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ROUNDTABLE SPONSOR ROUNDTABLE EMERGING MARKETS DEZ 17 – JAN 18 | JAHRGANG 16 AUSGABE 96 | DPN-ONLINE.COM Fotos: Norbert Bretschneider CONCEPTDESIGN Wolfram Roddewig Leiter Investment Consulting Deutschland, Aon Hewitt Dr. Steffen Gehring Geschäftsführer Haushalt und Finanzen, Betriebswirtschaft und Recht, Südwestmetall Guido Helfberend Referent Kapitalanlagen, Evangelische Ruhegehaltskasse in Darmstadt (ERK) Andreas Reichel Stellvertretender Abteilungsdirektor Wertpapiere, Nordrheinische Ärzteversorgung Enzo Puntillo Head of Fixed Income, GAM Ulrich Buchholtz Freier Journalist, dpn-Autor (Moderator) Ina Lockhart Freie Journalistin, dpn-Autorin (Moderatorin)

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Dez 17 – Jan 18 | Jahrgang 16 ausgabe 96 | Dpn-online.Com

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Wolfram RoddewigLeiter Investment

Consulting Deutschland, Aon Hewitt

Dr. Steffen GehringGeschäftsführer

Haushalt und Finanzen,

Betriebswirtschaft und Recht,

Südwestmetall

Guido HelfberendReferent

Kapitalanlagen, Evangelische

Ruhegehaltskasse in Darmstadt (ERK)

Andreas ReichelStellvertretender

Abteilungsdirektor Wertpapiere,

Nordrheinische Ärzteversorgung

Enzo PuntilloHead of Fixed Income,

GAMUlrich BuchholtzFreier Journalist,

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Ina LockhartFreie Journalistin,

dpn-Autorin(Moderatorin)

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30 Dezember 2017 | Januar 2018

Heutzutage nicht in den Schwellenländern vertreten zu sein, sei ein Luxus, den sich nicht viele Anleger leisten können, so eine Meinung beim dpn-Roundtable. Vor einem Invest-ment sind aber einige Punkte zu klären, wie die Diskussion zeigte. Der Umgang mit Währungsrisiken gehört genauso dazu wie die Frage nach dem geeigneten Vehikel oder der Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien.

Wie Anleger die Chancender Emerging Markets nutzen

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32 Dezember 2017 | Januar 2018

Herr Puntillo, welches Anlagesegment aus den Emerging Markets ist aus Ihrer Sicht als Leiter Fixed Income bei GAM unter Chan-cen-Risiko-Aspekten über die nächsten drei Jahre am attraktivsten?

Enzo Puntillo: Die Analyse nach Teilsegmen-ten steht bei uns nicht im Vordergrund. Wir schauen uns die Märkte auf Länderebene und im Detail an und suchen nach Opportunitä-ten. Allerdings traue ich allen Segmenten der Schwellenländeranleihen zu, in den nächs-ten zwei bis drei Jahren eine Rendite in der Größenordnung von fünf bis acht Prozent im Jahr zu erzielen. Aus unserer Sicht gehören Schwellenländeranleihen zu den wenigen An-lageklassen, die überhaupt noch gute Ergeb-nisse erwirtschaften können.

Wo sehen Sie Opportunitäten?

Puntillo: Wir halten derzeit Argentinien und Brasilien für attraktiv. Außerdem sehen wir in Ägypten auch eine fundamentale Verbesse-rungsstory.

Herr Helfberend, welche Bedeutung besit-zen die Emerging Markets für die Kapitalan-lage der Evangelischen Ruhegehaltskasse in Darmstadt (ERK) und welche Anlageseg-mente favorisieren Sie?

Guido Helfberend: Heutzutage nicht in den Emerging Markets vertreten zu sein, halte ich für einen Luxus, den sich nicht viele Anleger leisten können. Als kirchliche Versorgungs-einrichtung ist für uns die ethisch-nachhal-tige Ausrichtung der Kapitalanlagen auch in diesen Ländern sehr wichtig. Deshalb haben wir zunächst eine Studie zu diesem Thema erstellt. Mittelfristig wollen wir im niedrigen zweistelligen Prozentbereich in Aktien, Un-ternehmensanleihen und Staatsanleihen aus den Emerging Markets investieren. Die Ein-zelgewichtungen der Teilsegmente ergeben sich aus unserer strategischen Positionierung und sind nicht als Ausdruck einer Einschät-zung zur aktuellen Attraktivität der einzelnen Teilsegmente zu verstehen.

Dr. Gehring, welches Anlagesegment aus den Emerging Markets ist aus Ihrer Sicht unter Chancen-Risiko-Aspekten über die nächsten drei Jahre am attraktivsten?

Dr. Steffen Gehring: Das pauschal zu beantwor-ten, ist schwierig. Die Grundidee eines Emer-

ging-Markets-Investments ist die Partizipati-on an dem Wachstum in diesen Ländern. Es gibt dabei jedoch auch erhebliche Risiken wie etwa Verstaatlichungen oder die Korruption. Deshalb sollte man bei jedem Emerging-Mar-kets-Investment genau hinschauen und die Chancen und Risiken sorgfältig abwägen.

Wenn Sie sich entscheiden müssten, womit würden Sie sich derzeit am wohlsten fühlen?

Gehring: Ich komme eher von der Fixed- Income-Seite. Aber wenn ich mir zum Bei-spiel anschaue, wie eng die Renditeaufschläge bei vielen Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern sind, würde ich mich für die nächsten drei Jahre mit einem diversi-fizierten Aktienportfolio aus den Emerging Markets eine Spur wohler fühlen.

Herr Roddewig, Ihr Favorit?

Wolfram Roddewig: Einige unserer deutschen Kunden im Investment Consulting sind regu-lierte Anleger und in erster Linie auf der Suche nach Rentensubstituten – nach Möglichkeit mit Investment Grade. Schwellenmarktan-leihen sind meiner Meinung nach eine sehr sinnvolle Beimischung für die meisten Ren-tenportfolios deutscher Anleger, auch in den nächsten drei bis fünf Jahren. Ich würde dabei eher auf Anleihen in harter als in lokaler Wäh-rung setzen. Zum einen ist die Handhabung einfacher. Zum anderen hat sich die Hoff-nung auf eine Aufwertung der lokalen Emer-ging-Markets-Währungen zumindest bisher nicht erfüllt. Und ich bin auch skeptisch, dass sich dies in der Zukunft ändern wird.

Herr Reichel?

Andreas Reichel: Die Nordrheinische Ärztever-sorgung ist schon seit längerem ein strategi-scher Investor in den Emerging Markets. Erste

„Ich traue allen Segmenten der Schwellen-länderanleihen zu, in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Rendite in der Größenordnung von fünf bis acht Prozent im Jahr zu erzielen.“Enzo Puntillo

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EnzO PUntILLOGAM

Der 44-jährige Betriebswirt ist bei GAM Head of Fixed Income und Portfoliomanager für Fixed Income Emerging Markets. Das Asset

Management von GAM verwaltet Anlagen mit einem Volumen von insgesamt 68 Milliarden Euro. Darunter befinden sich mehr als 10

Milliarden Euro Assets in Anlagestrategien, die ausschließlich in Schwellenländeranleihen investieren.

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34 Dezember 2017 | Januar 2018

Spezialfonds für Schwellenländeranleihen ha-ben wir bereits in den 1990er Jahren auflegen lassen. Rückblickend betrachtet zählen diese zu den erfolgreichsten Anlagen in unserem Haus. Auch nach vorne gerichtet sehen wir weiterhin große Chancen in diesen Märkten.

Wo bestehen nach Ihrer Einschätzung risikobereinigt die größten Chancen?

Reichel: Bei den Emerging-Markets-Staats-anleihen in harter Währung – vielleicht noch mit einer Beimischung von Quasi-Staatsan-leihen, um dadurch den einen oder anderen Renditeaufschlag zu holen oder die Länder noch anders abdecken zu können.

Wie stark gewichten Sie die Emerging- Markets-Anleihen?

Reichel: Wir haben kürzlich weitere Aufsto-ckungen vorgenommen. Die strategischen Po-sitionen liegen dadurch jetzt nahe der Marke von zehn Prozent unserer Gesamt-Assets.

Wie sieht es bei den Aktien aus den Schwel-lenländern aus?

Reichel: In diese haben wir erst deutlich später investiert. Es bestehen dort auch keine geson-derten Mandate, sondern es handelt sich um eine Beimischung innerhalb eines globalen Aktienmandates mit einem Gewicht von bis zu einem Prozent unserer Gesamtanlagen.

Herr Helfberend, welchen Ansatz und welche Vehikel haben Sie für Ihre Emer-ging-Markets-Investments gewählt?

Helfberend: Die Aktien und die Unterneh-mensanleihen lassen wir aktiv managen. Als Vehikel nutzen wir Spezialfonds, weil wir so unsere ethisch-nachhaltigen Kriterien besser umsetzen können als in einem Publikums-fonds. Wir operieren dabei primär mit Aus-schlusslisten, stehen aber zum Beispiel auch Managern positiv gegenüber, die Engagement – also aktives Aktionärstum – in ihrer DNA haben oder hauseigene Scores zur Nachhal-tigkeit entwickeln.

Und bei den Staatsanleihen aus den Schwel-lenländern?

Helfberend: Dort grenzen die ethisch-nachhal-tigen Kriterien das Anlageuniversum deutlich ein. Das wäre für einen aktiven Manager

GUIDO HELFBEREnDEVAnGELISCHE RUHEGEHALtSKASSEDer 38-jährige Volkswirt ist Referent Kapitalanlagen bei der Evangelischen Ruhegehaltskasse in Darmstadt (ERK). Die kirchliche Versorgungsein-richtung verfügt über 3,3 Milliarden Euro Kapital-anlagen. Sie hat vor kurzem die Studie „Ethisch-nachhaltige Geldanlagen in Emerging Markets“ erstellen lassen.

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sicherlich eine Herausforderung. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, diese In-vestments passiv im Rahmen eines globalen Mandats für Staatsanleihen umzusetzen. Die Anlage erfolgt dabei in harter Währung.

Erwarten Sie eine Renditeeinbuße durch die ethisch-nachhaltigen Kriterien für Ihre Emerging-Markets-Investments?

Helfberend: Nein. Die meisten Studien zu die-sem Thema zeigen einen neutralen oder leicht positiven Renditeeffekt bei einem solchen Ansatz. Ob dies auch für die Emerging-Mar-kets-Staatsanleihen als separates Mandat gelten würde, kann ich nicht beurteilen. Aber genau deshalb haben wir diese Investments in ein globales Mandat integriert. Herr Puntillo, werden Sie häufig mit solchen ethischen und nachhaltigen Kriterien bei den Mandaten für Emerging-Markets-Anlei-hen konfrontiert?

Puntillo: Ja. Das ist ein Thema mit wachsen-der Bedeutung. Wir wenden auch eigene Nachhaltigkeitskriterien an. Diese sind allerdings nicht immer identisch mit den Kriterien anderer Institutionen. Gerade bei der Beurteilung von Staaten halte ich es für schwierig, Nachhaltigkeitskriterien aufzustel-len, die gerecht, sinnvoll und über lange Zeit gültig sind. Es spielt dort ein subjektives Mo-ment mit hinein. Wir kommen aus unserer Wertevorstellung. In manchen Schwellenlän-dern gibt es andere Wertevorstellungen, die teilweise auch respektiert werden sollten.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen solcher nachhaltigkeitskriterien auf die Rendite ein?

Puntillo: Für Anlagen wie Aktien oder Un-ternehmensanleihen, bei denen das Wirt-schaftswachstum eine wichtige Rolle spielt, sind Nachhaltigkeitskriterien auf lange Sicht ein wichtiger Renditetreiber. Anders kann es unseren Untersuchungen zufolge bei Staats-anleihen in harter Währung aussehen. Dort können zum Beispiel die Schuldtitel eines Landes, das immer wieder an der Schwelle des Bankrotts steht, eine gute Renditequelle sein, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Zah-lungsausfalls niedriger ist, als es der Markt einpreist. Fallen mehrere solcher Emittenten durch strikte Nachhaltigkeitskriterien aus dem Anlageuniversum heraus, kann dies die Performance mindern.

„Als Vehikel nutzen wir Spezialfonds, weil wir so unsere ethisch-nachhaltigen Kriterien besser umsetzen können als in einem Publikumsfonds.“Guido HElfbErEnd

Herr Roddewig, wie sehen Sie das als Consultant?

Roddewig: Fast jeder Anleger hat bestimmte Vorlieben oder unterliegt Einschränkun-gen. Einer verwendet ethisch-nachhaltige Kriterien, der zweite darf nicht in Länder investieren, die auf einer Boykottliste stehen, der dritte schließt manche Firmen aus. Da-neben müssen viele institutionelle Anleger in Deutschland auch noch regulatorische Ein-schränkungen berücksichtigen. Es ist daher sinnvoll, vor einem Investment zu prüfen, was in der Anlagepraxis tatsächlich um-setzbar ist. Das kann weit von dem entfernt sein, was man in einer Präsentation gesehen hat. Allerdings habe ich den Eindruck, dass selbst ein eingeschränktes Rentenuniversum aus den Schwellenländern in den meisten Portfolios stark zur Diversifikation beiträgt. Auch von einer eventuellen Renditemin-derung würde ich mich nicht abschrecken lassen. Man muss eine solche Asset-Klasse nicht unbedingt bis zum letzten Basispunkt ausreizen.

Herr Reichel, Ihre Erfahrungen?

Reichel: Wir haben uns mit dem Thema bei der jüngsten Aufstockung der Emerging-Mar-kets-Anleihen beschäftigt. Im Auswahlpro-zess haben die Manager erkennen lassen, dass sie mit Einschränkungen etwa durch eine Negativliste problemlos umgehen können. Wenngleich dies bei den Staatsanleihen nicht unbedingt als wertsteigernd angesehen wur-de. Wir haben außerdem analysiert, wie stark sich unsere neuen Kriterien auf die bestehen-den Emerging-Markets-Mandate auswirken würden. Sie hätten nur auf fünf bis zehn Prozent der Investments einen Effekt. Das hat mich überrascht. Es ist weniger, als ich vermutet hätte.

Helfberend: Unsere ethisch-nachhaltigen Kri-terien verringern das Emerging-Markets-An-

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„Viele Aktien aus den entwickelten Märkten enthalten eine Menge Emerging-Markets- Exposure als Faktorrisiko. Man denke nur an die DAX-Konzerne, die in den Schwel-lenländern aktiv sind. Ich persönlich bin nicht davon überzeugt, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, zu einem solchen Aktien-portfolio noch einmal separat Titel aus den Emerging Markets hinzuzufügen.“wolfram roddEwiG

lageuniversum ebenfalls nur im einstelligen Prozentbereich. Wir gehen außerdem von einem vorteilhaften Effekt der Kriterien auf das Anlagerisiko aus.

Senken nachhaltigkeitskriterien das Risiko von Emerging-Markets-Anlagen, Herr Pun-tillo?

Puntillo: Je nachdem, wie man sie definiert, helfen diese Kriterien bei der Analyse und Auswahl von Unternehmen. Sie können Hinweise darauf geben, ob ein Unternehmen mittel- oder langfristig überleben oder vom Markt verschwinden wird. Bei Staaten sehe ich dies etwas anders. Staaten verschwinden auch bei einem Zahlungsausfall nicht. Außer-dem ist es bei ihnen schwieriger, aussagekräf-tige Nachhaltigkeitskriterien zu definieren.Herr Roddewig?

Roddewig: Intuitiv macht es Sinn, dass ein Nachhaltigkeitsansatz das Portfoliorisiko senkt. Empirisch gibt es dafür noch nicht viele Beweise. Ich fände es allerdings schon positiv, wenn die Einschränkungen des Anla-geuniversums durch die Nachhaltigkeitskrite-rien das Risiko nicht erhöhen.

Dr. Gehring, wie investiert der Arbeitge-berverband Südwestmetall in die Emerging Markets?

Gehring: Wir haben uns vor einigen Jahren über Publikumsfonds für Schwellenländer-anleihen mit Investment Grade an diese An-lageregion herangetastet. Inzwischen halten wir größere Tranchen an mehreren solcher Publikumsfonds. Wir hatten auch schon

einmal die Auflegung eines Spezialfonds angedacht. Bei den Emerging-Markets-Akti-en sind wir weniger stark investiert, und dies auch nur im Rahmen globaler Aktienman-date.

Wie beurteilen Sie die Liquidität der Emer-ging-Markets-Anlagen? Im Falle eines Streiks benötigen Sie das Geld recht schnell.

Gehring: Wir müssen aber nicht jedes ein-zelne Papier sofort verkaufen können. Die Gesamtheit des Portfolios sollte recht liquide sein. In einer Zinssituation wie der aktuellen würden wir die Anlagen vermutlich zunächst einmal beleihen und erst später konsolidie-ren. Die Bonds aus den Schwellenländern sind natürlich nicht ganz so liquide wie Zinspapiere aus den entwickelten Märkten, aber auch deren Liquidität war schon einmal besser. Die Emerging-Markets-Anleihen weisen außerdem eine deutlich attraktivere Rendite auf und verbessern die Diversifikati-on. Schließlich sind auch Szenarien denkbar, in denen die entwickelten Märkte stärker unter Stress kommen und die etwas weniger liquiden Assets aus Emerging Markets besser abschneiden.

Herr Roddewig, hinken die deutschen Investoren bei ihren Emerging-Markets-In-vestments im internationalen Vergleich hinterher?

Roddewig: Historisch betrachtet waren sie sicherlich etwas zögerlicher als etwa die ang-loamerikanischen Anleger. Das hängt aber auch mit den niedrigen Aktienquoten hier-zulande zusammen. Da stellt sich die Frage, ob sich eine Beimischung Emerging Markets überhaupt lohnt – auch angesichts der dort höheren Volatilität. Zudem enthalten viele Aktienunternehmen aus den entwickelten Märkten eine Menge Emerging-Markets-Ex-posure als Faktorrisiko. Man denke nur an die DAX-Konzerne, die in den Schwellenländern aktiv sind. Ich persönlich bin nicht davon überzeugt, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, zu einem solchen Aktienportfolio noch ein-mal separat Titel aus den Emerging Markets hinzuzufügen.

Helfberend: Wir haben unser Aktienportfolio nach der Region des Umsatzes untersucht. Das war noch, bevor wir damit begannen, di-rekt in Aktien aus den Emerging Markets zu investieren. Trotzdem kamen wir schon da-

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WOLFRAM RODDEWIGAOn HEWIttDer 50-jährige Volkswirt ist seit Oktober 2017 Leiter Investment Consulting Deutschland bei Aon Hewitt. Zuvor war er Managing Director Consultant Relations für Kontinentaleuropa bei BlackRock. Roddewig arbeitete auch schon für Merrill Lynch und Schroders. Die Investment-Sparte von Aon Hewitt berät ein weltweites Vermögen von 4,2 Billionen US-Dollar für mehr als 2.500 Kunden.

mals auf einen zweistelligen Prozentsatz beim Anteil der Emerging Markets am Umsatz.

Herr Reichel, warum spielen bei Ihnen die Aktien aus den Emerging Markets eine eher untergeordnete Rolle im Gesamtportfolio?

Reichel: Unsere diesjährige Studie zeigt er-neut, dass die etwas höheren Renditechancen dieser Aktien aufgrund der zu erwartenden höheren Volatilität nicht attraktiv genug sind, um dort wirklich stark präsent zu sein. Als Beimischung gehören sie jedoch ins Portfolio, um die Diversifikation zu verbessern. Für die Anleihen aus den Emerging Markets spricht, dass sie durch ihren höheren Kupon mehr Puffer etwa für Zinsänderungsrisiken bieten. Das ist bei vielen Renten aus den entwickel-ten Märkten kaum noch der Fall.

Was halten Sie von den Schwellenländeran-leihen in lokaler Währung, bei denen es in den vergangenen Jahren aus der Sicht eines Euro-Anlegers mehrere Rückschläge gab?

Reichel: Sie können eine Beimischung zur Verbesserung der Diversifikation sein. Es gab vor einiger Zeit die Story, dass die Emer-ging-Markets-Währungen auf lange Sicht aufwerten werden. Das hat sich bisher nicht bewahrheitet. Ich glaube, dass man sehr genau und differenziert hinschauen sollte. Wenn man es sich zutraut, kann man von Zeit zu Zeit Opportunitäten nutzen. Aber es bleibt aus meiner Sicht eine Beimischung, ergänzend zum Kerninvestment in harter Währung.

Herr Puntillo, wie sehen Sie die Emer-ging-Markets-Anleihen in harter Währung im Vergleich zu denen in lokaler Währung?

Puntillo: Ohne Zweifel sind die Kunden, die in den vergangenen Jahren Emerging-Mar-kets-Anleihen in Hartwährungen hatten, am glücklichsten. Die Asset-Klasse hat ihren Kupon geliefert – und zum Teil auch mehr. Viele Emerging-Markets-Währungen hatten bis zur Ankündigung der US-Notenbank Fed im Frühjahr 2013, die Anleihekäufe zu einem geeigneten Zeitpunkt zurückzuführen, eine nicht unerhebliche Überbewertung aufgebaut. Dies führte zu einer Korrektur. Inzwischen sehen wir aber wieder viele Opportunitäten bei den Emerging Markets Bonds auch in lokaler Währung. Allerdings ist für Anleger der Schritt von harter Währung zu lokaler Währung ein

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großer – ähnlich groß wie der von Anleihen zu Aktien. Daher denken wir, dass gemischte Mandate eine geeignete Variante sein können.

Wie stehen die Chancen für eine dauerhafte Aufwertung der Emerging-Markets-Währung?

Puntillo: Es gibt nicht viele Währungen, die in der Vergangenheit über einen längeren Zeit-raum systematisch aufgewertet haben. Meis-tens kam bei ihnen eine niedrige Inflation mit einer hohen Produktivität zusammen – wie zum Beispiel beim Schweizer Franken und der früheren Deutschen Mark. Außerdem sind Währungen die einzige Anlageklasse mit einem Long-Short-Charakter: Wenn Sie eine Position eingehen, verkaufen Sie zugleich auch eine andere Währung. Sie müssen also immer im Vergleich richtig liegen.

Roddewig: Viele Länder, die vor zehn oder 20 Jahren als Schwellenmärkte eingestuft wurden, sind dies auch heute noch. Nur sehr wenige stiegen zu einem entwickelten Markt auf. Davon würde ich auch für die nächsten zehn bis 20 Jahre ausgehen. Deshalb sehe ich keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass die Emerging-Markets-Währungen stark auf-werten werden. Außerdem gibt es schlechte Erfahrungen bei der praktischen Umsetzung solcher Investments. Bei einem Spezialfonds braucht man eine sehr fähige Depotbank. Die Eröffnung der Währungskonten in den verschiedenen Ländern ist mit hohen Kosten und vielen Scherereien verbunden. Sie kann schnell operativ entgleiten. Wenn ich mir als Anleger nicht ganz sicher bin, dass meine Depotbank das schafft, würde ich für Emer-ging-Markets-Anleihen in lokaler Währung eher einen Publikumsfonds beimischen. Der nimmt mir die operativen Probleme ab.

Puntillo: Ich kann diese operativen Herausfor-derungen bestätigen. Wir weisen unsere Kun-den auf solche Schwierigkeiten hin. Bei einem Mandat können wir beratend Unterstützung geben, lösen muss es allerdings der Custo-dian. In einem Fall war es ihm auch nach zwei Jahren noch nicht gelungen, bestimmte Währungskonten zu eröffnen.

Gehring: Wir investieren deshalb über einen Publikumsfonds in die lokalen Emerging-Mar-kets-Anleihen. Allerdings handelt es sich dabei um eine sehr kleine Beimischung. Es ist sehr schwer, Währungen auf lange Zeit verlässlich einzuschätzen. Und wenn das schiefgeht, müs-

DR. StEFFEn GEHRInGSüDWEStMEtALLDer 42-jährige promovierte Jurist ist Geschäfts-führer Haushalt und Finanzen, Betriebswirtschaft und Recht beim Arbeitgeberverband Südwestmetall. Er ist dort unter anderem für die Anlage der Gelder aus der Streikkasse des Verbandes zuständig, über deren Höhe Südwestmetall keine Angaben macht.

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und robuster geworden. Das lässt sich etwa an den Devisenreserven oder der Auslands-verschuldung ablesen.

Puntillo: Das stimmt. Südkorea hatte in der Asi-enkrise 1997 Devisenreserven, die für etwa drei Wochen ausgereicht hätten. Brasilien kam in der Krise 2015 auf ungefähr 24 Monate. Trotz zahlreicher Probleme im Land drohte dort zu keinem Zeitpunkt ein Liquiditätsengpass.

Gehring: Ich halte es für wichtig, die Gremien von Beginn an transparent über die Risiken einer solchen Anlage zu informieren – zum Beispiel die Kennzahl für das Gesamtrisiko zu nennen, Simulationen zu präsentieren und den möglichen Maximum Drawdown zu zeigen. Es darf keinen Überraschungseffekt geben, wenn eine Emerging-Markets-An-leihe ausfällt. Bei uns gab es das auch schon einmal. Aber das Gremium wusste, dass so etwas passieren kann. Es hat auch gesehen, dass wir durch unser Emerging-Markets-Ex-posure insgesamt betrachtet deutlich mehr gewonnen haben, als durch den Ausfall dieser brasilianischen Unternehmensanleihe verlo-ren ging.

Herr Roddewig, welche Fehler sollten Anle-ger, die neu in die Emerging Markets Bonds einsteigen wollen, vermeiden?

Roddewig: Erstens eignen sich Schwellenlän-deranleihen nicht für taktische Investitionen. Dafür ist allein schon die Geld-Brief-Spanne bei ihnen viel zu hoch. Zweitens würde ich empfehlen, mit Emerging Markets Bonds in harter Währung zu beginnen. Und drittens braucht der Anleger eine sehr fähige Depot-bank, wenn er das Investment über einen Spe-zialfonds tätigen will. Ansonsten ist vielleicht ein entsprechender Publikumsfonds vorzuzie-hen. Dort lassen sich allerdings in der Regel keine eigenen Wünsche – zum Beispiel eine individuelle Ausschlussliste – verwirklichen.

Oder zur Bonität der Emittenten.

Roddewig: Es gibt mittlerweile Publikums-fonds, die sich auf nur ein Segment der Schwel-lenländeranleihen fokussieren oder die auf die Beschränkungen Rücksicht nehmen, denen Anleger nach dem Versicherungsaufsichtsge-setz (VAG) unterliegen. Solche Restriktionen sollten allerdings möglichst früh im Auswahl-prozess geklärt werden. Sonst sagt der Anbieter am Ende möglicherweise: „Im Prinzip ist der

sen Sie Ihrem Gremium begründen, warum Sie trotzdem investiert haben.

Welche Argumente sprechen für Schwellen-länderanleihen in lokaler Währung?

Puntillo: Einige Emerging Markets bieten bei diesen Bonds attraktive Realrenditen. In Brasilien zum Beispiel erhalten Anleger derzeit selbst nach Abzug der Inflation fünf bis sieben Prozent. Das schafft einen Puffer für das eingegangene Währungsrisiko und ist langfristig einer der wichtigsten Per-formancetreiber. Manche Anleger sind au-ßerdem bereits in anderen Fremdwährungen investiert, die ebenfalls stark schwanken, wie etwa dem US-, dem australischen oder dem Neuseeland-Dollar. Dann können die Emer-ging Markets die Diversifikation des Exposu-res in fremden Währungen verbessern.

An den Emerging Markets gibt es immer wieder starke Kursrückschläge – sei es bei der Fed-Ankündigung zum tapering im Frühjahr 2013 oder bei der Wahl von Donald trump zum US-Präsidenten im november 2016. Was kann Anlegern helfen, in solchen Situationen nicht in Panik zu geraten, son-dern die Positionen durchzuhalten?

Puntillo: Sie könnten die Volatilität als Chance deuten, die Opportunitäten ermöglicht. Zum Beispiel haben sich nach der Trump-Wahl die Anlagen aus den Schwellenländern schnell wieder erholt. Außerdem sollten Anleger die Emerging Markets nie als ein sicheres In vestment ansehen. Schwellenländer haben per Definition eine gewisse Anfälligkeit – auch, weil das Sentiment der Investoren bei ihnen eine wichtige Rolle spielt.

Reichel: Eine gewisse Volatilität ist in den Emerging Markets sicherlich nicht zu überse-hen. Allerdings sind diese Märkte im Ver-gleich zu den 1990er Jahren deutlich reifer

„Ich halte es für wichtig, die Gremien von Beginn an transparent über die Risiken einer solchen Anlage zu informieren. Es darf keinen Überraschungseffekt geben, wenn eine Emerging-Markets-Anleihe ausfällt.“dr. stEffEn GEHrinG

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40 Dezember 2017 | Januar 2018

AnDREAS REICHELnORDRHEInISCHE ÄRztEVERSORGUnGDer 37-jährige Bankkaufmann und Bankbetriebswirt ist stellvertretender Abteilungsdirektor Wertpapiere bei der Nordrheinischen Ärzteversorgung in Düsseldorf. Sie verfügt über Kapitalanlagen mit einem Gesamtvolumen von 13,5 Milliarden Euro. Davon ist inzwischen knapp ein Zehntel in den Emerging Markets investiert.

Fonds VAG-konform, aber wir können Ihnen das leider nicht schriftlich geben.“

Reichel: Wenn die Voraussetzungen stimmen, bietet ein Spezialfonds allerdings auch einige Vorteile. Zum Beispiel die Flexibilität, künftig bei Bedarf die Ausrichtung anzupassen. Das ist bei einem Publikumsfonds nicht möglich. Au-ßerdem sitzt der Anleger dem Manager vis-à-vis gegenüber und erfährt aus erster Hand, wo dieser Opportunitäten und Gefahren sieht. Als Anleger kann ich dies bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen berücksichtigen, um ein möglichst gutes Investieren zu ermöglichen.

Herr Puntillo, worauf würden Sie bei der Aus-wahl eines guten Managers für Emerging-Markets-Anleihen achten?

Puntillo: Erstens darauf, wie dieser in unter-schiedlichen Marktphasen abgeschnitten hat. Es reicht nicht aus, nur in der Aufwärtsbe-wegung gut zu sein und dann im Abschwung überdurchschnittlich zu verlieren. Oder um-gekehrt. Zweitens darauf, wie lange das Team schon zusammenarbeitet. Dies ist verschie-denen Untersuchungen zufolge ein wichtiger Erfolgsfaktor. In den Jahren 2010 bis 2012 gab es viele Wechsel. Da hat fast jeden Tag ein Headhunter angerufen. Und drittens, ob der Manager seine Entscheidungen schnell treffen und umsetzen kann. Opportunitäten in den Emerging Markets treten oft innerhalb relativ kurzer Zeitfenster auf. Wenn der Manager erst auf die Zustimmung eines Investment-Komi-tees warten muss, kann seine Anlageidee ihre Attraktivität bereits verloren haben. ●

„Wenn die Voraussetzungen stimmen, bietet ein Spezialfonds einige Vorteile. Zum Beispiel die Flexibilität, künftig bei Bedarf die Ausrichtung anzupassen. Das ist bei einem Publikumsfonds nicht möglich. Außerdem sitzt der Anleger dem Manager vis-à-vis gegenüber und erfährt aus erster Hand, wo dieser Opportunitäten und Gefahren sieht.“andrEas rEicHEl