Ехтернах 698-1998

19
DIEABTEI ECHTERNACH 698-1998 Herausgegeben von MICHELE CAMILLO FERRARI, JEAN SCHROEDER und HENRI TRAUFFLER In Zusammenarbeit mit JEAN KRIER Publications du CLUDEM Luxembourg 1999

description

О епархији у Ехтернаху, првом организованом стецишту англо-саксонске мисије на Континенту.

Transcript of Ехтернах 698-1998

DIEABTEIECHTERNACH

698-1998

Herausgegeben von

MICHELE CAMILLO FERRARI,

JEAN SCHROEDER und HENRI TRAUFFLER

In Zusammenarbeit mit

JEAN KRIER

Publications du CLUDEMLuxembourg 1999

MICHEL MARGUE

LIBERTAS ECCLESIAEDas Kloster im Spannungsfeld zwischen Adelsherrschaft

und Reichsfreiheitaus der Sicht der Echternacher Quellen (8.-12. Jahrhundert)

(Ausschnitt aus Abb. 4)

Die Geschichte Echternachs im frühen und hohenj Mittelalter ist bi~ dato ..ge~rägt vo~ ~iner primä-ren, wenn auch nicht gänzlich unkritischen, Lese-

art der Echternacher Schriftquellen." Sie geht imwesentlichen auf Camille Wampach zurück, dessen gro-ßes Verdienst es ist, die Echternacher Quellen zusammen-gestellt und der weiteren Forschung zugänglich gemachtzu haben'. In seinem Textband gab Wampach auch einedetaillierte Übersicht über die Klostergeschichte, die abernach der damaligen Vorgehensweise Quellenkritik undGeschichtsdarstellung säuberlich trennte. Dies führte,besonders was die hier zu behandelnde, "quellenarme"Periode von der Mitte des 8. bis zum 12. Jahrhundert an-belangt, zu einer stellenweise unvorsichtigen Übernahmeder Informationen der oft tendenziösen Klosterquellen.Rezente Forschungen zu den Echtemacher Handschrif-ten, diplomatische Studien und auch einige neuereGrabungen haben die Quellenbasis seit WampachsStudien beträchtlich erweitert; auch ist das weltlicheUmfeld der Abtei - vom niederen Adel über die Grafenvon Luxemburg bis zum deutschen König - heure wesent-lich besser bekannt, so daß ein Neuansatz zur Darstellungeiner für das Kloster zentralen Periode gewagt werdenkann, wobei sich dieser im folgenden Rahmen allerdingsauf einige wichtige Aspekte der Klostergeschichtebeschränken muß.Geht man im Gegensatz zu Wampach bei dieser Darstel-lung von den Quellen und nicht von einer traditionellenEinteilung in Früh- und Hochmittelalter, in vor- undnachreformatorische Zeit aus, so zeigt sich, daß die Ech-ternacher Geschichte von etwa 750 bis 1200 einheitlichbehandelt werden muß. Es ist die Zeit der unmittelbarenUnterstellung des Klosters unter die Gewalt des Reichesund des Königs als dessen Verkörperung, die sogenannte"Reichsunmittelbarkeit" oder "Reichsfreiheit", welche dieMönche mit dem Begriff libertas umschrieben. In seiner

• Folgende Studie wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes amCentre universitaire de Luxembourg durchgeführt (MEN/CunLuxI97/004), dies im Austausch mit meinen Kollegen, Dr. Jean Schroederund Dr. Henri Traufller, bei denen ich mich für so manchen Hinweisbedanken möchte. Der libmas-Begriff aus dem Titel stammt aus dem"Libellus" aus dem Ende des 12. Jahrhunderts (siehe unten Anm. 81);zum richtigen Verständnis dieses zentralen Begriffs, vgl, HerbertGRUNDMANN,Freiheit als religiöses, politisches und persönliches Po-stulat im Mittelalter, in: Historische Zeitschrift, 183, 1957, S.23-57 (hier S. 32); Josef SEMMLER,..Traditio und Königsschutz. Stu-dien zur Geschichte der königlichen monasteria", in: Zeitschrift fürRechtsgeschichte, Kan. Abt., 76, 1959, S. 1-33.

1 Camille WAMPACH,Geschichte der Grundherrschaft Echternach imFrührnittelalter, Ill: Texrband, Luxemburg, 1929; 112:Quellenband,Luxemburg, 1930. Bei aller berechtigten Kritik bleibt dieses Werk injeder Hinsicht grundlegend, so daß in der Folge auf permanente Ver-weise aufWampachs Arbeiten verzichtet werden kann.

2 Da sich nach dem Wunsch der Herausgeber aus editorischen Gründender Anmerkungsapparat in Grenzen halten soll, werden in der Folge

---- 230

bewußt polemischen Art hat der Mönch Theoderich amEnde des 12. Jahrhunderts in einer Verteidigungsschriftdie Homogenität dieser Periode aufgezeigt, als das Klosterdiese Freiheit zu verlieren drohte. Bei allen wechselhaftenMachtkämpfen um das Willibrordkloster ist die libertasecclesiae, der Kampf um die Befreiung vor der Einmi-schung oder dem Zugriff durch äußere Kräfte, durchweltliche Äbte, Vögte oder Erzbischöfe, das Leitmotivdieses nach der Gründungszeit zweiten Abschnitts derKlostergeschichte. Diese Zeitspanne läßt sich wieder indrei Perioden einteilen: in einer ersten Zeit, die sich etwavon 750 bis 973 erstreckt, führte dieses Streben zu einerTrennung der weltlichen und geistlichen Bereiche imeigenen Haus, wo nichtregulare Abte und Konvent einenmodus vivendi finden mußten (I). Die sogenannte"Reform" des Klosters im Jahre 973 änderte an diesemSachverhalt nicht allzu viel, wie sich in einer zweitenPhase zeigen wird (II), erneuerte aber den Grundsteinzum Statut Echternachs als Reichskloster, so daß in derzweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine imminenteÜbernahme durch den Erzbischof von Trier abgewehrtwerden konnte (HIp.

IDIE ZEIT DER SÄKULAR-

UND LAIENÄBTE

Als karolingisches Eigenkloster- erlebte Echternach schonbald nach der Gründung eine erste Blütezeit, die durchdie hervorragende Produktion seines Skriptoriums gutbelegt ist4• Über die Folgezeit bis zur ottonischen Reformvon 973 liegt die Echternacher Geschichte allerdingsweitgehend im Dunkeln. Die späteren Klosterquellenzeichnen diese Zeit als eine düstere Epoche, ~eprägt durchinnere Wirren, Verfall geistlichen Lebens, Übergriffe von

nur die rezenten Studien zitiert, die ja dann auch auf die ältere Litera-tur weiterverweisen. Die bibliographischen Angaben erheben dem-nach nicht den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit. ÄltereAbhandlungen und genaue Quellenangaben werden nur dannerwähnt, wenn sie grundlegenden Charakter haben.

3 Zur Frage nach der Bindung an die Familie der Pippiniden und zur Be-zeichnung Echternachs als "karolingisches Eigenkloster", gegen dieEinwände erhoben wurden, vgl, zuletzt Franz J. FELTEN,"Die Bedeu-tung der "Benediktiner" im frühmittelalterlichen Rheinland.Reflexionen, Anmerkungen und Fragen. Teil 11",in: Rheinische Vier-teljahresblätter, 57, 1993, S. 1-49, hier S. 15-19, undjean SCHROEDERund Henri TRAUFFLER,"Zu den Anfangen des Willibrordusklosters inEchrernach", in: Johannes MÖTSCH und Martin 5CHOEBEL,Eiflia Sa-era. Studien zu einer Klosterlandschaft, Mainz (Quellen und Abh. zurmittelrheinischen Kirchengesch., 70),1994, S. 29-53, hier S. 37-39.Zur Bindung Willibrords an die Karolinger besonders: Arnold ANGE-NENDT, "WiIlibrord im Dienste der Karolinger", in: Annalen desHistorischen Vereins für den Niederrhein, 175, 1973, S. 63-113.

• Vg!. hierzu die einschlägigen Beiträge in diesem Band.

Laienäbten und Verwüstungen durch die Normannen,eine Darstellung, die in sehr undifferenzierter Form Ein-gang in die moderne Literatur fand>, Die eher beschei-dene Quellenlage zum 9. und zu der ersten Hälfte des 10.Jahrhunderts und das historiographische Gewicht dermonastisch-reformerischen Quellen des endenden 10. bis12. Jahrhunderts machen in der Tat eine kritische Bewer-tung der von den in der Reformrhetorik gebräuchlichenTopoi nicht leicht.Ursache allen Übels in dieser dunklen Zeit war, sodie Klosterchronik aus der zweiten Hälfte des 12.Jahrhunderts, das Säkularabbatiat, also die Übergabe desKlosters an einen Weltgeistlichen oder an einen Laien,der das geistliche Leben und vor allem die Klosterressour-cen seinen eigenen Interessen untergeordnet habe. Beider Vielfalt der Formen dieser in ihren negativen undpositiven Folgen heute heftig diskutierten Institutionkommt man denn auch nicht umhin, die Zeit derSäkularäbte in Echternach neu zu untersuchen. Zumrichtigen Verständnis für das die ganze Epoche vomspäten 8. bis zum 10. Jahrhundert prägende nicht regu-lare Abbatiat bedarf es einerseits einer Aufzeichnung dergroßen Entwicklungslinien, die zu dieser Institutiongeführt haben, dann aber auch einer nüchternen Bewer-tung der Konsequenzen des Säkularabbatiats auf dasKlosterleben. Nur so läßt sich ein gewisses Verständnisgewinnen für die Haltung der Zeitgenossen gegenübereiner Institution, die erst im letzten Drittel des 10. unddann vor allem im 12. Jahrhundert ins Kreuzfeuer derKritik geriet6•Den Grundstein zum Säkularabbatiat hatte eigentlichschon der sogenannte "Treuevorbehalt" gelegt, den Pip-

5 Diese Sichtweise prägt die älteren Darstellungen der Periode derLaienäbte wie WAMPACH,Grundherrschaft, Bd. Ill, S. 200,Anm. 1, gezeigt hat. Wampach selbst stellt für die Zeit der Laienäbteund Kanoniker keinen inneren Zusammenbruch des religiösen undkulturellen Lebens fest, sondern nur einen "äußeren [sprich: wirt-schaftlichen) Niedergang der Abtei" (S. 198-202). Allgemein bewer-tet er aber das Laienabbatiat als ein "unheilvolles System, ... das mitdem völligen Ruin [der Klöster) enden mußte" (S. 154) und stellt fest,daß dort, "wo die Laienäbte sich niederließen, Wohlstand und Gedei-hen schwanden" (S. 169). Somit trägt er trotz dieser widersprüchli-chen Sicht wesentlich zur negativen Prägung der Epoche des Säkular-abbariars bei. Siewurde bis in die jüngste Zeit übernommen, so z. Bsp.bei Ingrid HEIDRICH, "Die kirchlichen Stiftungen der frühenKarolinger in der ausgehenden Karolingerzeit und unter Ono 1.", in:Rudolf SCHIEFFER,Beiträge zur Geschichte des Regnum Francorum,Sigmaringen, 1990 (Beihefte der Francia, 22), S. 131-147, hierS. 141-142.

6 Für eine nüchterne Bewertung des Laienabbatiats hat sich vor allemFranz J. Feiten eingesetzt. Vgl, Franz FELTEN,"Laienäbte in derKarolingerzeit. Ein Beitrag zum Problem der Adelsherrschaft über dieKirche", in: Arno BORST(Hrsg.), Mönchtum, Episkopat und Adelzur Gründungszeit des Klosters Reichenau, Sigmaringen, 1974 (Vor-träge und Forschungen, 20), S. 397-431; DERS.,Äbte und Laienäbteim Frankenreich. Studie zum Verhältnis von Staat und Kirche im frü-

pin als Gegenleistung für den dem Kloster gewährtenSchutz bei Gelegenheit der Tradition Echternachs anden Hausmeier verlangt hatte. Danach wurde der Kloster-gemeinschaft die freie Abtswahl zugesichert, doch solltein Zukunft aus ihrer Mitte nur ein Abt gewählt werden,der die Gewähr bot, Pippin und seinen Nachfolgern treuergeben zu sein? Die Bindung dieses "Treuevorbehalts"an die königliche defensio und die freie Abtswahl war keinEinzelfall, sondern das Kernstück der pippinidisch-karo-lingischen Klosrerpolitik, ein durchaus neues Element imVergleich zur Merowingerzeit, das die späteren Karolingerbeibehalten werden", Hiermit war der Weg für die Beset-zung der Abtei mit Verwandten oder Freunden offen, einGedanke, der allerdings der Zeit Pippins des Mittlerenund seiner ersten Nachfolger noch fremd war. Faktorenpolitischer Macht wurden die Königsklöster erst im Laufdes 8. Jahrhunderts und dann in zunehmendem Maßeunter Karl dem Großen. Das Kloster Echternach bliebdenn auch zuerst unter der Leitung von angelsächsischenMönchen, Adalbert (739-775/7) und Beornrad (775/7-797). Die Kontinuität zu Willibrords Zeit zeigt sich alsoschon in der Abstammung der Nachfolger Willibrords,die vermutlich mit ihrem Vorgänger verwandt waren",aber auch in ihren Anstrengungen zum Aufbau des Willi-brorduskulres!",Unter Karl dem Großen bestätigt sich dann in Echternachdie seit Karl Martell schon allgemein feststellbare Ten-denz, die Äbte zu politischen oder "staatlichen" Zweckenheranzuziehen. Diese Entwicklung bahnt sich schonunter Abt Beornrad an, der, obwohl 785/786 zum Erzbi-schof von Sens erhoben, die Leitung Echternachs alsrector - der Echternacher Urkundenschreiber vermeidet

heren Mittelalter, Stuttgart, 1980 (Monographien zur Gesch. desMittelalters, 20). Eine eingehende Studie zu der Entwicklung des Lai-enabbatiats im 10. Jahrhundert fehlt. Vgl. Michel PARISSE,"Noblesseet rnonastere en Lotharingie du IX· au XI· siede", in: R. KOTTjEundH. MAURER(Hrsg.), Monastische Reformen (wie Anm. 48), S. 167-196 (hier: S. 173-182).

7 ••• ut cum ipse[beatusJWillibrordus de hac luce migraverit, ipsi fratresquem ex semetipsis rlegerint, sibi constituant abbatem ea ratione,ut beredibus nostrisin omnibus fidelis appareat (WAMPACH,Grundherr-schaft Bd. 112, S. 41-43, Nr. 15 vom 13. Mai vermutlich desJahres 706).

8 Zur Klosterpolitik Pippins 11.Franz ], FELTEN,Äbte und Laienäbte imFrankenreich. Studie zum Verhältnis von Staat und Kirche imfrüheren Mittelalter, Stuttgart, 1980 (wie Anm. 6), S. 129-134, 139-140, mit weiterführender Lireratur, Vgl. auch DENS.,Die Bedeutungder Benediktiner (wie Anm. 3), S. 18-19.

9 Zur freilich "nieht zweifelsfreien" Verwandtschaft Adalberts mit Wil-Iibrord, siehe ANGENENDT,Willibrord (wie Anm. 3), S. 97f. (dortauch zu Beornrad).

10 Zu den einzelnen Elementen des Kultes (Willibrordviten, Trans-latio der Gebeine des Heiligen, Umbauten im Chorraum, Wall-fahrt und Schenkungen, Bau einer größeren Kirche), vg!.SCHROEDERlTRAUFFLER,Anfänge (wie Anm. 3), S. 46-51.

231 _

bewußt den abbas- Titel - bis zu seinem Tod 797 beibe-hielt!', Als Mitglied des gelehrten Hofkreises um Karl denGroßen stand er diesem besonders nah, was sich auchdarin zeigte, daß Karl ihn als missus mit Staatsaufgabenbeauftragte, der angelsächsische Abt seinerseits eineWillibrordusvita schreiben ließ, die zum Loblied auf dieKarolinger geriet'". Ob Beornrad seine Nennung zum Abtvon Echternach Karl dem Großen zu verdanken hatte, istnicht expressis verbis in den Quellen belegt, kann aberdoch angenommen werden.

Wie eng der König über die Führung seines Klosters ver-fügte, zeigt sich nämlich in der Folge, als Karl unter demTitel des custos et rector die Leitung der Abtei selbst über-nahrnl'', Es wäre sicher verfehlt, seine kurze Zeit an derSpitze des Klosters als "Laienabbatiat" zu bezeichnen.Vielmehr muß es sich hier um eine Art "Vakanz" gehan-delt haben, wie ja auch aus den Urkunden dieser Zeithervorgeht, die den Abtstitel sorgfältig meiden. WelcheAusnahmesituation Karl dazu bewog, den Abtstitel nichtzu vergeben, ist nicht bekannt. Doch drückt der sorgfäl-tig ausgesuchte Titel den rechtlichen Status des königli-chen Eigenherrn präzise aus, was darauf hindeutet, daßdie Klostergemeinschaft diesen auch richtig einschätzte.Im Vergleich zur ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts ist so-mit um 800 ein klarer Bruch festzustellen: Von einerfreien Abtswahl - falls die Klostergemeinschaft jemalswirklich ohne äußere Einmischung frei gewählt hatte -kann nicht mehr die Rede sein. Doch scheint der Könignoch in einer ersten Phase davon abgesehen zu haben,einen Abt außerhalb der Klostergemeinschaft zu nennen.Vielleicht ließe sich auch das Schweigen der um die Jahr-hundertwende ausgestellten Urkunden zum Abtstitel indieser Richtung erklären+t; erst mit Abt Ado wäre dannein geeigneter Kandidat (aus dem Kreis der EchternacherMönche?) gefunden worden.

Ein weiterer Schritt in Richtung Laienabbatiat der spätenKarolingerzeit erfolgte dann unter Ludwig dem From-men. Dort wo sein Vater noch vorsichtig vorgegangenwar, scheute Ludwig nicht mehr davor zurück, "fremde"geistliche Würdenträger mit der Abtswürde in Echternachzu "belohnen". Nur so läßt sich die Nennung Sigoaldserklären (um 817), der als Bischof von Spoleto (814-827) kaum in die konkrete Leitung der Abtei eingreifen

11 Vgl. Ulrich NONN, Artikel "Beornrad', in: LexMA, I, Zürich-Mün-chen, 1980, Sp. 1925.

12 Waiter BERSCHlN,Biographie und Epochenstil im lateinischenMittelalter, Bd. 3: Karolingische Biographie, Stuttgart, 1991 (Quel-len und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters,10), S. 126 ff.

13 Undatierte Urkunde bei WAMPACH,Grundherrschaft Bd. 1/2,S. 183-184, Nr. 114, mit nüanciertem Kommentar zum litel Karls.

14 WAMPACH,Grundherrschaft Bd. 112,Nr. 115-120, S. 184-189.

_____________ 232

konnte. Sigoald wird denn auch nur in Kaiserurkundenerwähnt; dort gibt man ihm den abbas-Titel, was einEchternacher Schreiber vielleicht noch vermieden hätte'>.Sein Nachfolger war Hetti, Erzbischof von Trier (814/16-847), welcher der hohen Reichsaristokratie angehörteund dessen Familie im Saar- und Moselraum mit kirch-lichen Leitungsämtern betraut warl6• Hetti war einVertrauter Kaiser Ludwigs des Frommen; er fungierteals Legat in dem kaiserlichen Missatsystem und kontrol-lierte in seinem Sprengel die kaiserliche Heeresorgani-sation. Als treuer Anhänger Ludwigs erhielt Hetti dieAbtei Echternach vom Kaiser, wohl in den Jahren um830. Abbas rectorque nennt er sich selbst in seinen Ur-kunden aus den dreißiger Jahren des neunten Jahr-hunderts'? Eine Echternacher Urkunde aus der gleichenZeit erwähnt den gleichen Titel, was zeigt, daß mandie feine Differenzierung, die noch zur Zeit Karls desGroßen bestanden hatte, nun aufgegeben hatls• Die engeVerflechtung seiner politischen und kirchlichen Funktio-nen erweist ihn als einen typischen Vertreter des karolin-gischen Reichskirchensystems, das zur Instrumentalisie-rung vieler Abteien führte. Die Klöster und ihre Leiterwaren nun in den Staat integriert, eine Entwicklung,die am Beispiel Echternachs musterhaft aufgezeigt werdenkann. War Beornrad noch als Abt zum Erzbischof auf-gestiegen, so findet am Anfang des 9. Jahrhunderts eineentgegengesetzte Entwicklung statt: Mit Sigoald undHetti werden zwei Bischöfe in Anerkennung ihrer Ver-dienste mit dem Echternacher Abbatiat "belohnt", ob-wohl sie das mönchische Leben der Klostergemeinschaftkaum teilten.

Diese Entwicklung läßt sich erklären, da die Abtei an derSauer wie viele Klöster jener Zeit mit dem Aufblühen desWillibrordkultes eine erste Aufwertung erfahren hatte, sodaß das Abbatiat an Attraktivität gewann. Andererseitswird die Tendenz zur Besetzung großer Abteien mitFreunden und Verwandten des Kaisers immer deutlicher,was wiederum daran lag, daß die Klöster in immer größe-rem Maß für die Bedürfnisse des Staates aufkommenmußten.

Damit war dann der Weg frei für das eigentliche Laien-abbatiat, die Übergabe eines Klosters mit allen Rechtenan einen weltlichen Großen, insbesondere an Grafen, die

15 WAMPACH,Grundherrschaft Bd. 1/2, Nr. 138 und 139, S. 204-208.16 Zu Erzbischof Hetti vgl. den letzten Überblick bei Hans HubertANTON,"Trier in der hohen und späten Karolingerzeit" , in: DERS.und Alfred HAVERKAMP(Hrsg.), Trier im Mittelalter, Trier, 1996(2000 Jahre Trier, Bd. 2), S. 72-73, 97-98.

17 WAMPACH,Grundherrschaft, Bd. 112,Nr. 140 und 141 S. 208-212.18 Ibid., Nr. 143, S. 213-215; Nr. 142, S. 212-213, benützt das kürzere

Formular, wo der Abt nicht genannt wird.

sich weder dem geistlichen, noch insbesondere demmönchischen Leben unterwarfen. Obwohl sich die Ent-wicklung zum Laienabbatist - wie oben gesehen - pro-gressiv vollzog, ist der Bruch für die Mönchsgemein-schaft dennoch radikal. Waren manche Bischöfe, welchedie Abtswürde in Echternach bekleideten, mit dem regu-laren Leben vertraut, weil sie, wie zum Beispiel BischofHatto von Verdun (nur in den späteren Abtskatalogen fürdie Zeit von 856 bis 864 erwähnt) - zuvor wohl Mönchin der bedeutenden Abtei Saint-Germain in Auxerre -aus einer Klostergemeinschaft kamen, oder wie BischofHetti von Trier mit Fragen der monastischen Observanzin ihrem Bistum befaßt waren, so kann man kaum an-nehmen, daß weltliche Vorsteher sich in die geistlicheLeitung einschalteten. Dies führte zu einer mehr oderweniger strikten Trennung zwischen der "politisch-wirt-schaftlichen" und der geistlichen Leitung, die sich in derAufgabenteilung zwischen abbas und praepositus aus-drückte.

Doch bleiben die negativen Konsequenzen dieser Tren-nung noch zu untersuchen. Genausowenig wie die weltli-che Leitung zum fatalen Zugriff in die Klostereinkünfteführen mußte, ist auch der Niedergang des geistlich-kul-turellen Lebens der Klostergemeinschaft durch das Laien-abbatiat vorprogrammiert gewesen. Als erster Laienabt imstrengen Sinn wird in einer Echternacher Urkunde ausden Jahren 855/856 Graf Adalhard mit abbas et rector be-tireltl". Oheim der Königin Ermentrude, der GemahlinKarls des Kahlen, war Adalhard Seneschall Ludwigs desFrommen, ergriff dann nach dem Tode Ludwigs Partei fürKarl den Kahlen, um sich schließlich aus ungeklärter Ur-sache ins Mittelreich zu begeben. In den fünfziger Jahrenfinden wir ihn dann im Umkreis Lothars I. und seineszweiten Sohnes, der ihn allerdings auch 861 aus seinemReich verwies-", Als enger Berater der beiden Lotharewurde er von diesen mit vier großen Abteien ausgestattet,von denen Echternach, Sankt Maximin und Stablo imMaas-Moselraum reich begütert waren. Auf Geheiß seinesOnkels Ludwigs des Deutschen verbannte Lothar 11.seinen mächtigen Berater aus seinem Reich, vermutlichweil er in das Komplott des Markgrafen Ernst und seinerkonradinischen Verwandtschaft im Ostreich verwickeltwar-', Sein Exil führte ihn zurück an den Hof Karls des

19 Ibid., Nr. 145, S. 217-218.20 Zu ihm siehe Ferdinand Lor, "Note sur le senechal Alard (Melanges

carolingiens, V)", in: Le Moyen Af,e, 21, 1908, S. 185-209.21 Zu dieser These, vg!. Roben PARISOT, Le royaume de Lorraine sous

les Carolingiens (843-923), Paris, 1899, S. 184-188.22 Überblick und Zusammenstellung der Quellen bei Camille WAM-

PACH, Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxembur-gischen Territorien ... , I, Luxemburg, 1935, Nr. 105, S. 107-108.Zu Karlmann, der von seinem Vater nicht weniger als sechs Klöster

Kahlen, der ihn mit den andern Verbannten gut aufnahmund wieder reich mit bonores segnete, unter anderem mitder Abtei Saint-Symphorien in Autun, Benefizien, die erdann erneut 861 verlor, als er wiederum vorübergehendin Ungnade fiel.

Der Fall Adalhard zeigt mustergültig, wie unter denNachfolgern Ludwigs des Frommen die Vergabe vonKlöstern zum geläufigen Mittel wurde, um neue Anhän-ger zu gewinnen oder alte neu an den Herrscher zu bin-den. Die häufigen Parteienwechsel in diesen Nachfolge-kämpfen begünstigten diese Entwicklung, die sich in demzwischen Ost und West hin und her gerissenen Lotharin-gien verschärfte und sich bis zur endgültigen Angliede-rung des ehemaligen Reiches Lothars 11.an das Ostreichoder besser bis zur Beilegung der Fehden zwischen Adels-faktionen unter Otto I. hinzog. Demgemäß wurdendie Reichsklöster auch als wertvolle Vermögensobjekteausdrücklich in den karolingischen Teilungsverträgen"gehandelt" und aufgeführt: 870 in Meerssen fiel dasWillibrordkloster dem Ostreich zu, so daß Graf ReginarI., Parteigänger Karls des Kahlen, das Abbatiat abgebenmußte. Dieses wurde dann Karlmann, dem Sohn Karlsdes Kahlen, übertragen. Dieser war nach seinem miß-glückten Aufstand gegen seinen Vater geblendet und inder Abtei Corbie interniert worden. Doch seine Vasallenerlösten ihn aus dieser Klosterhaft und geleiteten ihn insOstreich zu seinem Onkel. Sozusagen als Unterhalt über-ließ ihm dann Ludwig der Deutsche die Abtei Echternachbis zu seinem Tod 877/87822•

In den innerfränkischen und innerlotharingischen Wir-ren war Kloster Echternach zum Spielball der adligenSippen geworden. Zwei Familien vor allem stritten sichab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts um die Vor-herrschaft, ohne daß eine der beiden, vom jeweiligenHerrscher begünstigt, seine Gegner endgültig ausschal-ten konnte. Es waren dies die Familie der Reginare ein-erseits-', die mit Graf Reginar (von 864/865 bis 870),Reginar Langhals (von 897 bis 915 mit einer Unterbre-chung von 898 bis 900, die auf seinen Zwist mit KönigZwentibold zurückzuführen ist) und vielleicht auch des-sen Sohn Giselbert das Laienabbatiat in Echternachbekleideten, sowie die Sippe der sogenannten Matfridin-

im Westfrankenreich erhalten hatte, siehe im Überblick ChristianSETIIPANI, La Prehisroire des Capetiens 481-987. I: Merovingiens,Carolingiens et Robertiens, Villeneuve d'Ascq, 1993 (Nouvelle hist.gcneaI. de I'auguste Maison de France. cd. Patrick VAN KERRE-BROUCK, I), S. 310.

23 Zu den beiden Reginaren, wohiOheim und Neffe, vg!. das etwasüberholte aber noch immer nützliche Werk von Carl KNETSCH, DasHaus Brabant, Darmstadt, o. J. (1918), S. 11-12 mit Anm. 2.

233 _

ger oder besser Adalharde-", mit Adalhard I.und seinemgleichnamigen Nachfolger (als Abt nach dem Tode Karl-manns 877/878 bezeugt). Neben ihnen hatte zur Zeit derEigenständigkeit Lorharingiens auch noch der Erzbi-schof von Trier eine große Bedeutung, der seine Erzkanz-lerwürde auch über das Ende Zwentibolds behielt. Erz-bischof Radbod ist 895 als Vorsteher der EchternacherAbtei erwiesen, ehe er 896 bei Zwentibold in Ungnadefiel. Sämtliche niche regularen Äbte werden in den Ech-ternacher Urkunden als abbas et rector bezeichnet, "wel-che der Klostergemeinschaft vorstehen", behalten aberauch ihren weiteren Funktionstitel als episcopus odercomes. Mit dem letzten Laienabt, Graf Sigfrid, tauchtdann in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts einedritte Sippe in Echternach auf, die Nachfolger des Gra-fen Wigerich, die sogenannten "Adalberone". Als treueAnhänger Ottos I. griffen sie die Unterstützung auf, dieder König den Erneuerungsbestrebungen innerhalb derReichsklöster gewährte, und die von dem nahegelegenenTrierer Kloster Sankt Maximin ihren entscheidendenImpuls bekam.In diesem kurzen Überblick über die großen Enrwick-lungslinien, die zum Laienabbatiat geführt haben, wirdschon ersichtlich, wie progressiv und dem jeweiligenpolitischen und rechtlichen Kontext entsprechend dieabbatia zu einem honor wurde, die wie andere Benefizienals Lehen ausgegeben und dann wohl auch als Einnahme-quelle betrachtet werden konnte. Im Gegensatz zu ande-ren "weltlichen" Lehen wie einer Grafschaft oder einemHerzogtum, brachte das Kloster dem Abt aber auchspirituelle "Einnahmen" in der Form der Fürsorge fürihre memoria, die sich im Gebet der Mönche oder einerGrablege in der Klosterkirche zeigte. Schon allein ausdiesen materiellen wie auch geistigen Ursachen konntedem Laienabt wohl kaum daran gelegen sein, seine Abteizu ruinieren. Dies wird jedoch der erste der Hauptvor-würfe sein, die gegen das weltliche Abbatiat gerichtet wur-den.Als erstes soll hier jedoch betont werden, daß eine Kritikder Klostergemeinschaft gegen ihre nicht regularen Vor-steher in keiner zeitgenössischen Quelle auftaucht. Kritikgegenüber den Laienäbten wird erst 973 mit der Reorga-nisation des Klosterlebens durch Otto I.und Graf Sigfridlaut, und diese richtet sich dabei in einer ersten Phaseauch wesentlich nur gegen die Einführung der Kanonikerdurch den inuasor Karlmann, der das monastische Leben

24 Zur Verwandtschaft der Matfridinger mit den Adalharden, siehe Edu-ard HLAWITSCHKA,Lotharingien und das Reich an der Schwelle derdeutschen Geschichte, Stuttgart, 1968 (Schriften der MGH, 21),S. 189, Anm. 12, und ausführlicher: DERS.,Die Anfänge des HausesHabsburg-Lothringen, Saarbrücken, 2969 (Veröff. d. Kom. für saar-ländische Landesgeschichte und Volksforschung, 4), S. 154-171("Die älteren Matfriedinger und die Adalharde im 9. Jahrhundert").

--- 234

zerstört habe.". Laut dieser Urkunde, die den Grundsteinzur Reform der Abtei legte und dadurch auch in ihrerArgumentation und Wortwahl modellhaften Charakterhatte, ist die Abkehr von der Benediktinerregel der Grundallen Übels, wobei diese dann auf die Person Karlmannszurückgeführt wird. Wie wir weiter unten sehen werden,dienten die ottonischen Reformbestrebungen unter demImpuls der Maximiner Äbte in erster Linie der religiösenErneuerung; nur durch die Bindung der Klostergemein-schaft an eine strenge monastisch-benediktinischeLebensweise konnten die Reichsklöster ihren Missionengerecht werden, die sowohl der ganzen christlichenGemeinschaft als auch insbesondere ihrem Herrn, demKönig und seiner Familie zu Gute kamen. Freie Abtswahl,Reichsunmittelbarkeit und Königsschutz, wirtschaftliche"Gesundung" und Ausbau der Klostereinrichtungendienten diesem Zweck. Dabei kam der freien Abtswahleine besondere Bedeutung zu, da die Klöster in der Nach-folge des karolingischen Reichskirchensystems eng in diestaatlichen Bedürfnisse eingebunden blieben, der Abt alsoneben der religiösen Leitung auch weiter politische Auf-gaben wahrnehmen mußte26• So wundert es nicht, daß inseiner "Reformurkunde" Orto I. auch gleich den Mön-chen das Wahlprivileg verlieh, unter der Bedingung, daßder zukünftige Abt dem religiösen Lebenswandel derReformmönche entsprechen würde.

Auf den ersten Blick mutet diese Entscheidung wie eineRückkehr zu den Ursprüngen, zum Schutz- und Wahlpri-vileg Pippins des Mittleren an, insbesondere wenn mansich bewußt ist, daß die Ottonen die enge Kontrolle überdie Abtswahl behielten. Indirekt wäre damit auch eineKritik an den Säkularäbten enthalten, da diese nichtsecundum ordinem sanctum lebten, wie die Urkunde Pip-pins 11. sagt, oder sich nicht als religiose uite congruumerwiesen, wie Octo I.schreiben ließ. In der Tat wurde inden Schutz- und Immunitätsprivilegien Kar! Martells,Pippins, Karls des Großen und Ludwigs des Frommenkeine freie Abtswahl mehr erwähnt, was, wie wir oben ge-sehen haben, zur "Verweltlichung" der Äbte führte. AlsOtto 11. nach dem Vorbild seines Vaters Echternach inseinen Schutz nahm, orientierte sich der EchternacherUrkundenschreiber an dem Diplom Ludwigs des From-men, ging aber über diese Vorlage hinaus indem er dieregula sancti Benedicti als Norm der monachica conuersatiovorschrieb und den auf diese Lebensnorm festgelegtenMönchen die libera electio garantierte-",

25 MGH DD, D. O. 1/427,S. 580-581 vom 15. März 973.26 Einen guten Überblick über den Einsatz der Maximiner Reformäbte

im Dienste des Staates findet man bei Michel MARGUEund JeanSCHROEDER,"Aspects du rayonnement intellectuel de Treves dans ladeuxieme moitie du Xe siede", in: PSH, 106, 1991, hier S. 74-82.

27 MGH DD, D. O. 111217,S. 244-245 vom 1. Juni 980, vermutlichvon einem Echtemacher Mönch verfaßt (ibid., S. 244).

Man sollte nun aber diese Kritik der von den Ottonenunterstützten Trierer Reformkreise des späten 10.Jahrhunderts nicht auf die vorhergehende Zeit übertra-gen, insbesondere da der durch die Trierer-ottonischeReform angestrebte Zielpunkt, die Regel Benedikts, fürjene Epoche in Echternach nicht als Maßstab geltenkonnte. Als gegen Ende des 8. Jahrhunderts Karl derGroße darauf drängte, den Text der Regel Benedikts füralle Klöster seines Reiches verbindlich zu machen unddiese auf den Aachener Versammlungen 816/817 im Zu-sammenwirken Ludwigs des Frommen und Benediktsvon Aniane zum Gesetz erhoben wurde, hat sich die Ech-ternacher Kongregation dieser Normierung des Kloster-lebens nicht angepaßt. Vollends verzerrt ist allerdings dieAussage der "Reformurkunden" Ottos I. und seinesNachfolgers, der Laienabt Karlmann hätte die benedikti-nischen Mönche ausgestoßen und sie durch Kanonikerersetzt. Dieser Reformrhetorik wird man das Zeugnisder Urkunden entgegensetzen müssen. Diese nennen fürdie zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts eine congregatio mo-nachorum sub sancta ordine conuersare oidetur-", erwähnenaber auch sancti monachi vel presbiteri vel omnis clerus quiibidem die noetuque operi Dei insistunt-", Wenn auch dererste Passus auf ein regelgerechtes Leben der Mönche hin-weist, das dann vielleicht schon seit Willibrord benedikti-nisch geprägt war30, so wird der Name Benedikts andersals bei der Erneuerungsbewegung des späten 10. Jahrhun-derts nicht explizit genannt. Die zweite Textpassage deu-tet dabei gar auf eine eher undefinierte Formung des Kon-vents hin, wobei die hier benutzten Begriffe allerdingsauch nicht überinterpretiert werden dürfen. Da aber vombenediktinischen Mönchtum im eigentlichen Sinn erst abden Grundsatzentscheidungen von 816/817 die Rede seinkann, muß die in der Reformrhetorik gebrauchte Gegen-überstellung zwischen mönchischer und kanonialerLebensweise als anachronistisch abgetan werden.

28 WAMPACH,Grundherrschaft, Bd. 112,N r. 50, S. 115-117 (DiplomKönig Pippins aus den Jahren 751-768).

29 Ibid., Nr 75, o. J., S. 138-139 (Schenkung aus den Jahren 774-775).30 Die stärker benediktinische Grundprägung bei Willibrord wird in der

Forschung viel diskutiert; vgl. FELTEN,Bedeutung (wie Anm. 3), 2,S. 30, mit der Literarur hierzu. Für die Einführung der benedlkrini-sehen Mönchsregel in Echternach spricht sich Hans Hubert ANTON,"K1osterwesen und Adel im Raum von Mosel, Saar und Sauer inmerowingischer und frühkarolingischer Zeit", in: Willibrord, Apostelder Niederlande, S. 121, aus.

31 Ibid., Nr. 145, o. J., mit der unsicheren Datierung nach dem erstenRegierungsjahr Lothars H.

32 Im ältesten Ahtsverzeichnis aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhundertswird die Einführung der Kanoniker auf einen unerklärlichen Planoder gar auf den Zufall zurückgeführt: Nescimus quo ordine vel quoeuentu, Adelardus comes suscepit nomen abbatis, introductisque clericisHiltgerum prepositum preficit eis ("Catalogus I", ed. Georg WAlTZ,MGH SS, 13, Hannover, 1881, S. 738). Unter Adalhard werden in

Benediktiner im Sinne der Entscheidungen Benediktsvon Aniane waren die Kongregationsmitglieder Echter-nachs nie gewesen; als solche konnten sie also auch nichtvertrieben worden sein. Vielmehr deutet die spärlicheQuellenbasis darauf hin, daß die Echternaeher fratres amBeginn des 9. Jahrhunderts ihre althergebrachten Tradi-tionen beibehielten und so gezwungenerweise dem ordocanonicus zugeordnet wurden. Ab 855/856, also aufjedenFall vor dem Abbatiat des Karolingers Karlmann, sind siedenn auch in den Quellen als Kanoniker belegt, die aus-drücklich sub regula canonica lebten!'. Es wäre demnachauch verfehlt, im Sog der Reformrhetorik eine angeblicheEinführung der kanonialen Lebensführung dem LaienabtKarlmann oder, nach den Abtskatalogen aus dem 12.Jahrhundert, dem Laienabt Adalhard (um 855) zuzu-schreibent-, da die Option für den ordo canonicus sich ausdem äußeren Druck nach 816/817 ergab und wohl855schon längst beschlossene Sache war33• In dem Sinnesollte man auf die Aktion Erzbischof Hettis in denBischofsklöstern seines Einflußbereiches hinweisen, dernach den Aachener Entscheidungen auf eine klare Schei-dung zwischen kanonikaler und monastischer Observanzdrängte, wobei seine Vorliebe den Kanonikern galt34•Ein zweiter Vorwurf, den die moderne Geschichtsschrei-bung an die Regierung der Laienäbte gerichtet hat, ist der-jenige des wirtschaftlichen Niedergangs des Klosters zuihrer Zeit. In den Echternacher Quellen vor der Reformim Jahre 973 taucht dieser Vorwurf allerdings nicht auf;indirekt könnte man ihn aus einzelnen Pönformeln derUrkunden herauslesen, welche die Sorge der Donatorenund der Kanoniker gegen einen fremden Zugriff auf dasgeschenkte Gut ausdrücken. In der Tat nehmen dieSchenkungen an das Willibrordkloster seit der ZeitLudwigs des Frommen im Vergleich zum 8. Jahrhundertstark ab. Allerdings kann man auch, wie bei anderen Klö-stern, feststellen, daß sich die Schenkungen nach einem

den Echternaeher Urkunden, die dem Autor desAbtskatalogs zur Ver-fügung standen, zum ersten Mal Kanoniker erwähnt, was den Kom-pilator wohl dazu bewog, Adalhard für deren Einzug verantwortlichzumachen.

33 Vgl. auch Josef SEMMLER,"Benedictus H: una regula - una consue-tudo", in: W. LoURDAUXund D. VERHELST,Benedictine culture 750-1050, Löwen, 1983 (Medievalia lovaniensia. SeroI; Stud. 11), S. 1-49,hier S. 17-18, der den Wechsel des ordo "als langestreckten Vorgang"betrachtet. Von einem "Wechsel des ordo" sollte man m. E. nach denobigen Überlegungen nicht reden. Zur Frage der Observanz der früh-mittelalterlichen Klöster, vgl. jetzt zusammenfassend: JosefSEMMLER,"Le monachisme occidental du VIIIe au Xe siede. Formation etreformation", in: Revue Benedictine, 103, 1993 (Le monachisme aByzance et en Occident du VIle au Xe siede. Aspects internes et rela-tions avec la societe. Acres du colloque intern. ... 1992, ed. AlainDIERKENSet al.), S. 68-89 (zu Echternach: S. 83 und 85).

34 Vg!. den Überblick bei ANTON,Trier (wie Anm. 16), S. 97-98.

235 _

ersten Höhepunkt, der mit dem Aufblühen des Willi-brordkultes zusammenhängt, auf einem normalen Niveaueingependelt haben. Wampach jedoch führte die nachlas-sende "Schenkungslust" auf die Güterentfremdungendurch die Laienäbte zurück35• Der Sinn einer Schenkungkonnte in der Tat nur der sein, daß der Schenker in dasdauerhafte Gebet der Geistlichen aufgenommen wurde;waren diese jedoch durch die Einteilung des Konvents-guts in persönliche Pfründen und durch ein privatesLeben außerhalb der religiösen Gemeinschaft derart"verweltlicht", daß es zu keinem regelmäßigen Offiziummehr kam, konnten die Schenkungen ihren Sinn nichtmehr erfüllen. Die Scheidung des Abteibesitzes zwischenAbts- und Konventsgut hätte dem dann entgegengewirkt,indem sie ein Sondervermögen zur dauerhaften Sicherungder Subsistenz der geistlichen Gemeinschaft schaffte. DieZweckentfremdung durch den Abt in Form von Veräuße-rungen (Lehen oder Prekarien) oder durch Reichsforde-rungen (Servitien) war somit ausgeschlossen, da sie sichauf das Abtsgut beschränken mußte. Daß die Trennung inAbts- und Konventsgut die Verfügungskraft des Abtesüber die mensa fratrum in der Praxis nicht immer kom-plett ausschaltete, ändert jedoch nichts an der allgemei-nen Feststellung, daß sie somit die Machtfülle des Abteswesentlich reduzierte bei gleichzeitigem Erstarken desKonventes=.

Beläßt man es beim schwer zu überprüfenden Topos derInanspruchnahme des Klostergutes der Gemeinschaftdurch die Laienäbte, so muß dennoch die Frage nach derEntstehungszeit der mensa fratrum kurz aufgeworfen wer-den. Einen ersten Hinweis auf eine Gütertrennung tauchtunter Laienabt Adalhard um die Mitte des 9. Jahrhun-derts auf in eben jener Schenkung, welche die Kanonikerals erste ausdrücklich erwähnt: Ihre Bedürfnisse - ad eo-rum stipendia - soll das tradierte Gut decken, und wederein Abt, Bischof oder Graf, noch ein anderer Machthabersoll dieses seinem Zweck entfremden können-". Die indieser ausgesprochen präzisen Pönformel anklingende Be-sorgnis des Schenkgebers, die sich eindeutig gegen die Sä-kularäbte richtet, soll hier nicht mißverstanden werden,indem man den Laienabt der damaligen Zeit als denpotentiellen "Rivalen" der Klostergemeinschaft ansieht.Ganz im Gegen teil, war es doch Laienabt Adalhard selbst,der die Einrichtung einer mensa fratrum in manchenseiner Abteien erwirkte-". Obwohl dies für das Kloster

35 WAMPACH, Grundherrschaft, Ill, S. 206.36 Vgl, Dieter HÄGERMANN,"Der Abt als Grundherr. Kloster und Wirt-

schaft im frühen Mittelalter", in: Friedrich PRINZ (Hrsg.), Herrschaftund Kirche, Stuttgart, 1988 (Monographien zur Geschichte desMittelalters, 33), hier S. 375-383.

31 WAMFACH, Grundherrschaft, 1/1, Nr. 145, o. J. (855/856) (sieheoben,Anm.31).

---- 236

Echternach nicht ausdrücklich bezeugt ist, fällt doch dieErsterwähnung des Konventsguts in seine Zeit, so daßihre Entstehung auch hier auf seine Initiative zurück-geführt werden könnte. Die in der Schenkungsurkundegewählte Formulierung muß also in dem Sinn verstandenwerden, daß der Schenkgeber seine donatio vel traditio vorzukünftigen Übergriffen gesichert haben will.

Vielleicht erklärt sie sich aber auch aus den schlechtenErfahrungen der vorherigen Zeit. Vergleicht man nämlichden Zeitpunkt der Einrichtung der mensa fratrum undder ersten Verwendung der obengenannten Pönformelmit der Entwicklung der Schenkungen an die Kloster-gemeinschaft, so läßt sich Folgendes sagen: Nach denAachener Beschlüssen von 816/817 fiel das Schenkungs-volumen auf einen absoluten Tiefpunkt, der dem Abba-tiat der ersten Säkularäbte entsprach, der Bischöfe Sigoaldund Hetti. Der erste Laienabt Adalhard wirkte dieser Ent-wicklung entgegen, indem er die Trennung von Abts- undKonventsgut veranlaßte, dies mit negativen und positivenFolgen für die Kanoniker. Einerseits wurde der Verlustvon Klostergut aus der vergangenen Zeit hiermit bestätigtund Zweckentfremdung von weiterem Abtsgut ermög-licht. In welchem Umfang dies der Fall war, bleibt aller-dings noch präziseren Studien vorbehalten: Für dieEntwicklung des Abtsguts fehlen bisher jegliche Zusam-menstellungen. Andererseits wurden aber auch denKonventsmitgliedern angemessene Pfründen garantiert.Das Ansteigen des Schenkungsvolumens in der nunfolgenden Zeit zeigt, daß das Vertrauen der Donatoren inden Konvent wieder gewachsen war. So erfolgten unterden nächsten Laienäbten regelmäßig Schenkungen admensam fratrum39, so daß man annehmen muß, daß diein Echternach schon früh durchgeführte Trennung vonAbts- und Konventsgut für geordnete wirtschaftliche Ver-hältnisse sorgte. Ob die acht in der Bestätigung Zwenti-bolds genannten Orte des Konventgursw, wie Wampachangibt, wirklich nur noch einen geringen Teil "des ehema-ligen großen Klosterbesirzes" bildeten, müßte eine weitereDetailstudie zeigen.

Wäre damit auch Zweckentfremdung von Klosterguti~direkt bewiese!!, so darf man sie nicht pauschal allennicht regularen Abten zuschreiben, und schon gar nichtnur den Laienäbten. Vielmehr zeigt sich, daß diese nachder Gütertrennung um die Mitte des 9. Jahrhunderts demKonvent Einkünfte sicherten, die ein Weitergedeihen des

38 FELTEN,Laienäbte (wie Anm. 6), S. 51.39 Eine Aufzählung findet sich bei WAMPACH, Grundherrschaft, Ill,

S. 205, Anm. 1 (siehe auch S. 296-297). Die Schenkungen fließen nurnoch ausnahmsweise an den Abt (ibid., S. 204, Anm. 4).

40 MGH DD, D. Zwen. 5 vom 28. Oktober 895, S. 25-27.

Abb. 1 - Echternacher Sakramentar, ausgehendes 9. Jahrhundert.(Paris, BNF lat. 9433, fol. 21r)

religiösen und kulturellen Lebens ermöglichten. Soerwirkte Laienabt Reginar I. am Ende des 9. und amBeginn des 10. Jahrhunderts mehrere Schenkungen an dieKanoniker; er ließ auch die Konventsgüter durch denKönig bestätigen und erweiterte sie selbst um drei Güter.Desweiteren ließ er die unter seinem Vorgänger dem Kon-vent unrechtmäßig entzogene villa Cruchten zurücker-statten+', Der Abschluß von bestimmten Prekarieverträ-gen, also die Praxis der Weggabe von Klosterbesitz auflän-gere Zeit zum Zweck künftig größeren Gewinns, die seitder Zeit Karls des Großen in Echternach durchaus nichtrückläufig ist, zeigt auch, daß die Kanoniker mit ihrenPfründen auskamen und die wirtschaftliche Lage nichtunbedingt so schlecht war. Schließlich werden wir weiterunten sehen, daß für die von der am Ende des 12. Jahr-hunderts in der Klosterchronik gemachte Behauptung,der Karolinger Karlmann und später König Arnulf hättenKlostergut an ihre Vasallen ausgeteilt, der eine um seineVasallen im Aufstand gegen seinen Vater zu belohnen, derandere um das Reichsheer gegen die Normannen zu stär-ken, es keinerlei Bestätigung in den Quellen gibt.

Ein untrügliches Zeichen für die nicht hoffnungsloseWirtschaftslage des Konvents ist schließlich in der Ent-wicklung des Echternacher Skriptoriums dieser angeblich"düsteren" Zeit zu sehen. Schon Wampach konnte denwirtschaftlichen Niedergang nicht gut mit dem hohen"Stand der Bildung und Gelehrsamkeit in jenen dunklenTagen" in Einklang setzerr'-. Auch wenn genaue Aussagenüber die Handschriftenproduktion der damaligen Zeitnoch fehlen43, so gibt es doch eindeutige Spuren einerfortbestehenden Tätigkeit des Skriptoriums+'. In dieserZeit entstanden auch die Texte für Festmesse und Festof-fizium des Klostergründers, wie jüngst belegt werdenkonnre=>. Vom Ende des 9. Jahrhunderts ist ein Echterna-

Abb. 2 - Echternacher Sakramentar, ausgehendes 9. Jahrhundert.Ein Zeugnis fortbestehend hoher Schriftkultur auch in spätkaro-lingischer Zeit.(Paris, BNF lat. 9433, fol. l09v)

41 WAMPACH,Grundherrschaft, Ill, S. 204-205; FELTEN,Laienäbte (wieAnm. 6), S. 48-49.

42 WAMPACH,Grundherrschaft, Ill, S. 200. FELTEN,Laienäbte (wieAnm. 6), S. 48, hebt auch diese Kontradiktion hervor.

43 Siehe aber den Beitrag von MicheIe Camillo Ferrari in diesem Band.44 Vg!. FERRARl,Veneranres, S. 17-23. DERS. in diesem Band, oben

S. 128 £45 LOCHNER,Culture musicale.

J,c."mIllp~Glndo.~,nfWt'rftIrtord.Ulla(b.tpa:;(d1ld"

6:.t4tnferrw.deteendtm40· cUlurubl"':lJ"/tnmurr:mrpryJC,mrutntur:\.(o!1emnra.f".rranorqr"Cb,pLu=rr1tlJ.a::=mfruaubonortl openi.ld~.~c.~mtroduc.rr·U:r:pt.ra.ncfo mcordtb; nriruwndrio" frt=urq;cb'lfo{

pL'n=;-f.wend0:.f'p'~GmOnbnloh.ln",ro~m011rt:lrnnr.tLu.ttcn,.(. 5,"1; peruenwnuQ? {iliumfi:;enLtr J,df,lzum ~nI(. perlohmnHomtnf~ü"Adet'"cI~cI;;","':'" '"m""em J;;" Q.!},licurul?nlT"

A.dn"rl"ltllmendum Ocadrur·ItaUlfh(1u.:<JIm .ulwdtGtJ"dwnuenerrt:"'TWltfef~ur' per-qui· ......l_..,c )Cl) piumpnr munenburdntqf: It=lm frttIuema:a''''tmy~I'"1,.erer=r..e-tiLtmreffa=('_fd,;m·So rpopl "

A d,uu.td;~fr:t~p(eb(r'Wr-"=tduC>tWum~

feIhu=reffe=i.'~ccrpo~.aa~... \lIperp""'tmF.idellota.rnerrre-pen:""~:f!0 ...m .

'lV'~'J rf;'oRS at: A~'U( I'.: I I ,") I'y;cnadne-pcn:emumm:i ~ ·dafct~f;F"(ifh·

.i urq: '"frn~"tc:lairioper:trtt. cf UlU,(6:rtf!fiaidz,pmY';\ LConram-tUfmirq1"d;;e- u,(tttnclo punfrl".A" ur;uemen(

d'rxpr{xltufnlUrdnrrro(U;r. ptr;;t:t;i(l[,. tnnabtt"mut'n'.tl'm.l1Jfi"nem"qq=mu,u"" ,\.1 f.

237 __

cher Sakramentar (BNF lat. 9433) erhalten, das zwei Ge-bete für König Zwentibold enthälr"; dessen Name auchin den späteren Echternacher Nekrologien beibehaltenwurde, ein Zeichen dafür, daß seine Regierungszeit inEchternach durchaus nicht negativ bewertet wurde.Ein weiteres Indiz für eine kulturelle Kontinuität hat diejüngst vorgenommene Untersuchung der Urkundenpro-duktion Echternachs erbrachr'". Im Gegensatz zu ande-ren Klöstern hat die Zeit der nicht regularen Äbte keinenVerfall der Urkundenredaktion bewirkt, zumindest wasdie redaktionellen Formen der Urkunden anbelangt.Soweit die Kopien des Liber aureus präzise Aussagenermöglichen, gingen die Echternacher Schreiber zu keinerZeit zu den formlosen notitiae über, sondern versuchtenin der Produktion ihrer instrumenta ein hohes Niveau bei-zubehalten. Die Echternacher Schreiber begnügten sichnicht damit, sich im Formular auf das Wesentlichste zubeschränken. Wie es zum Beispiel der feierliche Wortlautder Arengen oder der Gebrauch der Reimprosa zeigt, leg-ten sie weiterhin große Sorgfalt an den Tag bei der Wahlvon Urkundenaufbau, -formular und -sprache, die denjeweiligen Rechtsgeschäften stets entsprachen und ihnendadurch die notwendige Rechtskraft verliehen. Daß dieAnzahl der Urkunden besonders in der ersten Hälfte des10. Jahrhunderts fiel, könnte einerseits den Schluß zulas-sen, daß das Niveau der Transaktionen schrumpfte, oderaber auch auf den allgemeinen Rückgang der Schriftlich-keit in dieser Zeit zurückgeführt werden.Bei allem Vorhergesagten muß das Urteil über die"dunkle Zeit der Laienäbte" doch zumindest teilweisestark nüanciert werden. Aus der Sicht der Karolingerzeitentsprach die Entwicklung den bestehenden Rechts- undMachtverhältnissen, die das religiöse und kulturelleLeben an der Sauer bis zur Zeit des Laienabts Reginar(t 915) weiter gedeihen ließen. Allenfalls ist mit Einbu-ßen im wirtschaftlichen Bereich zu rechnen, über diemangels Vorstudien keine genauen Angaben gemachtwerden können, die aber allem Anschein nach vor allemin die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts fielen, ehe dann mitder Zuordnung zum ordo canonicus und der Einführungder mensa fratrum für geregelte religiöse und wirtschaftli-che Verhältnisse gesorgt wurde. Daß in Echternach das re-ligiöse und kulturelle Leben im 9. und 10. Jahrhundertzum Stillstand gekommen wäre, war ein Postulat der

46 Vgl. Leopold DELlSLE,Memoire sur d'anciens sacramentaires, Paris,1886, S. 256; V. LEROQuAls,Les sacramentaires et les misseis manus-crits des bibliotheques publiques de France, Macon, I, S. 125. Neuer-dings auch: Yitzhak HEN,The Sacramentary of Echternach, London,1997 (Henry Bradshaw Society, 110).

47 Sabine DECKER,Etude diplomatique des acres prives de l'abbayed'Echrernach a l'epoque carolingienne, Memoire de licence,Universire libre de BruxeIles, 1989. Der Autorin sei herzlich gedanktfür die Erlaubnis zum Einblick in ihre ungedruckre Arbeit .

.---- 238

Trierer Reformkräfte um Otto I., die bestrebt waren,ihrer Erneuerungsbewegung den notwendigen Glanz zuverleihen, entsprach aber nicht der historischen Wirklich-keit.

11ERNEUERUNG UND KONTINUITÄT:

DIE TRIERER-OTTONISCHE REFORM

Ab dem zweiten Drittel des 10. Jahrhunderts breitet sichin Lotharingien eine benediktinische Erneuerungsbewe-gung aus, deren Charakteristika oben schon kurz umris-sen wurderr'", Sie wurde unterstützt von den Eigen-klosterherren und Laienäbten. den Bischöfen, Herzögenund Grafen, besonders aber auch von dem ottonischenHerrscherhaus. Von "Reformzentren" wie Gorze oder St.Maximin ausgehend, erfaßte diese "Reform" nahezu allelotharingischen Klöster, griff aber auch auf die umliegen-den Regionen der Champagne, der Grafschaft Flandernund des gesamten Reiches aus. Der Begriff "Reform" imSingular mag einerseits irreleiten, weil es sich trotz man-cher Gemeinsamkeiten nicht um eine einheitliche Bewe-gung handelte, die zur Ausformung eines Klosterverban-des nach dem Modell von Cluny geführt hätte; anderer-seits trägt er aber gut dazu bei, die Grenzen dieser Erneu-erungsbewegung aufzuzeigen, die sich sowohl was dieEinordnung in die politisch-kirchlichen Strukturen alsauch durch die (Wieder-)Einführung der Regula Benedictiin herkömmlichen Bahnen, also in der alten "Form",bewegte. Kontinuität und Erneuerung prägten auch dieinterne und die wirtschaftliche Entwicklung der refor-mierten Klöster: Die Laienäbte behielten als weiterhinvom Klosterherrn eingesetzte Vögte die "äußere" Gewaltüber das Kloster, ließen dem ehemaligen Vorsteher derKlostergemeinschaft (Propst oder Dekan) nun aber denAbtstitel. Als Vögte wurden sie der engeren Kontrolle deseigentlichen Klosterherrn, also des Königs ausgesetzt.Auch die Restaurierung von Klostergut hielt sich in Gren-zen; unter dem Druck der geistlichen und weltlichenMachthaber kam es zu einigen Restitutionen, die ehersymbolischen Charakter hatten, doch zeigt das in derReformrhetorik immer wieder auftauchende Thema derunbestraft gebliebenen "Usurpationen" von Klostergut,daß so manche Teile des ehemaligen Abtsguts veräußert

48 Allgemein: Raymund KOTI]E und Helmut MAURER (Hrsg.), Mona-stische Reformen im 9. und 10. Jahrhundert, Sigmaringen, 1989(Vorträge und Forschungen, 38); Michel PARISSE,"LotharingischeReform", in: LexMA, 5,München-Zürich, 1991, Sp. 2131-2133, mitAngaben zur älteren Literatur, Zu den Reformen der Klöster unsererGegenden, vgI. auch MARCUE, Aspects.

blieben. Eher waren es die nun systematischen Erneue-rungen der Schutz- und Immunitätsprivilegien, die wie-der stärker einsetzenden Schenkungen und die Reorgani-sation der Verwaltung des Klosterbesitzes, welche die ma-terielle Basis zu kulturellen und geistlichen Leistungender renovierten Klöster bildeten.

In Echternach lief die Erneuerungsbewegung in den obenbeschriebenen Bahnen, doch soll kurz hier die Spezifizitätdes Reichsklosters an der Sauer aufgezeichnet werderr'".Einen ersten Ansatzpunkt hierzu liefert das Datum derrenouatio, die erst 973 stattfand, also vierzig Jahre nachder ersten Reform eines Reichsklosters (St. Maximin beiTrier, 934), etwa vierzigjahre auch nach den Renovierun-gen der lothringischen Bischöfsklöster von Saint-Evre inToul und Gorze bei Metz. Dieses "späte" Datum mußallerdings relativiert werden, und zwar aus internen wieauch aus externen Gründen.

Einerseits scheint die Entwicklung Echternachs in denersten drei Vierteln des 1O. Jahrhunderts darauf hinzu-deuten, daß das ;,Kloster" nicht so "erneuerungs-bedürf-tig" war, wie es die Reformurkunde Ottos I. behauptet:monasterium ... foerat destruetum 50. Nach der eher positi-ven Entwicklung unter Laienabt Reginar (+915) erhieltendie Kanoniker auch in den zwanziger und dreißiger Jah-ren große Schenkungen, vier an der Zahl. Ein Laienabt istfür diese Zeit in den Urkunden nicht erwähnt, wohl aberein geistlicher rector Berengaud, der sub canonlcali normain Echternach seine gesamte Ausbildung erhalten harte'",was ja auch auf geregelte Verhältnisse und Kontinuität inder Kanonikergemeinschaft schließen läßt. Ein Blick aufdie politische Situation Lotharingiens zeigt, daß auch hierzu der gleichen Zeit etwas Ruhe in die Wirren und Partei-kämpfe der vorherigen Jahrzehnte gekommen war. UnterKönig Heinrich I.war Lotharingien 923-925 definitiv andas Deutsche Reich gekommen; Heinrich ließ den mäch-tigen Herzog Giselbert aus der Familie der Reginare alsseinen Stellvertreter walten; vielleicht unterstand ihm alsLaienabt neben anderen Abteien wie u. a. St. Maximin zuTrier auch die Willibrordusabtei, wie es die späteren Abts-verzeichnisse behaupten. Weder Heinrich, noch Gisel-bert, die noch 934 die reformatio des großen Trierer

49 Zur Echrernacher Reform vg!. MARGuE,Aspects, besonders S. 47-51,und MARGUEin: MARGUEund SCHROEDER,Aspects (wie Anm. 26),S. 118-119, mit allen genauen Verweisen auf die Quellen und die Li-teratur, auf die hier demnach verzichtet werden kann. Siehe auch: JeanSCHROEDER,"Le comre Sigefroid de Luxembourg et la reforme del'abbaye d'Echternach (973)", in: PSH, 95,1981, S. 283-298.

50 MGH DD, D. O. 1/427 vom 15. März 973.51 Ego Berengaudus, ab ineunte puericia in Eptemaco sub canonical! norma

enutritus .•• posteaque rector constitutus .•• (WAMPACH,Grundherr-schaft, 112, Nr. 167 o. J., vermutlich aus den Jahren 926-927 oder930-931).

52 MGH DD D. O. 1192und 93 vom 3. und 4. August 947.

Reichsklosters unterstützt hatten, noch Heinrichs Nach-folger Otto I.,veranlaßten eine Erneuerung des Echrerna-eher Klosters, vermutlich weil auch im Gegensatz zuSt. Maximin oder Gorze keine Initiative "von unten",also aus der geistlichen Gemeinschaft, kam. Als Otto I.bei Doucy an der Korn (Chiers) Anfang August 947dem reformierten Kloster Saint-Evre bei Toul seinenBesitz bestätigte, gab er auch eine Urkunde für KlosterEchrernacht-. Doch begnügte er sich hier mit einer Resti-tution einer villa, die 721 an Echternach gekommen warund jetzt auf Veranlassung des Laienabtes, des HerzogsHermann, an das Konventsgut zurückging. Weder derKonradiner Hermann, noch Ono I. wünschten sichanscheinend, dem Beispiel von Saint-Evre folgend, einErsetzen der Kanoniker durch Benediktinermönche.

Der Herzog von Schwaben war als treue Stütze des Königsin den ersten Regierungsjahren Ottos mit dem AbbatiatEchternachs ausgestattet worden, eines Klosters, das weitvon seinem politischen Aktionsradius entfernt war. Erstarb 949; von Echternach hören wir bis zur Reformnichts mehr, was an sich kein gutes Zeichen ist: Über einhalbes Jahrhundert hinweg haben die Kanoniker nur eineeinzige Schenkung erhalten, die sich zudem noch als eineRückgabe von veräußertem Klostergut erweist P.Andererseits gehen auch Gründe für einen logischen Spät-ansatz der Reform Echternachs aus der Entwicklungs-geschichte der Maximiner Reform hervor+', die manallerdings im lotharingischen Kontext sehen muß. In die-sem erst seit kurzem an das Deutsche Reich angeschlosse-nen Lotharingien blieben die Unabhängigkeitsbestrebun-gen gegen die Zentralgewalt bis in die Mitte des 10. Jahr-hunderts für Octo I. äußerst bedrohlich. Weltliche aberauch geistliche potentes widersetzten sich dem König;in größte Bedrängnis geriet der Herrscher wohl, als seinSohn Liudolf, Nachfolger Herzog Hermanns in Schwa-ben (950-953), und sein Schwiegersohn, Konrad derRote, lotharingischer Herzog von 944 bis 953, einenoffenen Aufstand versuchten. Auch wenn man dies nichtallzu systemarisch sehen sollte, so scheint es dennoch, daßder Liudolf-Aufstand Otto zur Einsicht brachte, sich inAnlehnung an das karolingische Reichskirchensystem in

53 Der archäologische Befund eines Neubaus einer größeren Klosterkir-che ist nicht in die Mitte des 10. Jahrhunderts zu datieren, wieCOPPERS,Basilika, S. 360 und 371, annimmt, sondern erst in die Zeitnach der Reform. Somit erklären sich auch die architektonischenÜbereinstimmungen mit der Abteikirche von St. Maximin (942geweiht), von der die Echternacher Reform ausging. Daß TriererMönche, die als Äbte andere Klöster reformierten und Abteikirchenumbauen ließen, Pläne von St. Maximin aus mitführten, ist im Fallvon St. Emmeram in Regensburg ausdrücklich belegt.

54 Eine Übersicht über den chronologischen Ablauf der Erneuerungs-bewegung, die von St. Maximin bei Trier ausgeht, gibt MARGUEin:MARGUE-SCHROEDER,Aspects (wie Anm. 26), S. 109-139.

239 _

größerem Maße auf die Reichskirche zu stützen - und zudieser gehörten auch die Reichsklöster. Indem Otto 1. nunkonsequent die Reform der Reichsklöster unterstützte,sowohl in ihren religiösen wie auch in ihren wirtschaftli-chen Aspekten, entzog er diese den großen Adelsfamilienund unterstellte sie seiner engen Kontrolle. Das Mitteldieser Kontrolle war die sogenannte Jreie" Abtswahl unddie königliche tuitio, definsio oder mundehurdium; dasResultat die gewährte libertas, die man als direkte Bin-dung an den König oder das Reich als "Reichsunmittel-barkeit" oder "Reichsfreiheit" nicht mißverstehen dar£Die Widerstände gegen diese "Reform" wurden mitverschiedenen Mitteln überwunden: die ehemaligenLaienäbte behielten als Vögte richterliche Verfügungsmit-tel über das Kloster und regelmäßige Einnahmen; die mitAbtsgut dotierten Vasallen wurden in nur sehr geringemMaße zur Restitution gezwungen; die retizente Klosterge-meinschaft schließlich wurde durch einen "reformierten"Abt zur Umstimmung gezwungen oder kurzerhand "ent-lassen". Schon 951 wurde diese Klosterpolitik auf demReichstag in Frankfurt vor vielen weltlichen und geistli-chen Großen zur Richtlinie erhoben: ut nulla abbatia,que per se eleetionem habet, ad monasterium nee alieui inproprium possit donarii>. Die Umsetzung in die Praxiserfolgte etwas später: 966 wurde Kloster Weißenburg inden nördlichen Vogesen auf diese Weise von St. Maximinaus renoviert, 973 Echternach, um die gleiche ZeitKloster Ellwangen, 975 St. Emmeram in Regensburg undzwei Jahre später dann die Trierer Klöster, 978 schließlichdas bayerische Kloster Tegernsee.

Will man dem Abtskatalog aus dem Ende des 12. Jahr-hunderts Glauben schenken, so wurden in Echternach dieKanoniker kurzerhand durch vierzig Mönche aus demReformkloster St. Maximin ersetzt; doch gibt es außer inunserer schon mehrfach als äußerst subjektiventlarvtenQuelle keinen Befund zu dieser Vorgehensweise. Bezeugtist nur, daß der neue Regularabt Ravanger aus St. Maxi-min stammte, ferner daß das Trierer Kloster sich an derBereicherung der Echternacher Klosterbibliothek nachder Reform beteiligt hat, die Echternacher Urkundenpro-duktion nach 973 weitgehend geprägt hat, wie auch dieNeuanlage des Echternacher Nekrologs.

Bleibt schließlich die Haltung des letzten Laienabrs, desGrafen Sigfrid56, zur Echternacher Reform zu bewerten.Sigfrid gehörte der Sippe der Adalberonen an, die umdie Mitte des Jahrhunderts die politischen und religiösen

55 MGH Constit., I, S. 17, cap. 2.56 Vg!. Michel MARGUE, "Sigefroid', in: Nouvelle biographie nationale

de Belgique, 3, Brüssel, 1994, S. 295-300, mit Angaben der älterenLiteratur.

57 WAMPACH,Grundherrschaft, 1/2, Nr. 178 von 992.58 MGH DD, D. O. III/89 vom 3. April 992, S. 499.

---------- 240

Reformen Ottos 1. und seines lotharingischen Stellver-treters, Herzogs Bruno, Erzbischofs von Köln, bedin-gungslos unterstützten. Vermutlich jüngster (Halb-?)Bruder Bischofs Adalbero von Metz, der nach dem Vor-bild der Gorzer Reform die Bistümer seiner Diözese er-neuern ließ und sich daher den Namen des" Vaters derMönche" verdiente, war Graf Sigfrid schon in seinerFunktion alsVogt der Abtei St. Maximin mit der benedik-tinischen Erneuerungsbewegung in Kontakt gekommen.Laut eigener Urkunde hatte er das Echternacher Klosterex regiadatione als beneficium erhalren'", Die Diplome derOttonen weisen auf die Initiative Sigfrids hin - hortatuuenerandi comitis Sigifridi fidelis nostri - , der Otto 1. zur(Wieder-) Einführung der Benediktinerregel veranlaßthätte. In der Tat fiel die Entscheidung zur Reform Echter-nachs am Palmsonntag 973 in Magdeburg, als der Kaiseraus Italien kam, wohin Sigfrid ihn begleitet hatte. Ob dieMaximiner Mönche, von denen einige im Umkreis desHerrschers eine wichtige Beraterrolle spielten, den kurzvor dem Tod stehenden Kaiser ebenfalls zu dieser Tat be-wegten, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. Als Vogtvertrat Sigfrid auch weiter die Interessen der Abtei beimHerrscherhaus; er erwirkte von Otto Ill. für "sein"Kloster das Recht, Münzen zu prägen'" und unter ande-rem auch die Restitution aller bisher dem Kloster entwen-deten Kirchen - die allerdings nur ein leeres Versprechenblieb59• Daß Sigfrid selbst Echternacher Güter zu seinenGunsten zweckentfremdet hatte, ist an einem Beispiel,dem praedium Monnerich, das er der Abtei zurückerstat-tete, erwiesenw, müßte aber an weiteren Fällen einer ge-naueren Analyse unterzogen werden. Fest steht auf jedenFall, daß er auch im Zug der Reform nicht gezwungenwurde, seine Echternacher Güter wieder in die Hand desKlosters abzugeben; so blieb sogar der Hauptklosterhof zuEchternach bis 1041 in gräflicher Hand, wurde dann aufDrängen Heinrichs Ill. dem Kloster resriruiertsl. Dochauch hier gilt die Einschränkung, daß die Restitution nurdas gräfliche Lehen betraf, die gräflichen Vasallen aberihre vom Grafen aus Klostergut geschöpftes Lehen behal-ten konnten.

Will man Sigfrids Einsatz für die Renovierung desMönchtums in Echternach richtig verstehen, so darf mandie spirituellen Vorteile, die er aus seiner Aktion zog,nicht aus den Augen verlieren: Die Reform der Abtei, dierestauratio monastice vite62, kam einer Neugründunggleich, die dem Grafen und seiner Familie die Aufnahme

59 MGH DD, D. O. III/123 vom 15. Mai 993, S. 535.60 Siehe die Beweisführung bei MARGUE, Aspects, S. 51, Anm. 138.61 MGH DD, D. H. III/69 vom 26.}anuar 1041.62 Wortlaut aus der Urkunde SigtTidsvon 992 (siehe oben, Anm. 57).

in das Gebet der Mönche und das Prestige des .Restaura-tors" eines Klosters zusicherte, das im späten 1O. und im11. Jahrhundert zu einer geistigen Blüte aufsteigt. Es istin dem Sinn bezeichnend, daß erst am Ende des 12. Jahr-hunderts mit der gesamten Propagandaschrift zur Vertei-digung der Reichsunmittelbarkeit der Abtei den Luxem-'burger Grafen der Vorwurf der" Usurpation" von Kloster-gut gemacht wurde, Graf Sigfrid als deren Vorgänger aberauch hier nicht genannt wurde.

Die Rückkehr zur regula sancti Benedicti im Jahr 973,von "außen" dem Echrernacher Konvent aufgezwungen,bedeutete für das religiöse Innenleben der Abtei wohl ei-nen Bruch, beließ das Reichskloster aber in dem insritu-tionellen Gefüge, das es schon seit der Karolingerzeitkannte. Die Quellen des späten 10. Jahrhunderts aberbetonten einzig und allein den ersten Aspekt der Zäsurauf Kosten desjenigen der Kontinuität: Sowohl denReformmönchen als auch den weltlichen Machthabern -Herrscher und Vogt - gelang es, ihre Verdienste dadurchzu betonen, daß sie die Zeit der Kanoniker als eineEpoche der Dekadenz darstellten: Die Säkularäbteverschwanden bei seiner Neuanlage aus dem Nekrologund folglich auch aus dem Gebet der Mönche, in denKönigsurkunden wurden sie als praui homines dargestellt,durch deren Machenschaften - per astutam - Echter-nacher Kirchen als Lehen vergeben wurden63. Auch dieKönige als Klosterherren wurden für diese "Säkularisatio-nen" verantwortlich gemachr=, allen voran der inuasorKarlmann, der ja angeblich die Mönche durch Kanonikerersetzt hatte. Nur König Pippin - in den Urkunden derOttonen fä1schlicherweise mit Pippin dem Mittlerengleichgesetzt - Kart der Große und Ludwig der Frommewerden als Beschützer des Klosters hervorgehoben65, alsderen Nachfolger die Ottonen sich sehen - und dies giltja insbesondere in ihrer Kirchenpolitik.

Somit erfolgte im letzten Drittel des 10. Jahrhundertseine erste Neuschreibung der Echternacher Geschichte,welche die spärlichen Informationen aus der Zeit derKanoniker reichlich verzerrte. Diese erste Neuschreibungerfolgte in Königsprivilegien, Epiraphien und Nekrolo-gien. Auf ihr fußt eine zweite Vision der Echternacher

6' Königsdiplom Ortos Ill. von 993, S. 535 (wie Anm. 59).64 ecclesias•.. pn- regiam domination~ in bmqicium concessas(ibld., S.

535).6S Siehe z, Bsp. das ..Reformdiplom" Ortos 1. von 973 (wie Anm. 25)

oder auch deren Bestätigung durch Ono n. aus dem Jahr 980 (wieAnm.27).

66 Der Titel stammt von E. MARTENE und U. DURAND, Veterum scrip-torum er monumentorum .,. amplissima collectio, rv, Paris, 1792, S.453-467, die als erste diese Quelle veröffentlichten. Neuere Editionenvon WEILAND in MGH SS 23, Hannover, 1874, S. 64-72 und WAM-

PACH, Grundherrschaft, 1/2, Nr. 215. S. 361-382. Zum ..Libellus",vgI. FERRARI,Venerantes, S. 78-79.

Geschichte, die dem Ende des 12. Jahrhunderts angehört.War die erste bedingt gewesen durch den Legitimations-bedarf einer von außen aufgetragenen Erneuerung, sowuchs die zweite aus dem Bedürfnis der Mönche, sicheiner äußeren Gefahr zu entziehen.

IIIDER KAMPF UM DIE REICHSFREIHEIT:

DER "LIBELLUS OE LlBERTATEEPTERNACENSI" DES MÖNCHES

THEODERICH

Eine besondere Stellung in der gewiß reichen Sammlungder Echternaeher Geschichtsquellen nimmt der soge-nannte "Libellus de libertate Epternacensi propugnata"66des Mönches Theoderich ein, nicht so ob seines literari-schen Wertes, sondern vielmehr wegen der Fülle an histo-rischen Informationen, die er einerseits zur Geschichteder Abtei, andererseits zum Ursprung des LuxemburgerAdels bietet. Da es sich beim .Libellus" um eine ArtStreitschrift handelt, die, wie der Titel es sagt, daraufabzielt, die Echtemacher "Freiheit" - sprich: Reichsun-mittelbarkeit - zu verteidigen, gibt er uns eine gute Ein-sicht in den traditionsreichen Blick, den die Mönche um1200 auf ihre eigene Vergangenheit werfen. Darüberhin-aus werden in dieser Schrift mehrere Luxemburger Adels-familien zum ersten Mal erwähnt, wie die Herren vonBefort, Berburg, Hollenfels und Weiler-la-Tour; in seinerpolemischen Art äußert sich der Autor des "LibelIus"bewußt zum Entstehungsprozeß der Burg- und Grund-herrschaften, zu dem die schriftlichen Quellen sich sonstnicht aussprechen.Da der "Libellus de libertate Epternacensi" nur als Kopieüberliefert ist, und zwar in dem bekannten "Liber aureus"von Echternach, der heute in der Landesbibliothek Gothaaufbewahrt wird, sei hier kurz auf diese eminent wichtigeQuelle hingewiesens", Den Grundbestand des .Liberaureus" machen zwei Teile aus, die zu unterschiedlichenZeitpunkten entstanden sind68• Der erste ist vermutlich

67 Cod. Memb. 171. Das älteste datierbare Zeugnis für die Benennung"Liber aureus" stammt aus dem Jahr 1650. Von einem ursprünglichenPrachteinband, auf den sich die Bezeichnung bezogen hätte, ist heuteniches mehr erhalten.

68 Zum "Liber aureus", den Editionen und der Literatur, siehe jüngstChristine SAUER, Fundatio und memoria. Stifter und Klostergründerim Bild; 1100 bis 1350, Götcingen, 1993 (Veröff. des Max-Planck-Instir, £ Geschichte, 109), S. 246-273, und Anhang V; S. 354-359(dort auch Verweise auf die ältere Lirerarur) und FERRARI, Venerantes,S.78.

241 -------

Abb. 3 - Ein fränkischer Herrscher - wahrscheinlich Iudwig d. Fromme - im Echternacher Liber aureus.(Gotha, Forschungs- und Landesbibliothek, Memb. [ 71, foi. 52v)

_______ 242

Abb. 4 - Zwei fränkisch-karolingische Kaiser imLiber aureus.(Gotha, Forschungs- und Landes-bibliothek, Memb. [ 71, foi. 71v)

das Werk des Mönches Theoderich, der im Jahre 1191 aufVeranlassung seines Abtes Gottfried 11. (1181-1210) eineChartularchronik bis zum Jahr 726 verfaßte, d. h. fürdie Gründungsperiode des Klosters wichtige Urkundenabschrieb, und diese in chronologisch aufeinanderfol-gende Nachrichten zur Geschichte der Franken bis zurZeit Willibrords (Buch I), dann zur Reichs- und Kloster-geschichte (Buch 11) einordnete. So entstand eineGeschichte des Klosters, die vor allem die enge Verflech-tung der Abtei mit ihrem Gründergeschlecht, dann auchmit den deutschen Königen als deren Nachfolger undBeschützer des Klosters, zeigt. Theoderichs Chartular-chronik wurde unter Abt Gottfrieds Nachfolger Barrho-lomäus (ea, 1210-1231) fortgesetzt: Der uns unbekannteSchreiber führte sein Werk in Form von Urkundenab-schriften mit einigen seltenen historischen Kommentarenbis zum Jahr 1222 fort. Zu den Urkunden Heinrichs VI.für Echternach schrieb der anonyme Kopist dann auchden von Theoderich verfassten "Libellus de libertateEpternacensi" ab.Man darf die Ambition der beiden Kopisten des "Liberaureus" nicht auf die alleinige Wiedergabe der Echterna-eher Urkunden beschränken; vielmehr sollte eine Echter-nacher Geschichte geschrieben werden, die das Hauptau-genmerk auf die besonders enge und bis zum Ende des 12.Jahrhunderts fortdauernde Anbindung des Klosters anden König richtet. In dem ersten Teil wird denn auch dieDarstellung der Gründung Echternachs neugeschrieben:Aus dem Eigenkloster des karolingischen Hauses wirdhier ein Reichskloster, das dem jeweiligen Herrscherunmittelbar untersteht. Der Zweck dieser Darstellungliegt nahe, hält man sich den historischen Kontext desausgehenden 12. Jahrhunderts vor Augen: Echternach sahsich den Expansionsbestrebungen der Erzbischöfe vonTrier ausgesetzt, die in mehreren Ansätzen versuchten,sich des Klosters zu bemächtigen. Um diese Gefahr abzu-wenden, benutzten die Echtemacher Mönche ihre"königliche" Vergangenheit. Sie erflehten den Schutz derjeweiligen Herrscher: Der Rückblick auf den Kloster-gründer als "Spitzenahn" der königlichen Familie und dieBegünstigungen, die dem Kloster im Lauf der Zeit vonseinen Nachfolgern zuteil wurden, sollten auch die jetzi-gen Könige zum Schutz der geistlichen Gemeinschaftanhalten. Theoderich zieht so eine direkte Verbindungs-linie von dem (Mit)Gründer Pippin dem Mittleren zuHeinrich VI., der 1191 auf Friedrich Barbarossa gefolgtwar. Dem jungen König führt er alle mächtigen Herrschervor Augen, die Karolinger, Ottonen, Salier und Staufer,

69 Zu Erzbischof}ohann, vgl, Margret CoRSTEN,"ErzbischofJohann I.von Trier", in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend, 13,1963, S. 127-200 (hier S. 152-153). Zur Echternacher Episode ausder Sicht des Kaisers, siehe zuletzt Peter CSENDES,Heinrich VI.,Darmstadt, 1993 (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), S.

die Echternach gegründet und dann mit Vorrechtenund Freiheitsdiplomen ausgestattet hatten, und derenBeispiel Heinrich VI. nun folgen sollte. Die genealogi-sehen Aufstellungen, deren er sich hier bedient, beruhenauf einer Abfolge von mehreren Geschlechtern im glei-chen Amt; es sind also keine Genealogien adliger Familienim strengen Sinn. Doch erfüllen sie wie die meisten dervon den Mönchen für ihre Klostergründer aufgestelltenGenealogien den Zweck der memoria: Die Klosterge-meinschaft wird sich die in der Genealogie genanntenGründer und Stifter im Gedächtnis und im Gebet erhal-ten; im Gegenzug verspricht sie sich dann den Schutz unddie Förderung des Königs als Nachfolger der aufgezeich-neten Wohltäter.

Im "Libellus" wird dieser Charakter der Verteidigungs-schrift besonders offenbar. Es handelt sich um einen Brief,den Theoderich an Heinrich VI. richtete, als dieser dasKloster Echternach im Mai 1192 an den Trierer Erz-bischof Johann (1189-1212) abgegeben hatte, um imGegenzug in den Genuß der Burg Nassau zu gelangen'".Er entspringt aus der gleichen Logik wie die Chartular-chronik des ersten Teils des "Liber aureus", die 1191 an-gelegt wurde: Dem Bestreben, die Reichsunmittelbarkeitdes Willibrordusklosters aufzuzeigen. Theoderich greiftdenn auch in seinem Brief verschiedene Passagen ausseiner Chartularchronik auf, so z. Bsp. die Auflistung mitden Regierungsjahren der Herrscher und Klosterbeschür-zer, die aus der genealogia principum seiner EchternacherChronik stammt?", So wie sämtliche Herrscher vor ihm,spricht er den Kaiser an, soll sich auch Heinrich VI.seiner Aufgabe nicht entziehen, die Echternacher Freiheitzu verteidigen. Diese sei nun, laut Theoderich, ernsthaftin Gefahr, da ambitiosi homines - gemeint ist der Erz-bischof von Trier - das Kloster callidis foctionibus nitun-tur abripere et serenitatem vestram pretextu concambii sedu-centes unter ihre Oberhoheit zwingen wollten. Um dasAusmaß dieser sich anbahnenden Katastrophe zu verdeut-lichen, listet nun Theoderich alle als Lehen ausgegebenenEchternacher Güter auf, die nicht nur Echternach verlo-ren gehen, sondern vor allem dem Reich, da Echternachja Reichskloster ist und in dem Sinne auch zu Servitienaufgefordert werden kann. Es folgt dann eine lange Listevon dreißig Burgen, die an den Luxemburger Grafen alsLehen ausgegeben wurden und mit denen dieser dannseine Vasallen weiter belehnt habe.

Man sieht wie das Thema der Zweckentfremdung vonKlostergut, das schon seit der Reform von 973 in den

138-139. Immer noch grundlegend: Theodor TOEcHE, Kaiser Hein-rich VI., Leipzig, 1867 (jahrbücher der deutschen Geschichte, 18),hier S. 230.

70 Siehe oben im Text, nach Anm. 69.

243 _

Echternacher Quellen dauerhaft präsent ist, hier für eineganz präzise Argumentation gebraucht wird, die den Kai-ser von seinem Vorgehen wieder abbringen soll. Wie inden "Reformurkunden" der Ottonenzeit und in den Abts-katalogen von denen die zwei ältesten in der ersten Hälfteund etwas nach der Mitte des 12. Jahrhunderts aufgestelltwurden 71, werden die Laienäbte für die Dekadenz desKlosters verantwortlich gemacht. In textlicher Anlehnungan die Urkunden der Ottonen wird wieder an erster Stelleder "Tyrann" Karlmann genannt, der auch noch die letz-ten Mönche verjagt, die nach Einführung der Kanonikerzur Zeit des Laienabts Adalhard noch zwanzig Jahre imKloster verblieben seien, und so die congregatio zerstört,die Klostergüter an seine Vasallen verteilt habe und alles,que sancta et justa erant, mutauit et dissipavit72• Daß Karl-mann alles Ubel auf seine Person nehmen muß, erklärtsich leicht: In der Klostertradition seit der Reformzeit warer, der sich gegen den Karolingerkönig, seinen Vater,revoltiert hatte, zum Inbild des Verräters gestempelt wor-den. Er war der invasor, nicht nur im Kloster Echternach, .sondern auch in der langen Liste der Karolinger, die Ech-ternach gegründet, beschenkt und beschützt hatten. DieSchuld der Echternacher "Dekadenz" auf ihn, den Verrä-ter an der karolingischen Sache, allein abzuwälzen,erlaubte es den Echternacher Historiographen, denMythos der Karolingergröße aufrecht zu halten. Schon zuseiner Zeit wurde Karlmann, der sich im Kampf gegenseinen Vater in der Champagne und in Lothringen schwe-rer Grausamkeiten und Verwüstungen schuldig gemachthatte, von der unter dem Einfluß Hinkmars von Reimsstehenden westfränkischen Historiographie als VertreterSatans und Friedensschänder dargestellt, ein düsteresBild, das Regino von Prüm weiter verbreiten half73• Daßdieses vernichtende Urteil über Karlmann in dem Maßekaum zu seiner Zeit in Echternach gegolten hat, zeigt dieTatsache, daß man dem Karolinger in der Willibrordus-abtei seine Grabstätte gab74• Im "Libellus" aber bemühtesich der Echternacher Mönch das traditionelle Urteil überKarlmann und die Laienäbte beizubehalten: Die ganze"dunkle" Zeit der Laienäbte, von Karlmann bis zur Wie-

71 Vgl. FERRARI,Venerantes, S. 72-75.72 WAMPACH,Grundherrschaft, 112,Nr. 215 S. 369.73 Die Auszüge aus den Briefen des Karl dem Kahlen nahestehenden

Reimser Erzbischofs Hinkmar und der "Annales Bertiniani", anderen Fortsetzung von 861 bis 882 Hinkmar sich beteiligte, hatWAMPACH,Grundherrschaft, Ill, S. 170-172, zusammengestellt,ohne die Traditionsstränge in der karolingisch-ottonischen Historio-graphie zu sehen, die sich bis ins 12. Jahrhundert hinziehen. Das»Porträt" Karlmanns bei REGINOvon Prüm, Chronicon, ed. FriedrichKURZE,MGH SS rer. germ. in us. schol., S. lQI-102, a. 870.

74 Ibid., S. 102.75 Siehe oben, Anm. 68.76 Normannen sind in Echternach nicht belegt, ebensowenig wie Zer-

störungen an den Klostergebäuden. Zum Topos der Normannenver-

- 244

dergeburt durch Ortos 1. Reform, wird hier in einem Satzaus der Echternacher Geschichte ausgeklammert: sicqueHiesacratissimus quondam locusper multa tempera a primainstitutions sua dilapsus75•

Mit einem weiteren Topos aus der Reformrhetorik, denZerstörungen durch die Normannen/s, wird an mehre-ren Stellen des "Libellus" die größte Konfiskation vonKlostergut zu weltlichen Zwecken erklärt: Angesichts derNormannengefahr, habe Kaiser Arnulf die GrafschaftLuxemburg mit Klostergut ausgestattet, um das Reichs-heer aufzustocken, Bereits Abt Thiofrid (1081-1110) ließin seiner Überarbeitung der Willibrordvita die Reihe derUsurpatoren von Klostergut, die für ihre Untat mit einemunehrenhaften Tod bestraft wurden, mit dem dedecusimperator Amoldus beginnen 77. Kaiser Arnold habe dengrößten Teil des Klosterbesitzes an die Grafen von Luxem-burg verlehnt, starb aber dann auf seinem Iralienzug eineserbärmlichen und seines Ranges unwürdigen Todes.Die Beschreibung dieses schrecklichen Absterbens sollThiofrid nach seinen eigenen Worten aus einer zeitgenös-sischen Chronik geschöpft haben. Zum in dieser Zeit sehrverbreiteten Topos der Normannennot kommt also hiernoch die Legende des durch Gott bestraften schlechtenKaisers, der in den damaligen Quellen herumgeisterte.Theoderich griff amEnde des 12. Jahrhunderts dieseGeschichte auf: Der Graf von Luxemburg selbst verfügeüber 777 Mansen - eine wahrhaft symbolische Zahl !-aus Abteigut im Trierer und Metzer Gebiet, die er zu Le-hen ausgegeben habe; über dreißig Burgen wären so aufEchternacher Gut entstanden. Aus der Ubertreibung derNormannengefahr entstehen so chronologische Unge-reimtheiten, wie die Erwähnung der Grafschaft Luxem-burg zwei Jahrhunderte vor ihrer Entstehung und dieGründung von Adelssitzen mehr als ein Jahrhundert vorihren ersten archäologischen und schriftlichen Bezeugun-gen 78. Am Beispiel der Burgen Before und Zolver wurdegezeigt, wie komplex die Vorgänge sind, die zur Erbauungvon Burgen auf Echtemacher Gut führten 79. Ob alle im"Libellus" erwähnte Burgen wirklich auf Echternacher

wüstungen, vgl. Albert D'HAENENS, Les invasions normandes en Bel-gique au IXe siede. Le phenomene et sa repercussion clansI'historiographie medievale, Löwen. 1967 (Univ. de Louvain. Rec. detravaux d'hist. et de philologie, 4e serie, fase. 36).

77 THIOFRID,Vita s. Willibrordi. AA SS. 7. Nov.• Brüssel, 1910. hierKap. 33, S. 479. aus den Jahren 1104-1105.

78 Zu den archäologischen Befunden. vgl. nun John ZIMMER.DieBurgen des Luxemburger Landes, 2 Bände, 1996.

79 Michel MARGUE,"Adel. Burg und Kloster. Zum Ursprung derluxemburgischen Burgen am Beispiel der Grundherrschaft Before",in: Festsehrift Befort, t. I, Luxemburg, 1993, 5.89-102 .• und DERS.•»Kloster. Graf und Burgherren. Zum Ursprung der luxemburgischenBurgen am BeispielZolver", in: 1200 Jeer Buurg Zolver, Zolver, 1993.S.17-38.

Klostergut entstanden sind, bleibt akribischen Einzelfor-schungen überlassen, die über die Rekonstruktion derUrpfarreien und der Nachfolgereihe der Eigenkirchenher-ren fuhren. Doch ist aus den Quellen des 11. und 12.Jahrhunderts ersichtlich, daß es vor allem die Untervögtewaren, die in Stellvertretung des Obervogts, des Grafenvon Luxemburg, über ihre lokalen Gerichtsbefugnissehinausgingen, und Klostergut an sich rissen. Ab der Mittedes 11. Jahrhunderts sind die ersten Versuche des Klostersbezeugt, die Machtüberschreitungen der Untervögte mitHilfe des Königs und des Grafen einzuschränkcns'', DerAutor des .Llbellus" greift demnach auch hier ein altesThema auf, und führt bei Gelegenheit seiner Verteidi-gungsschrift einen schon etwas überholten und aussicht-losen Kampf gegen den lokalen Adel, der schon ein Jahr-hundert zuvor verloren schien. Restitutionen von Kloster-gut hat es im 13. Jahrhundert auf jeden Fall keine mehrgegeben.Der vom 8. bis zum 12. Jahrhundert gespannte Bogenüber die Echternaeher Quellen zeigt die Darstellung derGeschichte des Klosters als eine unwandelbare und unlös-bare Bindung der Abtei an Reich und König oder Kaiser.

80 Übersicht über die Versuche zur Fesclegung der Vogteirechte in Ech-ternach bei Theo KOrzER, Studien zu den Urkundenfälschungen desKlosters St. Maximin bei Trier (l0. bis 12. Jahrhundert), Sigmarin-gen, 1989 (Vorträge und Forschungen, Sonderband 36), S. 265-266.

Letzterer steht gleichsam als immerwährender Garant deriura incommutahilis libertatis'", der Unabhängigkeit desKlosters gegenüber Eingriffen von weltlichen und geistli-chen, nicht regularen Würdenträgern; im Gegenzug wirdihm und seinem Haus die commemoratio der Mönchezuteil82• Diese Sicht war schon in der Gründungsphaseder Klostergeschichte durch die Bindung an die Karolin-ger festgelegt worden; sie wurde am Ende des 10. Jahr-hunderts bei Gelegenheit der Klosterreform, dann im12. Jahrhundert zur Verteidigung gegen Trierer Ansprü-che wieder aufgegriffen. Daß die Bindung an das Herr-scherhaus auch zur Verleihung des Klosters an säkulareÄbte führte, ohne daß dies den Ruin des geistlichen undweltlichen Lebens bedingte, das konnten die Mönche ausder Sicht der hochmittelalterlichen, auf Trennung zwi-schen politischen und religiösen Bereichen abzielendenErneuerungsbewegung nicht mehr zulassen. Das leitmo-tiv der engen Verflechtung zwischen Kloster und Herr-scherhaus prägt demnach die gesamte EchtemacherGeschichtsschreibung, eine monastische Leseart derGeschichte, die die Wirklichkeit manchmal bis zur Un-kenntlichkeit entstellt.

81 So der "Libellus", in: WAMPACH, Grundherrschaft, I12, Nr. 215, S.372-373.

82 Dieser Gedanke steht im Prolog zum ersten Buch der Chronik The-oderichs im "Liber aureus", ed. WEILAND, MGH SS, 23, S. 38.

245 _