myhobby.ch Bericht August 2021

47
SEPTEMBER 2021 Ein Bericht von Ramón Lang

Transcript of myhobby.ch Bericht August 2021

Page 1: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Ein Bericht von Ramón Lang

Page 2: myhobby.ch Bericht August 2021

…oder «Triebfahrzeugführer», wie es ganz genau heißt. Denn diese klassi-schen Lokomotiven fahre ich - zumin-dest jetzt noch - nicht. Sondern Triebzü-ge, die (wie ein Tram) durchgehend mit-einander verbunden und begehbar sind. Ein oder zwei Züge aneinander mit einer Gesamtlänge von bis zu knapp 150 Me-tern fahre ich auf einer Strecke von der-zeit bis zu ca. 100 Kilometern rauf und runter. Für vier S-Bahn-Linien (S1 - S4) bin ich derzeit geschult. Das wird sich in den nächsten zwei Jahren aber auf wei-tere Linien erweitern, die in und durch Nürnberg fahren.

Züge, die aus Lokomotiven und ange-hängten Wagen bestehen, sind gewis-sermaßen out. Besonders auf regionalen Netzen fahren eigentlich nur noch Trieb-

züge. Und wo das noch nicht der Fall ist, sind es meist alte Züge, die bald ausran-giert werden. Für mich als Lokführer heißt das, dass ich besonders in den Vorbereitungen vor einer Zugfahrt we-sentlich weniger zu tun habe. Das finde ich ganz gut, denn wenn draußen Wind und Wetter herrschen, bin ich in aller Re-gel im Inneren des Fahrzeugs. Den Zug muss ich von aussen nur selten einge-hend begutachten. Bei Zügen mit Loko-motiven ist das anders. Da muss teilwei-se von Hand gekuppelt werden. Ich hin-gegen sitze in meinem Triebzug und fah-re auf einen anderen Zug einfach auf, um mich mit ihm zu kuppeln - soweit als Bei-spiel. Da bleibt mir im Dienst entspre-chend mehr Zeit, um Zugfahrten durch-zuführen.

SEPTEMBER 2021

Seite von 2 47

JETZT BIN ICH LOKFÜHRER…

Page 3: myhobby.ch Bericht August 2021

Seite von 3 47

Dennoch habe ich all die Themen inten-siv in der Ausbildung gelernt und könnte auch mit solchen Zügen loslegen, wenn ich denn auf einer Lokomotive geschult wäre. Möglicherweise könnte das in eini-gen Jahren auch noch auf mich zukom-men. Auf Interregio-Strecken werden weiterhin neue Züge mit Lokomotiven gekauft und eingesetzt.

Die Ausbildung und somit der Weg dort hin war sehr anstrengend. Ich war daher zurückhaltend, was das Erzählen und die Zuversicht des Bestehens betrifft. Denn bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ergebnisses der schriftlichen Abschluss-prüfung war meine Chance stets 50/50, das alles zu schaffen.

Wie es begann Am Anfang der Geschichte stand das Aus meiner Ausbildung in Wuppertal. Da ich mich gegen die dortigen Zustände ent-schied, sind Ramona und ich im März 2020 in die Nähe Nürnbergs gezogen. Doch schon einige Zeit vor diesem Schlussstrich habe ich immer wieder mit dem Gedanken gespielt, mich bei der Straßen- und U-Bahn in Nürnberg zu be-werben. Eine Rückkehr in die Schweiz war aus finanziellen Gründen und wegen fehlender beruflicher Perspektive un-denkbar; eine Bewerbung als Wagenfüh-rer (Tramfahrer) bei den BVB und BLT in und um Basel wollte ich aus verschiede-nen Gründen nicht noch einmal versen-den. Andere Städte wären in der Schweiz ebenfalls nicht infrage gekommen.

Also habe ich mich als erstes bei der VAG in Nürnberg beworben. Gleich für beide Anstellungen; Straßenbahn und U-Bahn.

SEPTEMBER 2021

«Hebel on the table», wie manche sagen

Page 4: myhobby.ch Bericht August 2021

Seite von 4 47

Einige Wochen später - auch noch in Wuppertal - habe ich mich dann zusätz-lich bei der Deutschen Bahn im Fernver-kehr beworben. Auf diesem Wege bin ich dann zum Regionalverkehr gelangt. Doch einige Monate lang habe ich auf eine Zu-sage bei der Bahn und bei der Straßen-bahn gewartet und wusste daher lange nicht, ob und wer mir diese am Ende ge-ben wird. Im Sommer 2020 habe ich dann in München diverse Eignungstest absolviert und die Zusage bekommen, die Ausbildung beginnen zu können. Bei der VAG habe ich noch eine Weile zuge-wartet. Als ich aber auch nach knapp ei-nem Jahr nach Bewerbung und mehrma-ligem Nachfragen keine Rückmeldungen bekommen habe, habe ich mich definitiv für die Bahn entschieden und die Bewer-bung zurückgezogen.

Eigentlich eine kuriose Geschichte. Denn ich habe mich bei der Bahn beworben, weil ich Angst hatte, dass ich bei der Straßenbahn nicht genommen werde.

Am Ende war aber dann doch die Stra-ßenbahn der Notnagel, auf den ich dann verzichten musste, weil ich mich da-durch besser auf meinen eingeschlage-nen Weg bei der Bahn konzentrieren konnte.

Lange Zeit wusste ich nicht, ob meine Entscheidungen richtig waren. Heute, wo alles sein gutes Ende genommen hat, weiß ich endlich: Es war genau richtig.

Die SBB als Arbeitgeber war von Anfang an nie infrage gekommen, da in der Schweiz ein Lokführer eine zweite Lan-dessprache beherrschen muss. We-gen schlechten Erfahrungen im Französisch-Unterricht in der Schule war und ist das bis heute ausgeschlossen.

Bei der Bahn hat erst einmal alles im Klassen-zimmer begonnen. Zwar habe ich schon bald den

ersten Zug selber gefahren, aber was es tatsächlich bedeutet, bei der Deutschen Bahn Lokführer zu sein, wusste ich lange Zeit nicht.

Erst im April 2021 hatte sich die Ausbil-dungsgruppe auf kleine Einheiten ver-teilt, die zusammen mit je einem Ausbil-der Tag für Tag in Schichten gearbeitet hatten. Zu Beginn dieser Schichten stand auch die schwerste aller Prüfungen. In dieser Zeit war ich mir dann sicher: Das ist mein Beruf. Ich beneide weiterhin die Infrastruktur der SBB und auch die Wa-

SEPTEMBER 2021

Page 5: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 5 47

genführer der Basler Drämmli, aber hier bei der Deutschen Bahn kann ich trotz-dem ohne Kompromisse nach gut 15 Jah-ren beruflich in Frieden zur Ruhe kom-men.

Nachdem ich schulisch in Wuppertal so-zusagen rund im die Uhr beschäftigt war, fiel es mir wohlmöglich nicht mehr ganz so schwer, mich auch in den Unterricht der Bahn zu investieren. Mein Lernauf-wand war enorm und ich bin froh, dass die Ausbilder das auch wahrgenommen haben.

Meine Lernintensität hatte dann nach ei-ner wichtigen Zwischenprüfung stark abgenommen. Für gute Abschlussprü-fungen hat es aber zum Glück trotzdem gereicht. Dazu muss ich vielleicht er-wähnen, dass wir enorm viel Theorie ler-nen mussten, die für unsere Arbeit nicht relevant sein wird. Die relevanten The-men waren mir immer wichtig, denn ein…

Kundenorientierter Service …ist mir sehr wichtig. Das war bei allen Berufen so, in denen ich bisher tätig war. Ein Thema, bei dem ich mich als Gewinn für meinen Arbeitgeber sehe. Denn ohne mehr Geld zu kosten kann ich meine Fahrgäste nicht nur auf den Schienen bewegen, sondern auch in den Köpfen.

Einige sagen, dass Lokführer der falsche Beruf sei, wenn man viel mit Kunden zu tun haben möchte. Das sehe ich aber nicht so. Man muss es nur wollen, und ich will, dass meine Gäste an ihr Ziel kom-men, auch wenn es nicht nach Plan läuft. Und wenn ich mit drei Minuten Verspä-tung offiziell noch pünktlich bin, möchte ich so pünktlich sein, dass niemand ir-gendwo auf seinen Anschluss-Bus ren-nen muss. Um Kunden in irgendeiner Form irgendetwas möglich zu machen,

was es vielleicht nicht überall gibt, habe ich schon immer gerne etwas mehr in-vestiert. Man kann schließlich auch an einer Kasse täglich hunderte Kunden be-dienen und doch nichts kommunizieren.

Als Lokführer ist mein Einfluss auf viele Vorgänge zwar nur minimal bis nicht vor-handen, doch habe ich auch selbst als Fahrgast schon oft genug erlebt, dass der Service des Lokführers oder Zugbe-gleiter für andere darüber entscheiden kann, ob ich im Ereignisfall mit nur einer, oder eben doch mit zwei Stunden Ver-spätung ankomme - oder ob ich über-haupt ankomme. Dabei ist es immer wie-der ein Abwägen, in wie fern der Dienst am Einzelnen eine Verspätung rechtfer-tigt, die dann hunderte andere Fahrgäste betrifft. Zwar hoffe ich im Laufe der Zeit auf das Aneignen von viel Erfahrung, doch wer will, muss eben auch nicht alles der Zeit und dem Zufall überlassen.

Page 6: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 6 47

Der Batzen Früher, als es in Basel noch eine Herbst-messe gab, hatte ich von meiner Gross-mutter einen Batzen bekommen, damit ich mir dort etwas kaufen konnte. Das war meist ein Fünfliber - also eine 5Fr.-Münze. Lange Zeit dachte ich daher, dass man den Fünfliber auch Batzen nennt, weil es die grösste aller Münzen ist. Oder vielleicht Münzen im Allgemeinen. Zu dieser Zeit konnte man sich aber auch auf der Messe tatsächlich noch etwas kaufen mit 5 Franken. Später wurden die Batzen dann grösser. Keine schwere Münze mehr, sondern Noten. So wusste ich dann, dass der «Batzen» etwas ande-res bedeuten muss. Viele Jahre wusste ich aber nicht, was genau - bis heute. Ich

kannte natürlich irgendwann die Rede-wendung «Ein Batzen Geld». So war mir dann immerhin klar; bei einem Batzen geht es um eine gute Menge Geld, das ei-nen nicht reicht macht, mit dem man aber etwas anfangen kann.

Ein Blick in den Duden zeigt, dass ich ur-sprünglich gar nicht so falsch lag: Ein Batzen beschreibt eine Form von etwas. Einen Klumpen, einen Brocken oder eine andere Masse. Einfach etwas klobiges - eine Menge. Zum Beispiel auch eine menge Geld - ursprünglich Münzen. In der Schweiz wurde früher der Zehnräpp-ler (0,10Fr.) als Batzen bezeichnet. Der Zwanzigräppler als «Zweibätzler». Noch früher, also vor 1852, meinte man mit Batzeli oder Bätzli eine Münze im Wert von etwa 14/15 Rappen. Dies entsprach

etwa dem deutschen Groschen. Er stammt vermutlich aus Bern, aus dem Jahr 1492.

NEUES AUS DEM VOLKSMUND

Der Fünfliber, oder auch ein Batzen

Page 7: myhobby.ch Bericht August 2021

Deziliter/ Milliliter Es sind Einheiten, die man unter ande-rem in der Schule lernt: Milliliter, Deziliter und Liter. Eine kleine Theorie-Einheit, um den folgenden Text zu verstehen:

Es scheint in Deutschland nicht gängig zu sein, beim Kochen die Masseinheit «Deziliter» zu benutzen, sondern konse-quent «Milliliter». Ein ähnliches Phäno-men habe ich innerhalb der Schweiz schon lange festgestellt, und zwar bei Pfund und Kilogramm. Ältere Semester sprechen immer wieder vom Pfund. Beim Bäcker findet man oft Begriffe wie «Vier-telpfünder» oder ähnliches. Aber die Ge-

nerationen von heute sagen viel mehr 500 Gramm oder ein halbes Kilogramm. Warum auch eine zusätzliche Vokabel lernen, wenn man sie auch mit Bekann-ten ausdrücken kann. Dasselbe auch bei dem eher bekannten «Dutzend». Wobei ich das Dutzend nicht etwa in der Schule kennengelernt habe, sondern im schon etwas älteren Film «Im Dutzend billiger». Ja, zwölf Kinder; denn ein Dutzend ist gleich zwölf.

Aber das ist wohl eine Sache der Genera-tionen. Ganz früher, als Masseinheiten noch regional unterschiedlich waren, sprach man schliesslich auch von Ellen und nicht von Zentimetern oder Metern.

In der Schule habe ich auch gelernt, dass diese Masseinheiten meist ähnlich oder gleich klingen, bzw. geschrieben werden - teils auch sprachübergreifend. Wenn also von «Milli…» die Rede ist, dann sind immer Tausend von etwas gemeint. Bei «Dezi…» Zehn. Kaum zu glauben, dass

ich so etwas aus meiner Kindheit heute noch weiss. Und der Duden bestätigt: «Dezi» bedeutet «Zehntel» und kommt aus dem französischen «déci-» und das wiederum aus dem lateinischen (deci-mus), wo ja so vieles herkommt. Leider aber gibt es für meine These keinerlei Hinweise. Ausser vielleicht etwas zahl-reichere Google-Ergebnisse in Deutsch-land, die fragen, was denn nun ein Dezili-ter Liter oder Milliliter umgerechnet sei.

Quartier/ Viertel In der Schweiz sprechen wir vom Quar-tier, wenn wir ein (in Deutschland) Stadt-viertel meinen. In Deutschland habe ich den Begriff «Quartier» auch schon ge-hört - es scheint da regionale Unter-schiede zu geben. In der Schweiz gibt es das Viertel aber eher nicht. Und wenn doch, dann ist das eher negativ konno-tiert.

Einheit Menge

Milliliter 1000

Deziliter 10

Liter 1

SEPTEMBER 2021

Seite von 7 47

Page 8: myhobby.ch Bericht August 2021

Seite von 8 47

Am Ende haben aber beide Wörter die-selbe Bedeutung. «Quartier» stammt erst einmal aus dem Französischen, ur-sprünglich aber aus dem lateinischen und heißt «Viertel». Dieses Wort als Ein-teilung für ein bestimmtes Stadtgebiet zu benutzen, war schon immer ge-bräuchlich. Früher bedeutete das Quar-tier aber auch eine Unterkunft für militä-rische Truppen - also Soldaten. Daher auch das heute noch gebräuchliche Wort «einquartieren», weil die Truppen früher in ein Quartier untergebracht - also ein-quartiert wurden. Laut Bedeutungswör-terbuch des Duden ist das Wort heute nicht mehr gebräuchlich, doch beson-ders im schweizerischen Umfeld höre ich es doch immer wieder. Die überwie-gend schweizerische und übrigens auch österreichische Verwendung deklariert so auch der Duden.

Mit der Zahl vier hat das Quartier allerdings auch in seiner ur-sprünglichen Bedeutung ver-

mutlich nichts zu tun. Spricht man vom Quartier, meint man also stets irgendei-ne Form von Unterbringung; ein Haus, eine Wohnung, einen Resort, eine Spe-lunke, Affenanstalt oder eben das Ortsteil. Das S y n o n y m wö r te r b u c h gibt hier wieder einmal reichlich Aufschluss über die Bedeutung die-ses Worts.

SEPTEMBER 2021

Das Tor zum Spalen-Quartier in Basel

Page 9: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 9 47

In der Schweiz kann man Jahre seines Lebens damit verbringen, seine Texte immer mit «ss» zu schreiben. Theore-tisch ist es sogar möglich, von dem Es-zett, also dem Scharf-S (ß) nie etwas mitbekommen zu haben, wenn man nie in Deutschland war und sich selten auf deutschen Internetseiten herumtreibt. Auf der Tastatur ist es ja genauso wenig vorhanden wie in Büchern und Zeitun-gen.

So ähnlich ist es mir ergangen. Dass die-ser Buchstaben existiert, weiß ich zwar schon seit Kindesalter - aber nicht von der Schule her, denn dort ist er irrele-vant. Die Deutschen und die Österreicher benutzen das Eszett hin und wieder als Ersatz für das Doppel-S. Also statt «Strasse» heißt es in Deutschland

«Straße». Wir mit Deutsch nicht all zu Mühe hat wird sich als Schweizer eini-germaßen gut mit dem Eszett zurecht-finden. Wie immer: Übung macht am Ende eben den Meister.

Wie funktioniert es? Das Eszett wird angewendet «in Wort-stämmen, in denen auf einen langen Vo-kal oder einen Diphthong (Zwielaut) nur ein einfacher, stimmloser s-Laut folgt. Dies gilt jedoch nur, wenn der s-Laut in allen Beugungsformen stimmlos bleibt». So beschreibt es der Duden. Als Gram-matikprofi wird man nun sagen: «Ach so, alles klar». Da ich dieser aber nicht bin habe ich mir eine Faustregel zusammen-

gestellt: Immer nach Doppellauten (au, äu, eu, ei, etc.) und meistens, wenn der Vokal vor dem «ss» lang betont wird, kommt ein «ß» hin. Das funktioniert bei meinen Texten in 95% der Fälle.

Im Beispiel «Straße» befindet sich vor dem «ß» ein lang betontes «a», was das Eszett nach sich zieht. Liest man als Deutscher «Strasse», wie es in der Schweiz geschrieben wird, müsste die-ser das Wort eigentlich auf «ss» beto-nen. Etwa ähnlich wie bei dem Wort «Strass-Stein». Nach gleichem Muster verfährt man auch bei den Worten «der Gruß», «das Maß», «der Fußball».

Für den Deutschen ist es damit möglich Worte zu unterscheiden, die in der Schweiz immer mit «ss» geschrieben

SCHWEIZER UND DAS ESZETT/ SCHARF-S

Page 10: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 10 47

werden, aber unterschiedliche Bedeu-tungen haben. Darum, lieber Schweizer, eine Frage; Was ist «die Busse»? Sind es mehrere Linienbusse auf der Strasse? Sind es die Beträge, die man der Polizei bezahlen muss, wenn man zu schnell ge-fahren ist? Oder ist es doch eher die geistliche Umkehr? Der Deutsche dachte sich nun: «Völlig klar». Busse sind Fahr-zeuge, die Reisende mitnehmen. Die geistliche Umkehr wäre demnach die «Buße» und die Rechnung der Polizei wäre theoretisch auch die Buße, heißt in Deutschland aber Bußgeld. Manchen Kindern, die die schweizerische Version von Monopoly spielen, müsste man daher erklären, dass sie nicht mit «Bussen be-straft» werden, die auf der Straße fah-ren. Das würde nämlich dem einen oder anderen Kind noch gefallen. Da ich als zehnjähriger noch nie Bußgeld bezahlen musste, war mich auch nicht klar, warum Men-schen mit Bussen bestraft

werden, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Da war es zu dieser Zeit dann tat-sächlich das Deutsche Fernsehen, was mir den Unterschied erklärte.

«Ausnahmen»

Nun, meine Faustregel funktioniert aber nicht immer. Das «Erdgeschoss» zum Beispiel wird nicht mit Eszett geschrie-ben. Eigentlich müsste man das Wort dann auch konsequent wie das Geschoss einer Kanone betonen - tut aber auch

niemand. Auch «zulässig» wird mit langem «ä» betont, wird aber trotzdem mit «ss» ge-schrieben. Das hat vermutlich

mit der genauen Definition des Duden etwas zu tun. Echte Ausnahmen sind es daher vermutlich nicht. Bestimmt ent-sprechen sie der Regel in irgendeiner Art und Weise. Da es nur selten vorkommt, habe ich solche Wörter eben auswendig gelernt. Außerdem ist es gar nicht so schwierig, Texte auch nur mit Wörtern zu schreiben, in denen das Eszett nicht vor-kommt.

Rechtschreibkorrektur

Wer die korrekte Anwendung lernen möchte, könnte ja (wie ich) auf die Idee kommen, in einem Schreibprogramm die Worte «Strasse» und Straße» einzutip-pen, um zu sehen, bei welchem die Kor-rektur anspricht. Das funktioniert aber nur begrenzt. Denn Worte, die nicht mit Eszett geschrieben werden, werden zwar als falsch markiert, Worte die aber ei-gentlich mit Eszett geschrieben würden, werden aber nicht als Fehler markiert,

Page 11: myhobby.ch Bericht August 2021

Seite von 11 47

wenn man sie mit «ss» schreibt. Das liegt vermutlich entweder daran, dass man es in der Schweiz eben sowieso nie einsetzt, oder es liegt daran, dass man alle Wörter mit Eszett auch mit Doppel-S schreiben darf. Um möglichst viel Ver-wirrung anzurichten haben sich die Deutschen nämlich einige (tatsächliche) Ausnahmen überlegt.

ss statt ß All zu begeistert bin ich von der Erfin-dung eines zusätzlichen Buchstabens (ganz offensichtlich) nicht, wenn man ja auch gut ohne diesen zurecht kommt. Wenn man in Deutschland das Eszett wenigstens konsequent anwenden wür-de, wäre das für mich kein Thema. Aber es gibt hier leider zu viele Ausnahmen, wo das nicht nötig ist.

Bei Worttrennungen ist es sogar zu un-terlassen. Wenn man «Straße» am Ende

einer Zeile trennen will, schreibt man nicht «Stra-ße», sondern - wie in der Schweiz - «Stras-se».

Auch optional ist das Eszett, wenn ein Computer den Buchstaben gar nicht schreiben kann. In verschiedenen Schriftarten oder anderen Sprachen kann es vorkommen, dass das Schrift-zeichen «ß» nicht vorhanden ist. Dann müsste man stattdessen «ss» schreiben. Gängig war das lange Zeit bei Großbuch-staben. Es liegt auch heute noch - ganz unabhängig vom Vorhandensein des Zei-chens - völlig dem Ermessen des Schrei-bers zugrunde, ob er nun «STRASSE» oder «STRAßE» schreiben will. Auch wenn dies nicht mit dem Computer, son-dern per Hand geschrieben wird.

Ebenso bei Namen wird immer wieder mal «ss» statt «ß» geschrieben (zum Beispiel: «Heinz Grosse» satt «Heinz Große»). Das liegt daran, dass früher das Eszett anders verwendet wurde.

SEPTEMBER 2021

Page 12: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 12 47

Die Geschichte des Eszett ist eigentlich noch ganz interessant, aber etwas zu kompliziert, als dass ich sie in eigenen Worten hier wiedergeben könnte. Aller-dings ist die Entwicklung des Buchsta-bens für die Verwirrungen verantwort-lich. Früher, als das Eszett erfunden wurde, war es wohl gängig, es immer (oder fast immer) statt «ss» zu benutzen. Wer schon einmal ein altes Buch in den Händen hielt, hat das bestimmt schon gesehen. Man hat im Laufe der Zeit zwar an der ganzen Doppel-S-Thematik ge-bastelt, aber bis heute wurde nie eine runde Sache daraus gemacht. Obwohl im 19. Jahrhundert schon (!) darüber debat-tiert wurde, das Eszett in das Alphabet mit aufzunehmen, ist das bis heute nicht der Fall. Da es computertechnisch gese-hen ein Sonderzeichen ist, ist es bis heu-te nicht weltweit auf allen Computern anwendbar - zumal ja außer die Deut-schen und Österreicher niemand dieses Zeichen auf der Tastatur finden kann.

Was ich leider nicht herausgefunden habe ist, warum manche Straßenschilder auch dann «falsch» beschriftet werden, wenn sie nicht mit Großbuchstaben be-druckt wurden. Vermutlich handelt es sich - wie auf dem Foto ersichtlich - um ältere Schilder, bei deren Produzenten damals das Schriftzeichen auch noch nicht existiert hatte.

So treffe ich heute überall auf «ss» wo «ß» sein müsste, und umgekehrt. Es kommt ja schließlich auch noch dazu, dass auch die Deutschen dieses System erst lernen müssen - und da sind sich nun eben auch viele nicht sicher und schreiben im Zweifel dann ein Wort falsch. Diesen Teil der Grammatik durch reines Lesen zu Erlernen, ist daher eher nicht geeignet.

Für mich, als Schweizer in Deutschland, wurde das Eszett ein (mehr oder weni-ger) normaler Buchstabe. Wenn ich Texte lese, betone ich sie dem Buchstaben

entsprechend und so stört es mich in-nerlich mittlerweile, wenn ich irgendwo «Strasse» lese - sei es in Deutschland oder in der Schweiz. Besonders aber in Deutschland, da sich nunmal die Beto-nung ändert. Texte, wie diese hier, die sich eigentlich eher an die Schweiz rich-ten, schreibe ich mittlerweile auch nicht mehr mit Doppel-S. Ich würde es aber sehr begrüßen, wenn sich die Recht-schreibung im deutschsprachigen Raum früher oder später über eine vollständige Einheit einigt. Das würde vielen das Schreiben erleichtern, denn nicht jeder möchte sich interessiert mit so etwas auseinandersetzen - oder kann es auch einfach nicht.

Page 13: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 13 47

Das Thema «Datensicherung» betrifft eigentlich jeden. Denn es braucht nicht viel, bis alle Daten aus Versehen gelöscht werden oder die Festplatte kaputt geht. Oder auch Diebstahl kann für Daten ge-fährlich werden. Seit ich aber ein Mac-Book habe - also schon seit vielen Jah-ren - ist das kein primäres Thema mehr für mich. Denn die «Time Machine» si-chert meine Daten zuverlässig und be-sonders einfach.

Nun habe ich seit einigen Monaten aber auch noch einen Windows-PC zuhause. Darum habe ich mit besonderer Auf-merksamkeit die Beurteilungen von Stif-tung Warentest gelesen, der sich mit diesem Thema befasst hat. Normaler-weise habe ich von deren Testergebnis-sen eine hohe Meinung. Doch dieser Test

ist für einmal leider kaum zu gebrau-chen. Also musste ich selber testen.

Unfaire Spielchen Die Branche «Datensicherung» hat näm-lich ein Problem. Da es sich ja um ein Thema handelt, das (eigentlich) jeden be-trifft, ist die Zielgruppe auch ziemlich gross. Also viel Potential um im Internet mal wieder unfaire Spielchen zu spielen.

Eines davon ist die Preisgestaltung. Frü-her konnte man in der Regel eine Soft-ware kaufen und sie dann unbegrenzt benutzen. Heute sind oft Abonnements anzutreffen. Für viel Geld bekommt man also sein gewünschtes Produkt, doch man bezahlt nicht mehr einmalig, son-

dern jährlich. Bei anderen Programmen teils auch monatlich. Da wird natürlich mit Sonderfunktionen gelockt, aber pri-mär damit, dass die Software natürlich immer auf dem neusten Stand bleibt.

Nun muss man aber wissen, dass diese Angebote oft nur mittelmässig seriös sind. In einem anderen Bericht habe ich schon erzählt, dass beispielsweise die angepriesenen «Geld-Zurück-Garantien» nicht ernst zu nehmen sind. Die Preise sind in Anbetracht der jährlichen Wie-derholung viel zu hoch. Es handelt sich bei den meisten Anbietern auch nicht um grosse Konzerne, sondern um kleinere Hersteller, die ihre Konzepte über Nacht einfach ändern könnten.

BACKUPS FÜR WINDOWS: EIN TRAUERSPIEL

Page 14: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 14 47

Ein weiterer Trick sind Sonderrabatte, die entweder exakt 24 Stunden lang gül-tig sind. Manchmal auch nur zwei Stun-den, oder eine. Oder aber es ist von «Frühlings-Sale» die Rede, von Weih-nachtsrabatt oder von anderen Rabatten, die an zahlreiche Feiertage gebunden sind oder sich nach einer Saison richten. Bedeutet kurz gesagt: Das ganze Jahr über gibt es Rabatt. Da ein potentieller Kunde aber nur einmalig nach so einer Software sucht, weiss der das natürlich nicht und denkt sich, es handle sich jetzt um ein Schnäppchen.

Das sind zumindest die Tricks, die ich kenne. Möglich ist im Internet bestimmt noch mehr.

Übrigens: Wer sich eine Software kaufen will kann versuchen, die Testversion zu nutzen und dann wieder zu deinstallie-ren. Manche Anbieter zeigen dann einen Rabattcode, der bis zu 50% oder 70% hoch sein kann.

Der «Testsieger»… …fällt leider schon raus, bevor ich ihn überhaupt herunterladen konnte. Denn «Acronis True Image» ist nur gegen jährliche Bezahlung von sagenhaften 50€ zu haben. Wer besonders viel Geld zu viel hat, kann sogar jährlich 125€ investieren. Stiftung Warentest spricht auch von ei-nem Einmalkauf. Diesen konnte ich aber nirgendwo finden.

Kostenlos und un-brauchbar Drei kostenlose Programme wurden von Stiftung Warentest mit «gut» bewertet. Auf Platz zwei ist sogar schon eines der Kostenlosen. In meinem Test sind diese aber alle durchgefallen. Warum? Wegen der bootfähigen Medien. Einem normalen Anwender ist wohl gar nicht bewusst,

dass ein sogenanntes «Rettunsgmedi-um» unabdingbar ist, wenn einmal das komplette System nicht mehr funktio-niert, das Notebook gestohlen wurde oder der Computer kaputt geht. Denn mit einem Rettungsmedium - in der Regel ein USB-Stick - stellt man sein komplet-tes System wieder her, wenn man es vor-her gesichert hat.

Zwar bieten fast alle Backup-Anbieter solche Rettungs-Medien an, doch bei kaum einem funktioniert das auch. Bei allen drei kostenlosen Anbietern ist das Erstellen eines Rettungsmediums fehl-geschlagen. Das sind «Paragon Backup & Recovery», «Aomei Backupper» und «EaseUS Todo Backup».

Bedienung nur für versierte

Immerhin wies Paragon darauf hin, dass ein Rettungs-Medium wichtig ist. Aber der Weg dort hin ist steinig, denn man

Page 15: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 15 47

wird mit Begriffen konfrontiert, die man als Laie definitiv nicht kennen kann. Hier fehlen jegliche Erklärungen. Etwa zum Unterschied von Legacy und UEFI, den ich zwar kenne, aber auch nur deswegen, weil ich mich mit dem Bootverhalten von Computern einmal intensiv auseinander-gesetzt habe. Ich musste auch wissen, was der Unterschied zwischen einer GPT oder MBR-Partition ist, zumal man das unter Windows gar nicht definieren kann und die Software das eigentlich selbst-ständig ändern können müsste. Ausser-dem ist das Starten eines Computers mit einem USB-Stick oder einer CD mit Hür-den verbunden, die man ggf. kennen muss. Kein Programm informiert dar-über. Da muss ich den Kopf schütteln.

Dazu kommt, dass keines der Program-me darüber informiert, wie viel Spei-cherplatz auf dem USB-Stick benötigt wird.

EaseUS mit Linux-Alternative

Die Software Todo Backup bietet immer-hin die Möglichkeit, sein Rettungsmedi-um mit Linux zu realisieren. Auch hier werden viele nicht wissen, was das be-deutet. Aber ich dachte mir: Linux ist in der Nahrungskette der Zuverlässigkeit ja höher als Windows - und tatsächlich startet nun endlich ein Rettungsmedium. Allerdings hat dieses die externe Fest-platte nicht erkannt. Somit ist auch diese Lösung unbrauchbar.

NovaBackUp Erst hatte die Website und Installation sehr gut ausgesehen. Aber am Ende doch die Enttäuschung: Gemäss Stiftung Wa-rentest soll hier das Erstellen eines Ret-tungsmediums möglich sein. Leider ist das nicht so. Jedoch scheint die Preis-gestaltung hier sehr fair zu sein.

Ashampoo Backup Die Software von Ashampoo hat erst einmal grosse Hoffnung gemacht. Denn das Rettungsmedium funktioniert und die damit verbundenen Funktionen sind sehr gut; Neben einem lokalen Backup auf einer externen Festplatte könnte man auch ein Backup von einer Cloud wiederherstellen - etwa OneDrive. Auch die Preisgestaltung schien fair. Leider aber funktioniert das Backup nicht kor-rekt. Sogenannt «inkrementelle» Back-ups sollte die Software zwar können, doch es werden immer wieder volle Backups angelegt, die mehrere Stunden dauern. Strom nur für Backups ausgeben will ich dann doch auch nicht.

Ashampoo bestätigt dann tatsächlich, dass das auch so gewollt ist:

Page 16: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 16 47

Ashampoo Backup verwendet für Image-Backup ein anderes Prin-zip: umgekehrt-inkrementelle Si-cherung ("reverse incremental"). Dabei wird zunächst ein Voll-Backup erstellt. Bei der nächsten Sicherung werden die Daten des Voll-Backups komplett in das neue Backup verschoben und die alte Sicherung wird durch eine inkre-mentelle Version ersetzt. Die alte Sicherung enthält dann nur die Un-terschiede zur nachfolgenden Si-cherung. Bei umgekehrt inkrementeller Si-cherung ist das neueste Backup also immer ein Voll-Backup.

— Ashampoo Support

Damit bleibt am Ende ein trauriges Fazit:

Adäquate Datensicherung auf Windows ist heute noch nicht möglich.

Page 17: myhobby.ch Bericht August 2021

Seite von 17 47

Text…

DER WEG MIT JESUS IN DEN ABGRUNDVorwort

Aufgewachsen in einer christlichen Gemeinde war ich mir über die Wahrheit immer bewusst, die unter

dem Namen „Jesus Christus“ gepredigt wird. Vor einigen Jahren hat sich auch mein Herz dafür entschieden, weshalb ich im Geist immer mehr wachsen und im Glauben immer mehr erfahren durfte. Dass Jesus für uns in dieser schlechten Welt nur das Beste will, war mir zu jeder Zeit klar.

Als Realist war ich aber dennoch zu jeder Zeit gefasst, dass das Leben jederzeit mit Schmerz zuschlagen könnte.

Das stetige Wachsen hat dazu geführt, dass ich vom Glauben mehr erfahren wollte, weshalb ich mich an einer evan-gelischen Bibelschule beworben habe, die drei bis vier Jahre dauern sollte und mit der ich dann im hauptamtlichen Dienst arbeiten kann. Also als Prediger, als organisatorisches Multitalent in Ge-meinden oder als beispielsweise Ge-meindepädagoge usw.

Die folgenden Seiten und Kapitel erzäh-len von dieser beschwerlichen Reise und beschreiben, wie sich mein Bild von Gott mit dieser Zeit entwickelt hat. Wie der Titel dieses Berichts vermuten lässt, en-det die Geschichte nicht unbedingt mit einem Happy End. Doch das Leben ging schließlich auch weiter. Das Ende dieser

Geschichte wird daher nicht das Ende meines Glaubens oder gar meines Le-bens sein. Es ist ein Bericht über einen langen, schwierigen Abschnitt.

Ziel dieses Berichts ist lediglich das Er-zählen aus einer schwierigen Lebenszeit. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass auch heute noch nicht jede christli-che Gemeinschaft für jeden geeignet ist. Dass noch immer christliche, traditionel-le Laster bestehen und dass der Weg mit Jesus viel Verantwor-tung und persönliches Leid mit sich bringen kann.

Was aus den folgenden Seiten welcher Position zuzuordnen ist - also meinen persönlichen

SEPTEMBER 2021

Page 18: myhobby.ch Bericht August 2021

Lastern oder denen, der gegenüberlie-genden Seite, kann und muss jeder Leser selbstständig entscheiden. Das alles ist eine subjektive Sicht mit Anstrengung zur objektiven Betrachtung. Außerdem ist es gewissermassen ein zusammen-gewürfelter Text, der sich nicht an Re-geln hält; Nicht alle Ereignisse folgen ei-ner linearen Zeitachse. Manchmal mag ich von Vergangenheit sprechen, manchmal von Gegenwart.

Die Vorgeschichte

Eigentlich hat meine Geschichte ei-nen klaren Start und ein ebenso kla-res Ende. Ist man an diesem Ende

aber angelangt, macht es wohlmöglich Sinn, auch die Geschichte vor der Ge-schichte zu kennen, um sich der Auswir-kungen besser bewusst zu werden.

Diese „Vorgeschichte“ beginnt schon etwa zwei Jahre zuvor.

Mein Leben verlief eigentlich selten rich-tig gradlinig. Konsequent durchgezogen und geschafft habe ich in erster Linie meine Grundausbildung im mechani-schen Bereich. Danach ging es beruflich und privat immer wieder mal auf und ab. Besonders privat gelang es mir nur teil-weise, eine Lebenssituation zu schaffen, mit der ich vollumfänglich glücklich sein konnte. Besonders viele Konstanten gab es in meinem Leben eigentlich nicht. Etwa meine Großmutter, Mutter und mein bester Freund waren die einzigen Kon-stanten. Zum Glauben und dem „zugehö-rigen“ Freundeskreis und der Gemeinde bin ich etwa drei Mal nach einer jeweils zwölfmonatigen Pause wieder zurückge-kehrt.

Das alles änderte sich durch ein Ereignis an einem Konflager, bzw. einer Konfir-mandenfreizeit. Ebenfalls eine Konstan-te, der ich trotz aller Launen durchwegs etwa zehn Jahre treu geblieben bin. So habe ich dann zwei Jahre vor der eigent-

lichen Geschichte Menschen kennenge-lernt, die mich durch eine beginnende Freundschaft veränderten. Rückblickend muss ich vielleicht eher formulieren: «... die meine Seele durch eine beginnende Freundschaft vervollständigten».

Damit begann für mich mindestens ein Jahr tiefgreifender Veränderungen mei-ner Ansichten und meiner Persönlichkeit. Vieles davon hat sicherlich auf einer funktionalen Ebene stattgefunden - also ohne, dass ich das bewusst gesteuert hätte. Dennoch habe ich mir einige Ziele gesetzt, von denen manche auch nicht sehr präzise durchdacht waren. Über-wiegend konnte ich meine Ziele aber er-reichen und meine Persönlichkeit stetig in eine Richtung verändern, mit der ich dann gänzlich zufrieden war. Selbst be-ruflich war ich sehr zufrieden - ich hatte sozusagen einen glücklichen Lebensab-schnitt begonnen. Und das, obwohl ich meinen ewigen Traum vom Tramfahrer

SEPTEMBER 2021

Seite von 18 47

Page 19: myhobby.ch Bericht August 2021

noch gar nicht erreicht hatte, sondern im Paket- und Sondertransport tätig war.

Diese Freundschaften hatten zwar eine zeitliche Begrenzung, da diese Menschen nach einiger Zeit in ihre weit entfernte Heimat zurückreisen mussten. Zeitgleich lernte ich aber auch weitere Menschen kennen, aus denen sich Freundschaft entwickelte und die einen prägenden Eindruck hinterließen. Ein paar Monate später bin ich auf eine Frau gestoßen, die heute meine Frau ist und mit der ich ein weiteres glückliches halbes Jahr er-leben durfte, bevor die eigentliche Ge-schichte dann beginnt.

Wie es beginnt

Der Beginn dieser Geschichte ist gleich-zeitig Teil der Vorgeschichte. Knapp ein Jahr bevor alles begann begab ich mich in eine Situation außerhalb meiner Kom-fort-Zone. Ich habe gelernt, dass man

das manchmal tun muss, um aus alten Gewohnheiten auszubrechen und bes-tenfalls neue, gute Erfahrungen zu schaffen, die möglicherweise die Le-benssituation oder Teile davon nachhal-tig verändern können. So habe ich mich in meiner Gemeinde für eine mehrtätige Veranstaltung im Zentrum der Schweiz angemeldet, in der es darum ging, neue Horizonte im Glaubensleben zu schaffen. Was da genau auf mich zukommen sollte und wer aus der Gemeinde sonst auch noch dabei sein würde, wusste ich bis dahin noch nicht.

So begann dann eine große christliche Konferenz, mit der ich herausfinden woll-te, ob es für mich beruflich so weiterge-hen soll, wie es derzeit war und wie ich es mir vorgestellt hatte. Mein Interesse an Theologie war groß und so wollte ich mich in diesem Bereich weiterbilden. Diese christliche Konferenz und Messe kam sehr gelegen, da unter anderem vie-le Institutionen anwesend waren, die

über berufliche und private Bildungsgän-ge informierten und dazu einluden. Ich bat Gott darum, mir in diesen Tagen Klarheit zu geben, wie es denn weiterge-hen könnte. Schließlich gab es viele Op-tionen: Die Möglichkeit, privat und ge-führt Wissen zu erlangen, ein Studium oder eine Ausbildung zu absolvieren, oder auch im hauptamtlichen, christli-chen Dienst tätig zu werden.

Nach der Konferenz habe ich zwar eini-ges über verschiedene Möglichkeiten ge-lernt, war aber noch nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen.

Trachtet zuerst nach dem Reich Got-tes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.

— Matthäus 6, 33

Bibelverse kann man auf viele Weisen in-terpretieren oder "auslegen", wie man In-terpretation in der Theologie nennt. Dass es keine einzig richtige Interpretation

SEPTEMBER 2021

Seite von 19 47

Page 20: myhobby.ch Bericht August 2021

der Bibel gibt, war mir durchaus schon immer bewusst, aber ich habe immer an eine Kern-Wahrheit geglaubt, ohne ein-zelne Verse wörtlich verstehen zu müs-sen.

Im Falle von Matthäus 6, 33 ging es mir daher auch so und ich sah mich in vieler-lei Hinsicht darin auch bestätigt. Als ich anfing, verschiedene Aspekte meines Lebens diesem Zitat entsprechend zu verändern, bezahlten sich meine Schul-den aus älteren Zeiten plötzlich wie von selbst. Grundsätzlich lief es etwa so ab, dass auf unerwartete Rechnungen von in einer bestimmten Höhe ebenso plötzli-che Auszahlungen in doppelter Höhe folgten. Und dies nur als Beispiel im fi-nanziellen Aspekt.

Natürlich muss man dazu nicht an einen Gott glauben. Ich denke durchaus, dass dieses Prinzip auch in Form eines Uni-versums, eines Schicksals oder was auch immer funktioniert. Egal, woran man

glaubt, ist mir auch klar, dass es trotz al-lem auch mal Phasen geben kann, in de-nen man eben nicht gewinnt, sondern Pech hat und verliert. Dieses Bewusst-sein ist für das Verständnis der weiteren Geschichte relevant.

Gottes Wort Einige Monate tat sich nichts in der Fra-ge, wie es im theologischen Bereich wei-tergehen soll. Ich wollte nicht auf Biegen und Brechen eine Entscheidung treffen. Viel mehr wollte ich das Ganze gut durchdacht angehen. Gottes Wort mach-te mir bei diesem Plan aber einen Strich durch die Rechnung:

Eines Tages war ich mit meiner Frau (bzw. damals Freundin) und ihrer Freun-din an einem Gottesdienst in einer Ge-meinde, die ich zuvor noch nicht kannte. Den Inhalt des Gottesdienstes kenne ich heute nicht mehr. Denn ich war zu sehr

damit beschäftigt, über etwas kurioses nachzudenken; Plötzlich hörte ich eine Stimme in mir, die mir sagte, dass ich an eine Bibelschule in Deutschland gehen soll. Und zwar eine ganz konkrete, die ich aber nicht benennen möchte. Für mich war das in diesem Moment eine sehr irri-tierende Situation, da ich wusste, es handelt sich hierbei nicht um einen mei-ner Gedanken. Da ich ein Mensch vieler Gedanken bin, kenne ich mich in meinem eigenen Kopf ziemlich gut aus. Aber was war es sonst? Zwar kannte ich Menschen und Geschichten, die davon berichteten, Gottes Wort gehört zu haben, aber ich selbst kam noch nie in diesen "Genuss" und wusste daher weder, wie sich das anfühlt, noch ob es das so wirklich noch gibt.

Nach vielen Stunden und Gedanken war ich mir aber sicher, dass sich hier Gott an mich gewandt hat. Nun war nur noch zu bedenken: Was mache ich jetzt mit dieser Ausgangslage? Es standen ver-

SEPTEMBER 2021

Seite von 20 47

Page 21: myhobby.ch Bericht August 2021

schiedene Optionen offen: Entweder, ich mache mit meinem Beruf weiter, in dem ich mich wohl fühlte und ignorierte somit dieses Zeichen. Eine andere Option war, mich nicht auf die konkret genannte Schule zu bewerben, sondern in meinem nahen Umfeld nach einer Möglichkeit zu suchen. Und die dritte Option, für die ich mich entschieden hatte, war das Folgen des Zeichens und mich bei der genann-ten Schule zu bewerben.

Falls Schüler oder Dozenten der Schule mir zu den folgenden Seiten etwas sagen möchten, behaltet es bitte für Euch. Denn die Zeilen sind keine Überra-schung; das meiste, was hier steht, habe ich bereits in meiner Studienzeit geäu-ßert. Dort war Platz für Dialoge.

Nun denn, ich habe mich für Letzteres entschieden und mich bei der von der Stimme genannten Bibelschule bewor-ben. Oder das hätte ich zumindest so tun können. Denn da ich noch nie von Gott

direkt angesprochen wurde, wollte ich von meiner Seite her einen Vertrauens-beweis erbringen und keine Hintertür of-fen lassen. Natürlich würde man sich im "normalen Leben" an einem Ort bewerben und bis zu einer Zusage seinen Job nicht kündigen, damit man am Ende nicht ohne Lebenssicherung dasteht. Ich dachte mir aber, dass Gott sich erstens um die Aufnahme an der Schule küm-mern würde und zweitens auch um die finanzielle Situation. Schließlich folge ich Gottes Wort und handle hier erstmal nicht aus meiner eigenen Idee und auch nicht nach meinem eigenen Vorteil. Eben nach dem genannten Vorbild von Mat-thäus 6, 33. So habe ich dann kaum 24 Stunden später bei meinem Arbeitgeber gekündigt und mich dann auf der Bibel-schule beworben.

Etwa drei Monate war dann noch nicht klar, ob ich angenommen würde und ob sich die finanzielle Situation klärt. Im ersten Monat nach dieser Aktion hatte

ich noch Schulden zu begleichen und staatliche Unterstützung wurde von der Schweiz und von Deutschland nicht er-möglicht.

Ich wurde dann aber letztendlich ange-nommen und die Schulden konnten ab-bezahlt werden. Durch meinen derzeiti-gen Job konnte ich etwa für ein Schul-jahr Geld ansparen und mir dadurch Zeit verschaffen, um für weitere finanzielle Lösungen zu sorgen. Doch Gott funktio-niert so eigentlich nicht. Ich habe es selbst schon oft erfahren und es auch von Berichten immer wieder gehört, dass Gott eben oft erst dann handelt, wenn es notwendig ist. Im finanziellen Bereich hat sich dieser Grundsatz bis heute so bestätigt. Obwohl ich später enorm hohe und ungeplante Ausgaben hatte, kam ich doch nie in finanzielle Schwierigkeiten. Doch dazu später.

SEPTEMBER 2021

Seite von 21 47

Page 22: myhobby.ch Bericht August 2021

Noch einen Monat Im September begann meine Ausbildung an der Bibelschule in Deutschland. Etwa einen Monat davor begann eine Reihe von Ereignissen, die alle andeuteten, dass ich auf einen Fehler zusteuerte.

In meinem Job war das eher ein wenig ambivalent. Einerseits wurden die Ar-beitsverhältnisse innerhalb eines Monats massiv verschlechtert. So oder so hätte ich mir vermutlich demnächst einen an-deren Job gesucht. Gleichzeitig war ich mit den verschlechterten Bedingungen aber nicht immer unzufrieden, sondern ich konnte mich in dem, was ich tat, weitgehend wohlfühlen. Es hätte auch durchaus schlechter sein können und ei-nigen Arbeitskollegen ging es derweil auch nicht besser als mir.

Ein weiterer Problemfaktor war die Kün-digung der Wohnung. Einerseits gab es

plötzlich Probleme mit meinem damali-gen Mitbewohner. Keine ernsten Proble-me, wie ich meine. Denn mit einer nor-malen Lebenssituation hätte man durch-aus alles wieder gerade biegen können. Aber durch die erhöhte Arbeitszeit bei meinem Job und vielen zu organisieren-den Dingen bezüglich der Ausbildung war dafür keine Zeit und Kraft mehr. Auch der Vermieter hatte Schwierigkeiten ge-macht. Zuletzt wollte ich viele Gegen-stände loswerden, die ich nicht mehr brauchte. Daher habe ich vieles ver-schenkt und teilweise verkauft. Was üb-rig blieb, wollte ich der Heilsarmee über-geben. Am Tag des Auszuges jedoch, an dem ich auch einen Transporter zur Ver-fügung hatte, ließ diese gegen die Abma-chungen einfach zwei Drittel aller Ge-genstände zurück, die sie hätte mitneh-men müssen. Ein Desaster, da deswegen viele gute Dinge spontan entsorgt wer-den mussten. Abnehmer konnte ich bis dahin ja keine finden.

Die ersten Monate Ich und meine Freundin sind also dort angekommen - einigermaßen ausgeruht, da wir etwa eine Woche noch Ferien, bzw. Urlaub hatten. Die ersten paar Tage dienten dem Ankommen und den Infor-mationen, bevor wir dann richtig unter-richtet wurden. Ich konnte mir bis dahin weder den Betrieb eines richtigen Studi-ums, noch der dieser Schule richtig vor-stellen, auch wenn ich mir die Schule ein halbes Jahr zuvor gut angesehen hatte. Darum blieb ich lange Zeit offen dafür, wie die Strukturen gestaltet sind und auch offen für persönliche Entwicklun-gen und Leistungssteigerungen. Diese Offenheit war enorm wichtig, denn noch in der ersten Woche begannen erste Un-gereimtheiten, die mich und auch man-che meiner Mitschüler belasteten.

SEPTEMBER 2021

Seite von 22 47

Page 23: myhobby.ch Bericht August 2021

Gott, ich denke, dieses Mal geht es nicht ohne Dich. Wenn administra-tive Dinge schief gehen, dann ist es halt so. Aber hier geht es um wichtigeres. Deswegen musst Du mir bitte zur Seite stehen.

Ich habe Angst, dass es häufiger schlimme Momente, wie dieser von heute, geben könnte. Hilf mir dabei!

— Tagebuch; einen Tag nach dem An-kommen.

Die Schule nutzt viele Gelegenheiten, um Feiern zu können. Das Feiern muss aber natürlich auch vorbereitet werden. Na-türlich aufgrund hoher Gästezahlen, aber auch Feste und Feiern nur unter uns mussten geplant und vorbereitet werden, da wir im Haus ja einige Dutzend Men-schen waren. Diese Arbeiten mussten immer die Schüler übernehmen. Viele Aufgaben hingen an den Schülern des ersten Jahres. Schon in der Einführung sagte uns unser Dozent, dass man im ersten Jahr noch nichts verändern sollte,

sondern nur beobachten. Ab dem zwei-ten Jahr könne man dann Dinge in die Hand nehmen. Und so wurde das auch gelebt. Die Schüler des ersten Jahres waren schon für die allererste Feier am ersten Sonntagabend zuständig, muss-ten für das Schneeräumen um sechs Uhr morgens antreten und hatten von ihren Ferien weit weniger als die anderen, da der Unterhalt des Hauses ja auch in den Ferien bestritten werden muss. Doch zu einigem dazu komme ich bestimmt auch noch später.

Die allererste Feier diente der Begrüßung aller Schüler und Dozenten. Die zweite Feier wartete schon eine Woche später auf uns, forderte ebenfalls Vorbereitung und diente ebenfalls dem Kennenlernen der neuen Schüler. Der Unterschied die-ser zweiten Feier war jedoch, dass wir nun bereits mit Unterricht begonnen ha-ben.

Diese erste Unterrichtswoche war eine von vielen Wochen, an denen in mir Ver-zweiflung ausgebrochen war. Wir muss-ten ein fremdsprachiges Alphabet und erste Regeln einer Fremdsprache lernen und hatten dafür je zwei Tage Zeit. In an-deren Fächern war das Lesen eines gan-zen Evangeliums Teil der Hausaufgabe und parallel eben Vorbereitungen zur zweiten Feier. In derselben Woche muss-ten Lieder und Noten für ein wöchentlich stattfindendes Nachtgebet einstudiert werden, man wurde in eine Bibliothek eingeführt und es fanden Besprechun-gen statt zu einem großen, mehrwöchi-gen Event, das schon bald stattfinden würde.

Rund herum hatten wir täglich vier Stun-den Unterricht. Manche dieser Aufgaben mussten wir in den Pausen erledigen. Nicht alle, aber einige. Darunter ich. Ge-nerell musste ich feststellen, dass Arbei-ten in den Pausen, an freien Tagen und Sonntagen nicht nur völlig normal waren,

SEPTEMBER 2021

Seite von 23 47

Page 24: myhobby.ch Bericht August 2021

sondern auch subtil und unausgespro-chen vorausgesetzt wurden. Ausgespro-chen haben das nur die wenigsten - dazu aber später. Wir sind ja noch in den ers-ten Monaten.

Täglich vier Stunden Unterricht sind ei-gentlich nicht viel. Da bliebe noch Zeit, um die oben genannten Dinge zu erledi-gen. Da wir aber täglich gemeinsam zu Mittag gegessen haben, verlor ich also hier schon mal eine ganze Stunde Zeit. An einem Nachmittag der Woche folgte das Arbeiten für den Unterhalt des Hau-ses, das etwa zweieinhalb Stunden in An-spruch nahm. An einem Tag der Woche war noch eine zusätzliche Stunde Arbeit für ebenfalls den Hausunterhalt fällig und an einem weiteren Nachmittag fielen noch zwei Stunden zusätzlicher Unter-richt an.

Auch an den Abenden hatte ich dann sel-ten Frei- oder Lernzeit; an einigen davon stand ein ebenfalls verpflichtendes

Abendessen statt, einmal die Woche ging eine Stunde für einen Gottesdienst weg und ebenfalls einmal die Woche rund zwei Stunden für einen weiteren Gottes-dienst. Zusätzlich zwei Mal die Woche traf sich die Klasse zum Austausch oder organisatorischen Besprechungen, was ebenfalls eine bis zwei Stunden in An-spruch genommen hat.

So sah meine Standard-Woche aus und darum geriet ich schon zu Beginn in Schwierigkeiten, wobei ich mich enorm angestrengt habe und die Herausforde-rungen irgendwie noch alle schaffen konnte. Für eine Beziehung oder auch für Kontakte zu meinen Freunden oder Fa-milie blieb überhaupt keine Zeit. Aber ich war der Meinung, dass ich das mit guter Planung und viel Einsatz mit der Zeit noch hinkriegen werde.

Dieses Bild zeigt eine halbwegs gewöhn-liche Woche. Wobei sich hier kaum Ter-mine überlappen. Mit der Zeit musste ich immer häufiger mehrere Termine gleich-zeitig wahrnehmen oder Aufgaben wäh-rend der Unterrichtszeit übernehmen. Die gelben Bereiche zeigen, wie viel Zeit ich für meine Freundin reservieren konn-te, wobei zwei dieser drei Bereiche für gemeinsame Hausaufgaben aufgewen-det wurden. Aus schon erwähntem Grund möchte ich den Kalender ebenfalls nicht im Klartext zeigen.

SEPTEMBER 2021

Seite von 24 47

Page 25: myhobby.ch Bericht August 2021

Ich bin froh, dass ich noch lebe*. Auf uns kommen viele Herausforde-rungen zu, aber Gott selbst war es, der mich hier hin geführt hat. Aber es ist nach drei Wochen der här-testen Herausforderungen gut zu wissen, dass meine Beziehung keinen Schaden nehmen kann.

Dass ich das Lernen irgendwie hinbekommen werde, habe ich mir schon im Voraus gedacht. Aber dass es gleich so hart wird, hat uns alle überrascht.

— Tagebuch - Drei Wochen nach dem Ankommen.

* Dieser Satz bezieht sich nicht auf eine tatsächli-che Lebensgefahr, sondern ist eine Redewen-dung.

Nach den ersten vier Wochen verließen alle Schüler das Haus, um in verschiede-nen Gebieten zweieinhalb Wochen Pro-spekte der Schule zu verteilen und nach Spenden zu fragen. In Teams gruppiert übernahmen wir viele Dienste der Ge-meinde, etwa Jugendkreise, Jungschar-

stunden, Gottesdienste, Bibelstunden und einiges mehr. Das musste natürlich alles während der vier Wochen zuvor vorbereitet werden. Dazu erhielten wir tatsächlich etwas Zeit im Unterricht. Im Vergleich zum tatsächlich anfallenden Aufwand war es aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Man stelle sich vor, dass junge Erwach-sene, die sich noch nicht einmal mit den Gegebenheiten der Schule richtig aus-kennen, in völlig fremde Gebiete ge-schickt werden und dort Dinge erledigen müssen, von denen sie keine Ahnung ha-ben. Da ich aber, wie erwähnt, offen für Erkenntnisse war, dachte ich, dass sich das Ungewisse bestimmt auflösen wird, wenn wir erst einmal dort sind. Davon aber keine Spur. Wir mussten zweiein-halb Wochen von Termin zu Termin und von Tür zu Tür rennen und wurden zuvor von den Dozenten angehalten, das Schu-lische beiseite zu lassen und nicht daran zu denken. Das habe ich natürlich ver-

sucht, doch nach vier Wochen intensi-vem Lernen ist es schwierig, das Lernen plötzlich gänzlich einzustellen und dann zu erwarten, dass das Wissen danach noch im gleichen Maße vorhanden ist. Es musste dann natürlich so kommen, dass ich nach dieser Zeit vieles Wissen wieder aufholen musste.

Nun waren wir zwei Wochen unter-wegs. Obwohl es eigentlich eine schöne Zeit war, hat sie dennoch zu unserem Leid direkt und indi-rekt beigetragen.

— Tagebuch - Acht Wochen nach dem Ankommen.

Der Wahrheit gemäß muss ich wohl er-wähnen, dass nicht alle in diesen zwei-einhalb Wochen so stark unter Strom standen. Ich hatte eine vergleichsweise ruhige Region und konnte dadurch ande-ren Regionen aushelfen. Ich weiß aber genau, wie es anderen Regionen erging und halte das sogar für absolut fahrläßig. Mittlerweile sind es also nun fast sieben

SEPTEMBER 2021

Seite von 25 47

Page 26: myhobby.ch Bericht August 2021

Wochen, in denen wir gearbeitet haben - in welcher Form auch immer. Einige von uns ohne freie Sonntage und dann soll-ten wir in den fremden Regionen auch noch mit Fahrzeugen unterwegs sein. Ein Wunder, dass es keine Unfälle gab. Die meisten der Schüler sind aber sehr jung, daher war das Energieaufkommen natür-lich auch ziemlich groß.

Generell ist zu sagen, dass gut die Hälfte der Schüler mit allen Gegebenheiten gut zurecht kamen, auch wenn sie ähnlich viel, andere aber auch noch mehr inves-tieren mussten, wie ich. Ein Viertel der Schüler hatte kaum Mühe, Aufgaben zu bewältigen, ein weiteres Viertel hatte ebenfalls große Mühe und das entweder zum Ausdruck gebracht, oder auch nicht.

Nach diesen sieben Wochen folgten sechs Tage Ferien, in denen ich das Ver-gessene wieder nachlernen konnte. Trotz allen Schwierigkeiten in diesen Aus-wärts-Wochen konnten neue Kontakte

entstehen, die dann immerhin für die Zeit an der Schule angehalten und immer wieder positiv auf mich eingewirkt ha-ben. Mit dieser Zeit habe ich angefangen zu verstehen, wie wichtig kleine, aber positive Momente sind, die ich mit ande-ren Menschen erleben konnte. Kontakte zu Freunden und der Familie in der Hei-mat hielten dennoch kaum an, was die Kontakte vor Ort um so wichtiger mach-te.

Das erste Jahr Die Wochen vergingen nach und nach. Dominiert von Lernstress und Verzweif-lung. Trotz allem und der fehlenden Zeit habe ich kontinuierlich versucht, mich in der Gemeinschaft einzubringen.

Vater, ich sehe Dich nicht. Ich kann mir nicht ausmalen, wie schwer es andere Menschen mit ihren Leiden haben und doch habe ich das Ge-fühl, meiner Anfechtung zu erlie-gen. Du hast gehandelt und in meinen Alltag eingegriffen und jetzt sitze ich da und frage mich, ob ich an meinem Glauben zwei-feln sollte.

Eigentlich ist es ja schade, dass mehr schief läuft, als gut. Ich bitte dich, dass ich schulisch gut mit-kommen kann, damit ich dadurch keinen Druck erleiden muss. Ich bitte dich, dass meine Motivation zum Lernen nicht schwindet und mich der Schulstoff mit dir verbin-det. Ich bitte dich, dass ich keinen Stress mehr haben werde, der mich bis an mein Limit auslastet. Ich bitte dich, dass ich Zeit für Schule und Gemeinschaft haben kann.

— Tagebuch - Der dritte Monat.

Immer mehr füllen sich die Seiten mei-nes Tagebuchs mit flehenden Hilferufen.

SEPTEMBER 2021

Seite von 26 47

Page 27: myhobby.ch Bericht August 2021

Doch nichts passiert. Diese zwei Absätze sind gerade mal der Anfang und die Ge-ringsten aller Rufe.

Die Wochen vergehen und das Kalender-jahr neigt sich dem Ende zu. Um einen Gesamtüberblick wahren zu können, lese ich nicht nur meine Seiten des Tage-buchs und verlasse mich nicht nur auf meine Gedanken, sondern blättere auch meinen Kalender durch. Eine Herausfor-derung, denn die Kalender- sowie Mo-natsansicht kann diese Fluten von Ter-minen nicht fassen, sodass sie auf mei-nem Bildschirm Platz finden würden.

Ein Termin sticht aber heraus: Das freie Wochenende. Man sagt, es startet ab Freitag Nachmittag, sodass man bis und einschließlich Sonntag seine freie Zeit genießen kann. Soweit die Theorie. Nun ist es aber so, dass die Dozenten im Schnitt eine Stunde Nacharbeit pro Stunde Unterricht vorschlagen. Betrach-tet man diese Aussage isoliert, geht das

am Ende auf, da manche Unterrichts-stunden faktisch gar keine Nacharbeit erfordern und andere dafür zwei oder mehr Stunden. Betrachtet man die Aus-sage im Kontext wird nun aber auffällig, dass die Nacharbeit nicht mit allen ande-ren verpflichtenden Aufgaben vereinbar ist, denn der Tag stößt hier schlicht und einfach an seine Grenze von 24 Stunden.

Ich habe das Problem pragmatisch ge-löst und mich von meinem Wecker um 05:00 Uhr wecken lassen. So hatte ich vor dem Tagesstart noch Zeit, um zu ler-nen, oder mich ggf. auszuruhen. Da ich aber selten vor 23:00 Uhr mein Bett auf-suchen konnte, hielt diese Praxis nur ein paar Wochen an, da ich danach zu er-schöpft war.

Diese Investition galt selbstverständlich auch für das eben erwähnte freie Wo-chenende. Zwar waren nur wenige wirk-lich gezwungen, auch an freien Tagen, Ferien oder an Sonntagen zu lernen,

doch ob Zwang oder nicht: In aller Regel traf man immer Leute in der Hauseige-nen Bibliothek an, die gerade lernten. Egal zu welcher Zeit und egal an wel-chem Tag.

Die Dozenten kommunizieren zwar durchaus den Sonntag als Tag des Herrn, an dem man nicht arbeiten müsste, aber mit der Zeit wurde mir klar, dass das ei-gentlich nur eine Illusion ist. Ungeachtet dessen, ob ein Mensch, bzw. Schüler da-mit einverstanden ist, oder nicht, soll mindestens ein Tag der Woche als frei gelten und von jeglichen Verpflichtungen befreit sein. Aber auch die Mitarbeiten-den der Schule arbeiteten in der Regel durchgehend die ganze Woche.

Die jeweils Erste der drei Klassen kommt zudem eigentlich nur selten in den Ge-nuss von freien Tagen. Wie erwähnt ist die Erste in den Ferien zuständig für den Hausunterhalt. Damit ist ein Schüler zwar nicht den ganzen Tag beschäftigt,

SEPTEMBER 2021

Seite von 27 47

Page 28: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 28 47

Text…vorgesehen wären in der Theorie aber tatsächlich acht Stunden Arbeit. Entwe-der man hat Pech und arbeitet, weil Ar-beit da ist, oder man hat Glück und kann sich auf einer Stunde Arbeit täglich aus-ruhen. Auch hier war echtes Ausruhen kaum möglich, da auch die Tür geöffnet werden muss, wenn beispielsweise ein Postbote oder einer von drei bis vier Pa-ketdiensten klingelte. Je nach dem, wie groß eine Klasse ist, muss man eben im ersten Jahr öfter ran, oder eben weniger oft. Glück haben sozusagen jeweils die-jenigen, die dem ersten Jahr erliegen und mittendrin aufhören. Pech haben die, die das dann ausgleichen müssen.

Nun ist es bald Dezember. Ich komme in den Genuss, zum Geschirr spülen einge-tragen zu sein. Wieder einmal ist das iso-liert betrachtet kein Thema, schließlich leuchtet es jedem ein, dass nicht für jede erdenkliche Aufgabe Personal eingestellt werden kann. Leider geht aber von der nicht existenten Zeit, bzw. von den klei-

nen weissen Lücken im Terminplaner dadurch viel verloren. Eine weitere Dau-erbelastung, die eine ganze Woche lang durchgehalten werden muss - auch hier einschließlich Sonntags. Ebenfalls im selben Monat kam ich in die Pflicht eines Klassendienstes, in dem eine Woche lang verschiedenste Aufgaben übernommen werden mussten. In dieser Intensität ist es leider nur die erste Klasse, die diesen Dienst tun muss. Bei den beiden Klassen darüber läuft das sehr human. Da geht es darum, dass man als erster aufsteht und als letzter in sein Zimmer gehen kann, weil jemand Tore des Grundstücks öffnen und schließen, Licht einschalten und ausschalten muss und einiges mehr, was dann über den Tag verteilt anfällt. Mit etwas "Glück" fällt dann diese Aufgabe auch zusammen mit dem Spülen. Natür-lich fände man jemanden, mit dem man tauschen könnte. Aber die Praxis hat ge-zeigt, dass es immer dieselben sind, die sich für freiwilligen Mehraufwand melden

und auf Dauer ist das nicht gerecht, auch wenn es für die betroffenen Personen in Ordnung ist. So habe zumindest ich das Tauschen in der Regel unterlassen.

Kurz vor den Weihnachtsferien habe ich irgendwie die Prüfungen bestanden. An-gesichts meiner Investitionen wäre das auch nicht anders zu erwarten, aber dennoch war ich mir dessen nicht sicher und entsprechend waren teilweise auch dann die Noten.

Vor und nach den Weihnachtsferien fin-den jeweils Themenwochen statt. Dabei handelt es sich entweder um Workshops, in denen man bastelt oder Neues lernt oder Seminare in Richtungen, in die sonst nicht unterrichtet wird. Klingt ei-gentlich spannend und ist - soweit die Aussage - als positiver Ausgleich für die Schüler gedacht. Vier dieser Wochen (je zwei in zwei Jahren) konnte ich miterle-ben und finde höchst spannend, wie sich hier ein besonderes Phänomen wieder-

Page 29: myhobby.ch Bericht August 2021

gibt: Befragt man die Schüler offiziell, sind die Meinungen eigentlich meist po-sitiv. Hört man den Schülern im persönli-chen Gespräch hin und wieder zu, erfährt man aber: Mindestens die Hälfte, bis zwei Drittel der Schüler könnten auf sol-che Extra-Wochen auch verzichten. In über der Hälfte dieser Fälle liegt es zu-sätzlich an ermüdendem Inhalt, aber hauptsächlich einfach an der Tatsache, dass man erschöpft ist und lieber Ferien machen würde. Ich bin im Laufe der zwei Jahre immer wieder auf Situationen ge-stoßen, in denen sich die "öffentliche" Meinung der Schüler von der tatsächlich geäußerten, privaten Meinung unter-scheidet. Ich vermute, dass hier das tiefe Durchschnittsalter eine große Rolle spielt; Nein zu sagen ist eine Sozialkom-petenz, die man erst aufwendig erlernen muss. Ich habe auch deutlich gesehen, dass vor allem ältere es waren, die ihre Empfindungen gegenüber der Schule

ehrlich äußerten. Aber da gab es natür-lich auf beiden Seiten auch Ausnahmen.

Endlich kommen dann die Ferien. Ich und meine Freundin dachten, wir könnten eine Woche in meiner Heimat ausruhen, und eine Woche in ihrer Heimat. Dabei haben wir uns mit einigen Freunden und der Familie getroffen, Weihnachten und Silvester gefeiert und kamen dann ziem-lich erschöpft, aber pünktlich zum Unter-richtsstart wieder in der Schule an.

Klar war es mir schon vorher. Aber spä-testens hier wurde deutlich, dass der so-ziale Kontakt niemals mehr so sein wird, wie er früher war. Einige Menschen aus dem Leben vor der Schule hatte man durch diese paar Monate bereits abge-hängt und durch das Bewusstsein, dass man sich auch kaum noch persönlich treffen kann, musste ich dann meine Freunde und die Familie selektieren. Ein Wort, das unter Schülern öfter zu hören war, denn da ging es fast allen gleich.

Aber es ist durchaus auch die beim Wort benannte Ansicht der Schulleitung, dass man sich im Kontakt zur Heimat zurück-nimmt und dort neu startet und sich voll und ganz auf die Ausbildung und das dor-tige, gemeinschaftliche Leben konzen-triert. Als ich das wahrgenommen habe ging mir erstmals das Licht auf, dass ich mich in dieser Schule in sektenähnlichen Gegebenheiten befinde. Allerdings war ich nach wie vor noch am Anfang meiner Ausbildung und hatte die Hoffnung, dass es noch besser werden könnte. Darum habe ich diesen Gedanken im Keim er-stickt und bis heute, wo ich diese Zeilen schreibe, nie mehr gedacht.

SEPTEMBER 2021

Seite von 29 47

Page 30: myhobby.ch Bericht August 2021

Damit sich hier nicht weiter nur Absatz an Absatz reiht, berichte ich konkret von verschiedenen Erlebnissen und nicht mehr strikt nach einer Zeitlinie. Alle kommenden Erzählungen sind ein Spie-gel der gesamten Zeit an dieser Schule und in der Regel nicht nur als Einzel-Si-tuation wahrzunehmen - es sei denn, ich würde es ausdrücklich erwähnen.

SEPTEMBER 2021

Seite von 30 47

Page 31: myhobby.ch Bericht August 2021

Urteil und Verurteilung

SEPTEMBER 2021

Seite von 31 47

Ein großer Pluspunkt der Schule ist eine nahe Beziehung zwischen Schülern und Mitarbeitern, bzw. Dozenten. So zumin-dest wird das stets kommuniziert. Unge-achtet meiner eigenen Erfolge zeichnet sich für mich ein anderes Bild. Generell von einer Beziehung zu sprechen spie-gelt nicht wirklich die Wahrheit wider. Viel eher ist Beziehung eine Sache ein-zelner Dozenten, die sich dem annehmen wollen. Genauer muss ich natürlich auch sagen, dass alle Dozenten jederzeit - auch trotz vollem Terminplan - zum Ge-spräch bereit sind. Da einerseits ich da-von hin und wieder Gebrauch gemacht habe und natürlich auch meine Mitschü-ler, konnte ich sehen, wie der Begriff "Beziehung" im einzelnen zu verstehen ist.

In der Regel hört man den Schülern durchaus zu. Meine Erfahrung ist aber die, dass eher selten Taten folgen. Be-sonders betrifft das diejenigen Dozenten oder Mitarbeiter, die schon viele Jahre an der Schule tätig sind. Ein ganz ande-res Bild zeichnete sich bei einem Dozen-ten, der im gleichen Jahr an dieser Schu-le angefangen hat, wie ich. Ein Dozent, der an der Beziehung zu den Schülern echtes Interesse und somit auch Spaß an dieser Beziehung hatte. Ähnlich, wie auch bei einem weiteren Dozenten, der etwa ein halbes Jahr später eingestellt wurde und viel im Gespräch mit den Schülern war. Hier konnte man sich un-terstützen lassen, wenn es schief lief, oder man den Unterricht nicht gepackt hatte. In den jeweils von ihnen unterrich-teten Fächern natürlich.

Nach etwa sechs Monaten mussten dann alle zu einem persönlichen Gespräch zwischen Einzelschüler und drei ausge-wählten Dozenten. Dort spricht man dar-über, wie man sich entwickelt hat und ob man sich verbessern könnte. Nicht nur in den schulischen Leistungen, sondern auch in Sachen Charakter und Persön-lichkeit. Soweit ich mich erinnere, wurde ich nicht negativ beurteilt. Aber ich emp-fand das Unterfangen als durchaus selt-sam, da ja jeder Mensch ein Recht auf seine eigene, selbstbestimmte Entwick-lung hat. Sich dann ein bis zwei Mal ei-nem Urteil von Dozenten zu unterziehen empfinde ich nicht unbedingt als ange-messen. In aller Regel haben die Dozen-ten keinen Kontakt mit den Schülern, auch wenn die meisten von ihnen auf dem Schulgelände mit ihren Familien

Page 32: myhobby.ch Bericht August 2021

wohnen. Wie man sich dann ein Urteil über persönliche Eigenschaften bilden kann, ist mir ein Rätsel. Natürlich hat der eine oder andere Dozent und Schüler auch mal mehr Kontakt - das ist eine in-dividuelle Sache. Es ist aber nunmal so, dass es hin und wieder solche Gespräche gab, mit denen die Schüler nicht gut zu-recht kamen oder nach denen sie zumin-dest bestürzt waren. Angesprochen wur-den etwa zurückhaltendes Verhalten oder ggf. mangelhafte schulische Leis-tung.

Die Spitze des Eisbergs ist dann aber ein General-Urteil im Kreis der ganzen Klas-se gegen Ende der Ausbildung. Ich selbst habe es nicht erlebt, da ich früher abge-brochen habe. Ich war aber gezielt mit Menschen im persönlichen Gespräch, die mir gegenüber Bedenken zu diesem An-lass geäußert haben, oder von denen ich unsicher war, ob ein Feedback positiv ausfallen wird. Natürlich werden an die-sem Anlass verschiedenste Themen be-

sprochen und niemand muss durchwegs negative Worte über sich ergehen lassen. Aber niemand hat die Wahl, sondern es ist ein Muss. Problematische oder stö-rende Angewohnheiten eines Menschen sind eine sehr sensible und vor allem pri-vate Angelegenheit, wegen derer man nicht öffentlich verurteilt werden dürfte. Natürlich sind das auch von Dozenten geführte Anlässe, aber junge Erwachse-ne (natürlich auch ältere) sind in der Re-gel noch nicht sensibel und wortgewandt genug, um wesentliche Kritikpunkte richtig wahrzunehmen und diese dann angemessen zu artikulieren. Die Wahr-nehmung der Mitschüler ist zudem sehr verzerrt, was ein objektives Urteil über eine Persönlichkeit fast verunmöglicht. «Man kennt sich gut», wenn man so eng zusammen lebt - sagt man. Aber das stimmt nur begrenzt. Die Menschen kommen aus ihrer früheren Lebensreali-tät und werden nach Abschluss der Schule in eine neue Lebensrealität über-

gehen, die zu deren persönlichen Eigen-schaften, Stärken und Schwächen passt. Die eigene Persönlichkeit eines Jeden passt sich automatisch den Gegebenhei-ten dieses schulischen Umfelds mit der engen gemeinschaftlichen Lebensweise an - bei manchen mehr, bei anderen we-niger. Darum lernt kaum einer den ande-ren so kennen, wie er in der vergangenen oder zukünftigen, echten Lebensrealität war oder sein wird. Mit dem emotionalen Hammer immer wieder über Schüler zu urteilen ist darum mehr als unange-bracht.

Aber auch ohne besondere Anlässe wa-ren Urteile an der Tagesordnung. In ei-nem Haus voller Christen erkennt man diese nicht unbedingt, wenn man nur zu Besuch vorbei kommt. Was manche Schüler, aber auch Mitarbeitende und Dozenten aber an Gedanken immer wie-der ausgesprochen haben, war doch sehr bedenklich. Schließlich gab und gibt es ja auch Menschen, die dort unter Dauer-

SEPTEMBER 2021

Seite von 32 47

Page 33: myhobby.ch Bericht August 2021

stress- und Druck standen und es den-noch geschafft haben, freundlich zu sein. Besonders Lästereien lauern an jeder Ecke. Einerseits wird man verurteilt, ohne es zu wissen. Andererseits verur-teilt man aber auch, ohne über Hinter-gründe zu kennen. Ich vermute (um nicht zu sagen "ich weiß"), dass ich auch davon betroffen war, da über fast jeden geläs-tert wurde. Aber mitbekommen habe ich das selten, bzw. bin in aller Regel reflek-tiert genug, um meine eigenen Fehler selbst wahrzunehmen. Ich habe also Läs-terungen über mich praktisch nie wahr-genommen. Warum ich das sage? Ich schreibe diese Zeilen nicht, weil ich we-gen Lästerungen über meine Person frustriert wäre. Das gilt eigentlich für diese gesamte Reihe von Berichten über diese Zeit an dieser Schule. Viel mehr bin ich immer wieder neu erschüttert über Zustände, die man mitten unter Christen antrifft. Dabei habe ich nicht nur die Er-fahrungen an mir selbst erlebt, sondern

auch gesehen, wie andere ungerecht be-handelt werden und mich darüber mit einzelnen ausgetauscht.

Ich würde sagen, dass etwa ein Drittel aller Schüler nicht am Lästern teilge-nommen hat. Es wäre daher durchaus auch möglich gewesen, Freundschaften aufzubauen. Immer wieder bin ich auf Menschen gestoßen, mit denen ich posi-tive Momente erleben konnte. Manchmal auch mit Menschen, die gerne gelästert haben. Vermutlich lästert jeder irgend-wann einmal. Aber besonders gut waren die Momente mit Menschen, bei denen ich den Eindruck hatte, dass sie ehrlich sind zu sich selbst und ihrem Umfeld.

Ich selbst hatte Schwierigkeiten, mit Wut umzugehen. Einerseits führte eine Krankheit zu immer wieder überfordern-den Situationen, andererseits aber gab es auch keinen Raum für den Ausdruck negativer Emotionen. Dafür müsste man nach draußen gehen, da ein einzelner

Schüler kaum Privatsphäre hat. Aber un-geachtet dessen muss man auch die Zeit haben, um sich eigenen Emotionen, Ge-fühlen und Gedanken widmen zu können. Für mich fiel das alles überwiegend weg. Um so mehr bin ich überrascht, wie we-nig manche Schüler mit ihrer Wut umge-hen konnten. Wut an sich war keine Sel-tenheit - da waren fast alle hin und wie-der betroffen. Manche konnten aber bes-ser und manche weniger gut damit um-gehen. Was aber "umgehen" bedeutet, wenn man gar nicht erst die Möglichkeit hat, damit umzugehen, weiß ich eigent-lich auch nicht wirklich. Trotz aller Wut bin ich aber meistens freundlich mit den Menschen an der Schule umgegangen und habe an niemandem meine Wut aus-gelassen. Darum ist es für mich schwie-rig zu verstehen, dass andere das nicht schaffen. Unglaublich oft - eigentlich je-den Tag - musste ich mitansehen, wie sich die Schüler mit ihrer Wut gegen die anderen Schüler gerichtet haben. Be-

SEPTEMBER 2021

Seite von 33 47

Page 34: myhobby.ch Bericht August 2021

schuldigen, anmotzen, schlechte Stim-mung verbreiten. Gehört habe ich dann jeweils, dass ja gerade Prüfungsphase ist, dass gerade dies und jenes ansteht. Nun, so ist das nunmal, wenn man dort eine Ausbildung macht - irgendwas ist immer. Als Schüler ist man aber chan-

cenlos, irgendetwas dagegen tun zu kön-nen. Entweder ist man notenstarker Schüler und kann seine Frustration aus-gleichen, weil man die Zeit dazu hat, oder man ist stark genug, um es gegen sich selbst zu richten.

Ich für meinen Teil konnte das gegen mich selbst richten oder bei meiner Freundin zum Ausdruck bringen. Mit der Zeit steigerte sich dieses Maß an Selbst-verletzung so stark, dass ich nachhaltig krank wurde.

SEPTEMBER 2021

Seite von 34 47

«Die Studierenden, die machen das schon».

— Ein Dozent.

Manchmal hört man Menschen Dinge sa-gen, und man weiß hinterher nie so ganz genau: «War das ein Scherz - bloß Iro-nie? Oder meint er/sie das ernst?». Und falls es doch ernst gemeint ist, weiß man dann außerdem auch nicht, ob sich die

betreffende Person eigentlich bewusst ist, was sie gesagt hat.

Wie auch immer. Wie schon erwähnt, kommt es immer wieder zu außerordent-lichen Anlässen und Festen, die von den Schülern ausgetragen werden. Im Namen der Schule und meist mit Worten des Di-rektors, um möglichst das «Gemeinsa-me» noch zu unterstreichen. Ein Parade-beispiel war ein Geburtstag eines älteren Theologen (zumindest nannte man ihn

dort so), der eng mit der Schule zu tun und sie auch sehr geprägt hatte. Es war ein Ereignis, zu dem natürlich viele sei-ner Angehörigen, Freunde und andere Menschen eingeladen wurden. Ausge-richtet und vorbereitet haben die Schüler das Ganze. Dazu gehörte die Umgestal-tung der öffentlich zugänglichen Räume der Schule, das Servieren der Mahlzeiten, Abwasch, die Koordination der Technik und allem, was dazu gehört. Etwa das

Selbstverständliches arbeiten

Page 35: myhobby.ch Bericht August 2021

Einstudieren eines Chor-Stücks und das abschließende Aufräumen. Besonders die Gesänge, die an Festen wohl üblich waren, wollte eigentlich nie jemand so richtig. Man sieht also: Es war schon eine sehr große Sache, auf die man sich da vorbereitet hatte. Bis zum Ereignistag wusste ich nicht, wer dieser Mensch ei-gentlich ist, für den wir hier einen Ge-burtstag ausrichteten. Vorgestellt hatte er sich uns dann auch nicht, daher wuss-te ich selbst einige Stunden während der Feier noch nicht einmal, wer unter all den Leuten eigentlich das Geburtstagskind ist. Einen Dozenten hätte ich natürlich fragen können. Aber wenn Du, lieber Le-ser, dir mal vorstellst, dass ich in Deinem Wohnzimmer einen Geburtstag für je-manden organisieren will und Dir auch noch die ganze Organisation übertragen würde, würdest Du vermutlich erwarten, dass ich Dir sage, um wen es eigentlich geht und warum Dein Aufwand gerecht-fertigt ist.

Selbst heute weiß ich noch nicht ab-schließend, in wie fern das Geburtstags-kind die Schule geprägt hat. Nur, dass die Schulleitung ein Fan von ihm ist.

Bis hierher wäre die Geschichte eigent-lich schon Grund genug, um die Kapitel-überschrift zu rechtfertigen. Der eigent-liche Hammer kam aber erst gegen Ende der Veranstaltung. Das Geburtstagskind hatte sich dann doch noch zu Wort ge-meldet und sich reichlich bedankt. Beim Direktor und seinen Gästen. Ein Wort an die Bediensteten, die das Fest ausge-richtet hatten, fiel dann nicht mehr.

Gern geschehen.

Immerhin hatte der Direktor postwen-dend noch bemerkt, wer hier für die Or-ganisation eigentlich zuständig war.

Beispiele wie dieses gibt es jeweils meh-rere pro Jahr. Unser Pech war es ver-mutlich, dass gleich zwei Dozenten neu zu ihrer Stelle an der Schule begrüßt

wurden und zwei die Schule verließen. Je ein Fest wert - selbstverständlich. Ab-surderweise muss man sagen, dass we-nigstens zwei der Dozenten sich der Dankbarkeit und dem Respekt gegenüber den Schülern durchaus meistens bis im-mer bewusst waren. Da würde man für solche Menschen eigentlich noch so ger-ne ein Fest veranstalten. Genauso wie für Schüler, die die Ausbildung am Ende ih-rer Zeit verlassen. Aber die Umstände lassen echte Freude dann nicht zu, oder sie geht in der ganzen Arbeit einfach un-ter.

Oft konnte man selbst entscheiden, in welchem Bereich an einem Fest man mitarbeiten will. Ich habe gelernt, mit welchen Aufgaben man am meisten at-men kann, während der Veranstaltung. Praktischerweise waren es auch die Auf-gaben, in denen ich Kompetenzen mitge-bracht habe. Es ist also daher alles in den entsprechenden Relationen zu sehen. Nicht alle waren mit den Festen unzu-

SEPTEMBER 2021

Seite von 35 47

Page 36: myhobby.ch Bericht August 2021

Überforderung trifft auf Unterforderung

frieden, aber die meisten durchaus. Nur haben die meisten davon es nicht ge-wagt, sich zu Wort zu melden. Durch per-sönliche Gespräche, das Mithören ver-schiedener Lästereien und durch mein temporäres Amt als Klassensprecher konnte ich sehr viele verschiedene Mei-nungen und Kontexte aufsammeln.

Bei größeren Anlässen mit geladenen Gästen kippte die Selbstverständlichkeit

oft in Respektlosigkeit über. Manche Schüler konnten mit dem Druck an sol-chen Veranstaltungen nicht gut umgehen und machten andere Schüler für Missge-schicke verantwortlich oder zögerten nicht, ihren Ärger an ihnen auszulassen. An konkreten Anweisungen fehlte es und die Schüler zögerten dann nachzufragen, weil sie die Konfrontation meiden woll-ten. Viele Tränen wurden deswegen ver-

gossen. Nicht nur an Festen. Für mich ging das immer wieder zu weit, weswe-gen ich solche Arbeiten mit der Zeit ge-mieden und mich einmal auch der Wei-terarbeit verweigert habe.

SEPTEMBER 2021

Seite von 36 47

Heute? Es war halt Dienstag. Die ersten zwei Stunden der Demüti-gung vom Montag waren schon seit 24 Stunden vergangen, und dann kamen heute die nächsten Zwei. Wie jeden Dienstag halt. Aber dieser Dienstag war etwas Besonderes: Diesmal durfte ich

vor Überforderung sogar fast hy-perventilieren.

— Tagebuch, nach drei Monaten

Zu körperlichen Stress-Ausbrüchen ist es zum Glück nicht ganz so oft gekommen. Einerseits war dafür keine Zeit und spä-ter war es mir dann egal. Eine damalige

Klassenkollegin sagte gerade aus zum Dozenten, als sie dem Unterricht nicht folgen konnte: «Es interessiert mich ein-fach nicht». Hätte ich zu diesem Zeit-punkt schon gewusst, dass ich das in gut einem Jahr auch so sehen werde, hätte ich bei dieser Ehrlichkeit einen Applaus eröffnet. Denn hinter diesem Satz war

Page 37: myhobby.ch Bericht August 2021

ebenfalls Resignation verborgen, aber niemand - nicht einmal ich selbst - hatte das nötige Einfühlungsvermögen, um das festzustellen.

So richtig verstanden habe ich die Stun-denpläne nie. Im ersten Jahr wird man von Buch zu Buch, von Lernkarte zu Lernkarte gehetzt und wenn die Klasse zu langsam war, hat das der entspre-chende Dozent stets gesagt - auch im zweiten Jahr. Das zweite Jahr jedoch ist dann plötzlich kein Stress mehr - im di-rekten Vergleich jedenfalls. Angemesse-nes Verteilen der Lernstoffe scheint wohl nie gelungen zu sein. Das hat sich auch innerhalb der Schulwochen immer wie-der bemerkbar gemacht. Manche Fächer sind Powerfächer, in denen geballter Schulstoff dem Schüler um die Ohren fliegt und den er dann auch außerhalb des Unterrichts stark bearbeiten muss. Andere Fächer sind inhaltlich entweder völlig sinnlos, oder der Lernstoff wird derart in die Länge gezogen, das selbst

interessante Themen an einem vorbei-gehen. Natürlich wurde mindestens ein Dozent jetzt sagen: «Nach der Ausbil-dung! Da rufen sie dann immer an», weil man im Unterricht zu wenig aufpasst und dann im Beruf feststellt, dass die ver-passten Themen doch eine Relevanz ha-ben. Ich denke, dass ich diese Divergenz in vielen Fällen gut einschätzen konnte. Zumindest immer dort, wo ich bereits Er-fahrung mitgebracht habe. Vermutlich hat gerade auch in diesem Bereich der Altersunterschied eine große Rolle ge-spielt, denn wir waren ja eher über-durchschnittlich alt mit knapp 30 Jahren.

Diese differenzierte Leistungsanforde-rung konnte man auch an verschiedenen Trends ablesen: Alle haben gemein, dass die Aufmerksamkeit dem eigentlichen Thema gegenüber teilweise völlig abwe-send war. Manche befassten sich mit spaßigeren Themen, andere erledigten administrative Aufgaben, nochmals an-

dere beschäftigten sich mit dem Lern-stoff der Powerfächer.

Abgesehen von sehr gedehnten Abhand-lungen diverser Fächer war aber auch die geprüfte Anforderungen zusätzlich klei-ner, als bei den Powerfächern. Einige Fä-cher werden gar nicht geprüft. Andere nur teilweise.

Hier gäbe es viel Spielraum für Verbesse-rungen, denn das Curriculum, also der schulische Leistungsumfang der Schule ist randvoll. Laut Schulleitung muss das so sein, da sonst die Ausbildung nicht mehr so angesehen wäre. Den künftigen Arbeitgebern wird dadurch vermittelt, dass die Schüler entsprechendes lernen. Diesem Anspruch werden nach drei Jah-ren aber nur etwa die Hälfte genügen. Immerhin konnte ich dazu eine ehrliche Aussage eines Verantwortlichen ent-nehmen. Am Ende einer jeden Prüfung konnte man auf der einen Seite gut be-stehen, wenn man nur auf die Interessen

SEPTEMBER 2021

Seite von 37 47

Page 38: myhobby.ch Bericht August 2021

Hohe Ansprüche - aber nur an Schülern

der Dozenten gezielt hat, anstelle, das Gelernte umfassend zu verstehen. Auf der anderen Seite konnte man aber auch knapp bestehen, ohne überhaupt etwas verstanden zu haben.

SEPTEMBER 2021

Seite von 38 47

Ich bin nicht sicher, ob es an hohen Leis-tungsansprüchen oder an jungem Le-bensalter liegt, dass der Alkoholkonsum Dimensionen erreicht, mit denen ich mich nicht mehr wohlgefühlt habe. Par-ties ohne Alkohol gab es nicht. Nur unse-re Klasse wagte es einmal, eine Party überwiegend ohne Alkohol durchzufüh-ren. Ansonsten waren Trinkspiele und Li-terweise Alkohol allgegenwärtig. Sei es an Parties, oder auch bei privaten Tref-fen unter den Schülern.

Vielleicht grade weil viel junge Menschen in diese Ausbildung kommen, legt man Wert auf Reflexionen zum persönlichen Charakter. Wie es auch im Berufsleben läuft, wird man auch hier hin und wieder alleine mit Dozenten sprechen, um über die eigene Entwicklung oder eventuelle Missstände zu sprechen - seien es per-sönliche oder schulische. An sich ist das keine schlechte Idee. Manche Dozenten sind aber vom Geschehen der Schüler zu weit weg, sodass Urteile eigentlich nicht gerechtfertigt sind. Manche Gespräche

haben eindeutig gezeigt, dass die Ein-schätzung der Dozenten nicht immer richtig sein muss. Und trotzdem scheint eine nicht kommunizierte Erziehungsrol-le vom Haus der Schüler gegenüber zu existieren.

Im Kapitel «Urteil und Verurteilung» habe ich das ja näher ausgeführt. Selbstrefle-xion und persönliche Entwicklung sind klare, unmissverständliche Ansprüche an die Schüler. Umgekehrt können die Schüler aber kaum erwarten, dass die

Page 39: myhobby.ch Bericht August 2021

Dozenten reflektieren. «Was immer ir-gendwie funktioniert hat, wird bestimmt nicht geändert». So muss etwa die Grundeinstellung sein. Es gibt auch hier einige Ausnahmen. Im Großen und Gan-zen sind Dozenten aber nicht bereit, ihre Unterrichtskonzepte zu reflektieren. Nicht einmal, wenn der Wandel der Zeit neue Erkenntnisse hervorbringt. Dies ist ganz besonders eines der Themen, mit denen nicht nur ich zu kämpfen hatte, sondern auch gut mithaltende Schüler. Es hatte aber sehr lange gedauert, bis wenigstens ein paar sich diesbezüglich zu Wort gemeldet hatten.

Leider sind einige Dozenten schon so lange in der Unterrichtspraxis, dass sie sich kaum noch auf die einzelnen Stun-den vorbereiten. Schnell ist die Power-point-Präsentation und das Lesematerial aus früheren Jahren eingerichtet. Scha-de, denn in dynamischer Unterrichtsme-thodik als auch in dynamischem Inhalt könnte man so viel bewirken.

Der hohe Anspruch fiel mir auch in ande-ren Bereichen immer wieder auf. Ohne christliches Vorwissen war die Schule kaum zu schaffen. Auch wenn man Prü-fungen bestanden hat, hieß das noch lange nicht, dass man auch verstanden hat, worum es geht - wie bereits vorhin ewähnt. Dafür war ich manchmal ein Pa-radebeispiel, denn einige Prüfungen be-stand ich gut, obwohl ich so gut wie nichts verstanden und damit auch nichts oder kaum etwas nachhaltig gelernt habe. Eine Kollegin sagte einst: «Du musst nur lernen und hinschreiben, was die Dozenten lesen wollen». Es trifft den Nagel auf den Kopf. Mit dem richtigen Geschick konnte man viel aus seinen Prüfungen herausholen, ohne das Ge-schriebene wirklich verstanden zu ha-ben.

Doch nicht immer konnte man nicht-ver-standenes einfach überspringen. Manche Dozenten sprechen selbstverständlich in völlig fremden Begriffen und Kontexten,

die man auch sehr einfach hätte ausdrü-cken können. So soll man theologische Fachsprache lernen, die dann auch in Textform wiedergegeben werden muss, in der Praxis später aber nie zur Anwen-dung kommt. Dass Schüler dann deswe-gen nicht mehr mitkommen, obwohl sie das Themenfeld eigentlich verstehen würden, ist schon enttäuschend, aber leider unveränderbar in den Augen der Dozenten, die das so handhaben. Am Ende ist das Tempo der wichtigen Fächer so rasend schnell, dass man zu nicht ver-standenen Wörtern oder Bereichen keine Fragen stellen kann oder teils auch nicht einmal die Zeit hat, sich das nicht ver-standenen aufzuschreiben, damit man es gegebenenfalls später irgendwo nachle-sen könnte. Ein echtes Studium habe ich selbst nie absolviert, aber mir wurde er-zählt, dass diese Ausbildung wohl we-sentlich mehr abverlangt als ein Studi-um. Am Ende bleibt dann aber lediglich ein schriftlicher Beweis, dass man die

SEPTEMBER 2021

Seite von 39 47

Page 40: myhobby.ch Bericht August 2021

Gemeinschaft und Dankbarkeit

Schule besucht und nach Vorgaben des Curriculums bestanden hat. Einen staat-lich anerkannten Abschluss hat von den Absolventen dadurch niemand. Angese-hen ist die Schule in der Regel bei evan-gelischen Kirchen in Deutschland, teils auch in anderen Ländern.

Der Anspruch äußert sich auch in den schon erwähnten Feiern und anderen Tä-

tigkeiten, in denen viel organisiert und erledigt werden muss. Im ersten Jahr wurde wegen fehlendem Personal die Schüler grundsätzlich nicht unterstützt, sondern mussten am Ende einfach ein Endergebnis zustande bringen. Danach, seit ein neuer Mitarbeiter eingestellt ist, werden sie zumindest angeleitet und de-legiert.

SEPTEMBER 2021

Seite von 40 47

Die intensive Gemeinschaft ist eines der Hauptargumente der Schule. Durch die vielen Veranstaltungen und das offensive Auftreten der Schule wird auch ein star-kes Gemeinschaftsbild vermittelt. Das Bild zeigt Dozenten und Schüler gemein-sam an einer Ausbildungsstätte, wie sie gemeinsam durch die Zeit der Ausbil-dung gehen. Auf rein sachlicher Ebene

ist der Satz so auch nicht falsch, immer-hin leben die meisten Dozenten auch in unmittelbarer Nähe oder direkt auf dem Gelände. Dass die Bereitschaft für Ge-spräche aber während der Ausbildung kaum noch besteht, wurde von der Schulleitung auch so gesagt. Nur hört man das erst, wenn man als Schüler kri-tischen Gesprächsbedarf hat.

Einmal jährlich findet eine interne Veran-staltung statt, die den gesamten Abend füllt, an dem alle Schüler und Dozenten anwesend sind und die dem Gespräch zwischen den Menschen dienen soll. Wer genug Anhänger findet, kann sein Anlie-gen dann vortragen. Leider hat sich auch hier gezeigt, dass es sich weniger um ei-nen Dialog handelt, als eher um eine wei-

Page 41: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 41 47

tere, nicht unbedingt notwendige Veran-staltung. Je kritischer die Anliegen wer-den, desto mehr halten sich die Dozenten zurück. Eine Veränderung zu bewirken ist damit sehr schwierig. Damit die Schüler trotzdem den Eindruck nicht verlieren können, selbst etwas bewegen zu kön-nen, werden manche Anliegen auch sehr ernst genommen. Aber eben eher nur dann, wenn es den Ansichten der Schul-leitung nicht widerspricht.

«Gemeinschaft» bedeutet auch, dass andere soziale Kontakte leiden. Nicht nur die erwähnten Freunde und Familien. Be-ziehungen, die nicht direkt an der Schule stattfinden, weil man sich dort kennen-gelernt hat oder der Ehepartner eben-falls dort wohnt, haben fast keine Chan-ce. Die meisten werden scheitern und diejenigen, die dort entstanden sind ebenfalls, weil selten Paare aus dersel-ben Klasse entstehen und damit die Fernbeziehung unumgänglich wird - und

auch das Finden einer Stelle in derselben Region.

Vor Gott sind wir alle gleich, hieß es doch immer wieder. Ich vermute, die Dozenten glauben das tatsächlich. Und doch wurde eine Gesellschaft gelebt, die sehr stark in Klassen eingeteilt war. Die unterste und letzte Klasse bilden die Schüler. Darüber stehen alle früheren, bzw. bisherigen Ab-solventen der Schule. Noch eine Klasse höher stehen die Mitarbeitenden und Do-zenten und darüber noch verschiedene Räte, die Entscheidungen treffen. Und dann kommt an fast oberster Stelle dann Jesus. Nur ein einziger bildet allein noch eine Klasse, und das ist derjenige, für den wir den Geburtstag ausgerichtet ha-ben.

Nachdem ich nun über vieles geschrie-ben habe, ist «Dankbarkeit» natürlich nicht das vorherrschende Gefühl. Das war es während der Ausbildung, beim Abbruch und auch die vergangenen Wo-

chen und Monate nicht. Und dennoch gibt es Gründe, dankbar sein zu können.

Etwa die Beziehung und Ehe mit Ramo-na, die durch all diese Ereignisse und Be-lastungen Eigenschaften erlangt hat, die ja vielleicht auch nicht alle Beziehung mitbringen. Obwohl die Bedingungen an der Schule gegen Beziehung stehen, konnten wir ein starkes Fundament bau-en.

Wie schon erwähnt machten vor allem kurze Momente das Positive aus:

Ein kleines Highlight heute waren die 20 Minuten im Gemeinschaftsraum mit zwei Mitschülern.

— Tagebuch

Nicht auf alle traf es zu, aber viele Schü-ler hatten für einfache und ernste Ge-spräche kaum Zeit. Ob guter Schüler, oder nicht: Terminieren musste man ein Treffen mit anderen auf jeden Fall - ohne ging das nicht. Manchmal traf man sich

Page 42: myhobby.ch Bericht August 2021

gezielt in einer Pause. Manchmal vor ei-nem Gottesdienst. Einige sind Zweier-schaften eingegangen; Ähnlich, wie ein Hauskreis, aber nur zu zweit. So zumin-dest hatte man sich ein wenig regelmä-ßige Verpflichtung einrichten können, auch mal mit anderen zu sprechen. Aus-giebiges Zeit verbringen, also in einem Rahmen von zwei bis drei Stunden, war nur sehr selten möglich. Bei den zwei oder drei Malen, an denen es mir dann doch gelungen ist, war aber immer der drückende Horizont im Hinterkopf, der an das Folgeprogramm oder die Schwin-dende Zeit des Lernens erinnerte. Darum waren es also eher die Randzeiten, die mir Freude gemacht haben.

Ich hatte außerdem Glück, dass eine Schülerin, mit der ich mich gut verstan-den habe, sich lerntechnisch auf einem ähnlichen, etwas besserem Niveau be-fand, wie ich. So konnten wir uns einige Male vornehmen, zusammen zu lernen.

Besonders angetan hat es mir das Früh-stück. Immer wieder hatte ich den Ein-druck, die Menschen seien zu diesem Zeitpunkt aufgeschlossener oder weni-ger belastet. Auch wenn sie überwiegend natürlich noch müde waren. Vielleicht auch kein Wunder, denn auf dem Weg vom Zimmer zum Frühstück kann noch nicht so viel schief gehen. Das waren Momente, für die ich auch rückblickend noch dankbar bin und die in keinem an-deren Umfeld so in dieser Regelmäßig-keit stattfinden würden. Mit etwas mehr von solchen sozialen Kontakten wäre die Zeit um ein vielfaches besser gewesen. Aber es war einfach nicht möglich. Die letzten Monate, die ich noch durchgehal-ten habe, führen allein darauf zurück, dass dort eine Hand voll Menschen gelebt hat, die mir gut getan hat - und nichts anderes. Zum Abschied habe ich diese Dankbarkeit den betroffenen Menschen zum Ausdruck gebracht. Ein wenig Dank oder zumindest Wertschätzung hätte ich

mir auch von den Dozenten gewünscht. Zwei davon waren bereit, sich auf Au-genhöhe zu verabschieden. Die anderen leider nicht. Die beginnende Corona-Kri-se war ein guter Grund, um die Verab-schiedung auf dem Niveau «Tschüss» zu halten. Wobei uns beiden aber eigentlich genau dieselben Rechte zugestanden hätten, wie allen anderen, die mindes-tens ein Jahr diese Schule absolviert ha-ben.

SEPTEMBER 2021

Seite von 42 47

Page 43: myhobby.ch Bericht August 2021

SEPTEMBER 2021

Seite von 43 47

Mein Bild von GottMit all diesen Erlebnissen hat sich mein Bild von Gott natürlich verändert. Augen-scheinlich natürlich wegen der vielen und schwerwiegenden Vertrauensbrü-che. Aber auch, weil eines meiner weni-gen Ziele an der Schule war, Gott näher kennenzulernen. Nicht so, wie man das in der Gemeinde tut, sondern eben tiefgrei-fender. Vor allem konnte ich - ganz un-abhängig von allen Ereignissen - vor der Schule nie richtig die Frage für mich be-antworten, wer Gott eigentlich ist.

Da bin ich also wieder; zerstört, entmutigt, entkräftet.

— Tagebuch

Gebete waren Mangelware, obwohl täg-lich viele Pflichtgebete anstanden. Etwa an Gottesdiensten oder beim Essen. Erst sehr spät wagte ich es, mich bei den bei-

den Pflichtgebeten vor und nach dem Mittagessen nicht an das allgemeine Au-genschließen zu halten. Mit hohem Über-raschungswert: Erst nach knapp einein-halb Jahren stellte ich dadurch fest, dass gut ein Drittel aller Schüler nicht an Ge-beten teilnahmen. Eine Weile lang habe ich das beobachtet. Diverse Gespräche zeigten leider auch, dass die Beziehung mit Gott stark leidet. Obwohl es auch in diesem Aspekt nicht allen so ging.

Viele Gebete - vermutlich die meisten - habe ich in ein Tagebuch geschrieben. Ungfähr ein dickes Notizbuch Buch habe ich während eineinhalb Jahren vollge-schrieben.

Vor der Ausbildung

Nun, ich war vor der Ausbildung immer der Meinung, dass man zumindest auf Gottes Unterstützung zählen darf, wenn man «zuerst nach dem Reich Gottes trachtet». Dass mir, wie es im Bibelvers heißt, alles zufällt, habe ich zu keinem Zeitpunkt je erwartet. Ich hatte also eher geringe Ansprüche an Gott. Also habe ich erst einmal nur getrachtet. Mein ganzes Leben - Familie, 80% des Besitzes, Freunde und einen gesicherten Lebens-unterhalt habe ich aufgegeben, um in diese Ausbildung gehen zu können. Ich würde sagen, das wäre ausreichend «ge-trachtet» gewesen, um wenigstens die Ausbildung noch abschließen zu können.

Grundsätzlich habe ich mich immer als Realisten bezeichnet. Diese Grundein-

Page 44: myhobby.ch Bericht August 2021

stellung habe ich auch in meinen Glau-ben mitgenommen. Mir war also klar, dass mein Leben nicht immer so verlau-fen kann, wie ich mir das wünsche. Das Gott nicht immer antworten wird, wie ich mir das vorstelle - oder gar nicht. Und dass meine Vorstellungen von einem po-sitiven Ausgang eines negativen Ereig-nisses nicht immer dieselben sind, wie die von Gott. Ich habe aber stets ge-glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist und er als Mittler zwischen Mensch und Gott zur Erde gekommen ist, da er die Menschen liebt und es gut mit ihnen meint. So et-was wie «Rache Gottes» hielt ich eher für unwahrscheinlich.

Ich war mir bewusst, dass es im Leben Prüfungen gibt. Dass der Mensch seinen Glauben unter Beweis stellen muss. Und ich hatte auch erwartet, dass die bevor-stehende Ausbildung eine Prüfung wer-den wird.

Allerdings war ich mir sicher, dass man dabei nie verlassen wird, sondern immer darauf zählen kann, niemals «tiefer als in Gottes ausgebreitete Hände» fallen zu können, wie es so schön heißt.

Die Ausbildung

Tatsächlich wurde die Ausbildung zu ei-ner Prüfung. Doch nicht nur in den Di-mensionen, wie ich mir das im Vorfeld vorstellen konnte, sondern auch im Be-zug auf meinen Glauben. Das hatte ich dann doch eher nicht erwartet. Und zwar einerseits deswegen nicht, weil ich eben doch alleine gelassen wurde. Den Begriff «Beziehung» definiere ich anders, als dass man sich mit mir in Verbindung setzt und ich antworte dann nach zwei bis drei Jahren, wenn ich sonst nichts besseres zu tun habe. So kann Gott aber nunmal auch sein. Andererseits hatte ich eine Glaubensprüfung dieser Art deswe-gen nicht erwartet, weil ich mir sicher

war, dass ich an dieser evangelischen, theologischen Schule lernen würde, dass der Glaube auf Liebe und Vergebung auf-baut. Wann immer das in einen Predigt-text passte, war das auch die allgemeine Meinung. Der gelebte Glaube war aber ein anderer.

Welch ein Skandal. Wir sitzen alle hier und sprechen aus, dass unse-re Feinde vernichtet werden sol-len. Mit welchem Recht sagen wir so etwas? Gott allein hat die Ge-rechtigkeit in seiner Hand. Nur er entscheidet, wer vernichtet wird, und wer nicht. Und wenn Gott je-den Mörder und Vergewaltiger in das Reich Gottes aufnimmt, dann ist das seine Entscheidung und seine Gnade und seine Liebe. Und wir alle haben nicht den Hauch ei-nes Rechts, um seine Wege in Fra-ge zu stellen.

— Tagebuch

Natürlich ist es noch heute in Gottes-diensten völlig normal, dass man Psal-

SEPTEMBER 2021

Seite von 44 47

Page 45: myhobby.ch Bericht August 2021

men betet. «Wir glauben nicht an die Bi-bel» meinte ein Dozent, doch wenn wir Wort für Wort beten, was in der Bibel steht, ohne darüber nachzudenken, ob das für uns heute noch stimmt, dann ist es genau das: Der Glaube an die Bibel. Ich war aber nicht bereit, meinen Fein-den Feuer und Verderben zu wünschen und habe mich nach und nach aus sol-chen Gebeten ausgeschlossen. Leider waren sie auch teil regelmäßiger Liturgi-en, die schon alleine darum nicht infrage gestellt wurden, weil sie schon immer existierten.

Diesem widersprüchlichen Glauben bin ich oft begegnet: Je nach Unterrichts-fach hört man ein Statement, dem ein anderes Statement aus dem nächsten Fach widerspricht. Ganz zu schweigen von persönlichen Begegnungen mit Do-zenten und Schülern, von denen ich ja schon genug geschrieben habe.

Ein besonderer Widerspruch lag in der evangelischen, hauptberuflichen Tätig-keit, die von den meisten Dozenten stets als eine höhere Gabe und Verantwortung angesehen wird. Eine Verantwortung kann ich zwar freilich nicht abstreiten, doch ein Ehrenamtlicher oder sonst je-mand hat eine genauso große Verant-wortung, wenn er mit anderen Menschen über den Glauben spricht. Diese Ansicht wird ganz klar von den Dozenten ver-neint. Auch hier wird die bereits erwähn-te Klassengesellschaft um so deutlicher. Von Ehrenamt hält die Schulleitung überhaupt nichts. Zwar ist es wichtig, weil bestimmte Arbeiten schließlich er-ledigt sein müssen und die Kirche dafür nicht genug bezahlte Mitarbeiter einstel-len kann, aber wehe, der Hauptamtliche passt nicht auf den Ehrenamtlichen auf.

Dieser Einstellung wollte ich meinen Glauben nicht anlehnen. Jeder noch so geringe Niemand wäre mit Gottes Hilfe in der Lage, die Welt zu verändern, ohne

dass er dazu auch nur irgendeine Kom-petenz mitbringen müsste.

Auch ist es meines Erachtens definitiv nicht im Ermessen des Menschen über die Berufung anderer Menschen zu urtei-len. Diese ist es, die als Grundvorausset-zung zur Aufnahme an die Schule gilt. Über ein Dutzend Personen, die man teils auch in drei Jahren nicht ein einziges Mal je gesehen hat, beurteilen dann diese Berufung und stimmen entweder zu oder dagegen.

Am Ende habe ich die Ausbildung für mich zwar beendet, um nicht auch noch den restlichen Teil meines Persönlichkeit zu zerstören, aber am Ende habe ich auch bezüglich dem Glauben so gut wie nichts mitnehmen können. Was ich dort gelernt habe und vorgelebt bekommen habe wollte ich keiner Gemeinde der Welt weitervererben, in der ich dann wohl-möglich tätig geworden wäre.

SEPTEMBER 2021

Seite von 45 47

Page 46: myhobby.ch Bericht August 2021

Nach der Ausbildung

Heute, etwa eineinhalb Jahre später, hal-te ich mich nicht für etwas Besseres. Na-türlich; ich habe die Ausbildung auch nicht abgeschlossen. Aber das meiste davon habe ich ja nun gesehen.

Trotz allem bin ich mir durchaus sicher, dass Jesus die einzige Wahrheit ist und bleibt. Nur weiß ich nicht, wie diese Wahrheit aussieht. Den liebenden Gott, der sich eine Beziehung wünscht, sehe ich in diesem Sinne nicht mehr, wie sich der Mensch «Beziehung» vorstellt. Liebe und Beziehung sind an Bedingungen ge-knüpft, die ich aber nicht definieren kann. Vor der Ausbildung war mir klar, dass die Liebe Gottes erstens nicht er-klärbar ist und sie zweitens das mensch-lich vorstellbare weit übersteigt. Heute glaube ich, dass die Vorstellung der men-schlichen Liebe barmherziger und groß-

zügiger ist. Zumindest auf Zeitspannen menschlicher Vorstellung übertragen.

Ich habe keinen Zweifel, dass sich Gottes Liebe am Ende des menschlichen Lebens offenbaren wird. Das ist für meine Vor-stellung von «Liebe» aber nicht unbe-dingt die allumfassende Antwort. Das bedeutet ja, dass Leid bewusst in Kauf genommen wird, weil Erlösung dann nach dem Tod kommen wird. Da bin ich schon froh, dass der Mensch (wenn auch lange nicht jeder) sich für den Ausdruck von Liebe nicht immer erst 80 bis 100 Jahre Zeit lässt.

Wir singen in den Gemeinden Lieder, in denen wir uns vollständig Gott zur Verfü-gung stellen. Dies zu tun kann aber ein-schneidende Veränderungen nach sich ziehen, die das Leben auch stark beein-trächtigen können. Die vollständige Zu-sage zur Nachfolge kann im schlimmsten Fall den Tod nach sich ziehen. Davon bin

ich persönlich nicht betroffen, andere Menschen aber schon.

Denn Gottes Vorstellung von Gnade oder Liebe bezieht sich auf die Erlösung nach dem Tod und nicht auf das irdische Le-ben. Das ist mein derzeitiges Fazit zum Glauben.

Andere Menschen nach ihrem Grad an «Christsein» zu beurteilen halte ich per-sönlich für falsch. Meines Erachtens wurde das in dieser Schule gelehrt. Aller-dings habe ich in meinem Leben auch Menschen kennengelernt, die lieben kön-nen und sich nicht als Christen bezeich-nen. Ob diese Liebe etwas Wert ist, soll Gott beurteilen und nicht eine Schule. Für mich ist sie etwas Wert und für mei-ne Kontakte ist auch das der ausschlag-gebende Faktor, nach dem ich mich ori-entiere.

Amen.

SEPTEMBER 2021

Seite von 46 47

Page 47: myhobby.ch Bericht August 2021

MOTTO-FOTO DES JAHRES

Viel Vorarbeit wurde im Jahr 2020 geleistet, um ein neues Zu-hause in vielerlei Hinsicht aufzubauen. Der erste Schritt und Symbol für «Zuhause» schlechthin war unsere Hochzeit.

Neben dem Zuhause auf Beziehungsebene entschieden wir uns auch für geografisches und berufliches Zuhause.

Ramón & Ramona

Ich bin Ramón; Lokführer, Programmierer, Ehe-mann, Auslandschweizer, Kritiker, Genießer und noch viele andere, nette Substantive. Ich schreibe und gestalte gerne, bin aber kein Journalist, also verfasse ich diese Berichte, um zugleich auch meine Familie und einige Freunde auf dem Lau-fenden zu halten.

Bei facebook, instagram existiere ich zwar. Alles, was ich teilen möchte, ist aber in diesen Berichten zu lesen und zu sehen.

Ein Bericht von Ramón Lang.

Alle Texte und Medien sind auch als Einzel-Beiträge unter www.myhobby.ch zu finden.

Vielen Dank für das Interesse!

Liebe Grüße,