Post on 17-Oct-2020
Marlene Sator
Fachtagung Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen
Wien, 27. 9. 2016
Wenn wir uns (nicht) verstehen…Barrieren in der interkulturellen Kommunikation überwinden
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Überblick
1. Was sind Barrieren in der interkulturellen Kommunikation?
2. Wie können MitarbeiterInnen Barrieren in der interkulturellen Kommunikation überwinden?
3. Was ist auf Organisations-/Systemebene zu tun?
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Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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„Vier-Dimensionen-Modell“ interkultureller Kommunikation von Auernheimer (2002)
4 Faktoren, die interkulturelle Kommunikation beeinflussen
und Ursache von Missverständnissen sein können:
» Machtasymmetrien und Diskriminierungserfahrungen
» Kollektiverfahrungen
» Selbst- und Fremdbilder
» Differenz der Kulturmuster
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Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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Kultursensibilität Kulturalisierungvs.
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Kulturelle Differenzen nicht vereinfachend als direkten und einzigen Faktor für verschiedenste
Schwierigkeiten der Verständigung und Probleme in der interkulturellen Kommunikation
verantwortlich machen!
Kritisch gegenüber Vereinfachungen bleiben!
Eigene Klischees und Vorurteile in Frage stellen!
Reisigl 2012 7
Strategien im Kontext kultursensibler Pflege/Betreuung
1. Wissen aneignen
2. Interessiertes und wohlwollendes Nachfragen bei KundInnen unterschiedlicher Herkunft
3. Akzeptanz und Offenheit zeigen und soweit wie möglich miteinbeziehen
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Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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Gesundheitskompetenz: Was ist das?
Um die Gesundheit zu stärken und Krankheiten vorzubeugen und zu bewältigen, brauchen wir Informationen.
Gesundheitskompetente Menschen sind in der Lage, Informationen
» zu finden,
» zu verstehen,
» zu beurteilen und
» anzuwenden.
Gesundheitskompetenz trägt daher dazu bei, Lebensqualität und Gesundheit zu erhalten und zu verbessern. 10
Relationales Konzept
(vgl. Parker 2009)
Kompetenzen, Fähigkeiten
Anforderungen,Komplexität
Gesundheits-kompetenz
Individuum System/Umwelt
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HLS-EU-Studie (2009-2012)
(HLS-EU Consortium 2012)
RG-Z 3: „Die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken“ 12
Gesundheitskompetenz derMigrantInnen in Österreich (Ganahl et al. 2016)
International:
» Migrationsstatus als Risikofaktor für eine beschränkte Gesundheitskompetenz und deren negative Auswirkungen
Österreich:
» Zusammenhänge zwischen Migrationsstatus und Gesundheitskompetenz nicht gänzlich geklärt
» Migranten haben nicht automatisch eine schlechtere GK, aber zusätzl. Risikofaktoren für geringere GK (v.a. mangelnde Deutschkenntnisse; Gefühl von Benachteiligung, präkärer Aufenthaltsstatus, mangelndes Gefühl von Heimat)
» Zusammenhänge zwischen GK und Erleben von wertschätzender Kommunikation und Vertrauen in das Krankenbehandlungssystem
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Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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Verständnis absichern: Teach-back / Show-back
Video Was ist Teach-back? (https://youtu.be/bzpJJYF_tKY)
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Verständnis absichern: Teach-back / Show-back
» Erklärung in klarer, einfacher Sprache, nicht zuviel Info
» Verständnis durch Teach-back sichern: nicht als Prüfungsfrage für KundInnen formulieren, sondern ob man selbst gut erklärt hat
» Ggf. nochmalige Erklärung in anderen Worten, Aufklärung von Missverständnissen
» Ggf. nochmal Verständnis durch Teach-back sichern
» Unterstützung durch schriftliches Material und visuelle Hilfen
http://www.ahrq.gov/professionals/quality-patient-safety/quality-resources/tools/literacy-toolkit/healthlittoolkit2-tool5.htmlhttp://www.teachbacktraining.org/http://nchealthliteracy.org/teachingaids.html (Videos) 16
Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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Sprachbarrieren im Gesundheitssystem
…haben negative Einflüsse auf:
» den Zugang zu Gesundheitsversorgung,
» die Qualitat der Gesundheitsversorgung,
» die Patientenzufriedenheit
» sowie den Gesundheitszustand
(Bischoff, 2003)
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Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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Umgang mit Sprachproblemen
» muttersprachliche Angebote, multikulturelles Team
» Dolmetschen:
» Dolmetschdienste: Professionelle DolmetscherInnen, Videodolmetschen
» AngehörigendolmetscherInnen
» Einfache Sprache: Maßnahmen zur Verständnissicherung
Sator 2013, Sator/Gülich 2013, Menz 201120
Dolmetschdienste
» Vorhandene professionelle Dolmetscherdienste in Anspruch nehmen
» Bedarf artikulieren
» Auf denselben kulturellen Hintergrund zwischen DolmetscherIn und PatientIn achten (z.B. Beachten der ethnischen Konflikte zwischen TürkInnen und KurdInnen)
Sator 2013, Sator/Gülich 201321
AngehörigendolmetscherInnen
Professionelle Aufgaben der MitarbeiterInnen
» Sitzanordnung und Ansprechpartner: Augenkontakt zwischen MitarbeiterIn und Kunde, direktes Ansprechen der Kunden
» Orientierender Einstieg in das Gespräch (Nachfragen, in welcher Beziehung die/der Angehörige zur jew. Person steht, Klären der Sprachkompetenz der jew. Person und Klären des Ablaufs)
» Im Verlauf konsequente Organisation der Dolmetschung („Bitte übersetzen Sie das jetzt!“, Prüfen, welche Informationen übersetzt bzw. welche Informationen aufgenommen wurden)
» Beiträge in kleine, sinngemäße Einheiten portionieren
» Professionelle Aufgaben nicht an Angehörige delegieren
Sator 2013, Sator/Gülich 201322
Einfache Sprache: Maßnahmen zur Verständnissicherung
» Langsam, laut und deutlich sprechen
» Voraussetzungsarm, eher einfaches Vokabular, einfache Sätze, Fachausdrücke erklären
» Vermehrtes Nachfragen, Paraphrasieren, Zusammenfassen, beim Eindruck von Verständnisproblemen direkt intervenieren
» Veranschaulichung durch Metaphern, Gestik, Bildmaterial
» Auf Körpersprache achten, Kopfnicken nicht als Verstehenssignal deuten
Reisigl 201223
Barrieren auf individueller Ebeneüberwinden
auf Organistations-/Systemebene
überwinden
„Interkulturelle“ Barrieren
Geringe Gesundheitskompetenz
Sprachprobleme
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Welche Prozesse der Steuerung braucht es? (Kaufmann 1991)
Bedingungen schaffen: Befähigungund Motivation, um Beteiligung der Akteure sicherzustellen (z.B. Information, Anleitung, Anordnung und Anreizmechanismen)
Feedback, um Vorgehen anzupassen (z.B. Berichtssysteme, Benchmarking, Beschwerdesysteme)
Guidance
ControlEvaluation
(normative) Orientierung für einzelne Akteure, wie sie einen Beitrag zum Gesamtnutzen machen können
(z.B. Strategie, Zielformulierung, Standards, Leitlinien)
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Was ist auf Organistations-/Systemebene zu tun?
Orientierung:
» Partizipative Entwicklung spezieller GK-Strategien für MigrantInnen (Policy)
» Fördern einer entsprechenden Kultur (z.B.Plain-Language Policy)
» Materialien partizipativ entwickeln und evaluieren
Bedingungen:
» Schaffen von Rahmenbedingungen
» Angebote für Mitarbeiter: Schulungen, Coaching, Supervision, Mentoring
» Schulungen für migrantische Zielgruppe
Feedback / Evaluation:
» Systematisches Monitoring und Qualitätsentwicklungsprozesse
» Erfahrungen teilen und als Vorbild wirken
Kaufmann 1991; Sator 2013, Sator/Gülich 2013, Menz 2011; Sator, Nowak et al. 2015; Dietscher et al. 2015; Ganahl et al. 2016
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Literaturempfehlung
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http://www.fgoe.org/presse-publikationen/downloads/factsheets-und-leitfaden/leitfaden-menschen-mit-migrationshintergrund-besser-erreichen/2016-07-18.3911013732
Literaturangaben
» Anzenberger, Judith; Gaiswinkler, Sylvia (2016): Menschen mit Migrationshintergrund besser erreichen. Leitfaden zur Maßnahmengestaltung in Gesundheitsförderung und -versorgung. Anregungen und Tipps zu den Themen Ernährung/Bewegung und Adipositas/Diabetes. Gesundheit Österreich, Wien.
» Auernheimer, G. (2002): Interkulturelle Kompetenz - ein neues Element pädagogischer Professionalität? In: ders. (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz und pädagogische Professionalität. Opladen, 183-205
» Auernheimer, G. (2003): Einführung in die Interkulturelle Pädagogik. Darmstadt
» Auernheimer, G. (o. Jg.): Interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. http://www.georg-auernheimer.de/downloads/Interkult.%20Kompetenz.pdf
» Bischoff, A. (2003): Caring for migrant and minority patients in European hospitals. A review of effective interventions. Swiss Forum for Migration and Population Studies 43. Basel.
» Christina Dietscher, Jakob Lorenc, Jürgen Pelikan (2015): Toolbox 2015 zum Wiener Konzept Gesundheitskompetenter Krankenbehandlungsorganisationen. Wien: LBIHPR
» Ganahl, K., Dahlvik, J., Röthlin, F.; Alpagu, F.; Sikic-Fleischhacker, A.; Peer, S.; Pelikan, J.M. (2016): Gesundheitskompetenz bei Personen mit Migrationshintergrund aus der Türkei und Ex-Jugoslawien in Österreich. Ergebnisse einer quantitativen und qualitativen Studie. LBIHPR Forschungsbericht.
» HLS-EU Consortium (2012): Comparative Report of Health Literacy in Eight EU Member States. The European Health Literacy Survey HLS-EU. The international Consortium of the HLS-EU Project
» Kaufmann, Franz-Xaver (1991): The Relationship between Guidance, Control, and Evaluation. In: The Public Sector Challenge for Coordination and Learning. Hg. v. Kaufmann, Franz-Xaver. de Gruyter, Berlin, 213 - 234
» Menz, F. (2011): Ärztliche Gespräche mit PatientInnen mit geringen Deutschkenntnissen. In: Peintinger, M. (Hrsg.): Interkulturell kompetent. Ein Leitfaden für Ärztinnen und Ärzte. Wien
» Parker, Ruth (2009): Measuring health literacy: what? so what? Now what? In: Measures of health literacy: workshop summary, Round -table on Health Literacy.Aufl. National Academies Press, Washington, DC: 91-98
» Reisigl, M. (2012): Schwierige Verständigung. Interkulturelle Gespräche auf der Kopfschmerzambulanz. In: Holzer, P./Kienpointner, M./Pröll, J./Ratheiser, U. (Hrsg.): An den Grenzen der Sprache. Kommunikation von Un-Sagbarem im Kulturkontakt. Innsbruck
» Sator, M. (2013): Familiendolmetschung vs. professionelle Dolmetschung I. Eine Fallstudie. In: Menz, F. (Hrsg.): Migration und medizinische Kommunikation. Linguistische Verfahren der Patientenbeteiligung und Verständnissicherung in ärztlichen Gesprächen mit MigrantInnen, Göttingen, 33-145.
» Sator, M./Gülich, E. (2013): Familiendolmetschung vs. professionelle Dolmetschung II. Eine Systematisierung von Formen der Patientenbeteiligung. In: Menz, F. (Hrsg.): Migration und medizinische Kommunikation. Linguistische Verfahren der Patientenbeteiligung und Verständnissicherung in ärztlichen Gesprächen mit MigrantInnen, Göttingen, 147-310.
» Sator, Marlene; Nowak, Peter; Menz, Florian (2015): Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung. Grundlagen, Analyse und erste Umsetzungsempfehlungen für eine langfristige Weiterentwicklung in Österreich. Gesundheit Österreich GmbH, Wien
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marlene.sator@goeg.at
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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