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Manfred Hämmerle – Scriptum – Seminar „Finanz- und Risikomanagement“ Südtirol Finanz- und Risikomanagement Seminar – Südtirol 2013; Manfred Hämmerle Veränderungen in der Bankenwelt – „...kein Stein auf dem anderen“ Manfred Hämmerle Themen: Ein (wichtiger) Ausgangspunkt für die Finanzkrise – schüler/innen/gerecht erklärt; Ergänzende Informationen und didaktische Überlegungen aktuelles Beispiel – Zypern Zielsysteme der Banken Wird Gemeinnützigkeit wieder modern? Erleben die Genossenschaften eine Renaissance? Bankenbilanz – im Fokus der Finanzkrise – wichtige Kennzahlen Zukunft der Banken aktuell: John Hattie, Visible Learning Finanzkrise/Wirtschaftskrise/Staatsschuldenkrise - einfach erklärt... Ziele Mittels einfachem Rollenspiel soll die Entwicklung der Krise „nachgespielt“ werden. Die Schüler/innen sollten erkennen, dass Wirtschaft verstehen spannend sein kann und dass es wichtig ist, die Ursachen der Krise zu verstehen. Dieses Rollenspiel wurde für „Schnupperschüler/innen“ entwickelt. Grober Ablauf der Ereignisse ab 2007 Der Text wurde bewusst sprachlich und inhaltlich einfach verfasst. Es soll den Schüler/innen als Unterlage dienen. Dies soll aber der inhaltlichen Korrektheit keinen Abbruch tun. Ausgangspunkt der derzeitigen Wirtschaftskrise ist vor allem die Immobilienkrise in den USA, aber auch in anderen Ländern wie Spanien (aktuell: die Niederlande 2013). Dort wurden Kredite zu niedrigen Zinsen vergeben. Viele Kund/inn/en erhielten diese Kredite, obwohl sie kaum oder kein Eigenkapital hatten. Das hieß beispielsweise, dass Häuser vollkommen durch einen Bankkredit finanziert wurden und die 1

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Manfred Hämmerle – Scriptum – Seminar „Finanz- und Risikomanagement“ Südtirol

Finanz- und RisikomanagementSeminar – Südtirol 2013; Manfred Hämmerle

Veränderungen in der Bankenwelt – „...kein Stein auf dem anderen“

Manfred Hämmerle

Themen:

• Ein (wichtiger) Ausgangspunkt für die Finanzkrise – schüler/innen/gerecht erklärt; Ergänzende Informationen und didaktische Überlegungen

• aktuelles Beispiel – Zypern• Zielsysteme der Banken• Wird Gemeinnützigkeit wieder modern?

Erleben die Genossenschaften eine Renaissance?• Bankenbilanz – im Fokus der Finanzkrise – wichtige Kennzahlen• Zukunft der Banken• aktuell: John Hattie, Visible Learning

Finanzkrise/Wirtschaftskrise/Staatsschuldenkrise - einfach erklärt...

ZieleMittels einfachem Rollenspiel soll die Entwicklung der Krise „nachgespielt“ werden. Die Schüler/innen sollten erkennen, dass Wirtschaft verstehen spannend sein kann und dass es wichtig ist, die Ursachen der Krise zu verstehen. Dieses Rollenspiel wurde für „Schnupperschüler/innen“ entwickelt.

Grober Ablauf der Ereignisse ab 2007Der Text wurde bewusst sprachlich und inhaltlich einfach verfasst. Es soll den Schüler/innen als Unterlage dienen. Dies soll aber der inhaltlichen Korrektheit keinen Abbruch tun.

Ausgangspunkt der derzeitigen Wirtschaftskrise ist vor allem die Immobilienkrise in den USA, aber auch in anderen Ländern wie Spanien (aktuell: die Niederlande 2013). Dort wurden Kredite zu niedrigen Zinsen vergeben. Viele Kund/inn/en erhielten diese Kredite, obwohl sie kaum oder kein Eigenkapital hatten. Das hieß beispielsweise, dass Häuser vollkommen durch einen Bankkredit finanziert wurden und die Menschen kein eigenes Geld brauchten. Das Zinsniveau war sehr niedrig. Dies war Politik der Zentralbank der USA.

Dadurch, dass sich viele Menschen in den USA, Spanien oder anderen Ländern nun ein Haus leisten konnten, stieg die Nachfrage nach Häusern oder Grundstücken. Außerdem investierten viele Immobilienfonds in Spanien und anderen Ländern. Dies führte zusätzlich zu einem Anstieg der Preise.

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Die Banken hatten also aufgrund der vergebenen Kredite Forderungen an die Kreditnehmer. Diese Forderungen verkauften sie teilweise als Wertpapiere (Mortgage Backed Securities) an Anleger, beispielsweise an andere Banken oder an private Anleger in der ganzen Welt, also auch in Europa. Die Investoren erhofften sich einen großen Gewinn, weil sie damit spekulierten, dass diese Wertpapiere an Wert gewinnen werden. Die Banken kassierten Provisionen. Außerdem wirkte sich der Verkauf der Forderungen positiv auf ihre Bilanzen aus.

Abbildung 1: Ausgangslage

Leider gab es auch viele Kreditnehmer, die sich eigentlich aufgrund ihres Einkommens, ihrer sonstigen Vermögenssituation oder des Berufs kein Haus hätten leisten können (Subprime Loans).

Solange die Zinsen für die Kredite und damit die Kreditraten niedrig waren, konnten sich die Kreditnehmer die Rückzahlung noch leisten. Als allerdings die Wirtschaft in den USA zu schwächeln begann und das Zinsniveau stieg, waren viele Menschen nicht mehr in der Lage, ihre Kredite zurückzuzahlen.

Deshalb mussten so manche Kreditnehmer ihr Haus verkaufen. Damit kam es zu einem Sinken der Immobilienpreise. Dies wiederum führte dazu, dass die Häuser nicht mehr so viel Wert waren wie ursprünglich. Damit konnte mit dem Erlös des Hausverkaufs der Kredit nicht mehr zurückbezahlt werden. Es kam also zu Kreditausfällen. Das wiederum führte dazu, dass die Wertpapiere, die aufgrund der Forderungen kreiert wurden, dramatisch an Wert verloren.

Nachdem diese Wertpapiere in den Bilanzen vieler (auch europäischer) Banken aufschienen, führte der Kursverlust zu einer Verringerung des Vermögens und damit zur Verringerung des Eigenkapitals der Banken. Aus der Immobilienkrise wurde nun eine Bankenkrise.

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Abbildung 2: Viele Kredite können nicht bezahlt werden.

Nachdem der Konkurs der Bank „Lehman Brothers“ (die von den „Ratingagenturen“ teilweise mit AAA bewertet wurde) katastrophale Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hatte, wurde den Politikern/innen klar, dass sie keine weitere „systemrelevante“ Bank mehr zusammenbrechen lassen durften. So wurden einige Banken mittels Geld von verschiedenen Staaten und von den Notenbanken gestützt. Die Staaten mussten sich das Geld selbst ausleihen. Aus der Bankenkrise wurde eine Staatsschuldenkrise.

Dies hat mindestens zwei sehr negative Folgen. Manche Staaten haben aufgrund dieser Schulden, aber auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation hohe Zinsen für ihre Schulden zu bezahlen. Das wiederum wirkt sich negativ auf das Budget dieser Staaten aus. Außerdem fehlt dieses Geld für die (Staats-)Nachfrage für Investitionen bzw. für die Löhne der Staatsangestellten. Dies deshalb, weil die Staaten zum Sparen angehalten werden. Viele Ökonomen kritisieren dieses „Kaputtsparen“ in einer Krise und meinen, dass dies die Probleme weiter verschärfen wird.

Besonders betroffen von dieser Situation sind Griechenland, Spanien, Irland, Zypern und Italien. Wobei bei genauerer Betrachtung festzuhalten ist, dass die Hauptursachen für die Krise in diesen Ländern sehr unterschiedlich sind. Während beispielsweise die Wirtschaft Griechenlands wenig produktiv ist und der Staat sich stark verschuldet hat, weil unter

Abbildung 3: Die Folgen...

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anderem zu wenig Steuern bezahlt wurden, hat Spanien ein großes Problem mit den Banken, die teilweise Geld für sinnlose Infrastrukturprojekte ausgegeben hatten. Nachdem die Investitionen in die Infrastruktur weggefallen sind, hat Spanien unter anderem aus diesem Grund ein großes Problem mit der Arbeitslosigkeit. Deutsche Banken haben ebenfalls ein Problem, weil sie den spanischen Banken Geld geliehen haben.

Abbildung 5 zeigt die Gründe für den Anstieg der Staatsschulden. Auffallend ist der Rückgang an Staatseinnahmen.

Es werden von den Experten/innen verschiedene Lösungen zur Krise vorgeschlagen:• Die Staaten sollen sparen.• Den Staaten soll ein Teil der Schulden nachgelassen werden.• Man soll den Staaten mehr Zeit geben, ihre Schulden

zurückzubezahlen.• Öffentlich Bedienstete sollen weniger Lohn bekommen.• Die „Reichen“ sollen bezahlen, indem Vermögenssteuern erhöht

bzw. eingeführt werden.• Es soll in die Wirtschaft investiert werden.• Die Investoren/Sparer sollen zahlen (Beispiel Zypern).• ...

Abbildung 4: aus: Arbeitskreis für Schule und Wirtschaft: Staatsschuldenkrise 9_10

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Wie steht Österreich in der Krise da?

• Österreich steht (relativ) gut da (geringe Arbeitslosigkeit, moderates Wachstum, Budgetdefizit vergleichsweise gering)

• Österreich muss für seine Schulden einen geringen Zinssatz bezahlen.

• Österreich hat viele international anerkannte Firmen, die ihre Produkte weltweit verkaufen und das zu einem guten Preis!

• Österreich hat sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte und • ein sehr gutes Bildungssystem mit...• Lehre, BMS, BMHS und AHS

Trotzdem: Österreich muss auch sparen!

Rollenspiel

Die Schüler/innen übernehmen die verschiedenen Rollen der Akteure.

1. Zwei Schüler spielen eine Familie, die ein Haus kauft. Dieser Familie geht es zuerst gut, dann schlecht, weil sie das Haus verkaufen muss.

2. 2 weitere Schüler spielen eine zweite Familie, weil sie das Haus verkaufen muss und immer noch Schulden hat.

3. Ein Schüler spielt die Bank. Dieser geht es vorerst gut, weil sie sowohl bei der Vergabe der Kredite als auch beim Verkauf der Wertpapiere Provisionen kassiert.

4. Schüler 4 spielt einen Investor, der hofft, viel Geld zu verdienen. Allerdings sinken die Wertpapiere. Auch ihm geht es nachher schlechter.

5. Schüler 5 spielt den Staat.

Ablauf

Erste Szene (PP Folie 1): Allen geht es gut. Die Schüler werden der Reihe nach herausgeholt.

Zweite Szene (PP Folie 2): Den „Familien“ wird mitgeteilt, dass die Zinsen steigen, ihre Einkommen sinken und dass sie leider ihre Häuser verkaufen müssen, weil sie ihre Zinsen nicht mehr bezahlen können. Die Schüler werden gefragt, wie es ihnen ginge, wären sie tatsächlich diese Familie bzw. Staat oder Investor.

Reflexion/Nachbereitung

Das Rollenspiel wird mittels PowerPoint-Präsentation nachbereitet. Gemeinsam mit den Schülern/innen werden die Lösungsvorschläge diskutiert. Dieser Text dient der Ergebnissicherung.

Zusatzinformationen

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Abbildung 5: Entwicklung der Verschuldung

1. Was ist auffallend an dieser Grafik?2. Wie ist die Situation Japans zu sehen?

Zu 1: Auffallend ist das unterschiedliche Wachstum der Staatsschulden in den verschiedenen Ländern. Beispielsweise sind die Schulden Italiens vergleichsweise gering – allerdings von einer hohen Ausgangsposition - gewachsen. Plötzlich sind die Schulden aber ein großer Problemfall. Das könnte mit anderen Faktoren (politische Situation und andere wirtschaftliche Daten) zusammenhängen.Es zeigt sich aber auch, dass sich Situationen dramatisch verändern können, wenn man Irland betrachtet. Hier haben die Banken den Staat stark belastet.

Zu 2: Japans Probleme in Bezug auf die Verschuldung halten sich in Grenzen, weil diesen ein großer Sparwille der Bevölkerung gegenübersteht und die eigene Bevölkerung der Gläubiger von Japan ist. Dies ist allerdings auch wieder ein Problem, weil die Inlandsnachfrage zu gering ist.

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Zinsen für Staatsschulden

Abbildung 6: aus AWS; Staatsschuldenkrise 2012

Diese Grafik zeigt, dass die „Finanzmärkte“ nach dem „Matthäus-Prinzip“ funktionieren. Diejenigen Staaten, die vergleichsweise gute wirtschaftliche Zahlen und eine relativ geringe Verschuldung haben (wie Deutschland oder Österreich), zahlen extrem geringe Zinssätze für ihre Schulden. Diejenigen, die stark verschuldet sind, werden mit hohen Zinssätzen zusätzlich belastet. Das verschärft die Krise, zumal aufgrund wirtschaftlicher Daten (Rezession) auch die Steuereinnahmen sinken.Folgendes Cartoon könnte in diesem Zusammenhang diskutiert werden. Wie sollen wirtschaftlich schwache Länder die hohen Hürden schaffen?

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Höhere Zinsen

Warum aber bezahlen diese Staaten plötzlich so hohe Zinsen? Ein Grund ist einfach erklärt. Haben diese beispielsweise eine Anleihe zu einer Verzinsung von 4% platziert, bleibt – da festverzinslich – der Zinssatz bis zur Rückzahlung gleich. Allerdings sinkt der Kurs dieser Anleihe beispielsweise auf 50. Rechnet der „Investor“ (man könnte ihn eigentlich auch als Spekulant bezeichnen) damit, dass diese Anleihe zu einem Kurs von 100 getilgt wird, dann erhält er – sofern er diese Anleihe auf dem Sekundärmarkt erwirbt – neben den 4% Verzinsung auch den Kursgewinn. Diese Aussicht verteuert für die Staaten, deren Anleihen zu schlecht bewertet werden, die Ausgabe neuer Anleihen bzw. müssen diese besser verzinst werden, weil der Anleger sonst Anleihen auf dem Sekundärmarkt erwerben würde. Anders formuliert, der schlechte Kurs der Anleihe muss „eingepreist“ werden.

Innere Abwertung

Staaten wie Italien oder Griechenland konnten – solange sie ihre eigene Währungspolitik gestalten konnten – ihre Landeswährung abwerten und dadurch ihre Produkte und Dienstleistungen preislich wieder attraktiver gestalten. Seit der Einführung des Euro ist dies nicht mehr möglich. Um Produkte oder Dienstleistungen wettbewerbsfähiger anbieten zu können, müssen Personalkosten (d.h. Löhne oder Gehälter) gesenkt werden.

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Verstehen durch Verwandeln als Methode

Fünf Schritte ins Verderben(aus: Trend 10_ 2008)

Ein komplexerer Zugang zum Thema Finanzkrise

Der 15. September 2008 wird als historisches Datum in die Geschichtsbücher eingehen: Es ist der Tag der größten Pleite aller Zeiten. Mit einer involvierten Bilanzsumme von mehr als 600 Milliarden US-Dollar musste Lehman Brothers, die innovativste Investmentbank der Wall Street, Insolvenz anmelden. Die Zahlungsunfähigkeit der einst hoch profitablen Wall-Street-Ikone überraschte selbst Insider, doch der Niedergang war absehbar, seine Wurzeln reichen weit zurück.

1 Am 11. August 1987 beruft US-Präsident Ronald Reagan Alan Greenspan zum Präsidenten des US-Zentralbankensystems Federal Reserve System (Fed). Zunächst betrachtet der Fed-Chef die Erhaltung der Preisstabilität als wichtigstes Ziel, Mitte der neunziger Jahre kommt die Kehrtwende. Nun steht für Greenspan nicht mehr Preisstabilität, sondern Wirtschaftswachstum im Vordergrund. Um dieses anzukurbeln, entschließt sich die Notenbank zur Niedrigzinspolitik. Für Investmentbanken wie Lehman Brothers beginnt das vermeintlich goldene Zeitalter: Während Geschäftsbanken auf Spareinlagen angewiesen sind, finanzieren sich Investmentbanken über den Kapitalmarkt. Das geht jetzt immer leichter. Es beginnt eine unentrinnbare Spirale: Die Finanzierung wird für Investmentbanken einfacher und billiger, weil die Zinsen tiefer sinken, daher werden auch immer riskantere Geschäfte finanziert. Die Gefahren bleiben noch verborgen, da die Fed, wann immer Probleme am Horizont erscheinen, die Zinsen weiter senkt. Es beginnt die große Zeit der Investmentbanken an der Wall Street – und der Mythos der Unbesiegbarkeit des US-Finanzsystems.

2 Mit dem Fall der Berliner Mauer am 19. November 1989 bricht ein neues Zeitalter an – was zu diesem Zeitpunkt noch niemandem bewusst ist.

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Russland, China und Indien liberalisieren die Wirtschaft. Der Prozess wird später „Globalisierung“ genannt. Plötzlich strömen drei Milliarden Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt. Für die USA eröffnet das zunächst enorme Chancen. Doch der Arbeitsmarkt gerät unter Druck. Mehr als Europa stehen die USA mit minderwertiger Massenproduktion im Wettbewerb mit China. Damit bringen die neunziger Jahre den Knick in der Lohnpolitik: Es gibt keine Reallohnerhöhungen mehr. Für die US-Wirtschaft wäre ein Ausfall der Nachfrage aber fatal. Jetzt beginnt die Niedrigzinspolitik zu wirken. Billigere Kredite erleichtern die Hausfinanzierungen. Als Folge der künstlich geschaffenen Nachfrage steigen die Immobilienpreise. Die Banken offerieren bestehenden Kreditkunden immer höhere und zugleich günstigere Kredite. Lehman Brothers spielt dabei eine Schlüsselrolle. Um Geschäfts- und Hypothekarbanken diese Finanzierungen zu ermöglichen, erfinden die Investmentbanker neue Instrumente (so genannte Kreditderivate), die alle damit entstehenden Risiken im Bankensystem verteilen. Credit Default Swaps – Versicherungen gegen Kreditausfälle – werden zum Riesengeschäft. Auch bei der so genannten Verbriefung der Kredite spielt Lehman eine wichtige Rolle: Hypothekarische Besicherungen von Privatkrediten werden in „Asset-Backed Securities“ (ABS) verpackt, zu Wertpapieren gebündelt und weiterverkauft. In Mode kommen „Collateralized Debt Obligations“ (CDO) – nicht regulierte Bündelung von Krediten unterschiedlicher Bonität. Lehman wird zur weltweiten Drehscheibe in diesem Geschäft. Die Gewinne sprudeln.

3 Im Jahr 2000 platzt die Technologieblase, 2001 zerstören Terroristen das World Trade Center, es folgt eine Börsenbaisse. Nun öffnet die Fed die Geldschleuse vollends. Als Alan Greenspan an die Spitze der Fed gelangte, belief sich die Geldmenge (M3, also inklusive Girokonten, Geldmarktkonten, Staatsanleihen und Dollar-Wertpapierbestände) in den USA auf 3614 Billionen US-Dollar. Am Ende seiner Amtszeit am 31. Jänner 2006 waren es 10.250 Billionen US-Dollar. Besonders profitieren davon die fünf Investmentbanken Morgan Stanley, Merrill Lynch, Goldman Sachs, Lehman Brothers und Bear Stearns. Die Geldflut führt zu einem Phänomen, das Ökonomen als „Asset Inflation“ bezeichnen. Alles wird teurer: Aktienkurse steigen wieder, Immobilien, Rohstoffe, zuletzt Gold erleben eine Hausse. Immer noch finanzieren die Amerikaner Haus- und Aktienkäufe mit immer höheren Hypothekarkrediten. Doch erste Zweifler melden sich zu Wort. Bereits 2002 bezeichnet der Investmentguru Warren Buffett die Kreditderivate als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“. Wegen wachsender Inflationsgefahr muss die US-Notenbank die Zinsen anheben. Das hat fatale Folgen. Am 9. Februar 2007 gerät der US-Hypothekenfinanzierer New Century in Schieflage. Niemand erkennt: Das ist der Vorbote für den Crash des Immobilienmarkts. Lehman bleibt auf dem Gaspedal: Im Mai 2007 übernimmt die Investmentbank den börsennotierten Hausbesitzer Archstone-Smith Trust. Es sollte die letzte große Transaktion von Lehman sein, und sie steht unter keinem guten Stern: Die 80.000 Apartments kosten 15,7 Milliarden Euro. Aber der Kauf erfolgt am Höhepunkt der Immobilienblase. Im Sommer 2007 beginnen die Immobilienpreise auf breiter Front einzuknicken. (Derzeit sind die Archstone-Immobilien nur noch geschätzte zwölfeinhalb Milliarden wert.)

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Jetzt reißen die Hiobsbotschaften nicht mehr ab. Andere Banken verlangen immer höhere Aufschläge, wenn sie Lehman Kredite geben oder Credit Default Swaps übernehmen sollen. Am 10. September muss die Bank für das dritte Quartal einen Verlust von 3,9 Milliarden Dollar (2,8 Milliarden Euro) eingestehen – weit mehr, als Analysten befürchtet hatten. Der letzte Akt der Tragödie hat begonnen, aber noch hoffen die Anleger – mit vermeintlich gutem Grund.

4 Denn drei Tage vor der Bekanntgabe dieser Horrorzahlen, am 7. September 2008, verkündet US-Finanzminister Henry Paulson, dass der Staat die beiden in Schieflage geratenen US-Hypothekarinstitute Fannie Mae und Freddie Mac auffangen werde. Ein Rettungsplan mobilisiert bis zu 25 Milliarden US-Dollar aus Budgetmitteln, um die Insolvenz zu vermeiden. Die Börsen reagieren darauf mit massiven Kursgewinnen auf breiter Front. Auch die Aktien der Investmentbank Lehman Brothers – die Papiere befinden sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf einer einjährigen nur kurz unterbrochenen Talfahrt – können noch einmal zulegen. Ein hörbares Aufatmen geht durch die Financial Community: Der Staat lässt die Ikonen der US-Finanzbranche also doch nicht fallen. Diese Annahme wird sich bald als verhängnisvoller Fehlschluss erweisen. Was zu diesem Zeitpunkt nämlich niemand bedenkt: Fannie Mae und Freddie Mac werden aus rein politischen Gründen gerettet. Innenpolitisch wäre die Pleite der weltgrößten Hypothekaranstalten ein Desaster, weil rund die Hälfte aller US-Hypothekarkredite über die Bücher der beiden Institute gehen. Noch schlimmer wären aber die außenpolitischen Folgen einer Insolvenz. Fannie Mae und Freddie Mac hängen am Tropf der chinesischen Außenhandelsüberschüsse. Das Geld, das die Chinesen in den USA verdienen, legen sie zu einem großen Teil wieder in Dollar-Anleihen an, unter anderem in Papieren von Fannie Mae und Freddie Mac, die sich auf diese Weise zu rund zwei Dritteln refinanzieren – China ist deren größter Gläubiger. Die beiden US-Institute borgen sich im großen Stil Geld vom chinesischen Staat und chinesischen Unternehmen und geben dieses klein gestückelt in Form von Immobilienkrediten an die Amerikaner weiter. Wären Fannie und Freddie pleitegegangen, dann hätte dies zweifellos massiven Druck aus China ausgelöst und überdies die Finanzierung des US-Budgetdefizits gefährdet, denn die Chinesen zählen auch zu den wichtigsten Käufern von US-Staatsanleihen. All das gilt für Lehman Brothers nicht, doch daran denkt zu diesem Zeitpunkt niemand. Zwar hätten Anleger jetzt noch Zeit, Lehman-Aktien und -Anleihen zu verkaufen,

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nach der Rettungsaktion für die beiden Immobilienfinanziers unterschätzen aber alle die lauernde Gefahr. Nur einige wenige Mitarbeiter der Investmentbank erkennen den Ernst der Lage. Hinter den Kulissen beginnen fieberhafte Verhandlungen mit dem US-Finanzministerium, dem Zentralbankensystem und anderen Banken. Ziel ist es, die Zahlungsfähigkeit der Bank um jeden Preis aufrechtzuerhalten.

5 Am Montag, dem 15. September, müssen die Lehman-Manager ihr Scheitern eingestehen: Die Bank erklärt ihre Zahlungsunfähigkeit und beantragt Gläubigerschutz, nach Abschnitt 11 („Chapter 11“) der US-Insolvenzordnung. Gläubiger dürfen ab jetzt keine Forderungen fällig stellen. Ein New Yorker Gericht genehmigt wenige Tage später den Verkauf der Kernsparten Investmentbanking und den Handel mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren an die Barclay’s Bank. Doch Lehman befürchtet zusätzliche Abschreibungen von 7,8 Milliarden Dollar. Probleme machen wird auch das 60-Milliarden-Dollar schwere Portfolio an Immobilienkrediten. Dessen Volumen übertrifft den Unternehmenswert deutlich. Das Ende der einst glänzenden Investmentbank ist kaum aufzuhalten. Am Wochenende des 19./20. Septembers fällt in den Chefetagen der beiden verbliebenen Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley die Entscheidung, das Geschäftsmodell einer rein über den Kapitalmarkt finanzierten Investmentbank aufzugeben und sich als normale Geschäftsbank über Einlagen zu finanzieren – der Schlusspunkt unter eine Ära, die als Erfolgsstory begann und in einem Milliardengrab endete.Quelle: http://www.format.at/articles/0839/580/220486/fuenf-schritte-verderben

Aus den folgenden einzelnen Puzzleteilen soll eine „Geschichte“ erstellt werden. Es sind bewusst ein paar leer gehalten worden. Dort könnt ihr selbst etwas eintragen.

Alan Greenspan wird US-Noten-bankpräsident

Technologieblase platzt

Fannie Mae und Freddie Mac

werden gerettet

Lehman Brothers

beantragt Gläubigerschutz

Preisstabilität als wichtigstes

Ziel

USA Großschuldner

von China

Goldman Sachs und Morgan

Stanley ändern ihre Strategie

Konkurrenz aus China, Indien und Russland

führt zu Niedriglöhnen

Chinesen kaufen auch

US-Staatsanleihen

Billige Kredite erleichtern die

Hausfinanzierung

Kreditderivate werden

erfunden

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Die große Zeit der

Investmentbanken beginnt

Lehman befürchtet

weitere Abschreibungen

Die Geldmenge steigt enorm –

alles wird teurer

Die Zinsen werden

niedriger

China kauft Dollar Anleihen

Russland, China und Indien

liberalisieren die Wirtschaft

Aufgabe:

Schneidet die Puzzleteile auseinander und klebt diese auf ein neues Blatt. Ihr sollt auf diesem Blatt versuchen, mittels der Puzzleteile, von Nähe und Entfernung und von Strichen, die Entwicklung darzustellen.

Aktuelles Beispiel ZypernFakten über die Republik Zypern

Zypern seit 1974 geteilt (südlicher und nördlicher Teil) seit 2004 Mitglied der Europäischen Union (südlicher

Teil). wichtige geopolitische Lage im Mittelmeer ca. 890.000 Einwohner Hauptstadt: Nikosia Landeswährung Euro

Zypern als Steuerparadies (für Oligarchen) 40.000 Briefkastenfirmen Steueroase (10% Körperschaftssteuer, künftig 12%) Schätzungen zufolge werden 26.000.000.000 Dollar von

russischen Staatsbürgern bei Banken in Zypern angelegt.

Drehscheibe Geld – Zypern: 60.000.000.000 Dollar werden über Zypern geschleust.

Es besteht der Verdacht, dass Geldwäsche gefördert wird. Quelle: Kurier 17. März 2013

Kommentar: mit Irland musste bereits ein anderes Steuerparadies gerettet werden.

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Interessante Informationen zu den Rettungspaketen unter http://www.tagesschau.de/wirtschaft/rettungspakete108.html

Abbildung 7: Russische Investoren in Zypern

Kredite aus Moskau helfen auch russischen OligarchenAllerdings: So ganz selbstlos ist die Hilfe für Zypern aus Russland nicht. Viele vermögende Russen legen ihr Geld bei zyprischen Banken an, weil sie es dort nicht versteuern müssen; und viele russische Firmen investieren in Zypern und nutzen den sehr niedrigen Steuersatz dort. Rund ein Drittel aller Auslandsinvestitionen auf Zypern stammt bereits aus Russland.

Die Prüfer der Troika bei ihrem Besuch Anfang Juli. Ende März 2013 kommen sie wieder.

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meff, 17.03.13,
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Mit den Krediten will Russland also nicht selbstlos dem Inselstaat Zypern helfen, sondern quasi auch den Investitionsstandort russischer Oligarchen im Mittelmeer retten. Schließlich wurde vor der zyprischen Küste vor kurzem Erdgas gefunden. Bei der Förderung möchte der russische Gazprom-Konzern mit einsteigen. Die russisch-zyprischen Beziehungen gehen weit über wirtschaftliche Interessen hinaus. Zyperns Präsident Christofias hat zu Breschnews Zeiten in Russland studiert, er spricht perfekt russisch.Die kommunistische Partei spielt nach wie vor eine große RolleMittlerweile leben schon mehrere Zehntausend Russen auf Zypern, vor allem in der Küstenstadt Limassol, wo es an jeder Ecke russische Zeitungen gibt. "Es lebe die russisch-zyprische Freundschaft", sagt Präsident Christofias, der der einzige kommunistische Staatschef eines EU-Landes ist. Seine kommunistische Partei spielt nach wie vor eine große Rolle auf Zypern. Gleichzeitig macht er aber gern Geschäfte mit den Kapitalisten aus Russland und pflegt die Beziehungen zu Moskau.

Russland als Trojanisches Pferd?Als Anfang dieses Jahres ein russisches Frachtschiff mit Waffen für Syrien im zyprischen Hafen Limassol lag, verhinderten zyprische Kontrolleure nicht, dass das Schiff tatsächlich nach Syrien ablegte - trotz des EU-Waffen-Embargos. So viel Entgegenkommen des kleinen Inselstaates Zypern gegenüber dem Riesenreich Russland macht manche EU-Politiker skeptisch. Baut sich Russland die Insel Zypern zu einem Trojanischen Pferd aus, um seinen Einfluss auch auf die EU zu erweitern?

Eines der Hauptprobleme Zyperns sind die Banken, die viel in Griechenland investiert haben."Nein, wir sind kein Trojanisches Pferd der Russen", sagt Andreas Mavroiannis und schüttelt energisch den Kopf. Er ist in der Regierung Zyperns zuständig für die Beziehungen zur EU. Er betont, eigentlich sei die zyprische Wirtschaft gesund, das Land bräuchte weder russische Kredite noch den EU-Rettungsschirm. Das Problem, das hier Unsicherheit und Instabilität schaffe, sei "dass zyprische Banken so stark in griechische Staatsanleihen investiert haben - und sich überhaupt so stark im griechischen Markt engagiert haben", so Mavroiannis.

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Troika Ende der Woche in NikosiaZyprische Banken haben Milliarden verloren, weil etliche Kredite an Griechenland geplatzt sind. Nun sind die zyprischen Banken selbst von der Pleite bedroht und reißen den ganzen Staat mit in die Krise. Ende dieser Woche reisen Kontrolleure der Troika nach Nikosia und prüfen, wie viel Geld Zypern aus dem EU-Rettungsschirm braucht und welche Auflagen Zypern dafür erfüllen muss. Dabei kann Zypern seine beiden möglichen Kreditgeber gegeneinander ausspielen: So kommt die EU den Zyprern bei den Auflagen möglicherweise entgegen, damit Zypern nicht noch mehr Kredite in Russland aufnimmt und damit den russischen Einfluss auf der Insel stärkt.Quelle: www.ard.de dl. 14. März 2013

Fragen: 1. Warum sind die Banken in Zypern in Schwierigkeiten geraten?2. Aus welchem Grund hilft Russland Zypern?

Lösungsvorschläge:1. Wie aus der Grafik ersichtlich, haben Banken aus Zypern in

Griechenland Kredite vergeben. Einige dieser Kredite sind mit großem Risiko verbunden. Dies belastet die Banken. Dazu kommt, dass in Zypern sowohl die Bevölkerung als auch die Unternehmen hoch verschuldet sind. Dies erhöht das Risiko im Land selbst. Die Unternehmenssteuern in Zypern sind sehr gering (10%). Das lockt einerseits Investoren an, verringert aber andererseits die Steuereinnahmen.

2. Russland hat verschiedene Interessen an Zypern.Die wichtigen sind möglicherweise geopolitisch bedingt. So liegt Zypern beispielsweise sehr nahe an Syrien.Außerdem haben russische Investoren – oft auch „Oligarchen“ genannt – in Zypern investiert und deshalb ein großes Interesse an der wirtschaftlichen Situation in Zypern.Kürzlich wurde berichtet, dass vor Zypern Erdgas entdeckt wurde. Auch das könnte ein Grund für das Engagement von Russland sein.

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Euro-Staaten einigen sich auf RettungspaketMilliarden-Hilfe für das pleitebedrohte ZypernDas finanziell angeschlagene Zypern bekommt internationale Hilfe. Die Finanzminister der Euroländer und Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) verständigten sich nach fast zehnstündigen Verhandlungen grundsätzlich auf ein Hilfspaket von bis zu zehn Milliarden Euro.

Sie verhandelten bis tief in die Nacht: Eurogruppen-Chef Dijsselbloem und IWF-Chefin Lagarde.

"Wir haben eine politische Vereinbarung über die Eckpfeiler des Programms erreicht", erklärte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem am frühen Samstagmorgen in Brüssel. Die Hilfe werde gewährt, um die finanzielle Stabilität Zyperns und der gesamten Eurozone zu erhalten. In den Verhandlungen habe die Euro-Zone ihre feste Verpflichtung zur Finanzstabilität gezeigt sowie ihre Fähigkeit, entschieden zu handeln, ergänzte Dijsselbloem.

IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte, auch der Internationale Währungsfonds werde sich an den Rettungsbemühungen beteiligen. Die Summe stehe aber noch nicht fest. Ohne die Finanzhilfe wäre Zypern im Mai pleite.

Bankkunden müssen für Rettung vor Staatspleite zahlenZur Rettung Zyperns vor der drohenden Staatspleite werden erstmals auch Anleger der Banken des Landes zur Kasse gebeten. Die Sonderabgabe auf die Einlagen werde Zypern 5,8 Milliarden Euro bringen, sagte Dijsselbloem. Demnach müssen Anleger mit bis zu 100.000 Euro Einlagen eine Abgabe von einmalig 6,75 Prozent zahlen; Investoren mit mehr als 100.000 Euro zahlen 9,9 Prozent.

Diese außerordentliche Maßnahme sei wegen der Größe des zyprischen Bankensystems gemessen an der gesamten Wirtschaft nötig, sagte Dijsselbloem. Die Bestimmung soll sowohl für in Zypern ansässige als auch für ausländische Bankkunden gelten. EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen betonte, es gebe keine Gefahr, dass ein solches Vorgehen auch in anderen Ländern folgen könnte.

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Die internationalen Geldgeber wollen darüber hinaus Zusicherungen für die glaubwürdige Umsetzung des Hilfspakets haben. Die Unternehmensteuer soll von bisher 10 auf 12,5 Prozent steigen. Einen Schuldenschnitt soll es den Informationen zufolge nicht geben. Zypern versprach in Brüssel, man werde sich strikt an die Abmachungen für das Hilfsprogramm halten.Quelle: www.ard.de dl. 15. März 13Fragen:

1. Warum sollen Bankkunden für die Rettung der Banken zahlen?2. Welche anderen Bedingungen für die Zahlung der Hilfe an Zypern

werden gestellt?

Lösungsvorschläge:

zu 1.: Einerseits werden sich die Politiker/innen fragen, wie beispielsweise Steuerzahler/innen aus Österreich oder Deutschland dazu kommen, die Bankeinlagen der reichen Menschen aus Russland zu sichern. Andererseits ist das wohl eine der wenigen Möglichkeiten, dass Zypern selbst einen Beitrag zur Rettung der Banken leisten kann.

zu 2.: Körperschaftssteuer muss von 10 auf 12,5% erhöht werden, Schrumpfkur für den Bankensektor, Staat: Privatisierung, öffentliches Sparen, Kampf gegen Geldwäsche.

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Banken im Zentrum der Krise

Immer wieder werden die Banken als Verursacher oder als Betroffene der Wirtschaftskrise bezeichnet. Grund genug für eine nähere Betrachtung der Banken.

Abbildung 8: Zielsysteme von Banken

Oben stehende Grafik zeigt verschiedene Ziele, die Banken anstreben. Während in den vergangenen Jahren insbesondere das Streben nach Gewinn erste Priorität hatte, sind – bedingt durch die Finanzkrise – die Aufrechterhaltung der Liquidität und das Streben nach Sicherheit nun ein Gebot der Stunde. Durch staatliche Regulierungen werden Banken dazu gezwungen, diesen beiden Faktoren mehr Augenmerk zu schenken. Es sollte aber auch im Interesse der Banken liegen, diese beiden Faktoren zu beachten, wollen sie ihr langfristiges Bestehen sichern.

Konkrete Maßnahmen in diesem Zusammenhang (Interview Werner Böhler / sprachlich angepasst):

Liquiditätssicherung: Ziel ist eine ausgewogene L/D-Ratio. Dabei handelt es sich um das Verhältnis zwischen Kundeneinlagen und Kundenkrediten. Damit verbunden ist eine geringere Abhängigkeit vom Banken- bzw. dem Kapitalmarkt. Dadurch erhöht sich der Wettbewerb um Kundeneinlagen.

Kreditaufnahme ist erschwert (höheres Eigenkapital-Erfordernis, kritischere Bonitätsprüfung, bessere Besicherung)

Vermehrter Eigenkapital-Aufbau für viele unabdingbar

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Professionelleres Risikomanagement der Banken Weit höhere Anforderungen der Finanzaufsicht. Dies führt zu

verstärkter Bürokratie.

Zentrale Kennzahlen der Banken

National und international sind die Eigenkapitalrendite und das Cost Income Ratio (CIR) die zentralen Instrumente zur Bewertung von Banken. Während hier in früheren Jahren geradezu sensationelle Werte erzielt wurden, schauen die Zahlen heute nicht mehr so gut aus.

Es ist allerdings auch kritisch anzumerken, dass die Eigenkapitalrendite von Banken oft dann besonders gut war, wenn sich das Eigenkapital als sehr gering darstellte. Das funktioniert, so lange Gewinne erzielt werden. Sind größere Abschreibungen notwendig, dann gerät eine Bank mit geringen Eigenmitteln sehr schnell in Schwierigkeiten. Deshalb müssen die Banken nach den Erfahrungen der Bankenkrise ihre Eigenmittelquote erhöhen.

Auch ein niedriges CIR ist nicht immer nur positiv zu sehen, weil sich diese Kennzahl dann verbessert, wenn sich die Personalkosten verbessern. Weniger Personalkosten bedeuten aber sehr oft den Abbau von Arbeitsplätzen.

Abbildung 9: Kennzahlen zur Bewertung von Banken

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Diese beiden Kennzahlen waren jahrelang die Kriterien für den Erfolg einer Bank. Je höher, desto besser beim ROE, und je niedriger desto, besser bei der CIR.

Seit langem ist der ursprüngliche Grund, weshalb Raiffeisenbanken, Sparkassen oder Volksbanken gegründet wurden, in den Hintergrund gerückt. In letzter Zeit – nicht zuletzt aufgrund der Bankenkrise – sind folgende zwei Punkte zu beobachten:

Verschiedene Banken betonen wieder vermehrt den Gründungszweck.

Regionalbanken versuchen sich von Großbanken vermehrt zu differenzieren.

Es macht deshalb Sinn, sich den Gründungszweck näher anzuschauen.

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meff, 17.03.13,
im Südtirol und Ihnen
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aus: Rita Bertolini: Allmeinde Vorarlberg. Bregenz

1. Welche Überlegungen leiteten Robert Owen bei der Einführung seines Experiments? Welches Menschenbild leitete Owen?

2. Welche Ergebnisse erzielte das Experiment?3. Sind die Ideen Owens heute noch aktuell?

Lösungsvorschlägezu 1.: Owens Handlungen sind von einem positiven Menschenbild geprägt. Er meinte, dass der Mensch von seiner Umgebung beeinflusst wird. Wird mit ihm positiv umgegangen, so honoriert er dies. Er investierte Gewinne

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in die Mitarbeiter, reduzierte die Arbeitszeiten und verbesserte ihre Arbeitssituation im Betrieb.

zu 2.: Das Experiment war ein finanzieller Erfolg und ist Vorbild für viele Unternehmen.

zu 3.: Einerseits ist es heute den Führungskräften in Betrieben klar, dass die Arbeitsumstände im Unternehmen das Betriebsklima und den betrieblichen Erfolg fördern, und andererseits ist die Genossenschaftsidee aufgrund der Wirtschaftskrise wieder sehr aktuell.

„Nach meiner festen Überzeugung gibt es nur ein Mittel, die sozialen und besonders auch wirtschaftlichen Zustände zu verbessern, nämlich die christlichen Prinzipien in freien Genossenschaften zur Geltung zu bringen.“

„Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele…“Friedrich Wilhelm Raiffeisen.

„Ich kenne Gegenden, wo es Bauern gibt, die nichts ihr Eigen nennen. Vom Bett bis zur Ofengabel gehört alles den Geldverleihern. Das Vieh im Stall gehört ihnen. Der Bauer bezahlt für jedes Stück Vieh seine tägliche Miete.“ (Otto Fürst von Bismarck)

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Und was ist mit dem Personal?

Ein Beispiel für die Bedeutung von Regionalbanken aus Sicht des Arbeitsmarktes.

Bilanzsumme (Vbg.)

Mitarbeiter/innen

Bank Austria in Vorarlberg

€ 5,7 Milliarden 125

Vorarlberger Sparkassen € 5,1 Milliarden 866

Wie das Beispiel zeigt, schaffen Regionalbanken Arbeitsplätze in den Regionen. Wichtig ist auch zu betonen, dass insbesondere die hochwertigen Arbeitsplätze bei Großbanken in den Zentralen vorzufinden sind.

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Fragen /Arbeitsauftrag1. Bewerten Sie dieses Angebot nach den Kriterien: Sicherheit,

Liquidität und Ertragschancen.2. Weshalb ist die Hypo Bank Vorarlberg bereit, einen vergleichsweise

hohen Zinssatz zu bezahlen?

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3. Was ist Ergänzungskapital?

Lösungsvorschläge:Zu 1. Verglichen mit den derzeit bezahlten Zinsen, die für Spareinlagen großteils unter 1% liegen, handelt es sich aus Sicht der Ertragschancen um eine sehr interessante Geldanlage. Die Liquidität dieser Anlage ist grundsätzlich gering. Eine vorzeitige Kündigung wird vom Emittenten ausgeschlossen. Sollte das Wertpapier an der Börse gehandelt werden, erhöht sich die Liquidität. Grundsätzlich handelt es sich um eine eher risikoreiche Anlageform, weil für den Fall, dass die Bank in Schwierigkeiten kommt, keine Zinsen bezahlt werden oder gar ein Totalverlust droht. „Bei dieser Anleihe handelt es sich um nicht besicherte, nachrangige Verbindlichkeiten. Im Fall der Liquidation oder des Konkurses der Emittentin dürfen die Forderungen aus den Schuldverschreibungen erst nach den Forderungen der anderen nicht nachrangigen Gläubiger befriedigt werden.“ (aus dem Prospekt der Hypo Bank Vorarlberg).

Im konkreten Fall ist das Risiko zumindest im Moment eher gering, weil die Kennzahlen dieser Bank sehr gut sind (siehe Beilage). Für einen Teil der Verbindlichkeiten dieser Bank haftet nach wie vor das Land Vorarlberg. Für Kunden/innen mit großem Vertrauen in diese Bank handelt sich um eine attraktive Anlageform.

Zu 2. Aufgrund der Wirtschaftskrise bzw. der Bankenkrise schreiben einschlägige Gesetze bzw. Vorschriften den Banken eine höhere Eigenmittelquote vor. Diese Ergänzungskapitalanleihe dürfte aufgelegt worden sein, um die Eigenmittelquote dieser Bank zu erhöhen. Dieses Kapital steht der Bank langfristig zur Verfügung. Sie muss nur dann Zinsen bezahlen, wenn die wirtschaftliche Situation der Bank gut ist. Es könnte aber auch sein, dass die Bank mittelfristig ihre Liquidität erhöhen möchte, weil sie beispielsweise andere Verbindlichkeiten (Anleihen o.a.) tilgen muss.

Zu 3. „Als Ergänzungskapital bezeichnet man eingezahlte Eigenmittel, die einem Kreditinstitut für mindestens acht Jahre von Dritten zur Verfügung gestellt werden. Das Ergänzungskapital darf nur bei ausreichendem Jahresüberschuss verzinst und im Falle der Insolvenz des Kreditinstitutes auch erst nach Befriedigung der übrigen Gläubiger zurückbezahlt werden.“ (aus einer Präsentation der „Erste Bank“).

Käufer/innen dieser Anleihe:

55% Kunden Vorarlberger Filialen 

33% Institutionelle Kundschaft 

12% Kunden der Filialen Wels, Graz, Wien 

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Quelle: http://www.hypovbg.at

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Fragen zur Kurzpräsentation:1. Wie würden Sie die Situation dieser Bank aufgrund dieser

Kurzpräsentation beurteilen?2. Bewerten Sie die wichtigsten Kennzahlen bzw. die Einschätzung von

Moody´s.3. Welche anderen Kriterien würden Sie bei der Bewertung dieser Bank

heranziehen?

Lösungsvorschläge:

zu 1.: Die Bank hat im vergangenen Jahr ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Dies dürfte zu einer weiteren Erhöhung des Eigenkapitals führen. Eine stabile Eigenkapitalausstattung erhöht die Sicherheit beispielsweise ausgegebener Wertpapiere. Dieses gute Ergebnis ist allerdings teilweise auf Einmaleffekte zurückzuführen. Offensichtlich ist ein Rückkauf von Hybriddarlehen beinhaltet, der sich positiv auf das Ergebnis der Bank auswirkt. Auffallend ist das Wachstum der Bilanzsumme. Dies könnte verschiedene Gründe haben. Ein Grund dafür könnten die ausgegebenen Wertpapiere sein. Die Struktur der Wertpapiere und die Vermögensstruktur der Bank (Wertpapiere oder Forderungen an Kunden) können aufgrund dieser Informationen nicht bewertet werden.

zu 2.: Sowohl die Rentabilität des Eigenkapitals (Return on Equity) als auch das Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand (Cost income Ratio) sind sehr gut. Wie die unten angeführte Tabelle zeigt, handelt es sich bei dieser Bank um eine in der „oberen Mittelklasse“ mit geringem Risiko.

zu 3.: Es könnte die wirtschaftliche Situation des Landes herangezogen werden. Außerdem könnte versucht werden, wie die Kundenstruktur dieser Bank ausschaut und ob hier eventuell Risiken bestehen. Man könnte sich Informationen zum Management besorgen und veröffentlichte Unterlagen studieren.

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Fragen an Werner Böhler Vorstandssprecher Dornbirner Sparkasse AG

Hat die Finanzkrise die Ziele der Banken verändert? Wenn ja, wie?Seit der Finanzkrise ist die Bankenwelt nicht mehr wie vorher. Die Krise und die teilweise als Folge davon entwickelten neuen Finanzbestimmungen (Liquiditätsvorschriften, BASEL III, CRR, CRD IV…) zielen darauf ab, die Liquidität abzusichern, das Eigenkapital zu stärken und künftige Gefahren von Krisen zu minimieren.

Direkte Auswirkungen: -Liquiditätssicherung: Ziel ist eine ausgewogene L/D-Ratio (Verhältnis zwischen Kundeneinlagen und Kundenkrediten) und damit eine geringere Abhängigkeit vom Banken- bzw. dem Kapitalmarkt. Dadurch erhöht sich der Kampf um Kundeneinlagen.-Kreditaufnahme ist erschwert (höheres EK-Erfordernis, kritischere Bonitätsprüfung, bessere Besicherung)-Vermehrter EK-Aufbau für viele unabdingbar-Professionelleres Risikomanagement-weit höhere Anforderungen der Finanzaufsicht (Bürokratie)

Wie sind Sparkassen, Raiffeisenbanken und andere Regionalbanken im Vergleich zu internationalen Großbanken zu sehen? Wie können sich Regionalbanken positionieren?

Genossenschaftsbanken und Sparkassen haben neben der Gewinnorientierung (nicht -maximierung) einen gemeinnützigen Auftrag; die Sparkassen durch ihren Gründungsauftrag. Pfarrer Johann Baptist Weber, Gründer der ersten österr. Sparkassen 1819 sinngemäß: „Dort, wo es Sparkassen gibt, soll es den Menschen besser gehen.“Gemeinnützigkeit heißt, die Region besonders zu berücksichtigen (durch Spenden, Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, Sponsorings usw.).

Raiffeisen Vorarlberg betont inzwischen sehr stark das „Gemeinsame“ (auch durch sehr konkrete Maßnahmen). Wie schaut dies bei den Sparkassen aus?

Sparkassen treten, was früher nicht der Fall war, zunehmend als „Erste Bank und Sparkasse“ auf, somit als Gruppe. Der gemeinsame Marktauftritt besteht seit 1997 als Folge der Übernahme des Spitzeninstituts durch die

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Erste Bank (durch Übernahme der Girozentrale und Bank der österr. Sparkassen).

In Vorarlberg erfolgt immer öfter der Auftritt als „Vorarlberger Sparkassen“, die es in dieser Form als Rechtsperson nicht gibt (analog Raiffeisen). Ich trete sehr oft als Sprecher der Vorarlberger Sparkassen auf.

Im Gegensatz zu Raiffeisen und Sparkassen gibt es in Vorarlberg nur eine Hypo- und nur eine Volksbank.

Bankbilanz, Risikovorsorge, Basel II bzw. Basel IIIInwieweit beeinflussen diese Regelungen die Banken bzw. werden sie die Banken in Zukunft beeinflussen?

Risikovorsorgen: Das historisch niedrige Zinsniveau lässt die Margen und dadurch auch die Ergebnisse der Banken stark schrumpfen. Dadurch können auch hohe Risikokosten nicht mehr verdient werden. Auch das hat Auswirkungen auf die Risikopolitik der Banken.

Die Systeme verstärken diesen Druck durch z. B. systemische Ratingvergaben, die in schlechten Bonitätsklassen automatisch zu EWB-Bildung führen (= Gewinnrückgang).

Andererseits führen niedrige Zinsen dazu, dass die Bilanzen der Unternehmer (Kunden der Banken) in der Zinsposition spürbar entlastet werden. Die Risikokosten stehen üblicherweise in Abhängigkeit zur Wirtschaftslage. Im Jahr 2012 waren sie durchwegs sehr niedrig.

Neben den Risikokosten für Kredite gibt es auch RK für Wertpapiere und Beteiligungen. Diese sind stark abhängig von der Art der Bilanzierung und den gewählten Bewertungsmethoden (IFRS, UGB, strenges oder gemildertes Niederstwertprinzip usw.).

Liquidität: BASEL III zielt darauf ab, dass den langfristigen Krediten auch längerfristige Kundeneinlagen entgegenstehen. Heißt: Zusehends mittel- und langfristige Bankobligationen mit höheren Zinsen als kurzfristige Spareinlagen (= erhöhte Kosten für die Banken, Reduktion der Zinsmargen).

Bei langfristigen (Re)finanzierungen hat der Markt einen Liquiditätsaufschlag eingepreist, der in dieser Form und Höhe in der Vergangenheit nicht vorhanden war. Problem: Die bereits vergebenen langfristigen Kredite wurden auf der früheren Basis (ohne Li-Aufschläge) kalkuliert. Bei Krediten an Konsumenten darf während der gesamten Laufzeit nicht in die Zinsgestaltung eingegriffen werden (diese Kredite sind kalkulatorisch alle „unter Wasser“).

Langfristige Refinanzierungen (z. B. Bankanleihen) sind derzeit in der Kreditkalkulation nicht unterzubringen, weil bei diesen der Li-Aufschlag zu

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zahlen ist, der Markt bei Krediten jedoch einen solchen nicht in vollem Umfang zulässt.

Die Bepreisung muss – auch nach den Basel-Bestimmungen – nach risikoadäquaten Gesichtspunkten erfolgen (höheres Risiko = höherer Preis). Auch hier besteht in der Praxis noch Aufholbedarf.

Österreich/Vorarlberg ist zweifelsfrei „overbanked“. Dies führt zu hohen Kosten (Filialen) und niedrigen Margen (überhöhter Wettbewerb). Welche negativen / positiven Einflüsse werden diese Regelungen haben (Stichwort „teures Eigenkapital“ oder Risikovorsorge)?

Siehe oben!

Betrachtet man die relativ hohe Verzinsung, die die Hypo Vorarlberg für eine Nachranganleihe bezahlt, oder überlegt man, wie viel Zinsen die Banken für Staatshilfe bezahlen, scheint die Erhöhung der Eigenmittel relativ teuer zu sein. Sind deshalb Banken, die über hohe Eigenmittel (beispielsweise aufgrund früherer Thesaurierungen) verfügen, bevorzugt?

Die Beschaffung teurer Einlagen hängt einerseits von der Eigenkapitalsituation (z. B. Staatshilfen), andererseits von der Liquidität ab. Die Hypo hat sich durch die abgelaufene Landeshaftung langfristig (im Wesentlichen bis 2017) günstig refinanziert. Im Jahr 2017 laufen EUR 3 Mrd. dieser langfristigen Refinanzierungen ab. Sie versucht, durch hohe Zinsen auf Einlagen bis zu diesem Zeitpunkt so viel Kundeneinlagen wie möglich zu erhalten, damit die Einlösung dieser Obligationen nicht zur Gänze über den Kapitalmarkt erfolgen muss. Teilweise erfolgt diese Mittelbeschaffung durch Ausgabe von Papieren, die Kapitalerhöhungen angerechnet werden können (z. B. Nachrangkapital), was entsprechend teuer ist.

Am Beispiel der Staatshilfen sowie der nachrangigen Emissionen sieht man klar, wie kostbar Eigenkapital und Liquidität sind.

Inwieweit haben diese Regelungen Einfluss auf die Risiko- bzw. Liquiditätserfordernisse einer Bank?

Siehe oben!

Cost Income RatioWelche Bedeutung hat die Zahl für eine Bank?Was beeinflusst es?Wie sind große Unterschiede erklärbar?Durch welche Maßnahmen kann diese Zahl verbessert werden?

CIR = Verhältnis zwischen Aufwendungen und Erträge. Je niedriger, desto besser.

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meff, 17.03.13,
????
meff, 17.03.13,
Unlogischer Satz
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Üblich sind CIR zwischen 60 und 70 (auch in Deutschland, dort eher auch über 70, und in der Schweiz). Die CIR ist 2012 bei beinahe allen Banken drastisch gestiegen (durch Ertragsrückgang).

Bei den Osteuropäischen Banken (ich kann das anhand der Osttöchter der EGB nachvollziehen) liegt die CIR zwischen 40 und 50. Dort sind die Erträge weit höher, der Einstieg der westlichen Banken hat die Aufwendungen stark gedrückt.

So wie Lehman trotz ansprechender Eigenkapitalquote infolge fehlender Liquidität Pleite gegangen ist, kann ein Kreditinstitut auch mit einer CIR von 45 negativ sein. Nämlich dann, wenn die Risikokosten höher sind als die restlichen Erträge (z. B. BCR Rumänien).

Generalisierend kann gesagt werden, dass die Balance zwischen Erträgen und Aufwendungen stimmen, wenn diese Ziffer zwischen 60 und 70 liegt. Das alles nützt nichts, wenn – wie gesagt – die Risikokosten zu hoch sind.

Return on EquityWelche Bedeutung hat die Zahl für eine Bank?Was beeinflusst sie?Wie sind Unterschiede erklärbar?Inwieweit ist diese Zahl von der Eigentümerstruktur / Geschäftspolitik abhängig?

Wir gehen von der Eigenkapitalrentabilität nach Steuern aus (Berechnung: Jahresüberschuss nach Steuern ohne Dotierung/Auflösung Fonds für allgemeine Bankrisiken dividiert durch durchschnittliches bilanzielles Eigenkapital).

Je höher das Eigenkapital, desto niedriger der ROE.

Sparkassen waren bis vor einigen Jahren durchwegs eigentümerlos, daher hatte diese Ziffer keine große Bedeutung. Durch AG-Gründungen mit echten Eigentümern wird auf sie etwas stärker geachtet, sie hat jedoch immer noch keine überragende Bedeutung. Bei den Genossenschaftsbanken dürfte dies ähnlich sein.

ROE ist eher für börsennotierte Unternehmen (shareholder value-Gedanke).

Unterschiede sind erklärbar durch Großgeschäfte (z. B. Hypo Vbg) oder durch Auslagerung von Kosten (z. B. Sparkasse Egg).

Tendenzen in der „Bankenwelt“Wie hat sich die „Bankenwelt“ in den vergangenen Jahren verändert?

Radikal, es bleibt kein Stein auf dem anderen. Dies hat etwas mit geänderten Anforderungen zu tun (Finanzkrise mit den skizzierten Auswirkungen, strenge Bankenaufsicht (FMA bzw. OeNB), europäische

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Bankenaufsicht, Finanzskandale, Bonusregelungen, Komplexität der Finanzprodukte (nimmt ab), öffentliche Meinung zu Banken und Bank(st)ern, BASEL, Li-Vorschriften, Rechnungslegungsvorschriften, Bewertungsvorschriften usw.

Welche Zukunftsszenarien sind vorstellbar?

Banken können nur bei professioneller Leitung überleben, Anzahl der Filialen wird abnehmen, regionale Zusammenschlüsse sind zu erwarten, Spitzeninstitute werden tendenziell mehr „mitregieren“, Kleine werden nicht mehr alles selbst machen können, Kostendruck nimmt stark zu, Erträge schrumpfen (vor allem bei Anhalten des Niedrigzinsniveaus). Produkte werden tendenziell einfacher.

Wird Österreich als Bankenplatz attraktiv bleiben?

Österreich ist stabil, aber aus Ertragssicht nicht attraktiv. Hat niedrigste Kreditzinsen in der Eurozone (teilweise um 50 % oder noch mehr unter den übrigen Ländern), ist mit einer (erhöhten) Bankensteuer belastet, ist overbanked.

Nicht umsonst drängen ausländische Banken nicht stark herein.

Wie wollen sich „klassische“ Banken gegenüber Internetbanken positionieren?

Durch Kundennähe und Sympathie, durch persönliche Betreuung, durch Flexibilität, durch Preisannäherung, durch Sicherheit.

Vielen Dank für das Gespräch!

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