> Kosten-Nutzen-Bewertung Die Suche nach dem … · April in Wiesbaden Prof. Wilhelm Kirch,...

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> Inhalt dieser Ausgabe Dietz – Methodenstreit: BMG will nicht den Schiedsrichter spielen 2 Kirch – Deutschland ist ein „Tollhaus“ bei der Nutzenbewertung 4 Kleijnen – Randomisierte Studien nicht zum Dogma erheben 5 Leidl – Gesundheit ist messbar 6 Dierks – Erlaubt unser Rechtssystem eine Rationierung? 9 Geißler – Wider das Diktat des Ökonomischen Meldungen Nutzenbewertung bleibt erstrangig 3 Bayern will die „IQWiG-Methodik“ stoppen 3 Frist abgelaufen – Version 2 in Arbeit 4 Glossar und Abkürzungsverzeichnis 4 Impressum 6 > Kosten-Nutzen-Bewertung Die Suche nach dem richtigen Weg Ausgabe 2 - Juni 2008 : Zum Stand der Diskussion Ulrich Dietz, Referatsleiter Arzneimittelversor- gung im Bundesgesundheitsministerium „Unsere Aufgabe ist es nicht zu sagen, wer Recht hat und wer Unrecht hat“ Prof. Dr. Dr. Christian Dierks, Mediziner, Fachanwalt für Sozial- und Medizinrecht „Der Gemeinsame Bundesausschuss hat uns in den letzten Jahren vorgemacht, welch hohes Maß an Transparenz man in solchen Gremien erreichen kann“ Prof. Adrian Towse, Director of the Office of Health Economics in Great Britain „Ich war ein wenig verwirrt Es gibt kein Budget sagte man mir, aber gleichzeitig hieß es, eine Budget-Impact-Analyse sei unumgänglich“

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> InhaltdieserAusgabe Dietz–Methodenstreit:BMGwillnichtdenSchiedsrichterspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Kirch–Deutschlandistein„Tollhaus“beiderNutzenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Kleijnen–RandomisierteStudiennichtzumDogmaerheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Leidl–Gesundheitistmessbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

Dierks–ErlaubtunserRechtssystemeineRationierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Geißler–WiderdasDiktatdesÖkonomischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ��

Meldungen

Nutzenbewertungbleibterstrangig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . �3

Bayernwilldie„IQWiG-Methodik“stoppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . �3

Fristabgelaufen–Version2inArbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . �4

GlossarundAbkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . �4

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . �6

> Kosten-Nutzen-Bewertung DieSuchenachdemrichtigenWeg Ausgabe2-Juni2008:ZumStandderDiskussion

UlrichDietz,ReferatsleiterArzneimittelversor-gungimBundesgesundheitsministerium

„UnsereAufgabeistesnichtzusagen,werRechthatundwerUnrechthat .“

Prof.Dr.Dr.ChristianDierks,Mediziner,FachanwaltfürSozial-undMedizinrecht

„DerGemeinsameBundesausschusshatunsindenletztenJahrenvorgemacht,welchhohesMaßanTransparenzmaninsolchenGremienerreichenkann .“

Prof.AdrianTowse,DirectoroftheOfficeofHealthEconomicsinGreatBritain

„Ichwareinwenigverwirrt .EsgibtkeinBudgetsagtemanmir,abergleichzeitighießes,eineBudget-Impact-Analyseseiunumgänglich .“

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Kosten-Nutzen-BewertungDieSuchenachdemrichtigenWeg

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Ausgabe2-Juni2008:ZumStandderDiskussion

>Methodenstreit:BMGwillnichtdenSchiedsrichterspielen Experten-DialogstecktinderSackgasse

Berlin–InderDiskussionumdieMethodenwahlfürdieKosten-Nutzen-Bewertung(KNB)zeichnetsichkeinKonsensinderSacheab .ZuunterschiedlichsinddiegrundsätzlichenHerangehensweisen .Zugespitztkönntemansagen,esstehensich„wissenschaftlich-gesellschaftlichorientierteVolkswirte“und„juristisch-sozial-politischgeprägteAkteure“indieserAuseinandersetzunggegenüber .ErsteresinddieVertreterjenerDisziplin,diefürdieKNBgefragtsind:dieGesundheitsökonomen .DieKNBistihrFachgebiet,daswiejedeandereWissenschaftauchinternationaleStandardsbeinhaltet .

Zuden„Sozialpolitikern“gehörendiejenigen,dieausdemökonomischenInstrumentenkasteneineMethode–indiesemFalldiefinanzmathematischeTheoriedesHarryMarko-witz–herausgreifen,umsiezurKostensenkungteurerArzneimittel-Inno-vationenzumEinsatzzubringen.KeinWunder,dassdamitdieAnhänger-schaftfürdiebeidenLagerschongleichmitgeklärtist.DieIndustrieplädiertfürdasinterna-tionalverbreiteteStandardvorgehenderGesundheitsökonomie,dieBildungeinerinkrementellenKosten-Effektivi-täts-Relation.SiewillBerechenbarkeit,Planungssicherheitundalsinternatio-nalerAkteureineglobaleVergleich-barkeit.DieBefürworterderaufderMarkowitz-TheoriebasierendenEffizienzgrenzenmethodewollenhin-gegeneinKostensenkungsinstrumentohneFestlegungeinerbestimmtenGrenze–diemanbereitistfüreinenbestimmtenNutzenwiez.B.eingewonnenesLebensjahrauszugeben–undohneVergleicheverschiedenerErkrankungen.Unschwerzuerraten,dassvorallemdieKrankenkassenmitdieserMethodeliebäugeln.DochistdiesauchderWunschdesGesetzgebers?

Closed-Shop-Diskussion?

DerDiskursumdieMethodikistzwarinvollemGange,aberdiesistdoch„einerelativeclosedshop-Diskussion“,bemerktUlrichDietz,Referatsleiter

ArzneimittelausdemBundesgesund-heitsministerium(BMG),anlässlich

einesSymposiumsdesVerbandesForschenderArzneimittelhersteller(VFA)am8.April.ErsiehtdasBMGnichtinderRolledesSchiedsrichters,derzuentscheidenhat,werindemStreitRechtbekommt.Dietz:„Wir

versuchen,denGesprächszusam-menhangherzustellen.“InderPolitik

seidieNeigung,sichmitdemThemaderzeitzubeschäftigen,relativgering.FürpolitischeEntscheidungsträgerseieshingegenwichtig,zusehen,wasbeiderAnwendungeinerMethodeherauskomme.DeshalbwolledasInstitutfürQualitätundWirtschaft-lichkeitimGesundheitswesen(IQWiG)Pilotauswertungenübereinigewich-

tigeArzneimittelmachen.WelchweitreichendeFolgendieGesetzgebunginpunktoKosten-Nutzen-Bewertunghabenkann,scheintnichtallenVerantwortlichenklargewesenzusein.DieseErkenntnisistfürdenProfiinSachenGesetzgebungundZustandekommenvonpolitischenKompromiss-Formelnnichtneu.DeshalbmeintDietzrhetorischver-siert:„WennGesetzeimBundesge-setzblattstehen,danngeltensieauchgegendiejenigen,diedieseGesetzegemachthaben.“

„IQWiGwirddemGesetzesauftragnichtgerecht“

Zwischenzeitlichhatsichdiebay-erischeStaatsregierungineinemSchreibenvom16.AprilüberdieAuslegungdes§35bSGBVzuWortgemeldetunddieArgumentationderGesundheitsökonomenaufgegriffen.

Dietz:„EsistfürpolitischeEnt-scheidungsträgerwichtigzuwissen,wasbeiderMetho-dikherauskommt .“

Bengt Jönsson, Adrian Towse, Ulrich Dietz (v.l.)

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deutschenSystemkennerdieLagehierzulandealseine„besondere“undverweisenexplizitaufdieSozialgesetz-gebung.Andersalsinanderennatio-nalenGesundheitssystemengebeeshierzulandekeinBudgetfürGesund-heit,lauteteinzentralesArgument.

DamitentfalleauchdieVerteilungs-problematik,argumentierendiejenigenausIQWiGundSelbstverwaltung,dienurdasvomGesetzgeberindenFokusgehobeneSchrittproblem„teureArznei-innovation“vorAugenhaben.IstdieSozialgesetzgebunginDeutschlandAlleinstellungsmerkmalgenug,umeineMethodikzumodellieren,diedazupasst?

Trivial–undauchwiedernicht

DieBudget-FrageknüpftdirektandenbeschriebenenGrundsatzstreitan.„DieEffizienzgrenzenmethodegibtkeineAntwortdarauf,wievielGesund-heitwirunsleistenwollen“,konstatiertProf.AdrianTowsevomOfficeofHealthEconomicsinLondonaufderVFA-Veranstaltung.NachderEffizienz-

Towse:„WennderHaupt-zweckamEndeHöchstbeträgesind,danndarfmansichnichtaufbestimmteKrankheitenbeschränken .“

DasIQWiGwerdemitseinerfavo-risiertenMethodikdemAuftragdesGesetzgebersnichtgerecht.Wörtlichheißtes:„DieTheorievonMarkowitzunterstellt,dassderInvestor,diesistinderÜbertragungdurchdasIQWiGdiegesetzlicheKrankenversicherung,sichinseinemVerhaltennuramGewinnorientiertundausschließlichseinVermögenmaximiert.AlleinmitdieserAnnahmewirdderGKVjedochdiesozialeGrundlageentzogen.DieTheorieunterstelltzusätzlich,dassderInvestor,alsodieGKV,Risikenablehnenkann.Diesbedeutet,dasseinhöheresRisikonurdanninKaufgenommenwird,wenndererwarteteErtragüberproportionalsteigt.DamitwerdendieInteressendesPatientenübergangen.“

InternationaleHerausforderungcontradeutscherSonderweg

DieSorge,dieGesundheitskostenkönntenangesichtsdesdemogra-fischenWandelsundmedizinischenFortschrittsinsUferlosewachsen,istberechtigtundstehtindirektemKontextzudenHerausforderungen,denensichauchalleanderenLändermitfunktionierendemGesundheits-systemkonfrontiertsehen.Deutsch-landstehtmitdiesemProblemnichtalleinda.Allerdingsbezeichnendie

grenzenmethode,wiesievonProf.JaimeJ.CaroaufdemIQWiG-Sympo-siumam26.Februarvorgestelltwur-de,„könnenwirgarnichtsablesen“,kritisiertTowse.CarozeigtdieHaus-frau,diemitEinkaufswagendurchdenSupermarktschiebt.AmKäsestandwirdihreineneueKäsesorteempfoh-len.BesseresAromaetc.sprechenfürdieneueWare,dieetwasmehrkostet.DieEinkäuferinentscheidetsichfürdenneuenKäse,weißsiedoch,dassihrdieneuenAromendieMehrkostenwertsind.„EsistnichtdieFrage,obwirMilchoderFleischkaufen”,sagtCaroaufseinerPräsentationimFeb-ruarvorstaunendenExperten.DieEinkäuferinseidamitvertraut,„goodvalueformoney”zuerhalten.DieMehrkostenhabendemnachkeinerleiAuswirkungenaufdieanderenEin-käufe.EsgibtjakeinBudget.Towse:„WiekönnenwirnacheinemsolchenEinkaufsbeispielentscheiden?Dasbringtunsnichtweiter,umeineLösungfürunserProblemherbeizu-führen.Einbisschenverwirrtwarichdann,alsmannachmehrmaligemBeteuernesgebeinDeutschlandkeinBudgetsagte,manwolleeineBudget-Impact-Analysemachen.“<<<

Weiterführende Links

>> VortragsfolienvonAdrianTowse,OfficeofHealthEconomics,London:Assessmentoftheassessment

methodsproposedbyIQWiG;pdf-Dokument,484KB

Adrian Towse

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Ausgabe2-Juni2008:ZumStandderDiskussion

HierkönnenureineInstitutionwiedasIQWiGundderGemeinsameBundesausschusshelfen.Dassdiesebesserfunktionierenkönnten,zeigtenBeispieleausKanadaoderAustralien.„Wirmüssendafürsorgen,dassauchinDeutschlandinternationaleStandardsgelten.“DieniedergelassenenÄrztebräuchtenunbedingteineKosten-Nutzen-Be-wertungfüreineeffektivePharma-kotherapie-Beratung.<<<

>Deutschlandistein„Tollhaus“beiderNutzenbewertung Internistenkongress:Prof.KirchzuIQWiGundEvita

Wiesbaden–DieunabhängigePrüfungdesNutzensneuerArzneimittelhatVorbilderinvielenLändern .InAustraliengibtessiebereitsseit�987,inDeutschlandwurde2004dasInstitutfürQualitätundWirtschaft-lichkeitimGesundheitswesen(IQWiG)gegründet .EssolldenNutzenneuerArzneimittelbewerten .2007hatdasBundesgesundheitsministeriumdenAuftragaufeineKosten-Nutzen-Bewertungerweitert .DieKritikanderMethodikdesInstitutsistindenletztenMonatenimmerlautergeworden .

DiemangelndeTransparenzderIQWiG-EmpfehlungenkritisierteaufdemdiesjährigenInternistenkon-gressam1.AprilinWiesbadenProf.WilhelmKirch,Dresden,namensderDeutschenGesellschaftfürKlinischePharmakologie.InzwischenhatdasInstitutKonkurrenzerhaltendurchEVITA(Evaluationinnovativerthera-peutischerAlternativen),einEnde2007vondenGKV-Spitzenverbän-dengegründetesBewertungssystem.EssollschnellereBewertungener-möglichen,istaberinKirchsAugenebensowenigVertrauenerweckendwiedasIQWiG.„DeutschlandisteinTollhausbeiderNutzen-BewertungvonneuenArzneimitteln“,stellteerfest.SoetwasgebeesinkeinemanderenLandderWelt.

„NutzenundKostenüberlängerenZeitraumbetrachten“

AusSichtderDeutschenGesellschaftfürKlinischePharmakologieisteineNutzen-Bewertungnachinternatio-nalenStandardserforderlich,aberkeineGrobbewertungwiebeiEVITA.Erforderlichseizudemeinfrühzeiti-gerDialogmitdenFachgesellschaf-ten,PatientenundderIndustrie.DieEvaluationmüssedieVersorgungs-realitätberücksichtigenunddürfesichnichtalleinaufrandomisierteklinischeStudien(RCT)beschränken.NutzenundKostenmüsstenviel-mehrübereinenlängerenZeitraumbetrachtetwerden.DemschlosssichderPharmakologeProf.MartinWehling,Mannheim,an.MitdemIQWiGhabemandenBockzum

Gärtnergemacht.EswerdedurchdiegesetzlicheKrankenversicherungfinanziertundseidaherallesanderealsunabhängig.GutachterwürdennachBeliebenherangezogen,auswillkürlichausgewähltenStudienwerdeselektivzitiert.DasZielseioffensichtlich:„Geldsparen,kosteeswaseswolle.“

PharmakologestütztKritikderGesundheitsökonomen

AllesWichtigeinderDefinitionderEvidenz-basiertenMedizinwürdevomInstitutignoriertunddamitadabsurdumgeführt.DieReduktionalleinaufrandomisierteklinischeStudienseimangelhaft,meinteWehling:DurchderartigeStudienkönnemanzumBeispielniemalsbeweisen,dassRauchenschädlichist,weilsieausethischenGründennichtdurchgeführtwerdendürfen.DerMannheimerPharmakologeun-terstütztevollundganzdiekürzlichveröffentlichteKritikdesGesund-heitsökonomenProf.JürgenWasemamMethodenpapierdesIQWiG.

Munte:„ArztinethischemKonfliktnichtalleinlassen“

DeutschlandhatdiemeistenRe-gulierungenfürdiemedizinischeVersorgung,abersiefunktionierennichtodergreifennichtvernünftig,kritisierteinWiesbadenausSichtderVertragsärztederbayerischeKV-VorsitzendeDr.AxelMunte.DerArztdürfeindiesemsozial-ethischenKonfliktnichtalleingelassenwerden.

Kirch:„DieEvaluationmussdieVersorgungsrealitätbe-rücksichtigen“

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Kleijnen:„DieTransparenzimIQWiGkanner-heblichverbessertwerden .“

>RandomisierteStudiennichtzumDogmaerheben Methoden-ExperteJosKleijnensiehtOptimierungsbedarfinderTransparenz

Berlin–AngesichtsderintensivenDebatteumdieKosten-Nutzen-MethodikgerätdieNutzen-BewertungdesIQWiGfasteinwenigausdemBlick .Dabeiistgesetzlichvorgeschrieben,dassjederKosten-Nutzen-Bewer-tung(KNB)eineNutzen-Analysevorauszugehenhat .EinegenaueBetrachtungistalsoangebracht .DennwieKanzlerinAngelaMerkelschonnachdemKompromissderkompliziertenGesundheitsreformfeststellte:„Alleshängtmitallemzusammen“ .

ImAuftragdesVerbandesderForschendenArzneimittelhersteller(VFA)habenTrudyBekkeringundJosKleijnenVerfahrensweisenundMethodenderNutzen-bewertunginDeutsch-landbegutachtet.DiewichtigstenErgebnissestellteKleijnenam8.Aprilaufdeminternatio-nalenVFA-SymposiuminBerlinvor.AndieserStelleistzuerwähnen,dasserundseinTeamsowohlfüröffentlicheAuftraggeberalsauchfürUnternehmenGutach-tenerstellen.IndiesemZusammen-hangseierauchalsKommentatorfürdieersteVersionderNutzenbe-wertungdesInstitutsfürQualitätundWirtschaftlichkeitimGesund-heitswesen(IQWiG)tätiggewe-senunddeshalbmitdemThemavertraut.

KeineklareTrennungzwischenassessmentundappraisal

DerniederländischeWissenschaftler,derinYork(UK)arbeitet,weistein-gangsdaraufhin,dasseshierzulan-dekeinestrikteTrennungzwischenobjektiverAnalyse(assessment)undBeschlussfassung(appraisal)–wiesiebeispielsweiseinEnglandpraktiziertwird–gibt.BeimNatio-nalInstituteforHealthandClinicalExcellence(NICE)liegedasassess-mentinderHandunabhängigerakademischerGruppen,dasInstitutselbstnehmedasappraisalvor.AndersinDeutschland,woKleijnen

eineÜberlappungderZuständig-keitenfestgestellthat.DasIQWiGistfürdieAnalysezuständig,gibtaberauchEmpfehlungenanden

GemeinsamenBundes-ausschuss(G-BA),deramEndeentscheidet.DieseVermischungvonErgebnisundBeurtei-lungmachedieSachekompliziertundhabeAuswirkungenaufdenProzessderNutzen-bewertung,soder

Gutachter.ÜberhauptsiehtKleijnenbeiProzessfragenwesentlichmehrOptimierungsbedarfalsbeiderMethodik.„DieTransparenzkannerheblichverbessertwerden“,kon-statierterundnenntgleichmehrerekonkreteVorschläge:EinscopingworkshopzuBeginndesVerfahrenswürdedafürsorgen,dasseinebes-sereFragestellungentwickeltwirdunddassesamEndewenigerDis-kussionengebe.PICOS-QuestionsnenntmandiesesVerfahren.PICOSstehtfürdieBegriffePatients,Inter-ventions,Comparator,Outcomes,StudyDesigns.AndemTreffenkönntenalleStakeholderundderG-BAteilnehmen.„Dasbedeutetnicht,dassdieUnabhängigkeitdesIQWiGinGefahrist.“

Expertenreportsveröffentlichen

Kleijnenplädiertaußerdemdafür,ReportsderunabhängigenExper-tenzuveröffentlichen.DiestrageebenfallszumehrTransparenzbeiundhelfezudem,dieIQWiG-Ent-

scheidungenbessereinzuschätzen.Wennmanwissenwolle,wasreineAnalyse(assessment)undwasBewertung(appraisal)sei,dannmüssemandieInformationenvordemVorberichtkennen.EinweitererVorschlagdesMethodik-ExperteninRichtungIQWiG:DasInstitutsollealleKommentarederStakeholderveröffentlichen.Außerdemsolltepubliziertwerden,obundvielleichtsogarwarumeinEinwandberück-sichtigtwurde–oderwarumnicht.Internwirddiesbereitsgemacht.Ein

offeneresVerfahren,wieesKleijnenskizziert,hältnichtnurAnforde-rungenfürdasIQWiGbereit.AuchdieStakeholdersiehtderGutachterinderPflichtundforderteinRegis-terfüralleklinischenStudien.AuchpatientenbasierteDatensollten

Jos Kleijnen

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Ausgabe2-Juni2008:ZumStandderDiskussion

>Gesundheitistmessbar HelmholtzZentrumsteigtinKosten-Nutzen-Debatteein

Berlin–WereinekontroverseAuseinandersetzungüberdasMethoden- papierdesInstitutsfürQualitätundWirtschaftlichkeitimGesundheits-

wesen(IQWiG)erwartethatte,wurdeaufderTagungdesHelmholtzZentrumsMünchenam26 .Februar„KostenundNutzenimVisier–WasistunsdieGesundheitwert?“enttäuscht .VielmehrgingesumeinebreiteEinordnungdesThemasinökonomischeundethischeFrage-

stellungen .

Add-on-TechnologieverstärktAnspruchsdenken

Prof.Dr.PeterOberender,Universi-tätBayreuth,gibteingangseinenÜberblickzurEinnahmen-undAus-gabensituationdesdeutschenGe-sundheitswesens.UnterdenHeraus-

forderungenderZukunfthatfürihndermedizinischeFortschrittPriorität,„ohnedendasGesundheitswesenwesentlichbilligerwäre“.Dasmedi-zinischMöglicheundSinnvollewachserasanteralsdiefinanziellenRessourcen.Bis2020werdesich–sodieOberender-Schätzung–der

WeiterführendeLinks

>> VortragsfolienvonJosKleijnen:ProceduresandMethodsofBenefitAssessmentsforHealthInsuranceCoverageDecisionsinGermany–SuggestionsforImprovements;JosKleijnen&TrudyBekkering;pdf-Do-kument,1.2MB

öffentlichgemachtwerden.ÄhnlicheAnlaufschwierigkeiteninSachenTransparenzhätteesseinerzeitauchbeiNICEgegeben,räumtKleijnenein.WarumexterneExpertenge-heimgehaltenwerden,kannernichtverstehen.

Methodik:„AbsoluteRegelnmachenkeinenSinn“

DeutlichwenigerKritikmussdieeigentlicheNutzen-MethodikdesIQWiGeinstecken.DerGroßteilderMethodenseigut,zumTeilsogarbesseralsdiedesNICE,urteiltKleijnenundergänzt:„InderVersion3.0stecktvielGutesdrin.“GrundsätzlichsprichtsichKleijnenjedochfüreineundogmatischereSichtweiseundflexiblere„casetocase“-Entscheidungenaus.„EsgibtkeinelogischeBegründungdafür,nurrandomisierteStudienzube-rücksichtigen.“Sinnvollerseies,imscopingworkshopzuentscheiden,welcheStudientypenbeiderAnalyse

berücksichtigtwerdensollten.AlsBeispielnennter„HypertoniebeifarbigenPatienten“.AuchbeidenThemenVergleichstherapienundSubgruppenräter:„Dasmusscasetocaseentschiedenwerden,absoluteRegelnmachenkeinenSinn,manmussdasdifferenzieren.“<<<

Kleijnen:„WarumsolltennurrandomisierteStudienbe-rücksichtigtwerden?DafürgibteskeinenGrund .“

>> VortragsfolienvonReinerLeidl,Helm- holtzZentrumMünchenInstitutfür

GesundheitsökonomieundManage-mentimGesundheitswesen:DieBe-deutunginternationalerErfahrungeninderökonomischenEvaluationfürDeutschland;pdf-Dokument,252KB

>> VortragsfolienvonBengtJönsson,StockholmSchoolofEconomics:Internationalrequirement;pdf-Doku-ment,1.9MB

>> VortragsfolienvonNickFreemantlePhD,ProfessorofClinicalEpidemio-logy&Biostatistics,UniversityofBirmingham:UseofBiostatisticsintheEvaluationofPharmaceuticalsforReimbursementPurposes;pdf-Doku-ment,80KB

>> VortragsfolienvonProf.Dr.JürgenWasem,AlfriedKruppvonBohlenundHalbach-StiftungslehrstuhlfürMedizinmanagement,UniversitätDuisburg-Essen:SiebenThesenzurKosten-Nutzen-Bewertung–unterRekursaufdiePositionenderBMG-Expertengruppe;pdf-Dokument,176KB

Reiner Leidl

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UmsatzderGesundheitswirtschaftinDeutschlandaufrund540Milli-ardenEuroerhöhen(gegenwärtigknapp300MilliardenEuro).DergrößteAnteilfallehierbeiaufdenmedizinischenFortschrittmitrund164MilliardenEuro.DerGesund-heitsökonomweistinsbesondereaufzweiAspektehin:„DieRestlebens-zeitvomZeitpunktderDiagnoseeinerErkrankungbiszumZeitpunktdesTodeswerdesichweiterver-längern,d.h.„dieBedeutungdersogenanntenHalf-way-Technolo-giewirdgrößer.“AußerdemführedieAdd-on-TechnologiezueinemzunehmendenAnspruchsdenken,neuezusätzlicheDiagnose-undTherapieverfahrenerzeugteneinenwachsendenBedarf.

Oberenderkritisiert„abenteuer-liches“VorgehendesIQWiG

AngesichtsdieserEntwicklungpro-gnostiziertOberendereineZwei-teilungdesGesundheitswesensineinenBereichderRegelleistungundderWahlleistung.„WährendbeiderRegelversorgungdasUmlageverfah-reneineGrundversorgunggaran-tiert,wirdesstärkereineZusatzver-sorgunginFormvonWahlleistungengeben,diesichdurchPrämienundKapitaldeckungselementefinanzie-ren.“RationalisierungundRationie-rungnähmenkünftigzu.Ummedi-zinischeInnovationenauchinder

Regelversorgungimplementierenzukönnen,be-dürfeesstandar-disierterEvalua-tionsverfahren.ZumStichwortEvaluationvonInnovationenäußertsichOberenderzumVorgehendesIQWiG,daser„abenteuerlich“

findet.„Wenndassoumgesetztwird,istdieGesundheitsökono-mietot.“ErwirftdemInstituteineeinseitigeSichtvor.„Nutzenkann

mannichtobjektivieren,Wirkungschon“,meintderWissenschaft-ler.DerVielfaltdermöglichenAnsätzewerdenichtRechnunggetragen.Manmüssebeispiels-weiseauch

BetroffenezuWortkommenlassen.Aberersagtauch:„WennmandieFragestellt:WasistÜberlebenwert,gibtesdaraufkeineAntwort.“

Leidl:„WirdiskutierennichtüberLuftschlösser“

Prof.Dr.ReinerLeidldagegen,derimwissenschaftlichenBeiratdesInstitutssitzt,spartinseinemVortragdasThemaIQWiG-Methodikgänzlichaus.DerDirektorfürGesundheits-ökonomieamHelmholtzZentrumMünchenunterstreichtstattdessendieMachbarkeitvonKosten-Nutzen-Bewertungenallgemein:„Gesundheitistmessbar,dieWirtschaftlichkeitvonLeistungenistüberprüfbar,wirdiskutierennichtüberLuftschlösser.“EbensoeindeutigformulierterdienotwendigenVoraussetzungenan

einesolcheBewertung.„Wirbrau-cheneinesolidewissenschaftlicheGrundlagefürdiegesundheitsöko-nomischeEvidenzundwirbrauchengesellschaftlicheundpolitischeLegi-timation,diekannmannichtvonderWissenschaftbekommen“,soLeidl.

WiemisstmanGesundheit?

AusPerspektivederWissenschaftbe-stehediederzeitdringlichsteHeraus-forderungdarin,denFaktorGesund-heitquantitativzuerfassen.NachwelchenKriterienwirdErfolginderVersorgungvonHerzinfarktpatientenbeurteilt?WielassensichSchmerzenundLebensqualitätinZahlenausdrü-cken?LeidlstelltBewertungskriterienvor,welcheEntscheidungsträgernundLeistungsanbieternalsBasisdienenkönnen.ZumBeispielderEuroQol-Fragebogen.DieserenthälteinenbeschreibendenTeil,indemkeine,mäßigeoderstarkeEinschrän-kungenindenKategorienBeweg-lichkeit,Selbstversorgung,allgemeineTätigkeiten,Schmerzen/Beschwerden

sowieAngst/Niedergeschlagenheitabgefragtwerden.IndemzweitenBewertungsteilkannderPatientseinenaktuellenGesundheitszustandaufeinerFieberthermometerskalaeintragen(sieheAbb.1).LeidlzufolgehatsichdiesesIns-trumentinderPraxisalsäußerst

Oberender:„Rationie-rungundRationalisie-rungnehmenkünftigzu .“

Abbildung 1, Quelle: Helmholtz Zentrum München

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Ausgabe2-Juni2008:ZumStandderDiskussion

brauchbarerwiesen.AuchfürdiehäufigdiskutiertenQALYsbrichtderÖkonomeineLanze:„IchkennekeinanderesMaß,dasalleGesund-heitseffekteintegriertundnachvoll-ziehbarmacht.“Allerdingsbetonterausdrücklich,dassessichbeiQALYslediglichumeinMaßundnichtumdasEntscheidungsverfahrenhandle.ÜberletzteresgebeesinDeutsch-landnochkeineKlarheit,konstatiert

er.FürkritikwürdighältderWissen-schaftler,dasssichdieDebatteübereinewirtschaft-licheBeurteilungvonGesundheits-leistungenhier-zulandehäufigaufSchwellen-wertefixiere.DabeigäbeesdurchausauchandereKriterienwieForschungsstandoderalternativeBehandlungsmethoden,dieebenfallsberücksichtigtwerdenkönnen.„EtwasmehrFlexibilitätinderAnwendungistRealität.“

DMPsunterderLupevonKosten-effektivität

AuchinandererHinsichtplädiertLeidlfürmehrFlexibilität:DieWirt-schaftlichkeitmüsseinallenGesund-heitsbereichenverbessertwerden,nichtnurimArzneimittelsektor.Folgerichtigistesfürihndaherauch

vorstellbar,DiseaseManagementProgramme(DMP)einerKosten-Nutzen-Bewertungzuunterwerfen.DMPsaufBasisvonKosteneffekti-vitätweiterentwickeln,drücktesderHelmholtz-Forscherdiplomatischeraus.ObsichkünftigKosten-Nutzen-Bewertungen„nur“aufArzneimittelkonzentrierenoderauchanderemedizinischeInterventionenanaly-sieren–injedemFalldürfteesnoch

einigeZeitdauern,biseinsolchesVerfahrenallgemeinetabliertund

akzeptiertist.„WirstehenvoreinerAufgabe,dieunsvieleJahrebeschäftigenwirdundzwarFor-schung,Medizin

undKrankenkassen“,prognostiziertLeidlabschließend.

EthischeKriterienfürRessourcen-allokation

„SolangedasSystemfunktioniert,erscheintderBedarffüreinenethischenDiskursgering“,wähltderTheologePDDr.HeinerAldebertdenAusgangspunktfürseinReferat.MitzunehmenderFinanzknappheitänderesichdies.BeiderFragenachethischenKriterienfüreinegerechteVerteilungvorhandenerRessourcengreiftnachAuffassungdesWissen-

schaftlersderUniversitätMüncheneineArtStufenmodell:ZuerstkämedieRationalisierung(bessereWir-kungmitgleichenMitteln),danndiePriorisierung(relativeGewichtungkonkurrierenderMittelverwendung)undschließlichdieRationierung(Beschränkungbzw.VerweigerungmedizinischalternativloserMaßnah-men).ZurRationierungdürfeesje-dochnurkommen,wennvorherderProzessderPriorisierunggelaufensei,vordiesemwiederumderPro-zessderRationalisierung.DochauchjetztgebeesschonFälleexplizierter–TransplantationsmedizinundTriage-Situationen–undimplizierterRationierungwieArzneimittel-Bud-getierung.

„PartizipativeDiskursewerdengebraucht“

ZueinerLösungdieserProblemekönnemannurkommen,indemmanKonfliktsituationen„bearbei-tet“.Dazugehörees,Zielefestzu-legen,diederStaataufgrundseinerNeutralitätspflichtnichtvorgebenkönnte.„PartizipativeDiskursewerdendafürgebraucht“,meintAldebert.„DieZieldiskussionistoffen,unterdemDruckderMittel-knappheitmussaberbereitsjetztgehandeltwerden.“DochtrotzallgemeinempfundenenHandlungsbedarfsliegendiekon-kretenEinschätzungenderverschie-denenAkteureweitauseinander,wiedieanschließendeDiskussionundinsbesonderedieKontroversezwischenDAK-Vorstandsvorsitzen-demProf.HerbertRebscherundCorneliaYzer,GeschäftsführerindesVerbandesForschenderArzneimittel-hersteller(VFA),zeigt.SoempfindetRebscherdiederzeitigedeutscheDebatteumdieKosten-Nutzen-Analysealsein„relativalbernesThema“.MandürfesienichtalsErsatzfürernsthaftegesundheitspo-litischeDiskussionenansehen.Das

Leidl:„DieWirtschaftlichkeitmussinallenGesundheitsbe-reichenverbessertwerden .“

Heiner Aldebert, Wolfgang Abenhardt, Cornelia Yzer, Herbert Rebscher, Reiner Leidl (v.l.)

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nahezuzehnJahregedauerthatunddavonauszugehenist,dassnichtvielePatientenmiteinerlebensbe-drohlichenErkrankungdenRechts-wegbeschreitenwerden,birgtdieEntscheidungdesoberstenVerfas-sungsorgansdochreichlichSpreng-stofffürdieKrankenkassen.FürdasLeistungsrechtseiesbesondersproblematisch,wennrichterlicheEntscheidungendieSchulmedizinverlassen,soDierks.IndiesemFallhabendieVerfassungsrichterdenLeistungsanspruchunterbestimm-tenVoraussetzungenerweitert.WieunterschiedlichdieRechtssprechung,insbesonderezwischenSozial-undZivilrecht,ist,führtDierksanmeh-rerenUrteilenaus.

>ErlaubtunserRechtssystemeineRationierung? Prof.Dierks:DasVerfassungsrechtgibtdenRahmenvor

Berlin–AufwelcheLeistungeneingesetzlichKrankenversicherterhierzulandeeinenRechtsanspruchhat,bestimmtderGemeinsameBundesausschuss(G-BA) .ErregeltdenLeistungskatalogdergesetzlichenKrankenversicherung(GKV)dezidiert .DennochgelingtesPatientenimmerwieder,vorGerichteinenAnspruchdurchzusetzen,derüberdasgesetzlichfestgeschriebeneMaßhinausgeht .

DieseArtvon„Einzelfallgerech-tigkeit“kanndannweitreichendeFolgenfürdenMedizinbetriebnachsichziehen,erläutertderJuristundMedizinerProf.ChristianDierks.ErbeleuchtetaufeinerVFA-Veranstal-tungzumThema„Rationierung–GrenzenundHerausforderungenfürGesellschaftundEntscheider“am22.AprilinBerlindenrechtlichen,insbesondereverfassungsrechtlichenRahmendesThemas.

VorGerichtmehralsdiegesetzlicheLeistungspflichterstritten

AlseinzentralesUrteilindiesemZusammenhangnennterdiesogenannte„Nikolausentscheidung“desBundesverfassungsgerichtsvom6.Dezember2005.MitdiesemBeschluss(Az.:1BvR347/98)entsprachderErsteSenatdesBun-desverfassungsgerichtesderVerfas-sungsbeschwerdeeinesVersicher-tengegeneingegenteiligesUrteildesBundessozialgerichtes(BSG)vom16.September1997(Az.:1RK28/95).DieRichterdesErsten(„Grundrechts-“)Senatsbegrün-denihreEntscheidungzugunstendesVersichertennichtzuletztmit

Konstruktionsmerkmalenderge-setzlichenKrankenversicherungalsSozialversicherung.Esistdemnach

mitdengenanntenBestimmungenderVerfassungnichtvereinbar,„denEinzelnenunterbestimmtenVoraus-setzungeneinerVersicherungspflichtindergesetzlichenKrankenversiche-rungzuunterwerfenundfürseineBeiträgedienotwendigeKrankheits-behandlunggesetzlichzuzusagen,ihnandererseitsaber,wenneraneinerlebensbedrohlichenodersogarregelmäßigtödlichenErkrankungleidet,fürdieschulmedizinischeBe-handlungsmethodennichtvorliegen,vonderLeistungeinerbestimmtenBehandlungsmethodeauszuschlie-ßenundihnaufeineFinanzierungderBehandlungaußerhalbderGKVzuverweisen.“AuchwennderWegdurchdieInstanzenamEnde

Weiterführende Links

>> VortragsfolienvonReinerLeidl:WasdarfVersorgungkosten?–ZurBewertungderWirtschaftlichkeitmedizinischerLeistungen;HelmholtzZentrumMünchen;pdf-Dokument,272KB

Dierks:„EshandeltsichbeiIQWiG-Gutachtennurumeine‚Vorbereitungshand-lung’ .DeshalbistdasInstitutjuristischnichtangreifbar .“

vomIQWiGvorgelegteKonzeptbeurteilterals„einganzvernünf-tigesMethodenpapier“.SeinerMeinungnachsolltenzunächsteinigeBewertungenabgewartetunddannnachneuenErkenntnissendieMethodikSchrittfürSchrittverän-

dertwerden.Rebscherwarntdavorzuglauben,dassdasVorhandenseinvonvermeintlichgenügendStudiendasKonfliktpotenzialminimiere.Rebscher:„Nutzenwirdimmernurindividuellerfahren.“<<<

Christian Dierks

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Ausgabe2-Juni2008:ZumStandderDiskussion

Weiterführende Links

>> VortragsfolienvonProf.Dr.med.Dr.jur.ChristianDierks:Rationierung–GrenzenundHerausforderungenfürGesellschaftundEntscheiderpdf-Dokument,316KB

>> Buchhinweis:SchriftenreiheMedizin-recht,SpringerVerlag2008:„IQWiGundIndustrie–RechtlicheFragenzumInstitutfürQualitätundWirtschaftlich-keitimGesundheitswesen“,Dierks,Nitz,Grau,Mehlitz,ISBN978-3-540-79277-2

Rationierungmussdemokratischlegitimiertsein

IstvordemHintergrundder„Niko-laus“-EntscheidungeineRationie-rung,wiesieamEndedurcheineKosten-Nutzen-Bewertung(KNB)stehenkann,überhauptzulässig?Ja,unterbestimmtenVoraussetzungen,dieallerdings–nachEinschätzungvonProf.Dierks–derzeitnichterfülltsind.Beieinerwirtschaft-lichenBewertungvonPatienten-nutzengem.§35bAbs.4SGBVmüssenebenAspektenwieLebens-verlängerung,-qualitätoderVerkürzungderKrankheitsdauerauchdieAngemessenheitundZumutbarkeiteinerKostenübernahmedurchdieVersichertengemein-schaftberücksichtigtwerden.SchlussendlichkommtderJuristnachBetrachtungdesrechtlichenRahmenszudemErgebnis,dassdieserfüreineRationierungvonmedizinischenLeistungennichtausreicht.EinFrage-zeichenmachterhinterdieLegiti-mationdesEntscheidungsgremiumsGemeinsamerBundesausschuss.Außerdemmüsstederparlamenta-rischeWilleabgebildetwerden,umnurzweiDefizitezunennen.

DasInstitutfürQualitätundWirt-schaftlichkeitimGesundheitswesen(IQWiG)machtdieVorarbeitenfüreineEntscheidungsfindungdesG-BA.WardasIQWiGbislangnurbeauf-tragtworden,umdenNutzeneinerTherapiezubewerten,istesnunauchfürdieKNBvonArzneimittelnzuständig.„DasIQWiGagierthierinderRolledesVerwaltungshel-fers“,erläutertDierksdierechtlicheStellung.EshandelesichbeieinemIQWiG-Gutachtennurumeine

„Vorbereitungshand-lung“.DerGemeinsameBundesausschussmussdieIQWiG-Empfeh-lungenzwarberück-sichtigen,sieabernichtübernehmen.DeshalbkanndasInstitutfürsei-neEmpfehlungenauchjuristischnichtbelangtwerden.Dierks:„EineKosten-Nutzenbewer-

tungfürArzneimittel(§35aSGBV)kannGrundlagefürdieFestsetzungeinesHöchstbetragesfürnichtfestbetragsfähigeArzneimittelsein.DieNeuregelunggibtdemG-BAzudemdieMöglichkeit,eineKNBingeeignetenFällenalsGrundlagefürBeschlüsseüberVerordnungsein-schränkungenbzw.–ausschlüsseso-wiefürTherapiehinweiseinAuftragzugeben.“<<<

Dierks:„WennesumRationierungs-entscheidungengeht,sehenwirLegitimationsde-fiziteindenGre-mien .“

> Preisfrage

DieEntwicklungskostenange-messenzuberücksichtigenisteinezentraleAussageimGesetzbeiderFestsetzungeinesHöchstpreises.„BisherhabeichdazuabernurfruchtloseDiskussionenerlebt“,meintDierks.DieKernpunktedes§31Abs.2aSGBVfassterwiefolgtzusammen:-HöchstbetragfürArzneimittel,

dienichtineineFestbetrags-gruppenach§35einzubeziehensind

-GelegenheitzurStellungnahmefürpharmazeutischeUnterneh-men

-Grundlage:Bewertungnach §35bAbs.1Satz3-Entwicklungskostenangemessen

zuberücksichtigen-HöchstbetragkannauchimEin-

vernehmenmitdempharmazeu-tischenUnternehmerfestgelegtwerden

-Arzneimittel,derenKosteneffek-tivitäterwiesenistoderfürdieeineKosten-Nutzen-BewertungnurimVergleichzurNichtbe-handlungerstelltwerdenkann,weileinezweckmäßigeThera-piealternativefehlt,sindvonderFestsetzungeinesHöchstbetragsauszunehmen.

- EineKosten-Nutzen-Bewertungerst,wennhinreichendeErkennt-nisseüberdieWirksamkeitdesArzneimittelsnachdenGrund-sätzenderevidenzbasiertenMedi-zinvorliegenkönnen.

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>WiderdasDiktatdesÖkonomischen GeißlerplädiertfürmehrParlamentundwenigerGremien

Berlin–DerBundestagsolltesichstärkermitdemThemaRationierungimGesundheitswesenbeschäftigen .DieseAnsichtvertratenzahlreicheExpertenaufdem3 .BerlinerRocheForuminBerlin .DieTagungsteilnehmersprachenüberdieFrage,wiederSolidargedankeinderMedizininZukunftgestaltetwerdenkann .

HeinerGeißlerkritisiertedasDiktatdesÖkonomischenimGesundheits-wesenals„ethischnichtinOrdnung“.Ersagt:„DerPatientwirdinderoffi-ziellenSprachregelungdesGesund-heitswesensdegradiertzumKunden.DerArztwirdumgeformtzumFall-pauschalenjongleurimKrankenhaus.“DieFinanzierungsproblemederein-kommensabhängigenKrankenver-

sicherungergäbensichalslogischeFolgeeinerfalschenWirtschaftspolitik.Seitmehrals20JahrenhabemansichaufdieAngebotsseitekonzentriertunddieReallöhneseiengesunken.„WirleidenunterdenStrukturfehlern

desKapitalismus“,stelltderUnions-politikerfest,diskutiertwerdeabernurüberdieSymptome.DabeibildesicheineneueFormderDiskriminie-rungheraus:„DerMenschhatnurnochseinenWert,wennermög-lichstwenigkostet.“

Geißler:KommissionitiszerstörtdasParlament

Entscheidungenüberdiefort-schreitendeRa-tionierungvonGesundheitsleis-tungensolltennachMeinungdesehemaligenBundesgesund-heitsministersdasParlamenttreffen:„Nurdortkannesdis-kutiertwerden.“ÜberdenBun-destagkönntendieWählerzu-

mindestallevierJahrereagieren.ErkritisiertdieweitverbreiteteAnge-wohnheit,beiauftretendenProble-meneineKommissioneinzusetzen:„WirmachendasParlamentselberkaputtdurchdieseKommissionitis.“

Nagel:DieMittelnichtausschließ-lichnachökonomischenGesichts-punktenverteilen

Dr.JohannesVöcking,Vorstands-vorsitzenderderBarmerErsatzkasse,siehtebenfallsdasParlamentinderPflicht,dieRationierungsfragederGKVstärkerzuthematisieren.

Erwarntdavor,dieBürgernichtindieDiskussionmiteinzubeziehen:„EinThemabegleitetunsvonderWiegebiszurBahreundsogarvorderGeburt:DasistdieGesundheits-versorgung.“Prof.EckhardNagelvonderUniversitätBayreuthistderAnsicht,PolitikerkönntendurchauseineoffeneDiskussionüberdieRationierungvonKassenleistungenwagen.DafürwürdensievomBür-gernichtbestraft:„NurwennmankeinevernünftigenVorschlägehat,dannkannmanWahlendamitnichtgewinnen.“DieMittelimGesund-heitswesensolltennichtalleinnachökonomischenGesichtspunktenver-teiltwerden:„Ichglaubenicht,dassdieEthikandieserStelleüberfordertist.“DieHumanitätunsererGesell-schaftzeigtsichseinerMeinungnachdaran,inwieweitsieauchdemschwächstenGliedinderNotzurSeitesteht.

Heiner Geißler

Moderator Hegemann, Heiner Geißler Eckhard Nagel

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den,sozumBeispielKonzeptedesHealthCare-ManagementsunddieAusrichtunganderevidenzbasiertenMedizin.<<<

Vöcking:DieGKVstehtnichtvordemKollaps

Barmer-VorstandVöckingbetont,dassdiedeutscheGesundheits-versorgungderzeitkeineswegsvordemKollapssteht.DaszeigedasbreiteLeistungsspektrumderGKV.ErmöchteauchdenBegriffRati-onierungnichtverwenden:„DieGesellschaftgehtdanichtmit.“DerKassenchefwarntvoreinemradikalenSystemumbau:„WollenwireinamerikanischesSystem,wojedersechsteohneKrankenversiche-rungist?WollenwireinenglischesSystem,womanüber70keineneueHüftemehrbekommt?“

Willich:DaseigentlicheFinanzie-rungsdramakommterstnoch

Prof.StefanWillichvonderBerlinerKlinikCharitésiehtdieLagederGesundheitsversorgungkritischer.Erprognostiziert,dasssichdasFinan-zierungsproblemindenkommendenJahrzehntenweiterverschärfenwird.InDeutschlandseizumBeispieldiePräventionbisherkomplettver-nachlässigtworden.LediglichdreiProzentderGesundheitsausgabenwürdenfürVorsorgeausgegeben.JugendlichelittenbereitsinhohemMaßeanÜbergewicht.DurchFol-gekrankheitenergebesichdarauseinProblem,dasdenWirtschafts-

faktorGesund-heitabwürgenkönne:„DasDramawirdunsmedizinischundökonomischin20bis30Jahrenerreichen.“

Dierks:KeinHubschrauberindenBayerischenWald

DerBerlinerJuristProf.Chris-tianDierkssiehtausverfassungsrechtlicherSichtkeinHindernis,Kassenleistungenzubeschränken:„BrauchenwirimtiefstenBayerischenWaldeinenRettungshubschrauber,dermichin10MinutenzurKlinikfliegt,wennicheinenHerzinfarkthabe?ImZeitalterderRationierungvielleichtnicht.“Prof.FriedrichWilhelmSchwartzvonderMedizinischenHochschuleHannoverhebtdiehistorischeWandlungsfähigkeitderdeutschenGesundheitsversicherunghervor:„DasSystemderGesetz-lichenKrankenversicherungwarvonBeginnangekennzeichnetdurcheineGeschichtevonaufeinanderfolgendenInnovationen.“ImmerwiederseiendabeiLeitideenausdemAuslandübernommenwor-

Stefan Willich

Dierks, Hegemann, Geißler (v.l.)

Johannes VöckingChristian Dierks

Weiterführende Links

>> VortragsfolienvonProf.Dr.med.Dr.phil.EckhardNagel,InstitutfürMedizinmanagementundGesund-heitswissenschaften,UniversitätBayreuth:Ethik–AmRandederÜberforderung?;pdf-Dokument,4.6MB

>> VortragsfolienvonProf.Dr.StefanN.Willich,MPHMBA,InstitutfürSozialmedizin,EpidemiologieundGesundheitsökonomie:Wirtschafts-faktorGesundheit–Aucheinöko-nomischerMotor?;pdf-Dokument,2.8MB

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>Nutzenbewertungbleibterstrangig

Berlin–„Unglücklichangelaufen“istnachEinschätzungvonPDDr .MatthiasPerlethdieMethodikdiskussionzurKosten-Nutzen-Bewer-tung(KNB) .AufdemBerlinerForumEpidemiologieundSozialmedizinderCharitéam23 .ApriläußertderAbteilungsleiterFachberatungMedizindesGemeinsamenBundesausschusses(G-BA)jedochdieHoff-nung,dasssichdiegegenwärtigsehrleidenschaftlichgeführteDebattebaldschonwieder„versachlichen“werde .

NebendengesetzlichenVorgabenandieKNBgehtPerlethinseinemVortragauchaufdievonProf.Jür-genWasemgeäußerteKritikanderMethodikdesInstitutsfürQualitätundWirtschaftlichkeitimGesund-heitswesen(IQWiG)ein.StichwortPreisniveau:InstitutsleiterProf.PeterT.SawickibefürworteteinenAnsatz,nachdemdieKosten-Nutzen-Rela-tionaufdemjeweiligenPreisniveaueinerIndikationaufgesetztwird.Wasembefürchtet–angesichtsderZufälligkeitendesbisherigenPreis-findungssystems–falscheAnreizefürforschendeUnternehmen.„InBereichen,indenenschonlangekei-neFortschrittemehrerzieltwurden,lohntessichkünftigerstrechtnichtmehrzuinvestieren“,prophezeitderGesundheitsökonom.FürPerlethistdas„einArgument,überdasmannachdenkensollte.“VerständnissignalisierterimHinblickaufdie

„Versichertengemeinschaft“,wassichausdengesetzlichenVorga-benergibt.Wasemplädiert–imUnterschiedzumIQWiG–beiderBewertungfüreinePerspektiveüberdiegesetzlicheKrankenversicherung(GKV)hinaus.„DieseKritikmusssi-cherlichamstärkstenberücksichtigtwerden“,sagtPerlethundweistimAnschlussaufweitereoffeneFragenhin:WelchenStellenwertsollenModellierungenhaben?Und:Wasistmitdenscopingworkshops,fürdiesichbeispielsweisederVerbandForschenderArzneimittelherstellereinsetzt?PerlethzufolgekannsichderunparteiischeG-BA-Vorsit-zendeDr.RainerHessmitsolchenworkshopsdurchausanfreunden.„EswirdeineFormvonAnhörunggeben,diesesollteallerdingseherdirektbeimG-BAundnichtbeimIQWiGangesiedeltsein“,sagtPer-leth.Derzeitseiendiebetroffenen

Weiterführende Links

>> VortragsfolienvonPDDr.med.MatthiasPerleth,MPH,Gemein-samerBundesausschuss:Kosten-Nutzen-BewertungeninDeutsch-land–aktuellerStand;pdf-Doku-ment,1.2MB

AkteureineinerKonzeptions-undExperimentierphase,derenAusgangeralsrechtoffeneinschätzt:„Eskannsein,dassdieKosten-Nutzen-BewertungnieinderPraxiseinge-setztwird“,glaubtderVertreterdesGemeinsamenBundesausschusses.DieNutzenbewertungwerdeweiter,sodiePrognosedesMediziners,imVordergrundstehen.<<<

>Bayernwilldie„IQWiG-Methodik“stoppen

München–DasBayerischeStaatsministeriumfürArbeitundSozialordnung,FamilieundFrauenhatsichindieaktuelleDebatteumdieanstehendeUmsetzungderKosten-Nutzen-Bewertungen(KNB)vonArzneimittelndurchdasKölnerInstitutfürQualitätundWirtschaftlichkeitimGesundheitswesen(IQWiG)eingeschaltet .

DasHausvonMinisterinChristaStewens(CSU)lässtkeingutesHaaramIQWiG-Entwurfeiner„Metho-dikfürdieBewertungvonVerhält-nissenzwischenNutzenundKostenimSystemderdeutschengesetz-

lichenKrankenversicherung“(GKV).DiemassiveKritikerfolgtallerdingsnichtöffentlich,sondernstehtineinemBriefanFranzKnieps,LeiterderAbteilung2imBundesgesund-heitsministerium(BMG).Dasknapp

dreieinhalbseitigeSchreibenvom16.April2008kommtvonMiniste-rialdirigentDr.MaximilianGaßner,LeiterderAbteilungIII(Sozialver-sicherung,Pflege,Altenpolitik)imbayerischenArbeitsministerium.Die

Matthias Perleth

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MünchnerMängel-Liste(„inÜber-einstimmungmitnamhaftenGesund-heitsökonomen“,soGaßner)istver-nichtend.ZentraleStichworte:„DieWahlderBewertungsperspektive(nämlich: Versichertengemeinschaft, Anm. d. Red.)entsprichtnichtdengesetzlichenAnforderungen“,„dieBehandlungderMethodenerfolgtnichtsystematischundweistfach-licheUnzulänglichkeitenauf“,„derverwendeteNutzenbegriffbleibtun-klar,derinternationaleWissensstandwirdnichtadäquatberücksichtigt“,„einereinindikationenbezogeneEnt-scheidungüberdieWirtschaftlichkeit

>Fristabgelaufen–Version2inArbeit Berlin–DieersteFristfürdieStellungnahmezumMethodenvorschlagdesIQWiGfüreineKosten-Nutzen-

Bewertungistzum� .Aprilabgelaufen .Nahezu50Eingabenwurdengemacht–Pharma-Verbände,Unter-nehmen,Ärzteorganisationen,Kliniken,Patienten,wissenschaftlicheFachgesellschaftenundEinzelpersonenhabensichmitderThematikauseinandergesetzt .

EndeJanuarwurdedasMethoden-papiervorgestellt.BegleitenddazuwerdenaufderwebsiteFragenundAntwortenzumThemaangeboten,dieteilweiseaufdiebisherigemas-siveKritikvonWissenschaftlernandemMethodenvorschlageingehenmitdemZiel„unklareAspekte“zuerläuternund„Missverständnisse“auszuräumen,wieesineinerPresse-mitteilungheißt.EineweitereStellungnahmerundesiehtdasInstitutnacheinerVer-öffentlichungdermodifiziertenVer-sion2derMethodevor.DieMetho-deselbstscheintdamitgesetztundstehtnichtzurDisposition.DenneineWeiterentwicklungbedeutet,dassandemMethoden-Prinzipfestgehaltenwird.Mitder2.VersionwerdenlautIQWiGauchdietech-nischenAnhängepubliziertsowiedieStellungnahmen„gewürdigt“.OffiziellsollmitderVersion2dann„gerechnet“werden.DieErfah-rungenderProbeläufemündendann

inVersion3,diemitdenErgebnissenderProbeläufeveröffentlichtwerden.ZudieserVersion3unddendazuge-hörigentechnischenAnhängenwirdesdanneinerneutesöffentlichesStellungnahmeverfahrengeben,dasalleinteressiertenKreiseundPer-soneneinbindet.EinkonkreterZeit-fahrplanistdazunichtveröffentlicht.DieRedeistvon„indennächstenWochenundMonaten“(so hieß es zum Redaktionsschluss).<<<

Peter T. Sawicki

istökonomischnichtmöglich“.DiepolitischeBewertungdesKölnerKNB-Methodenpapiersfälltverheerendaus.DastheoretischeGerüstdesIQWiG-Papiersbasiereauffinanz-mathematischenTheorienvonHarryMarkowitzüberausschließlichamGewinnorientiertemVerhaltenvonAktieninvestoren,schreibtGaßner.„AlleinmitdieserAnnahmewirdderGKVjedochdiesozialeGrundlageentzogen.“Markowitzunterstellezusätzlich,dassderInvestor,inderIQWiG-ÜbertragungdieGKV,Ri-sikenablehnenkönne.Diesbedeute,dasseinhöheresRisikonurdannin

Kaufgenommenwerde,wenndererwarteteErtrag(übertragen:derNutzeneinerArznei)überproporti-onalsteige.DamitaberwürdendieInteressendesPatientenübergan-gen,stelltGaßnerfest.SeinFazit:„WiehierdemWürdeanspruchdesGrundgesetzesundinsbesonderedenBelangenBehinderterundchro-nischkrankerMenschenentspre-chendderVorgabedes§2aSGBVRechnungzutragenist,bleibtbeidieserradikalenÖkonomisierungdesGesundheitswesensunerfindlich.“(Hervorhebung im Original, Anm. der Red.)<<<

Weiterführende Links

>> PressemitteilungesIQWiGvom01.April:„IQWiG-MethodenvorschlagzurKosten-Nutzen-BewertungstößtaufbreiteResonanz“

>> IQWiGInternetseite:FragenundAntwortenzurKosten-Nutzen-Be-wertungdesIQWiG.

>> IQWiGInternetseite:MethodenzurKosten-Nutzen-Bewertung.

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Allokation

ZuweisungvonfinanziellenMitteln,ProduktivkräftenundMaterial

assessment&appraisal MithilfedieserbeidenBegriffe

wirdzwischenobjektiverAnalyse(assessment)undBeschlussfas-sung(appraisal)unterschieden.BeimNationalInstituteforHealthandClinicalExcellenceliegtdasassessmentinderHandunab-hängigerakademischerGruppen,dasInstitutselbstnimmtdasappraisalvor.InDeutschlandhingegengibteskeinesostrikteTrennung,sonderneineÜberlap-pungderZuständigkeiten.DasInstitutfürQualitätundWirtschaft-

lichkeitimGesundheitswesenistfürdieAnalysezuständig,gibtaberauchEmpfehlungenandenGemeinsamenBundesausschuss,deramEndeentscheidet.

Markowitz-Theorie ImJahre1990erhieltProf.Harry

M.MarkowitzfürseineForschun- genaufdemGebietderPortfolio- theoriedenNobelpreisfürWirt- schaftswissenschaften.Dastheo- retischeGerüstdesIQWiG-Papiers

(AnalysederEffizienzgrenze)ba-siertaufseinenfinanzmathema-tischenTheorienüberausschließ-lichamGewinnorientiertemVer-

haltenvonAktieninvestoren.Markowitzhatnachgewiesen,dassdasmiteinemGesamtbe-standvonWertpapierenver-knüpfteRisikogeringeristalsdieSummedermitjedemeinzelnenTitelverbundenenRisiken.Dar-ausergibtsichfolgendeAnlage-strategie:dasRisiko(dieVolatili-tät)desPortfoliosfüreinbe-

stimmtes,gewünschtesRendite-niveauminimieren.InderKon-

>GlossarundAbkürzungsverzeichnis AusdemWortschatzderExperten

stellation„Renditewunsch/Risi-ko“istdasaufdieseWeisegebil-detePortfolioandersogenann-tenEffizienzgrenzeangesiedelt.

PICOS-Questions PICOSstehtfürdieBegriffe

Patients,Interventions,Compa-rator,Outcomes,StudyDesigns.InscopingworkshopswerdenFragenzudiesenBegriffenvondenStakeholderngemeinsamformuliert.

QALY QALYstehtfür„qualityadjus-

tedlifeyears“.EshandeltsichdabeiumeineMethode,umdiebeidenOutcome-ParameterLebenslängeundLebensqualitätzuverbinden.DafürwerdendieLebensjahremiteinemLebens-qualitäts-Indexmultipliziert.

Rationalisierung InderWirtschaftwirdRationa-

lisierungimSinneeinerEffizi-enzsteigerungdurchbessereNutzungvorhandenerMöglich-keitenverstanden.SokanneingleicherEffektmitwenigerMit-telnodereingrößererEffektmitgleichenMittelnerzieltwerden.

Rationierung AllgemeinbedeutetRationierung

dieZuteilungnurbeschränktvorhandenerGüteroderDienst-leistungen.ImGesundheitswe-senwirddarunterderVerzichtaufmedizinischeLeistungen,dieeinenNutzenstiften,verstan-den,seiesausKosten-,Perso-nal-oderÜberlastungsgründen.

Scopingworkshop DerVerbandderForschenden

Arzneimittelherstellerspricht

sichfüreinensolchenWorkshopimRahmenderIQWiG-Ver-fahrenaus:GemeintistdamiteineKonsultation,anderalleStakeholder(Patienten,Ärzte,medizinisch-wissenschaftlicheFachgesellschaften,Hersteller,Entscheider)teilnehmen.ManerwartetdavonmehrTranspa-renzfürdasVerfahrenundistüberzeugt,dassdadurcheinebessereFragestellungentwickeltwerdenkann.LetztlichistdamitauchdieHoffnungverbunden,wenigerDiskussionenimLaufedesBewertungsverfahrensundnachdessenAbschlussauszu-lösen.

> Namen/Abkürzungen

BMG BundesministeriumfürGesundheit

EVITA Evaluationinnovativertherapeu-

tischerAlternativen

G-BA GemeinsamerBundesausschussIQWiG InstitutfürQualitätundWirt-

schaftlichkeitimGesundheitswesen

NICE NationalInstituteforHealthand

ClinicalExcellence

KNB Kosten-Nutzen-Bewertung

RCT randomisiertekontrollierteStu-

die(randomizedcontrolledtrial)

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> Impressum HerausgeberundRedaktion PresseagenturGesundheit,Albrechtstraße11,10117Berlin www.pa-gesundheit.de,030-318649-0, V.i.S.d.P.:LisaBraun

Bildnachweis Beitrag1und3:VerbandForschenderArzneimittelhersteller(VFA),Berlin;Beitrag2:privat;

Beitrag4:HelmholtzZentrumMünchen;alleübrigenBeiträge:axentis.de,GeorgLopata

MitUnterstützungvon: Sanofi-AventisDeutschlandGmbH, PotsdamerStraße8,10785Berlin

> WollenSiemehrzurKosten-Nutzen-Bewertungwissen? HierkönnenSieInfosanfordern

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