01 SZ SIEGEN 20180706 Prod-Nr 127204 Seite 12 5. 7. 2018 ... · zugedichtet. So war er haltÒ, der...

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Kultur 12 Siegener Zeitung Freitag, 6. Juli 2018 Mysteriöse Brandleichen Bestes Infotainment mit Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke jen Siegen. Wenn Menschen verbren- nen, bleiben die Beine immer übrig. Das liegt bei älteren Frauen vor allem daran, dass ihre Röcke am Knie enden. Denn Kleidung trägt dazu bei, dass die von ihr bedeckten Körperteile mehr brennen als die unbedeckten Körperteile. Dies er- klärte und veranschaulichte Dr. Mark Benecke einem großen Publikum am Mittwochabend im Leonhard-Gläser- Saal der Siegerlandhalle. Der Kriminalbiologe klärt seit 26 Jah- ren mit seiner biologischen Spurensuche weltweit Gewaltverbrechen mit Todes- folge auf. Dazu macht er an den Tatorten viele unterschiedliche Fotos aus unter- schiedlichen Perspektiven. „Jede Spur kann wichtig sein. Der Alltag birgt immer Informationen. Selbst Zigarettenkippen oder Schmutz können für die kriminal- technische Aufklärung hilfreich sein“, betonte Benecke. Dass er ein Auge für die besonderen Dinge hat, zeigte Benecke an Fotos, die er während seiner Anreise nach Siegen gemacht hatte. Von Graffiti- Schriftzügen hin zu braunen Flecken an weißen Wänden, bauliche Besonderhei- ten, Baustellen und Skulpturen – der Kri- minalbiologe sieht scheinbar alles. Die Zuschauer staunten. Trotzdem wies Benecke darauf hin, dass Spuren nicht immer eindeutig seien, und aufgrund der Tatsache, dass jeder Mensch Spuren hin- terlässt, könne auch jeder der Täter sein. Oberstes Gesetz bei der Arbeit als Krimi- nalbiologe sei deshalb: nicht denken, je- den Einzelfall prüfen und nicht auf fach- liches Vorwissen zurückgreifen. Für seinen Infotainment-Abend in Siegen hatte Benecke ein buntes Pro- gramm mitgebracht, aus dem sich die Zu- schauer ein Thema auswählen konnten. Sie wählten „Die plötzliche Selbstentzün- dung des Menschen“. Hier berichtete der Experte auf humorvolle Art und Weise von mysteriösen Brandfällen, bei denen sich Menschen plötzlich und ohne Fremdeinwirkung selbst entzünden. Das Besondere dabei ist, dass sich das Feuer in diesen Fällen auch nicht löschen lässt. Auf vielen Bildern sahen die Zuschauer, dass der Kriminalbiologe tatsächlich von realen Gegebenheiten berichtete. Zusammen mit den Zuschauern ver- suchte er, einen speziellen Fall zu lösen: Eine Frau hatte am Strand ange- schwemmte, wie Muscheln aussehende Phosphorsteine gesammelt und in ein feuchtes Taschentuch gewickelt. Als die- ses dann im warmen Auto getrocknet war, hatte sich der Phosphor entzündet – eine rein chemische Reaktion. Trotzdem habe es jahrelang gebraucht, bis der Kriminalbiologe dahinter kam. Die interessierten Zuschauer stellten dazu viele Fragen, die Benecke gerne be- antwortete. Seine Nähe zu den Menschen – nicht nur zu seinen Kollegen und den für seine Recherchen interviewten Per- sonen, sondern auch zum Siegener Pu- blikum – kam gut an. Dr. Mark Benecke erzählte von seiner Arbeit als Kriminalbiologe. Foto: jen Röhrende Hirsche Art-Galerie zeigt chinesische Landschaftsmalerei von Shen Gubo ne Siegen. Sie werden im Pressetext der Galerie als „meditativ“ apostrophiert, die Landschaftsmalereien des chinesi- schen Künstlers Shen Gubo auf feinen Reispapieren, die bis zum 25. August in Siegens Art-Galerie von Helga Kellner ausgestellt werden. Die vergangenen Sonntagvormittag mit einer bestens besuchten Vernissage eröffnete Schau rund 30 mittelformatiger Arbeiten des Kunstlehrers und Künstlers Shen Gubo zeigen gestisch dynamisierte, farblich und stilistisch stark reduzierte und kompositionell harmonisch ausge- wogene Farbpigmentflächen, die ihre Verbindung zur traditionellen asiati- schen Tuschmalerei, zur Kalligrafie nicht verleugnen, sich im Gegenteil einem zeichenhaften wie stilgeschichtlichen Narrativ ein- und dieses fortschreiben. Traditionelle Malerei, weltanschaulich aufs Individuum im Kontext zur beseel- ten Natur reduziert, das längst nirgendwo mehr stimmige Idyll des harmonischen, existenziell ausgewogenen Eingeschrie- ben-Seins in die Natur, ein gemaltes Haiku. Gubo verwendet dazu Mineralpig- mente, die er selbst herstellt aus zum Teil terschiedlich groben Pigmente, die ver- schieden schweren Kristalle auf dem Malgrund verschoben, bis Harmonie und Schönheit da sind – und überall glitzert die Kostbarkeit. Gubo hat schon vielfach international ausgestellt, in Amerika, Europa – und natürlich überall in China, den großen wichtigen Städten. Hat buddhistische Tempel ausgeschmückt und darf sein Land verlassen, um zum Beispiel in Siegen zur Vernissage anwesend zu sein. Seine Kunst also repräsentiert jene künstlerische Auseinandersetzung mit Wirklichkeit, die der in vielen Teilen repressiven Gesellschaftspolitik seines Landes genehm und ungefährlich scheint. Sie ist also im wörtlichen Sinne harmlos, ein ästhetischer Eskapismus. Vergleichbar mit der in Deutschland bestenfalls noch ironisch gebrochenen Ikonografie des Bildmotivs „Röhrender Hirsch“: Die zentrale Verschlossenheit einer in sich homogenen, hermetischen Natur-Mensch-Korrelation, die eher Ideenkunst ist denn Auseinandersetzung mit Wirklichkeit. Aber mit sehenswert kostbaren Materialien gemacht. Alle ar- beiten titeln „Ohne Titel“ – das ist konse- So war er, der Mozart! BAD BERLEBURG Hannelore Hoger und Sebastian Knauer bei der Musikfestwoche Die musikalische Lesung beschäftigte sich mit den Frauen im Leben des Komponisten. aww Sie haben es sich, scheint’s, nicht immer ganz leicht gemacht, Wolferl und Stanzerl, mit ihren gegenseitigen Eifersüchteleien. Doch war die Ehe des Musikstars Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) und Constanzes, einer gebo- renen Weber (1762–1842), trotz aller Nick- ligkeiten vor allem von einem geprägt: von tiefsten Empfindungen füreinander, von einer herzlichen, unverbrüchlichen Ver- bindung. Tiefste Empfindungen – das hätte auch als alternative Überschrift über dem zweiten Abend der 46. Internatio- nalen Musikfestwoche auf Schloss Berle- burg stehen können, der den Titel „Harle- kin sucht Colombine. Frauen in Mozarts Leben“ trug. Ein Abend, an dem die Künst- ler Musik und Text verknüpften und aus beidem große Emotionen sprechen ließen. Pianist Sebastian Knauer, der in diesem Jahr zum zweiten Mal maßgeblichen Anteil an der Programmgestaltung der traditions- reichen Konzertreihe hat, hatte am Mitt- woch vor ausverkauftem Saal die renom- mierte Schauspielerin Hannelore Hoger (Rezitation) zu Gast, die, wie berichtet, sehr kurzfristig für die erkrankte Hanne- lore Elsner eingesprungen war. Die Idee zu dem literarisch-musikalischen Pro- gramm stammt von Sebastian Knauer selbst, dessen Anfang des Jahres verstor- bener Vater, NDR-Journalist Wolfgang Knauer (1942–2018), die Textausarbeitung und -zusammenstellung, unter anderem aus Briefen Mozarts an seine Frau, über- nahm. Die Fakten sind übrigens sämtlich historisch verbrieft, wie Sebastian Knauer nach dem Konzert im Gespräch mit der Siegener Zeitung sagte. „Da ist nichts hin- zugedichtet. So war er halt“, der Mozart. Den Rahmen bildet eine Szene im Salzburg des Jahres 1829: Constanze liest in alten Briefen des fast 40 Jahre zuvor verstorbenen Mozart, denkt an die ge- meinsame Zeit zurück, tritt in Dialog mit dem Verstorbenen, wobei mannigfaltige Schlaglichter auf viele Facetten des Kom- ponisten geworfen werden, namentlich aber auf jene, die mit den zahlreichen Frauen zu tun haben, die in Mozarts Leben auf die eine oder andere Weise eine Rolle spielten. Hannelore Hoger, deren Lesung, besser: sprachlicher und mimischer Ge- staltung und Interpretation der Texte, die kurze Vorbereitungszeit in keinem Mo- ment anzumerken war, legte, bei durchaus zurückgenommenem Habitus, große In- tensität in die Worte, die manches Mal anrührten, zuweilen amüsierten, schlicht unterhielten und nie kaltließen. Brillant evozierte sie Emotionen bei der Zuhörer- schaft, schien sie selbst mitzuempfinden. War Hannelore Hoger, als Constanze bedauert, dass Mozart ihr einfach weg- gestorben sei, nicht selbst den Tränen nahe? War die Rezitatorin, als die Witwe sich kichernd an die Formulierung vom „enorm benasten Mozart“ in der Zeitung zurückerinnert, nicht selbst belustigt? War sie, zuweilen sich dezent österreichischer Sprachmelodie bedienend, nicht hier und da tatsächlich empört, traurig, erstaunt? Man wollte es meinen. Den sieben Textlesungen folgte jeweils eine pianistische Aussage, die das Gesagte mal deutlicher, mal weniger offenkundig musikalisch unterstrich. Berühmte Melo- dien wie „Alla turca“ aus der A-Dur-Sonate KV 331 oder – aus dem gleichen Werk – das von Sebastian Knauer mit Zartheit zele- brierte Andante, dessen Kopfthema wohl zum Graziösesten in Mozarts Schaffen gehört, standen neben kunstvollen, kom- positorisch wie spielerisch virtuosen Variationen über ein einfaches Kinderlied („Ah! vous dirai-je, maman“ KV 265) oder der vielgestaltigen, mal wirbelnd-wuchti- gen, dann wieder weichen, fast zaudernd wirkenden und in ihrem Moll-Gestus tief tragischen Fantasie KV 475. Knauer dosierte sein Spiel agogisch fein und dynamisch wirkungsvoll, arbeitete hier wie dort mit schönen Schattierungen, agierte beseelt, ohne die Genauigkeit, etwa in schnellen Läufen, hintanzustellen. Die Tiefgründigkeit der oftmals vorschnell als nur heiter bezeichneten Musik Mozarts, die sich immer wieder harmonisch ins Nachdenkliche wendete, lotete der Pianist konzentriert aus. Auf Gesten verzichtete er nahezu vollständig. „Ich bin kein Fan von großer Show“, sagte Knauer hernach zur SZ. „Mozart ist der Star. Da brauche ich nichts hinzuzufügen.“ Ein Star war und ist Wolfgang Amadeus Mozart. Ein vielfältiger Charakter – und sicher war er hier und da auch „der Harle- kin, der Hanswurst, der Narr“. Jedenfalls, so haben es die lange und herzlich applau- dierenden Zuhörer von Constanze gelernt, war er einer, der sein ganzes Leben lang gern gespielt hat. Vor allem mit der „Schönheit der Musik“. Den Frauen in Wolfgang Amadeus Mozarts Leben spürten Schauspielerin Hannelore Hoger und Pianist Sebastian Knauer am zweiten Abend der 46. Internationalen Musikfestwoche auf Schloss Berleburg nach. Foto: aww

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Kultur12 S i e g e n e r Z e i t u n g F r e i t a g , 6 . J u l i 2 0 1 8 �

Mysteriöse BrandleichenBestes Infotainment mit Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke

jen Siegen. Wenn Menschen verbren-nen, bleiben die Beine immer übrig. Dasliegt bei älteren Frauen vor allem daran,dass ihre Röcke am Knie enden. DennKleidung trägt dazu bei, dass die von ihrbedeckten Körperteile mehr brennen alsdie unbedeckten Körperteile. Dies er-klärte und veranschaulichte Dr. MarkBenecke einem großen Publikum amMittwochabend im Leonhard-Gläser-Saal der Siegerlandhalle.

Der Kriminalbiologe klärt seit 26 Jah-ren mit seiner biologischen Spurensucheweltweit Gewaltverbrechen mit Todes-folge auf. Dazu macht er an den Tatortenviele unterschiedliche Fotos aus unter-schiedlichen Perspektiven. „Jede Spurkann wichtig sein. Der Alltag birgt immerInformationen. Selbst Zigarettenkippenoder Schmutz können für die kriminal-technische Aufklärung hilfreich sein“,betonte Benecke. Dass er ein Auge für diebesonderen Dinge hat, zeigte Benecke anFotos, die er während seiner Anreisenach Siegen gemacht hatte. Von Graffiti-Schriftzügen hin zu braunen Flecken anweißen Wänden, bauliche Besonderhei-ten, Baustellen und Skulpturen – der Kri-minalbiologe sieht scheinbar alles. DieZuschauer staunten. Trotzdem wiesBenecke darauf hin, dass Spuren nichtimmer eindeutig seien, und aufgrund derTatsache, dass jeder Mensch Spuren hin-terlässt, könne auch jeder der Täter sein.Oberstes Gesetz bei der Arbeit als Krimi-nalbiologe sei deshalb: nicht denken, je-den Einzelfall prüfen und nicht auf fach-liches Vorwissen zurückgreifen.

Für seinen Infotainment-Abend inSiegen hatte Benecke ein buntes Pro-gramm mitgebracht, aus dem sich die Zu-schauer ein Thema auswählen konnten.Sie wählten „Die plötzliche Selbstentzün-dung des Menschen“. Hier berichtete derExperte auf humorvolle Art und Weisevon mysteriösen Brandfällen, bei denensich Menschen plötzlich und ohneFremdeinwirkung selbst entzünden. Das

Besondere dabei ist, dass sich das Feuerin diesen Fällen auch nicht löschen lässt.Auf vielen Bildern sahen die Zuschauer,dass der Kriminalbiologe tatsächlich vonrealen Gegebenheiten berichtete.

Zusammen mit den Zuschauern ver-suchte er, einen speziellen Fall zu lösen:Eine Frau hatte am Strand ange-schwemmte, wie Muscheln aussehendePhosphorsteine gesammelt und in einfeuchtes Taschentuch gewickelt. Als die-ses dann im warmen Auto getrocknetwar, hatte sich der Phosphor entzündet –eine rein chemische Reaktion. Trotzdemhabe es jahrelang gebraucht, bis derKriminalbiologe dahinter kam.

Die interessierten Zuschauer stelltendazu viele Fragen, die Benecke gerne be-antwortete. Seine Nähe zu den Menschen– nicht nur zu seinen Kollegen und denfür seine Recherchen interviewten Per-sonen, sondern auch zum Siegener Pu-blikum – kam gut an.

Dr. Mark Benecke erzählte von seinerArbeit als Kriminalbiologe. Foto: jen

Röhrende HirscheArt-Galerie zeigt chinesische Landschaftsmalerei von Shen Gubo

ne Siegen. Sie werden im Pressetextder Galerie als „meditativ“ apostrophiert,die Landschaftsmalereien des chinesi-schen Künstlers Shen Gubo auf feinenReispapieren, die bis zum 25. August inSiegens Art-Galerie von Helga Kellnerausgestellt werden.

Die vergangenen Sonntagvormittagmit einer bestens besuchten Vernissageeröffnete Schau rund 30 mittelformatigerArbeiten des Kunstlehrers und KünstlersShen Gubo zeigen gestisch dynamisierte,farblich und stilistisch stark reduzierteund kompositionell harmonisch ausge-wogene Farbpigmentflächen, die ihreVerbindung zur traditionellen asiati-schen Tuschmalerei, zur Kalligrafie nichtverleugnen, sich im Gegenteil einemzeichenhaften wie stilgeschichtlichenNarrativ ein- und dieses fortschreiben.Traditionelle Malerei, weltanschaulichaufs Individuum im Kontext zur beseel-ten Natur reduziert, das längst nirgendwomehr stimmige Idyll des harmonischen,existenziell ausgewogenen Eingeschrie-ben-Seins in die Natur, ein gemaltesHaiku.

Gubo verwendet dazu Mineralpig-mente, die er selbst herstellt aus zum Teilkostbaren Halbedelsteinen, Schmuck-mineralien, Glasflüssen: Zerriebene Na-tur, mit Wasser zum Fließen gebracht,verästelte Rinnsale erodieren Struktu-ren, mit Pinselschwung werden die un-

terschiedlich groben Pigmente, die ver-schieden schweren Kristalle auf demMalgrund verschoben, bis Harmonie undSchönheit da sind – und überall glitzertdie Kostbarkeit.

Gubo hat schon vielfach internationalausgestellt, in Amerika, Europa – undnatürlich überall in China, den großenwichtigen Städten. Hat buddhistischeTempel ausgeschmückt und darf seinLand verlassen, um zum Beispiel inSiegen zur Vernissage anwesend zu sein.Seine Kunst also repräsentiert jenekünstlerische Auseinandersetzung mitWirklichkeit, die der in vielen Teilenrepressiven Gesellschaftspolitik seinesLandes genehm und ungefährlichscheint. Sie ist also im wörtlichen Sinneharmlos, ein ästhetischer Eskapismus.Vergleichbar mit der in Deutschlandbestenfalls noch ironisch gebrochenenIkonografie des Bildmotivs „RöhrenderHirsch“: Die zentrale Verschlossenheiteiner in sich homogenen, hermetischenNatur-Mensch-Korrelation, die eherIdeenkunst ist denn Auseinandersetzungmit Wirklichkeit. Aber mit sehenswertkostbaren Materialien gemacht. Alle ar-beiten titeln „Ohne Titel“ – das ist konse-quent, denn alle erzählen vom Gleichen.

Shen Gubo: „Landschaft in Meditation“.Bis 25. August, Art-Galerie, Siegen,

Fürst-Johann-Moritz- Str. 1, Donnerstag undFreitag 14 bis 19 Uhr und nach Vereinbarung.

Mit großer Entourage aus dem Land des Lächelns zur sehenswerten Bilderschau nachSiegen angereist: Shen Gubo. Der Künstler zeigt bei Helga Kellner kostbare Aquarellezart-diffuser, stilisierter Landschaften. Foto: ne

AUS DEN VEREINEN

shop mit Gies verbrachte das Ensembleviele weitere Stunden im Probenraum desKlosters. „Da war ein besonderer Wille in-nerhalb des Chores. Die Sängerinnen undSänger waren unheimlich aufmerksamund ehrgeizig“, sagt ein Mitglied von TonRebellion. Aber der Chor musste nicht nurdie Schulbank drücken. Nach der Arbeitfolgte das Vergnügen: Teambildende Maß-nahmen fanden auch in der Brauereigast-

stätte beim Rudel-gucken statt. DasFazit fällt bei allenpositiv aus: „Ichfand’s klasse, dassuns der wahrschein-lich populärste Mannder deutschsprachi-gen Chor-Popmusiksein Gehör ge-schenkt hat. Wir alskleiner Chor durftenein professionellesCoaching von ihmbekommen. Da sindwir stolz drauf undwissen das sehr zuschätzen“, so GerritSchwan.

aus der Feder von Oliver Gies). „SeineTipps waren sozusagen der Feinschliff fürdiese Lieder“, sagt Chorleiter Schwan. „Erhat uns enorm vorangebracht. Wir habenviel über Popmusik im Chor gelernt, zumBeispiel die Unterschiede zwischen Popund Klassik und wie Sprache und Laut-stärke eingesetzt werden sollten. Generellging es darum, solche Stücke wirkungsvollzu gestalten.“ Doch auch neben dem Work-

Maybebop-Sänger Oliver Gies ver-passt Siegerländer Chor den Feinschliff:Das Ensemble Ton Rebellion mit Sitz inOelgershausen hatte den A-cappella-Ex-perten für einen Workshop engagiert. „Inder Musik wird erst gedacht und danngesungen – das war so eine goldene Regel,die wir gelernt haben“, sagt Gerrit Schwan,Chorleiter des Ensembles Ton Rebellion.Erteilt wurde ihm und dem 14-köpfigenChor diese Lektion von Oliver Gies, Grün-der der A-cappella-Gruppe Maybebop,Songschreiber und Arrangeur, bei einemProbenwochenende im Zisterzienserklos-ter Abtei Marienstatt im Westerwald.

Die Idee zum Chor-Wochenende unddem Workshop mit Oliver Gies sei den Mit-gliedern bereits bei einem gemeinsamenKonzertbesuch gekommen. Es sei einegute Gelegenheit, um das Gemeinschafts-gefühl zu stärken und gleichzeitig die mu-sikalische Leistung zu verbessern, so Vol-ker Engelhard, Sänger und Gründungsmit-glied von Ton Rebellion. ZweieinhalbStunden verbrachten die Sängerinnen undSänger mit dem Musiker. Sie präsentiertenihm drei Stücke, die sie schon vorab einge-übt hatten: „Parkplatzregen“, „Ich seh’dich“ und „Ein neues Weihnachtslied“ (alle

Der Chor Ton Rebellion vor der Abtei Marienstatt gemeinsam mitMaybebop-Sänger Oliver Gies (vorne, 2. v. r.). Foto: Verein

So war er, der Mozart!BAD BERLEBURG Hannelore Hoger und Sebastian Knauer bei der Musikfestwoche

Die musikalische Lesungbeschäftigte sich mitden Frauen im Leben

des Komponisten.

aww � Sie haben es sich, scheint’s,nicht immer ganz leicht gemacht, Wolferlund Stanzerl, mit ihren gegenseitigenEifersüchteleien. Doch war die Ehe desMusikstars Wolfgang Amadeus Mozart(1756–1791) und Constanzes, einer gebo-renen Weber (1762–1842), trotz aller Nick-ligkeiten vor allem von einem geprägt: vontiefsten Empfindungen füreinander, voneiner herzlichen, unverbrüchlichen Ver-bindung. Tiefste Empfindungen – dashätte auch als alternative Überschrift überdem zweiten Abend der 46. Internatio-nalen Musikfestwoche auf Schloss Berle-burg stehen können, der den Titel „Harle-kin sucht Colombine. Frauen in MozartsLeben“ trug. Ein Abend, an dem die Künst-ler Musik und Text verknüpften und ausbeidem große Emotionen sprechen ließen.

Pianist Sebastian Knauer, der in diesemJahr zum zweiten Mal maßgeblichen Anteilan der Programmgestaltung der traditions-reichen Konzertreihe hat, hatte am Mitt-woch vor ausverkauftem Saal die renom-mierte Schauspielerin Hannelore Hoger(Rezitation) zu Gast, die, wie berichtet,sehr kurzfristig für die erkrankte Hanne-lore Elsner eingesprungen war. Die Ideezu dem literarisch-musikalischen Pro-gramm stammt von Sebastian Knauerselbst, dessen Anfang des Jahres verstor-bener Vater, NDR-Journalist WolfgangKnauer (1942–2018), die Textausarbeitung

und -zusammenstellung, unter anderemaus Briefen Mozarts an seine Frau, über-nahm. Die Fakten sind übrigens sämtlichhistorisch verbrieft, wie Sebastian Knauernach dem Konzert im Gespräch mit derSiegener Zeitung sagte. „Da ist nichts hin-zugedichtet. So war er halt“, der Mozart.

Den Rahmen bildet eine Szene imSalzburg des Jahres 1829: Constanze liestin alten Briefen des fast 40 Jahre zuvorverstorbenen Mozart, denkt an die ge-meinsame Zeit zurück, tritt in Dialog mitdem Verstorbenen, wobei mannigfaltigeSchlaglichter auf viele Facetten des Kom-ponisten geworfen werden, namentlichaber auf jene, die mit den zahlreichenFrauen zu tun haben, die in Mozarts Lebenauf die eine oder andere Weise eine Rollespielten. Hannelore Hoger, deren Lesung,besser: sprachlicher und mimischer Ge-staltung und Interpretation der Texte, diekurze Vorbereitungszeit in keinem Mo-ment anzumerken war, legte, bei durchauszurückgenommenem Habitus, große In-tensität in die Worte, die manches Malanrührten, zuweilen amüsierten, schlichtunterhielten und nie kaltließen. Brillantevozierte sie Emotionen bei der Zuhörer-schaft, schien sie selbst mitzuempfinden.War Hannelore Hoger, als Constanzebedauert, dass Mozart ihr einfach weg-gestorben sei, nicht selbst den Tränennahe? War die Rezitatorin, als die Witwesich kichernd an die Formulierung vom„enorm benasten Mozart“ in der Zeitungzurückerinnert, nicht selbst belustigt? Warsie, zuweilen sich dezent österreichischerSprachmelodie bedienend, nicht hier undda tatsächlich empört, traurig, erstaunt?Man wollte es meinen.

Den sieben Textlesungen folgte jeweilseine pianistische Aussage, die das Gesagtemal deutlicher, mal weniger offenkundigmusikalisch unterstrich. Berühmte Melo-dien wie „Alla turca“ aus der A-Dur-SonateKV 331 oder – aus dem gleichen Werk – dasvon Sebastian Knauer mit Zartheit zele-brierte Andante, dessen Kopfthema wohlzum Graziösesten in Mozarts Schaffengehört, standen neben kunstvollen, kom-positorisch wie spielerisch virtuosenVariationen über ein einfaches Kinderlied(„Ah! vous dirai-je, maman“ KV 265) oderder vielgestaltigen, mal wirbelnd-wuchti-gen, dann wieder weichen, fast zauderndwirkenden und in ihrem Moll-Gestus tieftragischen Fantasie KV 475.

Knauer dosierte sein Spiel agogisch feinund dynamisch wirkungsvoll, arbeitetehier wie dort mit schönen Schattierungen,agierte beseelt, ohne die Genauigkeit, etwain schnellen Läufen, hintanzustellen. DieTiefgründigkeit der oftmals vorschnell alsnur heiter bezeichneten Musik Mozarts,die sich immer wieder harmonisch insNachdenkliche wendete, lotete der Pianistkonzentriert aus. Auf Gesten verzichtete ernahezu vollständig. „Ich bin kein Fan vongroßer Show“, sagte Knauer hernach zurSZ. „Mozart ist der Star. Da brauche ichnichts hinzuzufügen.“

Ein Star war und ist Wolfgang AmadeusMozart. Ein vielfältiger Charakter – undsicher war er hier und da auch „der Harle-kin, der Hanswurst, der Narr“. Jedenfalls,so haben es die lange und herzlich applau-dierenden Zuhörer von Constanze gelernt,war er einer, der sein ganzes Leben langgern gespielt hat. Vor allem mit der„Schönheit der Musik“.

Den Frauen in Wolfgang Amadeus Mozarts Leben spürten Schauspielerin Hannelore Hoger und Pianist Sebastian Knauer am zweitenAbend der 46. Internationalen Musikfestwoche auf Schloss Berleburg nach. Foto: aww