgesetzt,dassderKan-tonEigentumüberdenentsprechendenUntergrundhat.Gleichzeitigvermit-teltdiePlanungs-undGesetzgebungshoheitansichnochkeinEigentum.

Dasallesklingtsehrselbstverständlich;dieDiskussionumdenUnter-grund und die darin herrschende Rechtslage zeigt aber, dass Begriffe oftnicht gleich verwendet werden, und dass daraus Missverständnisse resp.Konflikteentstehen.

II. Umfang des Grundeigentums in horizontaler Sicht

WemderBodenauf der Erdoberfläche gehört,istfastimmersehrgenaubestimmt: Dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer. Liegenschaften(gemässLegaldefinition inArt. 2Bst. aGBV4Bodenflächenmitgenügendbestimmten Grenzen5) werden als Grundstücke in das Grundbuch aufge-nommen(Art.943Abs.1Ziff.1ZGB6).AusnahmenbestehenallerdingsfürnichtimPrivateigentumstehendeunddemöffentlichenGebrauchdienendeGrundstücke(Art.944Abs.1ZGB);vondiesenAusnahmenabgesehengibtdieEinsicht insGrundbuchraschundzuverlässigAuskunftüberdieEigen-tumsverhältnisseaufdemBoden.

DiehorizontaleAusdehnungeinerLiegenschaftistbestimmtdurchdieindenGrundbuchpläneneingezeichnetenGrenzlinienunddurchdieAbgren-zungenaufdemGrundstückselber,d.h.durchdieamtlichenGrenzzeichen,auchVermarchunggenannt(Art.668Abs.1ZGB).7

3 Vgl.ders.4 Grundbuchverordnungvom23.September2011(SR211.432.1).5 Näheresbeischmid Jürg,inBaslerKommentar,ZivilgesetzbuchII,4.Aufl.,Basel2011,Art.943N.3.6 SchweizerischesZivilgesetzbuchvom10.Dezember1907(SR210).7 Näheres bei rey heinZ/Trebel lorenZ, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II, 4. Aufl., Basel 2011,

Art.668ZGBN.1.

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III. Umfang des Grundeigentums in vertikaler Sicht

InvertikalerSichterstrecktsichdasGrundeigentumindenHimmelundindasErdreich,soweit für die Ausübung ein Interesse besteht (Art.667ZGB).DieseLösungistimeuropäischenRaumoriginell.8DasGrundeigentumum-fasstdemnachdieLuftsäuleüberdemGrundstücknicht biszudenSternenoderindenHimmel,undauchdenBodennichtbisindiesagenhafteUnter-welt.9DemeidgenössischenRechtlagdieIdeedesräumlichunbegrenztenEigentumsandersalsineuropäischenRechtsordnungenniealsAusgangsla-gezugrunde,obwohlvorEinführungdesZivilgesetzbuchesdiemeistenkan-tonalenGesetzgebungenvondiesemVerständnisausgegangenwaren.10

DasGesetzverstehtdasGrundstückdamitnichtalsblosseFläche11,son-dernalseinennachobenunduntenbegrenztendreidimensionalenKörper.DieSeitengrenzendiesesKörperssindfest,dieobereunddieuntereGrenzesindvariabel,resp.individuellbestimmbar.12Sowohlnachobenwienachun-tenbildetdasAusübungsinteressedieGrundstücksgrenze.13PrivateigentumkanndemnachnichtweiternachuntenreichenalsdurchdasAusübungsin-teressebestimmt.

Diese Grenzziehungsfunktion des Ausübungsinteresses kommt aberauchdannzumTragen,wennanderErdoberflächeLandliegt,anwelchemnachArt.644Abs.2ZGB«keinPrivateigentum»besteht(z.B.öffentlicheGe-wässer,Felsen,Schutthalden),unddasdeshalbunterkantonalerHoheitsteht(soBGE119Ia398).

8 meier-hayoZ arThur,BernerKommentarzumSchweizerischenPrivatrecht,Bern1974,Art.667ZGBN.2;liver PeTer,SchweizerischesPrivatrechtSPR,Basel/Stuttgart1977,S.166;BGE119Ia398.

9 «Cuiusestsolumeiusestusqueadsidera,usqueadinferos»;«Quidominusestsolidominusestcoelietin-ferorum»:keinerömischenRechtssätze,sonderneinRechtsgedankederitalienischenRechtswissenschaftdesMittelalters:soliver(Fn.8),S.166.DieIdeedesräumlichunbegrenztenEigentumswargerichtetgegenherrschaftlicheBedrückungdurchfiskalischeBelastungvonBodennutzungen.

10 meier-hayoZ(Fn.8),Art.667ZGBN.2;liver(Fn.8),S.167:DieBegrenzungaufdasAusübungsinteresseistdembündnerischenCGBvon1862entnommen.

11 BGE132III353=Pra2007Nr.18.12 meier-hayoZ(Fn.8),Art.777ZGBN.7.13 Stattvielermeier-hayoZ(Fn.8),Art.667ZGBN.7ff.;liver(Fn.8),S.166ff.;rey heinZ/sTrebellorenZ (Fn.7),

Art.667ZGBN.3ff.

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IV. Zum Begriff des Untergrundes

MitderAbgrenzung,wieweitdasEigentumnachuntenreicht,istnichtsdarübergesagt,wemder«Untergrund»gehört.DafürmüsstezuerstderBe-griff«Untergrund»definiertwerden.Juristischisternichtdefiniert.ErtauchtzwarinverschiedenenErlassenauf(wiebspw.inArt.3Abs.2lit.aGSchV,Art.40Abs.1KEG14),aberohnedassernäherumschriebenwürde.DasMus-tergesetzderNordostschweizerKantoneüberdieNutzungdesUntergrundesdefiniertdenUntergrundalsjenenTeildesErdinnern,dernichtGegenstandderBundeszivilgesetzgebungbildet(§2Abs.1).15DasGesetzüberdieNut-zungdestiefenUntergrundsunddieGewinnungvonBodenschätzen(GNB)16desKantonsAargaubezeichnetdieErdtiefeausserhalbdesgemässPrivat-rechtgeschütztenEigentumsalstiefenUntergrund.17,18Eszeigtsichimmerwieder,dassdasunterschiedlicheVerständnisdesBegriffsdesUntergrundeszuMissverständnissenführt.ImFolgendenwirdderBegriffdesUntergrundsalsUmschreibungfürallesverwendet,wasunterhalbdesgemässPrivatrechtgeschütztenEigentumsliegt.19

V. Zur Abgrenzung des Grundeigentums vom Untergrund

1. Allgemein

DasEigentumreichtsoweit,wieeinAusübungsinteressebesteht.DieUmschreibungerfolgtinLehreundRechtsprechungindenDetailssehrun-einheitlich.Esmusssichumein«aufdieBeherrschungdesRaumesgerich-tetesNutzungsinteressehandeln,fürdasdietatsächlicheundrechtlicheBe-

14 Kernenergiegesetz(KEG)vom21.März2003(SR732.1).15 MustergesetzderNordostschweizerKantoneüberdieNutzungdesUntergrundes,§2Abs.1:«AlsUnter-

grundgiltjenerTeildesErdinnern,dernichtGegenstandderBundeszivilgesetzgebungbildet.»16 Gesetzvom19.Juni2012überdieNutzungdestiefenUntergrundsunddieGewinnungvonBodenschätzen

(GNB;SAR671.200).17 §2Abs.2:«UnterNutzungdestiefenUntergrundswerdenNutzungeninderErdtiefeausserhalbdesgemäss

PrivatrechtgeschütztenEigentumsverstanden.»18 DasaargauischeGesetzunddasMustergesetzstimmendamitwederimBegriffnochinderBegriffsdefiniti-

onüberein.19 Sohürlimann roland/ender Thomas,RechtaufdieUnterwelt,SI+A1997,S.1049ff.,S.1049;KnaPP blaise,

L’urbanismedusous-sol,BR/DC1987,S.28ff.,S.31;entsprechendalsodemBegriffdestiefenUntergrundsi.S.desGNB(AG)(Fn.15).

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herrschungsmöglichkeiterforderlichist»20.WobeidiesnureinevondiversenjeweilsähnlichenaberebennichtgenaugleichenDefinitionenist,derenUn-terschiedeimErgebnisnichtimmerersichtlichsind.Einigkeitbestehtindesdarin,dassdieAusübungdesInteressestechnischmöglichundrechtlichzu-lässigseinmuss.21

2. Das positive und das negative Interesse

DasAusübungsinteressekannsowohlpositivwienegativWirkungent-falten. Ein positives Interesse liegt dann vor, wenn der Eigentümer unterderErdoberflächeausdemEigentumsrechtfliessendeNutzungsbefugnisseausübenwill.DiesesInteressewirdauchAusübungs-oderBeherrschungsin-teressegenannt.DasnegativeInteresse,dassogenannteAbwehrinteresse,besteht darin, dass sich der Eigentümer gegen Tätigkeiten Dritter wehrenwill,welchesich fürdieNutzungseinerLiegenschaftnachteiligauswirkenkönnen.22VieleneuereGerichtsentscheidebetreffenalleindasnegativeInte-resse:OftgehtesumdieEntfernungvonAnkerndesNachbarnimeigenenGrund.23

3. Die Schutzwürdigkeit des Interesses

EsreichtnichtjedesmöglicheInteresse.DasAusübungsinteressemussschutzwürdigoderschützenswertsein,wasaufdasrichterlicheErmessenimkonkretenEinzelfallverweist.24

Die Umschreibungen enthalten viele unbestimmte Begriffe, resp. insrichterlicheErmessenreichendeBegriffe,diesichauchimmerwiederüber-schneiden.Das Interessemusskonkret sein;LageundBeschaffenheitderLiegenschaft sind massgeblich, die übungsgemässe Nutzung des Bodens,dienatürlichen,technischenundrechtlichenHindernisse,undzuguterLetzt

20 SomaTZKe luKas,ZweiEntscheidedesBundesgerichtszurvertikalenAusdehnungdesGrundeigentumsimUntergrund,recht2007,S.235ff.,S.237.

21 rey heinZ/sTrebellorenZ (Fn.7),Art.667ZGBN.6.22 meier-hayoZ (Fn.8),Art.667ZGBN.7;maTZKe (Fn.19),S.237;hürlimann/ender (Fn.18),S.1049;KnaPP

(Fn.18),S.30.BGE132III689E.4.2=Pra2007Nr.69,S.465,mitzahlreichenVerweisenaufLehreundRechtsprechung.

23 Z.B.BGE119I398;BGE132III353=Pra2007Nr.18;BGer5A_639/2010vom7.März2011.24 Stattvielerschmid Jörg/hürlimann-KauP beTTina,Sachenrecht,4.Aufl.,2012,N.886;meier-hayoZ (Fn.8),

Art.667ZGBN.7;rey heinZ/sTrebellorenZ (Fn.7),Art.667ZGBN.5.

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auchdieallgemeineVerkehrsauffassung. ImmermusseineBeziehungzwi-schendem InteresseunddemGrundeigentumbestehen.25VonvornhereinkeinAusübungsinteressebestehtdann,wenneinbestimmtesVerhaltenfürdenGrundeigentümernutzlosist,undnurdaraufabzielt,einenNachbarnzuschädigenoderdieBezahlungeinerEntschädigungzuerreichen.26

WiegrossdievertikaleAusdehnungdesEigentumsist, lässtsichdes-halbnichtinallgemeingültigerWeisefestlegen,sondern bestimmt sich von Fall zu Fall nach den konkreten Umständen und dem schutzwürdigen Interes-se des Eigentümers, diesen Raum selbst zu nutzen oder zu beherrschen und das Eindringen anderer abzuwehren.27

4. Das individuelle Interesse

Zwar wird wiederholt festgestellt, das Interesse werde individuell ver-standen.28DiebundesgerichtlicheRechtsprechungstelltfaktischabernichtaufdie individuellenEigenschaftendesGrundeigentümersab,sondernnuraufdieIndividualitätdesGrundstücks.SodurftesichdieKraftwerkeOberhas-liaufeinschutzwürdigesInteresseanderNutzungvonRauchquarzkristallenineinerKluftunterbzw.damitebeninihremGrundstückberufen,auchwenndieAusbeutungvonMineraliennichtzuihremKerngeschäftgehört.29ObderGrundeigentümereinschutzwürdigesInteressehat,seinEigentumbisineinebestimmteTiefeauszunutzen,entscheidetsichnichtnachdergegenwärti-genwirtschaftlichenTätigkeitdesEigentümers,sonderndanach,oberdenbetreffenden Raum überhaupt beherrschen und daran aus dem EigentumfliessendeNutzungsbefugnisseausübenkann.AuchinanderenEntscheidenhatsichdasBundesgerichtnichtandenwirtschaftlichenMöglichkeitendesansprechenden Grundeigentümers orientiert, sondern abstrakt festgestellt,wasaufdemGrundstückrealisierbarist.

25 meier-hayoZ,(Fn.8),Art.667ZGBN.9;BGE132III353=Pra2007Nr.18:«DarüberhinauswirddievertikaleAusdehnungdesGrundeigentumsdurchdasInteressebestimmt,dasdieAusübungdesEigentumsrechtsmitsichbringt.»

26 meier-hayoZ(Fn.8),Art.667ZGBN.8.27 SodieUmschreibunginBGer5A_639/2010vom7.März2011;BGer1C_27/2009vom17.September2009.28 SodieebenzitiertebundesgerichtlicheDefinition.29 BGE100IV155.

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5. Der Einzelfall …

ObdasGrundstückeinAusübungsinteressezulässt,wirdstrengvonFallzu Fall beurteilt. Das Bundesgericht hat in BGE 132 III 353 abgelehnt, dieEntfernungvonabgespanntenErdankernanzuordnen,obwohlspätereBau-werkemitdiesenAnkerninKonfliktgeratenkönnten.ZwarseitechnischundwirtschaftlichgeseheneinAushub indieTiefederAnkermöglich,aberesbestehekeinkonkretesoderpräzisesBauprojekt.Zudemwäreeinunterirdi-scherAusbauauchausserhalbderEinflusszonederstrittigenAnkermöglich.SodannsprechendieBeschaffenheitderBauteaufdembetroffenenGrund-stück, öffentlich-rechtliche Bau- und Umweltvorschriften sowie Parkplatz-richtlinienderGemeinde«eher»gegeneinenunterirdischenAusbau;diesersei«nichtsinnvoll»oder«wenigrealistisch».DerEntscheid«atmet»geradezudieErmessensausübung.IneinemanderenUrteil2011(5A_639/2010,Urteilvom7.März2011)hatdasBundesgerichtdieEntfernungvonAnkernange-ordnet:DieEigentümerdesbeanspruchtenGrundstücksverfügtenübereinerechtskräftigeBaubewilligung,welchemdieAnkerindieQueregekommenwären.DasgeplanteProjektresp.diedamitverbundeneAusnutzungindenHanglagenseiortsüblich.ZwarseidasProjekttechnischschwierig,aberrea-lisierbar.DieWirtschaftlichkeitzuprüfenhatdasBundesgerichtjedochabge-lehnt,auchdieVorinstanzseidazunichtgehaltengewesen.

InderNähevonwenigenMeternzurErdoberflächestellensichdamitregelmässig wenig Abgrenzungsfragen. Im Entscheid BGE 122 II 246 hatdasBundesgericht–ohneeinWortdarüberzuverlieren–GrundeigentumineineTiefevon3.5bis4mangenommen.30SoweitnachheutigentechnischenMassgabenundnachMassgabederRechtsordnungeineInanspruchnahmetechnischmöglich, aber auch insgesamt realistisch, ist, dürftedieSchutz-würdigkeit des Ausübungsinteresses zu bejahen sein. Allerdings wurde inBGer1C_27/2009vom17.September2009beilandwirtschaftlichgenutztemBodendasAusübungsinteresseineinerTiefevon5mverneint.

Sobald die Ausübung unter wenigen Metern liegt, ist die vorgängigeBeurteilung schwierig, und die Gerichte nehmen eine umfassende Bewer-tungder Interessenvor,wobeidieGewichtung fürdenLesernicht immerschlüssigoder vergleichbar ist: Es entscheidetderEinzelfall. ImEntscheidBGer5A_639/2010vom7.März2011hatdasBundesgericht–nachgründ-licherKlärungderkonkretenVerhältnisse–ineinerTiefevon8mresp.15m

30 DieunterirdischeNutzungdesGrundstückswäredurchdiebaulicheNutzungnichtbegrenztgewesen;we-gendesTunnelbauswardieunterirdischeNutzungaufeineinzigesUntergeschossbegrenzt.

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einAusübungsinteressebejaht;31inBGE132III353wurdeesineinerTiefevon20mbis40mTiefeverneint.

6. Das künftige Interesse

AucheinzukünftigesInteressekanneinschutzwürdigesInteressesein,wennseineRealisierungnachdemgewöhnlichenLaufderDingeinabseh-barerZukunftwahrscheinlich ist.32Soweit rechtlicheRegelndem Interesseentgegenstehen,musseineÄnderungderRechtslagemithoherWahrschein-lichkeitzuerwartensein,umeinkünftigesInteressebejahenzukönnen;dieblosseMöglichkeitgenügtnicht.

7. Die Anwartschaft

ImGegensatzzumzukünftigenInteressestehtdieAnwartschaft:AlleindieMöglichkeit,dasstechnischeEntwicklungenirgendeinmaleinkonkretesInteressemöglichmachenwürden,istnichtbeachtlich.DasBundesgerichthat inBGE119 Ia390 ff. dieAuffassungausdrücklichverworfen,wonachGrundeigentumgrundsätzlichbisintiefsteLagenmöglichsei,unddassfak-tischeineAnwartschaftdesGrundeigentümersaufkünftigmöglicheNutzun-genbesteht.

8. Die Rückwirkung

Das Interessewirktnichtzurück.Wer imUntergrundgebauthat,weildas Eigentum nach den Kriterien im Zeitpunkt des Baus so weit hinunternichtreichte,mussnichtbefürchten,dassdasBauwerkplötzlichinsEigen-tumdesoberirdischenEigentümersgerät,weildietechnischeEntwicklungmitderZeitdenBodenweiterhinunterbeherrschbarmacht.MassgeblichistderZeitpunkt,inwelchemderUntergrunddamalsrechtmässigundohneVer-

31 EswurdenunterirdischeAnkerinTiefenvon6m,8m,11.2mund15mgesetzt.AusdemEntscheidistabernichtersichtlich,inwelcherTiefedieinsEigentumsrechtdesNachbarnragendenAnkertatsächlichlagen;dieVorinstanzhatteeinAusübungsinteressebis indieTiefevon22.4bzw.23.5mangenommen.DadieGrundstückeineinerHanglageliegen,gebendiekonkretenTiefenm.E.keineverallgemeinerungsfähigenHinweise.

32 BGE132III689,699;BGE132III353E.2.1;BGE100IV155E.2.

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letzungdesEigentumsrechtsdesGrundeigentümersinAnspruchgenommenwordenist.33

ImEntscheidBGer1C_27/2009vom17.September2009gingesumeineEnteignungsentschädigung:seitungefähr1897unterquertderZimmer-bergtunneleinGrundstück,ohnedafürdurcheineDienstbarkeitberechtigtzusein.DieheutigeGrundeigentümerinkonntedeshalbnichtsobauenwiesiegewollthätte,undverlangteeineEntschädigungfürdieBeeinträchtigung,resp.dieentschädigungspflichtigeErrichtungeinerTunneldienstbarkeit.DasBundesgericht hat lapidar festgestellt, dass die fragliche Parzelle bis Mittedes letzten Jahrhunderts landwirtschaftlich, als Baumgarten und Rebland,genutztwordensei.DasAusübungsinteresseseideshalb imZeitpunktdesTunnelbaus zwischen 1894 und 1897 nicht bis zum Tunnelscheitel gegan-gen,womitderTunnelausserhalbdesPrivateigentumserrichtetwordensei.UnddassdeshalbbeimBaudesTunnelseineDienstbarkeit resp.eineent-sprechende Enteignung nicht nötig gewesen sei. Das AusübungsinteressereichtedamalsbiszurWurzelspitze,mitnochetwasPlatzalsGrundlagefürdieWurzeln.DarunterdurftederStaat(incasuderBund,alsInhabereinesEisenbahninfrastruktur-undBetriebsmonopols)Konzessionenvergeben,waserfürdenBahnlinienbauunddamitauchdenTunnelbaugemachthatte.

ZwarmagsichdasAusdehnungsinteressedesGrundeigentümersinver-tikalerHinsichtimLaufederJahreveränderthaben,dasichauchdietech-nischenMöglichkeitenfürdieNutzungdesUntergrundsverbesserthaben.DasändertindesnichtsanderTatsache,dassderTunnelindiesemZeitpunktbereitsrechtmässigundohnedieNotwendigkeitderDurchführungeinesfor-mellenEnteignungsverfahrenserrichtetwordenwar.DieGrundeigentümerinkonntedeshalbimBereichdesTunnelskeinEigentumgeltendmachen.

DieFragenacheinerEntschädigungkönntesichdannstellen,wennderBetrieb im Tunnel ganz andere und merkbare Dimensionen angenommenhätte,alsimZeitpunktderInanspruchnahmedesBodensresp.desEnteig-nungsverfahrensangenommenwerdenmusste.DerTunnelbetriebhabeaberinden letztenJahrennichtsmit sichgebracht,wasalsunvorhersehbar zuwertensei.

VornachträglichenForderungenbrauchtderEignereineseinstrechtenserstelltenBauwerksimUntergrundalsokeineAngstzuhaben.

33 BGer1C_27/2009vom17.September2009.

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9. Beweislast

DieBeweislast fürdenNachweisdesschutzwürdigen Interesses trägtderGrundeigentümer.Ermussbeweisen,dassereinschutzwürdigesInte-resseanderAusübungseinerEigentumsrechteinderTiefehat,ermussdenNachweisfürdenUmfangseinesEigentumsrechtserbringen;undnichtderDritte,dassdasEigentumsrechtnichtbesteht.34DieseBeweislastverteilungistauchunterdemGesichtspunktderBeweisbarkeitnaheliegender;derEi-gentümerkanneinfacherdenBeweiserbringen,dassseinInteressebesteht,alsderDrittedenNachweis,dasskeinAusübungsinteressevorhanden ist.DerEigentümerkenntdieArtundEigenschaftenseinesGrundstücksunddieinabsehbarerZeitgeplanteNutzung.

VI. Herrschaft unter dem Boden

1. Kantonale Gesetzgebungshoheit im Untergrund

Für jenen Teil des Erdreichs, welcher unterhalb des Grundeigentumsliegt,alsofürdenUntergrundgemässvorstehenderTerminologie,enthältdasZGBkeineRegelungen.

ZwarstelltdasZGBherrenloseundöffentlicheSachenunterdieHoheitdesKantons,indessenGebietsiesichbefinden(Art.664Abs.1ZGB).35AberdassderUntergrundherrenlosoderöffentlichsei, sagtdasGesetzgeradenicht.AuchausArt.664Abs.2ZGB lässt sich fürdenUntergrundnichtsableiten.DieBestimmungsagtallein,dassöffentlicheGewässerunddasderKulturnichtfähigeLandnichtprivatrechtsfähigsind(Art.664Abs.2ZGB).

Das Bundesgericht hat in BGE 119 Ia 390 ff. die VerfügungsbefugnisüberdenGrundunterdemEigentumdemKantonzugewiesen,indessenGe-bietsichderfraglicheUntergrundbefindet,entsprechenddemGrundgedan-kenvonArt.664ZGB.DerUntergrundunterstehtdamitderkantonalenGe-setzgebungshoheit,undzwardemöffentlichenRechtderKantone.SchrankedieserGesetzgebungshoheitistnunaberwiederumdasBundesrecht;durchBundesrechtbegründeteprivateRechtedürfendurchdiekantonaleLegiferie-

34 BGE132III689;maTZKe(Fn.19),S.241;a.A.meier-hayoZ(Fn.8),Art.767ZGBN.11.35 Dazuschmid/hürlimann(Fn.23),N.815ff.,mitweiterführendenLiteraturangaben.Art.664ZGBisteinun-

echterVorbehaltzuGunstendeskantonalenRechts;dieHoheitdesKantonsergibtsichbereitsausderge-wöhnlichenKompetenzverteilungzwischenBundundKantonen.

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rungnichtbeeinträchtigtwerden.UndnatürlichgehenauchandereBestim-mungendesBundesrechtsdemkantonalenRechtvor.36

Vereinfacht kann also gesagt werden: Alles was unterhalb des Aus-übungsinteressesdesGrundeigentümers liegt,wirdvomkantonalenRechtbeherrschtundreguliert,allerdingsnursoweit,alskeineBundeskompetenzbesteht.

2. Normen im Untergrund

SoweitdasGrundeigentumnachuntenreicht,stehtdieGesetzgebungs-kompetenz auf jeden Fall dem Bund zu, welcher sie mit dem Erlass desZGBausgeübthat,unddiesenBereichdesunterirdischenBodensebenzuGrundeigentumgemachthat.Daruntergibteswenigebundesrechtlichepri-vatrechtlicheBestimmungenüberdieBergwerke37unddasWasserrecht,ineinzelnenKantonenkantonalrechtlicheprivatrechtlicheBestimmungenüberdasBergregal38,wenigeöffentlich-rechtlicheBestimmungendesBundesz.B.zum Thema Gewässerschutz39, oder im Zusammenhang mit geologischenTiefenlagern40,unddannöffentlich-rechtlicheBestimmungenderKantone.41AufkantonalerEbeneistdieVerfügungsgewaltüberdenUntergrundhäufignurmarginalundfüreinzelneRessourcengeregelt.42ZudenRegelungenimUntergrundgehöreninsbesonderekantonaleBestimmungenüberdieBerg-

36 Dazuschmid/hürlimann(Fn.23),N.826.37 DieTragweitevonArt.655Abs.3ZGBundArt.943Ziff.3ZGBbeschränktsichdarauf,dassBergwerke(resp.

die Bergbauberechtigung – heinZ rey, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 3. Aufl.,Bern2007,N.1053)denBestimmungenüberdasGrundeigentumunterstehen;dasZGBhatkeineidgenös-sischesBergrechtgebildet(meier-hayoZ[Fn.8],Art.655ZGBN.56).

38 DasBergregalisteinhistorischesMonopolrechtderKantone.Art.94Abs.4BVbehältdenKantonendieHoheitüberdieGewinnungvonBodenschätzenwiefossilenBrenn-bzw.Kohlewasserstoffen,Metallen,Er-zen,Edelsteinenusw.vor.EsistSachederKantonezubestimmen,obderBergbaudemStaatzusteht(Berg-regal)oderBestandteildesGrundeigentumsist(meier-hayoZ[Fn.8],Art.655ZGBN.56).DiemeistenKanto-nehabendenBergbauzumGegenstanddesRegalsgemacht.

39 ImBereichdernutzbarenGrundwasservorkommenregeltdasGewässerschutzrechtdienachhaltigeNutzungdesGrundwasservorkommens;vgl.Bundesgesetzvom24.Januar1991überdenSchutzderGewässer(Ge-wässerschutzgesetz,GSchG;SR814.20).

40 ZurSicherungderNutzungdesUntergrundesbeigeologischenTiefenlagernenthältdasKernenergiegesetzinArt.40eineBestimmungzumSchutzbereichundeineBestimmunginArt.41zurVerwendungdererdwis-senschaftlichenDaten.

41 Vgl.dazudieguteundkurzeEinführungin«DieNutzungdesgeologischenUntergrundsinderSchweiz–EmpfehlungendesSchweizerGeologenverbandsCHGEOLzurHarmonisierungvonVerfügungshoheit,Sach-herrschaftundNutzungsvorschriften».

42 rey(Fn.36),N.179;ErläuterungenzumGesetzüberdieNutzungdesUntergrundes,N.6.

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gesetzgebung,dasGrundwasserrecht,denGewässerschutzundineinzelnenKantonen–eben–überdieNutzungdesUntergrundes.43

3. Normen über dem Untergrund

ImUntergrundherrschtalsoderKanton.Füralles,wasüberdemUn-tergrund–alsoinnerhalbdesAusübungsinteresses–liegt,giltArt.641ZGB:WerEigentümereinerSacheist,kannindenSchrankenderRechtsordnungübersienachseinemBeliebenverfügen(Art.641ZGB).DieSchrankensindallerdingsderartzahlreich,dassdas«nachseinemBelieben»eineerheblicheingeschränkte Bedeutung hat. Die Schranken sind privatrechtlicher Na-tur und öffentlich-rechtlicher Natur. Und die Schranken bestehen im Bun-desrecht und im kantonalen Recht.44 Öffentlichrechtliche bundesrechtlicheBeschränkungenfindensichz.B. indenBundesgesetzenüberdenHeimat-schutz45,dieEnteignung46oderdieRaumplanung47.Öffentlichrechtlichekan-tonaleBestimmungensindetwabaupolizeilicheVorschriftenoderfeuerpoli-zeilicheVorschriften48wieauchdieübrigenVorschriftenderkantonalenundkommunalenBau-undNutzungsordnungen,welchediemöglicheNutzungdesGrundeigentumsbestimmen.

4. Beschränkung des Grundeigentums durch kantonale Bestimmungen über die Nutzung des Untergrundes?

DarananschliessenddieFragenachderBeschränkungdesGrundeigen-tumsdurchkantonaleBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrundes:Esistunbestritten,dassBestimmungendeskantonalenöffentlichenRechtsdasGrundeigentumbeschränken,soweitesdieoberirdischeEigentumsaus-übungbetrifft,undauchunterirdisch.ZudenkenistgeradeanBauvorschrif-ten;siegeltenauchfürBautenunterdemBoden.Esistdeshalbnaheliegend,denkantonalenBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrundeseinever-gleichbare,alsodasEigentumbeschränkende,Wirkungzuzugestehen:Das

43 Vgl.Fn.14,15.44 Dazuschmid/hürlimann(Fn.23),N.919ff.45 Bundesgesetzvom1.Juli1966überdenNatur-undHeimatschutz(NHG;SR451).46 Bundesgesetzvom20.Juni1930überdieEnteignung(EntG;SR711).47 Bundesgesetzvom22.Juni1979überdieRaumplanung(Raumplanungsgesetz,RPG;SR700).48 schmid/hürlimann(Fn.23),N.922.

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AusübungsinteressebestehtimmernurimRahmenderRechtsordnung.49Be-stimmungenüberdieNutzungdesUntergrundeskönnendemnachdazufüh-ren,dassdasAusübungsinteressenichtsoweitreicht,wieesreichenwürde,wenneskeinekantonalenBestimmungenüberdieNutzungdesUntergrun-desgäbe.Ichgehedeshalbdavonaus,dassdieGesetzgebungderKantoneüberdieNutzungdesUntergrundesdurchausfähigist,dasAusübungsinte-resseunddamitdenUmfangdesGrundeigentumszubeeinflussen.SchrankeistaufjedenFalldieEigentumsgarantie.

5. Zur sachenrechtlichen Qualifikation des Untergrundes

WiederUntergrundsachenrechtlichzuqualifizierenist,hatBundesge-richtbisanhinkonstantoffengelassen;50nachmeinemVerständniskannvonEigentumebengeradenichtdieRedesein,dadasZGBdefiniert,wasGe-genstanddesGrundeigentumsseinkann,undderUntergrundunterhalbdesAusübungsinteressesebengeradenichtEigentumist,aufjedenFallnichtEi-gentumimzivilrechtlichenSinn.DieBeantwortungderFragescheintprimärnichtvongrundlegenderBedeutungzusein,weildieumfassendeNormset-zungskompetenzanderSachedazuführt,dassdemStaatdasEigentums-rechtanderSachegarnichtmehrRechteeinbringenkönnte,alseraufgrundderNormsetzungskompetenzohnehinschonhat.51

Indes hat die Qualifikation eben doch Bedeutung, insbesonde-re bei der Beurteilung haftungsrechtlicher Fragen, was sich anhandBGE119 Ib334ff.verdeutlichen lässt:BeimBaueinesSondierstollens fürdenRawyl-AutobahntunnelwurdeoffenbareinunterirdischesWasserreser-voirangezapftundentleert.DadurchverlorderUntergrundunterder1.5kmentferntgelegenenStaumauervonZeuzierseineFestigkeit,waszuRisseninderStaumauerführte.BauherrdesSondierstollenswarderKantonWallisge-wesen.AufgrundderBeschreibungenimUrteilistdavonauszugehen,dassderStollentiefimUntergrundlag,aufjedenFallausserhalbdesAusübungs-interessesdesEigentümersderStaumauer;dieStaumauerwarzudemho-rizontal 1.5 km entfernt. Das Bundesgericht hat die Haftung des KantonsWallisgestütztaufArt.685ZGBbejaht–eshatalsoeineBestimmungdesNachbarrechtsbeigezogen,welche Grundeigentum im zivilrechtlichen Sinne

49 StattvielerBGE132III353=Pra2007Nr.18:«IndieserHinsichtistderLageundderArtdesGrundstücks,dergeplantenVerwendung,sowiedenHindernissentechnischeroderrechtlicherArtRechnungzutragen».

50 SoinBGE119Ia399;1C_27/2009E.2.4i.f.51 meier-hayoZ(Fn.8),Art.664ZGBN.21ff.

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voraussetzt. Das Bundesgericht stellte nicht auf die BauherreneigenschaftdesKantonsab,sondernaufdieEigentümerstellung.DerKantonWallismussnachdiesemEntscheidprivatrechtlichverantwortlicherEigentümerdesUn-tergrundesimWallissein.

ZudemliessdasGerichtdenEinwandnichtgelten,dassdieStaumaueraufrelativunstabilemGrundstand.BeiAnwendungvonArt.685ZGBgenies-senEigentümereinerbereitsbestehendenBauteeinPrivileg:SiekönnensichgegenüberallenBauarbeiten,welche ihrEigentumschädigenwürden, aufseineAbwehrfunktionberufen.DerBauendehatdafürzusorgen,dassdienatürliche Stabilität des Bodens nicht beeinträchtigt wird. Das Gericht hatArt.685ZGBalsomitallenseinenKonsequenzenangewendet.

DieTragweitedieserRechtsprechungwäreenorm,wenndasBundes-gerichtsieaufrechterhaltenwürde:SieführtzunichtsanderemalszueinerKausalhaftungdesKantonsfüralleSchädigungenanbestehendenBautenalsFolgevonBauarbeitenimUntergrund–unabhängigdavon,oberalsBauherrauftrittodereinDritterBauherr ist.DiesePrognoseistallerdingsvorsichtigzugeniessen,dennnachmeinemVerständnisgehtdasUrteilvonfalschenPrämissenaus,undeinenvergleichbarenEntscheidhates–soweitersicht-lich–seithernichtgegeben.

ZudembliebewahrscheinlichauchderEinwanddesKantonsmöglich,z.B.einKonzessionsnehmer,welchereinenSchadenverursacht,hafteallein;immerhinhatdasBundesgerichtinBGE132III689dieStadtLausannealsGrundeigentümerinentlastetunddieVerantwortungfüreineStörungdesun-terirdischenEigentumsdesNachbarnalleinbeimBaurechtsnehmergesehen,welcherdieAnkerindasEigentumdesNachbarnversenkthatte;allerdingsunterderVoraussetzung,dassderGrundeigentümerkeinenEinflussaufdieArtundWeisehat,wiederBauberechtigtedietatsächlicheHerrschaftaus-übt.AnalogwäreauchdieÜbertragungderHaftungfürArbeitenimUnter-grundalleinaufdenKonzessionsnehmermöglich.

VII. Zur Notwendigkeit eines neuen Eigentumsbegriffes

EswirdverschiedentlichdieAuffassungvertreten,esmüsseeinneuerEigentumsbegriff geschaffen werden, welcher die heute bestehende Unsi-cherheitbezüglichAusdehnungdesGrundeigentumsnachuntenbeseitige,indemz.B.festeGrössenbestimmtwerden,wieweitnachuntendasEigen-tumreicht.HeutereichedasPrivateigentumzuweitnachunten,dievermehr-teNutzungdesUntergrundeswürdevermehrtzuForderungenvonEntschä-

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digungenführen.52SoweitnachuntenreichtdasEigentumnunabergeradenicht. Zudem führen feste Grössen nach meinem Verständnis zu keinendauerhaftenLösungen.DassesheutezuKonfliktenimUntergrundkommt,weilbeispielsweiseeinbereitsvoneinemTunnelodervonErdsondenbean-spruchterPlatzfüreineandereBauteimUntergrundbenötigtwürde,hatmitdemEigentumsbegriffnichtszutun,sondernmitderPlanung.SolcheKon-flikte lassensichnichtvermeiden,aberauchoberirdischnicht.DieheutigeRegelunghatsichbewährt,sieträgtdenInteressendesEigentümersunddesGemeinwesensgutRechnung.DieKantonehättenansichgenügendKompe-tenzenundMöglichkeiten,dieNutzungdesUntergrundeszuregeln.ObdieKompetenzdemBundübertragenwerdenmüsste,kannnatürlichdiskutiertwerden.EbensodieFrage,obdieRolledesBundesgestärktwerdenmuss.53DasistfürmichnunaberehereineFragedesstaatspolitischenVerständnis-ses,alssachlichzwingend.RegelungendesBundessindnichtzwingendbes-seralsjenederKantone.Zudemistauchnichtersichtlich,dassdieRegelungderNutzungimUntergrundbundesweiteinheitlichgeregeltwerdenmüsste.

VIII. Fazit

DasErdreich ist in zweiHerrschaftsbereiche aufgeteilt:Der obereTeildesErdreichsgehörtzumEigentumderdarüber liegendenParzelleaufderErdoberfläche.EsgeltendieBestimmungenüberdasGrundeigentum,mitallenSchranken,welchedieRechtsordnungfürdiesesbereithält.DeruntereTeil,UntergrundodertieferUntergrundgenannt,stehtunterderHerrschaftderKantone,soweitnichtderBundaufgrundeinerBundeskompetenzinei-nemSpezialgebietBestimmungenerlassenhat.DieKantonehabenbisanhininsehrunterschiedlicherDichte,undehermarginal,dieRechtslageimUn-tergrundgeregelt.DieAbgrenzungzwischendemGrundeigentumunddemUntergrundistrelativ,undistbestimmtdurchdasAusübungsinteressedesEigentümersderParzelleaufdemErdboden:Eigentumreicht soweit,wieseinAusübungsinteresse.DieseLösungschaffteinedifferenzierteAbgren-zungzwischendenInteressendesGrundeigentümersgegenüberbenachbar-tenGrundeigentümernundgegenüberderöffentlichenHand.

52 CHGEOL,KoordinationderNutzungdesUntergrundes,S.3.53 CHGEOL,EmpfehlungendesSchweizerGeologenverbandsCHGEOLzurHarmonisierungvonVerfügungsho-

heit,SachherrschaftundNutzungsvorschriften,S.30.