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7.059 Deschner Bd. 8 Achter Band: Das 15. und 16. Jahrhundert Karlheinz Deschner Kriminalgeschichte des Christentums Achter Band Das 15. und 16. Jahrhundert Vom Exil der Päpste in Avignon bis zum Augsburger Religionsfrieden Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.059 Deschner Bd. 8Achter Band: Das 15. und 16. Jahrhundert

Karlheinz Deschner

Kriminalgeschichte des Christentums

Achter Band

Das 15. und 16. Jahrhundert

Vom Exil der Päpste in Avignonbis zum Augsburger Religionsfrieden

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.060 Deschner Bd. 8Widmung

Gewidmet besonders meinen Freunden Alfred

Schwarz und Herbert Steffen sowie allen, deren

selbstlosen Beistand ich, nach dem steten meiner El-

tern, dankbar erfuhr:

Joachim AckvaWilhelm AdlerPro f. Dr. Hans AlbertLore AlbertKlaus AntesElse ArnoldJosef BeckerKarl BeerschtDr. Wolfgang BeutinDr. Otto BickelPro f. Dr. Dieter BirnbacherDr. Eleonore Kottje-BirnbacherKurt BirrDr. Otmar EinwagDr. Sylvia EngelfriedDieter FeldmannDr. Karl FinkeFranz FischerKläre Fischer-VogelHenry GelhausenDr. Helmut Häußler

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7.061 Deschner Bd. 8Widmung

Pro f. Dr. Dr. Norbert HoersterPro f. Dr. Walter HofmannDr. Stefan Kager und Frau LenaHans KalveramKarl Kaminski und FrauDr. Hedwig KatzenbergerDr. Klaus KatzenbergerHilde und Lothar KayserPro f. Dr. Christof KellmannPro f. Dr. Hartmut KliemtDr. Fritz KöbleHans KochHans KreilIne und Ernst KreuderEduard KüstersRobert MächlerJürgen MackVolker MackDr. Jörg MagerPro f. Dr. H.M.Nelly MoiaFritz MoserRegine PaulusJean-Marc PochonArthur und Gisela ReegHildegunde RehleM. Renard

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7.062 Deschner Bd. 8Widmung

Gabriele RöwerGerman RüdelDr. K. Rügheimer u. Frau JohannaHeinz Ruppel und Frau RenateMartha SachseHedwig und Willy SchaafFriedrich ScheibeElse und Sepp SchmidtDr. Werner SchmitzNorbert SchneiderAlfred SchwarzDr. Gustav SeehuberDr. Dr. Gunter F. SeibtDr. Michael Stahl-BaumeisterHerbert SteffenPro f. Dr. Dr. Dr. h.c.Wolfgang StegmüllerAlmut und Walter StumpfArtur UeckerDr. Bernd UmlaufHelmut WeilandKlaus WesselyRichard WildLothar WilliusDr. Elsbeth WolffheimPro f. Dr. Hans WolffheimFranz Zitzlsperger

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7.063 Deschner Bd. 8Widmung

Dr. Ludwig Zollitsch

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7.064 Deschner Bd. 8, 111. Kapitel

1. Kapitel

Die Anfänge Karls IV. vonLuxemburg-Böhmen (1346–1378) und

Clemens VI. (1342–1352), ein Vorläuferder Renaissance-Päpste

»Karl verstand sich gemäß der herrschenden Kö-nigsvorstellung im Herrscheramt als Stellvertre-ter Christi. Darüber hinaus fühlte er sich vonGott zum Herrscher auserwählt. Bei der Aus-übung der Königsherrschaft ließ sich Karl vonder christlich-kirchlichen Auffassung vom Herr-scheramt leiten.« »Karl IV. übervorteilte dabei,er überlistete, täuschte, sprach doppelzüngig, erbetrog, stiftete Schaden, erregte Zwietracht, wie-gelte au f. Karl scheute sich nicht, Vorteile ausden Verbrechen an den Juden zu ziehen ...«»Sein göttliches Sendungsbewußtsein wie seinGlaube, im Auftrage Gottes zu regieren, sanktio-nierten seine allgemeine und besondere Skrupel-losigkeit in der Wahl der Mittel.«

Eckhard Müller-Mertens1

»Klemens' verschwenderische Hofhaltung undsein prächtiges Gefolge waren einem weltlichenFürsten, nicht aber einem Kirchenfürsten ange-messen. Er genoß Bankette und farbenfrohe

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7.065 Deschner Bd. 8, 111. Kapitel

Feste ... Er war ein schamloser Nepotist, derVerwandte und Landsleute mit Ämtern und Ge-schenken überhäufte. Die enormen Ausgaben,die der Kirche nicht nur aufgrund dieser Maßlo-sigkeit, sondern auch durch riesige Kredite anFrankreich, den Erwerb von Avignon (80000Goldstücken) und den aufwendigen Bau des Pa-lais Neuf erwuchsen, sowie die Feldzüge in Ita-lien und gegen die Türken, fraßen alsbald dieumfangreichen Gelder auf, die Johannes XXII.und Benedikt XII. angehäuft hatten.«

John Norman Davidson Kelly2

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7.066 Deschner Bd. 8, 13Ein neuer »Pfaffenkönig«?

Ein neuer »Pfaffenkönig«?

Hatte der Vorgänger, Kaiser Ludwig IV. der Bayer,den letzten großen Kampf gegen die Päpste ausgetra-gen (VII 486 ff.), so versuchte der Nachfolger, nichtohne Erfolg, sein Glück mit ihnen. Diverse Umständeund Eigenheiten kamen ihm dabei zustatten. Vorallem die Schwäche der Päpste, die Krise des franzö-sischen Königtums, nicht zuletzt gewisse Seiten sei-nes eignen Geistes und Charakters.

Karl IV., der künftige deutsche Kaiser, war der Ur-enkel König Rudolfs I. von Habsburg, der Enkel Kai-ser Heinrichs VII. und wurde als ältester Sohn KönigJohanns von Böhmen aus dem Hause Luxemburg am14. Mai 1316 in Prag geboren. Aus mütterlich pře-myslidischer Tradition stammt sein Taufname Wen-zel. Nach einer unglücklichen frühen Kindheit (durchdas Zerwürfnis seiner Eltern) in Böhmen, schickte ihnsein Vater siebenjährig nach Paris; er wurde am Hofseines Onkels Karl IV. von Valois erzogen und erhieltnach diesem, seinem Firmpaten, den Namen Karl.

Der Prinz war hochtalentiert und für seine Zeit un-gewöhnlich gebildet. Er sprach – »Dank der göttli-chen Gnade«, sagt er in seiner Autobiographie –Tschechisch, seine Muttersprache, ferner Deutsch, Ita-lienisch, Französisch, Lateinisch (urkundete aber nur

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7.067 Deschner Bd. 8, 14Ein neuer »Pfaffenkönig«?

Lateinisch und Deutsch). Bald kam er in einflußreichegeistliche Hände. Sein maßgeblicher Lehrer, dies be-zeugt Karl wieder selbst, wurde der BenediktinerPierre Roger, seinerzeit Abt von Fécamp, Vertrauterdes französischen Königs, später Papst Clemens VI.1330, vierzehnjährig, aus Paris abberufen, führte seinGroßonkel, der Kurfürst und Erzbischof Balduin vonTrier, eine Schlüsselfigur der damaligen deutschenPolitik, Karl in das politische Leben und die territo-riale Verwaltungspraxis seines Luxemburger Stamm-landes ein.3

Karl IV., der wie kaum ein andrer mittelalterlicherPotentat die Aufmerksamkeit moderner Historiker fin-det, soll nicht nur klug, sondern auch heimtückisch,doppelzüngig gewesen sein, ein »abgebrüht listigerMensch« (Diwald), energisch, zielbewußt, sparsam,doch ebenso geldgierig und auf stete Mehrung seinerHausmacht bedacht.

Beherrscht von Sündenfurcht, von Angst vor demJüngsten Gericht, unterzog er sich regelmäßig Exerzi-tien, Bußübungen, verfaßte Predigten, betete mituntertagelang, rief Heilige an, die Slawenapostel Kyrillund Method (V 225 ff.), deren Festtag er zum öffent-lichen Feiertag erklärte. Er verehrte besonders den hl.Wenzel, den hl. Karl sowie Reliquien, deren Kult erüberdies ungewöhnlich förderte, auch selbst eksta-tisch vollzog. Er begünstigte religiöse Erneuerungs-

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7.068 Deschner Bd. 8, 15Ein neuer »Pfaffenkönig«?

bewegungen, berichtete in seiner »Vita Caroli IV. abipso conscripta«, der fast einzigen Autobiographieeines europäischen Herrschers, auffallend ausführlichüber die Grundsätze eines christlichen Lebens, fühltesich auch als Fürst von Gott geleitet und im Kampfbeschützt. Nicht zufällig figurierte er gern als Prie-sterkönig, umgeben von religiösen Symbolen, in An-betung der Madonna mit dem Jesuskind, ja wollteüberhaupt Prag zum »Rom des Nordens« machen.4

Eigene militärische, finanz- und wirtschaftspoliti-sche Erfahrungen sammelte Karl zwischen 1331 und1333 als Statthalter seines Vaters in Oberitalien,wobei er in Pavia einem Giftattentat entging – »unterdem Schutz der göttlichen Gnade, weil eine feierlicheMesse ausführlich gehalten wurde und ich dabei kom-munizierte und vor dem Frühstück nichts essen woll-te«. Wie überhaupt der Versuch, das reiche, doch vonParteien zerrissene, von Fehden geschüttelte Landunter Luxemburger Regentschaft zu schröpfen, die»Reichssteuer« einzustreichen, trotz triumphaler An-fangserfolge so gänzlich mißlang wie einst der barba-rische Kriegszug seines geldhungrigen GroßvatersHeinrich VII. (VII 453 ff.!).

Auch Papst Johann XXII. war in das böhmischeAbenteuer verstrickt; wollte er doch seine lombardi-schen Feinde durch den Böhmenfürsten vernichtenlassen, bevor er diesen selber wieder beseitigt hätte.

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Der junge Karl freilich mochte das Fiasko nicht blutigfortsetzen. »Als unser Vater nun sah«, schrieb er spä-ter, »daß ihm die Mittel ausgingen und er nicht weiterKrieg gegen die Herren der Lombardei führen könne,dachte er an einen Rückzug und wollte uns die Städteund den Krieg überlassen. Wir aber verweigerten,was wir mit Ehren nicht behaupten konnten.« So ver-schwanden die beiden Fürsten schließlich ohne jedenErfolg »wie Rauch« aus dem Land.

Karl IV. hat in der Tat, eine rühmliche Ausnahmeunter den Monarchen des christlichen Mittelalters, nurselten und dann nie über längere Dauer Krieg geführt.So 1371 und 1373 je einen Feldzug gegen die MarkBrandenburg, worauf er die Wittelsbacher für denVerlust mit immerhin 500000 Gulden abfand. So denReichskrieg wider den schwäbischen Städtebund,wobei er 1377 einlenkte, als der Graf von Württem-berg eine Schlacht verlor.

Karl, der die Bezeichnung Friedensfürst im großenund ganzen verdient, zog zur Durchsetzung seiner,herkömmlich gesehen, insgesamt erfolgreichen PolitikVerhandlungen, Vergleiche, die persönliche Überein-kunft vor, wenn er auch Feinden gegenüber unerbitt-lich sein konnte. Er regierte jedoch nicht, wie üblich,durch Waffengänge, sondern durch Diplomatie, Privi-legienvergabe, Pfand und Lehensnahme, Tausch undErbschaftsverträge, immer wieder durch Ehevereinba-

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7.070 Deschner Bd. 8, 16Ein neuer »Pfaffenkönig«?

rungen und, in erstaunlichem Maße, sein eigentlichesMachtmittel, durch beträchtliche Abfindungen, Zah-lungen. »Alles andere ist eher zu versuchen als dasEisen«, schrieb er 1351 an Petrarca, »so wollen es dieÄrzte und das haben auch die Kaiser aus Erfahrunggelernt«, wobei er freilich besonders an sich gedachthaben mochte, den, wie man ihn auch nannte, »Kauf-mann auf dem Thron«.5

Allerdings scheute er bei seinen Friedensbemühun-gen keinerlei Skrupellosigkeit, dreiste Tricks, Verbre-chen, wie das nun mal zum schmutzigen Geschäft derPolitik seit je gehört, weit mehr jedenfalls als das Ge-genteil. »Karl IV. übervorteilte dabei, er überlistete,täuschte, sprach doppelzüngig, er betrog, stifteteSchaden, erregte Zwietracht, wiegelte auf« (Müller-Mertens). Kurz, er war, feiner formuliert, »ein Meisterauf dem Felde verdeckten diplomatischen Spiels«(Pfitzner). Aus Profitsucht zögerte er auch keinen Au-genblick, alle edlen Grundsätze zu verleugnen, etwaJudenblut in blankes Kapital umzumünzen. Trat erdoch die Rechte über die so oft und immer wieder Ge-jagten an mehrere Reichsstädte ab und sicherte denneuen Nutznießern jüdischen Gutes im voraus ur-kundliche Straflosigkeit zu für den Fall, daß »dieJuden daselbst nächstens erschlagen« werden (VII445!).

Als Markgraf von Mähren erweiterte Karl noch sei-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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nen Erfahrungsschatz und regierte nach der Erblin-dung des Vaters de facto auch in Böhmen. Dabei reih-te er sich in die antiwittelsbacherische Front ein undwurde bald deren bedeutendster Exponent, vor allemdurch den Beistand seines einstigen Lehrers, des Pap-stes Clemens VI.6

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7.072 Deschner Bd. 8, 17Clemens VI. (1342-1352) und die Königin von ...

Clemens VI. (1342–1352) und die Königin vonNeapel

Wir begegneten diesem Kirchenhaupt bereits im letz-ten Band kurz (VII 500 f.). Doch verdient es in vielerHinsicht ausführlichere Beachtung.

Als Sproß einer Adelsfamilie aus dem Limousinum 1291 auf Burg Maumont (dép. Corrèze) geboren,wurde Pierre Roger nach dem Studium in Paris 1326Benediktinerabt in Fécamp und in den folgenden vierJahren Bischof von Arras, Erzbischof von Sens undvon Rouen, offizieller Propagandist auch eines wiedereinmal geplanten Kreuzzugs. Er war Vertrauter KönigPhilipps VI., wurde 1338 Kardinal und vier Jahrespäter Papst »wegen seiner hohen Begabung als Pre-diger und Theologe« (Lexikon für Theologie und Kir-che).7

Nun ist Clemens aber nicht nur, wie auch KatholikSeppelt versichert, »ein tüchtiger Theologe«, ein»vielgefeierter Redner und Prediger« gewesen, nichtnur, so heißt es, liebenswürdig, umgänglich, gütig,freigebig, ein Promotor von Kunst und Wissenschaft,ein Förderer der avignonesischen Papstbibliothek, fürdie er Petrarca, dem er ein Kanonikat in Pisa verlieh,Cicerohandschriften sammeln ließ. Nein, der neue,einstimmig gewählte Pontifex war ein großer Wohltä-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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ter überhaupt, vor allem ein Wohltäter seiner selbst.Aus Rouen, der reichsten Pfründe Frankreichs, kom-mend und so an Wohlleben, an Luxus gewöhnt, über-bot er noch vieles bisher ohnedies schon Dagewe-sene.8

So kaufte er die Stadt Avignon und das umliegendeGebiet 1348 der Königin von Neapel ab, wobei er dieSkandalumwitterte auch moralisch rehabilitierte.

Johanna I. von Anjou, viermal verheiratet, hatte ge-meinsam mit ihrem Liebhaber, dem Vetter ihres Va-ters, Prinz Ludwig von Tarent, den sie ehelichte, ihrenersten Mann Andreas von Ungarn bereits nach zwei-jähriger Ehe 1345 im Schloß von Aversa erdrosselnlassen – übrigens ein auch der Kurie sehr uner-wünschter Fürst; der päpstliche Legat hatte deshalbden Auftrag, nur die Königin zu krönen. Im Januar1348 floh sie mit Ludwig in ihre Grafschaft Provenceund zum Papst, während der Herr Ungarns, Ludwig I.»der Große«, der Bruder des liquidierten Andreas,dem er zuvor für 44000 Mark die neapolitanischeKrone gekauft, zwei furchtbare Rachezüge gegen Jo-hannas Reich unternahm. Doch scheiterte der König,Bekämpfer der Bogomilen auf dem Balkan, späterVertreiber der Juden aus Ungarn und auch persönlichfromm, mit seinen Thronansprüchen am Widerstanddes Papstes.9

Mit diesem hatte sich inzwischen folgendes Ge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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schäft ergeben. Johanna verkaufte ihm die Stadt Avi-gnon für 80000 Gulden, kein hoher, ja, ein fast irritie-rend geringer Preis, falls er überhaupt gezahlt wordenist, und Clemens sprach sie von der Mordschuld anihrem Gatten frei, wenn auch erst nach einem Schein-prozeß in Avignon. Überdies erkannte er die neue Ehean. Darauf kehrte Johanna nebst Mördermann und al-lerhöchstem Segen nach Neapel zurück, und am 23.Mai 1352 wurde Ludwig samt Gemahlin von einempäpstlichen Legaten in Neapel zum sizilischen Königgekrönt. Als er, um kurz vorauszublicken, 1362 starb,heiratete Johanna Jakob III. von Mallorca und, nachdessen Tod, in vierter Ehe, 1375 Otto von Braun-schweig, bis man sie 1382 ihrerseits erdrosselte, imAuftrag ihres Schwagers Karl III. von Anjou-Duraz-zo, des Königs von Neapel, der vier Jahre später er-mordet worden ist.10

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7.075 Deschner Bd. 8, 18Luxus, Orgien und Torturen

Luxus, Orgien und Torturen

Clemens VI., wiewohl Mönch, hielt glanzvoll, gera-dezu orientalisch pomphaft Hof, ja tat es an mondänerRepräsentation, »an äußerer Herrlichkeit«, so selbstdie Katholiken Wetzer/Welte, »allen Fürsten seinerZeit zuvor«. Er bezog Seide aus der Toskana, feinesLeinen aus Reims, Paris, Flandern. Vierzig verschie-dene Sorten Goldbrokat kaufte er in Syrien ein. SeinPelzbedarf war ungeheuer: 1220 Hermelinfelle – »68für eine Kapuze, 430 für ein Cape, 310 für einen Um-hang, 150 für zwei weitere Kapuzen, 64 für noch eineKapuze, 30 für einen Hut, 80 für eine große Kapuzeund 88 für Birette oder päpstliche Capes«. Doch ver-schwendeten die Herren Avignons, die Nachfolger desarmen Jesus, an Luxusimporte überhaupt fünf biszehn Prozent ihres Jahresetats.11

Für Küche und Keller ließ Clemens VI. ein Mehr-faches dessen springen, was seine beiden Vorgängerdafür verbrauchten (Clemens V. allein beinah tausendGulden pro Woche). Nur für das Krönungsmahl zahl-te der »wegen seiner hohen Begabung als Predigerund Theologe zum Papst gewählte« sechste Clemensmehr als 15000 Goldgulden.

Freilich, ein bißchen Vergnügen, Eßlust darf wohlsein. Schließlich – bereits der hl. Benedikt hatte zwei

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7.076 Deschner Bd. 8, 19Luxus, Orgien und Torturen

gekochte Speisen für den Mönch gefordert, damit der,esse er die eine nicht, sich an der anderen ergötze.Auch erlaubte Benedikt als dritten Gang Rohkost.Und später kredenzte man den Benediktinern häufigmehr als zwei Gerichte. Die »Consuetudines Farfen-ses« schreiben drei zu jeder Mahlzeit vor, und die Re-formbenediktiner aßen, außerhalb der Fastenzeit,gleichfalls stets mehrere. In vielen Klöstern aber gabes bald einen dritten, vierten, einen fünften Gangselbst an Fasttagen. Sogar der hl. Petrus Venerabilisverteidigte eine dritte, vierte Folge – mit Berufung aufBenedikt, denn, führte Petrus dessen Gedanken fort,könne ein Mönch auch das zweite Essen nicht genie-ßen, müsse ihm ein drittes oder viertes zur Verfügungstehen.

Die Asketen fanden verschiedene Brotarten vor,Weizen-, Roggen-, Haferbrot, daneben noch Spezial-brotsorten. Und dazwischen Semmeln, Oblaten, Waf-feln, Törtchen etc. Zum Dessert gab es Salate undObst. Fleisch hatte Benedikt verboten, jedoch nurFleisch von vierfüßigen Tieren. So hielt man sich be-vorzugt an Fisch, auch beim Fasten. Und nicht seltenerlaubte man Geflügel, das noch wohlschmeckenderwar als Vierbeiner-Fleisch. Schon Hrabanus Mauruswertete, mit Berufung auf die Bibel, Geflügel wieFisch, da die Vögel am gleichen Tag geschaffen wor-den seien wie die Fische und sie, wie diese, auch aus

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7.077 Deschner Bd. 8, 19Luxus, Orgien und Torturen

dem Wasser kämen. Dann betont Petrus Abaelard, dieBibel verlange auch den Fleischverzicht nicht. Undschon im späten 12. und im 13. Jahrhundert wurde inden meisten Klöstern das Fleischverbot mißachtet.

Nachsicht also mit Papst Clemens.Auch gegenüber seinen Verwandten zeigte er sich

von ungehemmter Generosität – ein halbes Dutzendvon ihnen machte er schamlos zu Erzbischöfen undKardinälen. Sein Nepotismus überschritt, wie auchSeppelt einräumt, »alles Maß« und kam die Kircheteuer zu stehen. Noch mehr wohl seine Prachtsucht.12

Hatte Clemens V., der erste avignonesische Papst –zusammen mit König Philipp IV. dem Schönen Aus-rotter der Templer (VII 461 ff.!) –, noch bei den Do-minikanern Quartier genommen, Nachfolger JohannXXII., einst Bischof von Avignon (1310–1313), dannim Bischofspalast, darauf Benedikt XII. einen größe-ren befestigten, turmbewehrten Wohnsitz gebaut, dasPalais vieux, so fügte Clemens VI., seinen gesteiger-ten Bedürfnissen entsprechend, im Süden noch einneues Bauwerk (Palais neuf) hinzu.

Die Papstresidenz (zur Zeit der Französischen Re-volution Gefängnis, im 19. Jahrhundert Kaserne, im20. Museum) war im 14. Jahrhundert Palast und fin-stere uneinnehmbare Wehrburg zugleich, der »feinsteund stärkste Bau der Welt«. Er sicherte den Stellver-treter Christi mit vier Meter dicken Mauern nicht nur

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7.078 Deschner Bd. 8, 20Luxus, Orgien und Torturen

vor seinen Feinden, er ermöglichte ihm auch inmittengroßen Gepränges rauschende Feste, phantastischeGastmähler, wahre Orgien, wobei Frauen, Mätressenso ungehindert Zutritt hatten wie die Prälaten, auch zuden Privatgemächern seiner Heiligkeit. »Die Vorwür-fe der Zeitgenossen gegen das Sexualleben des Pap-stes lassen sich nicht wegdiskutieren« (Kelly), »wer-den auch durch neuerliche Abschwächung nicht besei-tigt« (Handbuch der Kirchengeschichte).

Und wie schon Clemens' Vorgänger Benedikt XII.die sehr hübsche Schwester Petrarcas, die der Papst»wie ein alter Lüstling« begehrte, deren Bruder Ger-ardo »gegen Zahlung einer hohen Summe« abgekauft(nachdem Petrarca selbst die angeblich im Tauschver-fahren ihm offerierte Kardinalswürde abgelehnt), sobevorzugte Clemens VI., von der hl. Birgitta vonSchweden »amator carnis« geschmäht, seine Nichte,die lustvolle Cécile, Gräfin von Turenne, der er sonahstand, daß man seine Gunst sehr oft über sie er-langte – Petrarca nennt sie »seine Semiramis, durchblutschänderische Umarmungen befleckt«. Und in denachtzehn Briefen »sine titulo« betont er: »Ich rede vondem, was ich gesehen habe, nicht von Gehörtem«.13

Die Heuchelei, das geistliche Verbrämen, schoßdabei wie immer mächtig ins Kraut. Denn obwohl derPapst, als kirchlicher Dionysos verhöhnt, es selbst solocker trieb, kanzelte er seine Klerisei wegen ihrer li-

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7.079 Deschner Bd. 8, 21Luxus, Orgien und Torturen

bidinösen Ungezügeltheit ab: »Ihr wütet wie eineHerde Stiere gegen die Kühe des Volkes!« Dabei ließer sogar Prostituierte zu und bezog, gewiß nicht alseinziger Stellvertreter, eine eigene Steuer von ihnen.Nicht genug, päpstliche Beamte erwarben seinerzeitvon einer Arztwitwe »ein schönes, neues, ansehnli-ches Bordell«, wie die Urkunde fromm festhält, »imNamen Unseres Herrn Jesus Christus«.14

Die amourösen Aktivitäten wurden oft durch Ban-kette eingeleitet, mit denen besonders Prälaten um dieGeneigtheit des Hohepriesters buhlten.

So etwa bei jenem Empfang, den anno Domini1343 der Kardinal Annibale in Avignon gab: Prächti-ge, teppichverkleidete Wände, das papale Prunkbettüberschüttet mit Samt, Seide, Goldbrokat. Ganze Ge-schwader von Knappen tischten auf, Hase und Hirsch,Wildschwein und Zicklein, Pfauen, Fasane, Rebhüh-ner, Kraniche, immerhin siebenundzwanzig verschie-dene Gerichte. (Aber – was denn! Wenn im selbenSäkulum schon ein simpler Bischof von Zeitz bei Ein-weihung der Weissenfelser Pfarrkirche als erstenGang vorgesetzt bekam: »Eiersuppe mit Safran, Pfef-ferkörner und Honig, ein Hirsegemüse, Schaffleischmit Zwiebeln, ein gebratenes Huhn mit Zwetschken.Als zweiten Gang: Stockfisch mit Öl und Rosinen, inÖl gebackene Bleie, gesottener Aal mit Pfeffer, gerö-steter Bückling mit Sen f. Als dritten Gang: sauer ge-

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7.080 Deschner Bd. 8, 21Luxus, Orgien und Torturen

sottene Speisefische, gebackene Barbe, kleine Vögelin Schmalz hart gebacken mit Rettig, eine Schweins-keule mit Gurken.«)

Der Mensch lebt nicht von Brot allein. In Weissen-fels wie in Avignon.

Aus einem überbaumten, säulengezierten Spring-brunnen flossen fünf Sorten Wein, vom Rhein kom-mend, aus der Provence sowie aus andren von Gottgesegneten Landschaften. Ein mittels Silber gefertig-ter Baum trug Birnen, Feigen, Pfirsiche, goldeneTrauben, ein andrer prangte mit kandierten Früchtenin vielen Farben. Dazwischen gab es Einlagen, Ge-sänge, ein Turnier. Der Chefkoch ergötzte mit seinendreißig Adlaten durch einen Tanz. Fast alles wurdereich beschenkt, vom Laienadel über zwanzig Präla-ten, sechzehn Kardinäle bis zum Heiligen Vater, derkostbare Ringe bekam, 150 Gulden wert, ein weißesPferd, Preis 400 Gulden, und alles mit Kirchengeldbezahlt. Schließlich beendete diesen Tag der Heilsge-schichte (»Selig die Augen«, mit Lukas 10,23 zusprechen, »die sehen, was ihr seht ...«) ein pikanterSketch und, laut Petrarca, »die unvermeidlicheOrgie«.15

Etwas intimer ging es in jenem kleinen, mit einemDoppeldiwan – selbstredend hermelinumsäumt – aus-staffierten Turmzimmer zu, in dem sich Clemens VI.»nackt mit seinen zahlreichen Mätressen« (Caw-

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7.081 Deschner Bd. 8, 22Luxus, Orgien und Torturen

thorne) amüsierte. Aber seine Sitten, so Wetzer/Welte, stimmten eben »nicht immer mit der Heiligkeitseines Standes und der erhabenen Würde, die er be-kleidete, überein«. Doch macht sich der Kontrastnicht auch ganz gut? Heilig und scheinheilig in Perso-nalunion?

Paßte es ja auch zur professionellen Sanctitas, daßman gleichzeitig, während der Papst, von KardinalHergenröther »sanftmüthig« und »liebenswürdig« ge-nannt, nackt auf nackt herumturnte, tief darunter, inder »Salle de Torture«, die gleichfalls nackten Opferder Inquisition »befragte«, mitunter auch zu Tode(vgl. VII 264 ff.!), Himmel und Hölle lagen so dichtbeieinander – schade nur, daß sich die Christenheitkein Bild davon machen konnte! Gelegentlich vonseinem Beichtvater ernsthaft zur Keuschheit ermahnt,entgegnete der Papst, von Jugend an gewöhnt zu sein,mit Frauen zu schlafen, und jetzt fahre er auf den Ratseiner Ärzte – was für einfühlsame Medici – damitfort. »Doch immerhin war er so großmütig, alle seineKinder anzuerkennen« (Cawthorne).

Der Aufwand des Heiligen Vaters und seines Hofesverschlang Riesensummen; besonders auch der ehren-werte Wandel der Kardinäle, die ja gleichfalls präch-tige Paläste gebaut und, mit vielen Pfründen ausge-stattet, mit wertvollen Geschenken überhäuft, ganznach dem Beispiel ihrer höchsten Hirten würdevoll,

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7.082 Deschner Bd. 8, 22Luxus, Orgien und Torturen

diätenreich dem Paradies zustrebten – einer mit zehnStällen für die Pferde, einer mit 51 Häusern, für seinGefolge angemietet. Denn mit Geld verstand man daschon immer umzugehn, beim Einnehmen wie beimAusgeben.16

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7.083 Deschner Bd. 8, 23Introitus et Exitus

Introitus et Exitus

Das begann bereits in der Antike, als sich im Früh-christentum die besitzfreundliche gegen die besitz-feindliche, die asoziale Richtung gegen die sozialeglänzend durchgesetzt (III 5. Kap.); als man in Laien-kreisen die bis heute so populäre Doppelmoral prakti-ziert und schlaumeierisch schamlos erklärt hat: »Ichmache das große Geld, meine Frau übt Wohltätig-keit«; als es schon um die Wende zum 3. Jahrhundertchristliche Bankiers gab, gar einer davon, der übel be-leumdete Kallist I. (217–222), Papst und Heiligerwurde (III 439); als unter den Bischöfen kein Gerin-gerer als Augustinus das hohe Ideal der »arbeitsrei-chen Armut« (laboriosa paupertas) predigte und dieArmen dazu verdammte, »im ewig gleichen unverän-dert harten Joch des niederen Standes« zu bleiben,wofür sie auch viel besser schliefen als die von Sor-gen so gequälten Reichen; als der Pakt mit diesendann auch die Kirche reich und immer reicher machte,indem sie alles erbarmungslos und wahrlich nicht sel-ten bis aufs Blut geschröpft, von Jahrhundert zu Jahr-hundert Heiden bestohlen hat, »Ketzer«, Juden undnicht zuletzt den eignen Anhang.

Schon im Frühmittelalter flossen die Abgaben undRenten der Kirchendomänen, die dationes, tributa,

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7.084 Deschner Bd. 8, 23Introitus et Exitus

servitia, functiones, pensiones, all die Einnahmen vonBrücken, Wegen, Toren, Märkten, von Flüssen,Häfen, Wäldern, Wiesen etc. an die Kurie, derenGeldsucht, so klagt im 12. Jahrhundert der Theologeund Kirchenreformer Propst Gerhoh von Reichers-berg, seit den Tagen Gregors VII. so groß gewordensei, daß die ganze Welt sie nicht zu stillen vermöge.Zu Rom, stöhnt auch der Dichter Freidank im frühen13. Jahrhundert, werden sogar Räuber losgesprochen,ohne Buße und Rückerstattung des Geraubten. NachRom kommt alles Geld, sagt ein anderer Autor, auchalle Sünde, so daß man sich wundern müsse, wo siedenn Platz finde. Kurz, die päpstliche Kammer, dieall die tausend Geldströme vereinigte oder verrechne-te, wurde geradezu Modell des modernen Bankwe-sens – »und die deutsche Reformation gewann ihreSchwungkraft durch die Empörung aufrichtig From-mer darüber, daß die Kirche ein mit allen Mitteln ar-beitendes italienisches Finanzunternehmen gewordenwar«.17

Mit zunehmender Expansion der Papstmacht aberwuchsen noch deren Einkünfte, wobei der großzügigeAusbau ihres Finanzsystems in Avignon einen gewis-sen Gipfel erklomm, zumal der damalige Wechsel vonder Natural- zur Geldbesoldung auch noch neue Ein-nahmeposten ergab – Mißstände über Mißstände, Er-pressungen, Bestechungen, Überforderungen, korrupt

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7.085 Deschner Bd. 8, 24Introitus et Exitus

und korrumpierend. Und doch oder womöglich des-halb »vielleicht das brauchbarste System, das jemalszur Eintreibung von Gold aus einem ganzen Konti-nent ersonnen wurde« (Chamberlin).

Schon seit dem 13. Jahrhundert hatte die Kurie ihrepekuniären Interessen häufig durch Florentiner Groß-kaufleute wahrnehmen lassen, durch die Bardi, Peruz-zi, Acciaiuoli, Bonacorsi, Alberti, also durch solche,die ihr auch politisch nahestanden. Manche, wie dieBardi, Peruzzi, brachen gegen Mitte des 14. Jahrhun-derts zusammen und rissen auch die Acciaiuoli mit inden Bankrott – bancarotta, ein Wort, das sich vondem Brauch in italienischen Kommunen herleitet, beiInsolvenz die Bank, auf der die »banchieri« auf öf-fentlichen Plätzen ihrem Metier nachgingen, zu zer-brechen. Freilich hatten diese und andere florentini-sche bzw. italienische Bankiers, bevor sie durch dieKurie Bankrott machten, oft gewaltig durch sie ver-dient, ja ihre Söhne in Kirchendiensten wurden mitklerikalen Ehren und Einnahmen überschüttet, wie sieüberhaupt selbst Einfluß auf die Vergabe geistlicherStellen bekamen.

Bereits 1327 tätigten 43 italienische Geldwechslerihre Geschäfte in Avignon. »Jede Möglichkeit zumErwerb von Geld wurde rücksichtslos ausgenützt«,gesteht das Handbuch der Kirchengeschichte. DerHeilige Stuhl wurde jetzt die erste Finanzmacht der

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7.086 Deschner Bd. 8, 24Introitus et Exitus

Welt; was die reinen Einnahmen betraf – sie hattensich in Avignon mehr als verdoppelt –, stand er nachden Königen von Frankreich, England und Neapel anvierter Stelle.18

In der päpstlichen Burg über der Rhone, dem »Ba-bylon des Abendlandes« – Petrarca hatte keinen wi-derwärtigeren, unsaubereren Ort gekannt –, stautensich die Schätze aus aller Herren Länder. Und Alva-rez Pelajo, ein durchaus papsttreuer Kurialer, berich-tet, niemals in die päpstlichen Gemächer gekommenzu sein, ohne die geistlichen Herren beim Zählen desGeldes getroffen zu haben. »Die Prälaten«, monierteer, »belehren ihre Herden nicht, sondern plündern sieaus und zerstückeln sie. Das Brot, das den Armen zu-kommt, wird vergeudet an Spaßmacher und Hunde.«Doch als er selbst Bischof wird, als auch er nachStrich und Faden und papalem Vorbild ausbeutet, dainsultieren, ja mißhandeln ihn seine Diözesanen nichtnur, sondern in einer König Alfons IV. vorgelegten21-Punkte-Anklage wird Alvarez, der einst so bitterdie päpstliche Geldgier gebrandmarkt, selber nun invielen Klagepunkten der Erpressung, der Habsuchtbeschuldigt – ab bove majori discit arare minor (wiedie Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen).

Kardinal Hugo Roger hinterließ bei seinem Tod ineiner roten Truhe einundzwanzig Säcke Gold. Nichtsein einziger Schatz. Auch fand man bei ihm ander-

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7.087 Deschner Bd. 8, 25Introitus et Exitus

wärts noch viele, viele Tausende von goldenen Gul-den.19

Nein, was strömte in Avignon nicht aus allenEcken und Enden der Welt zusammen!

Da waren zum Beispiel die Zuflüsse aus dem Kir-chenstaat, Zölle, Abgaben, Strafgelder, die Übermitt-lungen der Verwalter u.a., durch die Zeitläufe zwar re-duziert, doch keinesfalls unterbunden.

Ähnliche, wenn auch geringere Erlöse kamengleich aus dem benachbarten »Comtat de Venisse«(Venaissin), den Heiligen Vätern (mit Unterbrechun-gen) nach den Albigenserkriegen sozusagen zugefal-len und 1317 auch durch geraubte Templergüter er-weitert; ein mit unerhörten Blutopfern erkauftes Terri-torium von etwa 80 Städten und Burgen, das die Her-ren Avignons Rektoren, oft nahen Verwandten, unter-stellten.

Gewaltig waren die durch staatliche, von den Päp-sten abhängige Lehensträger aufzubringenden Beträ-ge, insgesamt fast 70000 Gulden pro Jahr: Neapel40000, Sizilien 15000, Aragon (für Sardinien undCorsica) 8000, England 5000, wobei man freilich oftweniger zahlte, England wohl am wenigsten, weshalbdie Rückstände manchmal ungeheuer waren. Soschuldete Neapel der Kurie anno 1300 an Lehenszins466700, dreißig Jahre später aber immer noch444410 Gulden. Kassiert wurden indes auch Tribute

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7.088 Deschner Bd. 8, 25Introitus et Exitus

zinspflichtiger Städte und Herrschaften, der Censusexemter Bistümer, Klöster, Kirchen.20

Vom Lehenszins zu unterscheiden: der Peterspfen-nig (denarius oder census S. Petri, englisch Rompeniu.a.), ursprünglich eine freiwillige, dann eine pflicht-mäßige jährliche Leistung. Britische Könige zahltenden Peterspfennig den Bischöfen Roms aus Vereh-rung für den »Apostelfürsten« seit dem 8. Jahrhun-dert. Als erster spendete ihn 786 König Offa, einJahrgeld von 365 Goldstücken (Mancusen) »für dieArmen und die Lichter«. Seit dem 12. Jahrhundertentrichteten ihn auch Skandinavien (samt Finnland,Island, Grönland), Polen, Ungarn, Istrien, Dalmatien,was jedoch viele Schwierigkeiten und Widerständeergab. Im deutschen Osten wollte man gelegentlichsich »eher hängen lassen«, als den Tribut erbringen.Das Papsttum deutete ihn seit dem Exil in Avignonals Ausdruck seiner Oberherrschaft über die weltlicheGewalt. (Zur Reformationszeit allgemein abgeschafft,wird der Peterspfennig seit der Beseitigung des Kir-chenstaates in Form einer »Gottesdienstkollekte« im20. Jahrhundert von allen katholischen Pfarreien derWelt dem Heiligen Stuhl wieder überwiesen als »jähr-liche freie Liebesgabe«: Lexikon für Theologie undKirche.)

Hoch bezahlen ließ man sich auch die Verleihungund Bestätigung von Kronen. Innozenz IV.

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7.089 Deschner Bd. 8, 26Introitus et Exitus

(1243–1254) empfing dafür vom norwegischenKönig Haakon etwa 15000 Mark. Doch noch der Zarschickte für seine Krönung reiche Präsente. Und keinLegat durfte (wohl nicht nur bei Innozenz) von Reisenohne Geld nach Rom zurückkommen.

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7.090 Deschner Bd. 8, 26Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hatseinen festen Preis

Immer beliebter im Laufe des späteren Mittelalterswurde der Ablaß (S. 368), zu dem es aber Vorstufenschon im früheren Mittelalter gab, die Möglichkeit,durch Geld Satisfaktion zu leisten, Redemption oderKommutation (Umwandlung) genannt. So konnte manzur Vermeidung eines strengen Fasttags einen Denarzahlen oder, war man arm, sich 50 Stockschläge ver-passen lassen, konnte man für die Buße eines Jahresoder einer Woche eine bestimmte Zahl von Gebetenoder auch von Kniebeugen verrichten und nicht zu-letzt natürlich eine bestimmte Summe zahlen. Das Sy-stem machte es ohne weiteres möglich, bei genügen-dem Vermögen auch eine langfristige Kirchenbuße inkürzester Zeit auszuführen. Zudem schritten diechristlichen Büßer bald dazu fort, einen anderen zubezahlen, einen sogenannten justus, oft einen Mönch,der an ihrer Stelle die Buße vollbrachte, wodurch sichdie Klöster nicht schlecht bereicherten. Je vermögen-der, desto rascher konnte man büßen. Die Bußord-nung des Königs Eadgar schuf sogar eine eigeneNorm für die Behandlung von Magnaten. »Eine sie-benjährige Buße kann der Magnat darnach schon indrei Tagen dadurch ableisten, daß er zuerst zwölfKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.091 Deschner Bd. 8, 27Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

Männer zu Hilfe nimmt, welche drei Tage bei Wasser,Brot und grünen Kräutern fasten, und dann noch sie-ben Mal 120 Männer, welche in gleicher Weise fürihn drei Tage fasten; auf diese Weise würden so vieleTage gefastet, als Tage in sieben Jahren seien«(Schmitz).

Die Entwicklung führte allmählich zum Phänomender Ablässe. Bei allen bedeutenderen derselben gingein Teil des Ertrages an die Päpste, denen schon dieAusfertigung Geld brachte. Kassierte man doch eineTaxe für das Konzept, eine weitere für die Rein-schrift, eine dritte für die Registrierung, eine vierte fürdie Bullierung (taxa abbreviatorum, scriptorum, regi-stri, plumbi).

Es gab Ablässe für alles mögliche – angefangenvom Steineschleppen etwa beim Kirchenbau über denKirchenbesuch bis zu Ablässen für Tote. Allerdingswar der letztere Schwindel innerhalb der Kirche selbstumstritten. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts brand-markte der bekannte Kanonist Heinrich von Susa(Hostiensis), Kardinalbischof von Ostia, der bei denPäpsten in höchstem Ansehn stand, Ablässe für Ver-storbene als sündhaften Betrug. Aber nach Kirchen-lehrer Albertus Magnus waren sie den armen Seelenim Fegfeuer sehr nützlich!

Für den Lebenden bewirkte ein Ablaß offensicht-lich desto mehr, je mehr er zahlte. Gott kann rechnen.

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7.092 Deschner Bd. 8, 27Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

Und zumindest im ausgehenden Mittelalter soll die je-weilige Kauf summe für Legionen von Ablässen ander Kurie in Verzeichnissen gestanden haben. Gegen-papst Gregor VIII., den Papst Calixt II. so gnadenlosruinierte (VI 398 f.!), bewilligte im frühen 12. Jahr-hundert den Bewohnern von Lucca für den vierzigstenTeil ihres Vermögens als Kreuzzugsspende einenvollkommenen Ablaß. Innozenz IV. gewährte 1253den vollkommenen Ablaß für Überweisung einesViertels oder noch größeren Teils des Jahreseinkom-mens; wer freilich weniger gab, durfte auch nur einengeringeren, einen der Gabe entsprechenden Erlaß ge-wärtigen. Gott ist gerecht.

Vollkommene Ablässe (nicht umsonst hießen sieso) waren am teuersten, jedoch unterschiedlich hoch –es hing von der »Wichtigkeit der Sache« (dem Vorteilfür den Empfänger) ab. Für Mailand beliefen sichdafür die Kosten anno 1391 auf 1000 Gulden, 1398auf 600 Gulden, für München im späten 15. Jahrhun-dert auf 245, für Trier 1515 auf 230 und (in einemweiteren Fall) auf 220 Gulden. Höher stehenden Per-sonen scheinen Päpste gelegentlich auch höhere Ab-lässe gewährt zu haben. So verlieh Klemens V., derVernichter der Templer (VII 461 ff.!), meist nur Ab-lässe von 10, 20, 40, 60 oder 100 Tagen, gab aber derHerzogin Blanka von Bretagne einmal einen Ablaßvon 40 Jahren, der Königin Isabella von England und

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7.093 Deschner Bd. 8, 28Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

der Tochter Blanka Ludwigs IX. von Frankreichsogar von 100 Jahren.

Im Spätmittelalter zählten die Ablaßbriefe bereitsnach Tausenden, und die Ablaßgnaden vermehrtensich geradezu ungeheuer, als bestünde da ein Zusam-menhang mit dem chronischen Geldmangel, den oftimmer größeren Ausgaben der Päpste. Die Stellvertre-ter Gottes waren völlig skrupellos. Sie versicherten inihren Bullen zwar oft, der eben bewilligte Ablaßwerde nie widerrufen, setzten sich aber bei nächsterGelegenheit darüber hinweg, ja erklärten in neuenBullen die anderen Ablässe für ungültig trotz allerentgegenstehenden Klauseln, auch wenn ausdrücklichgesagt worden sei, daß sie nie suspendiert werdenkönnten!

Noch nach dem Konzil von Trient verkauften spa-nische Bischöfe »in althergebrachter Weise« Ablässegegen Geld, machten sie daraus einen »pecuniären Er-werbszweig« (Kober).

Eine weitere Methode, den Mammon zu mehren,war die Exkommunikation.

Wann immer möglich, wandte man sie an und ließdie Exkommunizierten sich dann loskaufen. Da all-mählich ein ganzer Hagel von Bannflüchen, vor allemaus politischen Gründen, auf die Gläubigen, auch aufBischöfe und Äbte, niederging, da nach der Klagevon Zeitgenossen im Spätmittelalter fast ein Drittel

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7.094 Deschner Bd. 8, 29Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

der Christenheit unter Bann oder Interdikt lag, wobeidie Kirchensperre manchmal zwölf und mehr Jahredauerte, war dies ein sehr einträgliches Geschäft, auchwenn schließlich der Bann nicht mehr so einschlugwie zuvor. Oder – eine andere Ausbeutungsvariante –man rief Laien zur gleichen Zeit vor verschiedenegeistliche Gerichte. Erschienen sie dann da oder dortnicht, exkommunizierte man sie, bis sie sich durchhohe Geldbußen wieder befreit hatten.21

Dazu kamen all die monetären Auflagen, die mandem eigenen Klerus machte.

Zum Beispiel die nicht unbeträchtlichen Reichnisseder Erzbischöfe beim Empfang des Palliums, ur-sprünglich ein Geschenk, dann eine Gebühr, dieschon früh beklagte Zahlungspflicht. Dabei betonteman, die übliche Heuchelei, um den Vorwurf der Si-monie zu entgehen, die Freiwilligkeit der Beisteuer(subsidium caritativum), als diese schon längst er-zwungen wurde.

Die Päpste fanden Geschmack daran und verlang-ten Präsente oder Geld auch von den in Rom geweih-ten Bischöfen, den Äbten, kassierten bei der vorge-schriebenen Visitatio ad limina Apostolorum, den Be-suchen der Prälaten an der Kurie, ein Drittel des Jah-resertrages jeder Diözese, kassierten ebenso fürPfründen, die sie übertrugen oder bestätigten. PapstInnozenz IV., besonders begabt auch für diesen Ge-

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7.095 Deschner Bd. 8, 29Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

schäftszweig, bekam geradezu das Epitheton ornans»Pfründenkrämer«. Für England erteilte er fünfmalsoviel Genehmigungen wie seine Vorgänger. Und1248 gab es allein in Konstanz 20 Domherren-Pfrün-den mit 38 Anwartschaften.

Eine Pfründe galt als Kapitalanlage, und auf allemögliche Weise preßte man Geld aus den Gläubigenheraus. Es gab wahre Virtuosen der Pfründenjagd.Rudolf Losse, ein Adeliger aus Eisenach, war capella-nus papalis, examinator clericorum pauperum de Ala-mania, Dekan von Mainz, Propst von Naumburg, Ka-noniker von St. Castor und St. Florian in Koblenzsowie in Eisenach, Pfarrer von Kitzingen, Kaplan derMichaelskapelle zu Andernach, Altarist der Pfarrkir-che von Beilstein, königlicher Rat und Offizial derKurie von Trier.

Ernennungsbullen, Provisionsurkunden händigtendie Päpste allerdings erst aus, nachdem der Providier-te die Verpflichtungsformel unterschrieben, dieSumme in einer bestimmten Zeit zu zahlen verspro-chen hatte. Auch die Höhe der Oblation oder, wie esdann hieß, des Servitiums betrug im 14. Jahrhundertein Drittel des Jahreseinkommens.

Dabei hatte die Kirche den Erwerb geistlicherÄmter gegen Bezahlung bereits in der Antike verbo-ten. Und länger als ein Jahrtausend bekämpfte sie dasSpenden der Sakramente für Geld. Noch 1215 befahl

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7.096 Deschner Bd. 8, 30Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

Innozenz III. auf dem Vierten Laterankonzil ihre un-entgeltliche Vermittlung, erlaubte aber, ohnehinlängst Praxis, Gebühren hinterher zu fordern.»Denn«, wie Lukian von Samosata, der griechischeVoltaire, schon im 2. Jahrhundert höhnt, »das ist nuneinmal der Begriff, den man sich von den Göttern ge-macht hat: umsonst tun sie nichts ...; alles ist ihnenfeil und hat seinen festen Preis.«

War schon der Aufenthalt in Rom oder wo immerder Heilige Vater residierte für die anreisenden Bi-schöfe und Äbte nicht billig, so brachte kaum einervon ihnen die vollen erforderlichen Summen mit –»fast immer mußten sie an Ort und Stelle, oft unterdemütigenden Bedingungen, meist von Florentinern,erborgt oder ergänzt werden, und die Prälaten kehrtenvom apostolischen Stuhl in finanzieller Abhängigkeitvon den Bankhäusern zurück« (Davidsohn). Doch inRom ging nun mal nichts ohne Geld. Ja, kaum dort,notiert um 1100 der in vielfacher Sicht erfreulich po-lemische (und vielleicht nicht zufällig publizistisch soerfolglose) Normannische Anonymus, müßten die Bi-schöfe »sofort ihre Beutel öffnen. Denn, wenn sie diepäpstlichen Offizialen nicht bestechen, haben sie kei-nerlei Aussichten, ihren Zweck zu erreichen.«

Konkret sah dies etwa so aus. Als gegen Mitte des12. Jahrhunderts Tournai von Noyon sich unabhängigmachen, einen eigenen Oberhirten wollte, auch Tour-

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7.097 Deschner Bd. 8, 30Weitere Ausbeutungsvarianten oder Alles hat ...

nais Abgesandter die römische Kurie schon dafür ein-genommen hatte, erschien 1143 Bischof Simon vonNoyon in Rom, bestach die Kurialbeamten mit 500Mark Silber, und Innozenz II. vertagte die Entschei-dung, die erst sein dritter Nachfolger, Eugen III., zu-gunsten Tournais tra f.22

Da die Sache sich als lukrativ erwies, wurde derKreis der Servitienpflichtigen erweitert, die Zahl derallerhöchst zu vergebenden Posten erhöht undschließlich der gesamte katholische Episkopat derWelt erfaßt; begreiflicherweise war er oft verschuldet,manches Bistum bis zum Zwanzigfachen der Jahres-akzepta. Und mancher Prälat konnte seine Schuldenein Leben lang nicht tilgen.

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7.098 Deschner Bd. 8, 31Die Abschöpfmethoden der Bischöfe

Die Abschöpfmethoden der Bischöfe

Natürlich hatte jeder Bischof auch selbst wieder di-verse Schröpfmethoden, etwa eine Sondersteuer sofortnach der teuren Weihe. Oder die Quarten, Pfründen-einnahmen des vierten Jahres, später gleichsam alsFixgeschäft auf jedes Jahr verteilt. Oder die beimSendgericht anfallenden Beträge, die Bannalien, dieBannpfennige. Oder die Zwangsgelder für Sittlich-keitsdelikte.

Auf irgendeine Weise kam jeder zu Geld, sonstwäre er kaum Bischof geworden. So gesteht einer imausgehenden Frühmittelalter: »Ich wurde vom Erzbi-schof ordiniert und habe, um sein Wohlwollen zu ge-winnen, hundert Goldstücke bezahlt; hätte ich sienicht bezahlt, wäre ich jetzt nicht Bischo f. Ich habeGold gegeben und dafür die Bischofswürde empfan-gen. Aber ich werde daran nicht zugrunde gehen, baldwerde ich meine Goldstücke wieder haben, denn ichordiniere Priester, ich weihe Diakone, und so kommtdas Gold, das aus meiner Tasche geflossen ist, wiederdahin zurück.«

Manche Bischöfe, auch Pfarrer steckten dafür Geldein, daß sie Neuvermählten den ehelichen Verkehrschon in der ersten Nacht erlaubten, womit sich diesedie weitverbreitete Sitte der Keuschheitsnächte er-

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7.099 Deschner Bd. 8, 31Die Abschöpfmethoden der Bischöfe

sparten. Auch die Einsegnung des Brautbetts war wie-derum mit »Reichnissen« verbunden, die durch Ge-wohnheitsrecht oder schriftlich festgelegt waren.Ebenfalls forderten Bischöfe und Archidiakone Abga-ben für die Heiraten von Priesterkindern. Und geradedie eigenen Kleriker schröpften sie schon früh. »VieleGläubige erbauen aus Liebe zu Christus und denMärtyrern Kirchen in den Diözesen der Bischöfe undstatten sie mit Gaben aus«, sagt bereits 633 ein spani-sches Konzil, »aber die Bischöfe nehmen die Gabenweg und verwenden sie zu ihrem eigenen Gebrauch;die Folge ist, daß es an Dienern für diese Kirchenfehlt, seitdem sie ihre Unterhaltsmittel eingebüßthaben, und daß die zerfallenden Kirchengebäude nichtneugebaut werden.«

Es gab sogar Oberhirten, die von den Geistlichenein volles Drittel ihres Einkommens verlangten. Kurz,auch die Bischöfe erhoben fortwährend Gebührenaller Art: cathedraticum, synodaticum, synodalia, pro-curatio, subsidium caritativum, hospitium, angariae ...

Doch dabei blieb es nicht, um wenigstens nocheine episkopale Verdienstmöglichkeit zu erwähnen.

Der hohe Klerus hat nämlich zwar oft die päpstli-che Ablaßpraxis bedauert, vor allem aber weil sieseine eigenen Einnahmen verknappte. Denn selbstver-ständlich erließen auch Kardinäle und Bischöfe Ab-laßbriefe und kassierten dafür – bei kleineren Abläs-

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7.100 Deschner Bd. 8, 32Die Abschöpfmethoden der Bischöfe

sen nur die Taxe für die Ausfertigung, während derganze Ertrag der »begnadeten« Kirche oder Anstaltverblieb. Bei teuren Ablässen war allerdings ein Teilnach Rom abzuführen, wobei für die Höhe der Abga-be eine zweifache Regelung bestand. Entweder hatteman der päpstlichen Kammer ein Drittel, die Hälfte,ja gar zwei Drittel des künftigen Ertrags abzuliefern.Oder es wurde vor jeder Ablaßverleihung eine Pau-schalsumme vom Bittsteller eingezahlt, die den hüb-schen Namen »Komposition« trug.

Bereits im 11. Jahrhundert verheißt man in echtenwie in vom Klerus gefälschten Urkunden den Wall-fahrern für den Besuch bestimmter Kirchen dieselbenGnaden wie für eine Wallfahrt nach Rom oder Jerusa-lem. Bereits im 11. Jahrhundert gewährte der spani-sche Bischof Ermengaud von Urgel (1010–1035) mitZustimmung des Erzbischofs allen zum Kloster S.Peter Pilgernden einen Ablaß für sämtliche Sünden-strafen, vorausgesetzt freilich, man spendete »Brot,Wein, Gold, Silber oder andere Dinge«. Hatte Bi-schof Ermengaud ja sowohl Sinn als auch Bedarf fürGold und Silber, war sein hohes Hirtenamt doch er-kauft. Sein Onkel, Bischof Salla von Urgel, hattedafür schon ein Jahrzehnt vor Wahl und Konsekrationdes Neffen mit dem Grafen Ermengaud von Urgel dieZahlung vereinbart – und schon ein Jahrzehnt nachseinem Tod wird er als Heiliger verehrt, ab 1044 das

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7.101 Deschner Bd. 8, 33Die Abschöpfmethoden der Bischöfe

Fest des hl. Ermengaud gefeiert.Seit dem 13. Jahrhundert aber haben Bischöfe,

Äbte, hat auch der Klerus in Mengen Ablässe erteilt,sie sogar häufig, ja, wie am laufenden Band gefälscht,das heißt sich selbst im Namen früherer Päpste ausge-stellt, um gewisse Kirchen attraktiver zu machen. Sofälschte man Ablässe zugunsten des Domes vonAquileja, zugunsten der Abteikirche St. Viktor inMarseille, der Klosterkirche St. Pierre de Blesle, derKirche St. Peter in Straßburg, der Stephanskirche inBesançon, des Doms in Pisa. Gleich eine ganze Reihegefälschter Ablaßdokumente leistete sich die Abtei St.Emmeram in Regensburg, uns schon als besondersunverschämte Fälscherin bekannt (V 300 ff.).

Gefälscht ist eine Ablaßbulle vom 28. Dezember1121 für Catanzaro, eine Ablaßbulle vom 23. Februar1120 für das Kloster St. Jean-du-Mont, ein Ablaßpri-vileg vom 1. Mai 1133 für das Kloster San Salvatorein Brescia, ein Ablaß für die Abtei Königslutter umdieselbe Zeit. Ebenso hat man für mehrere TriererKirchen Ablässe gefälscht, ferner für das Kloster An-dechs, für die Kirche des hl. Augustinus in Orvieto,die Kirche St. Simplicianus in Mailand, die Markus-kirche in Viterbo, die Markuskirche in Venedig sowieandere Kirchen dieser Stadt, den Dom in Anagni, denDom in Vercelli, den Dom in Paderborn, den Dom inSchwerin usw. Solche Fälschungen zum finanziellen

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7.102 Deschner Bd. 8, 33Die Abschöpfmethoden der Bischöfe

Vorteil von Kirchen geschahen hundertweise, und na-türlich geschahen sie durch Priester.

Wie oft man aber den Ablaß auch guten Glaubenserteilt haben mag, »stets« wurde er »den Gläubigennur dann versprochen, wenn sie nach reumütigerBeichte und empfangener Kommunion auch für dasKloster ein Scherflein gegeben haben« (Krausen).Denn wie der hohe Klerus, so nahm der niedere, nah-men auch die Mönche selbstverständlich die Laienaus.

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7.103 Deschner Bd. 8, 34Auch der niedere Klerus bediente sich

Auch der niedere Klerus bediente sich

Fast alles »Geistliche« wurde eben – wie ja nochheute – zum Geschäft, von der Geburt über die Trau-ung bis zum Sterbefall und Begräbnis. Gewiß, einKleriker mußte nicht, was oft vorkam, aus Geiz oderProfitsucht, aus Existenzangst, Geld als Handwerkerverdienen, als Clown, als Kneipier oder Wucherer, alsSpielhöllen- oder Puffbetreiber, mußte nicht hand-greiflich die eigenen Kirchen bestehlen oder Reisendeals Räuber ausrauben, wobei sie »selbst Boten mitPost für den Papst nicht schonten«. »Sie mischensich«, klagt ein zeitgenössischer geistlicher Kritiker,»in die Schauspielbänke und in die Gefolgschaftender Weiber, in öffentliche Gelage und in das unehren-hafte Leben mit Zinsen und schimpflichen Betrügerei-en, in Liebe zum Gelde, in weltliche Händel und Ge-schäfte.« Viele, entfuhr es Papst Honorius III. (VII215 ff.), seien mehr Kaufleute als Kleriker.

Doch konnte man, und nur darum geht es hier, mitdem »Geistlichen«, dem »Heiligen« selbst handeln,mit der Weihe ganzer Kirchen und allem »Gottes-dienstlichem« darin und darum herum. Man konnteGeld für vieles entziehen, für den Eintritt in den Kle-rus, ins Kloster, für das Verscherbeln von Salböl oderHostien, für den Verkauf der Stimme auf Synoden

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7.104 Deschner Bd. 8, 34Auch der niedere Klerus bediente sich

oder vor Gericht. Man konnte Hochzeit und Begräb-nis, das Abendmahl sogar verweigern, bis das Mone-täre, der Nervus rerum, im voraus beglichen war.

Den Verkauf der Taufe hatte die Synode von Elviraim frühen 4. Jahrhundert verboten, ja, noch im siebtendie Synode von Mérida mit dreimonatiger Exkommu-nikation bedroht, bereits ein freiwilliges Geschenkfreilich für die Taufe erlaubt. Und im 8. Jahrhundertgestattete sogar Erzbischof Chrodegang von Metz,einer Familie doch »allerersten fränkischen Adels«entsprungen, auch »Nachfolger des Bonifatius«(Oexle), der »oberste ... Bischof des Reiches« (W.Hartmann) – und heilig, seinen Kanonikern dasBeichtgeld, schon damals »confessiones« genannt,einzustecken.23

Vielleicht aber sprang mehr noch bei einer anderenBetätigung der Priester heraus, beim hl. Messelesen,und zwar nicht an geistlichen, an liturgischen Gnaden,das versteht sich, meine ich, von selbst, sondernschlicht finanziell. Denn war auch die Zeit noch fern,»wo Hochamt und Großmarkt«, wie Karl Kraus spot-tet, »in dem Einheitsbegriff jener ›Messe‹ verschmel-zen, die die Gelegenheit für Händler und Mysterien-schwindler bedeutet«, ein nicht zu unterschätzenderAnsatz dazu entstand einst durch das, was die histori-sche Forschung als »Sieg des Messegedankens« her-ausstellt –, »Fest-, Sonntags- und Ferial(Wochen-

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7.105 Deschner Bd. 8, 35Auch der niedere Klerus bediente sich

tags)messen, Weihnachts- und Ostermessen, Stations-(Prozessions-) und Heiligenmessen, Kloster- und Kö-nigsmessen, Tauf- und Brautmessen, Toten- und Vo-tivmessen, Messen gegen Viehseuchen, Dürre undschlechte Obrigkeit, für den Frieden, Gesundheit undFruchtbarkeit der Weiber, und nachdem man einmaltägliche Messen (missae quotidianae) nötig gefunden,hatte schließlich jeder Tag seine besondere Messe«(von Schubert).

Und sein besonderes Heil. Für den Klerus wie fürdie schlichte Laienseele. Denn da Gottes Tempel sichstets mehrten – im Münsterland, beispielsweise,wuchs die Zahl der Pfarrkirchen von einem rundenDutzend um 800 auf 45 um 900, auf 140 um 1300 –,mehrten sich natürlich auch die Altäre. Und mit denAltären mehrten sich die Meßpfründen. Und so lasendie Geistlichen jetzt Messen, lasen sie räumlich ne-beneinander, zeitlich hintereinander, lasen sie anwechselnden Orten, zu allen möglichen Heils- undUnheilsanlässen, lasen sie für Gesunde und Kranke,Lebende und Tote, für Brautpaare, Eheleute, Pilgeretc.24

Auch das geistliche Geschäft aber bringt, wie jedesGeschäft, Konkurrenzneid, bringt Konkurrenzkamp f.Und so stritten jetzt (gewiß nicht nur) in Straßburgdie Pfarrer heftig mit den Bettelmönchen, den Domi-nikanern, den Franziskanern, durch das ganze Spät-

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7.106 Deschner Bd. 8, 35Auch der niedere Klerus bediente sich

mittelalter um die Pfarrechte, die »Seelsorge«, denSonntagsgottesdienst, die Sakramentenspendung, diePredigt. Sie befehdeten sich noch von den Kanzelnherab, besonders um das Beichthören, doch auch umBegräbnisse, da die Mönche Pfarrmitglieder, die dieswünschten, auf Klosterfriedhöfen begruben. DerPfarrklerus verlangte deshalb von den Angehörigenaller auf einem Mönchsfriedhof Bestatteten das »Ulti-mum vale«, angeblich 10 bis 50 Gulden. (Schon dieirische Kirche der Frühzeit strich Begräbnisgebührenein bis zum Wert einer Kuh.) Mittellose ließen man-che Pfarrer mitleidlos verscharren. Andrerseits sollenselbst von Armen große Summen erpreßt und derenTote nicht vor Erfüllung der Forderungen beerdigtworden sein. Schließlich verbot der Straßburger Ma-gistrat 1286 den Bürgern den Sakramentenempfang inder Dominikanerkirche; ja, im nächsten Jahr mußtendie Mönche wegen »Erbschleichern« an Pfingsten dieStadt verlassen. »Der verbissene Krieg dauerte biszum Vorabend der Glaubensneuerung« (Pfleger).

In Italien war das nicht anders. Auch da tobte häu-fig zwischen Klöstern und Klerikern der schönstePriesterstreit, Streit um Kirchen, um Zehnten, um Pro-zessionen und Oblationen – plünderten etwa dieWeltgeistlichen von Badagio den Besitz der Mönchevon S. Victor in Mailand; entwendeten ebendort dieMönche von S. Ambrogio den Kanonikern von S.

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7.107 Deschner Bd. 8, 36Auch der niedere Klerus bediente sich

Ambrogio die Opfergaben und raubten die geistlichenHerren aus; fielen um die Mitte des 9. Jahrhundertsder Bischof Helibert von Como, der Erzbischof Guidovon Mailand, der Bischof von Bologna u.a. überMänner- und Frauenklöster her und zerstörten sie;prozessierte im 10. Jahrhundert die Abtei Montecassi-no gegen den Bischof Landenulf von Lucera umGrundbesitz in Benevent; entzogen unter AlexanderIII. der Bischof und die Kanoniker von Fiesole demKloster Passignano seine Besitzungen und Rechte inFigline. Man könnte so fast endlos weiterfahren.

Nicht zuletzt aber balgte man sich auch im Landdes Papstes immer wieder um die Einnahmen ausSterbefällen. Die Gläubigen mußten den Beerdigungs-platz verbriefen, mußten als Käufer oder Pächter einesGrundstücks garantieren, Bewohner neu zu erbau-ender Häuser nur da und da begraben zu lassen. Pfarr-kirchen rangen mit Klosterkirchen um »Kunden«, undfortwährend führte man Prozesse, die mitunter sogarbei Beerdigungen zu Handgreiflichkeiten gerieten. ImHochmittelalter überfielen die Geistlichen der Pfarr-kirche von Poggibonsi den Leichenzug einer Frau, diedort bei den Mönchen von S. Michele das JüngsteGericht abwarten wollte; mit Steinen jagten die Prie-ster die Mönche in die Flucht; schließlich mußte derWitwer die Tote allein nach S. Michele schleppen. InFigline stürzten sich die Kleriker von S. Segnore auf

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7.108 Deschner Bd. 8, 37Auch der niedere Klerus bediente sich

einen Trauerzug, erbrachen den Sarg und schafften dieLeiche in ihr »Gotteshaus«.

Man raufte aber nicht nur um Leichen, sondernauch um schon Begrabene. Der Abt von Montescalariprozessierte mit dem Pfarrer von Cintoja um Gebeine,die er schließlich ausgraben und nach seinem Klosterüberführen durfte. Der Rektor von Santa Maria No-vella in Florenz stritt mit dem Prior von San Paolound drang auf Herausgabe der Reste von drei Män-nern und fünf Frauen, worauf sein Gegner auf Rücker-stattung anderer Toter insistierte. Blieben indes auchLeistungen und Wünsche – auf allen Ebenen – oft un-vollständig und unbefriedigt, der Ausbeutungsmecha-nismus an sich war perfekt.

Von der religiösen Versorgung läßt sich das kaumsagen. Der Klerus war daran wenig interessiert, zumwenigsten der hohe, »denn die damit verbundenenAufgaben wurden nicht selbst vollzogen, nur die Ge-bühren eingezogen; schlecht bezahlte Vikare solltendie Arbeit tun« (Kolmer):

Die Päpste halfen bei Erhebung des Servitiums mitstrengsten Kirchenstrafen unerbittlich nach. So beleg-te der Heilige Stuhl am 5. Juli 1328 wegen unerfüllterVerbindlichkeiten nicht weniger als 36 Erzbischöfeund Bischöfe (darunter sieben deutsche) sowie 46Äbte (darunter drei deutsche) mit Bann, Suspensionund Interdikt. Nicht einmal der Tod des Schuldners

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7.109 Deschner Bd. 8, 37Auch der niedere Klerus bediente sich

konnte da retten – der Nachfolger mußte für ihn ein-springen, den ausstehenden Rest berappen: BischofAdemar von Metz außer seinem eigenen Servitiumvon 6000 Gulden noch für die beiden Vorgänger8000 Gulden, und starb 1361, ohne sie beglichen zuhaben; Bischof Friedrich von Hohenlohe (der greise,im Bamberger Dom so edel verewigte Haudegen) beider Bistumsübernahme 1344 noch die Servitienschul-den der vier Vorgänger, mehr als das Doppelte deseignen Debets.25

Ähnlich stand es um die Vergabung der höherenund niederen Pfründen an der Kurie. Albert Hauckkennt kaum Aktenstücke, die schwerere Anklagengegen die kirchliche Verwaltung erhöben, als die so-genannten Suppliken. »Sie führen den schlagendenBeweis dafür, daß bei der Verleihung geistlicher Stel-len am päpstlichen Hofe sachliche Gesichtspunktenicht in Betracht kamen.« Johann XXII. ließ sich al-lein in seinem ersten Amtsjahr rund 3000 Ernennun-gen (Benefizien) bezahlen.

Das Vermögen von Klerikern, die kein Testamenthinterließen, zogen die Päpste einfach ein (ius spolii,ius exuviarum). So holten sie sich die Hinterlassen-schaft des Bischofs Gerard von Basel, des Erzbi-schofs Friedrich von Riga, des Erzbischofs Wilhelmvon Gennep, Köln, des Erzbischofs Ortolph vonWeisseneck, Salzburg usw. Schließlich reservierte

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7.110 Deschner Bd. 8, 37Auch der niedere Klerus bediente sich

sich Urban V. (S. 139 ff.) den Nachlaß aller Bischöfe,Äbte, Dekane, Pröpste und Rektoren. Dies Spolien-oder Heimfallrecht, auch »Rips-Raps-Recht« genannt,erreichte zur Zeit des avignonesischen Papsttums sei-nen Höhepunkt.26

Verwandt mit den Servitien waren die Annaten,»Jahresgelder« eines Amtes. Ursprünglich Geschenkeeines neuen Pfründeninhabers an den Bischof, meistdas erste Jahreseinkommen (fructus primi anni, anna-lia), wurden sie dann vom Papst beansprucht und ihmauch zugeteilt, seit dem 14. Jahrhundert von allenPfründen.

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7.111 Deschner Bd. 8, 38Nuntii et collectores

Nuntii et collectores

Nicht zufällig kam es während des Exils von Avignonzu einer starken Vermehrung der Annaten, die geradedamals »einen außerordentlich hohen Ertrag« abwar-fen (Grisar), sowie zur Intensivierung kurialer Steuer-politik im Abendland überhaupt.

Dabei legten die Heiligen Väter auf die Eintreibungihrer Beute natürlich das größte Gewicht. Seit Beginndes 13. Jahrhunderts entsandten oder autorisierten siebesondere Kuriere, Einnehmer, die mit der Apostoli-schen Kammer (S. 22 ff.) kontaktierten. Sie hatten diediversen Objekte allerwärts zu verzeichnen, einzu-schätzen und die mehr oder weniger sprudelndenQuellen abzuschöpfen. Da sie viele Länder heimsuch-ten, auch diplomatisch tätig waren, kurz »in alle Ver-hältnisse hineinschnüffelten« (Grupp), ist es durchausdenkbar, daß sich aus ihrem Geschäftsbereich dieNuntiaturen entwickelten, bei denen es ja auch um»alle Verhältnisse« geht, nicht zuletzt immer wiederum Geld.

An der Spitze der »nuntii et collectores«, worausschon ihre Bedeutung erhellt, stand als Generalkollek-tor meist ein Erzbischof oder Bischof, dem Kollekto-ren, meist ebenfalls Bischöfe, unterstanden, wie die-sen dann Subkollektoren, hauptsächlich die eigentli-

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7.112 Deschner Bd. 8, 39Nuntii et collectores

chen Kassierer, doch fast stets auch Kleriker in höhe-ren Rängen, manchmal wieder assistiert von noch un-tergeordneteren Beauftragten. Die gesammelten Gel-der wurden in Sakristeien der Kirchen sowie in Klö-stern in Säcken und Truhen versiegelt, die Fischzügeder Jünger Christi, die meist mit kostspieligem gro-ßem Gefolge und Geleitschutz reisten, entsprechendbelohnt. Von einem Einsammler wissen wir, daß ihmPapst Johann XXII. täglich drei Goldgulden als Ge-halt bewilligte, ein anderer erhielt die Einkünfte einesJahres von einer vakanten Pfründe, ein weiterer emp-fahl sich der geneigten Erinnerung seines Herrn – undwurde Bischof von Münster.

Das Einziehen der Gelder war alles andre als pro-blemlos, es kam zu Klagen über Klagen. Pfründenbe-sitzer gaben keine Auskunft über den Ertrag ihrerStellen. Andere Benefiziaten und ganze Kirchen wei-gerten sich, die Steuern zu entrichten; »ein anderesMal nahm der weltliche Herr des Ortes die Einkünftein Beschlag, und der Kollektor wagte nicht, gegendenselben vorzugehen; bald waren es Kriege und Feh-den, bald ungünstige Witterung, welche die Einkünftezum Teil vernichtet hatten ... Konnte der Inhaber einersteuerpflichtigen Pfründe nicht gleich bezahlen, oderwar er wegen eines Prozesses um deren Besitz nichtgleich dazu verpflichtet, so wurde durch notariellenAkt eine Zahlungsverpflichtung (obligatio) aufgenom-

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7.113 Deschner Bd. 8, 39Nuntii et collectores

men, und er mußte genügende Bürgschaft stellen«(Kirsch).

Man zahlte nicht nur nicht gern bei der Eintrei-bung, man schwindelte auch. Und ist ein Schwindelnicht des andern wert? Bei einer – nach dem Gewichtgelieferten – Einnahme aus dem Bistum Würzburgbefanden sich unter 540 Pfund Heller auch fast be-scheidene 17 Pfund Falschgeld.

Widerstand gegen die Kassierer war häufig, undnicht zuletzt sträubten sich manche Bischöfe. Manging dann mit Zensuren, Strafen, Prozessen, mit Ex-kommunikation und Interdikt vor. Kein Wunder, daßdie päpstlichen Büttel stets unter starker Bedeckungreisten. Trotzdem wurden mehrere überfallen, ausge-plündert, andere gefangengehalten, oft auch die Botenund Bevollmächtigten der Kollektoren verprügelt, be-raubt, man drohte sie zu ertränken, gelegentlich zogensie verkleidet durchs Land oder verschwanden ganz.

Mancherorts war die Renitenz allgemein.In der Trierer Kirchenprovinz verzichtete um die

Mitte des 14. Jahrhunderts ein Sammler aus Todes-angst auf sein Amt. Einem zweiten schlug man dieHand ab, ein dritter wurde gehängt, 1368 auch einEintreiber im Münsterland umgebracht, ein Chorherrvon Dülmen, ein Jahr früher in Franken der General-kollektor Bertrand de Macello samt Gehilfen gefan-gengesetzt, in Würzburg wurden zwei Boten des

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7.114 Deschner Bd. 8, 40Nuntii et collectores

päpstlichen Kollektors Johannes Guilaberti im Domergriffen, im Main liquidiert. Schon zwei Hauptkol-lektoren Johanns XXII. waren auf dem Rhein überfal-len und restlos ausgeraubt worden. Anstoß erregte vorallem »die andauernde und rücksichtslose Forderungnach Geld« (Handbuch der Kirchengeschichte).27

Übergehen wir weitere Maßregeln kurialer Geld-schneiderei, diverse Verwaltungsgebühren, Kanzleita-xen, Bullentaxen (obventiones oder emolumentumbullae), Gnadenbriefe, Visitationsgebühren, Prozeß-gebühren, Interkalarfrüchte (fructus medii), Reserva-tionen, Expektanzen, die oft so fraglichen Anwart-schaften auf frei werdende Pfründen, ferner Zinsen,Rekognitionszinsen, Subsidien, Dispense von Irregu-laritäten, zu naher Verwandtschaft etwa, unehelicherGeburt, Strafgelder, Bußgelder, Schmier- und Beste-chungsgelder, alle erdenklichen Sonderabgaben –»Wer nicht zahlte, wurde schnell exkommuniziert«(Kolmer).

Wenden wir uns statt dessen wenigstens noch denKreuzzugszehnten zu, die gerade im 14. Jahrhunderthäufig waren.

Mit Kreuzzugszehnten finanzierte man bekanntlichnicht nur die Kriege gegen Sarazenen, sondern auchgegen Christen, beispielsweise gegen die Staufer oderdie zur Wiedereroberung des Kirchenstaates. Oft wur-den sie völlig zweckentfremdet, dem Gusto der Päpste

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7.115 Deschner Bd. 8, 40Nuntii et collectores

gemäß. So der unter Gregor X., einem eifrigen Kreuz-zügler (VII 349 ff.), beschlossene sechsjährige Kreuz-zugszehnt. Der Kreuzzug kam nie zustande, aber derPapst sprach einen Teil des Geldes Philipp vonFrankreich zu – wie denn die französischen Königeüberhaupt die meisten dieser Zehnten erhielten, undzwar ohne Rechenschaft über ihren Verbrauch gebenzu müssen, wenn es nicht zum Kreuzzug kam –, und12000 Mark davon bewilligte er Rudolf von Habs-burg für seinen Zug nach Rom (VII 349 ff).

Die Päpste Johann XXI. und Nikolaus III. verfuh-ren entsprechend. Martin IV. steckte Kreuzzugsgelderin seinen Kampf um Sizilien und zur Eroberung Ara-gons. Clemens VI. gewährte Frankreich im Konfliktmit England nicht nur Anleihen, Zehnten, Subsidien,sondern auch Kreuzzugsgelder »in jeweils sehr hohenBeträgen« (Handbuch der Kirchengeschichte). Auchdie begehrlichen Fürsten wurden an Kreuzzugssteuernbeteiligt, worauf sie freilich (ab bove majori ...) »oftgenug dem schlechten Beispiel der Kurie folgten unddiese Mittel ungeachtet ihrer Kreuzzugsversprechenfür andere Zwecke verwandten« (Seppelt). Schließlichhatte Bonifaz VIII. schon einen Zehnt einfach für denBedarf der römischen Kirche verlangt. Clemens V.forderte einen sechsjährigen Kreuzzugszehnt ein, undobwohl aus dem Kreuzzug nichts wurde, schrieb Jo-hann XXII. neue Kreuzzugszehnten aus. Als aber

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7.116 Deschner Bd. 8, 41Nuntii et collectores

keine Kreuzzüge mehr zustandekamen, holte man sichZehnten zum Kampf gegen die Türken und für sonsti-ge Bedürfnisse.28

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7.117 Deschner Bd. 8, 41»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papstzu sein«

Der gewaltige Schatz, den Clemens' VI. Vorgängerangehäuft, zumal Johann XXII. (VII 476 ff.), war inwenigen Jahren verbraucht. Und dies obwohl derPapst den Ausgaben durch Neuorganisation des Ap-parats, Erweiterung des kurialen Fiskalismus (wobeizusätzliche Ämter natürlich auch zusätzliche Kostenverursachten), durch Steigerung der Einnahmen zu be-gegnen suchte, durch Ausbeutung des Klerus wie derLaien, was die Christenheit weithin erregte; besondersauch infolge der enormen Zunahme des Provisions-und Expektanzenwesens, der Reservationen, der mitZahlungen verbundenen papalen Stellenbesetzung,wogegen sich dann die Reformkonzilien des 15. Jahr-hunderts wenden. Allein die erzbischöflichen StühleDeutschlands wurden während des Exils an derRhone sechsunddreißigmal neu besetzt, darunter dasBistum Bamberg zehnmal; 1344 hatte sein neuer Bi-schof noch Außenstände für vier Vorgänger mitzube-zahlen.

Clemens' Kammer, die höchste päpstliche Finanz-behörde, ehrwürdig »camera apostolica« benannt –obwohl ja die Apostel das Evangelium umsonst ver-künden sollten, »kein Gold, kein Silber, kein Kupfer-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.118 Deschner Bd. 8, 42»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

geld« (Mt. 10,10; Mk. 6,8; Lk. 9,3; 10,4), lang ist'sher –, Clemens' Kammer kassierte schon bei seinemAmtsantritt die an der Kurie erledigten oder sonst re-servierten Benefizien auf zwei Jahre, und Clemenswiederholte dies regelmäßig.

In England – nirgends, sagt Ranke, hatten die Päp-ste »größeren Einfluß gehabt, mit den Pfründen will-kürlicher geschaltet« – führte die Praxis dieser Geld-einziehung schon 1343 zur Empörung. Allein dieSummen für dem Erwerb vakanter Pfründen, so prote-stierte das Parlament an der Themse, überstiegen dieEinkünfte des Königs um das Fünffache! Auf Vorhal-tungen erklärte Clemens: »Predecessores nostri nesci-verunt esse papa« (Unsere Vorgänger verstanden esnicht, Papst zu sein). Well roared, lion.29

Dabei verurteilte er, wie so viele Päpste, laufendDinge, die er selber trieb – wie in puncto sexti, soauch pekuniär gesehen. 1344 bekundete er dem Pra-ger Bischof Arnest tiefen Abscheu vor den vielenMinderjährigen in seiner Diözese, denen durch Ge-walt oder Geld kirchliche Benefizien beschafft wor-den waren. Der nämliche Papst aber hatte erst kurzzuvor in Frankreich fünf Kindern ein und derselbenFamilie – elf, zehn, neun, acht und sieben Jahre alt,die Dispens zur Übernahme von Domherrenstellenund sonstigen Pfründen erteilt. Doch da man ihn inBöhmen offenbar finanziell übergangen, befahl er

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7.119 Deschner Bd. 8, 42»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

jetzt Bischof Arnest, die Minderjährigen abzusetzen,sie zu zwingen, sich mit der päpstlichen Kammerüber alle Einkünfte zu verständigen und, nachdemman sie genügend ausgenommen, wieder in ihreÄmter einzuführen.30

Natürlich gab es noch andere Erwerbsmethoden.In Erinnerung an den großen Segen des anno 1300

von Bonifaz VIII. geschaffenen Heiligen Jahres,wobei die Priester Tag und Nacht mit Rechen dasGeld einstrichen (VII 397), erlaubte jetzt auch Cle-mens ein solch besonderes Jahr. Ursprünglich zwarsollte es nur je zur Jahrhundertwende stattfinden, aberschon am 27. Januar 1343 rief der Papst in der Bulle»Unigenitus« für 1350 ein neues »Jubeljahr« mit rei-chen Ablässen unter Berufung auf Mose aus.

Dabei faßte Rom die Pilger gar nicht; kein Wun-der. Statt zwei Millionen Menschen in heidnischerZeit, bewohnten es jetzt 17000, höchstens 20000. DieStraßen verwüstet, die Paläste zertrümmert, überallSpuren des Bürgerkriegs. Kühe weideten in Kirchendas Unkraut ab, selbst in St. Peter grasten die Schafe.Wie die Stadt, ruiniert, verarmt, nach tausendjährigerPapstherrschaft nur ein welthistorischer Schuttplatznoch, im »Jubeljahr« aussah, schildert Petrarca, dersie – zum fünften Mal – im Herbst 1350 wiedersah.»Die Häuser liegen nieder, die Mauern fallen, dieTempel stürzen, die Heiligtümer gehen unter, die Ge-

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7.120 Deschner Bd. 8, 43»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

setze werden mit Füßen getreten. Der Lateran liegt amBoden, und die Mutter aller Kirchen steht ohne Dachdem Winde und dem Regen offen. Die heiligen Grä-ber der Apostel Petrus und Paulus wanken, und wasder Tempel der Apostel war, ist ein gestaltloserTrümmerhaufen, selbst steinerne Herzen zum Mitleidrührend.«

Das alles aber tat dem Festgepränge so wenig Ab-bruch wie die Pest (VII 435 f.), die vielmehr die Kir-che, wie jedes Menschenunglück, nur noch reichermachte, da ihr nicht wenige Infizierte vor lauter Höl-lenängsten Hab und Gut hinterließen. So machte St.Germain l'Auxerrois in Paris, nach 78 Erbschaften inden vorausgehenden acht Jahren, jetzt 49 Erbschaftenallein in neun Monaten. Und Siena setzte im Herbst1348 seine Zuwendungen an kirchliche Vereine fürzwei Jahre aus, weil diese durch Vermächtnisse »soimmens reich und wahrhaftig fett geworden«.

In Lübeck legten die Christen 1347 ihre Schätzeauf den Altarstufen nieder. Auch warfen sie ihr Geldden ängstlich sich einschließenden Religiösen überdie Mauer. In Augsburg stiftete man im 14. Jahrhun-dert so viel für Altäre, Glocken, Messen, daß derSenat zugunsten der rechtmäßigen Erben eintretenmußte. Nach Jakob Twinger von Königshofen, demgeistlichen Chronisten Straßburgs, wurden dort 1381»die Kirchen all so rich, das men die alten Kirchen ...

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7.121 Deschner Bd. 8, 44»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

abbebrach und nuwe witer Kirchen dar machte.«Im übrigen gab der Klerus damals und noch im 18.

Jahrhundert, als 1720 die Seuche in Marseille gras-sierte, diese selbstredend als Gottesstrafe aus, alsFolge allerhöchster Verärgerung durch Theater, Oper,Kleiderluxus, durch die zumal in Frankreich en voguegewordenen, geil nach oben zugespitzten Schnabel-schuhe (in Deutschland Kraniche genannt).

Gottes Stellvertreter indes tröstete teilnehmend denwegsterbenden Anhang, verhieß weitgehende Indul-genzen und erteilte besonders den auf der Reise zurrömischen Jubelfeier 1350 ins Gras Beißenden »völli-gen Ablaß ihrer Sünden«, ja befahl den Engeln, »ihreSeelen sofort ins Paradies zu tragen ...« Und das inTagen, da man witzelte: Gott will den Tod des Sün-ders nicht, sondern daß er lebe und zahle ...

Heiligkeit persönlich eilte gleichwohl nicht nachRom, trotz all der dort aufgebotenen Gnadenschätze.Auch nirgends unterwegs ließ sie sich blicken, garnicht scharf offenbar auf Engelflug und Paradieses-wonnen. Auch nicht in der Grafschaft Venaissin,sonst auf pompösen Jagden oft durchstürmt, wurdeder wilde Weidmann gesichtet, nicht einmal in Avi-gnon: Tausende von Häusern nun zugenagelt, vier-hundert Tote, heißt es, täglich. Auch neun Kardinälestarben; auch Petrarcas mächtiger Gönner GiovanniColonna starb; auch seine Geliebte Laura verschied

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7.122 Deschner Bd. 8, 44»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

am Morgen des 6. April 1348 – falls sie denn, seitBocaccio bezweifelt, je gelebt hat. Die Inquisitionfreilich ruhte auch zur Zeit des »Schwarzen Todes«nicht. Im Pestjahr 1348 verbrannte, unweit von Avi-gnon, der Erzbischof von Embrun, de Sarrats, zwölfWaldenser vor der Kathedrale.

Clemens VI. aber saß, während die Seuche siebenMonate lang die Papststadt verheerte, in einem Spezi-algemach, einer Art hohepriesterlicher Isolierstation,saß von aller Welt hermetisch abgeschirmt, durchgroße Feuer rings bewehrt, gefeit zudem vermittelseines wunderherrlichen Smaragds: Gegen Mittag ge-halten, schwächte er die Kraft des Gifts, gegen Mor-gen gehalten die Ansteckungsgefahr – Herr, welchwunderbares Gottvertrauen!31

Die neuen Heils- und Geldströme flossen indes, ge-rade noch rechtzeitig gefördert durch Clemens' Lehrevom »infinitus thesaurus ecclesie« (1348), ganz ge-waltig fort. Und mußte man zuerst nach Rom zu denBasiliken der Apostelfürsten pilgern, um all die gro-ßen Gaben zu erlangen, so gestattete der HeiligeVater jetzt gütig den Bewohnern Mallorcas das Ge-winnen des Jubiläumsablasses zu Hause – gegen Zah-lung von 30000 Gulden an ihn.

Die Sache machte Schule.Das nächste gnadenbringende Jubeljahr fand nicht

mehr nach fünfzig, sondern nach vierzig Jahren unterKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.123 Deschner Bd. 8, 44»Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu ...

Bonifaz IX. statt, der viel Geld brauchte, nicht zuletztfür seine Kriege. Dann wurden die Intervalle nochkürzer, 33 Jahre und, seit Paul II. 1470, alle 25 Jahre.Schließlich boten auch konkurrierende Wallfahrtszen-tren (Montmajour, Lyon, Canterbury, Santiago deCompostela) Heilige Jahre an. Und überhaupt schös-sen gefälschte Ablaßangebote, zumal römischer Kir-chen, bald nur so aus dem Boden (VII 397).32

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.124 Deschner Bd. 8, 45Marsilius von Padua - »nie ein schlimmerer ...

Marsilius von Padua – »nie ein schlimmererKetzer« – und Tod von Kaiser und Papst

Clemens VI., bereits als Benediktiner Pierre Rogerein Intimus des französischen Königs – »Grandeamicó e protettapre del re Filippo« (Villani) – und zu-gleich Erzieher des böhmischen Prinzen Karl, deskünftigen Kaisers, war auch seit langem ein entschie-dener Gegner Ludwigs IV. des Bayern.

Insbesondere aber bekämpfte der Papst erbittertdessen literarische Mitstreiter, vor allem Marsiliusvon Padua, den einstigen Rektor der Universität vonParis, dem »Athen Europas«, mit damals schon mehrals fünfhundert Dozenten. Ein knappes Jahr nach sei-nem Amtsantritt äußerte Clemens in einer Rede am10. April 1343: »Wir getrauen uns zu behaupten, daßwir nie einen schlimmeren Ketzer gelesen haben alsdiesen Marsiglio.« Marsilius, der in seinem »Defen-sor Pacis« für die Souveränität des Staates focht (VII493 f.), bezichtigte die Päpste als Anzettler gottloserKriege, darin die Gläubigen mit »Haß und Bosheit imHerzen« sterben. »Ich will die Lügen dieser Bischöfeaufdecken«, rief er. »Seht ihr nicht die ungeheure Ver-gewaltigung, die alle römischen Bischöfe mit ihrenScharen von Geistlichen und Kardinälen ausüben, dienur ein Ziel haben, die Lügen ihrer Zauberbücher aus-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.125 Deschner Bd. 8, 46Marsilius von Padua - »nie ein schlimmerer ...

zusäen?«So nahm Clemens den Kampf seines Vorgängers

Johanns XXII. gegen den Bayern (VII 487 ff.) wiederauf, einen lebenslang religiösen Fürsten, den er all-sonntäglich in den Kirchen verfluchen ließ. Zwar setz-te er sich weiter mit ihm auseinander, doch nur umZeit zu gewinnen, und forderte am 12. April 1343 inder Bulle »Prolixa retro« seinen Verzicht auf die Kai-serwürde innerhalb von drei Monaten. Und nach neu-erlichen Schein Verhandlungen mit dem ihm entge-genkommenden, sich unterwerfenden Wittelsbacher –»er widerrief Alles, was er als Kaiser bisher verfügthatte« (Wetzer/Welte), war aber nicht bereit, dieRechte des Reiches zu mindern – holte er am Grün-donnerstag 1346 zum letzten Schlag gegen ihn aus.

Er verurteilte Ludwig jetzt endgültig, schmähte ihn»Ketzer«, »Antichrist«, erklärte ihn feierlich für ex-kommuniziert, abgesetzt, erklärte ihn für ehr- undrechtlos, auch seine Söhne und Enkel für unfähig zujedem kirchlichen wie weltlichen Amt. Und da Cle-mens seinen einstigen Zögling und Jugendfreund Karlschon länger als neuen Herrscher vorgesehen, dieserihm auch in Avignon Versprechungen über Verspre-chungen gemacht – mehr als jeder seiner Vorgänger,da Karl besonders das päpstliche Bestätigungsrechtbejaht, auch den Besitzstand des Kirchenstaates eid-lich verbürgt hatte –, forderte der Papst nun von den

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7.126 Deschner Bd. 8, 46Marsilius von Padua - »nie ein schlimmerer ...

Kurfürsten seine Wahl, die auch am 11. Juli 1346 zuRhens mit der Mehrheit von fünf Stimmen erfolgte.Mit dem neuen Gegenkönig aber und dessen einstwei-len nicht großen Chancen nahm Clemens einen neuenBürgerkrieg in Kauf, den nur Ludwigs IV. plötzlicherTod verhindert hat (VII 500 f.).33

Und fünf Jahre später starb auch der Papst.Kurz zuvor hatte er seinen Prälaten noch einmal ins

Gewissen geredet, als sie ihn drängten, die Bettelor-den aufzulösen. Und täte er's, sagte er, »was könnt ihrden Menschen predigen? Demut? Ihr seid der Stolzselbst, aufgeblasen, pompös, verschwenderisch.Armut? Ihr seid so habgierig, daß alle Reichtümer derWelt euch nicht zufriedenstellen könnten. Keusch-heit? Davon wollen wir schweigen, denn Gott weiß,was jeder von euch tut und wie viele von euch ihreLust befriedigen.«

Gewiß, ein redegewandter Pontifex. Doch wiemußte wohl die Moralpauke dessen wirken, der alldas, was er so versiert an seinem Klerus geißelte,selbst bis zum Exzeß getrieben, der selbst verschwen-derisch, selbst habgierig, selbst wollüstig wie nur ir-gendsonst ein geiler Bulle war?

Und genauso verpuffte sein Eintreten für die zurPestzeit von den Christen besonders gern geschlachte-ten Juden (VII 435 ff.!).

Im Jahre 1348 hatte er für sie, was ihn ehrt, inKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.127 Deschner Bd. 8, 47Marsilius von Padua - »nie ein schlimmerer ...

mehreren Erlassen Partei ergriffen (vgl. dazu VII 440ff.!), hatte er ihre Zwangstaufe verboten, ihre Berau-bung und Tötung ohne Gerichtsverfahren, auch dieMassaker als »schreckliche Dinge« mißbilligt undden Greuelmärchen über sie »keinerlei Plausibilität«zuerkannt. Was half's! Weit namhaftere Christen hat-ten die Judenhysterie seit der Antike geschürt. Undsollte man ausgerechnet auf diesen Hirten hören?!Schon im Januar 1349 wurde die ganze jüdische Ge-meinde von Basel lebendig verbrannt, im Februarauch die ganze jüdische Gemeinde von Straßburg(VII 437!), noch im selben Jahr die Judenschaft vonAntwerpen und von Brüssel ausgerottet etc.34

Clemens VI. starb nach kurzer Krankheit im De-zember 1352 und wurde in La Chaise-Dieu (ein ihmwahrhaft angemessener Name) bestattet. Zudem ruhteer, seinem Lebensstil gemäß, unter 44 Marmorsäulenund genoß so, zwar zurückgezogen, doch exklusiv,die ewige Ruhe bis 1562. Dann haben Hugenotten alldie Pracht demoliert und Clemens' letzte Reste ver-brannt.35

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7.128 Deschner Bd. 8, 492. Kapitel

2. Kapitel

Innozenz VI. (1352–1362)und der Beginn des

Hundertjährigen Krieges(1338–1453)

»Der Kreuzzug war zugleich das höchste Zieldes ernsten und frommen Papstes Innozenz VI.,der aus diesem Grunde so hartnäckig versuchthatte, zwischen Frankreich und England Frie-den zu stiften.«

Barbara Tuchman1

»Es sind jetzt mehr als tausend Jahre her, seitdiese Gebiete und Städte den Priestern ge-schenkt worden sind, und seit jener Zeit sind ih-retwegen die blutigsten Kriege ausgetragen wor-den, und trotzdem besitzen die Priester sieweder heute in Frieden, noch werden sie sie je-mals in Frieden besitzen können. Wahrlich, eswäre besser in den Augen Gottes und der Welt,wenn diese Hirten gänzlich auf die weltlicheHerrschaft (dominium temporale) verzichtenwürden: denn seit der Zeit Silvesters hatte dieweltliche Macht unzählige Kriege und die Ver-nichtung von Völkern und Städten zur Folge.Wie ist es möglich, daß nie ein guter Papst auf-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.129 Deschner Bd. 8, 492. Kapitel

getreten ist, der solche Mißstände abstellte, unddaß um dieser vergänglichen Besitzungen willenso viele Kriege geführt worden sind?«

Giovanni de' Mussi Chronik von Piacenza, um13502

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7.130 Deschner Bd. 8, 512. Kapitel

Innozenz VI., fünfter Papst in Avignon (das er miteinem Festungswall umschloß), entstammte wiederdem Limousin. Er war Rechtsprofessor und Richter inToulouse, 1338 Bischof von Noyon, 1340 von Cler-mont und seit 1342 durch seinen Vorgänger undLandsmann Clemens VI. Kardinal. Wie denn auch erdessen Nepotismus fortgesetzt, drei Verwandte zu Bi-schöfen, vier zu Kardinälen gemacht, überhaupt dieLimousiner begünstigt hat.

Die hl. Brigitta von Schweden, Hofmeisterin derKönigin, Mutter von acht Sprößlingen und schon alsKind von Visionen heimgesucht (von der Madonna,dem Gekreuzigten, satanischen Ungeheuern, die sieper Kruzifix verscheucht), lebte zur Zeit der Papst-wahl in Rom und begrüßte sie begeistert. Da Inno-zenz aber die Johanniter bedrängte, schlimmer nochdie Franziskaner-Spiritualen, deren mehrere er in Ker-ker, auf Scheiterhaufen schickte, selbst in Avignonverbrennen ließ, erkaltete die Glut der Empfängerinvon siebenhundert Offenbarungen als »Braut undSprachrohr Gottes«, und sie geißelte nun Innozenz alsVerfolger der Lämmer Christi.3

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7.131 Deschner Bd. 8, 52»Ketzer«-Jagden

»Ketzer«-Jagden

Während man die Reformbestrebungen des neuenPapstes zuweilen ungebührlich betont, übertreibt, be-achtet man kaum sehr seine »Ketzer«-Jagd. Und dochhatte er, ausgezeichnet durch einen starken »Gerech-tigkeitssinn und große Gewissenhaftigkeit« (Seppelt),alles verfolgen lassen, was damals zu verfolgen war:u.a. die Flagellanten, die Amalrikaner, die Anhängerdes versierten Pariser Dialektikers Amalrich vonBena, die man erstmals 1210 verbrannte, die Beghar-den, von Zeitgenossen auch Lollarden genannt, dieCelliten, Matemanen, die nach den evangelischen Ge-boten leben wollten; ferner die ja auch schon früherobservierten Fraticellen, die Franziskanerspiritualen,die weithin missionierten, die Päpste aber weithin als»Sendboten des Satans« jagten; so Clemens VI. 1344noch in Armenien, in Persien, so 1375 Gregor XI., inÄgypten, Syrien und Asien.4

Bereits zu Beginn seiner Regierung ließ Innozenzzwei in Montpellier verhaftete toskanische Fraticellenvor sich bringen und schickte sie, da sie ihre »Ketze-rei«, die Päpste seien nicht Leiter der wahren Kirche,unerschrocken bekannten, ins Feuer. Kurz zuvor hatteman auch in Avignon einige Fraticelli verbrannt. Undweitere hielt der Papst jahrelang gefangen mit den üb-

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7.132 Deschner Bd. 8, 52»Ketzer«-Jagden

lichen Folgen (vgl. VII 261 ff.).In Deutschland ernannte Innozenz den Bruder Jo-

hann Schadeland zum Inquisitor, befahl 1353 denObrigkeiten, ihre Kerker der Inquisition zu überlas-sen, und den Bischöfen, den Inquisitor »auf jedeWeise zu unterstützen«.

Ebenso drängte er 1355 in England gegen die Hä-retiker, gleichfalls später in Spanien, wo er den pro-venzalischen Inquisitor Bernhard du Puy ermächtigte,überall die Hilfe der weltlichen Behörden zu erzwin-gen. Auch wies er die Könige von Aragon und Kasti-lien an, Bernhard jeden Beistand zu leisten, ja hetztenoch auf der Krim den Bischof Konrad von Caffagegen missionierende Fraticellen und gebot ihre Un-terdrückung »unter Anwendung des Inquisitionsver-fahrens« (Lea).5

Stets beliebt war die Entmachtung politischer Geg-ner durch ihre Verketzerung.

Als sich beispielsweise die Manfredi von Faenza,eine oberitalienische Familie vielleicht germanischenUrsprungs, der päpstlichen Territorialpolitik in derRomagna widersetzten, exkommunizierte sie Inno-zenz zunächst. Und da die Manfredi nicht zu Kreuzekrochen, erklärte sie der Papst am 10. Oktober 1354als ungehorsame »Ketzer« all ihrer Güter und Ehrenfür verlustig, ließ den Patriarchen von Grado dasKreuz gegen sie predigen und stachelte auch den un-

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7.133 Deschner Bd. 8, 53»Ketzer«-Jagden

garischen König Ludwig I. »den Großen« auf, füreinen dreijährigen Zehnten aus seiner Landeskirchedie »Söhne der Verdammnis« zu vernichten. Derfromme Fürst, schon durch seine Rachezüge gegenJohanna, die Königin Neapels, hervorgetreten (S. 16f.), schockte das Land erneut, als er jetzt mit vierzig-tausend Ungarn die Manfredi unterwar f. 1405 wurdeihr bedeutendster Sproß Astorgio auf Befehl der Kar-dinallegaten Baldassare Cossa enthauptet und das Ge-schlecht ein Jahrhundert später durch Cesare Borgia,Alexanders VI. Sohn, endgültig entmachtet.6

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7.134 Deschner Bd. 8, 53Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

Kardinal Albornoz – das Genie seiner Heiligkeit

Innozenz' VI. »Großtat« war die Rückeroberung desfreilich schon durch Krieg (und Betrug) geschaffenenKirchenstaates (IV 13. Kap.! u.a.). Dies geschahindes nicht durch ihn selbst, sondern durch den kasti-lischen Granden Aegidius oder Gil d'Albornoz, denzweiten Begründer des italienischen Pfaffenreichs,von Gregorovius als »der genialste Staatsmann« ge-feiert, »der je im Kollegium der Kardinäle« saß.

Um 1300 in Cuenca geboren, wuchs der Verwandteder kastilischen Könige wahrscheinlich am Hof vonZaragoza auf unter der Vormundschaft erst des Erzbi-schofs Jimeno de Luna, seines Onkels, dann des Bi-schofs Pedro López de Luna, seines Vetters. BeimTod des Onkels folgte er diesem auf dem Stuhl vonToledo und als Kanzler von Kastilien. Als Botschaf-ter König Alphons' XI. erwarb Albornoz diplomati-sche Erfahrungen in Avignon; juristische beim Erlaßdes Stadtrechts von Alcalá sowie der Gesetzessamm-lungen von Toledo und Sevilla; und militärische alspäpstlicher Legat beim Kreuzzug gegen die Mauren(die Meriniden, eine geistig-kulturell hochverdienteBerberdynastie) sowohl Ende Oktober 1340 in derSchlacht vor Tarifa am Salado, wo seine persönlicheTapferkeit den Sieg gesichert haben soll, wie 1344

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7.135 Deschner Bd. 8, 54Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

bei der Einnahme von Algeciras.7Am 30. Juni 1353 ernannte Innozenz den Spanier

zu seinem Gesandten in Italien und zum Vikar für denarg zerrissenen Kirchenstaat, im Süden mehr vomgrundherrlich lebenden Adel beherrscht, im Nordenvor allem von erstarkten Städten. Der Legat sollte dieder papalen Kontrolle entglittenen Gebiete wieder re-organisieren; ein Kriegszug, der ungeheure Summen,im Jahresdurchschnitt 40 Prozent des päpstlichenHaushalts, verschlang und Innozenz überdies nötigte,im November 1358 Teile seines Schatzes zu veräu-ßern, kurz, eine »Befriedung«, die die Finanzen desPapstes »an den Rand des Ruins brachten« (Lexikonfür Theologie und Kirche).8

Mit großen Vollmachten und kleinem Heer schick-te Innozenz seinen Kardinal in den Krieg. Ausgestat-tet mit Verhandlungskunst und »hervorragenden mili-tärischen Talenten« (Kardinal Hergenröther) gewannAlbornoz den schon fast verlorenen Kirchenstaat zu-rück durch »glänzende Feldzüge« (Kelly) und die Er-richtung zahlreicher Zwingburgen, »Stützpunkte zurNiederwerfung lokaler Aufstände« (Handbuch derKirchengeschichte), durch Unterjochung der dortigenHerren.9

Da gab es zum Beispiel die Präfekten von Vico.Im 12. Jahrhundert war das römische Präfektenamt,

die Würde des Praefectus Urbis, vordem lange vonKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.136 Deschner Bd. 8, 55Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

verschiedenen Sippen bekleidet, in dieser Familie er-blich geworden. Allmählich erweiterte sie ihre Grund-herrschaft Vico, ein heute verschwundener Ort an demgleichnamigen kleinen See nördlich von Rom, durchKauf und Raub und errichtete oder erwarb in der Tus-cia romana eine große Zahl von Kastellen. Im 14.Jahrhundert wurden die Präfekten von Vico bei dergrassierenden politischen Instabilität und Gewalttätig-keit auch zu Signoren in Viterbo (durch Brudermord1338), in Orvieto und zu Kontrahenten der Kirche,bis Kardinal Albornoz 1354 den mächtigen Johannvon Vico mit zehntausend Römern sowie den Trup-pen von Florenz, Siena und Perugia nach beträchtli-chen Verlusten bezwang.10

Antipäpstlich war auch das mittelitalienische HausMontefeltro, zumindest die traditionell kaisertreueHauptlinie. Unter den Fittichen der Staufer und alsderen Kriegstruppe zunehmend erstarkt, bekämpfteGuido da Montefeltro, ein hochbefähigter Condot-tiere, schon im späten 13. Jahrhundert den in der Ro-magna expandierenden Papst und besiegte am 1. Mai1282 bei Forlí seinen »blutigen Haufen« (Dante).Dann aber, in die Enge getrieben, exiliert, exkommu-niziert, kroch er am Ende seines Lebens zu Kreuz, jawurde Franziskaner (VII 360, 390).

Von Forlí aus, einem Zentrum verbannter Ghibelli-nen, Zufluchtsort Dantes, widersetzten sich auch die

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7.137 Deschner Bd. 8, 55Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

Ordelaffi dem geistlichen Regiment, am entschieden-sten Francesco II., ein geschworener, bei seinen Un-tertanen enorm beliebter Pfaffenfeind, in der Romagnader mächtigste Opponent des spanischen Kardinals,der ganz Italien gegen ihn zum Kreuzzug aufrie f.11

Und mit den Ordelaffi widerstrebten die MailänderVisconti dem Papst, eine alte, wahrscheinlich auf ka-rolingische Zeit zurückgehende, nicht von ungefährdie Viper im Wappen führende Familie. Im Spätmit-telalter durch eine ausgeklügelte Heiratspolitik mitden Spitzen des europäischen Hochadels versippt,war sie, nach Gregorovius, reicher als alle FürstenEuropas.

Hauptgegenspieler der Kurie: Bernabò Visconti(1323–1385). Ursprünglich für eine kirchliche Kar-riere bestimmt, führte der Neffe eines gleichfalls krie-gerischen Kirchenfürsten immer wieder von neuemverbissen gegen die Kirche Krieg. Doch nachdem erseiner angetrauten Regina della Scala siebzehn Kin-der gemacht, ihr auch die Kirche S. Maria della scalaerbaut hatte, kerkerte ihn sein Neffe und Schwieger-sohn Gian Galeazzo Visconti, der erste Herzog Mai-lands, zu guter Letzt ein, und Bernabò starb 1385 ent-weder an den Haftfolgen oder Gift, an dem ja auchBruder Matteo II. schon gestorben – »wahrscheinlichdurch Bruderhand ...« (Vaglienti).12

Gegen Bernabò Visconti hatte Kardinal AlbornozKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.138 Deschner Bd. 8, 56Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

seine gefährlichsten Schlachten zu schlagen, und zurUnterstützung des Legaten wurde bald Cola di Rienzogesandt. Aus einfachsten Verhältnissen, als Sohneines Schankwirts und einer Wäscherin zum Notaraufgestiegen und infolge umfassender Bildung auchvon Petrarca bewundert, zählt dieser römische Revo-lutionär und Humanist (1313–1354) zu den seltsam-sten Gestalten des Jahrhunderts.

Kraft seiner mitreißenden Reden wurde di Rienzo –bis heute mitunter Demagoge, Phantast, Psychopath,Tyrann geschmäht – zum Sprachrohr einer wohlha-benden bürgerlichen Schicht Roms, der sogenanntencavalerotti. Als Tribun des Volkes widerstand er lei-denschaftlich der Brutalität der Barone, an deren Stel-le er ein »gutes Regiment« setzen wollte, den Beginneiner von göttlicher Gerechtigkeit geleiteten Gemein-schaft. Viele hohe Adlige der Stadt bezahlten denKampf gegen ihn mit dem Leben, darunter mehrereColonna.

Über Rom hinaus aber erstrebte der Tribun die Ita-lia una, die nationale Einigung des ganzen Landesunter römischer Führung. Dabei verband seine frap-pierende Utopie die lokale mit der imperialen undchristlichen Romidee, erwartete er vom Kaiser eineReinigung der Kirche. Karl IV. freilich nahm ihn nachseiner Ankunft in Prag 1350 fest und überstellte ihnzwei Jahre später Clemens VI., der sich wiederholt

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7.139 Deschner Bd. 8, 56Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

die Übergabe ausbedungen. Doch Nachfolger Inno-zenz wollte mit Hilfe des Tribuns Rom gewinnen;eine fürchterliche Fehlkalkulation.

Je nach Bedarf wurde Rienzo, persönlich fromm,durchaus kirchlich gesinnt, zum Ritter des Hl. Geistesgeweiht, zum Familiären des Papstes ernannt, vondessen Vikar in Rom, Bischof Raimund von Orvieto,kurz, von der Kirche gefördert und als Reformatorproklamiert. Sein offizieller Titel: »Candidatus Spiri-tus Sancti miles Nicolaus severus et clemens, libera-tor Urbis, zelator Italiae, amator orbis et TribunusAugustus«. Indes wurde der Gefeierte auch exkommu-niziert, als »Ketzer« verdächtigt, aller Ämter undWürden für verlustig erklärt, zwar von Albornoz wie-der zum Senator erhoben, doch abermals im Stich ge-lassen und, nach einem neuen Tribunat von bloß neunWochen, vergeblich verkleidet, im Oktober 1354Opfer einer Lynchjustiz; sein Körper wurde »wie einSieb« durchlöchert, durch Rom gezerrt, wobei derKopf abriß, und schließlich verbrannt.13

Nicht nur all die Querelen und »Kreuzzüge« in Ita-lien hinderten den Papst, sein höchstes Ziel zu errei-chen (S. 1. Motto), den Heiligen Krieg im Orient unddie bedingungslose Unterwerfung der griechischenKirche, sondern auch der Konflikt der beiden größteneuropäischen Königreiche. Blutig grotesk genug: Seitdie abendländischen Christen kaum noch das Kreuz in

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7.140 Deschner Bd. 8, 56Kardinal Albornoz - das Genie seiner Heiligkeit

den Osten führten, schlugen sie einander immer häufi-ger und umfassender daheim die Köpfe ein.14

Das zeigte sich auch während des Innozenz-Ponti-fikates.

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7.141 Deschner Bd. 8, 57Der Hundertjährige Krieg beginnt (1338–1453)

Der Hundertjährige Krieg beginnt (1338–1453)

Ausgebrochen war diese Katastrophe, »Guerre deCent ans«, ein Etikett wahrscheinlich erst aus dem 19.Jahrhundert, infolge eines territorialen Problems, nachmehrmaligen Konfiskationen englischer Besitzungendurch die französische Krone, 1294, 1324 und 1337.

Dazu kam allerdings ein gewichtiger dynastischerKriegsgrund: der französische Thronfolgestreit. Nachdem Aussterben des Hauptstammes der Kapetinger1328 fiel die Krone an die Linie Valois. Doch derenglische König Eduard III. (1327–1377) bean-spruchte seit 1337 und besonders seit 1340 als Enkel(durch seine Mutter Isabella) König Philipps IV. vonFrankreich den französischen Thron gegenüber Phil-ipp VI. von Valois (1328–1350), durch seinen VaterKarl von Valois Enkel König Philipps III. von Frank-reich. Den Valois aber behandelte Eduard – als Her-zog von Aquitanien, diesem schönen, doch ewig um-kämpften Land, einem der Hauptschauplätze desKrieges, lehensabhängig von Frankreich – als Usur-pator. Und bis 1802 hielten die Könige von Englandformell am französischen Königstitel fest.15

Der größte Konflikt im spätmittelalterlichem West-europa, ein Krieg, dem niemand seine lange Daueransah, begann durch eine Reihe von Triumphen derer,

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7.142 Deschner Bd. 8, 58Der Hundertjährige Krieg beginnt (1338–1453)

die ihn verlieren sollten; begann mit dem Flottensiegder Engländer bei Sluis am 24. Juni 1340, ihremLandsieg bei Crécy am 26. August 1346 und mit derspektakulären Einnahme von Calais am 3. August1347. Finanziert wurde der blutige Auftakt durchKredite des englischen Königs bei Florentiner Ban-ken, die er, da er sie nicht bezahlen konnte, in denRuin trieb.

Nach Vernichtung der feindlichen Flotte in der See-schlacht bei Sluis hieß es, die Fische tranken so vielfranzösisches Blut, daß sie französisch parliert hätten,hätte Gott ihnen Sprachvermögen geschenkt. Vonzweihundert Schiffen der Franzosen entkamen nuretwa dreißig. Die Dominanz der Engländer zur Seewar fortan gesichert.

Bei Crécy in der Picardie, nahe Calais, wo, nochohne große Feuerwirkung, schon einige der damalsaufkommenden Kanonen ins Gemetzel donnerten,schlachtete man bis in die Nacht. Die Briten, die be-reits nach ihrer Landung weit schlimmer als Räubergehaust, die Teppiche und Juwelen, Vieh, Männer,Frauen fortgeschleppt und gnadenlos die Dörfer ver-brannt hatten, ignorierten jetzt auch die »ritterliche«Kampf es weise der Franzosen, die, den Mord auf Di-stanz verachtend, ihre ganze Hoffnung auf die schwe-re Reiterei gesetzt.

Die Engländer dagegen operierten mit ihren leicht-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.143 Deschner Bd. 8, 58Der Hundertjährige Krieg beginnt (1338–1453)

beweglichen Fußkämpfern, vor allem mit den schonseinerzeit berühmten Bogenschützen, die mit Langbo-gen, noch sehr viel effizienter als Kanonen, bis zu 12Pfeile pro Minute auf 200 Meter treffsicher abschie-ßen konnten. Unter diesem Pfeilhagel sollen die ge-nuesischen Armbrustschützen der Franzosen in pani-sche Flucht geraten sein, worauf König Philipp VI.auf die Flüchtenden einzuhauen befahl, was das Ge-fecht zweifellos komplizierte. Dazu wieselten die fin-gerfertigen Waliser Messerstecher zwischen den zurErde gestürzten Rittern herum und gaben den oft be-wegungslos unter ihren Pferden Liegenden mit ihrenlangen Klingen den Rest. Viertausend erdolchte Fran-zosen bedeckten das Schlachtfeld, darunter der Bruderdes Königs und weitere Prominente, der Herzog vonLothringen, der König von Mallorca, der blindeKönig Johann von Böhmen, während sein Sohn Karl,der erwählte römische König und künftige Kaiser,sich noch rechtzeitig davongemacht hatte.

Und die Bürger von Calais – der Ort war seit Jahr-zehnten eine Art Piratennest, mehr vom Kapern engli-scher Schiffe lebend als vom Handel – verzehrten be-reits Mäuse, Ratten, Exkremente, bis sie sich nach elfMonaten ergaben, worauf Calais, ein wichtiger Brük-kenkopf, zwei Jahrhunderte, bis 1558, bei Englandblieb.16

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.144 Deschner Bd. 8, 59Erbfolgekrieg in der Bretagne

Erbfolgekrieg in der Bretagne

Feldzüge, Fehden, kleinere Überfälle mit den übli-chen Plünderungen, Vergewaltigungen, Zerstörungen,die Politik der verbrannten Erde, dies alles verheertefurchtbar das Land.

Zum Beispiel der zu Beginn der vierziger Jahreaufflackernde Erbfolgekrieg in der Bretagne, der sel-ber mit seinen späteren Auseinandersetzungen fastvier Jahrzehnte die Region erschütterte. Dabei ver-quickte er sich, weil die Bretagne französisches Kron-lehen war, also der Oberhoheit des Königs von Frank-reich unterstand, mit dem Hundertjährigen Krieg.Schlug man hier auch nur wenige größere Schlachten,wurde doch erbarmungslos gekämpft, unentwegteWaffengänge, Reitergefechte und Belagerungen, bren-nende Städte, ausblutende Agrargebiete, fortgesetzteSchätzungen. Zu einem Teil mußte sich ja jeder Kriegselbst finanzieren durch Raub und Lösegeld. Dazuaber kam die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung,die das Eintreiben der Kriegsmittel mehr fürchtete alsdie Kriegsschäden.

Das Land war in einen französischsprachigen Teilund in die keltische »Bretagne bretonnante« gespal-ten, und die Hauptwidersacher rangen um den Throndes 1341 ohne legitimen Erben verstorbenen Herzogs

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7.145 Deschner Bd. 8, 60Erbfolgekrieg in der Bretagne

Johann III.Auf der einen Seite stand, vom englischen König

Eduard III. unterstützt, der Halbbruder des Verstorbe-nen, Johann Graf von Montfort; und nach dessen Ge-fangennahme und Tod kämpfte seine Frau Johannavon Flandern, tapfer, verbissen, listenreich, sogar inSeeschlachten für ihren Sohn Johann IV. fort, bis sie,irrsinnig geworden, verwahrt und vergessen, nochdreißig Jahre auf Burg Tickhill in England lebte.

Auf der anderen Seite stritt Karl von Blois, derfranzösische Aspirant auf die Herzogswürde, einNeffe Philipps VI., dem der französische König nach-drücklich beisprang. Karl hatte Jeanne de Penthièvre,eine Nichte des verstorbenen Herzogs, geheiratet undwar ein besonders guter Katholik, weshalb er auch aufdem Schlachtfeld starb und selig wurde. Nach Barba-ra Tuchman, der bedeutenden Historikerin, wurde ersogar heiliggesprochen, wenn auch Papst Gregor XI.die Heiligkeit nicht gelten ließ und sie – auf Betreibendes jüngeren Johann von Montfort – wieder zurückge-nommen hat.17

Die Einleitung eines Kanonisationsverfahrens be-gann schon wenige Jahre nach Karls Schlachtentod.Sein Kult, besonders durch Franziskaner angeheizt,blühte, denn schließlich stand der Blois, »Vater einesBastards«, bereits sein ganzes Leben im Ruch derHeiligkeit. Er lebte in Kleidern voller Läuse, geißelte

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7.146 Deschner Bd. 8, 60Erbfolgekrieg in der Bretagne

sich blutig mittels Roßhaar und Kieselsteinen, pilger-te barfuß zu Reliquien durch Schnee und Eis, beichte-te Abend für Abend seine Sünden, nächtigte auf Strohvor dem Bett seiner (verkrüppelten) Gattin.

Fehlten dem Seligen darüber hinaus auch »heraus-ragende Fähigkeiten«, war er doch ein »hoheitsvoller,ritterlicher und frommer Fürst« (Leguay), der dasDiesseits zwar verachtete, sich aber nach neunjährigerGefangenschaft für ein immenses Lösegeld von700000 Gulden freikaufen ließ; der es auch fertig-brachte, mit seinen Schleudermaschinen die Köpfevon dreißig Kriegsgefangenen über die Stadtmauernvon Nantes zu befördern. Ja, er krönte, fromm undselig, seine siegreiche Belagerung von Quimper durchdas Abschlachten von zweitausend Einwohnern jedenAlters und Geschlechts. Dann aber unterlag und fieler selbst in der Schlacht von Auray 1364, worauf dasHaus Montfort die Macht übernahm.

Die Zeit war gewalttätig, wild, und die Hierarchendes Christentums hatten die Grausamkeit abgesegnet,nicht einmal, sondern immer und immer wieder. »DieFolter«, schreibt Barbara Tuchman, »war von der Kir-che autorisiert und wurde regelmäßig von der Inquisi-tion benutzt, um Ketzereien aufzudecken. Die zivileGerichtsbarkeit belegte als schuldig überführte Ange-klagte mit Strafen wie Handabhacken, Ohrenab-schneiden, sie ließ ihre Opfer verhungern, verbrennen,

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7.147 Deschner Bd. 8, 60Erbfolgekrieg in der Bretagne

häuten und in Stücke reißen. Es war eine alltäglicheSache, Verbrecher gegeißelt, gestreckt und amSchindanger erhängt zu sehen. Man sah abgeschlage-ne Köpfe und gevierteilte Körper, die auf Stangenüber der Stadtmauer zur Schau gestellt wurden. Injeder Kirche gab es Bilder von Heiligen, die die ver-schiedensten grausamen Martyrien erlitten hatten –durch Pfeile, Speere, Feuer, Dornen –, alles war inBlut getaucht. Blut und Grausamkeit waren ein allge-genwärtiges Element der christlichen Kunst, sogar einzentrales, denn Christus wurde zum Erlöser und dieHeiligen heilig nur dadurch, daß sie unter den Händenihrer Mitmenschen Gewalt erlitten hatten.«18

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7.148 Deschner Bd. 8, 61Die Schlacht von Poitiers

Die Schlacht von Poitiers

Wie sehr Frömmelei und Töten im christlichenAbendland zusammengehören, lehrt auch eineSchlacht des Hundertjährigen Krieges, die bereits inden Pontifikat Innozenz' VI. fällt, die Schlacht vonPoitiers am 19. September 1356.

Gewiß eilte Kardinal Élie de Talleyrand – einst an-scheinend in den Mordfall des Andreas von Ungarnverwickelt (S. 17) und ausgestattet mit nicht wenigerals 31 Benefizien (darunter sieben Archidiakonate) –nebst Begleitung auf Maultieren von Heerhaufen zuHeerhaufen, um im Auftrag seines Herrn einen Waf-fenstillstand zu vermitteln. Der Kardinallegat undweitere Papstgesandte hatten dies schon seit Jahresbe-ginn versucht, wünschte Innozenz doch dringend dieBeilegung des Konflikts zwischen England undFrankreich, um im Osten Krieg führen zu können.

Dies mißlang, denn die Herren führten jetzt einenKreuzzug gegeneinander, und als gute Christen führ-ten sie ihn, auf beiden Seiten, mit Gott. Schon denTag vor dem Gemetzel, einem der schlimmsten diesesKrieges, hatten sie nicht nur mit Schlachtvorbereitun-gen, sondern auch mit einem Gottesdienst verbracht,ein ehrwürdiger Brauch vor allen größeren christli-chen Abstechereien. So waren erst wenige Jahre frü-

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7.149 Deschner Bd. 8, 62Die Schlacht von Poitiers

her, 1351, vor dem berühmten Treffen »combat destrente« in der Bretagne die Ritter gleichfalls zu einerhl. Messe versammelt und lagen dann auf demKampfplatz so dicht übereinander, daß manche Lei-che erst Tage später entdeckt worden ist.

König Johann II. von Frankreich (1350–1364), derdamals über das stärkste französische Heer des Jahr-hunderts gebot, brannte auf das Blutvergießen. Dennhieß er auch später »le Bon« (was freilich bloß seineVerschwendungssucht betraf), so war Majestät, beibescheidener Intelligenz, zuweilen etwas sprunghaft,jähzornig, brutal, alles andere als zum Beispiel einFreund ordentlicher Gerichtsverfahren, wie schonseine erste Regierungshandlung zeigt. Ließ er dochden Grafen von Eu und Grafen von Guînes, einen all-seits geliebten und bewunderten Mann, aufgrundeines bloßen Verdachts ohne Verhandlung enthaup-ten. Und ließ auch noch am 5. April 1356 in Rouenführende Adlige der Normandie liquidieren, wobei esihm so pressierte, daß dies weder mit einem Gerichts-beschluß noch an dem dafür vorgesehenen Ort undGalgen geschah. Plötzlich auf dem Weg dorthin be-fahl Jean le Bon anzuhalten und die Gefangenen zuköpfen. Ein eilends herbeizitierter Behelfshenkerbrauchte sechs Hiebe, um den Kopf Johanns vonHartcourt abzuschlagen, worauf der, samt sonstigenHäuptern, zwei Jahre, auf Lanzen gespießt, zur Schau

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gestellt worden ist.Sechs Hiebe, meine Güte, bedenkt man, was sich

heute noch manchmal bei Hinrichtungen im Land derMenschenrechte abspielt, sind die sechs Hiebe vonJohanns des Guten Ersatzexekutor not so bad as youthink. Mutet doch auch anderes unter diesem Könighochmodern an. Zum Beispiel seine Steuerquotengleich für das Jahr der Schlacht von Poitiers: vier Pro-zent Steuer auf die Einkünfte der Reichen, fünf Pro-zent Steuer auf die der Mittelschicht und auf die nied-rigsten steuerpflichtigen Einkommen zehn Prozent.19

Auch die Mentalitätsmischung des Herrschers ausHab- und Rachsucht und demonstrativer Pietät istheute noch nicht ausgestorben, diesseits wie zumaljenseits des großen Meeres. Und Jean le Bon hatte siebereits von seiner Mutter, der lahmen Königin, ge-erbt, trotz ihrer guten Werke eine »grausame Herrin«genannt, »denn wen sie haßte, der war ohne Gnadetot«. Und auch ihr Sohn, der König, mischte auf seineWeise den Krieg mit Religion oder, anders gesagt,seine Hausmacht mit etwas Metaphysik. Er gründeteden Orden vom Stern »zur Ehre Gottes und unsererlieben Frau, zur Erhöhung der Ritterschaft und derVermehrung des Ruhms«, wobei die liebe Frau sogarim sternenbedeckten Ordensbanner prangte.

Und jetzt, vor Schlachtbeginn, schrie König Johannseinen Kriegern zu: »Ihr habt die Engländer ver-

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7.151 Deschner Bd. 8, 63Die Schlacht von Poitiers

flucht ... und wolltet eure Schwerter mit den ihrenkreuzen. Da stehen sie vor euch! Erinnert euch an dasUnrecht, das sie euch zufügten, und rächt euch für dieVerluste und Leiden, die sie Frankreich zugefügthaben! Ich verspreche euch, wir werden mit ihnenkämpfen, und Gott sei mit uns!«

Und an der anderen Front erhob Eduard von Walesseine Stimme, der »Schwarze Prinz« (was wahr-scheinlich die Farbe seiner Rüstung betraf), KönigEduards III. ältester, nun fünfundzwanzig Jahre zäh-lender Sohn und Thronfolger, eine der berühmtesten,die Chronisten beflügelnden ritterlichen Gestalten derEpoche, »Die Blume der Ritterschaft«. Zwar ohne be-sonderes politisch-diplomatisches Talent, doch mutig,kultiviert, ein überragender Feldherr, auch Mäzen undum die Dynastie hochverdient.

Vor allem natürlich durch Raub- und Verwü-stungszüge, Aktionen, die nichts als Terror verbreite-ten, reiner Terrorismus waren, sieht man eben davonab, daß sie den »Feind« schwächten. Erst im Herbstdes Vorjahres hatte er zwischen Bordeaux und Nar-bonne, in dem schönen Landstrich zwischen Atlantikund Mittelmeer, einen zwei Monate langen Beute-und Vernichtungskrieg geführt, Tag-für-Tag-Blutbä-der, wie dort noch nie erlitten, und dies durch denEdelsten sozusagen, die »Blume der Ritterschaft«, dieZierde des Hosenbandordens, der seinerseits unter der

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7.152 Deschner Bd. 8, 63Die Schlacht von Poitiers

Schutzherrschaft des hl. Georg stand.Auch jetzt, im Spätsommer 1356, befand sich der

Schwarze Prinz auf einem Streifzug, einer »chévau-chéez« in den Norden. Da aber sein beutebeladenesHeer der ihm zuletzt tagelang folgenden, noch völligunverbrauchten französischen Armee zahlenmäßigsehr unterlegen war, wollte er eine Schlacht unbedingtvermeiden, bis es einfach unmöglich war und er demversammelten Adel zurief: »Ihr Herren, blickt aufmich! Mit Gottes Gnade denkt an den Angriff! Vor-wärts im Namen Gottes und des heiligen Georg!«20

Viele Tausende kamen um, darunter allein 2426Adlige. Alles andere zählte man nicht, und es zählteja auch nicht; schon gar nicht die Pferde, in deren un-gepanzerte Rümpfe die englischen Langbogenschüt-zen befehlsgemäß ihre Pfeile jagten, worauf die zu-sammenbrechenden Tiere ihre Reiter unter sich begru-ben oder zu Tode trampelten. (Tiere dienten der mit-telalterlichen Christenheit nur zur Arbeit, zum Fraßoder zum blutigen Ergötzen; indem man etwa eine an-genagelte, sich in panischem Schmerz windende undkümmerlich wehrende Katze so lange mit dem bloßenKopf berannte, bis sie tot war. Oder ein Schwein solang Spießruten laufen ließ, bis es unter dem Geläch-ter der Schaulustigen entseelt zusammenbrach.)

Als bei Poitiers die Pfeile verschossen wurden undwaren, flohen ganze Bataillone, andere kämpften mit

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7.153 Deschner Bd. 8, 64Die Schlacht von Poitiers

Streitaxt und Schwert, mit kurzen Lanzen, Messern,kämpften Mann gegen Mann. »Einige, denen die Bäu-che aufgeschlitzt worden waren, traten auf ihre eige-nen Gedärme, andere spuckten ihre ausgeschlagenenZähne aus, einigen, die noch standen, wurde der Armabgeschlagen. Die Sterbenden rollten im fremdenBlut, die Gefallenen stöhnten, und die stolzen Geister,die ihre Körper verließen, seufzten schrecklich.«

König Johann ergab sich und landete Monate spä-ter mit dem Schwarzen Prinzen in England, wo er einedreieinhalbjährige Gefangenschaft in Windsor ver-brachte – mit vielen Würfelspielen, Jagden und Hof-festen.21

Ohne Zweifel ging es dem König in der Gefangen-schaft um einiges besser als jenseits des Meeres sei-nen Untertanen in der »Freiheit«. Das gilt besondersvon den Bauern, außer gefangenen »Ketzern« undTieren nicht nur seinerzeit die geschundensten Ge-schöpfe – und gewöhnlich mehr als 90 Prozent derGesamtbevölkerung. Aber »das Volk« lebte anonym,starb anonym, bekam weder dauerhafte Grablegennoch Einträge ins Totenbuch.22

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7.154 Deschner Bd. 8, 653. Kapitel

3. Kapitel

Christliches Bauernelend und mönchischesGlück

»Bei der Ausbildung des Feudalismus spieltenGewalt, Erpressung, Druck, ideologisch-religiö-ser Zwang und soziale Not, spielten die oppres-siones, verbunden mit dem Einsatz staatlicherund kirchlicher Machtmittel, eine tragendeRolle. Gleichzeitig war die ökonomisch-sozialeAttraktion der Grundherrschaft und des Herren-dienstes voll wirksam.«

Eckhard Müller-Mertens1

»Schon die allernotwendigsten Lebensvorausset-zungen waren prekär: die geringen Ernteerträge,die einseitige Ernährung – die Skelette frühmit-telalterlicher Friedhöfe weisen auf Vitamin- undEiweißmangel hin –, die erbärmliche Kleidung,die ungesunden Wohnverhältnisse, die man-gelnde Hygiene, das gänzliche Fehlen einer me-dizinischen Versorgung. Die Folge war eine oftschreiende Not: Hunger und Kälte, Verelendungund Verschuldung, dazu häufig körperlicheSchäden wie Blindheit, Taubheit, Gicht, Läh-mung, unheilbare Wunden und nicht zuletztGeisteskrankheiten. Jederzeit hatte man denVerlust von Haus und Hof oder der Eltern bzw.

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7.155 Deschner Bd. 8, 663. Kapitel

des Ehepartners zu gewärtigen, auch den Ver-lust der Freiheit oder Vertreibung und Verban-nung. Mit einem Schlag konnten die Lebens-grundlagen verloren gehen ... Ein Heer von Her-untergekommenen, deren Leben zutreffend nurals Vegetieren bezeichnet werden kann, bevöl-kerte die mittelalterliche Welt: übelriechend,unansehnlich, mit Geschwüren bedeckt, von Ge-brechen entstellt und notgedrungen zudringlich.Viele der Großen, selbst Bischöfe, hielten sichgelegentlich die andrängenden Bettlerscharenmit Hunden vom Leibe.«

A. Angenendt2

»Besondere Methoden wandten die geistlichenFeudalherren an, um die in wirtschaftliche Notgeratenen Bauern zur Übergabe ihres Eigentumsan die Kirche zu bewegen. Sie gingen hierbeiweniger mit Gewalt als vielmehr mit List undBetrug vor, versprachen den Tradenten ewigeSeligkeit, drohten den Widerspenstigen mit Höl-lenpein, fälschten Urkunden und betrogen die inAberglauben belassenen Bauern mit angeblichwundertätigen Heiligenreliquien, die sie eigensdazu aus Italien und Westfranken herbeischaffenließen.«

L. Stern/H.J. Bartmuss3

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7.156 Deschner Bd. 8, 673. Kapitel

Es gehört zu den großen Grotesken unserer Geschich-te, daß man von der Basis der feudalen Gesellschaft,dem opus servile, der breiten Unterschicht, die allesaushält, alles trägt und erträgt, die durch das ganzeMittelalter betet »a bello, peste et fame libera nos,Domine«, daß man von der übergroßen Mehrheit derUnfreien und Halbfreien am wenigsten weiß, am we-nigsten erfährt, daß die Geschichtsschreiber über sievon Jahrhundert zu Jahrhundert schweigen, als wäresie nicht existent. Alles lebt von ihr, das ganze Dramader Geschichte läuft nur durch sie und über sie, sieselbst aber spielt darin so gut wie keine Rolle. Bereits1941 schrieb der bedeutende Historiker HeinrichDannenbauer über die Grundlagen der mittelalterli-chen Welt: »Die Taten und Untaten dieser weltlich-geistlichen Aristokratie machen die Geschichte jenerJahrhunderte aus; mit ihnen füllen die Chronistenjener Zeit die Blätter ihrer Bücher. Von anderen Leu-ten ist nichts zu vermelden. Das Volk auf dem Landeist zum größten Teil abhängig, unfrei in mannigfalti-gen Abstufungen. Es hat zu gehorchen, zu arbeitenund Abgaben zu entrichten. Zu sagen hat es nichts. Eshat im Grunde keine Geschichte.«4

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7.157 Deschner Bd. 8, 68»Seid nicht traurig - wir sind alle Brüder in ...

»Seid nicht traurig – wir sind alle Brüder inChristo«

Die frühmittelalterliche Welt hat die tradierte spätrö-mische Verwaltungsstruktur, hat insbesondere dasspätantike Wirtschaftssystem in allem Wesentlichenübernommen, die Sklaverei ebenso wie das Kolonat,die Anbaumethoden ebenso wie den Lebensstil. Undals das Römische Reich zusammenbrach, setzte diechristliche Kirche, schon im 5. Jahrhundert größteGrundbesitzerin in diesem Reich, dessen Agrarkapita-lismus, die Despotie der Cäsaren, die alten menschen-unterjochenden Mechanismen in noch gewaltigerenDimensionen fort. Zwar gab es weiter ein freiesKleinbauerntum, zwar waren die Arbeiter auf den rie-sigen Landgütern der grundbesitzenden Adelsschichtrechtlich frei, faktisch aber waren sie schollengebun-dene Leibeigene. Der Großgrundbesitz saugte auchdie bisher freien Dörfer auf, ihre Existenzgrundlagewurde ruiniert, jede Verbesserung der sozialen Ver-hältnisse verhindert, die Abhängigkeit unüberwind-bar.

Das 5. Jahrhundert, es ist das Jahrhundert, an des-sen Anfang Seelsorger Augustin die Sklaven durchdie Gottgewolltheit ihres Loses tröstet und ihren Her-ren den Nutzen vorstellt, der ihnen aus dieser PastoralKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.158 Deschner Bd. 8, 68»Seid nicht traurig - wir sind alle Brüder in ...

erwächst. Es ist das Jahrhundert, an dessen Ende Rom»einen sozialen und wirtschaftlichen Tiefstand er-reicht«, so Walter Ullmann, »der sich kaum vonChaos unterschied.«

Und am Ende des 6. Jahrhunderts bekämpft keinGeringerer als Papst Gregor I., Heiliger, Kirchenleh-rer und »der Große«, den Gleichheitsgrundsatz in dersozialen Welt. Der Herr gigantischer Güter – im ge-schätzten Umfang von 4500 bis 5000 Quadratkilome-tern (offiziell schon seit Jahrzehnten »Gut der Armen«genannt, eine von Gregor brieflich oft bemühte Be-zeichnung) –, dieser heilige Papst kennt viele gute,gewissenhafte Reiche, weiß aber auch von vielenschlechten Armen, und trifft sich da wieder gut mitAugustinus, der einerseits einmal einen Armen apo-strophiert: »Schau auf den reichen Mann, der nebendir steht. Vielleicht hat er eine Menge Geld bei sich,aber keine Habsucht in sich, während du, der du keinGeld hast, eine Menge Habsucht in dir trägst« – undandererseits konsequent der vornehmen Proba, Erbineiner riesigen, durch Raub erworbenen und mit rück-sichtsloser Selbstsucht erhaltenen Grundherrschaft er-laubt, selbstverständlich wie immer inmitten ihresReichtums zu bleiben; nur innerlich sollte sie sichdavon befreien und der Vergänglichkeit aller mensch-lichen Dinge bewußt werden! Beide, Augustin wieGregor, halten Reichtum für ein Gut und treten ent-

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7.159 Deschner Bd. 8, 69»Seid nicht traurig - wir sind alle Brüder in ...

schieden für die Ungleichheit der Menschen wie derStände ein. Von Natur zwar, wie Gregor erklärt, seienalle Menschen gleich, aber eine »geheimnisvolle Fü-gung« habe für Unterschiede in der Gesellschaft ge-sorgt (IV 7. Kap., bes. 183 ff.).

So dachte und schrieb fortan jedwedes Kirchen-licht. Von Natur alle gleich. Und ebenso vor Gott.Obwohl es doch auch im Jenseits wieder Unterschiedegibt, bessere und schlechtere Plätze, wie im Diesseits.Dieser Trost zieht sich durch die Heilsgeschichte.Also rechtfertigt Erzbischof, Heiliger und Kirchenleh-rer Isidor von Sevilla, der große Judenhasser, nichtnur die Judenpogrome (VII 406 f.), sondern auchdie – ja schon von Kirchenlehrer Ambrosius bejubel-te – Sklaverei: notwendig, um die schlechten Anlageneiniger Menschen durch »terror« (!) zu zähmen.

Das Konzil von Aachen (816), das lehrt, Gott habedie »servitus« verhängt, um die Ungezügeltheit der»servi« durch die Autorität der Herren einzudämmen,knüpft ebenso deutlich an den hl. Isidor an wie im 11.Jahrhundert die Ständelehre des Bischofs Burchardvon Worms (S. 73): »Wegen der Sünde des erstenMenschen ist dem Menschengeschlecht durch göttli-che Fügung die Strafe der Knechtschaft auferlegt wor-den, so daß [Gott] denen, für die, wie er sieht, dieFreiheit nicht paßt, in großer Barmherzigkeit dieKnechtschaft auferlegt. Und obgleich die Erbsünde

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7.160 Deschner Bd. 8, 70»Seid nicht traurig - wir sind alle Brüder in ...

durch die Gnade in der Taufe allen Gläubigen genom-men ist, hat der gerechte Gott das Leben der Men-schen so unterschieden, indem er die einen zu Knech-ten, die anderen zu Herren einsetzte, damit die Mög-lichkeit zu freveln für die Knechte durch die Machtder Herren eingeschränkt würde.«

Als hätten die Herren nicht allzeit unvergleichlichmehr und gewaltiger gefrevelt! Gleichwohl verwarfenschon die frühchristlichen Theologen resolut jede»Gleichmacherei«, betrachteten sie »Frauen, Sklavenoder Barbaren als Menschen niederer Art« (Dass-mann).

Ergo verriet man den »Liebeskommunismus« derApostel, die sozialen Traditionen der alten Christen-heit. Ergo ergriff man, erst einmal selber reich, auchdie Partei der Reichen. Ergo tritt die Catholica, die imFrühmittelalter über mehr Land als der Adel verfügt,die ganze Sklavenheere zur Bestellung ihrer Güterbraucht, für Erhaltung der Sklaverei ein, die ja schonPaulus verteidigt, Kirchenlehrer Ambrosius ein »Got-tesgeschenk« nennt. Ergo steht die Kirche seit denfrühen christlichen Sozialaufständen in Afrika, Spani-en und Gallien bei allen Auflehnungen der Unter-drückten auf Seite der Unterdrücker – oft mit nackterGewalt, vielleicht öfter noch mit sauer-süßen Sprü-chen, um nicht Zynismen zu sagen, etwa nach Art Bi-schof Rathers von Verona, der um 935 Sklaven

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7.161 Deschner Bd. 8, 70»Seid nicht traurig - wir sind alle Brüder in ...

(servi) apostrophiert: »Seid nicht traurig – wir sindalle Brüder in Christo«.5

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7.162 Deschner Bd. 8, 70Eine Rechtsnatur wie Vieh

Eine Rechtsnatur wie Vieh

Als im 5. und 6. Jahrhundert Chlodwig, dieser Star-bandit der Weltgeschichte, das fränkische Raubreichbegründet (IV 2. Kap.!), als er mit seinen HaufenFrankreich erst bis zur Seine, dann zur Loire, dannzur Garonne überrollt, da entsteht mit Hilfe des Ka-tholizismus ein neuer feudaler Staat. Die Besitzer ge-ringer Güter, die freien Bauern, die Bauernkriegerschrumpfen dahin, werden allmählich von der Mitbe-stimmung, vom aktiven Heeres- und Gerichtsdienstausgeschlossen und die coloni geflohener Herren ver-knechtet.

Vom 7. bis zum 9. Jahrhundert verschwinden diekleinen Bauern und Betriebe gegenüber den großenGrundherrschaften immer mehr. Die Sozialstrukturändert sich profund, die städtische Kultur bricht zu-sammen, der Handel geht zurück, und es kommt zueiner reinen Agrar-, einer Kolonen- und Sklavenwirt-schaft. Nur Grundbesitz bedeutet jetzt Reichtum.Adel und Klerus teilen sich das Land, haben alleindas Bodenmonopol, die Verarmung ist fast allgemein,der freie germanische Bauer aus der frühmittelalterli-chen Feudalgesellschaft bald weithin verdrängt. Esgibt, grob geurteilt, nur zwei Klassen: Herren undKnechte. Das Volk ist deklassiert, ist abhängig, es

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7.163 Deschner Bd. 8, 71Eine Rechtsnatur wie Vieh

sitzt als mancipia, servi, coloni casati in armseligenDörfern riesiger Territorien, in Fronhöfen, über sicheinen sogenannten Edelmann, der es von seiner Burgherab drangsaliert und kujoniert, darüber größereHerrengeschlechter, und schließlich über allen dieFürsten, die Könige, vom Zürichsee bis nach Sachsenhinein, in England, in Frankreich, in Spanien. »ImStaat und in der Gesellschaft gibt die Aristokratie denTon an, andere Leute haben nichts zu sagen. Sie hatdas angeborene Vorrecht den König zu beraten, sienimmt Kraft ihrer Geburt die Bischofsstühle des Lan-des in Anspruch und auch die alten reichen Klöstersind für ihre Angehörigen bestimmt, ihr gehörenGrund und Boden und die Leute im Land ... Das istdie Gestalt des Staates und der Gesellschaft in ganzEuropa bis zur Französischen Revolution« (Dannen-bauer).

Nur wer Grund hat, ist frei. Nur wer viel Grundhat, ist mächtig, gebietet Tausenden von Hintersas-sen. Wer nichts hat, tritt in ein Subalternitätsverhält-nis zu einem weltlichen, einem geistlichen Herrn, zudem possessor. Er wird ihm zinspflichtig, hörig, leib-eigen (was sich nicht begrifflich, aber sachlich über-schneidet). Im 8. Jahrhundert ist die persönlicheKnechtschaft schon alltäglich. Und je mehr auf dereinen Seite der kirchliche, der weltliche Grundbesitzanschwillt, desto größer wird auf der andren die ver-

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7.164 Deschner Bd. 8, 72Eine Rechtsnatur wie Vieh

knechtete Bauernschaft.Ein Bauer ist normalerweise leibeigen. Fast das

ganze Landvolk und damit das Volk überhaupt istweitgehend leibeigen, wenn es auch innerhalb desniedrigsten Standes noch Unterschiede gibt. Und magdie Menge eigentlicher Sklaven allmählich abnehmen,mag die Sklaverei mit den sozioökonomischen Muta-tionen beim Übergang ins Hochmittelalter enden, dasheißt in der Hörigkeit bzw. servage aufgehn, die Zahlder Abhängigen wächst ununterbrochen, nicht zuletztdurch Freie, die, meistens mehr nolens als volens, den»Schutz« der Grundherren suchen.6

Den Bauern freilich, den Bauern im Rechtsinn, gabes im Frühmittelalter nicht mehr. War doch das kleinefreie Bauerntum in Europa mit der Rezeption des rö-mischen Rechts, der fortschreitenden Feudalisierung,den alles überwuchernden Zwangswirtschaften vonAdel und Klerus, weitgehend vernichtet, von denweltlichen wie geistlichen Domänen aufgesogen –auch wenn, sehr begrenzt, bäuerliches Eigentum nochlange bestand.

Erst im Hochmittelalter erscheint der Bauer (agri-cola, rusticus). Aber dieser Bauer ist gewöhnlichnicht frei, sondern durch einen Vergrundholdungspro-zeß grundherrlich gebunden (colonus, censualis), istdienst- und abgabenpflichtiger Höriger, Hintersasse,der mit fortschreitender christlicher Zivilisation sogar

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7.165 Deschner Bd. 8, 72Eine Rechtsnatur wie Vieh

wieder zum Leibeigenen (servus) gemacht, der ver-erbt, verkauft, vertauscht, verpfändet, verschenkt wer-den kann, »rechtlich dem Vieh fast gleichstehend«(Davidsohn). So erhält auf der Mainzer Synode 1007durch den großen königlichen Schurkenstreich Hein-richs des Heiligen (VI 67 ff.!) der Bischof von Würz-burg für die Abtretung eines Teiles seiner Diözese»150 Bauernhöfe mit eben so vielen Geschlechternvon Leibeigenen«. »Von einer allgemeinen Tendenzder Kirche, den Status der servi abzuschaffen oderseine Daseinsbedingungen zu erleichtern, kann keineRede sein, verfügte diese doch selbst über die größteZahl von servi« (Hägermann).

Im 12. Jahrhundert gibt es in Europa zwar eineneue Schicht freier Bauern, die von bestimmten La-sten und Beschränkungen entbunden, am Ende desMittelalters aber wieder so gut wie verschwunden ist.Auch sind Fälle mehr oder minder »freiwilliger« Ver-knechtung durch das Früh-, das Hochmittelalter nichtselten. So klagt eine Zinserin aus Altusried, die vor-dem als frei galt: »Als mein Mann gestorben ist, hatman mich und mein Kind ins Gefängnis geführt, mei-nen Sohn wie einen Dieb an einem Strick, und dasHaus offen stehen lassen. Da habe ich mich mit mei-nen Kindern verschreiben müssen: Sollte ich odermeine Kinder abschweifen, so soll alles dem Gottes-hause verfallen«. Und noch im 11. Jahrhundert bietet

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7.166 Deschner Bd. 8, 73Eine Rechtsnatur wie Vieh

im Anjou eine freie Bauernfamilie dem Kloster SaintFlorent in Saumur zwei ihrer Kinder, die sie nicht er-nähren kann, als Sklaven an. (Die französischsprachi-ge Mediävistik spricht, wie der Althistoriker, von»Sklaven«, die deutschsprachige von »Knechten«oder »Unfreien«.)

Die Landbevölkerung ist im Hochmittelalter weit-hin verarmt und während des ganzen Mittelalters, un-geachtet aller landwirtschaftlichen Wechsellagen, ge-wisser Expansions- und Regressionsphasen, chro-nisch unternährt – bei einem Durchschnittsalter vonknapp über dreißig Jahren; die Könige desselbenZeitraums werden durchschnittlich fast fünfzig (einigePäpste beinah neunzig Jahre alt). Die Masse Menschist gefangen in einem Netz von »Banngebühren«, vonblutsaugerischen Diensten und Abgaben. Sie haust inHolz-, in Erdhütten mit dem Vieh zusammen, lebt amRand des physischen Überlebens, lebt zeitweise vonBaumrinden und verelendet immer mehr. Sie sinkt mitdem beginnenden Spätmittelalter »in eine allgemeineLeibeigenschaft« (Bosl).

Das landbebauende Proletariat aber, die ihren Be-sitzern ausgelieferte Unterschicht bildet fraglos denweitaus größten Teil des Volkes und wird ganz brü-derlich überall mit dem schönen Namen »familia«umfaßt. Das Wort bezeichnet seinerzeit freilich nicht,wie dann in der Moderne, die Lebensgemeinschaft

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7.167 Deschner Bd. 8, 73Eine Rechtsnatur wie Vieh

von Eltern und Kindern, die hieß damals »hous«, son-dern die unter einem gemeinsamen Hofrecht stehendeund regelmäßig zum Hofgericht zitierte Gesamtheitder einem Herrn gehörenden Unfreien. Man sprachdann von der familia eines nobilis, der familia episco-pi oder abbatis. Oder man setzte einfach statt »fami-lia« – mancipia.

Der gefeierte Kanonist Bischof Burchard I. vonWorms (gest. 1025), nebenbei ein skrupelloser Fäl-scher (V 522), nennt den Hörigenhaufen seiner Dom-kirche (mit grundherrlichem Besitz in Worms, imNeckarraum, Odenwald, um Heidelberg, Weilburg)familia sancti Petri und läßt in einem »Hofrecht« (Lexfamiliae Wormatiensis ecclesiae) erkennen, daß aufder untersten Stufe der bischöflichen familia die»mancipia« stehen, unfreie, wie eine Sache zu behan-delnde Menschen. Der ausführlichste Paragraph die-ses Hofrechts betrifft nicht die christliche Nächsten-und Feindesliebe, sondern vielsagenderweise Mordund Totschlag, »die gleichsam täglich innerhalb derGemeinschaft des heiligen Petrus nach Art wilderTiere« geschehen, wobei in einem einzigen Jahr 35Grundholde (Knechte) schuldlos von Grundholdenderselben Kirche getötet worden seien – familia sanctiPetri.

Im übrigen traf jener Engländer ins Schwarze, derda unterschied »those who pray, those who fight and

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7.168 Deschner Bd. 8, 74Eine Rechtsnatur wie Vieh

those who work«. Natürlich bleiben allmählich dieStimmen nicht aus, die den Armen selber die Schuldan ihrer Armut geben, die erklären – auch wir kennendiese Töne doch – jeder könne reich werden, stellt eres bloß »richtig« an. Auch sei gar nicht arm, wer sichmit dem Seinen zu begnügen wisse. Andere sehen nurFaulpelze in den Armen, Leute, die sich um die Arbeitdrücken, die alles, was sie verdienen, verfressen, ver-saufen, Mißgünstige, Neider, Habgierige, Gottesläste-rer etc.6a

Das mittelalterliche Europa baut gänzlich auf demBauerntum auf, dem opus servile, der Knechtsfron.Mindestens 90 Prozent seiner Bevölkerung, wenigeAusnahmen beiseite, leben auf dem Land, noch imSpätmittelalter mehr als drei Viertel, und fast allediese Menschen unterstehen einer Grundherrschaft(villicatio, dominatio, seigneurie), das heißt, die mei-sten sind leib- und grundherrlich gebunden, sind mehroder minder versklavt. Sie sind nicht nur pauperes,sondern dediticii, inquilini, auf der tiefsten Stufe:mancipia (servi, ancillae). Sie galten ursprünglich alsSache, als rechtlos; ein durch Geburt (nach dem Standder Mutter oder der »ärgeren Hand«) oder durch Kauf,durch Raub, Handel, Schuldknechtschaft, Gefangen-schaft oder Autodedition (Selbstversklavung) erwor-bener Status.

In Landschenkungsurkunden wurden diese Elen-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.169 Deschner Bd. 8, 74Eine Rechtsnatur wie Vieh

den, wie gelegentlich in Kärnten, zuletzt genannt,»mit dem Vieh gemeinsam« (Fresacher). Aber auch inSkandinavien oder in Osteuropa hatte der Sklave eineRechtsnatur wie Vieh oder bewegliche Habe.

Die Homines proprii, die Eigenleute, gehörten »mitihrem Leib und Gut« ihren Herrn, waren ohne jedenBesitz und jedes Vermögen, ohne Freizügigkeit undeigenen Willen, waren unbegrenzt dienstpflichtig.Und ein Teil der deutschen Mediävisten bestritt in denletzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Existenzeines freien Bauerntums im frühen Mittelalter sogarprinzipiell. Zwar vermochten Unfreie im Lauf der Zeitdie ehedem kaum überschreitbaren Schranken ihrerAbhängigkeit zu durchbrechen, konnten Unfreie frei-gelassen werden, konnte mancher Knecht undKnechtssohn selbst bis in hohe Ränge des Staatsdien-stes aufsteigen; doch diese Chance war äußerst ge-ring.

Gewiß änderten sich auch die Standes Verhältnisseje nach Landschaft, Lehnsrecht, Sachsenspiegel,Schwabenspiegel etc.; aber sie änderten sich ebenauch zum Schlechteren. Standen ja die Freigelasse-nen, im Sozialgefüge den Freien nachgeordnet, inmancher Hinsicht auf der Stufe der Sklaven. Und auchwenn zwischen antiken oder karolingischen servi undspätmittelalterlichen Leibeigenen zu unterscheiden ist,auch wenn diese ihr Schicksal durch den langwierigen

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Übergang des Frondienstes in eine »Rentengrundherr-schaft« – spät genug – verbessern können, unterjochtdoch die Bauern in den ostelbischen Gebieten noch inder Neuzeit eine »zweite Leibeigenschaft« schwer.Sie wird in Preußen durch König Friedrich Wilhelm I.teilweise, durch Friedrich II. 1773 in erweiterterForm, endlich durch das allgemeine Landrecht 1794insgesamt aufgehoben, womit alle Unfreiheit indesnoch längst nicht endet. Wo man sie aber im Mittelal-ter abschafft, geschieht es nicht aus menschenfreund-lichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen.7

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»Jacques Bonhomme à bon dos, il souffre tout«

In aller Regel wurde der Landsklave, besonders deram meisten geschundene Unfreie (mancipia, servus),bis zuletzt von seinen weltlichen wie geistlichen Des-poten nach Strich und Faden ausgenutzt. Sie fordertenFrondienste, die erst im späteren Mittelalter zurück-gingen und dann häufig durch Abgaben ersetzt wur-den, die man freilich auch früher schon verlangte,weshalb der Bauer erheblich – vielleicht ein Dritteloder gar die Hälfte – über den Eigenbedarf produzie-ren mußte.

Gewiß, auch Adel, Klerus, Stadtbürger hatten fürdie Fürsten Dienste zu erbringen, bei der Heerfahrtetwa, der Hoffahrt, dem Steueraufkommen. Dochdiese Leistungen waren angesehen und oft mit Privile-gien verbunden – wenn auch mit allem Nachdruckdaran erinnert sei, daß es im 13. und 14. Jahrhundertallein in Deutschland mehrere hundert gewaltsameUnruhen gab.

Der unfreie Bauer aber hatte jahraus, jahrein eineaußerordentliche Fülle und Vielfalt an Auflagen zubewältigen, wofür er in der Regel nur ein Minimuman Gegenleistung bekam und obendrein verachtetwurde. »Jacques Bonhomme à bon dos, il souffretout«; auf deutsch: »Der Bauer ist an Ochsen Statt,

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nur daß er keine Hörner hat.«Man wird fast schwindlig beim Blick auf die Viel-

zahl der Abgaben, ja nur auf deren Hauptformen, dieWerner Rösener im Lexikon des Mittelalters ausbrei-tet, wenn auch diese Lasten sicherlich weniger kata-logartig daherkamen und selbstverständlich nicht alleBauern mit sämtlichen Forderungen behelligt wurden.Das hing besonders von der Rechtsstellung derKnechte und der Machtposition des Grundherrn ab.

Immerhin finden sich da für Überlassung des Bo-dens: ein Grundzins (census) in Form einer Geld- undNaturalabgabe. Ein Rekognitionszins (Fastnachts-huhn, Herbsthuhn, Martinszins etc., auch Herdgeld,Rauchhuhn oder Wurstzins genannt). Ferner, zahlbarbeim Gutsantritt, das Einzugs-, Einfahrts-, Gewinn-geld oder die Handänderungsgebühr (laudemium, ho-norarium).

Als Leibzins für die persönliche Unfreiheit wurdeein Kopfzins (census capitalis) erhoben, eine Heirats-abgabe (maritagium) aber oft bloß von den Frauen.Doch bekam der Leibeigene eine Frau aus einer ande-ren Grundherrschaft nur mit Erlaubnis seines Herrn.Zum Leibzins rechnete man die schwerste Taxe, dasTodfallrecht (mortuarium) beim Tod eines Leibeige-nen, auch Sterbefall oder kurzweg Fall genannt: meistdas beste Stück Vieh (Besthaupt, Hauptfall) oder dasbeste Kleid (Bestkleid, Gewandfall); zum Teil auch

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Bettzeug und Tücher – übrigens, zumindest im Spät-mittelalter und in der frühen Neuzeit, ein auch vonNicht-Leibeignen zu leistendes Servitium.

Zu den relevanten Verbindlichkeiten zählte fernerder Zehnt (S. 87 ff.), eine Naturalienabgabe an dieKirche; Zehnten an Laien wurden verboten – Laiensollten nur zahlen, zahlen, um den Zorn Gottes zu be-frieden, wie 567 die Synode von Tours lehrt, indemsie ihre Forderung mit dem Beispiel Abrahams be-gründet. Zum großen Zehnt gehörten Getreide undWein, zum kleinen oder grünen Zehnt Gartenfrüchte,aber auch, zumindest da und dort, Flachs, Hanf,Rüben, Bohnen, Hopfen u.a.

An Blutzehnten heimste man die Früchte von Tie-ren ein, Wolle, Milch, Lämmer. Es gab wenig, wasman nicht wollte, schon »weil Gott sein Teil vonallem geschuldet war.« Und bereits Erzbischof Caesa-rius von Arles, Heiliger und nicht von ungefähr Spe-zialist für »Landseelsorge« (IV 30), fragt: »Ist esdenn zu viel, wenn Gott ein Zehntel verlangt?« Undfährt fort, »er könnte neun Zehntel verlangen. Gar oftschickt er Geißeln und Unglück, er entzieht die neunTeile, weil du nicht ein Zehntel geben wolltest.«

Ja, sie verstehen, mit Verdummten umzugehen.Und reichte das Jungvieh nicht für einen Zehnt, sollteder Bauer für jedes Tier ersatzweise Geld berappen,»ob es sich nun um Füllen, Kalb, Schwein, Gans,

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Lamm oder Zicklein handelte. Es sollte auch einZehnt von Fischen und Eichhornfellen abgeliefertwerden« (Nylander) – gelegentlich wurde selbst dieBiene einbezogen. (Die Erklärung der Frankenbacher,die Imme sei ein freier Vogel [!], rettete nicht vor derAbgabe an ihren Pfarrer.)

Wichtige Leistungen waren auch die Vogtei- undGerichtsgebühren und, seit dem 12. Jahrhundert, dieBesteuerung durch den Landesherrn (petitio, exactio,Bede, Steuer, Schatz u.a.).

Daneben gab es weitere Belastungen. So mußtendie Bauern auch für Waldnutzung Geld bezahlen,Weidegelder, Holzzinsen. Und für die Fronen-Ablö-sung Dienstgeld, Fuhrgeld, Pfluggeld. Hatte aber einan Geld Bestrafter weder Geld noch Besitz, durfte imHochmittelalter im Bistum Salzburg ein Pfleger (einSachwalter in den verschiedensten, nach Zeit und Ge-gend differierenden Belangen) die Frau des straffälli-gen Bauern schänden. Reizte den Pfleger die Fraunicht, durfte er ihre Entehrung dem Gerichtsschreiberüberlassen, und mochte auch der nicht, konnte diesersie dem Amtmann abtreten – »auferladen«.8

Um wenigstens pars pro toto eine konkrete Vorstel-lung von den Pflichten dieser Landsklaven zu vermit-teln, folgen ein paar Beispiele.

Zunächst eine Zusammenstellung aus dem Herr-schaftsbereich des Bamberger Domstifts im 12. Jahr-

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hundert, eines Stifts, dessen Besitz, weit größer alsman lange angenommen, vom Rhein bis nach Öster-reich reichte. Die Unfreien hatten also aus zwölf ver-schiedenen Orten des Umlands den etwa 40 Bamber-ger Domkanonikern jährlich an Festtagen und Apo-stelfesten zu liefern: 65 Mastschweine, 58 Läufer-schweine, 106 Ferkel, 18 Schafe, 1045 Hennen,17260 Eier, 5694 Käse, dazu noch diverse QuantenMilch, Wein, Bier, Getreide etc.

Die ehemalige Benediktinerabtei Prüm (Rheinland-Pfalz) bezog im späten 9. Jahrhundert von ihren Hin-tersassen jährlich 2000 Doppelzentner Getreide, 1800Schweine und Ferkel, 4000 Hühner, 20000 Eier,4000 Eimer Wein, 1500 Goldsolidi beziehungsweise18000 Silberdenare u.a. Auch mußten die UnfreienFrondienste leisten, Spinn- und Weberzeugnisse her-stellen, landwirtschaftliche Geräte, sie mußten anetwa 35 Tagen auf dem Herrenhof helfen, mußtenTransportdienste, Botengänge tun und im Winter zurWaldarbeit.

Das Benediktinerkloster Blaubeuren, das nie mehrals ein bis zwei Dutzend Mönche, im 14. Jahrhundertzeitweise überhaupt keinen Mönch hatte, besaß imfrühen 16. Jahrhundert (außer den im Kloster selbstliegenden Gutsgebäuden und Gewerbebetrieben, wieMühlen, Bäckerei, Küferei) 16 Kirchen und 457 Bau-erngüter und erhielt in den Jahren 1477 und 1534,

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laut Rechnungslegung des Abtes: 470 bzw. 436 Hüh-ner, 888 bzw. 963 Hähne, 10777 bzw. 12143 Eier,weiter Hunderte Stück Käse, Öl, Bohnen, Wachs,Pfeffer, Gänse und Kapaune, Wein aus Hundertenvon Morgen Weinbergen, weiter 7289 bzw. 7420 ImiFrüchte, endlich auch 1318 Pfd. (etwa 940 Gulden)bzw. 1507 Pfd. Geld. Dazu kam noch der gesamteZehnte.

Je nach Form und Entwicklung der Unfreiheit wieder oft bis ins 12. Jahrhundert fortbestehenden Fron-hofwirtschaft (servitia, opera servilia, manoperae, car-roperae) waren deren Arten, Ausmaße und Dauer inden einzelnen Epochen, Territorien, Herrschafts- undAgrarverfassungen sehr unterschiedlich. Doch machteman, ohne hier systematisieren zu können und zu wol-len, für das Frühmittelalter drei Hauptformen vonFrondiensten aus: Für den Leibeigenen, der stets derJurisdiktion des Grundherren unterstand, das täglicheservitium, das härteste, das zeitlich unbeschränkt zuerfüllen und auch inhaltlich nicht festgelegt war.

Für den nicht voll leibeigenen und strafrechtlich oftstaatlicher Gewalt unterworfenen Bauern, der auchAbgaben, meist in Naturalien, zu liefern hatte, einewöchentliche, zunächst an drei, erst im 12. Jahrhun-dert an zwei Tagen oder an einem Tag zu besorgendeFron. Endlich gab es noch jene noctes genannten,hauptsächlich im Frühjahr und Herbst fälligen Dien-

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ste, die zwischen zwei und zehn Wochen beanspru-chen konnten. Dieser (nicht voll leibeigene) Hörigeverdiente »sehr wenig oder nichts« (Pirenne) undkonnte seine Hufe (Hof) nicht nach seinen Vorstellun-gen bewirtschaften; seine jüngeren Kinder mußtenTaglöhner oder Landstreicher werden.

Häufig, zumal in der binnenfränkischen Region,war die sogenannte corvada, ein jährlich mehrmalswährend der Pflugzeiten zu erledigender Tagesdienst.Auch kam zu den regelmäßigen Fronen die Bauhilfe,der Weg-, Brücken- und Burgbau, das Holzfällen,Holzholen, Dachdecken, Zäuneflechten, das Düngen,Eggen, Ernten, Dreschen.9

Bei einem Bauernaufstand in Frankreich brachtendie Geknechteten folgende Beschwerden vor: »An St.Johann müssen wir die Wiesen mähen und das Heu indie Scheune fahren, dann die Gräben ausbessern. ImAugust beginnt die große Fron, die Kornernte, undvon einigen Feldern müssen wir den Zehnten ablie-fern. Im September ist der Schweinezins zu erlegen:von acht Schweinen nimmt der Herr die zwei schön-sten, und für die übrigen muß je ein Pfennig erlegtwerden. An St. Dionys folgt ein neuer Zins, danneiner für das Recht, die Felder einzuzäunen. Zu Be-ginn des Winters müssen wir das Herrenland bestel-len, an St. Andreas ist eine Küchengabe, zu Weih-nachten sind Hühner fällig, und so geht es weiter. An

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Ostern müssen wir Hammel abliefern, und auf dieHolzfällung folgt die Saatfron.«10

Außer dem Tötungsrecht stand dem Grundherrn,zumal wenn er im Besitz der Gerichtsgewalt war,über seine Hörigen fast alles zu. Er durfte ihnen nachBelieben nicht nur Arbeiten und Lasten auferlegen,durfte sie nicht nur weidlich schlagen, zur Vereheli-chung zwingen oder verkaufen. Er konnte ihnen auchvon ihren Erwerbungen die Hälfte oder zwei Drittelabnehmen, ja die volle Erbschaft nach der »totenHand« (main-morte) – ein Ausdruck, der angeblichdaher kommt, daß man dem Grundherrn mit der abge-schnittenen Hand des Toten auch dessen Nachlaßübergab. All die Hörigen Hände sollen dann – welcherlesener Geschmack der Zeit! – zusammen mit Bä-rentatzen und sonstigen Tiertrophäen an die Turm-mauern genagelt worden sein.

Die Frau, vom Klerus durch das ganze Heilsge-schehen (in meiner Sexualgeschichte eingehend be-legt) scheußlich herabgesetzt, ohne Gottesebenbild-lichkeit, laut Augustinus, ein Mißgriff der Natur, »einverfehltes Männchen« (mas occasionatus), nach Tho-mas von Aquin, die unfreie Frau wird teils in den auf-reibenden Arbeitsprozessen des Mannes, teils in eige-nen Tätigkeitsbereichen verbraucht.

Früh verheiratet und meist schon strapaziert durchviele Kinder, die allerdings aus Not, durch Hygiene-

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defizite oft, auch früh hinwegsterben, wie sie selbst,oblag ihr nicht nur die Hauswirtschaft, sondern auchSpinnen, Weben, Brotbacken, die Butter- und Käse-zubereitung, das Bierbrauen, Viehfüttern, die Getrei-demahd, jedenfalls solang sie mit der Sichel geschahund noch nicht, wie seit dem späteren Mittelalter, mitder Sense.

Die unfreie Ehefrau genoß im übrigen, wie diefreie, eine geringere Rechtsstellung als der Mann. Sieunterstand seiner Muntgewalt, seinem Züchtigungs-recht. War doch das Peitschen der Gattin, das Ver-hauen jeder katholischen Ehefrau, ihrem Mann durchdas Corpus Juris Canonici, das Gesetzbuch der rö-misch-katholischen Kirche, kanonisch verbrieft – bis1918! (Ebenso, beiläufig, ihr Fastenlassen, Bindenund Einsperren.)11

Im Frühmittelalter schufteten leibeigene christlicheFrauen und Mädchen sogar in eigenen Häusern, inGynäceen. Nahe bei Fronhöfen gelegen, gingen sie dadem Spinnen und Weben, der Tuchproduktion nach,ja fast jeder Arbeit, vom Waschen bis zum Getreide-mahlen, von der Schafschur bis zum Stallreinigen.Auspeitschen war alltäglich. Nach der »Lex Salica«,im 6. Jahrhundert von Mönchen aufgezeichnet undunter den Stammesrechtssammlungen von besondersnachhaltiger Wirkung, schwankten die Schläge füreine »ancilla« zwischen 120 und 240.

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In seinem um 1202 geschriebenen »Iwein« brand-markt Hartmann von Aue, der erste der drei großenEpiker der Stauferzeit, die Ausbeutung dieser Arbeite-rinnen, die er klagen läßt: »Von unserem Verdienstsind sie (sc. die Herren) reich geworden, und wirleben aufs dürftigste.« Der Dichter behauptet, dieFrauen bekämen von einem Pfund (240 Pfennige), dasihr Arbeitgeber auf dem Markt für ihre Produkte er-zielt, vier Pfennige.

Die christkatholischen Gynäceen, die auch von denKlöstern (in Staffelsee etwa) und von Kirchen unter-halten und im Hochmittelalter durch das städtischeTextilgewerbe abgelöst wurden, dienten aber jahrhun-dertelang ihren Besitzern und deren Gästen auch alsHarem, als privater Puff und waren die Vorläufer deskasernierten Bordellwesens.12

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Hungersnöte: Menschen getötet und in Salzgelegt

Zum fortgesetzten Ausnützen, Schröpfen, zur ständi-gen Bedrückung durch die Herrenschicht – die Bi-schöfe selbstredend eingeschlossen, die »Väter derArmen«, die zumal in Notzeiten gelegentlich Hunde-meuten auf die Bettler hetzten – kam das Elend durchNaturkatastrophen; durch Unwetter, Überschwem-mungen, Mißernten, Seuchen, Wurmplagen, Dürren,harte Winter; immer wieder auch durch all dies be-dingte Hungersnöte, und gerade in den »größten« Ge-schichtsepochen, unter Karl »dem Großen« (der be-reits die Kleidung der hörigen Bauern reglementierte),wobei 784 ein Drittel der Bevölkerung Galliens undGermaniens hinwegstarb, die Armen sich von Farn er-nährten, Gras und von ihresgleichen, Brüder ihre Brü-der aßen, Mütter ihre Kinder – »Manche holten dieVerhungernden ins Haus, töteten sie und legten sie inSalz ...« (IV 490).

Alle Naturgewalten trafen, wie immer, die Armenzuerst und gewöhnlich auch allein. Die herrschende,sehr schmale aristokratisch-klerikale Klasse wurdedavon, jedenfalls direkt, kaum berührt. Die regierteund kommandierte. Die große Menge aber hatte bloßzu dulden, zu darben, zu leiden, hatte nur den RückenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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hinzuhalten, auf dem sich die Geschichte, das gebie-tende Pack, ausagieren konnte, ganz nach Lust undLaune und aller Gier. Schützte man das Volk wenig-stens nach außen? Man schützte es im Eigeninteresse,aus nacktem Egoismus. Und es zitterte, zitterte vorden Beschützern wie vor Feinden. Die »Beschützer«waren seine Feinde. Das Volk hatte Hunger und eshatte Angst. Angst: geradezu »eine Grunderfahrungdes bäuerlichen Daseins« (Rösener), eine Grunderfah-rung somit der meisten mittelalterlichen Menschen.

793 berichten die Lorscher Annalen den Hungertodvieler, die Annales Mosellani melden Menschenfres-serei. 805, 806, 807 und 809 erfolgen neue Hungers-nöte – im Jahr 806 offenbar mit ausgelöst durch KarlsHeeresaufgebot und dessen Versorgung. Der karolin-gische Chronist und Abt von St. Riquier, Nithard,kann gleichwohl prahlen, Karl »der Große« habe »dasgesamte Europa« in Frieden und Wohlstand hinterlas-sen. Ja, späteren Generationen gilt seine Ära als gol-denes Zeitalter. Tatsächlich jedoch melden zwischen763 und 843, also unter seiner und seines SohnesHerrschaft, die Annalen und Kapitularien von Jahr-zehnt zu Jahrzehnt, zuweilen von Jahr zu Jahr, ausge-dehnte Hungerkatastrophen – aber die Massen zählenja nicht.

In Wirklichkeit war die Not, zumal in den zwanzi-ger Jahren des 9. Jahrhunderts, im fränkischen Reich

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fast unbeschreiblich. Ein großes Sterben unterMensch und Tier ging um, es kam zu unerhörtenTeuerungen. Und Bischöfe selber klagten 829 beiLudwig dem Frommen über weltliche wie geistlicheWucherer, durch deren Machenschaften Ungezählteverhungert, viele ausgewandert sind. Doch all diestrat rasch in den Hintergrund »vor der die Kirche baldausschließlich beschäftigende Frage der Unverletz-lichkeit ihre Gutes« (Sommerlad, vgl. S. 84 ff., 93ff.).

Das Elend der Massen nämlich bedeutet dem Kle-rus noch weniger als dem Staat – und nützt ihm wun-derbarerweise, weil die Frömmigkeit der vom Schick-sal Geschlagenen stets wächst. Auch 868 haben Men-schen bei einem entsetzlichen Nahrungsmangel imfränkischen Reich, wie wohl glaubwürdig bezeugt, daund dort nicht nur Hunde, sondern wiederum Men-schen geschlachtet und gegessen. Im 11. Jahrhundertnimmt ein Haufen Hungriger dem Trierer ErzbischofPoppo samt Begleitern auf dem Ritt zur Kirchegleichsam unterm Hintern die Reittiere fort und zer-reißt, verschlingt sie vor aller Augen.13

1097 kommt es zu einer Nahrungsmittelnot imAnjou, 1099 auch außerhalb. 1122 beginnt eine Hun-gersdrangsal in Portugal, 1124 in Frankreich, ebensoin Deutschland, 1126 in Flandern, wobei wieder vielesterben. Südfranzösische Kaufleute fahren enorme

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Getreidemengen mit Schiffen heran. In Brügge kaufender Ritter Lambert van Straet, ein Bruder des Prop-stes von St. Donatus, und sein Sohn nicht nur diesesGetreide, sondern alle Zehntabgaben umliegenderStifter und Klöster zu niedrigen Preisen: »Ihre Spei-cher«, schreibt Mönch Sigebert von Gembloux, einerder großen mittelalterlichen Chronisten, Autor der be-rühmten »Weltchronik« (Chronica universalis) undim Investiturstreit brillanter Parteigänger des Kaisers,»ihre Speicher waren gefüllt mit allen Arten von Ge-treide; aber sie verkauften sie so teuer, daß die Armennichts davon kaufen konnten.«14

Die ritterlichen Gangster hätten sich auf ein illu-stres Vorbild berufen können: auf den Heiligen VaterPapst Sabinian, der 605 bei einer Hungersnot in Romalle ihn anflehenden Christgläubigen kaltblütig hun-gern und zugrundegehen ließ, um dann sein Korn zuWucherpreisen loszuschlagen (IV 335).

Selbstverständlich hoffte auf diese Weise nochmancher zu mehr Geld zu kommen. Raoul vonWanneville, zum Beispiel, Bischof von Lisieux undKanzler des britischen Königreiches, angesichts derHungergeißel von 1194. Deshalb redete ihm Petrusvon Blois, selbst reich bepfründet, brieflich ins Ge-wissen: »Bereits sind Tausende von Armen an Hun-ger und Not gestorben, und noch nicht auf einen ein-zigen hast du deine wohltätige Hand gelegt ... Die

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Ernte verdirbt bereits auf den Feldern und du, du hastnoch nicht einen einzigen Armen getröstet. Du hastzwar vor, deine Speicher zu öffnen, aber nicht um dasElend der Bedrängten zu lindern, sondern um teuer zuverkaufen ...«15

So wurden die Ärmsten stets die frühesten Opfereiner Gesellschaftsordnung, von der Müller-Mertenssagt, sie habe »die ursprüngliche Freiheit vernichtetund die Ausbeutung des Menschen durch den Men-schen zum herrschenden sozialen Prinzip« gemacht,habe die ökonomisch-kulturelle Höherentwicklung»durch grundsätzlich ethisch-moralische Substanzver-luste in den menschlichen Beziehungen erkauft«.

Die Ärmsten wurden die ersten Opfer von Spekula-tionskäufen, skandalösen Preissteigerungen, von Wu-cher, falschen Maßen, Raub und Krieg mit seinen flä-chenhaften Zerstörungen der Felder, der Ressourcendes Gegners. Verzweifelte veräußerten ihr Eigentumund ihre Freiheit. Andere wanderten ab, flohen in dieWälder, wurden »Räuber«, »Banditen«, Bewegungen,Reaktionen, die zeitweise große Ausmaße annahmen,die Dorf um Dorf entvölkerten, das Land verödeten,die in den Kapitularien des fränkischen Reiches biszum Jahr 843 mehr als 25 Kapitel beschäftigen, wäh-rend zugleich die Heeresfolge nachläßt, die Fahnen-flucht sich häuft, Vorgänge, die Karls »des Großen«immer von neuem wiederholte Rufe zu Frieden und

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Fürsorge, zur Unterstützung der Hungernden hinrei-chend erklären. Oder sollte ausgerechnet ein Mann,der fast Jahr für Jahr Krieg, fast fünfzig Feldzüge ge-führt, der gelassen über Tausende und Abertausendevon Sterbenden, von Leichen schritt (IV 497 f.), Mit-leid gefühlt haben? Rief er nicht nach Frieden – wiedann die Päpste, wenn sie zum großen Kreuzzug trie-ben?

Karl war Christ und abgebrüht wie wohl all dieseEdlen, über die Rhabanus Maurus, Abt in Fulda undErzbischof von Mainz, klagt, daß viele sich mehr umihre Hunde kümmerten als um ihre Knechte, daß ihreHunde gut gefüttert und fett waren, indes ihre Bauerndarbten, ihre servi hungerten und verhungerten. F.Curschmann, Erforscher des Hungerelends zwischendem 8. und 13. Jahrhundert, kommt zu der Feststel-lung: »Daß die Not einen Kaiser, einen Herzog oderBischof jemals irgendwie berührt hat, hören wirnicht ...«16

Nein. Wir hören anderes, das Gegenteil. Nicht zu-letzt von Bischöfen, Äbten, von einer Kirche, die denFeudalismus kraft ihrer Erdengüter, ihrer nie nachlas-senden Herrschsucht fortgesetzt gestützt, gefördert,glorifiziert und selbst praktiziert hat.

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7.187 Deschner Bd. 8, 85Reichtum der Bischofskirchen

Reichtum der Bischofskirchen

Der Reichtum der »Kirche der Armen« begann, nochverhältnismäßig bescheiden, bereits in den frühestenJahrhunderten (III 5. Kap.) und wuchs beträchtlichseit dem ersten christlichen Kaiser (I 224 f. 235 ff.).Die wohl größte Rolle, besitzmäßig gesehen, spieltedann während des Niedergangs der kaiserlichenMacht, der römischen generell und der byzantinischenin Mittelitalien, die Entstehung des sogenannten Pa-trionum Sancti Petri, aus Landzuweisungen vor allemder Herrscher und durch private Vermächtnisse. Eskam aber auch zu Käufen und »in vielen Fällen zu un-gesetzlichem und erpresserischem Erwerb« (Finley).

Über das anfängliche Wachstum des Patrimoni-ums, der Haupteinnahmequelle des Papsttums, dessenGüter sich von Gallien über ganz Italien bis Afrikaerstreckten, ist fast nichts bekannt. Doch allein auf Si-zilien, der Kornkammer Roms, überstiegen im 6.Jahrhundert die Besitzungen des römischen Bischofs,rund 400 Gutsbezirke (massae), vermutlich die dorti-gen des Kaisers. Die Pächter aber, die Bauern, coloni,mußten sich nicht nur »mit vielfachen Sonderauflagen(zum Beispiel Abstandssummen bei der Heirat einesSohnes oder einer Tochter) und unablässigen Ausbeu-tungsversuchen« abfinden (Finley), sondern sollten

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7.188 Deschner Bd. 8, 85Reichtum der Bischofskirchen

auch Pachtzins und Steuern in Gold bezahlen. Tat-sächlich bezogen die Päpste im frühen Mittelalter al-lein von ihren sizilianischen Domänen 350 PfundGold. Und auf dem Festland enteigneten sie, etwa im9. Jahrhundert, ganze Landgüter widerrechtlich undderart, daß die Franken eingreifen, die Verwaltung be-aufsichtigen und die Unabhängigkeit des Kirchenstaa-tes aufheben mußten.

So kam es 815, als Papst Leo III., ein Heiliger(sein Fest: neuerdings gestrichen!), nach einer Ver-schwörung Hunderte von Menschen zum Tod verur-teilt hat, zu einem Bauerntumult. Neu errichtetepäpstliche Gutshöfe wurden geplündert, niederge-brannt, die Aufständischen aber, als sie nach Rommarschierten, vom Papst ihr Eigentum zurückzufor-dern, durch den fränkischen Herzog von Spoleto auf-gefangen.17

Immer gewaltiger wurde gleichfalls der Reichtumder fränkischen Kirche.

Bereits unter den Merowingern, als die in Gallieneingefallenen Fürsten alles Land des kaiserlichen Fis-kus geraubt (IV 2. Kap.!), stieg der klerikale Grund-besitz stark an, erst recht in der folgenden Epoche –die Frucht blutiger Kriege, königlicher Schenkungenund der Verdrängung der eigenen freien Bauern vonGrund und Boden, mit dem die Prälaten auch schonihre Verwandtschaft beglückten. Sie hatten in den

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neuerstandenen Staaten, so der katholische TheologeKober, »unermeßliche Einkünfte«, hatten mehr Landund Immunitäten schließlich als die weltliche Aristo-kratie, hatten bereits zu Anfang des 8. Jahrhundertsrund ein Drittel des gesamten fränkischen Territori-ums in ihren Händen. Der Staat sah schon seine mili-tärische Schlagkraft gefährdet, und so holte zumalKarl Martell, Großvater Karls I., allerlei zurück undlebt als der im Jenseits verdammte Kirchenräuber fort.In Wirklichkeit war sein Zugriff keine Säkularisation,keine »Enteignung der Enteigner«, sondern eher eineArt Zwangsanleihe. Denn während der Staat kirchli-chen Boden seinen Anhängern zum Nießbrauch über-ließ, blieb das Jus ad rem der Kirche anerkannt, wennauch der hl. Bonifatius, Apostel der Deutschen, jeden,der so vorging, Kaiser, Könige, Beamte, als wütendeWölfe im Schafstall Christi, als Räuber und Mörderbeschimpfte.

Indes suchte Bonifatius selbst den Besitzstand sei-ner Klöster, zum Beispiel Fuldas, wo ihm HausmeierKarlmann und mehrere Adlige großzügig Land zurVerfügung gestellt, zu vermehren, suchte er selbst dieGüter immer weiter auszudehnen und bejammertedann – Taktik der Kirche, der Päpste bis heute – das»ärmliche Leben« seiner Schützlinge! Schon unterdem Nachfolger Lul aber waren Fuldas arme Möncheso reich, daß sich der Mainzer Bischof am Geld des

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Klosters vergriff und Liegenschaften im Wormsgauund zu Truhtmaresheim kaufte. Dabei gehörte ihm be-reits schätzungsweise ein Sechstel des gesamtenGrundes und Bodens von Mainz, dem »Nabel derTeutschen Nation«, und immer wieder trat dort der hl.Martin, Patron der Kathedrale, urkundlich erneut alsGrundstückseigentümer au f.

Mitte des 8. Jahrhunderts gewann der Klerus seinGut de jure ganz, de facto zum Teil zurück. Es kamzu einer großen staatlichen Schuldentilgung, einer Re-stitution des Kirchengutes auf dem »GermanischenKonzil« von 742, doch auch im nächsten Jahr, aufdem königlichen Landgut Lestinnes im Hennegau,»auf den Rat der Diener Gottes« zu dem Beschluß,»wegen der drohenden Kriege und Verfolgungen un-serer Nachbarvölker unter der Form der Prekariegegen Zins einen Teil des Kirchenvermögens zur Bei-hilfe für unser Heer mit Gottes Nachsicht noch einigeZeit zurückzubehalten«. Dafür aber kassierte die Kir-che den jährlichen Tribut von einem Goldsolidus (12Denare) für jeden Ho f. Und jeder Besitz sollte nachdem Tod des Beliehenen an sie zurückfallen. Zwarbehielt sich der Staat vor, notfalls das Gut weiter zuverleihen. Doch hatte der Klerus bei einer eigenenNotsituation sofort Anspruch darau f.

Überdies schuf Pippin III., vielleicht zur Entschä-digung, den Kirchenzehnten (decima, dezem, dîme,

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7.191 Deschner Bd. 8, 87Reichtum der Bischofskirchen

tithe), im Westen von geistlichen Kreisen erstmals um500 gefordert, eine Steuer, durch die fortan allerGrund und Boden unmittelbar mit der Kirche zusam-menhing. Doch nicht nur von jeder Ernte, auch vonjedem Verdienst eines Händlers oder Handwerkersbekam der Klerus schließlich zehn Prozent. Im 13.Jahrhundert erbrachte ein allgemeiner Zehnt aus derGesamtkirche rund 300000 Pfund, das Dreifache derEinnahmen der französischen Krone.

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Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

Der Zehnt war eine aus dem Rohertrag jeder Wirt-schaft zu den anderen Abgaben des Bauern für dieKlerisei hinzukommende Leistung, ein sich schonbald durch Kauf, Verpachtung, Belehnung, Schen-kung, Verpfändung verselbständigendes Wertobjekt,das in kaum einer mittelalterlichen Urkundensamm-lung fehlt.

In den ersten vier Jahrhunderten forderte die Kircheim allgemeinen keinen Zehnt. Er war ursprünglicheine freiwillige Gabe, im übrigen schon zuvor beiJuden wie Heiden weit verbreitet. Bei den Christenwurde er vor allem von Hieronymus und besondersvon Augustinus verlangt, auf den sich der Klerus beiEinschärfung des Zehntgebotes häufig berie f.

In der Merowingerzeit wird erstmals 567 auf demKonzil in Tours vom Zehnt gesprochen, 585 auf derSynode von Mâcon, sehr bezeichnend, jeder, der ihnverweigert, mit immerwährender Exkommunikationbedroht, was spätere Synoden, in Pavia, in Valenceu.a., wiederholen. Noch 1322 bestimmt die Synodevon Valladolid durch den Mund des päpstlichen Kar-dinallegaten Wilhelm von Godin und »mit Zustim-mung des heiligen Concils« den Ausschluß von Gläu-bigen, »die Pfarrer und Prälaten in Betreff des Blut-

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7.193 Deschner Bd. 8, 88Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

und Novalzehnten betrügen«. Die Synode von Toledo(1323) mahnt: »Der Zehnte soll ganz entrichtet wer-den«. Die Synode von Salamanca (1335): »Es wirdverboten, daß die Kirche um den Zehnten betrogen,daß ihre Einkünfte weggenommen werden«.

Anfangs brachte man offenbar die »Decima« zurKirche, wobei der Zehntpflichtige häufig schwörenmußte, das richtige Maß ausgehändigt zu haben. Spä-ter wurde es üblich, die Zehnten durch Einsammler(Decimatoren), die wiederum eidlich zur gewissenhaf-ten Ausübung ihres Amtes verpflichtet waren, unmit-telbar auf dem Feld zu erheben. Doch gab es aucheine Ablieferung in barem Geld (redemptio decimae),wobei meist die Kirche die Form der Zehntleistungentschied; bei Geldentwertung dürfte sie, war die Zah-lung nicht der Entwertung entsprechend zu erhöhen,auf Abgabe in natura bestanden haben.

Die neben der Dreiteilung kanonisch gewöhnlichgeforderte Vierteilung – an Bischof, Pfarrer, Pfarrkir-che und Arme – stand mehr auf dem Papier undwurde weder von Päpsten noch Bischöfen befolgt, diedas meiste einheimsten, bereits zu den reichstenGroßgrundbesitzern gehörten, während die Armenzweifellos am wenigsten bekamen (in Frankreich oftbloß den zehnten Teil).

Liest man freilich die Lebensbeschreibungen mit-telalterlicher Bischöfe, findet man deren Armenfürsor-

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ge oft über die Maßen gepriesen, erscheint selbst einMann wie der hl. Anno von Köln – ein Brutalist, dernur an sich, an die eigene Macht denkt, der seine Di-özesanen geißeln, verstümmeln, blenden läßt (VI 217ff!) – nicht bloß »von bewundernswerter Heiligkeit«,»staunenerregender Tugendhaftigkeit«, als »Verächteralles Irdischen« etc., sondern natürlich auch als »Die-ner der Armen« (pauperum servus). Tatsächlich sinddas Worthülsen, schamlose Übertreibungen, sind diemeisten Beteuerungen großer bischöflicher Armenbe-treuung mit der gleichen Skepsis aufzunehmen wiedie mittelalterlichen Wundergeschichten. Und wo manwirklich half, selbst über das Normale hinaus, war esdoch nur wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, wares nicht zuletzt gut für die Reputation, für die auch(andere) christliche Geschäftsleute sorgten, Augsbur-ger Weltfirmen etwa, die dann Stiftungen, eigeneKonten einrichteten; die Höchstetter nannten das »un-seres Herren Hauptgut«, die Welser »Konto unseresHeilands und seiner Armen«, die Fugger »Konto St.Ulrich«.

Ganz beiseite, daß zu den Armen auch Mönche undNonnen zählten, die seit ottonischer Zeit als Zehntem-pfänger nicht unbeträchtlich hervortraten. Und Romerhob den Zehnten noch in Dänemark, Island, ja imarmen Grönland (anno 1326 in Form von Walroßzäh-nen). Man forderte, zumindest zeitweise, den Zehn-

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7.195 Deschner Bd. 8, 89Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

ten – gelegentlich sogar auf das kärgliche Ährenlesenausgedehnt – selbst von den Sklaven, ja noch von dengänzlich isolierten, aus der Gesellschaft verstoßenen»lebenden Leichnamen«, den Leprosen!

Alle Reichsbewohner hatten unter den Karolingernden zehnten Teil ihrer landwirtschaftlichen Erträgeder Kirche zu geben, die unter Karl – der erstmals779 in Herstal für Zehntverweigerer auch weltlicheStrafen festsetzt – und unter Ludwig dem Frommennoch das Recht auf einen »Neunten« (nona), also aufeinen zweiten, einen Doppel-Zehnten (dezima etnona), auf ein Fünftel des gesamten Ertrags bekam.Noch im Frühmittelalter wurde so die Kirche, auchinfolge zahlreicher steuerlicher Immunitäten sowiedank der Vergabungen von Gläubigen und der Pilger-spenden die erste Finanzmacht im Reich.

Auch in Italien, wo der Klerus seinerzeit eine au-ßerordentliche Machtstellung gewann (auch durchVerdrängung der Grafen in vielen Städten) und dieImmunität bald derart mit den Kirchengütern verbun-den war, daß man diese geradezu immunitates nannte.Die Bischöfe, gegen die sich die Städte erhoben, Cre-mona, Mailand, Pavia, Bergamo, Brescia, erhieltenzudem immer neue Regalien, das heißt dem König zu-stehende Gerechtsamen wie Forstbann, Wildbann,Münzrecht, Marktrecht, Zölle, bekamen Häfen undHafenabgaben, bekamen schließlich ganze Grafschaf-

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7.196 Deschner Bd. 8, 90Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

ten und endlich die Territorialhoheit.18

Während die orthodoxe Kirche den Zehnt bis zumspäteren Mittelalter nur selten erhob, wurde er für dierömisch-katholische, der er fast als Mindestleistunggalt, die wichtigste, für die Zahlungspflichtigen dieschwerste Abgabe, eine häufig bloß äußerst widerwil-lig erbrachte Kontribution, wogegen sich im Westenwie im Osten des Reiches oft beträchtlicher Wider-stand erhob, was sich aus Kapitularien, Synodalbe-richten, aber auch aus damaligen Beichtspiegeln er-gibt. Immer wieder wird der Klerus angehalten, dieNotwendigkeit der Zehntentrichtung zu betonen,immer wieder wird pünktliche, genaue Leistung ein-geschärft, wird bei Vernachlässigung mit Mißernte,Pest, Unwetter, mit Verlust des Seelenheils gedroht.Und nicht von ungefähr dringt die Kirche durch Jahr-hunderte darauf, Zehntstreitigkeiten vor den geistli-chen Gerichten auszuhandeln, womit sie sich bis insausgehende Mittelalter auch durchsetzt.

Im 9. Jahrhundert schreibt Rhabanus Maurus, Abtvon Fulda, niemand dürfe eine Kirche betreten, dieMesse hören, die Sakramente empfangen, der nichtzuvor den Zehnten erbracht. Im 13. Jahrhundert gei-ßelt Berthold von Regensburg, größter (franziskani-scher) Volkspropagandist der Zeit, Agitator fürKreuzzüge und »Ketzer«-Hetze, zwar leidenschaftlichdie Geldgier (gîtekeit), tröstet aber auch die armen

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Arbeiter, die vor lauter Arbeit nicht oft Messe hörenkönnen, weil »wo der rechte Mensch an seiner rechtenArbeit sei, er auch teilhaftig werde an den Messen«,und treibt nicht minder eifernd zur gewissenhaftenZehntabgabe. Dabei suchten sich die frommen Chri-sten gegenseitig zu hintergehn: die Maße der Zehnt-pflichtigen waren oft kleiner, die der Zehntempfän-ger – und sie wurden meist gebraucht – größer. Hatman doch überhaupt durch die Jahrhunderte ungezähl-te Zehntprivilegien gefälscht.

Seit der Karolingerzeit galt Zehntverweigerung alsApostasie, als Glaubensabfall. Der Zehntverweigererwurde nicht als gewöhnlicher Dieb, sondern als Got-tesräuber bestraft; im Normalfall erst durch Geld-buße, Zahlung des Königsbannes, schließlich durchExilierung und Vermögensentzug. Zuweilen führtedie Zehntlast zu Aufständen oder sie spielte da wenig-stens eine erhebliche Rolle, etwa 841 beim Aufruhrder Stellinga (V 116 f.!) oder 1229 beim Krieg gegendie Stedinger (VII 191 ff.!). Dazwischen rebelliertender Zehnten wegen zum Beispiel die Thüringer gegenden Mainzer Erzbischo f. 1069 hängten sie einige sei-ner Ministerialen auf und bedrohten ihn 1074 aufeiner Synode in Mainz auch persönlich.

Doch gab es um dieser Steuer willen nicht nur zwi-schen Kirche und Laien Krawall. Die Kleriker befeh-deten deshalb auch selber einander, die Bischöfe die

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7.198 Deschner Bd. 8, 91Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

Bischöfe und am schärfsten diese die Mönche, da dieMönche ihr Land zehntfrei haben, die Bischöfe aberden Zehnt kassieren wollten. So stritt um die »deci-ma« schon um 800 der Prälat von Freising mit demAbt von Tegernsee, im 9. Jahrhundert der MainzerErzbischof mit dem Kloster Hersfeld, im 10. der Bi-schof von Orléans mit dem Abt Abbo von Fleury, im11. wieder der Mainzer Metropolit mit den HersfelderMönchen oder das Bistum Osnabrück mit der AbteiCorvey, letzteres ein Zehntkampf, der sich über mehrals zweihundert Jahre hinzog, bis ihn endlich BischofBenno II. von Osnabrück mit acht gefälschten Urkun-den gewann. Der Streit zwischen Bischöfen und Klö-stern aber dauerte fort, ohne daß ihn eine Seite fürsich entscheiden konnte; was weniger an den streiten-den Parteien lag als an den Päpsten, deren Stellung-nahmen, je nach ihrer Herkunft, ständig wechselten.

Sogar Mönche untereinander führten erbitterteZehntfehden, selbst Mönche derselben Ordensregel,wie Zisterzienser und Cluniacenser. Als sich so das1130 neugegründete Zisterzienserkloster Le Miroirkraft eines Privilegs weigerte, dem Cluniacenserklo-ster Gigny in der Champagne den bisher bezogenenZehnt zu zahlen – ein Streit, in den so prominenteKirchenführer wie Papst Eugen III., Bernhard vonClairvaux und Peter von Cluny eng verflochtenwaren –, überfielen im Jahr 1152 Zinsleute und Mön-

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che des Klosters Gigny die Abtei Le Miroir, plünder-ten, brandschatzten und »zerstörten alles bis auf denGrund« (Hoffmann). Den Schaden schätzten die Äbtevon Clairvaux und Cluny auf 30000 Solidi.

Da infolge des Eigenkirchenwesens in der nachka-rolingischen Zeit auch der Adel die Zehnteinkünfteseiner eignen Kirchen voll begehrte, ergaben sich des-halb mit Königen, Landesfürsten und einer großenZahl sonstiger Zehntherren gleichfalls häufig Zusam-menstöße, wie, beispielsweise, im 13. Jahrhundert inSchlesien zwischen dem Herzog und dem BreslauerOberhirten Lorenz, den reichsten Grundbesitzern desLandes.

Bei solchen Auseinandersetzungen gewährte aller-dings der Adel, ein in die Augen springender Unter-schied, gegenüber den harten Forderungen des Klerusoft wesentliche Zehntnachlässe, etwa in der MarkMeißen, in Brandenburg, Anhalt, wahrscheinlich auchin Thüringen. Sicher verfuhren so die Grafen Schwar-zenburg und die von Schweinfurt. Diese bewilligtenin Ostfranken ihren deutschen wie slawischen BauernEntlastungen bis zur völligen Befreiung von Kirchen-zehnten. Doch als man nach dem Tod des mächtigenGrafen Otto von Schweinfurt (1057) dessen großesErbe zerschlug, suchte der Bamberger Bischof dieZehnterleichterungen wenigstens der Slawen zu besei-tigen und beschloß auf der Ortssynode 1059, hartnäk-

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7.200 Deschner Bd. 8, 92Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

kige slawische Zehntgegner so lange vertreiben zulassen, bis sie sich zur Zahlung bereitfanden. Ähnlicherhob seinerzeit der Bischof Gebhard von Salzburgstatt des bisher für Slawen gültigen weit geringeren»Slawenzehnt« den vollen Ertragszehnt.

Durch die Jahrhunderte reißen die Tumulte, Kla-gen, Wirren wegen der Zehnten nicht ab und stehenim krassen Kontrast zum überquellenden Reichtumder Klöster, der Bischofs- und nicht weniger Adels-sitze.

Doch auch die Armen, die nur von der Hand in denMund leben, sind nach dem hl. Thomas zur Abgabeverpflichtet. Der Aquinate, neben Augustinus, aufdem seine Soziallehre vielfach fußt, größter Kirchen-vater der Catholica, ist vehementer Verdammer desKommunismus sowohl der Produktions- wie der Ver-brauchsgüter und eifriger Verteidiger des Privateigen-tums, u.a. weil es die Tugend der Freigebigkeit er-möglicht. Ja, ermöglicht! Nicht genug: durch einengerechten, wohlwollenden Güteraustausch werde erstein wahrer »Kommunismus« etabliert!

Nach Carlyle schwebten bei Ausbruch der Franzö-sischen Revolution 60000 Zehntverfahren vor denGerichten. Die Revolution schaffte allerdings dieseArt der Ausbeuterei noch am 2. November 1789 ab,das übrige Europa erst im 19. Jahrhundert. Doch istdie einstige Zehntpflicht in einigen Gebieten, beson-

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7.201 Deschner Bd. 8, 92Zehnt und Doppel-Zehnt für den armen Klerus

ders Deutschlands, »noch heute Rechtsgrund für einesubsidiäre Baulast« (Lexikon für Theologie und Kir-che).19

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7.202 Deschner Bd. 8, 93Reichtum der Klöster

Reichtum der Klöster

Reicher sogar als viele Bischofskirchen – von denenzur Zeit Karls I. Augsburg etwas über 1500 (zu einemDrittel von Leibeigenen bestellte), Salzburg etwasüber 1600 Höfe hatte – waren viele Klöster, wirt-schaftliche Größen ersten Ranges. Sie fügten sichfamos in den florierenden Feudalismus ein und ver-mehrten sich einfach ungeheuer, und mit ihnen ihr Be-sitz.

Die Dominikaner, ein Bettelorden, die 1220 dasGelübde der Armut ablegten, deren Gründer Domini-kus im selben Jahr auf dem Generalkapitel das strikteGebot der Besitzlosigkeit in die Konstitutionen auf-nehmen ließ, besaßen schon im nächsten Jahr, 1221,sechzig Klöster. Und nicht von ungefähr hieß esimmer wieder von den Mönchen, zumal von den Zi-sterziensern, sie verdrängten Bauern, Ritter, ja denKlerus. In England war dies geradezu sprichwört-lich – »Böse Nachbarn wie die weißen Mönche«. Al-lein Bernhard von Clairvaux (der »geistliche Schuft«,sagt Schiller und sagt zu wenig), der Zisterzienser-Propagandist eines großen Marktes (VI 464 ff.!),gründete rund 70 Klöster. 1153, in seinem Todesjahr,zählte der Orden bereits 350, um 1200 schon 530, um1500 gar 1600 Klöster. (Die Abtei Clairvaux selbst

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7.203 Deschner Bd. 8, 94Reichtum der Klöster

wurde 1792 aufgehoben, 1808 Zuchthaus, die Kirche1819 abgebrochen.)20

Im Mittelalter erreichte der Grundbesitz derOrden – bevor er oft wieder auf diverse Art ver-schwand – nicht selten immense Ausdehnungen.

Die Benediktinerabtei Werden an der Ruhr, ihrLandgut wurde um das Jahr 880 auf 22 Fronhöfe und200 Bauernhöfe (Hufen) geschätzt, stand im Rufeines armen Klosters. (Eine Hufe, deren Bemessungje nach Gegend stark schwankt, hat eine durchschnitt-liche Fläche von 13 Hektar. Ein Großgrundbesitzmittlerer Größe umfaßte etwa 300 Hufen, also rund4000 Hektar.)

Das Kloster Hersfeld, kurz vor 775 von dem ge-schäftstüchtigen Mainzer Bischof Lul gegründet, er-höhte innerhalb einer Generation seine ursprünglich20 Höfe auf 1097 Höfe und 675 Hofstellen (Mansen)in 195 Ortschaften.

Das Reichskloster Lorsch, in der Reformationmehrfach die Konfession wechselnd, je nach seinerZugehörigkeit zu Mainz oder zur Pfalz, hatte Besitzvon der Schweiz bis in die Niederlande und zu denfriesischen Inseln, vermutlich 2000 Höfe.

Das Kloster St. Gallen, auf 4000 Hufe taxiert,besaß im Frühmittelalter im heutigen Württemberg anfast hundert Orten Land, noch zahlreichere Schenkun-gen bzw. Erwerbungen aber im Gebiet der heutigen

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7.204 Deschner Bd. 8, 94Reichtum der Klöster

Schweiz sowie in anderen alemannischen Gegenden.Dem Kloster St. Blasien, das sich im 12. Jahrhun-

dert Privilegien durch mehrfache Fälschungen sicher-te, gehörten damals nicht weniger als 62 Kirchen, diesich über drei Bistümer, Augsburg, Konstanz undStraßburg, erstreckten.

Allein die Aufzählung der Güter, Einkünfte undRechte des Stifts St. Florian zu Koblenz umfaßt nahe-zu fünfzig Druckseiten.

Ein im früheren 11. Jahrhundert in Tegernsee auf-gestelltes Verzeichnis beziffert die Zahl der dem Klo-ster gehörigen Höfe auf 11860.

Das Bonifatiuskloster Fulda soll in weiter Streula-ge zwischen den Alpen und der Nordseeküste 15000Höfe besessen haben; ebensoviele die große Benedik-tinerabtei Luxeuil am Fuße der Vogesen.

Saint-Germain-des-Prés bei Paris verfügt im 9.Jahrhundert unter dem Abt Irmino über 221080 Hekt-ar, davon nur 1172 Hektar Sumpf, Hunderte vonHektar Weide, Wiese, Weinberge, 22129 Hektar Ak-kerland und 197927 Hektar Wald. Zu den 24 Herren-höfen und 1646 Zinshöfen des Klosters kamen noch71 Fremdenherbergen. Und wie in Deutschland, inFrankreich, so war es auch in England, dessen Kircheim späten Mittelalter vielleicht gar die Hälfte des Bo-dens besitzt.21

Im Osten, wo schließlich der Klerus die treibendeKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.205 Deschner Bd. 8, 95Reichtum der Klöster

Kraft der Germanisierung wird und vor allem mit demdeutschen Adel die Westslawen unterjocht, erhebendie im 11., 12., 13. Jahrhundert neugegründeten Klö-ster Abgaben in rund 800 sorbischen Dörfern. Alleindie Klöster Bosau und Nienburg saugen mehr als 300fast rein sorbische Ortschaften aus. Allein Bosau be-zieht um 1200 die Zehnten aus 180 Dörfern, wobeijedes Dorf durchschnittlich zehn Hufen zählt. Außerden Zehntrechten und anderen Vergünstigungen besaßdas Kloster (1256) fünf komplette Dörfer, zwei Müh-len, sechs Wirtschaftshöfe (allodia), sechs Kirchenund 224 Hufen.

Dieser große Klosterbesitz wurde meist mit Leibei-genen betrieben, die sich die Mönche oft viel längerleisteten als die weltlichen Grundherren. Hörte näm-lich im allgemeinen die Leibeigenschaft bis zur Mittedes 14. Jahrhunderts häufig auf, gab es sie beispiels-weise im Kloster Blaubeuren noch am Ende des 15.Jahrhunderts, und zwar in der gleichen Form, wie siedas Wormser Hofrecht von 1024 spiegelt! Gewißhatte der Abt die »Schutz- und Fürsorgepflicht« fürseine Leibeignen. Doch wie sah die aus? Nun, ermußte etwa beim Tod der Eltern deren Kinder ver-pflegen, bis sie selbst »muß und brot« verdienten; dasheißt, diese Leibeigenen mußten ihm geloben, aufimmer Leibeigene seines Klosters zu bleiben und kei-nen anderen Herrn anzunehmen.

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7.206 Deschner Bd. 8, 96Reichtum der Klöster

Natürlich bestand der Reichtum der »Kirche derArmen« nicht nur im Grundbesitz. Gerade aus ihmaber kamen, zumal der Geldumlauf unendlich be-trächtlicher als vordem war, größere Summen durchbessere Bewirtschaftung, durch Verkauf der Produk-tionsüberschüsse, durch Zinsen. Weitere monetäreEinnahmequellen waren Vermächtnisse, Spenden.Selbst die Gräber innerhalb der Kirchenmauern unddie Vergütung von Kirchenstühlen brachten Geld.Ebenso die Kirchenstrafen, die bei allen kaum vor-stellbaren Gelegenheiten gezahlt werden mußten, beiversäumten Terminen, bei Nichtzahlung, bei Exkom-munikation oder Interdikt oft für ganze Kommunen.

Schon im 7. Jahrhundert besaß man anscheinendden sogenannten Schatz von Guarrazar, eine »dergrößten Kostbarkeiten des mittelalterlichen Abend-landes« (Culican), erst 1858 nach Überschwemmungeines spanischen Friedhofs wieder ans Licht gekom-men: Kronen, Brustkreuze, Anhänger; ein Stirnreifendes Abtes Theodosius. Sämtliche Stücke – vermutlicheinst Eigentum einer Kirche bei Toledo, Hauptstadtder Westgotenkönige, aus deren Zeit das allesstammt – sind aus Gold und mit Saphiren, Perlen,Achaten, Bergkristallen übersät.

Viele Fürsten waren spendabel. Und bevor Wil-helm der Eroberer, kraft zahlreicher Kriege sich als»Gottesstreiter« fühlend, Stifter auch der Abteien

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7.207 Deschner Bd. 8, 96Reichtum der Klöster

St-Étienne und St-Trinité, am 9. September 1087 vorden Toren von Rouen verschied, vermachte er seinenganzen ungeheuren Geld- und Edelmetallhort den Kir-chen und Klöstern seines Reiches.

Auch die Bischöfe geboten oft über bedeutendePrivatguthaben und hatten, aus ihren Testamenten er-sichtlich, neben anderen Werten Bargeld in manchmalenormer Höhe, durch Erbschaft, Schenkung, Kauf,Raub, Erpressung. Vielleicht am seltensten infolgeSparsamkeit. Schon häufiger durch schmutzige Wu-chergeschäfte, wie Robert von Bamberg, Abt der Rei-chenau, der sich derart ein gewaltiges Vermögen er-gaunert und deshalb von dem zeitgenössischen Chro-nisten Lampert von Hersfeld »Geldgauch« geschmähtwird, »Küßdenpfennig«. Doch war er, der selbst demKönig für die Vertreibung von Fuldas Abt Wideradund die Klosterverleihung an ihn, Robert, hundertPfund Gold offeriert haben soll, keine Ausnahme.Vielmehr grassierten beim höheren wie niederen Kle-rus, betont Katholik Kober, »Geldgier und Habsucht.

Alle Arten und Formen des Wuchers wurden aufsSchwunghafteste betrieben«.

In der christlichen Kirche lebte man stets gern aufgroßem Fuß. Schon 642 mußte die 7. Synode von To-ledo verbieten, daß der Visitator einer Pfarrei mitmehr als fünfzig Wagen im Gefolge erscheine! ZuSynoden kamen manche Prälaten, wie beispielsweise

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7.208 Deschner Bd. 8, 97Reichtum der Klöster

im Hochmittelalter Erzbischof Albero von Trier, »mitsolcher Pracht, daß alle Mund und Augen aufrissen«(quod omnium oculos in se et ora aperuit). Und nochzu Beginn der Neuzeit wohnt der Hochmeister desDeutschen Ordens Albrecht von Brandenburg – beiseiner Wahl einundzwanzig Jahre alt – im Königsber-ger Schloß mit mehr als vierhundert Bediensteten umsich.

Die Mönche aber, zur Armut verpflichtet, entwik-kelten ein besonders inniges Verhältnis zum Mam-mon, bedienten sich bei ihren Finanzgeschäften ver-sierter Juden und wurden geradezu die Bankiers desfrühen Mittelalters genannt. Ein Ruf, den sie wahr-scheinlich weniger dem Bargeld verdankten als ihrenEdelmetallschätzen, all den goldstrotzenden, sma-ragdbesetzten Kultobjekten, Leuchtern, Kelchen,Monstranzen, Reliquienschreinen etc., die ein riesigesSpargut waren, Kredit sicherten, jederzeit einge-schmolzen und zu harter Münze gemacht werdenkonnten. Bischof Otbert von Lüttich kaufte sich derart1096 die Schlösser von Bouillon und Couvin. Schondie lothringischen Klöster des 10. und 11. Jahrhun-derts haben mit ihrem Besitz an Edelmetall die Geld-wirtschaft verbreitet, haben bereits als Leihinstitute,als Banken fungiert, allerdings, heißt es, noch ohneWucherei.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.209 Deschner Bd. 8, 97»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

»To troste miner selen« oder »rechtmäßigeErben um ihr Erbe bringen«

Der Hauptteil des Segens kam offenbar durch Schen-kungen zusammen, durch Donationen von Fürstenebenso wie von unübersehbaren Scharen mittlerer undkleiner Grundbesitzer. Und mochte bei den Zuwen-dungen der Könige, der Kaiser, der Hocharistokratieoft politisches Kalkül mitspielen, ein sehr realer welt-licher Nutzen, ungezählte Christen statteten nur umihres Seelenheiles willen Kirchen und Klöster mit Gü-tern aus, natürlich entsprechend befeuert durch himm-lische Verheißungen, durch Höllenqualen.

Die typische Form des Seelgeräts (»donatio pro re-medio animae«), die Güterübertragung an eine Kirchezwecks ständiger Gebetsfürbitten oder einer alljährli-chen Seelenmesse am Sterbetag, kam Ende des Früh-mittelalters au f. Sie sicherte gegen einen freiwilligenVermögensentzug die Vornahme bestimmter liturgi-scher Handlungen, war also ein gegenseitiges, vonBestandteilen des Kaufvertrags durchsetztes ordentli-ches Rechtsgeschäft (an dessen Stelle später das Te-stament trat) und erlaubte als entscheidender Part allermateriellen Zuweisungen ad pias causas, die Gier desKlerus nach einem »Kopfteil des Erbes« zu stillen(Kroeschell).Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.210 Deschner Bd. 8, 98»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

War ein Gläubiger krank, in Sorge, in Gefahr,hegte er Furcht oder Reue, nahte gar der Tod, so spen-dete er der Kirche Bares, Häuser, Grund und Boden.Unzählige Klosterurkunden in allen Gegenden Euro-pas, besonders im 8., 9. Jahrhundert, doch lang dar-über hinaus, belegen dies, bezeugen unermeßlicheVergaben an Geld, Gütern, Land – kleine und großeGeschenke, riesengroße. Und stets geschah es um desSeelenheiles willen, geschah es mit den magischenFormeln »pro redemptione animae«, »pro mercedeanimae«, »pro anima sua« oder wie später in jedemTestament stand: »to troste miner selen«.

Der englische Historiker William Edward HartpoleLecky nannte die Behauptung, mehrere Jahrhundertesei es der erste Artikel des christlichen Moralkodexgewesen, das Geld den Priestern zu geben, keineÜbertreibung. Es war ja so einfach. Man zahlte, spen-dete, man überschrieb pro redemptione animae – undbekam dafür. Man stiftete wörtlich »zur Abkühlungim Fegfeuer«. Und selbst die Weide noch in seinemEichwald gestattete ein Heilsbegieriger 200 Kloster-schweinen »zum ewigen Nachlaß seiner Sünden« (proaeterna remissione peccatorum suorum). Ja, nur umden Lebensabend in einem Kloster und den Rest da in»geweihter Erde« verbringen zu können, vermachtenoft ältere Leute den Mönchen ihr ganzes Vermögen.

Im Urkundenbuch von Lorsch (Lauresham), das abKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.211 Deschner Bd. 8, 99»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

766 ca. 100 Schenkungen pro Jahr erhielt, liest sichdas so: »Ich Wolfbodo gebe an den hl. Nazarius zuLorsch im Maingau meine Güter in Turincheim (Dor-nigheim), und die Kirche, die erbaut ist zu der EhreSt. Mariä und anderes.« – »Ich Imma gebe in Tu-rincheim neben unserer Kirche 6 Tagewerk. Gesche-hen im Kloster Lorsch im 13. Regierungsjahre desKaisers Ludwig.« – »Ich Engeltrud und Engelfreindwir geben dem hl. Nazarius eine Kirche, die errichtetist (in Nievern an der Lahn) zu Ehre St. Maria undwas zu dieser Kirche gehört.« –»Im Namen Gottes;Ich Isinar gebe fürs Heil meiner Seele an den heiligenMärtyrer Nazarius in Quirnheim ... die Kirche, welchezu der Ehre der heiligen Gottesgebärerin Maria unddes hl. Martinus erbaut ist, nebst Hof, Weinbergusw ....«

Oder betrachten wir die Zuwendungen an das Frau-enkloster Kapellendorf in Thüringen durch ein einzi-ges Geschlecht, die Burggrafen von Kirchberg, imLauf eines einzigen Jahrhunderts.

Im Jahre 1200 übergeben Dietrich der ältere undjüngere mit Gutheißung ihrer Erben »den Ort sowohl,auf dem das Frauenkloster steht, als auch alles, wasdazu gehört, sowie alle Güter frei« dem Kloster mitder einzigen Verpflichtung, die Stifter an den Gebetenund guten Werken der frommen Frauen »auch inZukunft teilnehmen zu lassen«.

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7.212 Deschner Bd. 8, 99»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

Im selben Jahr schenkt dem Kloster ein Heinrichvon Gornewiz 4 Hufen, ein Heidenreich 4 Hufen, eineFrau Gela von Toubeche 4 Hufen, in Umverstedt 3Hufen, in Sulzbeche 2 Hufen, in Schwabhausen 40Morgen Holz und ein Feld am Ende des Ortes, diePfarrei mit 7 Hufen, die Kapellen mit ihren Zehnten,den Garten und den Hof des Marienaltars mit den an-deren Feldern in Kapellendorf und Hustorf, den Zehn-ten vom Allod in Kapellendorf, den Weinberg beimKloster, den Weinberg des Bruders Kristan mit denanderen Weinbergen usw.

1256 erhält das Kloster durch Dietrich IV. zuEhren der Muttergottes, zum Wohle seines eigenenSeelenheils wie seiner ganzen Sippe, Lebender undToter, 31/2 Hufen in Toubeche mit den dazugehöri-gen Bauern und Gütern sowie noch verschiedene Bau-ern des Dorfes Umverstedt. 1273 überläßt BurggrafOtto den Ordensfrauen 2 Hufen »zu Ehren der Jung-frau Maria und des Apostels Bartholomäus«. 1279vermacht er den Gottes brauten eine Hufe und zweiLeibeigene, 1281 eine halbe Hufe mit allen daran haf-tenden Rechten samt drei zusammenliegenden Äk-kern. 1283 stiftet Otto zum Andenken an seine ver-storbene Gattin eine Hufe am Kapellendorfer Kirch-hof und drei Weinberge in Closwiz »zu Ehren Gottes,seiner Mutter Maria und des Apostels Bartholomäusund damit in den täglichen Totenmessen der abge-

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7.213 Deschner Bd. 8, 100»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

schiedenen Burggräfin gedacht und eine immer bren-nende Lampe unterhalten werde«.

Denn nicht nur – um weitere Gaben des generösenGrafen (darunter eine Mühle, ein ganzes Dorf sowieeine Unzahl von Verkäufen zugunsten der armenNonnen) zu übergehen –, nicht nur für sich konnteman sorgen, für eine ganze Ewigkeit mit so wenigem,so Banalem. Auch dem Seelenheil seiner Nächsten,seiner Verwandten und Freunde, Erben und Nach-kommen durfte man unglaublich preiswert zu Hilfeeilen, ein rettendes Gedenken verschaffen, Jahrtagepro remedio animae stiften. Zum Beispiel so vielWachs, Korn, Silber oder Gold geben, wie der wog,um dessen Heil man bat. Und war man selber tot,dann mochte – ein buchstäblich wunderbares Ge-schäft – der eigne Anhang, der Freundes-, der Sippen-kreis einem für ein bestimmtes Dotationsgut, eine Na-tural-, eine Geldgült, kurz für weitere Zahlungen dieQualen des Fegefeuers lindern.22

Nun wäre der Laie, dieser in spiritualibus so arglo-se, unklare, oft unwissende Kopf, nie von sich aus aufall die subtilen metaphysischen Optionen katholischerSeelensalvierung gekommen. Dazu bedurfte es erstgelehrter Theologen, die genau wußten, wie leichtman Geist und Materie, Seele und Besitz zusammen-bringen konnte, wie unschwer sich Schutz vor diessei-tigen wie jenseitigen Gefahren, Rettung vor Sünden

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7.214 Deschner Bd. 8, 100»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

und Sündenstrafen, ja wie mühelos sich immerwäh-render Himmelslohn für schnöde Temporalien erkau-fen ließ.

Überall wiesen die Guten Hirten darauf hin, reiztensie Unschlüssige an, rieten sie Zaudernden zu, inSchriften, Predigten, in Beichtgesprächen, ganz be-sonders aber an den Sterbebetten, wo ihr Einfluß, ihreArgumentationskunst (nicht nur damals) auf die vonTodesangst, von Höllenfurcht Gefolterten stets amstärksten war, immer ermahnten sie nicht nur zum Al-mosengeben, Opfern, zur Zehntleistung, nein immerund immer wieder riefen sie eifrig dazu auf, wenig-stens, wenn schon nicht alles – das Beste, gewiß, dasSicherste! –, so doch einen Teil des eigenen Besitz-tums der Kirche zu hinterlassen und sich derartgleichsam selbst zu erlösen.

Es war ja so leicht ... es bedurfte nur der bewährtengeistlichen Agitation, sei es in Worten oder Werken,etwa immer wirksamer Reliquientranslationen. Schonin der Antike hatte man dadurch falsche und »wahre«Wunder (bei den saeculares) bewirkt, mit den Kapi-talstücken einer Heiligenleiche nicht nur, auch mitihrem Barthaar, ihrem Staub (III 241 ff.!). Und die»Nachfrage« war, dank christlicher Wissensbildung,bei den Gläubigen geblieben, noch gewachsen. »Seitder h. Veit im sächsischen Korvey ruhte (836) gingder Klosterbesitz rapid in die Höhe« (von Schu-

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7.215 Deschner Bd. 8, 101»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

bert).23

Diese Kleruspraxis erregte schon Zeitgenossen.Selbst Kaiser Karl »der Große« warf den Prälaten

unnötige Kirchenbauten, Bereicherungen, maßloseHabgier, Erpressungen, Wucher, Betrug, Entwendungdes Armengutes durch Androhung jenseitiger Strafenvor, aber auch erzwungene Landschenkungen Wohl-habender u.a. Scharf herrschte er auf dem AachenerReichstag 811 Bischöfe und Äbte an, wandte er sichgegen alle, die in Gottes oder eines Heiligen NamenReiche wie Arme, »einfältige Seelen, unwissende undunklare Köpfe ihres Eigentums berauben und derenrechtmäßige Erben um ihr Erbe bringen«. Kinder,Waisen, Verwandte, Arme sah er so in Not gestürzt,zwangsläufig auf den Weg des Widerstands, zu flagi-tia et scelera, furta et latrocinia getrieben, zu Bettlern,Dieben, Räubern gemacht.

Nach den karolingischen Erlassen grassierte dieBettelei, das Wegelagerer-, das Räubertum im Fran-kenreich. Wiederholt verurteilen die Kapitularien dasSchenkungsgebaren, die (letztwilligen) Vermächtnis-se, den Eigentumsverlust, die daraus resultierendenMißstände. Aber es sind selbstverständlich keine In-terventionen gegen das feudale System. Es sind»Schutzmaßnahmen« pro domo. Sie gelten vor allemden kleinen freien Bauern, deren Anteil am Heeres-dienst, für Karl gewiß das Wichtigste, ständig ab-

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7.216 Deschner Bd. 8, 102»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

nahm. Durch eine Befragung anno 811 erfährt er, dieÄrmeren seien ebenso durch Bischöfe, Äbte undderen Vögte wie durch Grafen um ihr Eigentum ge-bracht worden. »Sie sagen auch, wer dem Bischof,Abt, Richter oder Unterbeamten sein Eigentum nichtgeben wolle, gegen den suche man Gründe, ihn zuverurteilen, und lasse ihn fortwährend zu Heereszügeneinrücken, so lange, bis er gänzlich verarmt ist undgutwillig oder unter Zwang sein Eigengut übergebeoder verkaufe; andere, die das schon getan hätten,säßen in aller Ruhe zu Hause ...«24

In den »Capitula de causis cum episcopis et abbati-bus tractandis« aus dem Jahr 811 stellt Karl deutlichfest, »daß Geistliche in betrügerischer Weise Freiezur Aufgabe ihres Eigentums brachten, wobei sieMeineide, falsche Zeugnisse, den Heiligenkult undReliquien einsetzten.« »Und was soll man erst vonjenen sagen, die, gleichsam aus Liebe zu Gott und denheiligen Märtyrern und Bekennern, die Gebeine undReliquien der heiligen Leiber von Ort zu Ort schlep-pen, überall neue Kirchen bauen und dringend, sovielsie können, auffordern, ihr Gut dahin zu übertragen?«(Die Gesamtzahl der Kirchen in Deutschland um dieMitte des 9. Jahrhunderts wurde auf 3500 geschätzt.)Karl wollte nicht viel von dem verweltlichten egoisti-schen Treiben der Mönche wissen, wollte sowohl dieZahl der Kongregationen wie deren Angehörige be-

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7.217 Deschner Bd. 8, 102»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

schränkt sehen. Nur ganz wenige Klöster hat er be-schenkt und kein einziges selbst gestiftet. Erstaunt es,daß der heiliggesprochene Monarch (IV 504) noch inseinen letzten Lebensjahren verbietet, dem König andie Kirchen zinspflichtigen Grund und Boden zuübertragen?

Freilich, Karl war noch nicht lange tot, da verord-nete Ludwig der Fromme 819: »Weil wir nach derTradition der Väter wissen, daß die Güter der KircheGelöbnisse der Gläubigen, Lösegelder von den Sün-den und das Vermögen der Armen darstellen, so wün-schen wir nicht nur einer jeden Kirche das Ihrige zuerhalten, sondern mit Gottes Hilfe noch vieles hinzu-zufügen.«25

Doch dafür sorgten diese Kirchen auch selbst, hattedie Kirche seit je gesorgt, indem sie in den Schädelnder ihr Hörigen jenes dumpfe geistferne Klima schuf,das die Unterjochten in der aufgebürdeten Herrschaftund ihren Schrecken eine Prüfung durch Leid, eineVerheißung auf jenseitigen Lohn, eben die berühmtegottgewollte Ordnung wähnen und dies lange, langeunbeirrt auch glauben ließ. Natürlich kannte nicht nurein wacher, Leben und Leistung der feudalabhängigenBauern bemerkenswert realistisch beurteilender Kopfwie im 11. Jahrhundert Bischof Adalbero von Laonden Nutzen der Unfreien. »Sie sind es«, gesteht dertreffliche Karikaturist des cluniazensischen Mönch-

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7.218 Deschner Bd. 8, 103»To troste miner selen« oder »rechtmäßige ...

tums unter dem hl. Abt Odilo, »die allen Nahrung undKleidung liefern; denn kein freier Mann ist fähig,ohne sie zu leben.« Auch Adalberos ZeitgenosseAbbo I., Abt von Fleury, 1004 bei Inspektion desPriorats La Réole (Gironde) durch aufsässige Möncheerschlagen, versichert von den unfreien Bauern, durchihre Arbeit werde »die gesamte Kirche unterhalten«.

Aber dies hatte die allerhöchste Weisheit seitEwigkeit so vorbestimmt, hatte gewollt, »daß unterden Menschen die einen Herren, die anderen Knechteseien«. So lehrt es die Catholica seit je, so lehren ihrePäpste noch im 20. Jahrhundert, und so läßt das Ge-wissen sich, wenn es sich denn regt, doch nicht regensoll, wunderbar beruhigen. Es war gottgewollt, daßdie Armen, mit Jakob von Vitry, diesem First-class-Kreuzzugs-Fahrer (VII 218 f.), zu sprechen, »ihrenLebensunterhalt mit ihrer Hände Arbeit verdienen,ihnen aber nichts übrig bleibt, wenn sie gegessenhaben«. Dies konnte man, wie der Bischof vonRennes, Étienne de Fougères, beklagen, doch gleich-zeitig den Nutzen der körperlichen Arbeit preisen undalle, die sie verrichteten, verachten.

Ackerbau galt im Mittelalter als servilia opera, alsKnechtsarbeit und unehrenhaft.26

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7.219 Deschner Bd. 8, 103Der hl. Isidor

Der hl. Isidor

Der christliche Bauer, kein Zweifel, wurde von weltli-chen wie geistlichen Herren verachtet, und er verach-tete, verabscheute sie auch seinerseits. Erzbischof Be-zelin Alebrand von Hamburg-Bremen, »geschmücktmit Vorzügen aller Art ... ein Vater des Vaterlandes,eine Zierde der Geistlichkeit und des Volkes Heil«,ein bei Adam von Bremen überschwenglich gepriese-ner Hierarch, der kaum ein übles Wort über den Kle-rus ertrug, ließ Bösewichter vor seinen Augen mitOchsenziemern prügeln. Ja, sein Nachfolger Erzbi-schof Adalbert traktierte jene derart manchmal sogarselbst.

»Der Bauer haßt die Kirche«, sagt lapidar ein fran-zösischer Text, und »Der Winsbecke«, ein deutschesLehrgedicht aus dem 13. Jahrhundert, bekundet das-selbe. Nur zu begreiflich der Seufzer jenes freienLandmanns beim Anblick eines hohen Herrn, den erzur Kirche eilen sieht: »Dieser da ißt heut abend einfettes Huhn, das genügen würde, alle meine Kinder zuernähren.«

Dem Bauern wurde der Reinigungseid verwehrt,das Waffenführen verboten. »Am Sonntag«, befiehltdie stark verbreitete Kaiserchronik aus der Mitte des12. Jahrhunderts, »soll er zur Kirche gehen und in der

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7.220 Deschner Bd. 8, 104Der hl. Isidor

Hand einen Stock haben. Trägt er aber ein Schwert,so soll man ihn binden, ihn zum Kirchenzaun führenund ihm Hut und Haar abschlagen.«27

Wohl ließ sich auch, und besonders durch dieGeistlichkeit, Gutes über den Geplagten kolportieren,durfte man die »pauperes et miserabiles« viel fleißigernennen »als die Mönche in ihren Klöstern und dieKleriker in ihren Kirchen«, durfte man sagen: »Alles,was ein Bauer in einem ganzen Jahr mit unverdrosse-ner Arbeit gewonnen hat, verschwendet der Herr ineiner Stunde.« Aber das stand doch bloß auf Papier,in Bullen, Statuten. Die Praxis sah anders aus, undgewöhnlich auch die Predigt. Immer und immer wie-der nämlich hieß es da: Pflicht zum Gehorsam, Pflichtzu Fron, zu Mühsal, Pflicht zur immerwährenden Ar-beit für den himmlischen, den irdischen Herrn. Schik-ke Gott ja alle, weiß 816 das Konzil von Aachen, fürdie er keine Freiheit bestimme, aus Barmherzigkeit indie Knechtschaft, um so die »servi« durch die Autori-tät des Herren zu zügeln.

Ja, dienen solle der Bauer, Buße tun. Doch habe ernicht weniger Verdienst – bei Gott, natürlich – »alsder Kleriker, der den ganzen Tag in der Kirche singeund nachts zur Mette wache«. Auch Belästigungensolle man ertragen, selbst Unrecht, und bloß nicht denZehnt verweigern, denn das heiße Gott betrügen, seinicht gewöhnlicher Diebstahl, sei Gottesraub. »Gute

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7.221 Deschner Bd. 8, 105Der hl. Isidor

Leute«, eifert ein Pfaffe, »gebt eurem irdischen Herrn,was ihr ihm schuldig seid. Ihr schuldet ihm Zinse,Dienste und Steuern. Gebt sie am rechten Ort und zurrechten Zeit vollständig und unverkürzt.« Und Tho-mas von Cantimpré, Albertus-Magnus-Schüler, wahr-scheinlich Generalprediger auch der Dominikaner, be-richtet von einem Bäuerlein, einem oft nächtelangenBeter, der sich's selbst vom Mund absparte, um ande-ren Armen helfen zu können.28

Gut, gut, so hat es Mutter Kirche gern. Und erin-nert's denn nicht bereits an jenes Idol, das sie schuf?Jenen gar wackeren, so tugendhaften wie strebsamenHelden der Arbeit, den hl. Isidor (Fest 15. Mai),Stadtpatron von Madrid und Patron der Bauern? At-tribute: nicht Hammer und Sichel zwar, doch Senseschon, Mistgabel, Dreschflegel, Rosenkranz »undmanchmal auch ein Kruzifix« (Keller). Der heiligeBauer stirbt um 1130, und selbstverständlich stirbt er»eines heiligen Todes«, wird aber, Gott weiß warum,erst ein halbes Jahrtausend später kanonisiert.

Und alles, was die Welt von ihm weiß, stammt ausder »Vita et miracula auctore Johanne diacono« des13. Jahrhunderts. Zu Beginn und am Schluß erscheintdarin der Bauernstand als das notwendigste Geschäftder menschlichen Gesellschaft, und von Anfang bisEnde ist die krasse Propagandafunktion dieser Figurevident. Als Kind armer, doch frommer Eltern zu Ma-

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7.222 Deschner Bd. 8, 105Der hl. Isidor

drid geboren, wächst Isidor gleichfalls arm undgleichfalls fromm heran, lindert noch die Not andererArmer, indem er mit ihnen Lohn und Schüssel teilt.So ist's recht. Als sie einmal leer ist, füllt »ein Wun-der der göttlichen Liebe den Topf ...« Doch wunder-barer noch: Vom Morgengrauen an schuftet er undmacht seine Sklavendienste »zu gottseligen Handlun-gen, zum Gottesdienste«. Und am allerschönsten: »Jeschwerer und mühesamer die Arbeit war, desto freudi-ger unternahm er sie, und desto mehr Geduld hatte er,um sich dadurch gute Werke zu sammeln. Wollte esihm gar zu hart ankommen, so stellte er sich Jesumam Kreuze vor, wie sauer Er es Sich habe werden las-sen, um die Schuld und die ewige Strafe unserer Sün-den zu büßen. Während seine Hand den Pflug führte,unterhielt sich sein Herz mit Gott.«

Ja, die Hand am Pflug, das Herz beim Herrn, beidem im Himmel und, wer weiß, vielleicht noch mehrbei dem auf Erden. Und das Lexikon für Theologieund Kirche, das sich mit knappen sechs Zeilen überden hl. Isidor bescheidet, schließt: »Schon zu Lebzei-ten wundertätig. Sein unversehrt erhaltener Leib ruhtnoch heute in der Kathedrale von Madrid ...«29 Nun,da mache man denn bald eine Bußwallfahrt gutenalten Stils dorthin, vergewissere sich aber erst der Au-thentie der Ablaß-Taxen, damit man nicht am Endeauch noch düpiert dasteht.

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7.223 Deschner Bd. 8, 106»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

Die Massen waren somit bestens metaphysisch präpa-riert. Sie ermöglichten es der Elite, ringsum heiligeKriege zu führen, indem sie dafür zwar nicht heilige,doch höchst heilsame Hilfe leisteten, die »Mitwirkungan Gottes Heilsplan« – ein wahrer Segen, zumindestfür die Führer; ansonsten, was die Arbeit angeht,steht's bei Hiob 7 anders.

Im Laufe des Frühmittelalters hatte sich der Feuda-lismus immer mehr entwickelt, der weltliche wiegeistliche Großgrundbesitz noch gesteigert. Die Kir-che war Adelskirche, der Episkopat mit der Aristo-kratie eng verwandt, versippt, verfilzt (IV 9. Kap.!),und mit dem ständigen Wachsen des Besitzes wuch-sen natürlich auch die Scharen der Arbeitenden, Ab-hängigen. Denn nahm auch die Sklaverei im strengenSinn, die alte »Latifundien-Sklaverei«, ab (obwohl siegerade im mediterranen Europa bis tief in die Neuzeitbestand), die Zahl der Unfreien und Halbfreien nahmzu. Eine große Kirche hatte hunderte, eine Bischofs-kirche tausende von Höfen mit 12000 bis 48000 bo-tmäßigen Leuten. Die Bischofsstädte aber lebtenüberwiegend von ihrem Landproletariat, und in man-cher Bischofsstadt waren sogar die Bürger grundhörigund leibeigen.30

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7.224 Deschner Bd. 8, 106»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

Noch glänzender als den Kirchen ging es den Klö-stern. War das Mönchtum doch überhaupt ein beson-deres Macht- und Propagandainstrument der Kirchen-führer, der Päpste und Patriarchen, schon seit dem 5.Jahrhundert, seit dem späteren Bilderstreit (IV 349ff.) und in der ganzen mittelalterlichen Geschichte. Ja,das Mönchtum hatte eine größere Bedeutung im öf-fentlichen Leben als der Weltklerus, mit dem es oft zublutigen Tumulten kam (S. 125 f.).

Nach der altfranzösischen Dichtung resultierte derReichtum der Klöster aus vielen Quellen: aus der Be-wirtschaftung der Güter durch Leibeigene, aus kirchli-chen Benefizien, aus Einkünften durch den Gottes-dienst. Jeder opferte, goldene Gefäße darunter, Kel-che, Waffen und Geld, kostbare Tücher; nicht zu op-fern fiel unbedingt au f. Weitere Einnahmequellenwaren u.a. Begräbnisse, Absolutionshonorare, Testa-mentsvollstreckungen. Am meisten aber profitierteman ohne Zweifel aus den Schenkungen der Laien.Und seit dem Aufblühen der Städte stieg der Einflußder Kuttenträger noch, traten sie überall mehr hervor,nicht zuletzt bei Festen, bei Taufen, Hochzeitsfeiern,Totenschmäusen, aber auch bei Beratungen auf demSchlachtfeld, kurz, die Religiösen spielten im Lebender damaligen Kirche »auf allen Gebieten eine beherr-schende Rolle« (Parisse).

Als im 6. Jahrhundert die irischen Mönche inKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.225 Deschner Bd. 8, 107»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

West- und Mitteleuropa erschienen, entstand rasch einKloster nach dem anderen, besonders in Austrasien,im Elsaß, in Lothringen und Mittelfrankreich. Undbereits nach Mitte des 6. Jahrhunderts gab es im Me-rowingerreich rund 200 Mönchshäuser.

Im 13. Jahrhundert indes soll allein Florenz 156Klöster, Mailand (anno 1287) 10000 Mönche – dochnur 200 Ärzte und nur 80 Schulmeister – gehabt, derBenediktinerorden im frühen 15. Jahrhundert mehr als30000, zur Zeit seiner größten Blüte etwa 37000Klöster besessen haben.

Wie aber dem Bischof, so ging es auch dem Abtmeist weniger um »Seelsorge« als um Politik, umEinfluß, Besitz, Vermögen, Macht. Und wie jede Kir-che, so brachte auch jedes Kloster, selbst das kleinste,Geld, war es immer auch und vor allem von ökonomi-scher Bedeutung, war es mehr Gutshof als Kirche,»Wirtschaftskörper« (Haller). Und zumindest in Itali-en wurde seit dem Hochmittelalter die Bezeichnung»abbas et yconomus« immer häufiger. Petrus von LaCelle nannte Klöster »Schatzhäuser, GeheimkammernGottes«.

Gewöhnlich gehörten zu einem Kloster Ochsen-,Pferde-, Ziegen-, Schweineställe, aber auch Dresch-dielen, Kornspeicher, Bäckereien, Brauereien, Gesin-destuben etc. Und da manche Herrscher die Klöstermit Marktprivilegien reich bedachten, besonders Otto

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7.226 Deschner Bd. 8, 108»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

I. etwa, Otto III., Heinrich II. der Heilige, hielt manMärkte auch im Kloster- oder Kirchhof ab.

Später expandierte man. Das 1146 gegründete Klo-ster Raitenhaslach hatte in mehreren bayerischen undösterreichischen Städten seine eigenen Verkaufshäu-ser, auch seine speziellen Reibereien und Streitigkei-ten deshalb mit den Bürgern. In München besaß dasKloster eine Fleischbank, in Krems eine Weinschen-ke, den Klosterherren gehörten Waldungen, zahlrei-che Mühlen, Dorfschmieden, ein Salinenbetrieb, siehandelten mit Salz, Bauholz, Bausteinen, Ziegeln.

Askese, Kontemplation, rigorose Weltentsagungwaren längst und immer mehr ökonomischer Aktivitätgewichen, überhaupt aufsehenheischender Agitationin der Öffentlichkeit. Und die Geschäfte floriertendesto besser, als den Mönchen, wie dem Klerus, baldzum Ärger weltlicher Großer, ungeheure Ländereienstets von neuem zugekommen und durch Gewährungder Immunität zahlreiche staatliche Lasten teilweiseoder ganz erlassen worden sind.31

Die Arbeitswut der alten Mönche von Wales,gemäß der Parole »Jeder muß sein eigener Ochsesein«, war wie weggeblasen, von Handarbeit – »miteigener Hand«, »ohne Unterstützung von Sklaven« –bei Mönchen längst nicht mehr die Rede, weder aufdem Feld noch im Garten.

Alle Klöster hatten Grundbesitz, dazu ihre Skla-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.227 Deschner Bd. 8, 108»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

ven, ihre abhängigen Bauern, und jede Leistung waroft bis ins einzelne festgelegt.

So mußten im 10. Jahrhundert die Unfreien desKlosters Weißenburg aus vielen Dörfern je »einenOchsen gegen den Feind stellen«, aus manchen Dör-fern aber auch »fünf Ochsen mit zwei Leuten«, andereeinen bestimmten Fahrdienst zwischen den Ortschaf-ten gewährleisten. Die Bauern dieser weißenburgis-chen Mönche hielten Wache auf dem Herrenhof, siehatten Pflug- und Erntedienst, hatten Weinbau zu trei-ben, Linnen und Wolltücher, Bier und Brot herzustel-len, sie hatten Abgaben von Dinkel und Roggen zuliefern, von Pferden, Frischlingen, Hühnern, Eiern,auch Geld. Und im 11. Jahrhundert brauchte manwohl nicht bloß in Ungarn zur Ernährung einesMönchs sechs bis acht Ackerknechte.

Es gab indes nicht nur die Leibeigenen, die Höri-gen, sondern auch die fratres conversi, die Laienbrü-der, auch laici, exteriores, illiterati, idiotae genannt.

Seit dem 5. Jahrhundert belegt und in den mittelal-terlichen Schriften oft erwähnt, kontrastiert die Häu-figkeit ihres Vorkommens wohl nicht ganz zufälligmit dem, was wir über sie wissen. Denn gab es auchverschiedene Formen von Konversen, im allgemeinenwaren diese ohne klerikale Weihen und von der Abt-wahl ausgeschlossen. Ihr Verhältnis zu den Mönchen,denen sie natürlich unterstanden, zu denen sie nicht

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7.228 Deschner Bd. 8, 109»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

aufsteigen konnten, war heikel, gespannt, nicht ohneNeid, Tücke. Es herrschte strenge Distanz. Manwohnte getrennt, aß getrennt, schlief getrennt, undauch für die Kranken beider Seiten gab es getrennteRäume. Gelegentlich kam es sogar zu Aufständen.Kurz, die Konversen waren eine Art »Klosterbrüderzweiter Klasse«, erbrachten aber »eine erhöhte Ar-beitsleistung« (Rüther), weshalb man dafür gern kräf-tige Leute aus niederem Stand nahm, Söhne von Bau-ern, Handwerkern.32

Die Mönche freilich, mit deren Kulturtätigkeit undsonstigen »Verdiensten« man bei uns bereits Kindernjahrhundertelang die Ohren vollbläst, führten immerhäufiger ein ausgesprochen bequemes, faules und oftgenug auch liederliches, im Mittelalter vielbeklagtesLeben. Selbst von den Cluniacensern, stets als führen-de Reformer herausgestellt, schreibt im 11. Jahrhun-dert ihr hl. Abt Petrus Venerabilis (natürlich aus demFeudaladel; drei seiner Brüder sind ebenfalls Äbte,ein vierter ist Erzbischof von Lyon): »Müßiggang hatso sehr einen großen Teil der Unsrigen, am meistenaber die Bartbrüder in Besitz genommen, daß sie imKloster und draußen mit Ausnahme von einigen, dielesen, und ganz wenigen, die schreiben, an den Wän-den des Klosters herumlehnen und schlafen oder vonSonnenaufgang bis zum Niedergang, ja bis in dieNacht hinein, wenn sie es ungestraft können, den gan-

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7.229 Deschner Bd. 8, 109»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

zen Tag mit leeren, müßigen Worten oder mitSchmähreden vergeuden.«33

Mußten die Herren jedoch nachts ihren Schlaf un-terbrechen, holten sie ihn gewöhnlich tagsüber nach.Man schlief den »Nachtschlaf«, etwa fünf bis neun-einhalb Stunden, sehr häufig auch einen »Morgen-schlaf« und oft noch einen »Mittagsschlaf«, den derhl. Benedikt für den Sommer ausdrücklich vorge-schrieben. In Schlössern residierte allerdings nochkaum ein Abt, wie nicht selten später. Und obwohl esunter den Religiösen inzwischen meist mehr Laien-brüder, handfeste Männer für die Arbeit, als Mönchegab, ihr Verhältnis betrug etwa 3: 2 oder 3: 1, hieltman sich zusätzlich noch ganze Scharen weltlicherDiener (famuli), und auf Reisen wurden sogar einfachMönche von einem Diener begleitet.

Man lebte herrschaftlich, feudal. Die »demokrati-sche« Mönchära mit Aufstiegschancen aus allenSchichten war vorüber, für Äbte und Äbtissinen jetztReichtum und hohe Geburt wichtig. Sie wohnten inPalästen. Sie schätzten den Zuzug Wohlhabender, derLeute mit Besitz und Vermögen, versprachen ihnenein angenehmes, standesgemäßes Leben, währendman andere Mönche gelegentlich vertrieb, wie unterdem adligen Fuldaer Abt Ratgar, dessen Grab diedeutschen Bauernkrieger 1525 demolierten. Unter In-nozenz III. hatte Abt Wilhelm von Saint Omer zwei

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7.230 Deschner Bd. 8, 110»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

Abteien verschwelgt und sich gewaltsam in eine drittegedrängt. Bernhard von Clairvaux eifert gegen Eitel-keit und Überfluß vieler Klöster, gegen das Unmaß anEssen, Trinken, an Kleidung, Bett- und Reitzeug, anBauten. Und in einem altfranzösischen Text rät maneinem reichen Grafensohn zum Klostereintritt eben-deshalb, weil er dann noch reicher werde.34

Die frommen Herren – und Damen – separiertensich gern. Man liebte es, unter seinesgleichen zubeten. Schon die Regel Isidors von Sevilla erlaubtenur Freien die Klosteraufnahme. Später entstandenreine Adelsklöster, freiherrliche Klöster wie Zürich,Einsiedeln, Verden, Corvey, Quedlinburg. In der be-rühmten Benediktinerabtei St. Gallen sind aus derZeit zwischen 1200 und 1419 der Familie nach 54Mönchen bekannt, von denen 53 dem freiherrlichenStand angehörten. Unter den Mönchen Reichenaustraf man im 14. Jahrhundert nur Söhne von Grafenund Freiherren. Erst seit dem frühen 16. Jahrhundertwurden dort auch Bürgerliche zugelassen. Viele klei-nere Klöster hat der Adel sogar mit der Absicht aufKinderversorgung gestiftet.35

Vom feudalen Status, vom Standesdünkel warenauch die Frauenkonvikte oft geprägt.

Das Nonnenkloster Buchau im Bistum Konstanznahm von seiner Gründung im Frühmittelalter bis ins17. Jahrhundert nur Frauen aus gräflichem oder alt-

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7.231 Deschner Bd. 8, 111»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

freiherrlichem Geschlecht au f. Das um 959 gegründe-te Kanonissenstift Gernrode, von Damen fast durch-weg aus dem höheren Adel geleitet, hatte adlige Ka-nonissen, deren persönliche Dienerinnen nicht seltengleichfalls aus dem Adel kamen.

Selbst die schon zu Lebzeiten als prophetische My-stikerin gefeierte hl. Hildegard drückte dem von ihrum 1150 bei Bingen erbauten Frauenkloster den no-blen Stempel au f. Ja, die Tochter eines Edelfreien er-klärt dies der Äbtissin von Andernach brieflich so:»Niemand werde sein Vieh zu einer Herde und ineinen Stall vereinigen: Ochsen, Esel, Schafe; dieseVermischung führe zum Hasse, wenn die Hochgebo-rene vor der Niederen weichen müsse; auch Gott un-terscheide das Volk auf Erden, wie er im HimmelEngel, Erzengel, Throne, Herrschaften, Cherubim undSeraphim unterscheide ...«36

Es gab Frauenkonvente, die nichts waren als dieVersorgungsanstalten, die Ausstattungsgüter derTöchter Vornehmer. Es gab Frauenklöster mit großenDienerschaften; gab Äbtissinen, die sich adlige Her-ren als Kämmerer, Truchsesse, Schenke hielten; gabÄbtissinen (im 13. Jahrhundert in den Diözesen Bur-gos und Palencia), die nicht nur predigten, sondernihren Nonnen auch die Beichte abnahmen. Undschließlich gab es Äbtissinnen, die sich trefflich aufsBauernschinden verstanden. Die Äbtissin von St.

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7.232 Deschner Bd. 8, 111»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

Walburg im Bistum Eichstätt steckte ihre Hintersas-sen häufig ins Gefängnis, und in einer Bittschrift anden Bischof fürchtet eine ganze Gemeinde, man werdesie »stocken, blocken und dazu nit wissen wir wiehoch strafen«.

Das Gebot persönlicher Armut wurde in vielenKlöstern völlig mißachtet. Nicht wenige Mönche undOrdensschwestern hatten Eigenbesitz, ihre »privatarepositoria«. »Sie tragen Kleider«, klagt Gerhoh, derim 11. Jahrhundert so eindringlich wie vergeblich dieFeudalisierung der Kirche bekämpfende Propst vonReichersberg, »die sie nicht aus der gemeinsamenKammer erhalten, sie essen Speisen, die sie nicht ausdem gemeinsamen Keller haben; jede treibt ihr eige-nes Werk, sie arbeiten nicht für die Gemeinschaft,sondern wie sie wollen, für wen sie wollen und solang sie wollen.«

Bei den Nonnen von Nimbschen in Sachsen warSondereigentum zwar nicht Bedingung, aber, wie frei-lich weithin, geradezu üblich. Auch die Klosterfrauenvon Marienthal bei Zittau hatten – zum Teil recht be-deutenden – Privatbesitz, nicht nur Renten, auch Ka-pitalvermögen. Die Klarissen, deren Stifterin dochmit aller Energie das Prinzip der Besitzlosigkeit ge-predigt, trugen zu Ribnitz in Mecklenburg ebensoSchmuck und kostbare Kleider wie die Breslauer Kla-rissen, die mehr Gold und Silber im Portemonnaie

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7.233 Deschner Bd. 8, 112»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

hatten als Nächstenliebe im Herzen. Die BreslauerÄbtissin Margareta Herzogin von Tost beschwertesich 1515 sogar, daß ein Beichtvater die widerspen-stigen Schwestern im Beichtstuhl und außerhalb auf-gehetzt habe, ihr, der Äbtissin, nach dem Leben zutrachten, sie zu erdrosseln oder wenigstens fortzuja-gen.

Der Reichtum machte die Frommen übermütig.In Sonneberg, einem Zisterzienserinnenkonvent

Oberfrankens, verprügelten die Ordensfrauen ihre Äb-tissin in der Kirche. Und vor den Zisterzienserinnenvon Ichtershausen, adligen Nonnen, erschien derBeichtvater, der ihre Moral verbessern sollte, gar miteinem Panzer unter der Kutte. Auch im Haus der Do-minikanerinnen von Cronschwitz, zwar den Bettel-mönchen unterstellt, doch reichstes Kloster im Vogt-land, verfügten die Gottesbräute über Privatbesitz.Sie behielten Leibgeding (vitalitium), was generell le-benslängliches Nutzungsrecht an Ländereien odersonstigen Ertrag bringenden Objekten bedeutete, be-hielten Schenkungen und schlossen Käufe ab. Die ge-schäftstüchtigen Nonnen von Heiningen, die nicht nurmit dem Kloster Wöltingerode stritten, sondern auchjahrhundertelang um Zehnten mit dem Kloster Dor-stadt, handelten im 14. Säkulum schwungvoll mitihrem eigenen Haus, indem sie ganze Höfe und Gär-ten desselben kauften. Waren aber die Klostergüter

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7.234 Deschner Bd. 8, 112»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

auf diese oder jene Weise verschleudert, befahlenmanchmal Potentaten kurzerhand die Rückerstattung,wie 999 Otto III. gegenüber dem hochadeligen Frau-enkloster Buchau.

Das war nicht ungewöhnlich. Auch als die Bam-berger Oberhirten Hermann und Rupert zahlreicheSchätze und Güter der Diözese vergeudet, machteKaiser Heinrich IV., von Rupert 1089 über »den elen-den Zustand des Stiftes mit lebhaften Farben« infor-miert, »neue Schenkungen«. Oder als im 12. Jahrhun-dert in Italien reichstreue Bischöfe und Äbte riesigeBesitzungen verkauft, verpfändet, vertan hatten, ließKaiser Friedrich I. all ihre oft lange zurückliegendenVeräußerungen kurzweg annullieren, und der HeiligeStuhl suchte durch Androhung des Kirchenbanns dieRückgabe der seit Jahren in anderen Händen befindli-chen geistlichen Güter zu erzwingen, was ungezählteProzesse nach sich zog.37

Wie auch immer, der Unterschied zwischen armund reich bestand noch in den Klöstern fort. Mit vor-nehmen Insassen ging man anders um. Bereits Augu-stinus, dessen Kirche sich kaum zufällig in unmittel-barer Nachbarschaft der Paläste der Reichen erhob,hatte Statussymbole, die Bedeutung der Kleidung be-tont, »die man zur Unterscheidung des Rangesbraucht«. Und schon zu Beginn des Frühmittelaltersgestattet die Ordensregel des hl. Leander, Erzbischofs

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7.235 Deschner Bd. 8, 113»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

von Sevilla, die Beibehaltung weltlicher Rangunter-schiede im Kloster. Danach durfte auch dort nicht miteiner Prinzessin wie mit einer Sklavin umgegangenwerden. Und noch im Spätmittelalter verordnet überdie »Behandlung einer reichen Dame im Kloster«, indiesem Fall einer generösen Gräfin, 1289 der Ordens-general der Dominikaner, daß sie bei Bedarf ausihrem Besitz zu unterstützen sei. Sie könne, wolle sienicht mit der klösterlichen Gemeinde speisen, dieVergünstigungen des Krankenraumes genießen, »Siesoll nicht zu Verrichtung von Diensten aufgeschrie-ben werden, sie soll auf Polstern schlafen dürfen,werde in den täglichen Kapiteln nicht vorgerufen undmit Arbeiten nicht beschwert. Solches soll ihr undallen, die von einer feineren Lebensführung herkom-men, erlaubt werden, ohne als Regelverletzung zu gel-ten.«

Wer freilich nicht von einer feineren Lebensfüh-rung herkam, wurde schon als flüchtiger Gast andersabgespeist. So gab es in St. Gallen eine einfache Un-terkunft für Arme, außerdem aber ein komfortables,heizbares Gästehaus für die bessere Welt, nebst Be-dienstetenkammern und Ställen für die Pferde. SelbstCluny, zeitweise vielen Klöstern in der »Liebestätig-keit« voran, hatte ein Vornehmenhospitz mit der Ver-sorgung für Reisende der höheren Klassen und einArmenhospitz für die Abfertigung Unbemittelter,

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7.236 Deschner Bd. 8, 113»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

Notleidender, ein Geschäft, das dem Eleemosynariuszufiel, dem Almosenverteiler.38

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7.237 Deschner Bd. 8, 114Bauernlegen der Zisterzienser

Bauernlegen der Zisterzienser

Dies ganze, wenig asketische Leben der Religiösenaber ruhte, wie der gesamte Feudalismus, auf denkrumm gerackerten Rücken der Bauern. Und je größerdie Latifundien der Kirche werden, desto größer wirdauch ihr Sklaven-, ihr Hörigenbesitz. Diese unüber-sehbaren Scharen wachsen ständig schon durch denGrundsatz »Luft macht eigen«, der viele Freie, dieKnechtshöfe übernehmen, auch zu Knechten macht.Noch mehr aber nimmt die Unfreiheit wohl durchMischehen zu, durch Ehen zwischen Freien und Un-freien, wonach die Kinder kraft des Prinzips der »är-geren Hand« gleichfalls leibeigen werden.

Nicht wenige Bischöfe und Äbte haben ihre Ab-hängigen noch über das gewohnte Maß hinaus be-drückt, ihre Lasten noch vermehrt; Bischof Heinrich I.von Augsburg zum Beispiel im 10. Jahrhundert; oderim 11. Bischof Hermann I. von Bamberg, dieser»Wolf«, den das eigne Domkapitel bekämpft (VI320); oder Erzbischof Albert I. von Hamburg-Bre-men, der seine Leute am liebsten täglich verdroschenhätte (VI 323). Wie denn auch Norbert, Abt des Klo-sters Iburg, von dem Osnabrücker Bischof Benno II.,dem versierten Fälscher (VI 335), bemerkt: »Nichtselten zwang er die Bauern durch eine Tracht Prügel,

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7.238 Deschner Bd. 8, 114Bauernlegen der Zisterzienser

ihre Schuldigkeit zu tun«; was Bischof Benno wie derAbt, sein Biograph, »für eine dringend notwendigeMaßnahme« (pro summa necessitate) hielten – undwar doch Bennos »innerstes Anliegen ..., zu vermit-teln und zu versöhnen« (Kallfelz).

Nicht aus Pappe gegenüber den Seinen war auchHermann von Augsburg (1096–1133). Durch 500von den Veronesern geborgte und dem Kaiser gezahl-te Talente sowie durch Waffengewalt auf den Bi-schofsstuhl gelangt, beraubte er zur Begleichung die-ser Schuld die eigne Domkirche und sein Domkapitel,mit dem er überdies fast dauernd im Streit lag, lau-fend mit Bestechung, Fälschung, Lüge befaßt, zwi-schen Päpsten und Gegenpäpsten lavierend, mehr aufHeerfahrt dabei als in der Kirche, wo er mit der Fraudes angesehenen Augsburgers Adilbert auch Ehe-bruch getrieben haben soll.39

Das Benediktinerkloster Blaubeuren, das seineLeibeigenen, freilich üblicherweise, wie Sachen ver-schachert, sie etwa mit dem Kloster Ochsenhausenvertauscht, mit dem Kloster St. Blasien, dem KlosterZwiefalten, erlegt Abhängigen außer den gewöhnli-chen auch allerlei zusätzliche Lasten, Fuhr- undSpanndienste, Handdienste au f. Bei Widersetzlich-keit droht der Abt Zwangsgeld an, bei schweren Ver-stößen, wobei er nach Gutdünken vorgeht, wirft er inden Turm.

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7.239 Deschner Bd. 8, 115Bauernlegen der Zisterzienser

Auch den Grundsatz »Stadtluft macht frei« igno-rierte die Abtei und ließ 1267 ihren städtischen Leib-eigenen und Zinsleuten eine Reihe von Rechten ur-kundlich aberkennen; ließ erhärten, daß Dorfleute, dieKinder in die Stadt verheiraten wollen (!), vom Abtbestraft werden; ja, daß sie selbst, falls sie dort »inböswilliger Absicht« Bürger werden, um bei ihremTod dem Kloster zu entziehen, »was ihm gebührt«,ihr ganzes Vermögen an dieses verlieren. Die Rechteder Abtei hält die Formel fest: »Gericht, Zwing undBann, Gebott und Verbott und alle Herrlichkeit undObrigkeit in Dorf und Feld«. Übten doch viele Klö-ster die Gerichtsbarkeit aus und besaßen einen eige-nen Galgen.40

Es gab nicht wenige Geistliche, die mit äußersterHärte Leistungen erzwangen, wobei sie gegen Ver-stöße barbarisch vorgingen, auch mit Kirchenstrafen,zum Beispiel zur Eintreibung des Zehnts. Hatte jaschon 589 die 3. Synode von Toledo gerügt: »VieleKlagen zeigen, daß Bischöfe in ihren Sprengeln nichtpriesterlich, sondern tyrannisch verfahren und den Ih-rigen schwere Erpressungen und Lasten auflegen. Nurwas die alte Sitte hier zuläßt, soll gestattet sein«. Esgab weiter Bischöfe und Äbte, »die auf jede Art undmit den verschiedenartigsten Künsten die Leute umihren Besitz brachten« (Fichtenau).

Wurde doch zwischen dem 9. und 11. JahrhundertKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.240 Deschner Bd. 8, 115Bauernlegen der Zisterzienser

nicht nur die Ausbeutung der Hörigen verschärft, son-dern auch versucht, oft mit Erfolg, noch freie Bauernherabzudrücken, dem Großgrundbesitz einzugliedern,sie abhängig, leibeigen zu machen. Im Stift Kemptenberiefen sich die Äbte dabei auf eine gefälschte Ur-kunde Karls »des Großen«. Mit einer Freien verehe-lichte Eigenleute kerkerte man gern ein, bis die Frauden Stand ihres Mannes annahm. Leicht erniedrigteman wohl auch Verwaiste und nötigte sie durch einenSchwur, sich nirgends darüber zu beschweren.41

Eine spezielle Technik unter Mönchen entfaltetendie Zisterzienser.

Diese von Citeaux (Cistercium, daher der Name)ausgegangene Reformbewegung, die mit den Mönchs-idealen des hl. Benedikt wieder ernst machen wollte,verdankte vieles, vor allem den Beginn ihres Sieges-zuges, einem geistlichen Draufgänger von besonderenGnaden, dem hl. Bernhard von Clairvaux (VI 464ff.!), aber auch der Gunst zahlreicher gekrönter Häup-ter, wie Kaiser Friedrich II. und seiner langen Regie-rung, den kapetingischen Königen von Ludwig VIII.bis zu Ludwig dem Heiligen, den Königen von Kasti-lien, Aragón, Portugal, dem schottischen, dem ungari-schen Königshaus. Sie verdankte manches dem allge-meinen Wirtschaftswachstum, auch dem Ignorierenihrer eigenen ursprünglichen Ordenssatzungen undnicht zuletzt eben ihren oft rigorosen Bauernattacken.

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7.241 Deschner Bd. 8, 116Bauernlegen der Zisterzienser

Im 12. Jahrhundert hatten die Zisterzienser – meistin eremitischer Abgeschiedenheit – in Portugal 13Klöster, in Belgien 18, in Spanien 58, in Italien 88, inDeutschland über 100, in England und Irland 125.Allein in Clairvaux lebten zeitweise 700 Mönche, undandere Abteien hatten fast ebensoviel. (Ein Klostermit hundert Mönchen galt im Hochmittelalter alsklein.)42

Nach den ersten Statuten ihres Ordens sollten dieZisterzienser selbst das Land bestellen, sollten sie,worauf die Stifter großen Wert gelegt, »von ihrerHände Arbeit, Ackerbau und Viehzucht leben«, solltesomit jeder wieder »sein eigener Ochse sein«. Dochwaren ihnen von Anfang an »Konversen oder Lohnar-beiter« als »notwendige Mithelfer unter unserer Lei-tung« zugeordnet. Die Konversen sollten wie »Mit-brüder« gehalten werden, »teilhaftig unserer geistli-chen wie zeitlichen Güter gleich den Mönchen«. Dochfast unmittelbar darauf liest man, ein Konverse könneauf keinen Fall Mönch werden, »vielmehr bleibe er indem Berufe, in welchem er berufen ist (1 Kor. 7,20)«.Der Sklave soll Sklave bleiben – wie schon bei Pau-lus, so noch nach mehr als einem Jahrtausend Chri-stentum. »Sollte er vielleicht anderswo, durch Einflü-sterung des Teufels (!), von irgendjemand, einem Bi-schof oder Abt das Mönchs- oder auch Kanonikerge-wand annehmen, so darf ihn keines unserer Klöster

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7.242 Deschner Bd. 8, 117Bauernlegen der Zisterzienser

mehr aufnehmen.«43

Wie fast überall, überwogen auch bei den Zisterzi-ensern die Laienbrüder; trafen etwa im 12. Jahrhun-dert in Potigny auf 100 Mönche 300 Konversen, inRievaulx (England) anno 1165 auf 140 Mönche 500Konversen, in Himmerod im Jahr 1224 auf 60 Mön-che 200 Konversen. Die Abtei von Dunes hatte 1150erst 36 Laienbrüder, fünf Jahrzehnte später jedochschon 1200. Und selbst die Zisterzienser müssenheute zugeben, daß ihr Orden seine wirtschaftlicheHochblüte gerade den Konversen schuldet.

Die Konversen aber lebten gedrückt, untergeordnet,es gab Reibungen, die sich häuften, steigerten. DieHerren waren, wie in den anderen Religionsverbän-den, die Mönche. Sie befahlen, die Konversen leiste-ten die Arbeit, indem sie vor allem auf den Gran-gien – Agrarbetrieben von durchschnittlich 150 bis200 Hektar, vorzugsweise Ackerhöfe, doch auchViehhöfe, Schafhöfe, Weinhöfe – die Lohnarbeiter(mercennarii) beaufsichtigten, dabei freilich meist sel-ber Hand anlegten; »sie waren Knechte und solltenKnechte bleiben« (Hauck).44

Die eigentlichen Opfer aber wurden die Bauern.Zwar rühmt man seit je die Zisterzienser als Kul-

turträger, preist ihre Baukunst, streicht zumal ihre»Kolonisationsarbeit« heraus, ganz besonders imOsten Deutschlands und Europas, ihre Klöster Wal-

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7.243 Deschner Bd. 8, 117Bauernlegen der Zisterzienser

kenried, Amelungsborn, Loccum, ihre Abteien Dobe-ran und Dargun in Mecklenburg, Zinna bei Jüterbog,ihre Zisterzen in Pommern, Brandenburg, Dänemark.Diese Klöster hatten Grund- und Mühlenbesitz, Sali-nenanteile, Bergbau- und Hüttenbetriebe, hatten jedeMenge Grangien, Stadthöfe, hatten manche »Be-rühmtheit« auch, wie den Mönch Berno von Am-elungsborn, den ersten Bischof von Schwerin, »füh-rend im Wendenkrieg« (Lexikon für Theologie undKirche), oder den Abt Berthold von Loccum, der alsBischof und Feldherr 1198 bei der blutrünstigen Mis-sionierung Livlands fällt (VII 174).

Man verherrlicht das Urbarmachen von Sumpf-,von Waldgebieten, die großen Obstgärten-, Wein-berg- und, für die Zisterzienser charakteristisch,Fischteichanlagen, die Schaf-, Rinder-, Pferdezucht.Man rühmt die landwirtschaftlichen Musterbetriebe,lobt auch ihr Klostergewerbe. Man erinnert sogar andie vielen ihrer Mönche, die zu Kardinälen aufstie-gen – »und die Päpste fanden in den Zisterziensernihre zuverlässigsten Gehilfen« (Kawerau). Ja, erinnertan den Zisterzienser Arnald von Citeaux, der Inno-zenz' III. Kreuzzug gegen die Albigenser anführt, be-rüchtigt für alle Zeiten durch seinen Befehl beimMassaker von Beziers: »Tötet sie alle, Gott erkenntdie Seinen schon!« (VII 150 ff.!)45

Vom Bauernlegen sprechen zumal katholische Au-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.244 Deschner Bd. 8, 118Bauernlegen der Zisterzienser

toren selten und dann meist mehr beiläufig, verhalten;man versteht darunter die Umwandlung von Bauern-land in Gutsland, Klosterland, die oft entschädigungs-lose Beseitigung bäuerlicher Betriebe zugunsten gro-ßer Wirtschaftshöfe (grangiae, curiae) vor allem derZisterzienser, aber auch der Prämonstratenser, imHoch- und Spätmittelalter. Doch begegnet diese rela-tiv bequem kapitalbildende Praxis zuweilen auch beianderen Orden oder kirchlichen Institutionen, selbstbei Klosterfrauen, wie den Zisterzienserinnen vomKloster Wald (Hohenzollern), die planmäßig undmöglichst vollständig die Besitzer aus den benachbar-ten Ortschaften verdrängten. Auch die norddeutschenNonnen zu Bersenbrück an der Hase hatten die Bau-ern des nächsten Dorfes gelegt. Doch später kehrtenEnkel der Vertriebenen, die gleichfalls Bauern gewor-den, zurück und steckten das ganze Kloster in Brand.(Wiedererstanden wurde es schließlich ein »Stift fürTöchter verdienter Staatsbeamten«.)

Das Bauernlegen kulminierte indes nicht bei denmittelalterlichen Religiösen, sondern erst in der frü-hen Neuzeit als kirchlich sozusagen längst abgesegne-te Methode adliger Gutsherren besonders im östlichenMitteleuropa.

Die Zisterzienser, nicht selten schon bei Gründungihrer Klöster mit umfangreichen Gütern, Zinsdörfern,Zehnten ausgestattet, liebten es, sich systematisch

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7.245 Deschner Bd. 8, 118Bauernlegen der Zisterzienser

auszudehnen, ihren Besitz zu vervielfachen und räum-lich geschlossen abzurunden. Gut zu beobachten anvielen böhmischen Abteien, u.a. an Kloster Königsaalmit zirka 30 Dörfern, an Kloster Chotieschau mitetwa 48 Dörfern, Kloster Sedletz mit etwa 51 Dör-fern, Kloster Plaß mit rund 70 Dörfern (wurde 1826Besitz der Familie Metternich). Und trotz der Kriegeund Verheerungen im Osten, trotz aller Rückschläge,besaßen die schlesischen Zisterzienser noch im 17.Jahrhundert nicht nur große Ländereien, sondern auch»die lukrativsten Unternehmungen« (Grüger).

Nun erreichten aber die Zisterzienser die Arrondie-rung ihrer Agrarbetriebe keinesfalls nur durch dashochgelobte Roden und Kultivieren von Ödland, son-dern eben auch durch das Bauernlegen. Sie brachtendie Eigentümer oft um ihre Güter, sie kauften, er-tauschten, erpreßten oder raubten diese, sie zerstörtendie Häuser, Wohnstätten und vertrieben häufig diedort ansässigen Menschen. »Nirgends im Mittelalterist der Bauernstand so ausverkauft, nirgends sindwohl so viel Dörfer zu Wüstungen gemacht worden,wie in der Nachbarschaft der Zisterzienserklöster«(Hölscher).

Tatsächlich führt die Gründung von Zisterzienser-abteien und der Aufbau sowie die Erweiterung ihrergroßen Eigenwirtschaften, der Grangien, nicht seltenzum Verschwinden ungezählter Orte. Die Bauernstel-

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7.246 Deschner Bd. 8, 119Bauernlegen der Zisterzienser

len nehmen von Mal zu Mal ab, schließlich ist dasganze Dorf wüst. So in der Umgebung Kloster Pfortesdie Ortschaften Wenzendorf, Cuculau, Scobkowe.Das Dorf Osfurt versinkt bei Wendelstein an der Un-strut. Das Dorf Coze verschwindet durch die Mönchevon Altzelle (westlich von Dresden). »Als Bestandteilder staufischen Kloster- und Siedlungspolitik entspra-chen die Leistungen Altzelles dem für den Orden Üb-lichen« (Lexikon für Theologie und Kirche). Bei sei-ner Auflösung 1540 besitzt das Kloster Altzelle dreiStädte, 75 Dörfer, 11 Wirtschaftshöfe sowie das Pa-tronat über 23 Kirchen. Das Kloster Chorin – ein be-deutendes Werk früher Backsteingotik, literarisch vonTheodor Fontane gewürdigt – läßt um 1274 alle Be-wohner der slawischen »Villa« Ragösen verjagen.Das Kloster Maulbronn vertreibt die Bauern desOrtes Elfingen und bildet eine Grangie daraus.Manchmal hören dabei auch Priesterdienste und Kir-chen auf, wie gleich in Elfingen. Oder wie durch dasKloster Bebenhausen 1211 im Schwarzwald die Ka-pelle zu Vesperweiler oder die Kirche von Geis-nang.46

Fast unentwegt kam es so zwischen Bauern und Zi-sterziensern zu erbitterten Auseinandersetzungen.Zum Beispiel im mittelrheinischen Raum mit den Ab-teien Himmerode, Eberbach, Karden. Zum Beispiel inSchweden, wo der Abt von Varnhem (Västergötland)

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7.247 Deschner Bd. 8, 120Bauernlegen der Zisterzienser

mit einigen Genossen nach Dänemark fliehen muß.Zum Beispiel im Osten, wo die Äbte der ZisterzenZinna, gegründet um 1170, und Lehnin, gegründet um1180, kurz nach der Gründung ermordet werden.47

Im Spätmittelalter gerieten, gleich so vielen Orden,auch die Zisterzienser, Männer- wie Frauenzisterzen(deren Zahl zuweilen die der Männerklöster weitüberstieg), trotz Anhäufung großer Vermögen, in eineKrise; vor allem wohl, weil sie weder genügend Lai-enbrüder noch Laienschwestern zur Bearbeitung ihrerGüter fanden. So verpachteten sie im 13. und 14.Jahrhundert allmählich fast ihre gesamten Ackerbö-den an Bauern, freilich auch deshalb, weil die klöster-lichen Fronhöfe und Grangien immer wieder feindli-cher Soldateska und (anderen) Räubern ausgesetztwaren, zu schweigen vom wirtschaftlichen Nieder-gang, von Klimaverschlechterung, schweren Mißern-ten und Pestepidemien. Schließlich entartete der Zi-sterzienser-Orden derart, daß die Mönche in der Ge-gend von La Trappe den Namen »Banditen von LaTrappe« bekamen.48

Die Kirche schmückte sich, wie stets, mit ganz an-deren Benennungen, trat gar als Befreierin der Bauernin Erscheinung, ja, da sie schlechthin alles auf denKopf stellt, als Propagandistin der Freiheit überhaupt.

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7.248 Deschner Bd. 8, 120Die sogenannte Freilassung in der Kirche

Die sogenannte Freilassung in der Kirche

Es ist unbestreitbar, daß die Freilassung Unfreier je-derzeit möglich war, zum Beispiel kraft besondererVerdienste, was immer man darunter verstand. Oderdurch Freikau f. Oder durch einen Akt der Kirche. Esist ebenso unbestreitbar, daß diese die Freilassung(manumissio) den christlichen Tugenden, den Werkender Barmherzigkeit zugezählt und sie als gottwohlge-fällig hingestellt, die weltlichen Grundherren sogarzur Freilassung ihrer Hörigen aufgerufen hat. DieHeiligenlegenden strotzen geradezu von Geschichtenüber Loskauf und Gefangenenbefreiungen.49

Was steckt dahinter?Nun, der Klerus propagierte zwar eifrig die Freilas-

sung, aber er propagierte die »manumissio in eccle-sia«, die Freilassung in der Kirche. Er propagierte sienicht nur, er bestand darau f. Und dieses Insistierenspiegelt sich noch in den Volksrechten aus dem frühe-ren 8. Jahrhundert. So heißt es in der stark klerikalgeprägten Lex Alamannorum: »Wenn ein ›liber‹ ›ressuas‹ oder sich selbst der Kirche übergeben will, habeniemand die Erlaubnis, ihm zu widersprechen, wederder Herzog noch der Graf noch irgendeine Person,sondern es sei einem jeden erlaubt, nach freiem Wil-len Gott zu dienen und sich mit ›proprias res suas‹

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7.249 Deschner Bd. 8, 121Die sogenannte Freilassung in der Kirche

selbst auszulösen.« Ganz ähnlich verfügt die gleich-falls aus derselben Zeit stammende, gleichfalls starkkirchlich bestimmte Lex Baiuvariorum: »Wenn eine›liber persona‹ das will und ihre ›res‹ der Kirche zumHeil ihrer Seele gibt, habe sie die Erlaubnis hinsicht-lich ihrer ›portio‹, sobald sie sich mit ihren Kindernauseinandergesetzt hat. Niemand hindere ihn, wederKönig noch Herzog noch irgendeine Person habe dieMacht, ihn zu hindern.«50

Warum aber drängte die Kirche so auf Freilassungin ihrem Schoß? Warum trat sie als eine Art Schutz-macht für den Freigelassenen auf? Warum drohte siejedem mit strengen Strafen, der einen Freigelassenenwieder zu verknechten suchte? Weil sie selber, natür-lich zu seinem Seelenheil, seine Abgaben und Diensteerlangen, ihn auch ihrer Rechtssprechung, ihrer Ge-richtsbarkeit unterstellen, kurz, weil sie den Freigelas-senen wieder abhängig und unfrei machen wollte.

Nicht von ungefähr hütete sich die Klerisei ge-wöhnlich selbst vor Freilassungen.

Ihr riesiger Besitz, ihre Liegenschaften, ihre Werk-stätten, ihre zahlreichen sonstigen Geschäfte, das allesverschlang Heere von Unfreien. Deshalb hatte sieschon im frühesten Mittelalter die Freilassung vonSklaven auf ihren Gütern als Schädigung des »patri-monium Dei« ausdrücklich verboten, so durch dieKonzilien von Sevilla 590, Clichy 625, Reims

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627/630, Toledo 633 und 655, Merida 666. Ja, schon506 untersagte die Synode von Agde dem Klosterabtdas Freilassen der den Mönchen geschenkten »manci-pia«. »Wir halten es für unrecht, daß die Mönche dietägliche Arbeit der Bauern (cotidianum rurale opus)verrichten, indessen die ›servi‹ ihre Freiheit genie-ßen.« Offensichtlich suchte man hier nur überspitztvorzubauen: entscheidend blieb das Verhindern derFreilassung.51

Gewiß, auch die Freilassung von Kirchensklavenwar möglich; das erforderte schon das »moralische«Ansehen des Klerus. Aber es durfte nicht auf Kostender Arbeitskräfte und Einkünfte gehen. Es mußte Er-satz gestellt werden an Grund und Boden, an Perso-nen, an Geld. »Niemand wage es«, so droht wiederein Volksrecht, die Lex Ribuaria, »einen Kirchen-knecht (servus ecclesiasticus) ohne Stellvertreter zumFreigelassenen zu machen.« Ein solcher Freigelasse-ner, ein »tabularius«, bleibt auch nach der Lex Ribua-ria der Kirche zinspflichtig. Nichtleistung des Zinsesaber konnte manchmal schon die Freiheit kosten.Macht jedoch jemand diesen »tabularius« durchSchatzwurf vollfrei, muß er als Strafe zweihundertSchillinge abgeben. Und stirbt der »tabularius« kin-derlos, wer beerbt ihn? Natürlich die Kirche.

Als St. Gallen einmal fünfzig »mancipia« freiließ,hatten diese dafür dem Kloster jährlich zwei Denare

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7.251 Deschner Bd. 8, 122Die sogenannte Freilassung in der Kirche

zu zahlen, neben einem beträchtlicheren Grundzins.Kassierte die Kirche ja schon für das Ausüben ihrer»Schutzherrschaft« (mundaburdem, patrocinium) vonden Freigelassenen einen Zins. Mit all dem und ähnli-chem mehr aber gab man zu erkennen, »daß nur danneine Freilassung zum Seelenheil gereichen könne,wenn die Kirche selbst dabei an irdischen Dingen ge-wänne. Mit der Freilassung allein war es nicht getan.Sie mußte der Kirche nutzen, sollte sie gottwohlgefäl-lig sein. Sie mußte der Kirche die Abhängigkeit desFreigelassenen bringen« (Epperlein).52

Immer wieder geschah es, daß Bischöfe und ÄbteFreilassungen anfochten. Rücksichtslos prozessiertensie im 8. und 9. Jahrhundert in den verschiedenstenRegionen des fränkischen Reiches, wenn »homines«,zu Recht oder Unrecht, ihre Freiheit behaupteten, dieHerren aber eine Möglichkeit sahen, Menschen zuversklaven oder weiter in Sklaverei zu halten; so etwaein Abt aus dem Gebiet von Sens, ein Abt aus der Ge-gend von Angers, das Kloster St. Emmeram, BischofWaltrich von Passau, Bischof Hitto von Freising u.a.West- wie ostfränkische Urkunden belegen den lei-denschaftlichen Freiheitsanspruch der Bauern und denerbitterten Widerstand ihrer Gebieter, zumal der Prä-laten. »Die kirchlichen Feudalherren waren die grau-samsten Ausbeuter der Bauernschaft. Sie hielten hart-näckig am Leibeigenenrecht und am Frondienst fest«

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7.252 Deschner Bd. 8, 122Die sogenannte Freilassung in der Kirche

(Kosminski).So kommt es schon verhältnismäßig früh und

immer häufiger zur Flucht der Unfreien und Hörigen,auch zu ihrer Flucht aus den Klöstern, schließlicheine ganz alltägliche Erscheinung mit freilich oft er-schütternden Begleitumständen, wobei die Äbte dasEinfangen auch mit Hilfe des Staates betreiben. Füh-ren einzelne Klöster aber einen Rechtsstreit, ein förm-liches Gerichtsverfahren, so endet dies »bemerkens-werterweise stets mit der Ablehnung des bäuerlichenFreiheitsanspruches bzw. mit der Konstatierung derHörigkeit. Damit hatte im Grunde genommen das je-weilige Kloster sein Ziel erreicht und seinen An-spruch auf die Abhängigkeit des Hintersassen unddessen Leistungspflicht durchgesetzt« (Epperlein).53

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7.253 Deschner Bd. 8, 123Das Kirchengut war heilig

Das Kirchengut war heilig

Der Klerus klebt am Besitz (possessio, ahd. bisez,eigan, lehan); an seinem lebenden wie an seinemtoten. Es verhielt sich wie beim weltlichen Adel. Unddie mittelalterliche Kirche wurde nicht müde, das garschreckliche Geschick jener, die sich an ihrer Habevergriffen, die sich der »Beraubung« schuldig ge-macht, auszumalen. Karl Martell, Verteiler großerkirchlicher Ländereien (IV 366), wurde im Mittelalterebenso zum Inbegriff eines gottverdammten Fürstenwie Herzog Arnulf von Bayern, dem die Kleriseiwegen seiner Säkularisationen ihrer bayerischenGüter geradezu den Beinamen »der Böse« anhing –vordem: »von Gottes Gnaden« (V Register).

Die Pfaffen erfanden die greulichsten Schauermä-ren. Selbst der hl. Bonifatius, ein doch nüchterner An-gelsachse und »gewandter Börsenmann«, einer der»ersten Repräsentanten des Kolonialtalentes« der spä-teren Briten (Sommerlad), berichtet, daß die SeeleKönig Ceolreds von Mercien (709–716) im Jenseitsvon bösen Geistern gepeinigt werde, von jubelnden,frohlockenden Teufeln, »die sich aus allen Teilen derWelt versammelt hatten, in einer größeren Menge,als ... die aller Lebewesen auf Erden sein konnte, undzerfleischten ihn mit verschiedenen Marterwerkzeu-

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7.254 Deschner Bd. 8, 124Das Kirchengut war heilig

gen in unvorstellbarer Weise bis zur Erschöpfung«(inaestimabiliter fatigantes lacerabant). Und der hl.Eucherius hatte den mächtigen Hausmeier Karl Mar-tell, man sollte es nicht glauben, just bei seiner Ein-fahrt in die Hölle erspäht. Um der Authentie dieserVision sicher zu sein, untersuchte der skeptische Bi-schof sogar das Grab des Fürsten, woraus aber nurein Drache fuhr.

Die Mönche wußten sich zu helfen, entwand manihnen Besitz. Da raubte einer im 11. Jahrhundert derAbtei Fleury Grund und Boden. Prompt wurde er vom»Teufel« erwürgt. Doch selbst des Mannes Leiche ineinem Klosterfriedhof fand nicht Ruhe. Die Erde warfsie wieder aus. Da gab die entsetzte Witwe das Klo-stergut zurück, und nun blieb der Tote, wo er hinge-hörte.54

Es gibt wohl kaum einen synodal häufiger themati-sierten Komplex als das Kirchengut und seine Siche-rung. »Für nichts opferten die Bischöfe mehr Zeit«(Thompson). Erzbischof Hinkmar von Reims, be-rühmt als Kirchenfürst wie als Fälscher von hohenGnaden (V 181 f.!), verteidigt das Kirchengut mitaller Entschiedenheit als gottgeweiht und will es auchvon allen weltlichen Großen verteidigt sehen. Dennda sich die »Sendung« der Ecclesia auf dieser Weltvollzieht, bedarf ihr »Sendungsvollzug« eben auchder Güter dieser Welt (Temporalia, Bona temporalia).

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7.255 Deschner Bd. 8, 124Das Kirchengut war heilig

Beide gehören zusammen, untrennbar, das eine soheilig wie das andere, das Kirchengut als Heilsgut»Gotteslehen«, von Christus allein verfügbar, unver-äußerlich, unantastbar, sakrosankt – theoretisch!Praktisch versorgten Päpste und Bischöfe, Äbte undÄbtissinnen ihre unehelichen Kinder damit, ihre Mä-tressen, verschleuderten sie es wahrhaft generös andie Verwandtschaft, ihr engstes Gefolge, an wen siewollten.

Nicht zuletzt rauften sie auch selbst durch zweiJahrtausende darum, die Bischöfe mit den Mönchen,diese mit jenen, jeder mit jedem, quer durch dasAbendland, vom Süden bis in den Norden, vom At-lantik bis in die Weiten des Ostens so häufig, immer-während fast, daß es beinah überflüssig scheint, diesnoch zu belegen.

So stritt im 8. Jahrhundert Bischof Sidonius vonKonstanz gegen den ersten Abt St. Gallens, den Ale-mannen Otmar. Aus politischen wie wirtschaftlichenGründen erstrebte der Bischof, dessen Bistum armwar, die auch später oft umkämpfte Abtei, und derAbt unterlag. Verurteilt zunächst zum Hungertod aufder Pfalz Bodman am Rand des Bodensees (er istnach ihr benannt), starb Otmar eingekerkert auf derbesser kontrollierbaren Flußinsel Werd bei Stein amRhein 759 – und wurde heilig.

Im 10. Jahrhundert vergriff sich Bischof AdalberoKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.256 Deschner Bd. 8, 125Das Kirchengut war heilig

I. von Metz, »›Vater‹ der lothringischen Reformbewe-gung« (Lexikon für Theologie und Kirche), auch –aus strategischen Gründen – Zerstörer der Kapellevon Diedenhofen (939), an der südlich von Metz gele-genen Benediktinerabtei Gorze. Bischof Adalbero,nicht nur Reformer, auch Simonist, hatte das für seineWahl von Verwandten vorgeschossene Geld wiederbeizubringen und verging sich mittels seiner »fideles«(Dienstmannen) derart an der (durch »Gorzer Re-form« und »Junggorzer« Reform bekannten) Abtei,daß sie völlig zerfiel und die Kirche zum Stall wurde.

Ebenso verfuhr Bischof Balderich von Lüttich mitdem Kloster Laubach.

Über episkopale Heimsuchungen Sankt Emmeramsschreibt im späteren 11. Jahrhundert der dortige Lei-ter der Klosterschule und Dekan Otloh, seinerseitsfreilich auch wieder mehrfacher Urkundenfälscher:»Ich sah unser Kloster in Regensburg durch verschie-denartige Verfolgung der Bischöfe zu Grunde gehen,hoffte aber während meines dreißigjährigen Aufent-halts daselbst auf bessere Zeiten. Leider kam es an-ders.« Wurde doch, wie Otloh kurz darauf fortfährt,»alles, was das Kloster nach innen und außen Gutesbesaß, dem Ruin nahe gebracht«.

Anno 1182 überwältigten die Bischöfe von Metzund Lüttich in einem Streit um die Abtswahl die rei-che Abtei St. Trond, verbrannten sie samt Stadt und

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7.257 Deschner Bd. 8, 125Das Kirchengut war heilig

töteten die Einwohner, worauf sich der Konflikt nochlange hinzog.

Das bayerische Benediktinerkloster Weißenohe(bei Forchheim) soll Bischof Timo von Bamberg zuBeginn des 13. Jahrhunderts so geschädigt haben, daßsich jahrelang kein einziger Mönch mehr darin ernäh-ren konnte.

Jahrhundertelang stritten die Würzburger Oberhir-ten um den Besitz des im heutigen Württemberg gele-genen Klosters Murrhardt, dessen Äbte ihre Selbstän-digkeit zu wahren suchten, wobei beide Seiten, an-gebliche königliche und kaiserliche Urkunden fabri-zierend, hemmungslos drauflosfälschten.

Natürlich war die Situation anderwärts nicht an-ders. Und nicht zufällig hieß es in Deutschland schonvor Luther im Volk: Je näher Rom, je böser Christ!

Werfen wir also noch einen Blick dorthin, wo unszu Beginn des Hochmittelalters Kardinal Humbert,Berater von immerhin vier Päpsten, die halb oderganz ruinierten Klöster vorführt, Kirchen, viele men-schenleer, aber voller Tiere, Unkraut, Kirchen, indenen man ackert, sät, die als Ställe dienen. Gingdoch selbst in Rom im Kloster St. Paul, in der Peters-kirche das Vieh ein und aus ...

Auch und gerade in Italien also schlugen sich dieGeistlichen mit den Mönchen durch die Zeiten. Dasreicht von relativ kleinen Kämpfen etwa des Weltkle-

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7.258 Deschner Bd. 8, 126Das Kirchengut war heilig

rus von Empoli, der dort im Spätmittelalter nachtseine Siedlung der Augustiner überfällt, plündert, de-moliert oder sich 1325 mit Waffengewalt einer vonPistoieser Benediktinern abhängigen Kirche bemäch-tigt, bis zu langen, langen Auseinandersetzungen umviele Klosterliegenschaften. So wurde das landreicheSan Niccolò am Tordino über Jahrhunderte Objektheftiger Waffen- und Rechtsstreitereien (Fälschungwieder inklusive) zwischen der Abtei Monte Cassinound den Bischöfen von Teramo. So plünderte Erzbi-schof Guido von Mailand den Besitz des Turiner Klo-sters S. Constantius, so griff Bischof Helibert vonComo S. Ambrogio zu Mailand an.

In der Emilia Romagna sah sich Nonantola, zeit-weise eine der größten Abteien Europas, den ver-schiedensten Attacken ausgesetzt, nicht nur solchengrößerer Kommunen, auch den Gewaltstreichen desBischofs Alberich von Como, der zudem gegen dashochbegüterte Leno in der Lombardei vorging, jahr-hundertelang eine der bedeutendsten Abteien des Lan-des. Noch schlimmer fiel man über Bobbio (ProvinzPiacenza) her, eines der traditionsreichsten und reich-sten Ordenshäuser überhaupt, dessen Anfänge freilichauch durch zahlreiche Fälschungen verdunkelt sind.Gegen Ende des Frühmittelalters aber verlockte seinüber das ganze Land verstreuter Güterstand die Nach-bardiözesen zur Bereicherung, und die Bischöfe von

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7.259 Deschner Bd. 8, 127Das Kirchengut war heilig

Piacenza, Pavia, Tortona zerstörten das Kloster völ-lig.

Natürlich beteiligten sich auch päpstliche Legatenan der Ausbeutung der Mönche, und dies von Italien,wo etwa Kardinal Giovanni degli Orsini als Legat Jo-hanns XXII. drei Viertel der Einkünfte der Badia, desältesten, fürstlich reichen, doch jetzt zum zweiten Malschon ruinierten Klosters von Florenz, für sich be-hielt, bis hinauf in den Norden, wo in Dänemark Kar-dinal Fidentius als Gesandter Cölestins III. (VII 16 ff.39 f.) barbarisch brandschatzte, besonders Klösterplünderte und Äbte suspendierte, die auf ihren Schät-zen saßen.55

Wehe aber, vergriffen sich Laien am Kirchengut!Es hatte, wie es hieß, eiserne Zähne. Sogar was die

Knechte der Kirche besaßen, fiel unter die Steuerfrei-heit. Galt doch im 4. Jahrhundert der Klerikerstandschon als »Steueroase« (Vgl. I 235 ff.). Ende des 7.Jahrhunderts verbot auch der englische Staat jedenEingriff in Kirchenbesitz und befreite den angelsäch-sischen Klerus von Staatssteuern. Und unter den Me-rowingern drohten diverse Volksrechte jedem, derSchenkungen an die Kirche anfocht, die Exkommuni-kation an.

Um dieselbe Zeit befahlen manche Bußbücher(Libri paenitentiales), also die damals aufkommendenSündenkataloge des westlichen Klerus, daß jeder, der

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7.260 Deschner Bd. 8, 127Das Kirchengut war heilig

Laien Geld wegnahm, es doppelt, jeder, der es ausKirchen stahl oder raubte, vierfach zurückgebenmüsse. Außerdem wurde der Dieb mit einer sieben-jährigen Buße belegt, drei Jahre davon bei Wasserund Brot. Und unter Karl »dem Großen« stand aufEinbruch in eine Kirche nebst Diebstahl unbedingtTodesstrafe.56

Das kanonische Recht untersagte jede Alienationdes Kircheneigentums, nicht nur Entäußerung, Ent-fremdung, Verschenkung, Tausch, sondern schon jedewesensmäßige Veränderung, »jedes Rechtsgeschäft,das eine dauernde Belastung des Kirchenvermögenszur Folge hatte« (Nylander). Entsprechende Verfeh-lungen, zumal von Laien, ahndete man mit Kirchen-strafen, auch mit schwersten, wie dem Kirchenbann,der Exkommunikation. Und dies nicht bloß bei Ge-bietsentfremdungen, bei Zehnt- oder Pachtverweige-rungen, sondern schon bei Zinsversäumnissen inner-halb von vierzehn Tagen, wie Urbare, Liegenschafts-verzeichnisse von St. Pantaleon zu Köln, des StiftsXanten, Befehle der Bischöfe von Münster belegen.Überall wird da mit Exkommunikation gedroht odersie verhängt, damit, wie es urkundlich heißt, »der Ge-rechtigkeit gewillfahrt« werde, damit »die Gefährdungihres Seelenheils kein Ende nähme«.

Exkommunikation kann aber bereits bei Aufsässig-keit erfolgen, bei contumacia (rechtsversmehunge, wi-

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7.261 Deschner Bd. 8, 128Das Kirchengut war heilig

derspanigkeit, vorsmechnisse), also bei Trotz, Aufbe-gehren, Eigensinn – ein weites Feld, das man auchnutzte. Und natürlich wirkte auf einfache Bauernge-müter ein Kirchenausschluß anders als auf Fürsten.Ja, die abgestraften Unfreien mußten davon desto tie-fer getroffen und betroffen sein, als der Ausschluß ausder »communio fidelium« (Gemeinschaft der Gläubi-gen) teilweise sogar das Verkehrsverbot nach sichzog, wodurch der Verfluchte noch zum Ausgestoße-nen wurde. Überdies setzte die Kirche ein eindruck-schindendes Brimborium in Szene. So sollte die Ex-kommunikation der Bauern von Ostholte (wegenZehntverweigerung u.a.) auf Befehl des Vicedominus(eine Art rechte Hand des Bischofs in der Bistumsver-waltung) von Münster 1299 »an jedem Sonntag undFesttage bei Kerzenschein und Glockenklang mit Na-mensnennung öffentlich ausgesprochen werden«. Unddie Genannten waren von jedem Gläubigen zu mei-den.57

Alle Vergünstigungen, Vorteile, alles Recht, dasheißt Unrecht, jedwede Macht und Gewalt lagen ebenin den Händen der weltlichen und geistlichen Herren.So mußte man selbst im katholischen Lager schon vorlängerem zugeben, daß die Privilegienfülle des Klerusbesondere Erbitterung erzeugte: seine Freiheit vonSteuern, von anderen öffentlichen Lasten, seine profi-tablen, den Laiengewinn begrenzenden Geschäfte, die

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7.262 Deschner Bd. 8, 128Das Kirchengut war heilig

»zahllosen Erwerbungen liegender Güter durch die›tote Hand‹«, »die verhaßten Zehnten«, »die Geldstra-fen bei den Sendgerichten usw.« (Löhr)58

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7.263 Deschner Bd. 8, 129Bauernrevolten in der Normandie, in ...

Bauernrevolten in der Normandie, in Dänemark,Norwegen und Ungarn

Je nach Zeit, Ort und Umständen kommt es so zu denmannigfachsten Formen bäuerlichen Protests und Wi-derstandes: vom passivem Verhalten gegenüber denForderungen und Übergriffen der Grundherren, vonder nachlässigen Leistung der Dienste und Abgabenüber deren Verweigerung, über Abwanderung undFlucht bis zu gewalttätigem Aufruhr, der häufigen Be-raubung, Verwüstung von weltlichen und klösterli-chen Wirtschaftshöfen bis zu längeren Bauernaufstän-den und -kriegen besonders im Spätmittelalter, als dieAgrardepression sowie der geringere Verkaufserlösfür Agrarerzeugnisse die soziale Situation der bäuer-lich Tätigen offensichtlich verschlechtert haben.59

Die Erhebungen beginnen spärlich (wobei aller-dings die Quellenarmut zu berücksichtigen ist) in derMerowinger-, Karolingerzeit, deren bekannteste Re-volte die Stellinga ist (V 116 f.!). Doch seit dem 9.Jahrhundert kommt es in Europa immer wieder zuBauernunruhen. Sie mehren sich im Hochmittelalterund führen nicht selten zu einer schichten- und stän-deübergreifenden Beteiligung. Allein auf deutscherSeite gibt es vier Bauernrebellionen größeren Ausma-ßes im 14., vierzig im 15. Jahrhundert, ja diese gras-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.264 Deschner Bd. 8, 129Bauernrevolten in der Normandie, in ...

sieren nun derart, daß sie die Historiker bis ins 20.Jahrhundert übersehen.

Ein offener Aufstand infolge der wachsenden Feu-dalisierung, der zunehmenden Lasten bricht unterKönig Chilperich I. 579, also schon zu Beginn derfränkischen Geschichte aus. Die Bauern verlassen dieGüter, verbrennen in Limoges die Steuerbücher undwerden brutal zusammengeschlagen. Auch unter Karl»dem Großen« und seinen Nachfolgern kommt esdurch harte Bedrückung zu bäuerlichen Schwurbün-den, zu »coniurationes«, »conspirationes«, »adunatio-nes«, »obligationes«, zu Dienstverweigerungen undWirren. Bei einer Empörung der Landarbeiter zwi-schen 782 und 785 in St. Amand, einer Abtei desSalzburger Erzbischofs Arn, empfiehlt Abt Alkuin,Kirchenexperte Karls und sein »wichtigster Berater«,so das Lexikon für Theologie und Kirche, »bei derWiedergewinnung eines höheren Bildungsniveaus«,Stockhiebe auf den Rücken der Rebellen. 786 zer-schlägt der Herrscher eine Verschwörung in Thürin-gen. Bei einem Krawall im frühen 9. Jahrhundert derdurch teils unbeschränkte Fron malträtierten Hinter-sassen der »villa Celtus«, die zu St. Remi von Reimsgehört, muß Karl selber eingreifen. Die Anführer wer-den hingerichtet, ihre Genossen exiliert. Während desganzen 9. Jahrhunderts erwähnen karolingische Kapi-tularien Bauerntumulte. Immer wieder verfolgt man

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7.265 Deschner Bd. 8, 130Bauernrevolten in der Normandie, in ...

»fugitivi«, flüchtige Knechte. 848 und 866 meldenauch die Fuldaer Annalen Erhebungen von »homines«im Erzbistum Mainz.60

997 revoltieren die normannischen Landleute. DerChronist Guillaume von Jumièges berichtet: »DieBauern begannen sich allgemein in den verschiedenenGrafschaften der Normandie zusammenzurotten undwollten nach ihrem Willen leben, um die Waldungenund Gewässer nach ihren Gesetzen zu nutzen unddurch keinerlei Verbote des früher festgesetzten Nut-zungsrechtes beschränkt zu sein. Und um diese Be-schlüsse durchzusetzen, wählten sie auf jeder Ver-sammlung des wütenden Volkes zwei Bevollmächtig-te, die ihre Beschlüsse einer allgemeinen Versamm-lung innerhalb des Landes zur Bestätigung vorlegensollten. Als der Herzog davon Kenntnis erlangte,sandte er sogleich den Grafen Raoul mit seinen zahl-reichen Rittern gegen die Bauern aus, damit sie derdörflichen Vermessenheit und der Zusammenrottungder Bauern ein Ende bereiteten. Und er ließ sofort ins-geheim alle Bevollmächtigten (der Bauern) zusammenmit einigen anderen festnehmen und sandte sie, nach-dem er ihnen Hände und Füße hatte abhacken lassen,als Verstümmelte zu ihren Gesinnungsgenossen zu-rück, um sie vor solchen (Streichen) zu warnen undden übrigen auf diese Weise ein abschreckendes Bei-spiel zu geben ...«61

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7.266 Deschner Bd. 8, 130Bauernrevolten in der Normandie, in ...

In Friesland und Holland kommt es im ganzen 11.Jahrhundert zu Bauernauflehnungen. Auch in Däne-mark, wo damals durch Schenkungen der Könige einäußerst umfangreicher Kirchenbesitz entsteht, zudemder Zehnt eingeführt wird, erhebt sich das Landvolk.Und als Anfang des nächsten Jahrhunderts neue Unru-hen ausbrechen, geht ihnen gleichfalls der Protestgegen die Kirchenlasten voraus. Verfügte aber Mittedes 13. Jahrhunderts auch die Hälfte der dänischenBauern frei über ihre Höfe, setzte die Bauernbefrei-ung im Geist des aufgeklärten Absolutismus doch erst1788 Außenminister Graf Bernstorff durch.

Auch in Norwegen führte das Interessengeflechtvon Kirche und Krone, die Unterdrückung der Bauernund zumal die Erzwingung des Zehnten vom gesam-ten Volk zu einem langjährigen Bürgerkrieg, zumAufstand der »Birkebeiner« (so nach ihrer Beinbe-kleidung aus Birkenrinde benannt), das heißt »armse-liges Pack«.

Sverrir Sigurdarsson, der Führer, konkurrierte trotzetwas suspekter Thronansprüche erfolgreich mit demvon Erzbischof Eysteinn Erlendsson von Nidaros(Drontheim) an Ostern 1163/1164 in Bergen zumKönig gekrönten Magnus V. Erlingsson. Weder dieHilfe seines Adels nützt diesem noch die der Dänenoder des Erzbischofs und des Bischofs Eirik von Sta-vanger, die ihm beide auch militärisch beistehen,

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7.267 Deschner Bd. 8, 131Bauernrevolten in der Normandie, in ...

selbst wiederholt in den Krieg mitziehen. Freilichschließt Eysteinn 1183 mit dem bisherigen FeindSverrir einen Vergleich, und 1184 ertrinkt König Ma-gnus in der Schlacht bei Fimreite im Sognefjord.

Der Erzbischof aber, der 1180 für drei Jahre nachEngland flieht und in Norwegen in stetem Kontaktmit Rom systematisch die Unterwerfung des König-tums unter die Kirche betreibt, stirbt 1188, von einemDrontheimer Provinzialkonzil trotz aller Mühenschließlich vergebens zum Heiligen erklärt. Dabeihatte der martialische Prälat doch auch die »PassioOlavi« verfaßt, die Legende jenes heiligen Helden,der 1030 gegen ein Bauernheer umgekommen, nach-dem er ganze Scharen von Heiden hatte zu Tod schin-den lassen (VI 156 f.!).

Sverrir, Norwegens neuer Herrscher, einer derstärksten und umstrittensten des Landes (gest. 1202),hob sämtliche Privilegien des Klerus auf, so daß erInnozenz' III. Kirchenbann auf sich zog. Gleichwohlbestimmte sein antiklerikales Konzept mehr oder min-der alle Könige der Sverrir-Dynastie länger als einJahrhundert.62

Während der Katholizismus so, ungeachtet einigerErfolge, in Norwegen seinen politischen Einfluß ver-liert, das freie Bauerntum dort aber im wesentlichenbestehen bleibt, verläuft die Entwicklung im Süd-osten, in Ungarn, eher umgekehrt.

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Denn da zwingen König Stefan I. der Heilige (VI147 ff.), der Krieg auf Krieg führt, und seine Nachfol-ger im engen Verein mit der Papstkirche die im Jahr-hundert zuvor noch weitgehend freien Bauern in dieLeibeigenschaft. Und wie fast immer gehen auch hierUnterjochung und Mission Hand in Hand. Besondersin den großen Erhebungen der sechziger Jahre des 11.Jahrhunderts wehren sich die ungarischen Bauern,primitiv bewaffnet, gegen deutsche Haudegen undPfaffen, werden aber bis gegen Ende des Jahrhundertsjämmerlich zusammengeschlagen. Doch kommt esspäter in der Moldau, Walachei, in Siebenbürgen zuneuen Tumulten, die sich im 14. Jahrhundert nochverschärfen, im 15. geradezu den Charakter einesBauernkriegs annehmen, eines blutigen Aufbegehrenswider ungarische und deutsche Feudalherrn sowiegegen die wegen ihrer Härte verhaßte katholische Kir-che.63

In Frankreich, wo fast bis gegen Ende des Frühmit-telalters die spätantiken Verhältnisse, vor allem Leib-eigenschaft und Kolonat, fortdauern, wo im 11. Jahr-hundert ein Knecht 38, ein Pferd 100 Sous kostet,bricht 1024 ein Aufstand in der Bretagne aus, einwirklicher Bauernkrieg, sagt Friedrich Engels, undweitere Revolten der Landbevölkerung folgen. In derersten Hälfte des 12. Jahrhunderts verbrennen Bauernin Beauvaisis die Waldungen ihres Bischofs, im Bray

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7.269 Deschner Bd. 8, 132Bauernrevolten in der Normandie, in ...

die Fortifikationen von Poix, im Ponthieu besetzen sieSaint-Riquier, im Cambrésis steinigen sie einenSchloßherrn. Ein namhafter zeitgenössischer Chronistschreibt: »Allen ist bekannt, wie die Seigneurs ihreunfreien Bauern, ihre Knechte und Mägde, unterdrük-ken. Sie geben sich nicht mit den gewohnten Pflicht-leistungen zufrieden, sondern erheben ständig und un-barmherzig Anspruch auf deren Besitz mitsamt ihrerPerson und auf ihre Person zusammen mit dem Be-sitz. Über die festgesetzten Pflichten hinaus plündernsie so die Bauern jährlich dreimal, viermal und so oftes ihnen eben einfällt aus, bedrücken sie durch zahl-lose Dienste und auferlegen ihnen eine schwere un-tragbare Bürde, so daß die meisten gezwungen sind,ihren Boden zu verlassen und in die Fremde zugehen.«64

Zwar setzt im Hochmittelalter ein agrarökonom-ischer Aufschwung ein, wird die Marktverflechtungerweitert, die soziale Situation stabiler, ja eine solcheinzigartige bäuerliche Leistung erreicht, daß mannoch die Blüte der damaligen Kultur darauf zurückge-führt hat. Doch vertiefen sich auch die Unterschiede,spaltet sich die landbebauende Bevölkerung Frank-reichs in zwei sehr ungleiche Klassen, in die zehn bisfünfzehn Prozent der Gesamtpopulation umfassendeSchicht sozusagen wohlhabender, über größerenLandbesitz verfügender »laboureurs«, der Bauern mit

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7.270 Deschner Bd. 8, 133Bauernrevolten in der Normandie, in ...

Pfluggespannen, und in die Unterschicht, die großeMasse der landarmen und landlosen »manouvriers«,der Tagelöhner (servi cottidiani), die den Boden bloßmittels Handarbeit bestellt und wieder zu Unfreien(serfs) wird; ganz beiseite, daß sich in manchen Ge-genden sogar die alte Leibeigenschaft (servage) nocherhält.65

Eine Untersuchung der Bevölkerungsstruktur um1300 für das Cambrésis kommt zu folgender Einstu-fung: 12 Prozent der Bevölkerung sind Bettler, Be-sitz- und Obdachlose, 33 Prozent Taglöhner, 36 Pro-zent Kleinbauern am Rand des Existenzminimums,16 Prozent sind Bauern mit durchschnittlich dreiHektar Besitz, drei Prozent sind größere Bauern undKleinadel. Dabei ist zu bedenken, daß der Adel alsStand nicht abgeschlossen war, daß manchmal Groß-bauern Adelsrang bekamen.

Viel häufiger allerdings die Abstiegsbewegung.Um 1300 unterschieden sich zum Beispiel die meistenAristokraten der Île-de-France in ihrem materiellenStatus kaum mehr von den Bauern. Ja, von 60 zu Be-ginn des 13. Jahrhunderts bekannten Adelsfamilienim Gebiet Bar-sur-Aube in der Champagne sind hun-dert Jahre später nur noch 25 übrig, die anderen meistin der Bauernschaft aufgegangen.66

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7.271 Deschner Bd. 8, 133Der flandrische Bauernkrieg und die Jacquerie

Der flandrische Bauernkrieg und die Jacquerie

Während es in Deutschland im 13. Jahrhundert zulängeren Bauerntumulten und -kriegen in Drente,Westfriesland, Ostfriesland, Dithmarschen oder zuder grauenhaften Abschlachtung der Stedingerkommt, treten im 14. Jahrhundert die Bauernerhebun-gen in Flandern, Frankreich und England (S. 235 ff.)hervor.

Die flandrische Insurrektion, die erste große Volks-empörung Westeuropas, beginnt im Winter 1323 inder Umgebung von Brügge, umfaßt vor allem dieselbstbewußten Gemeinden der Küstengebiete undzieht sich bis 1328 hin. Die Bauern bestanden aufihren alttradierten Rechten, bekämpften besonders denAdel, den Grafen von Flandern, die Ämterkorruption,Steuerwillkür, die überzogenen Gerichtsgebühren undignorierten die kirchlichen Zehntforderungen. Sie ver-langten die Kornvorräte der Klöster, und einige hättenam liebsten die Priester aufgeknüpft. Auch die Städteengagierten sich, mit Ausnahme Gents. Burgen wur-den geplündert, zerstört, Adlige gezwungen, ihre eige-nen Verwandten vor allem Volk zu töten. Es gabwenig Widerstand, die Grausamkeit war groß, dochnach Verstoßung der gräflichen Ressortinhaber undder Neubesetzung ihrer Stellen funktionierte die Ver-

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7.272 Deschner Bd. 8, 134Der flandrische Bauernkrieg und die Jacquerie

waltung jahrelang.Graf Ludwig II. von Nevers, am Pariser Hof erzo-

gen, verheiratet mit einer Prinzessin von Geblüt, ver-mochte sich von Anfang an bloß mit dem BeistandFrankreichs durchzusetzen, wofür er Wallonisch-Flandern abtrat. Auch gegen die Bauern, für derenMißernten er erhöhte Abgaben begehrte – eine häufi-ge feudale Praxis –, konnte er am 23. August 1328bei Cassel nordöstlich von St-Omer nur mit massiverfranzösischer Hilfe siegen; ein kurzes, doch gnadenlo-ses Gemetzel, ein Vernichtungsakt. Man verzeichneteinsgesamt 1072 gefallene Landbesitzer, von denKommunalmilizen Flanderns aber soll, nach begrün-deten Schätzungen, mehr als die Hälfte getötet wor-den sein. Ein Reiterstandbild Ludwigs von Neverszierte seitdem die Kathedrale von Paris.

Freilich bezahlte der Graf seine profranzösischePosition. Im Hundertjährigen Krieg, in dem schweren,1338 beginnenden handelspolitisch bedingten Kon-flikt mit den englandfreundlichen flämischen Städten,allen voran jetzt Gent, wurde Ludwig allmählich ent-machtet; er floh nach Frankreich und fiel 1346 in derSchlacht von Crécy (S. 57 f.).67

Zwölf Jahre später kam es zur ersten großen fran-zösischen Bauernrevolte, forensisch gesprochen zur»commotion des non nobles contre les nobles«.

Am 28. Mai 1358 hatte man in St-Leu-d'Esserent,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.273 Deschner Bd. 8, 135Der flandrische Bauernkrieg und die Jacquerie

einem kleinen Dorf im Beauvaisis, vier plünderndeEdelmänner (chevaliers) samt ihren Knappen abgesto-chen und sich beinah blitzartig im Beauvaisis, im Pa-riser Becken erhoben sowie in Gebieten der Picardie,Normandie und Champagne. Nach dem Spottnamendes Bauern »Jacques Bonhomme« kurz »Jacquerie«genannt, erfaßte die Bewegung auch Bürger, Hand-werker, Krämer, ganze Städte, Senlis, Montdidier,Amiens, Laon, Rouen u.a. Auch einige Adlige stießenzu den Insurgenten, die Guillaume Cale, ein militä-risch erfahrener Grundherr, reich, gebildet, unbestrit-ten führte, doch augenscheinlich nicht zu einem um-fassend organisierten Angriff bringen konnte. Zwarvermochte er bischöfliche Burgen einzunehmen,große Schlösser, selbst Chantilly und Courteuil, aberdie Bauern verzettelten sich, stürmten ihrerseitsAdelssitze, brachen Kastelle, ohne freilich die desKönigs anzugreifen, stritten sie doch unter Lilienban-nern und himmelweit entfernt von allen revolutionä-ren Gedanken. Nur die Ungerechtigkeiten und Be-drückungen der Aristokratie, das System der Seigneu-rie rurale bekämpften, beschuldigten sie, das grund-herrliche Netz von Diensten und Abgaben, in dem siezappelten, die durch die Pest hervorgerufene Teue-rung, die unbezahlt herumstreichenden und sie heim-suchenden Söldnerhorden, vor denen sie ihre »Schutz-herren« nicht schützten, die zunehmenden Belastun-

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7.274 Deschner Bd. 8, 135Der flandrische Bauernkrieg und die Jacquerie

gen, der vermehrte Burgenbau; sogar die Zahlungenfür die nach der Schlacht von Poitiers (S. 61 ff.) aus-zulösenden Herren hatten letzten Endes die ständigfür sie schuftenden Jacques zu erbringen.

Während die Bauern sich in planlosen Einzelaktio-nen um einen großen Erfolg brachten, sammelte sichdie Oberschicht um Karl II., König von Navarra. Erhatte 1354 Charles d'Espagne, den Freund und Favo-riten des französischen Königs, ermorden lassen,hatte gefährlich mit England paktiert und schlug, erstEnde 1357 aus der Haft entlassen, die Bauern am 10.Juni nächsten Jahres mit einem Ritterheer vernichtendnieder. Plündernd, brennend, unbarmherzig tötendwurde die Erhebung vom Adel unterdrückt, sein (lo-kales) Regiment mächtig gestärkt und die Gegner,selbst am Aufstand Unbeteiligte, noch über Jahre hinverfolgt und bestraft. Doch: »Besiegt wurden amEnde nicht nur die Bauern, sondern die ganze nichtad-lige Bevölkerung des Landes« (Ehlers).68

Mit der Jacquerie sind wir zur Zeit Innozenz' VI.(1352–1362) zurückgekehrt und wenden uns nun derRegierung seiner Nachfolger zu.

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7.275 Deschner Bd. 8, 1374. Kapitel

4. Kapitel

Die Päpste Urban V. (1362–1370), GregorXI. (1370–1378) und das Ende des

avignonesischen Exils

»Er stand im Rufe der Heiligkeit.«Kardinal Hergenröther über Urban V.1

» ... doch wurde er erst 1870 durch Pius IX. se-liggesprochen.«

J.N.D. Kelly2

»Die Vorgänge in Italien versetzten Gregor intiefe Bestürzung. Er hatte am Anfange des Jah-res 1376 Friedensunterhändler nach Florenz ge-schickt und blickte jetzt voll Angst auf Bologna,welches er um jeden Preis zu erhalten suchte.Doch diese mutige Stadt erhob sich am 19.März mit dem Ruf: ›Tod der Kirche!‹ Die Flo-rentiner brachen die Unterhandlungen ab undschickten Bundestruppen in die befreite Stadt,die ihren Kardinallegaten verjagt hatte. Dasprach der Papst am 31. März über Florenz alsdie Urheberin der ganzen Revolution den furcht-barsten Bannfluch aus, der je aus eines PapstesMunde kam. Hab und Gut und Person einesjeden Florentiner Bürgers erklärte er für vogel-

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7.276 Deschner Bd. 8, 1374. Kapitel

frei; er gestattete der ganzen Christenheit, Flo-rentiner, wo sie immer lebten und sich befän-den, auszuplündern und selbst zu Sklaven zumachen. Florenz war schon damals die schönsteBlüte der italienischen Nation. Dies edle Volk,aus dem bereits Dante, Giotto und Petrarca her-vorgegangen waren ... wurde durch den Papstzum Range einer Negersklavenhorde herabge-setzt und der raubgierigen Welt preisgeben.«

Ferdinand Gregorovius.3

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7.277 Deschner Bd. 8, 139Fortgesetzte »Ketzer«-Jagd

Fortgesetzte »Ketzer«-Jagd

Der um 1310 auf Schloß Grisac (Lozère) geboreneGuillaume de Grimoard lehrte in Montpellier undAvignon Kirchenrecht, bevor er Benediktinerabtwurde, 1352 in Auxerre, 1361 in Marseille. Dazwi-schen wirkte er, beauftragt von Clemens VI. und In-nozenz VI., auf vier Legationen in Italien.

Obwohl nie Kardinal, wurde Grimoard im Oktober1362, gerade als Nuntius am Hof der Königin Johan-na in Neapel weilend, zum Papst gewählt. Und ob-wohl dieser »wahre ... Reformpapst« (Lexikon fürTheologie und Kirche) den Luxus seiner Umgebungverdammte und eine Menge Kuriale entließ, machte erwieder zahlreiche seiner Landsleute und Ordensbrü-der zu Vertrauten, auch Anglic de Grimoard, seinenBruder, zum Bischof (von Avignon) und Kardinal,ihn freilich »nur auf inständige Bitten der Cardinäle«(Wetzer/Welte).

Und obschon oder weil Urban V. auch als Papstsich mehr als menschenscheuer Mönch denn als Ge-waltpolitiker gab, somit das »tiefreligiöse und weltab-gewandte Leben eines Benediktiners« fortsetzte(Kelly), feuerte er nicht nur ihm unliebsame Kuriale,er verfeuerte euch gern »Ketzer«, als habe er sich andem Wort seines Vorgängers, des erst 1881 seligge-

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7.278 Deschner Bd. 8, 140Fortgesetzte »Ketzer«-Jagd

sprochenen Massenmörders Urban II. (VI 380 ff. bes.383 f.!) orientiert: »Wir halten jene nicht für Mörder(homicidas non arbitramur), die, brennend gegen Ex-kommunizierte, voll Eifer für die katholische Mutter,die Kirche, einige von ihnen totgeschlagen haben (tru-cidasse)«, was auch mit »schlachten« übersetzt wer-den kann; jedenfalls ein Grundsatz, der die Lehre vonder legalen »Ketzer«-Hinrichtung vorbereitet, ins ka-nanonische Recht eingeht und dort durch ein Jahrtau-send steht.

Der »tiefreligiöse und weltabgewandte« Papst ap-pellierte jetzt der »Ketzer« wegen an die Bischöfe undInquisitoren von ganz Frankreich, nicht versäumendmitzuteilen, »wo sie zu finden seien«, und viele wur-den daraufhin verbrannt. Nach Neapel schickte »deredle Urban« (Gregorovius), der »milde, rechtschaf-fene Urban« (Chamberlin), der »Mann von ehrlicherFrömmigkeit« (Tuchman), zusätzlich einen »Spezial-Inquisitor« gegen die Fraticellen. In Viterbo warf mannach seiner Agitation neun »Sektierer« auf die Schei-terhaufen. In Deutschland machte er vier Dominikanerzu seinen Feuerteufeln, Bischöfe und Städte mahnend,»die Inquisitoren tatkräftig zu unterstützen«. Sein be-sonderer Günstling, der Dominikaner Walter Kerlin-ger, Hofkaplan, ein Freund des Kaisers, und andereließen »Hunderte verbrennen« (Grundmann).

Karl IV., neben Friedrich II. vielleicht eifrigsterKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.279 Deschner Bd. 8, 140Fortgesetzte »Ketzer«-Jagd

Förderer der Inquisition, befahl am 9. und 10. Juni1369 von Lucca aus den deutschen Obrigkeiten beiStrafe der Vermögenskonfiskation, die Begharden undBeguinen als schlimmste Reichsfeinde zu behandeln,als »Ketzer«, Exkommunizierte, Geächtete.

Unter Zustimmung der Fürsten verlieh er der Inqui-sition in Deutschland »alle Privilegien, Rechte undFreiheiten, welche sie je durch seine Vorgänger imReich, dann durch die Könige von Frankreich, Böh-men, England, Sizilien, Spanien, Ungarn, Polen,durch alle Herzöge, Fürsten und Gewalthaber derganzen Christenheit je erhalten«. Dabei bediente sichder Kaiser der »maßlosesten Ausdrücke, um seineVerehrung für die Inquisition und die Inquisitorenauszusprechen« (Wilmans).

Mit der Machtsucht florierte die Geldgier ungebro-chen fort. Ebenso, selbst gegenüber dem hohen Kle-rus, die Härte der Eintreibung. Hatte etwa JohannXXII. am 5. Juli 1328 einen Patriarchen, viele Dut-zende von Erzbischöfen und Äbten mit dem Bann-strahl getroffen, hatte er sie suspendiert und exkom-muniziert, nur weil sie nicht rechtzeitig bezahlt, so er-klärten, aus demselben Grund, unter Urban V. alleindrei Urkunden der Jahre 1365 bis 1368 nicht wenigerals sieben Erzbischöfe, 49 Bischöfe, 123 Äbte undzwei Archimandriten als schwer straffällig, als eid-brüchig und schlossen sie aus der Kirchengemein-

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7.280 Deschner Bd. 8, 140Fortgesetzte »Ketzer«-Jagd

schaft aus.4

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7.281 Deschner Bd. 8, 141Gescheiterte Rückkehr nach Rom und ...

Gescheiterte Rückkehr nach Rom undmißglückte Kirchenunion

Unter dem Wutgeschrei der Kardinäle auf den »bösenPapst«, den »gottlosen Bruder« zog Urban V. als er-ster der avignonesischen Kirchenhäupter 1367 fürdrei Jahre nach Italien zurück. Trotz starken Militär-schutzes aber konnte er in Rom nicht bleiben. Er floh,wieder von vielem Kriegsvolk eskortiert, nach Vi-terbo, wo eben seinerzeit der für ihn unersetzlicheKardinal Albornoz starb (S. 53 ff.). Zudem sah sichUrban auch in Viterbo von Unruhen bedroht, ebensozunächst von den Feindseligkeiten Perugias und derVisconti, welch letztere er zwar durch die ungeheureSumme von 500000 Gulden vorläufig zu befriedenvermochte. Doch bald begann der Krieg mit den Peru-gia offen gegen ihn beistehenden Visconti von neuem.

Auch mit Kaiser Karl IV. gerieten die Dinge nicht,wie dies der Papst gewünscht. Schließlich war Karl,»die größte Herrscherfigur des deutschen Spätmittel-alters« (Moraw), den Päpsten gewachsen wie keinerseiner Vorgänger seit langem.

Schon zu Karls Lehrer Clemens VI., dem Promotorseiner Königswahl 1346, hatte sich das Verhältnisabgekühlt. Und wenn dessen Nachfolger Innozenz VI.auch sofort bessere Beziehungen erstrebte und KarlKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.282 Deschner Bd. 8, 142Gescheiterte Rückkehr nach Rom und ...

selbst stets als fromm katholisch und Mann der Kuriezu erscheinen wußte, es grundsätzlich auch war, erverlor seinen Vorteil nie aus den Augen.

So empfing er, das wohl eklatanteste Beispiel ausdem Innozenz-Pontifikat, mit Einverständnis des Pap-stes 1355 die italienische Königskrone zu Mailandvon Erzbischof Roberto Visconti und aus der Handdes Kardinalbischofs Peter von Ostia die Kaiserkronein Rom, wobei er in vielen Kirchen betete, da dasSchweißtuch der Veronika verehrte, dort die Geißel-säule oder das Täuferhaupt, alles so »echt« wie dasderart meiste in Rom, wo er auch jeden der Kurie ge-schworenen Eid noch einmal öffentlich wiederholte,wenn auch vielleicht, wie man einmal meinte, nurzähneknirschend.

Schon im folgenden Jahr aber setzte der Kaisernach Beratungen auf den Reichstagen zu Nürnbergund Metz die Goldene Bulle durch, nach K. Hampedas »umfassendste und am genauesten durchdachteund am sorgfältigsten redigierte Gesetzeswerk des ge-samten deutschen Mittelalters«. Die Goldene Bulleregelte erstmals und endgültig reichsrechtlich fürJahrhunderte, bis zum Ende des alten Reiches, dasRecht der Königswahl, das sie dem siebenköpfigenKurfürstenkolleg übertrug; drei geistlichen und vierweltlichen Herren, den Erzbischöfen von Mainz,Köln, Trier, dem König von Böhmen, dem Pfalzgra-

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7.283 Deschner Bd. 8, 142Gescheiterte Rückkehr nach Rom und ...

fen bei Rhein sowie den Herzögen von Sachsen undBrandenburg. Doch das Bestätigungsrecht des Pap-stes wird hier überhaupt nicht erwähnt, wird mit vol-ler Absicht totgeschwiegen; somit hatte er auch keinRecht, während einer Thronvakanz Reichsverweser zusein. Innozenz nahm dies, entgegen anderslautendenBehauptungen, ohne jeden Protest hin.5

Bereits bei seiner ersten Romfahrt hatte sich KarlIV. kaum in die inneren Verhältnisse Italiens, die mit-einander ringenden Machtgruppen gemischt, dafüraber, manche Zumutung, manche Häme schluckend,seine Ziele erreicht, auch allerlei rückständige Lei-stungen, Tausende, Hunderttausende von Gulden kas-siert, freilich einmal, das gehörte zum Geschäft, auchsieben Anführer eines Aufstandes öffentlich köpfenlassen. Und im Prinzip ganz ähnlich verhielt es sichbei seiner zweiten Romfahrt. Wieder nahm er, virtuoszwischen den Parteien manövrierend, das Land aus,strich Steuern, Strafgelder, Geschenke ein. Wiedermischte er sich kaum ins Kriegsgeschehen der Lom-bardei, der Toskana; so manche Hoffnung des Heili-gen Vaters blieb unerfüllt. Und da ihn auch die (fran-zösischen) Kardinäle, enttäuscht vom italienischen»Exil«, von der »Wüste Babylons«, süchtig nach demPomp des Hofes in Avignon, immerzu bedrängten,reiste er im September 1370 wieder dorthin, woraufman noch einmal sieben Jahre in Frankreich residier-

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7.284 Deschner Bd. 8, 143Gescheiterte Rückkehr nach Rom und ...

te. Natürlich hatte Urban, laut Selbsteinschätzung,kein banaler politischer Grund oder der Druck derKardinäle zurückgebracht, sondern »Sanctus Spiri-tus«, der Heilige Geist, der ihn auch hergeführt, wieer vor seiner Abfahrt erklärte, alles »ad honoremSancte Ecclesie«, zur Ehre der heiligen Kirche.

Das Unternehmen war ebenso mißglückt wie seinesogenannte Kirchenunion, die Wiedervereinigung vonOst und West.

Zwar unterwarf sich ihm der byzantinische KaiserJohannes V. Palaiologos, bedroht durch dauerndeBürgerkriege, durch Gegenkaiser (Sohn und Enkel),vehemente Religionsquerelen (Hesychasmus), nichtzuletzt durch die türkische Gefahr, den »übermüthi-gen Halbmond« (Kardinal Hergenröther), der am 2.März 1354 Gallipolis gewonnen hatte, den ersten fe-sten Brückenkopf in Europa.

Auf den Stufen von St. Peter kniete der Kaiser imOktober 1369 dreimal vor dem Hohenpriester nieder,küßte ihm Fuß, Hand, Wange und wurde persönlich –aus purer Verzweiflung am Schicksal seines Rei-ches – katholisch. Am 18. Oktober 1369 unterschrieber ein entsprechendes Glaubensbekenntnis – undmußte noch im Januar nächsten Jahres nachträglichversichern, mit der »katholischen Kirche« die römi-sche gemeint zu haben; wurde auch auf der Rückreisewochenlang in Venedig im Schuldturm festgehalten

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7.285 Deschner Bd. 8, 143Gescheiterte Rückkehr nach Rom und ...

und schließlich zu einem tributpflichtigen Vasallendes Osmanenherrschers Sultan Murad I. erniedrigt,dem er Heeresdienst zu leisten hatte.

Kein byzantinischer Kleriker aber war bei des Kai-sers Kapitulation zugegen, keiner konvertierte, undUrban schmeichelte sich vergebens, Stifter der Kir-chenunion zu sein. Dabei hatte er am 6. Novembernicht weniger als 23 Bullen mit entsprechenden Mah-nungen an Griechen wie Lateiner geschickt, allerdingsohne jedes Hilfsangebot für die griechische Haupt-stadt. Und als er zu Beginn des Jahres 1370 den We-sten zur Befreiung des jetzt katholischen Monarchenvon Byzanz und seines Reiches aufrief, da folgte ihmauch im Westen niemand, kein einziger Lateiner kam.Im übrigen freilich versprachen die Päpste den Grie-chisch-Orthodoxen oft Hilfe, ohne aber je nennens-werte zu leisten. Sie hielten diese Kirche nicht nur fürschismatisch, sondern für häretisch, »für in allemminderwertig« (de Vries), und stellten sich eine Unionkaum anders denn als Angleichung, als Unterwerfungvor.6

Auch ein Abenteuer Urbans, den eine MainzerChronik »Licht der Welt« (lux mundi) nennt, ist nurscheinbar geglückt und wurde das blutigste, derKreuzzug gegen die Türken.

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7.286 Deschner Bd. 8, 144» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmord ...

» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmordin Alexandria

Schon die Anstrengungen seiner Vorgänger um einenKreuzzug, diesen immer wieder geplanten, immerwieder begehrten großen Kampf, waren gescheitert.Und Urban, auf dessen »tiefer persönlicher Frömmig-keit« das Lexikon für Theologie und Kirche insistiert,drang vom Beginn seiner Amtszeit an bei den abend-ländischen Herrschern auf einen solchen Krieg; frei-lich, man hatte genug davon.7

Dabei tat Urban vieles für sein hehres Ziel, suchteer Frieden, Frieden überall, Frieden im Hundertjähri-gen Krieg wie Frieden im partikularistisch zerrissenenItalien. Kam er ja selbst Bernabò Visconti, der 1359Bologna, inzwischen von der Kirche vereinnahmt, zu-rückzuerobern begann, entgegen. Und hatte noch1363 gegen ihn Gift und Galle gespuckt, Flüche undVerdammungen geschleudert, die Exkommunikationausgesprochen, das Kreuz gepredigt. Doch plötzlichbegann der »weltfremde Mönch« hinter dem Rückenseines Feldherrn Geheimverhandlungen mit dem ver-haßten Geschlecht, löste er Kardinal Albornoz abdurch seinen Gegner Kardinal Androin de la Roche.Er schloß Frieden mit dem bisherigen Feind und zahl-te ihm riesige Summen für die Räumung Bolognas –Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.287 Deschner Bd. 8, 145» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmord ...

aber nicht aus Friedenssehnsucht, nein, in Erwartungeines großen, eines größeren Krieges.8

Im lateinischen Osten operierte damals Peter I. vonLusignan (1358–1369) in abenteuerlichen Aggressio-nen gegen die Türken, Christliches und Geschäftli-ches verbindend. Der König von Zypern, von Jerusa-lem, schließlich auch von Armenien geriet dabei mitdem Mamlukensultan von Ägypten in Konflikt. Jahre-lang, von 1361/1362 bis 1365, zog er darauf zwi-schen England und Venedig, Frankreich und Polendurch Europa, sammelte Geld und propagierte seinenKrieg (schließlich waren die Lusignan schon seitUrban II., seit 1096, auf den Kreuzzügen präsent).

Also rief Urban V., politisch ohnedies im Orientambitioniert, im April 1363 einen neuen Kreuzzuggegen die Türken aus, wobei er auch hoffte, ein from-mer Wunschtraum, die durch den Frieden in Oberita-lien freiwerdenden Söldner banden als »Kreuzritter«gegen die »Ungläubigen« werfen zu können.

Ein vereinigtes Europa!Wie mancher Stratege wünschte es schon. Bereits

unter dem hl. Kaiser Karl gab es einen schönen An-satz dazu und mehr als das. Immer wieder hegte manauch im Spätmittelalter Kreuzzugsprojekte, für Fried-rich Heer de facto politische Vorhaben einer militäri-schen Förderation Europas, Vorschläge gleichsam fürdessen nahezu radikalen Umbau. Der bedeutende

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7.288 Deschner Bd. 8, 145» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmord ...

österreichische Historiker sieht darin – im Jahre1969 – »Vorstufen der Entente von 1914, des Völker-bundes, der UNO und der NATO ... Der gemeinsameGrundgedanke ist: Die Nationen (West-)Europas sol-len militärisch und politisch unifiziert werden undnach innen eine Friedensgemeinschaft bilden, umnach außen gegen die ›Ungläubigen‹, die ›Friedens-brecher‹, die ›Nichtdemokraten‹ einen ständigen Ab-wehrkampf führen zu können.«

Einen Abwehrkampf? Deutet denn zu Beginn desdritten Jahrtausends christlicher Katastrophenrech-nung nicht alles eher auf eine Serie der verwegenstenOffensiven, Überfälle und Raubzüge allein rechtgläu-biger Gottesstreiter hin, selbsternannter Krieger fürdas »Gute« gegen das »Böse«, im Grunde gar nichtso verschieden von ehedem, das heute unvergleichlichgefährlichere Risiko mal beiseite?9

Im Sommer 1365 stach Peter von Lusignan miteinhundertfünfundsechzig Schiffen von Venedig ausin See – die größte Expedition seit dem DrittenKreuzzug (VI 11. Kap.). Und das »erfolgreichste«derartige Unterfangen des ganzen Jahrhunderts.

Begleiter des Königs: der Kanzler Philippe de Mé-zières, seit langem in militärischen Diensten undgleichfalls ein Propagandist des Heiligen Krieges,sowie dessen Freund Peter de Thomas (Pierre Thoma-sius), Titularpatriarch von Konstantinopel, apostoli-

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7.289 Deschner Bd. 8, 146» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmord ...

scher Legat für den Kreuzzug und gleichermaßen»durch Heiligkeit des Wandels, wie durch Rednerga-be und Geschäftsgewandtheit ausgezeichnet« (Kardi-nal Hergenröther), in der Tat – ein Heiliger; Fest 15.Februar. (Der für dieses Amt ursprünglich vorgese-hene Kardinal Elie de Talleyrand (S. 61), der bereits,gemeinsam mit dem französischen Regenten PhilippVI., 1336 das Kreuz genommen, war 1364 verstor-ben.) Nur König Peter und seine zwei Hauptberaterkannten das streng geheimgehaltene Ziel, alle übrigenerfuhren es, um jedem Verrat vorzubeugen, erst aufhoher See.

Am 9. Oktober 1365 sichtete man das Opfer, lan-dete am folgenden Tag und überfiel, so schreibt derkatholische Papsthistoriker Kühner, »mit einem Heervon Marodeuren das ahnungslose Alexandria, wo bei-spiellose Mordorgien verübt wurden, obwohl das Sul-tanat der ägyptischen Mameluken seit langem in Frie-den mit den Christen lebte und nie etwas gegen dasKönigreich Zypern unternommen hatte. Die KulturAlexandrias ging zugrunde wie hundertsechzig Jahrezuvor die Kultur von Konstantinopel. König undLegat sahen ungerührt zu, wie mit dem unermessli-chen Plündergut auch weit über fünftausend Christen,Juden, Moslems verschleppt und als Sklaven verkauftwurden. Papst und Abendland ignorierten diese Unta-ten, der Papst äußerte sich sogar triumphierend.«

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Kein Wunder. »Er stand im Rufe der Heiligkeit«(Kardinal Hergenröther).

Eine andere Quelle: »Der Sieg wurde mit nochnicht dagewesener Wildheit und Grausamkeit gefeiert.Zweieinhalb Jahrhunderte Heiliger Krieg hatten dieKreuzfahrer keine Menschlichkeit gelehrt. Nur in Je-rusalem im Jahr 1099 und in Konstantinopel im Jahr1204 war es zu ähnlichen Massenmorden gekommen.Die Muselmanen selbst waren in Antiochia oderAkkon nicht so grausam vorgegangen. Der ReichtumAlexandriens war ungeheuerlich, und die Sieger ver-loren beim Anblick von so viel Beutegut ganz einfachden Verstand.«10

Sieben Tage lang töteten und raubten die RitterChristi, angeführt von einem katholischen König (we-nige Jahre später ermordeten ihn die eigenen katholi-schen Barone), von einem katholischen Kanzler undeinem katholischen Heiligen. Sie schonten nicht Mos-lems, nicht Juden noch dort beheimatete Christen. Dieganze Stadt stank nach den Leichen von Menschenund Tieren – »ein glücklicher Handstreich«, notiertKatholik Seppelt, der »im Abendland große Freude«erweckte, und erspart uns dezent Details, die Kollate-ralschäden sozusagen: geplünderte Moscheen, Kir-chen, vernichtete Grabmäler, niedergebrannte öffentli-che Gebäude, Speicher, auch zerstörte Faktoreienortsansässiger Europäer. Wichtig allein: das Diebes-

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7.291 Deschner Bd. 8, 147» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmord ...

gut. Die christlichen Horden versenkten viel davonnoch unterwegs, die überladenen Schiffe und sichselbst zu retten. Ja, ein glücklicher Handstreich. Alex-andria wurde rasch wieder verloren und Zypern selbstbald das »äußerste Land der Christenheit«.

Nur diesen Verlust bedauern viele Römlinge ältererund neuerer Zeit. Nichts von dem Massaker, dem Rie-senraub. Bei Kardinal Hergenröther wechselt keinObjekt den Besitzer, fließt kein Tropfen Blut. Ge-denkt er doch – welch klassisches Paradigma katholi-scher Geschichtsklitterung –, man bedenke, eines ein-zigen Toten damals – und wessen?: »des vortreffli-chen Legaten, der, aufgerieben von seinen Mühsalenund Sorgen, (6. Januar 1366) verschied«. Und fügt,den Fall abschließend, sogleich hinzu: »Der Papsthatte es nicht an Bemühungen fehlen lassen, dem Un-ternehmen die gehörige Unterstützung zu verschaf-fen.« Er hatte es, versichert viel später noch und wie-derholt, als hätte er etwas Gutes zu vermelden, auchSeppelt, »eifrig« gefördert, hatte »schon seit Beginnseines Pontifikates sich um den Kreuzzug eifrig be-müht«.

Zwei weitere Standardwerke katholischer Historio-graphie, das alte elfbändige Lexikon von Wetzer/Welte und das neue, kaum minder bänderreiche Hand-buch der Kirchengeschichte, verschweigen auf je dreiSeiten über Urban V. sowohl das Gemetzel in Alex-

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7.292 Deschner Bd. 8, 148» ... ein glücklicher Handstreich« Massenmord ...

andria als auch den Kreuzzug komplett, den »erfolg-reichsten« doch, so Aziz S. Atiya, aller Kreuzzügedes 14. Jahrhunderts. Dagegen betont das jüngere ka-tholische Werk – »endlich wieder eine Geschichts-schreibung großen Stils« (Johannes Spörl) – dasMönchische an Urban, seine, wie wichtig, beibehalte-ne Mönchstracht, »mehr noch seine mönchische Le-bensweise«, und daß er ein »stark innerlicherMensch« gewesen, der bloß, ja, leider, »dem Reiz derpolitischen Macht« verfiel. Blut aber floß auch dem-nach seinerzeit nicht. Und 1870 spricht Pius IX. denSchreibtischmörder selig.

So macht man Heilsgeschichte.Oft hat man Urban V., dessen Grabdenkmal die

Französische Revolution liquidierte, ein »heiligmäßi-ges« Leben nachgerühmt – obwohl einem kaumSchlimmeres nachgerühmt werden kann. Und zumin-dest seliggesprochen wurde auch ein gewiß viel ge-waltigerer Massenmörder, Urban II. (VI 339 ff., 380ff. bes. 383 f.), wenngleich erst nach einer Scham-und Schonfrist von fast achthundert Jahren. Dochdurchaus folgerichtig mochte Leo XIII. 1881 schlie-ßen: wenn schon Urban V., dann allemal erst rechtUrban II. Die Heiligsprechung beider steht nochaus.11

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7.293 Deschner Bd. 8, 148Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere ...

Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere»Ketzer«

Nach dem Tod Urbans wurde der neue Papst, der42jährige Kardinal Pierre Roger de Beaufort, der sichGregor XI. nannte, in nur zwei Tagen einmütig zumNachfolger gewählt. Der 1329 zu Rosiers-d'Egletons(dép. Corrèze) als Sohn des Grafen Guillaume de Be-aufort Geborene machte wieder schnell Karriere. Mitelf Jahren wurde er Kanonikus von Rodez und Paris,mit neunzehn Jahren, nach manchen mit achtzehn,siebzehn schon, durch seinen nepotistischen OnkelClemens VI. Kardinal und auch gleich mit vielen Be-nefizien begabt. Und unter den 21 von ihm ernanntenPurpurträgern befanden sich, durchaus typisch, 16 en-gere Landsleute oder doch Franzosen, nicht zuletztseine Verwandten. (Insgesamt kreierten die avignone-sischen Päpste von 1305 bis 1375113 Franzosen zuKardinälen, 14 Italiener, 5 Spanier und 2 Engländer.)

Nach jahrzehntelanger Beschäftigung an der Kuriein Avignon setzte Gregor, von dem man ein langesund »gesegnetes« Pontifikat erhoffte, vieles seinerVorgänger einfach fort.

Natürlich gehörte dazu wieder die »Ketzer«-Jagd,das »von ihm veranlaßte scharfe Vorgehen der Inqui-sition« (Seppelt). Der nach seinen Apologeten from-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.294 Deschner Bd. 8, 149Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere ...

me, gütige, sanftmütige, demütige Papst ernannte am23. Juli 1372 für die Bistümer Köln, Mainz, Utrecht,Salzburg, Magdeburg fünf Dominikaner zu Inquisito-ren und verbot jedwede Behinderung derselben durchdie Fürsten. Der Orden hatte sich in Deutschland be-währt, Kaiser Karl IV. 1369 über das wieder »geseg-nete« Wirken des Dominikaner-Inquisitors Kerling,der etwa in Nordhausen sieben »Ketzer« verbrennenließ, seine hohe Freude bekundet und befohlen, dieHäuser der Häretiker in Inquisitionskerker umzuwan-deln. Gregor erteilte ihm dafür in einer Bulle vomJuni 1371, also wenige Monate nach seinem Amtsan-tritt, höchstes Lob.

Auch in Frankreich, so berichten Annalen zum Jahr1373, habe der Papst gegen die »Ketzer« die Sichelder apostolischen Strenge geschwungen und mit»frommem Eifer« die »Kräfte zur Ausrottung diesesUnheils« angestachelt. Der von ihm entsandte Fran-ziskaner-Inquisitor Lorelli, »unser geliebter Sohn«,soll in den Alpentälern Savoyens und der Dauphinédie Waldenser »zu Hunderten« getötet, in Grenoblean einem einzigen Tag 150 Menschen zu Asche ge-macht haben.12

Als erster Papst wandte sich Gregor XI. gegen denenglischen Philosophen und Theologen John Wyclif,wohl der schärfste Kirchenkritiker seines Jahrhun-derts. Um 1330 in der Nähe von York geboren, dann

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7.295 Deschner Bd. 8, 149Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere ...

an der Universität Oxford tätig, wurde der »greatestheresiarch of the later Middle Ages« von britischenProtestanten noch im 16. Jahrhundert als »Morgen-stern der Reformation« gefeiert. In der Tat wirkte erweit, schon früh auf Böhmen (wo sich mehr seinerHandschriften befinden als in England), wirkte ernicht zuletzt auf Luthers Vorläufer Jan Hus, der Wy-clifs Werk in seinen Universitätsschriften verteidigtund lange Passagen daraus zitiert, während der PragerErzbischof die Bücher des Radikalreformers zu ver-brennen befiehlt (S. 192 f.)

John Wyclif, der schon früh die offizielle Kirche»Religion der fetten Kühe« schimpft, wird mit zuneh-mender Einsicht, gleich manchem Kirchenwidersa-cher, immer radikaler. »Wenn es hundert Päpstegäbe«, lehrte er, »und alle Bettelmönche Kardinälewürden, man dürfte ihnen in Glaubenssachen dochnur insoweit beipflichten, als sie mit der HeiligenSchrift übereinstimmen.«

Gestützt auf die Bibel, der allein er höchste Autori-tät zuerkennt, die er auch ins Englische übersetzenläßt, und getragen von der Zustimmung des Hofes,des Adels, des Bürgertums, brandmarkt der »Doctorevangelicus« die ungeheuere Verweltlichung des Kle-rus, seine Machtsucht, Habgier, chaotische Verwal-tung, den Niedergang des Mönchtums; er bekämpftdie meisten Sakramente, die Lehre vom Fegefeuer,

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7.296 Deschner Bd. 8, 150Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere ...

von der Unfehlbarkeit des Papstes, der für ihn keinNachfolger Petri, sondern Konstantins ist, das heißtder wahre Antichrist. Wyclif erklärt das Zölibat fürunbiblisch, dito die Priesterweihe, die Ordensregeln,Ohrenbeichte, die Heiligen- und Reliquienverehrung,das Wallfahren und Ablaßwesen. Er fordert die Auf-lösung des Kirchenbesitzes, die Enteignung der Klö-ster, die Besteuerung der Geistlichen, er verwirftKrieg und Gewalt. Kurz, leidenschaftlich propagierter die Rückkehr zu den Idealen der apostolischen Zeit,des Urchristentums.

Noch bevor der militante Moralist, Pazifist undPhilanthrop seine Polemik gegen die Orthodoxie ste-tig verschärft und den Katalog seiner Schuldsprüchevollendet hatte, schmetterte der Papst dagegen fünfBullen an König, Bischöfe und Universität. Dann ver-dammt er am 22. Mai 1377 achtzehn Thesen Wyclifsals häretisch und verfügt seine Festnahme samt La-dung vor das römische Inquisitionstribunal.

Gedeckt aber durch Oxford, die Universität, durchseinen mächtigen Schutzpatron John of Gaunt, Her-zog von Lancaster, und die einflußreiche Königinmut-ter Johanna von Kent, wurde dem »Ketzer« dasSchlimmste erspart. Doch erfolgten Verhöre, Verur-teilungen auf Synoden in London (Erdbebenssynode),in Oxford. Und nach seiner Vertreibung aus der Stadt1381 und der Verbrennung seiner Schriften lebte er

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7.297 Deschner Bd. 8, 150Gregor XI. bekämpft John Wyclif und andere ...

gelähmt in seiner Pfarre in Lutterworth (Lincolns-hire), bis er einem zweiten Schlaganfall am 31. De-zember 1384 erlag. Nach fortgesetzter Verwerfungseiner Sätze von London bis Prag, nach Zusammen-stellung von 267 Irrtümern 1411 in Oxford, nach In-kriminierung aller seiner Werke 1413 durch JohannXXIII., nach wiederholter Verbrennung auch seinerBücher wurde auf Geheiß Papst Martins V. 1428 seinSkelett ausgegraben und verbrannt, der Rest in denFluß Swift gestreut.13

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7.298 Deschner Bd. 8, 151Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

Gregor XI., wiewohl Franzose, hatte sich schon bald,wahrscheinlich seit Beginn seiner Regierung, zurRückführung des Papsttums nach Rom entschlossen.Seit 1372 mehren sich entsprechende Hinweise dar-auf, auch offizielle. Zwar der König, der Herzog vonAnjou, die zahlreichen Verwandten und die meistenKardinäle mühten sich ihn abzuhalten. Aber dieRömer mahnten, und die hl. Katharina von Siena,diese so Hochbegnadete, Außerordentliche, die einenKreuzzug propagierte, die Befreiung Jerusalems, aberauch (seit ihrem sechsten Jahr) Visionen hatte undJesu Vorhaut, von ihm selbst gespendet, zwar un-sichtbar, doch unaufhörlich von ihr wahrgenommen,als Ring am Finger, so daß sie, Katharina, nebenFranz von Assisi, noch heute Schutzpatronin Italiensist, diese junge Frau also umwarb den Papst schrift-lich von Siena her und mündlich monatelang in Avi-gnon. Und auch die hl. Birgitta drängte, drängte vonRom aus, prophezeite Gregor im Falle seines Verblei-bens in Frankreich den Tod, und starb selbst im Som-mer 1373.

In Ober- und Mittelitalien aber hatten inzwischendie Kriege, die Belagerungen und Eroberungen, dieVormärsche und Rückmärsche einander abgelöst,

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7.299 Deschner Bd. 8, 152Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

waren ein Waffenstillstand, ein Feldzug dem anderngefolgt, wechselten die Bündnisse, Fronten, Abhän-gigkeiten.

Die Vorherrschaft der Visconti hatte Einbußen er-litten, als die Päpstlichen unter Kardinal Albornozvor allem in der Mark Ancona und in der Romagnamächtig an Boden gewannen, nicht zuletzt dank gro-ßer, vom Papst zur Verfügung gestellter Gelder. Wei-tere Kriegsgewinne gegen die mit den Wittelsbachernverschwägerten Visconti hatte die Kurie von dem Lu-xemburger Karl IV. erhofft. Doch weder bei seinerKrönung 1355 noch bei seinem Italienzug 1368 lösteer diese Erwartungen ein. Er war kaum in der Lagedazu und auch zu klug, sich mit den Visconti anzule-gen, gegen die sich im Oktober 1370 in Viterbo zahl-reiche Geschlechter und Städte formierten, darunterauch Königin Johanna I. von Neapel und der Papst;ein Bündnis, aus dem allerdings das bisher papst-treue, ja der Kurie besonders verbundene Florenz imJuli 1372 wieder ausgeschert ist, um dann seinerseitseine Allianz vieler Kommunen der Toskana sowievon Teilen des Kirchenstaates gegen die Papstmachtanzuführen, fortgesetzt und leidenschaftlich zur Frei-heit aufzurufen, empört u.a. über die Ausfuhrsperrevon Lebensmitteln aus der benachbarten Romagnadurch den Kardinal-Legaten während der Hungersnotvon 1374/1375. Statt den Hunger zu bekämpfen,

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7.300 Deschner Bd. 8, 152Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

schickte der Heilige Vater ein bretonisches Söldner-heer zur Bekämpfung von Florenz.14

Mit Gregors Regierungsantritt hatte sich eine zu-nehmend antiklerikale Stimmung verbreitet, wie ge-wöhnlich von der Kirche selbst verursacht, infolge derschweren Bedrückungen durch die päpstlichen Ge-sandten und Rektoren, damals »Pastoren der Kirche«genannt, vor allem durch unverschämte Ausbeutung,maßlos überhöhte Subsidienforderungen, unablässigeKriegssteuern.

In Perugia beispielsweise, seit dem Spätherbst1370 wieder päpstlich, führte der Legat Gérard vonPuy, Abt von Montmajeur, ein Willkürregiment. Erterrorisierte die Menschen, schickte sie zum Festungs-bau, ins Exil, erpreßte Geld, vergoß Blut. Und wie erzu expandieren, wie er Arezzo und Siena an sich zubringen suchte, so operierte der Kardinallegat Wil-helm Noellet von Bologna aus mit einer Söldnerban-de, seiner »heiligen Kompanie«, gegen Florenz, dasdiese heilige Bande allerdings für 130000 Goldgul-den abkaufte, unter dem Ruf »Freiheit! Freiheit!« dieRevolution ausrief und rund achtzig Städte der Toska-na zu einer antikurialen Liga vereinte. Und währenddas Feuer des Aufstands auch auf den Kirchenstaatübersprang, fast alle seine Burgen das blutrote Ban-ner der Revolte zeigten, während in Perugia das Volkschrie: »Tod dem Abt und den Pastoren!«, während

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7.301 Deschner Bd. 8, 153Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

man in Bologna brüllte: »Tod der Kirche!« und denKardinallegaten vertrieb, schleiften die Florentinerdas Inquisitionsgebäude, verkauften das konfiszierteKirchengut durch ein achtköpfiges Kollegium, vomVolkswitz »Otto Santi« (die Acht Heiligen) genannt,und brachten Priester in den Kerker oder an den Gal-gen.15

Der Papst, der schon angesichts der aggressivenPolitik der Visconti über diese das Interdikt verhängtund einen Kreuzzug gegen sie gepredigt, auch einenPapstzehnt, den auf die Länder Deutschland, Böh-men, Ungarn, Polen, Skandinavien sich erstreckendensogenannten Visconti-Zehnt ausgeschrieben hatte,schleuderte nun den Bannstrahl auf Florenz. Er hobden Bischofssitz auf, die Stadtrechte, er verbot allenKlerikern den Aufenthalt. Nicht genug. Jedem Chri-sten gestattete er, jeden Florentiner, wo immer er sichaufhalte, auszurauben, zu versklaven, und in Frank-reich wie in England machte man von dieser generö-sen Erlaubnis zur Befriedigung der Raubgier gern Ge-brauch, während Pisa und Genua sich weigerten undebenfalls dem Interdikt verfielen. Der Handel und dasBankgeschäft der toskanischen Kapitale kamen daraufin den meisten Ländern zum Erliegen, viele florentini-sche Vermögen wurden konfisziert.

Auch in Italien gingen Gregors Büttel barbarischvor.

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7.302 Deschner Bd. 8, 153Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

Zwei seiner Haudegen veranstalteten Blutbäder.Der Kardinal von Ostia, Graf der Romagna, hetzteeine ungelöhnte Söldnerbande auf Faenza, den Bi-schofssitz an der via Emilia in der Romagna, wo siesich schadlos hielt, gräßliche Greuel beging, die Stadtausraubte, die Bewohner teils umbrachte, teils ver-trieb.

Das zweite, schlimmere Massaker noch veranlaßteder Kardinal Robert von Genf, den der Bischof vonFlorenz mit Herodes, mit Nero verglich und der baldGegenpapst Clemens VII. werden sollte. Gregor hatteden Prälaten vor seinem eigenen Aufbruch mit 6000Reitern und 4000 Fußsoldaten losgeschickt, woraufsie furchtbar den Raum von Bologna verheerten. Undindes er, Gregor, schon in Rom residierte, der Kardi-nal von Genf in Cesena, einer Stadt, die bereits mehr-mals wider die harte Knute päpstlicher Rektoren auf-begehrt hatte, erhob sie sich verzweifelt erneut am 1.Februar 1377 und erschlug einen Teil der Besatzung,300 Söldner des Kardinals. Der rief die Bande vonFaenza, befahl blutige Rache und ließ 4000 Cesena-ten niederstechen.16

Gregors Reise nach Rom 1376/1377 hatte unterkeinem guten Stern gestanden. Allerlei üble Vorzei-chen begleiteten sie. In Avignon weigerte sich dasPferd, ihn zu tragen, später wütete die See, ver-schluckte Schiffe und den Bischof von Luni. Die Flo-

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7.303 Deschner Bd. 8, 154Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

rentiner warnten nicht nur einmal und dringend Romdavor, den Bedrücker der Freiheit aufzunehmen, denBringer von Kriegen. Aber am 14. Januar 1377 lande-te Gregor XI. in Ostia, drei Tage darauf zog er trium-phal in Rom ein, allerdings nicht nach den Vorstel-lungen Petrarcas und der hl. Katharina, nur mit Kruzi-fix und Psalmengesang, sondern hoch zu Roß, mit2000 Kriegern unter Raimund von Turenne, vonedlen Römern flankiert, von weißgekleideten Possen-reißern umtanzt, um jauchzt vom Volk, überschüttetmit Blumen, besungen von Pfaffen, ein Papst, der dassiebzigjährige Exil beendete, der endlich kam, so Fer-dinand Gregorovius, »der Stadt das Papsttum fürimmer zurückzugeben und die Freiheit für immer zunehmen«.

Nach dem Blutbad in Cesena schlug die Empörungin Italien hohe Wellen. Das Volk, notiert ein zeitge-nössischer Chronist, wolle weder an Papst noch Kar-dinäle mehr glauben, »denn das seien Dinge, um denGlauben zu verlieren«. Florenz, die kämpferische Re-publik, appellierte an die Fürsten der gesamten Chri-stenheit. Doch unter den emsigen MachenschaftenGregors, der da zum Frieden, dort zum Krieg trieb,begann die Florentiner Liga zu bröckeln. Die Kriegs-kosten freilich bedrückten beide Seiten enorm, wennauch Florenz weniger als den Papst, der jedoch imselben Monat, in dem unter dem Vorsitz von Bernabò

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7.304 Deschner Bd. 8, 154Rückkehr nach Rom, Blutbäder und Blumen

Visconti ein Friedenskongreß zusammentrat, starb,am 27. März 1378, nachdem er noch auf dem Toten-bett die Rückkehr nach Rom, beeinflußt von »denProphezeiungen frommer Weiber«, bereut haben soll.

Wie auch immer, sein Ende hatte den erbittertenStreit der französischen und italienischen Kardinälezur Folge sowie den Ausbruch des die ganze Kirchespaltenden großen Schismas.17

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7.305 Deschner Bd. 8, 1555. Kapitel

5. Kapitel

Das Große Abendländische Schisma(1378–1417 bzw. 1423)

Krieg der Päpste gegeneinander

»Das Doppelpapsttum spaltete die Christenheitteils nach politischen Aspekten, teils nach recht-lichen Überlegungen in zwei Obödienzen ...Daß sich in beiden Lagern anerkannte religiösePersönlichkeiten, auch Heilige, fanden, die sichmit aller Energie für ihren Papst einsetzten,zeigt, daß es eben keinen papa indubitatus (K.A.Fink) gab, daß sowohl die historische Fragenach den Umständen der Wahl und Anerken-nung wie die kanonistischen Probleme schon fürdie Zeitgenossen unlösbar waren. So gehörtedas Schisma zu den schwersten Krisen der mit-telalterlichen Kirche ...«

Hermann Tüchle1

»Die Folge des Schismas war eine ungeheureVerwirrung und Unordnung: gegenseitige Ex-kommunikation der Päpste samt deren Anhang,erhöhte Bedürfnisse für 2 päpstliche Hofhaltun-gen, noch größere finanzielle Bedrückung derChristenheit, Streit um Bischofsstühle und an-dere kirchliche Stellen, die vielfach doppelt be-

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7.306 Deschner Bd. 8, 1555. Kapitel

setzt wurden, beängstigende Zweifel, wer derrechtmäßige Papst, Bischof usw. sei.«

E. Krebs2

»Gregor und Benedikt ignorierten die Konzils-sentenz und der neue Papst Alexander V.(1409/10) wurde zwar vom größeren Teil derChristenheit, doch nicht allgemein anerkannt:Aus der ›verruchten Zweiheit‹ war eine ›ver-fluchte Dreiheit‹ geworden.«

Heribert Müller3

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7.307 Deschner Bd. 8, 157Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

Ein Monstrum und ein Massenmörder werdenPapst

Anders als die Papstschismata unter Heinrich IV.oder Friedrich I. ist das Große Abendländische Schis-ma keine durch weltliche Fürsten entstandene, keinevon außen aufgezwungene, sondern eine aus der Kir-che selbst hervorgegangene Spaltung; sie entbrennt ankeinem dogmatischen Problem, sondern allein an derFrage nach dem rechtmäßigen Papst. Und anders alsdas durch die Doppelwahl von Innozenz II. und Ana-klet II. ausbrechende verhältnismäßig kurze Schisma1130 (VI 428 ff.), das erstmals das gesamte Abend-land in Mitleidenschaft zieht, doch nach acht Jahrenmit dem Tod Anaklets endet, dauert das gleichfallsganz Europa ergreifende Große AbendländischeSchisma fast vierzig, nach manchen sogar zweiund-fünfzig Jahre mit dann nicht weniger als sieben Ge-genpäpsten – eine der schwersten kirchlichen Erschüt-terungen im ganzen Mittelalter, eine Zeit mitunter bei-nah beispielloser Krisen und Krawalle, wobei oftkaum einer weiß, wer Papst, wer Gegenpapst ist, jaeinmal drei Päpste zugleich regieren.4

Der Tumult begann bald nach Gregors XI. Tod, be-gann mit dem am 7. April 1378 im Vatikan zusam-mentretenden Konklave, dem ersten in Rom seit 75Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.308 Deschner Bd. 8, 158Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

Jahren. Die Miliz war aufmarschiert, die Stadt abge-riegelt, um die Kardinäle an der Flucht zu hindern.Sechs hatte man ohnedies in Avignon belassen. Dieübrigen 16 waren in drei Gruppen gespalten, dochmehrheitlich Franzosen. Das römische Volk aber,eine Rückkehr der Kurie nach Frankreich befürchtend,wollte keinen Franzosen mehr als Oberhaupt derChristenheit.

So lag Unheil in der Luft, buchstäblich Gewitter-stimmung. Ein Blitzschlag hatte kurz zuvor den aus-erwählten Versammlungsort des hohen Kollegiumsgetroffen. Die Leute lärmten, drohten, schrien »Roma-no o Italiano lo volemo!«, die Glocken läutetenSturm. Die Menge drang schließlich in das Konklaveein, wo die verschreckten Prälaten in der Nacht aufden 8. April nach mehreren, nicht mehr sicher rekon-struierbaren Wahlgängen unter anhaltendem Volks-druck Bartolomeo Prignano, den sechzig Jahre altenErzbischof von Bari und Vizekanzler der Kurie, ge-wählt hatten. Sie brachten aber nicht den Mut auf,dies zu gestehen, weil die Römer als Papst einen derIhren begehrten. So steckten die Kardinäle den grei-sen Tebaldeschi eiligst in Papstgewänder, setzten denZitternden auf den Papststuhl und brachten sich, nachallen Seiten, manche bis in die Campagna, auseinan-derstiebend, in Sicherheit, während der eindringendePöbel sich zu Füßen des zwar durchaus echten Rö-

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mers, doch durchaus unechten Papstes wand und ihnvor Begeisterung fast erdrückt hätte.5

Anderntags aber inthronisierten die in Rom geblie-benen Purpurträger im Vatikan den Calabresen Barto-lomeo Prignano, und die Römer, inzwischen gelasse-ner, waren nun mit ihm, dem Italiener immerhin, ein-verstanden.

Nur die Kardinäle zeigten sich schon bald nichtmehr mit ihrer Wahl zufrieden.

Erzbischof Bartolomeo Prignano, jetzt Urban VI.(1378–1389), aus einer nur mittelmäßigen Position inder Klerikalhierarchie völlig unverhofft an die Spitzeder Christenheit gelangt, hatte ganz offensichtlich er-hebliche Probleme, den kolossalen Karriereschub zuverkraften.

Bisher ein brauchbarer Funktionär, ein administra-tives Talent, sparsam, gewissenhaft, dienstwillig, of-fenbarte er nun jäh einen ganz andren Charakter, einhypertrophes, keinerlei Widerspruch duldendesSelbstbewußtsein. Er zeigte immer häufiger psycho-pathische Züge, extremen Jähzorn, rücksichtsloseÜberheblichkeit. Er sprang selbst mit Fürsten verlet-zend um, beleidigend, ebenso mit seinen Kardinälen,die sich nicht weniger als Fürsten fühlten, auch wahr-haft fürstlich lebten, fast jeder pars pro toto mit hun-dert Pferden und Einnahmen aus bis zu zwölf Bistü-mern, Klöstern.

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7.310 Deschner Bd. 8, 159Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

Bereits im ersten Konsistorium geißelte Urban –trotz langer Kurientätigkeit nie Kardinal geworden –sowohl von obsessiven Haßgefühlen wie von seinemreformerischen Rigorismus her den Lehensstil der ihmbislang Vorgesetzten, ihre Selbstsucht, ihren Reform-unwillen, ihr eitel-pompöses Treiben, kurz, er stießsie derart vor den Kopf, daß der Kardinal Robert vonGenf mit der Bemerkung an ihn herantrat: »Ihr habtheute die Kardinäle nicht mit der Achtung behandelt,welche sie von Euern Vorgängern empfingen. Ichsage Euch in Wahrheit, wie Ihr unsere Ehre mindert,so werden auch wir die Eure mindern.«

Mit seinem starren, selbstherrlichen Konfrontati-onskurs brachte Urban VI. die meisten Kardinälerasch wider sich auf, obwohl sie ihn ja erst gewählt,gekrönt, auch aller Welt als kanonisch eingesetzt an-gezeigt und entsprechend respektiert hatten. Dochbald fanden sie ihn unerträglich, hielten ihn für unfä-hig, wenn nicht für geistesschwach. Sie übersiedelten,die sommerliche Hitze vorschützend, Ende Mai, An-fang Juni, nach Anagni, schimpften dort den Papst,der seinerseits nach Tivoli ging, Eindringling, einenTyrannen, Apostaten, Antichristen und kündigten ihmdie Gemeinschaft. Sie nannten seine unter dem Druckder Römer erzwungene Erhebung ungültig, erklärtenden apostolischen Thron für vakant und wählten am20. September 1378, auf den Rückhalt des französi-

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7.311 Deschner Bd. 8, 160Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

schen und neapolitanischen Hofes vertrauend, in derKathedrale zu Fondi (Königreich Neapel) den Kardi-nal Robert von Genf, den »Blutmann«, den »Henkervon Cesena«, zum Papst.6

Clemens VII. (1378–1394), wie sich der 36jährigenannte, hinkte und schielte, tendierte zu Militär undKrieg, versierter wohl zur Politik. Er liebte ver-schwenderischen Lebensstil, die pompöse Hofhal-tung, sprach Französisch, Italienisch, Deutsch, La-tein. Als Sohn des Grafen Amadeus III. von Genf demHochadel entstammend, war er mit vielen Fürsten, mitdem französischen König, dem deutschen Kaiser ver-wandt und wurde schon als Kind von seinem OnkelGui de Boulogne, dem Kardinalbischof von Porto(der seinem Haus das Königreich Neapel zu gewinnensuchte), pfründenreich gefördert. Mit 19 Jahren Bi-schof, mit 29 Kardinal, veranstaltete Robert als LegatGregors XI. mit dessen bretonischen Söldnertruppeneinige Massaker im Krieg gegen Florenz, besondersdie Bluttat von Cesena (S. 153). Und mit seiner Wahlzum Papst beschwor die Kirche selbst das GroßeAbendländische Schisma herauf, den fast vierzigJahre dauernden, die sogenannte moralische Autoritätdes Papsttums weiter mindernden Kampf der Stellver-treter Christi gegeneinander, der durch die Parteinah-me der Landesherren auch hochpolitisch wurde.7

Die einzelnen christlichen Länder traten dabei ent-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.312 Deschner Bd. 8, 160Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

weder nahezu gleich oder nach längerer Neutralität,nach eingehenden Untersuchungen, Prozeßverfahren,dem Befragen von Universitäten und Juristen, auf dieeine oder andere Seite; manche wechselten auch diePartei, einige sogar mehrfach, wie Neapel und Portu-gal.

Frankreich bekannte sich unter Karl V. bald zuClemens VII., dessen Anerkennung der König allenUntertanen zur Pflicht machte, da Clemens nicht zuUnrecht als gefügiges Werkzeug galt, »Knecht derKnechte der französischen Herrscher«, wie Nikolausvon Clémanges höhnt, Theologe und Reformer, derspäter freilich auch die Seite wechselt. Im Norden er-klärte sich Schottland, als Gegner Englands FreundFrankreichs, für Clemens, im Süden das von Frank-reich abhängige Burgund, ebenso Savoyen, auf Zy-pern das französische Fürstenhaus der Lusignan (S.144 ff.). Lange zögert man auf der Pyrenäenhalbinsel,dann aber schlagen sich auch die Königreiche Kastili-en, Aragon, Navarra zu Clemens VII.

Urban VI. blieb durch das Überlaufen der Kardinä-le zu seinem Gegner fast allein. Kurz vor dessenWahl aber ernannte er 29 neue Kardinäle, und nunhielten der größte Teil Italiens wie auch der des deut-schen Reiches zu ihm, sowohl unter Karl IV., der imSpätherbst 1378 stirbt, wie unter seinem Sohn undNachfolger Wenzel, der mit den vier rheinischen Kur-

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7.313 Deschner Bd. 8, 161Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

fürsten einen »Urbansbund« gründete. Auch Frank-reichfeind England ergriff für Urban Partei, ebensoUngarn, ferner der Osten und Norden, somit mehr alsdie Hälfte Europas.8

Nun waren die Obödienzen beider Päpste abernicht nur nach Staaten geteilt, der Riß ging manchmaldurch diese selbst. So standen Deutschlands südwest-liche Grenzgebiete, darunter die Bistümer Straßburg,Basel, später insgeheim auch Salzburg zu Clemens,ebenfalls Herzog Leopold III. von Österreich mitSteyermark, Kärnten, Krain, Tirol, mit der Windi-schen Mark, Istrien, Feltre und Belluno, auch mit sei-nen schwäbischen und elsässischen Besitzungen,während sein Bruder Herzog Albrecht III. mit Nieder-und Oberösterreich sich an Urban VI. anschloß undnach dem (im Haus Österreich unvergessenen)Schlachtentod Leopolds 1386 gegen die Eidgenossenbei Sempach auch dessen Länder zur römischen Kuriebrachte.

Die Spaltung ging also selbst durch die Familiendes Adels. Sie erfaßte aber auch die Universitäten, dieOrden. So hatten die Franziskaner einen Ordensgene-ral, der für Urban VI., einen, der für Clemens VII.eintrat, und dementsprechend ihre jeweiligen Nachfol-ger. Ebenso stritten im Dominikanerorden ein Gene-ralmagister für Urban, ein anderer für Clemens.

Doch auch Diözesen wurden zerrissen, so daß zweiKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.314 Deschner Bd. 8, 162Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

Bischöfe um ein Bistum kämpften, jeder OberhirtePaladin eines andren Papstes. 1382 bestätigte nacheiner Doppelwahl in Basel Clemens VII. WernerSchaler als Bischof, Urban VI. aber Imer von Ram-stein. Um das Erzbistum Mainz rangen zwei Erzbi-schöfe von Mainz, Ludwig von Meißen als KandidatUrbans, Adolf I. von Nassau als Protegé von Cle-mens – »und so erhob sich ein schwerer Krieg ...«Und es blieb nicht bei einem. Man raubte, vertrieb,konfiszierte Güter und Einkommen, verheerte mitFeuer und Schwert. »Wenn man alle Leiden und Qua-len beschreiben wollte, welche die Länder an Rhein,Main, Neckar, Tauber und ihre Nachbarlandschaftenertragen mußten durch diese Kriege, das wäre ein lan-ges Geschäft« (Chronicon Moguntinum).

Kurzum, wiewohl an Wirrsal, Konfusionen, an Giftund Galle, Not und Tod im Weinberg des Herrn seitje reichlich gewöhnt, dieses Schisma erwies sich alsbesonders fruchtbare Fatalität, wobei es die Pikanterieoder Peinlichkeit erhöhte, daß an jeder Front edle Kir-chenlichter, ja veritable Heilige fochten. Urban VI.wurde von der schon Gregor XI. beratenden hl. Ka-tharina von Siena unterstützt (S. 151), einer mehr alsschillernden Figur. Visionärin seit früher Kindheit,geilten sie mitunter, in ihrer Zelle, sogar in der Kir-che, ganze Scharen von Teufeln au f. Zwanzigjährigfeierte sie auch eine »mystische« Vermählung mit

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7.315 Deschner Bd. 8, 162Ein Monstrum und ein Massenmörder werden ...

Christus, mit dem sie ihr Herz tauschte – und auf dasWort, den Rat dieser Person hörten Tyrannen, Häup-ter von Banden, von Republiken, Könige; es war ebeneine inspirierte, eine tief christliche Zeit. Die Kardinä-le von Clemens schimpfte sie Teufel in Menschenge-stalt. Mit 33 Jahren starb sie und wurde von Pius II.,dem Vater etlicher verschollener »natürlicher« Kinder(S. 270) und, mehr noch als sie, bis zum letztenAtemzug vom Kreuzzugswahn beherrscht, heiligge-sprochen.

Der hl. Vicente Ferrer, Generalprediger der Domi-nikaner, angesehener Antisemit und überhaupt einerder maßgeblichen Kirchenköpfe während des GroßenSchismas, engagierte sich leidenschaftlich für Cle-mens VII. Er stritt Seite an Seite mit dessen spani-schem Legaten Pedro de Luna, dem späteren PapstBenedikt XIII., und beeinflußte Johann I., König vonAragón, zum Anschluß seines Reiches (1387) an Ur-bans Gegenpapst, an dessen Rechtmäßigkeit zu glau-ben er geradezu für heilsnotwendig erklärte.9

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7.316 Deschner Bd. 8, 163Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignen ...

Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignenKardinäle foltern und ermorden

Inzwischen hatten beide Päpste längst begonnen, ein-ander mit allen Mitteln und Möglichkeiten und mitganzer apostolischer Kraft fertigzumachen. Sie hattender Christenheit mittels apostolischer Schreiben ihreRechtmäßigkeit demonstriert, hatten sich auch durchihre Kardinäle, durch Gesandte als Petri legitimeNachfolger verkünden lassen und natürlich, samt demganzen Anhang, gegenseitig exkommuniziert, endlich,stets das Heilswirksamste, ihre Söldnerheere einanderauf den Hals geschickt.

Als Clemens' bretonische Truppen unter seinem ei-genen Nepoten, dem Grafen Montjoie, im April 1379zum Entsatz der Engelsburg auf Rom vorrückten,wurden sie von Urbans Scharen unter Alberico daBarbiano, dem Gründer der Kompanie St. Georg,einer Ziehschule der Condottieri, bei Marino zusam-mengeschlagen – die Schlacht zweier Heiliger Väterangesichts der Ewigen Stadt. Im selben Monat kamauch die Engelsburg, im ganzen mittelalterlichen Romvon beträchtlichem militärischem Belang, an Urban,das Mausoleum Kaiser Hadrians (gest. 138), von demund auf das jetzt erstmals Kanonen gefeuert und es soschwer ruiniert hatten, daß man seinen AbbruchKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.317 Deschner Bd. 8, 163Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignen ...

erwog.Während aber Urban einen Aufstand in Rom nie-

derzwang, konnte sich Clemens in Anagni nicht mehrhalten. Er suchte Schutz bei der Königin von Neapel,floh dann, auch dort von Urbans Anhang bedrängt,Ende Mai über Gaeta nach Avignon, wo ihn am 20.Juni 1379 die verbliebenen Kardinäle huldigend emp-fingen und er seitdem residierte.10

In Italien verband sich der Machtkampf beider Päp-ste mit dem der ungarischen und der französischenAnjou um das Königreich Neapel, einem Erbfolge-krieg.

Auf der einen Seite standen Clemens VII. und derBruder des französischen Königs (Karl V), HerzogLudwig von Anjou, den die kinderlose Königin Jo-hanna von Neapel adoptierte, während ihm Clemensfür ein projektiertes Königreich Adria (regnum Adrie)fast den ganzen Kirchenstaat übertrug. Auf der ande-ren Seite agierten Urban VI. und der Schwager derKönigin, Karl III. von Anjou-Durazzo, ein 35jähriger,kunstbegeisterter, doch auch politisch ehrgeizigerMann, den König Ludwig von Ungarn unterstützte,da er Karl, aus dem Zweig der ungarischen Anjou, alsNachfolger wünschte, und damit die Vereinigung vonUngarn und Neapel erhoffte.

Auch Papst Urban wollte als Oberherr Karl vonDurazzo das Königreich Neapel geben, dessen Köni-

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7.318 Deschner Bd. 8, 164Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignen ...

gin Johanna, aus dem Zweig der französischen Anjouund Anhängerin Clemens' VII., ihm, Urban, grenzen-los verhaßt war – »er zitterte vor Ungeduld, sie vonihrem blutbefleckten Thron zu stoßen« (Gregorovi-us) –; zumal er auch wenigstens ein Drittel ihres Rei-ches als eigenes Fürstentum Salerno-Capua einemNeffen zugedacht hatte. Beim Verfolgen seiner Zieleließ der Papst mehr als dreißig Bischöfe und Äbte ab-setzen, einige foltern, den Erzbischof von Salerno als»Ketzer« verbrennen.

Die dabei ausbrechenden jahrelangen Kriege finan-zierte er u.a. mit kirchlichen Kunstschätzen – nichtnur ganze Heilige aus römischen Gotteshäusern ver-flossen im Schmelzofen zu Gold. Und natürlich gaber seine Kriege als Kreuzzüge aus, gewährte aucheinen Kreuzzugsablaß, sogar mit erstaunlich hohemSündenstrafennachlaß. Ein Zeitgenosse meldet: »Eineunglaubliche Menge von Geld, Gold, Silber kam zu-sammen, Juwelen, Halsketten, Becher und Löffel, be-sonders von der Frauenwelt. Reiche und Arme gaben,je nach Stand und über ihren Stand hinaus, damit so-wohl ihre lebenden wie die verstorbenen Lieben undsie selbst von ihren Sünden erlöst würden. Denn Ab-solution wurde verweigert, wenn sie nicht nach ihremVermögen und ihrer Stellung gaben.«

Urbans Günstling Karl von Durazzo gewann zu-nächst. Er wurde König, in Rom gekrönt, ließ im Juli

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7.319 Deschner Bd. 8, 164Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignen ...

1382 seine Schwägerin, die Königin, im Schloß Muromit einem Seidenstrick erdrosseln (vgl. S. 17) und dieLeiche – ein vieltausendfach erprobter politischer An-schauungsunterricht – sieben Tage lang in der KircheSanta Chiara zu Neapel ausstellen, womit der Neapo-litanerpapst seine Obödienz um ein Königreich erwei-tert hatte. Später entzweite sich Karl III. von Anjou-Durazzo selbst mit Urban, der auch gegen ihn einenKreuzzug verkündete. Der König wurde exkommuni-ziert, seines Reiches für verlustig erklärt und nun sei-nerseits liquidiert; im Februar 1386 erlag er den Fol-gen eines brutalen Attentats, wobei ihm Gift den Restgab.11

Zuvor hatte König Karl allerdings mit einigen Kar-dinälen ein Komplott gegen den Papst geschmiedetund diesen wegen Unfähigkeit einem Regentschaftsratunterstellen, vielleicht auch absetzen oder gar als»Ketzer« verbrennen wollen. Urban aber, der nur we-nige Tage vor Ausführung des Vorhabens Winddavon bekam, ließ am 11. Januar 1385 in dem nunseinem Nepoten gehörenden Stauferschloß Nocera beiSalerno, wo er residierte, sechs Kardinäle in eine Zi-sterne stecken – alle (nach dem Geschichtsschreiberdes Schismas Dietrich von Niem, unter Urban, derihm nahestand, Beamter der päpstlichen Kanzlei) un-bescholten. Tagelang schlotterten sie vor Hunger undKälte und wurden unter der Oberaufsicht des für sei-

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7.320 Deschner Bd. 8, 165Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignen ...

nen Pfaffenhaß bekannten Genueser Piraten Basiliotorturiert, während der Heilige Vater, auf der Terrassedes Kastells lustwandelnd, laut gebetet hatte, um sodurch seine Präsenz die Folterknechte zu mehr Eiferanzustacheln.

Als der Papst dann mit den angeketteten Prälatenaus Nocera floh, wo König Karl ihn mit Truppenhatte einschließen lassen und 10000 Goldgulden demversprach, der ihm Urban lebend liefere oder tot, ließdieser, der bekanntlich als rechtmäßiger Papst gilt,den Bischof von Aquila, der sein Mißtrauen geweckt,am Weg niedermachen und liegen. Und als seine Kar-dinäle ihrem Elend zu entrinnen suchten, ließ er auchsie am 15. Dezember 1386 in Genua umbringen, viel-leicht gesackt im Meer oder, eine andere Version, ineiner Grube mit ungelöschtem Kalk.

Urban VI. setzte den Kampf um Neapel auch ausnepotistischen Gründen noch in seinen letzten Jahrenunvermindert fort, und dies so sehr, mit solch patho-logischer Störrischkeit, daß er kaum einen anderenGedanken hatte, daß er das meiste, was ihn als Papstund Priester hätte interessieren sollen oder müssen,fast völlig aus den Augen verlor. Noch im Jahr vorseinem Tod wollte er mit einem Heer nach Neapel,kam aber mit nur 200 Reitern bloß bis Ferentino undstarb am 15. Oktober 1389 in Rom, möglicherweisean Gift. Bis zuletzt hatte er alle Versuche, das Schis-

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7.321 Deschner Bd. 8, 165Krieg um Neapel Urban VI. läßt die eignen ...

ma zu beenden, abgelehnt.12

Auch die folgenden Päpste fühlten sich sämtlich imRecht und wollten, ob in Avignon, in Rom odersonstwo, sehr gern Papst bleiben. Es muß doch schönsein, für die Menschheit, wie man heute sagt, Verant-wortung zu tragen, zumal hohe, höchste.

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7.322 Deschner Bd. 8, 166Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld undKöpfe rollen

Er hieß Pietro Tomacelli, war äußerlich stattlich, ausneapolitanischem Adel und seit 1381 Kardinal durchUrban VI., dessen Nachfolge er antrat. Das Schismasetzte er fort. Er schützte Neapel gegen die französi-sche Annexionslust, sicherte den vom Zerfall bedroh-ten Kirchenstaat, liquidierte das republikanische Re-giment, warf das rebellische Rom nieder und kontrol-lierte auch das Gebiet rundum. Als Politiker bekommtder ungebildete, aber realistische, energische, auch re-degewandte und kontaktfreudige Papst häufig guteZensuren, hatte er doch, zumal gegenüber seinemVorgänger, sogenannten Erfolg.13'

Für »Geistliches« blieb da, wie bei Urban und sovielen, kaum Zeit. Bonifaz erschien mehr im Kreisvon Leibwächtern und Militärs als von Priestern, undRegierungsgeschäfte, Unterschriften, meist Finanziel-les betreffend, soll er sogar während der Messe erle-digt haben – carpe diem!

Seine Vetternwirtschaft erreichte einsame Rekorde.Die beiden Brüder versorgte er fürstlich. Sie erhiel-

ten die bedeutendsten und lukrativsten Ämter im Kir-chenstaat. Bruder Johann machte er zum Rektor desPatrimoniums, des Herzogtums Spoleto sowie der Sa-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.323 Deschner Bd. 8, 166Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

bina mit der »Hauptstadt« Rieti (neben Viterbo undAnagni im Spätmittelalter reguläre Sommerresidenzder Päpste). Außerdem bekam Bruder Johann dasLehen Sora übertragen, das unter Karl I. von Anjou(VII Register) Königsstadt geworden war. Bruder An-dreas Tomacelli, seine rechte Hand, avancierte zumRektor und Markgrafen Anconas. Er befestigte seineLehen Narni und Orte, erpreßte rücksichtslos eineweitere Kriegssteuer aus den gänzlich verarmtenMenschen und ließ 1391 den Kommandeur seiner ei-genen Truppen, den Condottiere Boldrino da Panica-le, bei einem Gastmahl, zu dem er ihn geladen,meuchlings ermorden. Derartige Ruhmestaten lagenoffenbar in der Familie.

Mehr als fünfzig seiner Neffen wurden nun reichausgestattet; allein 25 Tomacelli stehen in den päpst-lichen Registern, weitere 25 lassen sich noch zu Leb-zeiten des Heiligen Vaters nachweisen. Nicht genug.Noch zahlreiche, mit den Tomacelli verwandte Fami-lien werden in die Betreuung einbezogen. Auch dieVerwandten der Mutter natürlich, »La madre«, die inRom einen eigenen Hof hielt, rührend selbst für denunehelichen Sippennachwuchs sorgte und, wie diebeiden Brüder des Papstes, dauernd Geld zusammen-scharrte. Eine Nichte bekam als Mitgift venezianischeKirchenkollekten, offenbar in verlockenden Mengen;ihr Mann jedenfalls, seines Zeichens Herzog, kassier-

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7.324 Deschner Bd. 8, 167Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

te und ließ die Frau liquidieren.Man bedachte noch die Kleinsten, unmündige Kin-

der, sogenannte Bastardsöhne. So wurde Aloisio, fili-us naturalis von Papstbruder Johann, mit sechs JahrenPropst zu Mainz und Prior von S. Sisto in Viterbo.Giacomo, unehelicher Sohn des Papstbruders Andre-as, war als Siebenjähriger schon Mitglied des Johan-niterordens und bezog damals bereits Pfründen. Dervierzehnjährige Jacobus III. wurde Kanoniker vonRavenna und Osnabrück, Archidiakon von Friesland;fünfzehnjährig wird er Archipresbyter der Kathedralevon Gaeta, Kanoniker von Patras, Domherr in Todiund Assisi, er erhält Pfründen an drei Kirchen in Rietiu.a. Ein Sechzehnjähriger wurde Kommendatarabt dergroßen Benediktinerabtei S. Salvatore bei Rieti. Ja,im August 1397 bekamen in einer einzigen Wochedrei unmündige Tomacelli zehn verschiedene Pfrün-den.14

Unter solchen Umständen fällt es schwer, KardinalHergenröther zu glauben, daß Bonifaz IX. »für seinePerson sehr genügsam war«; ein Papst, der immerhinnicht weniger als neun – wohlprivilegierte – Leibärztehatte; ein Papst, den die Zeitgenossen als »grenzenloshabsüchtig und gewissenlos« schildern, der auch we-nige Goldstücke nicht verschmähte, da ein kleinerFisch in der Hand, wie er sagte, besser sei als einWalfisch im Meer; ein Heiliger Vater, von dem der

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7.325 Deschner Bd. 8, 168Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

katholische Papsthistoriker Kühner schreibt, daß er»fast ausschließlich mit der eigenen Bereicherung undder seiner Verwandten beschäftigt war.«15

Auch seine Finanzwirtschaft insgesamt war selbstfür damalige Begriffe skandalös. Doch brauchte erenorme Summen für seine Kriege, zumal für dieKämpfe im Kirchenstaat. So saugte er mit System undohne Skrupel jede mögliche Geldquelle aus. »Erstkommt ein caritativum subsidium, dann eine Zehnt-steuer, dann Kollekten und andere Belastungen«, be-klagt Pandolfo Malatesta gegenüber dem Papst imJahr 1397 die immer unerträglichere Schröpfung desKlerus.

Sieht man von den Gewalttaten ab, schien es an derKurie fast nur um Märkte und Geschäfte zu gehen.Von Anfang an zog Bonifaz die Hälfte der höherenersten Jahreseinkommen aller von ihm verliehenenBenefizien an sich. Er erhöhte nicht nur die Anzahlder päpstlichen Provisionen ungeheuerlich, sondernerteilte oft auch mehrere für dieselbe Pfründe. JedePetition ließ er sich bezahlen, jeder Posten kosteteGeld. Dabei entschied bei Zuteilungen nie die Taug-lichkeit des Bewerbers, sondern die Höhe des Ange-bots. Man verschacherte gegen bar an die Meistbie-tenden. Alles wurde finanziell genutzt, kommerziellabgeschöpft, alles war käuflich.

Die Kirchensteuer trieb dieser Papst derart hoch,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.326 Deschner Bd. 8, 168Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

daß die »Annaten des Bonifatius« sprichwörtlich wur-den. Seinen ziemlich verlotterten, fast aufgelöstenStaat verpachtete er, in kleinere oder größere Land-striche gegliedert, an zahlungskräftige Kunden, soge-nannte Vikare, die ihm den Treueid leisten und Zinsenzahlen mußten.

Pekuniäre Gründe spielten auch bei den vielen, vonihm vorgenommenen Inkorporationen mit. Um dasGeschäft damit anzukurbeln, annullierte er 1402 allevon früheren Päpsten wie von ihm selbst gewährten,doch noch nicht faktisch vollzogenen Eingliederungenund bewilligte schon bald darauf neue; »eine Finanz-operation großen Stils, aber auch übelster Art« (Sep-pelt).

Nicht minder übel war sein Ablaßhandel, einfachschamlos. Seine Gewährung unvollkommener Abläs-se stieg fast ins Ungemessene. Dabei dehnte er ur-sprünglich oft nur für bestimmte Kirchen genehmigteAblässe (»ad instar«) auch auf den Besuch andererKirchen aus, wobei er besonders den Jubiläumsablaßnoch besser und häufiger als bereits früher zu melkenverstand und die Mißbräuche immer mehr überhand-nahmen. Aus manchen Gebieten erpreßten seineAgenten über 100000 Goldgulden. Gewährte er dochdie Vergünstigung eines Jubeljahres nicht nur weitüber Rom hinaus, sondern ermöglichte sie auch gan-zen Ländern ebenso wie Diözesen, Korporationen,

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7.327 Deschner Bd. 8, 169Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

einzelnen Christen gegen Erstattung der Reisekostennach Rom sowie eines Betrages, den der Pilger in denrömischen Basiliken gespendet hätte. Bonifaz IX.kassierte die Hälfte dieser Gelder, die andere Hälftedie jeweils begünstigte Kirche – falls ihr nicht gierigeFürsten oder Gemeinden zuvorgekommen sind. Ja,Bonifaz bot sogar strategisch wichtige Plätze im Kir-chenstaat feil.16

Der Papst dehnte die Vorteile des Jubeljahres abernicht nur räumlich, sondern auch zeitlich aus. Vor-gänger Urban hatte das Jubiläumsjahr noch wenigeMonate vor seinem Tod in der Bulle »Salvator no-ster« auf das Jahr 1390 festgesetzt. Und Bonifaz IX.ließ es dann andauern, Jahr um Jahr, ein ganzes Jahr-zehnt lang, durchaus gewinnbringend, obwohl dieChristen aus den Clemens VII. anhängenden Ländernausbleiben mußten. Für das Jahr 1400 sagte Bonifazzwar ein weiteres Jubeljahr ausdrücklich ab, im Märzdieses Jahres. Bereits im Mai aber verkündete ereinen neuen Jubeljahrablaß bei sechstägiger Teilnah-me am Feldzug gegen die Colonna. Zum Geldopferkam jetzt noch das Kriegsopfer, endete freilich oftnicht in Jubel, sondern in Jammer, vor allem wegender Pest, die ebendamals im Kirchenstaat wütete undgerade in Rom infolge des großen Menschenandrangsnach einer Chronik Tag um Tag bis zu 800 Opfer ge-fordert haben soll; wozu noch jene kamen, die bei

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7.328 Deschner Bd. 8, 169Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

Volksaufläufen, von Räubern oder marodierendenKriegshaufen erschlagen worden sind.17

Großzügig sprang Bonifaz IX. mit dem Kirchengutum, war es nötig, seine Kriege zu bezahlen, und dieswar sozusagen immer der Fall. Hatte der Vorgängerbis zu seinem Todesjahr gerüstet, begann er damitschon 1390, bald nach seiner Thronbesteigung. Dabeierlaubte er sich, sämtliche Einkünfte der Kirche in derTerra di Lavoro zu verpfänden oder zu verkaufen;ebenso den Klosterbesitz um Benevent.

Mittlerweile hatte Clemens VII. bereits in den achtvorhergehenden Jahren eine Million Gulden in die Er-oberung Neapels investiert und dafür Herzog LudwigII. von Anjou ausersehen, den er am 1. November1389 in Gegenwart Karls VI. in Avignon zum Königvon Sizilien krönte. (Obwohl nämlich der Begriff»Regno di Napoli« zur Bezeichnung der süditalieni-schen Monarchie um die Mitte des 14. Jahrhundertsaufgekommen war, hieß sie offiziell zunächst weiter»Regno di Sicilia«, auch wenn sie die Insel selbstnicht mehr umfaßte – was Bonifaz natürlich nicht hin-derte, Inquisitoren auch für Sizilien zu ernennen, wiefür Deutschland.)

Neapel war im Spätmittelalter mit 60000 Einwoh-nern (Rom hatte, zum Vergleich, allenfalls 25000) dieweitaus wichtigste Stadt des Königreiches: ein glanz-voller Hof, Anziehungspunkt für die größten Künstler

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7.329 Deschner Bd. 8, 170Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

der Zeit, Giotto darunter, Simone Martini, Petrarca,Boccaccio, eine führende Handelsmetropole und Mes-sestadt auch; ganz zu schweigen davon, daß am 17.August 1389 im Dom erstmals das Blutwunder deshl. Januarius (S. Gennaro) belegt wird.

Fast genau ein Jahr später, am 14. August 1390,landete Ludwig II. von Anjou in der Stadt, in der undum die auch sonst noch einiges Blut fließen sollte.Nur ein knappes Jahr zuvor, im November, hatte Bo-nifaz, im schroffen und erfolgreichen Frontwechselzur Italienpolitik seines Vorgängers, den jungen La-dislaus, den Sohn des Karl von Durazzo, als Königanerkannt, dieser im Februar einen Giftanschlag sei-ner Gegner nur knapp überlebt. Am 29. Mai 1390krönte ihn Bonifaz' Kardinallegat Angelo Acciaiuoliin Gaeta zum König. Und nun begann mit der Lan-dung Ludwigs II. in Neapel eine zehnjährige Ausein-andersetzung, ein langer Krieg, in dem gelegentlichauch Bonifaz' Brüder fochten, bis Ladislaus mit Hilfeder Gelder und Söldner des Papstes, der auch durchgecharterte Schiffe den Nachschub aus Avignon zuunterbinden suchte, das gesamte Königreich gewann,seinen Gegner nach der Provence zurücktrieb, am 10.Juli 1399 seinerseits in Neapel einzog und im August1403 auch König von Ungarn wurde. – Als im Som-mer 1400 der Gesandte Giovanni da Ravenna Bonifazbesuchte, sah er im ganzen apostolischen Palast außer

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7.330 Deschner Bd. 8, 171Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

einem Bischof und dem Papst nur Soldaten.18

Krieg gab es auch im schwer zerrütteten Kirchen-staat, wo die beiden Brüder des Papstes operierten,indes Bonifaz, unentwegt von Geldbeschaffungssor-gen umgetrieben, zum Zweck intensiverer Rüstung,kirchliche Einkünfte im In- und Ausland mit Beschlagbelegte, Anleihen bei bedeutenden Banken aufnahm,überall Geld flüssig machte, sogar durch Geiselnah-men oder durch die allgemeine Erneuerungspflicht füralle papalen Gnaden bei deren drohendem Verlust inJahresfrist. Durch immer neue Mittel und Wege such-te der Papst das Militärbudget zu erhöhen – von derBesteuerung des Klerus in Rom und dem Ausverkaufdes dortigen Klostergutes, was die Konvente an denRand des Ruins brachte, über die beschleunigte Ein-ziehung des Jubeljahrablasses in Deutschland, dieimmer härtere Belastung der Untertanen im Patrimo-nium und besonders, wie es scheint, in der Mark An-cona, bis zur Verpfändung der Weinstöcke unter sei-nen Audienzsaalfenstern oder der seiner Mitra an Kar-dinal Stefano Palosi; und dabei waren noch nicht ein-mal die Soldschulden Urbans VI. beglichen.19

Das Verhältnis von Bonifaz IX. zu Rom war dankder kommerziellen Effizienz des Jubiläums zunächstfreundlich. Bald aber erkannte die Republik in ihmden Feind, fühlte sich übertölpelt, die Römer erhobensich 1392, der Papst floh nach Perugia und, als dort

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7.331 Deschner Bd. 8, 171Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

im folgenden Sommer die Revolution ausbrach, nachAssisi. Zwar holten ihn die Römer wieder, gaben ihmgar für die Rückkehr einen Geleitschutz von tausendReitern und 10000 Goldgulden Reisespesen oben-drein. Doch in Rom wiederholten sich bald die Zer-würfnisse, die Verschwörungen, die er nur mit Hilfedes jungen Königs Ladislaus niederringen konnte,wobei die Köpfe der Konspirateure über die Stufendes Kapitols rollten.

Bonifaz ließ das ruinierte Castel Sant'Angelo (S.163) wiederherstellen und zusätzlich bewehren, ließden Vatikan nach avignonesischem Beispiel zu einerFestung und das Kapitol, den Senatspalast, wie dieRömer klagten, zu einer päpstlichen Zwingburg ma-chen, kurz er tat alles, um ihre in den letzten Jahr-zehnten behauptete republikanische Selbständigkeitbeiseite zu fegen. Er kontrollierte nicht nur die höch-sten Justizorgane, er besetzte auch jedes Amt derKommune »bis hinab zu dem des Türwächters im Sit-zungssaal auf dem Kapitol« (Esch). Und vor allemging er daran, seine letzten großen Feinde in und umRom auszuschalten.

Besondere Beachtung schenkte er dabei dem Feld-zug gegen den Grafen von Fondi, Onorato Caetani,im Jahre 1399 im Süden Roms. Der Caetani war nichtnur der erste und entschiedenste Förderer von Cle-mens VII., der auf dem Konklave in Fondi gewählt

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7.332 Deschner Bd. 8, 172Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

worden war. Er bekämpfte auch Karl III. von Durazzonach dessen Einfall 1381 in das Königreich Neapelund stieß seit 1395 wiederholt in die römische Cam-pagna vor. Er suchte durch Intrigen auch den Papst zuvertreiben, der seinerseits wieder einziehen, verpfän-den, Kircheneinkünfte im In- und Ausland sich reser-vieren ließ, der allein das Bistum Köln mit 12000Gulden belastete, wohl auch den aus England kassier-ten Kreuzzugszehnt heranzog. Ja, er rief selbst gegenden 1399 exkommunizierten Gaetani zum Kreuzzugauf und zwang ihn 1400 zur bedingungslosen Kapitu-lation, worauf dieser noch im selben Jahr starb.20

Damals wurden auch die sich am längsten wider-setzenden Colonna unterworfen, Verwandte des Cae-tani und, wie dieser, hartnäckige Anhänger der avi-gnonesischen Päpste. Doch Mitte Januar 1400 miß-glückte die von Nikolaus Colonna mit dem Schrei»Tod dem Tyrannen Bonifatius« und einem Sturm aufdie Senatsburg beabsichtigte Revolution. Der Papstfloh in die Engelsburg, belegte die Colonna mit demBann, ihre Güter mit dem Interdikt und führte einenKreuzzug auch gegen sie – mit 2000 päpstlichen Rei-tern, militärisch unterstützt durch Rom und König La-dislaus, bis die Colonna für diesmal Frieden schlos-sen.

Bonifaz IX. aber ließ 31 seiner Gefangenen dieKöpfe abschlagen und starb seinerseits im Oktober

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7.333 Deschner Bd. 8, 172Papst Bonifaz IX. (1389–1404) läßt Geld und ...

1404 in Frieden im Vatikan. Freilich, noch sterbendquälte ihn der »Durst nach Gold«. Und war er auchHerr des ganzen Kirchenstaates geworden, die Kircheselbst hatte er weiter ramponiert. »Seine und seinerVerwandten Habsucht, die Konfirmationen und Anna-ten, der schamlose Verkauf der Indulgenzen und hun-dert andere Mißbräuche häuften den Stoff für die Re-formation immer höher auf ...«21

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7.334 Deschner Bd. 8, 173Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchteDreiheit

Schon ein Jahrzehnt früher, am 16. September 1394,war Clemens VII. in Avignon gestorben, damit dasGroße Schisma freilich nicht beendet. Hatten dochalle 21 avignonesischen Kardinäle bereits am 28.September Pedro de Luna, einen Adligen aus Aragón,Professor des Kirchenrechts und seit Ende 1375 Kar-dinal Gregors XI., einstimmig zum Papst gewählt. Ernannte sich Benedikt XIII. (1394–1417, gest. 1423)und empfing erst jetzt, neunzehn Jahre nach seinerKardinalsernennung, die Priester- und Bischofsweihe.

Als Legat Clemens' VII. hatte der selbstsichere,eloquente und hochgebildete de Luna die Natio Hi-spanica, Kastilien, Aragón und Navarra gewonnen,seinen Erfolg allerdings 1393 als Gesandter in Frank-reich, den Niederlanden und England nicht wiederho-len können. Auch war er in Paris für eine Beendigungdes Schismas eingetreten, für einen Amtsverzicht bei-der Päpste (via cessionis), den er, wäre er Papst, auchleisten würde. Noch im Konklave unterschrieb er, wiedie meisten Wählenden, eine cedula, auch zurückzu-treten, falls die Kardinäle dies für nötig hielten. Alsde Luna aber Benedikt XIII. war, kümmerte er sichnicht mehr um seinen Schwur. Eine GesandtschaftKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.335 Deschner Bd. 8, 173Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

nach der anderen, aus Frankreich, aus England, ausDeutschland, prallte mit allen Rücktrittsforderungen,allen Erinnerungen an sein Gelöbnis an ihm ab. Erwich aus, plädierte für Verhandlungen, die von ihmbevorzugte »Methode des Gesprächs«, die via discus-sionis, fast mehr noch für die via facti, die Beseiti-gung seines Widersachers in Rom. Ja, im Mai 1398erklärte der einst scheinbar so Verzichtbereite, Rück-trittswillige den Rücktritt eines rechtmäßigen Papstesgeradezu als Sünde. Und natürlich hielt er sich fürrechtmäßig und begründete in mehreren Werken seineLegitimität.

Frankreich kündigte Benedikt XIII. schließlich of-fiziell den Gehorsam, beraubte ihn der finanziellenMittel, belagerte seinen in eine Festung verwandeltenPalast in Avignon von 1398 bis 1403, unterminiertediesen, bis Benedikt auch von seinen meisten Kardi-nälen und ganzen Ländern verlassen, im März 1403verkleidet abenteuerlich in die Provence entkam.Doch nun kehrten die Kardinäle, kehrten auch Frank-reich und Kastilien zum Gehorsam ihm gegenüber zu-rück, allerdings nur gegen das Versprechen seinesRücktritts bei Ableben oder Abdankung des Rivalenin Rom.22

Dieser Fall trat bereits im folgenden Jahr mit demTod Bonifaz IX. und der Nachfolge Innozenz' VII. ein(1404–1406), des dritten Papstes der römischen Obö-

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7.336 Deschner Bd. 8, 174Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

dienz im Abendländischen Schisma.Cosimo Gentile de' Migliorati, zuvor Rechtsprofes-

sor in Perugia und Padua sowie zehn Jahre lang Steu-ereintreiber Urbans VI. in England, hatte vor seinerWahl, wie die ihn erkürenden sieben Kardinäle, hochund heilig beschworen, alles einschließlich der eige-nen Abdankung zu tun, um die Spaltung zu beseiti-gen. Nach der Wahl freilich verspürte auch er zumRücktritt keine große Lust. Überdies war sein Pontifi-kat nur kurz und durch einen Aufstand der Römer ge-stört. Er mußte Ladislaus von Neapel zu Hilfe rufen.Auch Neffe Ludovico Migliorati stand dem Papstwacker bei, ermordete im Hospital von S. Spirito elfrömische Gesandte, zwei Governatoren der Republikdarunter und mehrere Regionenkapitäne, und ließ siealle aus dem Fenster auf die Straße schmeißen. DerHeilige Vater aber gab dem blutbesudelten Nepoteneine geistliche Buße und ernannte ihn zum Markgra-fen von Ancona und Grafen von Fermo. Schließlichwar der Papst »in allen Geschäften gereift und fried-fertigster Art« (Gregorovius).

Innozenz VII. mußte bei dem Aufstand in Romsamt Kardinälen, deren Paläste lichterloh brannten, inder Nacht nach Viterbo fliehen, verfolgt von den Rö-mern, die einen Kurialen niederstachen, den Abt vonSt. Peter (Perugia) erschlugen, indes dreißig weiterePapstbegleiter infolge der Strapaze des Rückzugs tot

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7.337 Deschner Bd. 8, 174Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

auf der Strecke blieben. Zwar konnte der Pontifex beieinem Stimmungsumschwung im März 1406 nachRom zurück, starb dort aber bereits im November.Wie es hieß, ließ ihn Kardinal Baldassare Cossa, dernachmalige Papst Johann XXIII., durch den Bischofvon Fermo vergiften.

Der Sekretär und Nachfolger des Verstorbenen,Angelo Correr, aus venezianischem Adel, bereitsachtzig Jahre alt und bekannt für seinen Unionseifer,hatte vor der Wahl seine eventuelle Bereitschaft zumRücktritt beschworen. Nach der Wahl beteuerte er alsGregor XII. (1406–1415, gest. 1417) dies abermals.Da jedoch Benedikt XIII., trotz aller Beteuerungendes Gegenteils, keine Neigung zur Resignation zeigte,vielmehr seinen römischen Gegner durch einen vonihm finanziell sehr geförderten Feldzug des HerzogsLudwig von Orléans (1407 in Paris auf der Straße er-mordet) beseitigen wollte, fühlte sich auch GregorXII. nicht zu gehen gedrängt; zumal es ihm offenbargefiel, die angeblich für die Kirchenunion erpreßtenZehnten mit seinen Nepoten zu verprassen, währendin Rom die Waffen sprachen und im Kapitol wiedereinmal papstfeindliche Barone enthauptet wurden,Galeottus Normanni etwa, der »Kavalier der Frei-heit«, oder Konradin von Antiochia, ein Stauferab-kömmling.

Ein geplantes Treffen beider Päpste unterblieb.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.338 Deschner Bd. 8, 175Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

Man wechselte monatelang lust- und erfolglos Noten.Dann wurden die seit Ende 1406 geführten Eini-gungsverhandlungen im Frühjahr 1408 abgebrochen.Gregor erließ jetzt gar ein Verhandlungsverbot, ver-dammte den »Weg der Abdankung« als »ketzerisch«und erklärte, als Papst sterben zu wollen. Und wäh-rend die erzürnte französische Regierung sich erneutvon Benedikt zurückzog, ja seine Verhaftung befahl,der er durch die Flucht nach Aragón entging, kreierteGregor im Mai 1408 vier Kardinäle, darunter seinebeiden Neffen Anton Corrario und Gabriele Condul-mer (später Papst Eugen IV.: S. 224 ff.). Jetzt floh dieMehrheit seiner Wähler nach Pisa, wo auch ent-täuschte Kardinäle Benedikts erschienen und bald eingroßes Kirchentreffen stattfand.23

Das Konzil von Pisa, kanonisch gesehen eine Re-bellion, von den abgefallenen Kardinälen beider Päp-ste einberufen und stark besucht, tagte vom 25. Märzbis zum 7. August 1409. Versammelt waren 24 Pur-purträger, vier Patriarchen, 80 Bischöfe, noch mehrVertreter abwesender Bischöfe, 87 Äbte und Vertretervon 200 abwesenden Äbten sowie Hunderte von Dok-toren der Theologie und der Rechte. Die Päpste,selbstverständlich geladen, fehlten. Sie suchten denDingen in Pisa durch eigene, freilich kläglich frequen-tierte Synoden in Perpignan und Cividale del Friulibei Aquileja zuvorzukommen, von wo Gregor verklei-

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7.339 Deschner Bd. 8, 176Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

det nach Gaeta floh, unter den Schutz von König La-dislaus.

Ihre Gegner aber schmiedeten eine Anklageschriftin 37 Artikeln, ließen 63 Zeugen aufmarschieren undsetzten beide Oberhäupter der Christenheit in derfünfzehnten Sitzung am 5. Juni als notorische Schis-matiker und Häretiker ab. Sie schlössen sie aus derKirche aus und präsentierten nach einem Konklaveam 26. Juni mit 14 Kardinälen der römischen, 10 deravignonesischen Obödienz einen neuen HeiligenVater, den Mailänder Kardinal Petros Philargos (Pie-tro di Candia/Kreta), jetzt Alexander V.

Da aber Gregor und Benedikt ihre Absetzung nichtannahmen, hatte man vermittels der schon lange ven-tilierten via concilii das Schisma nicht beseitigt, son-dern vergrößert, hatte man, so eine zeitgenössischeQuelle, statt der »verruchten Zweiheit« (dualitateminfamem) eine »von allen verfluchte Dreiheit« (trinita-tem ... ab omnibus maledictam), hatte man nicht einenPapst, nicht zwei Päpste, sondern drei, von denen einjeder den andern exkommunizierte. Denn jeder derbisherigen beanspruchte natürlich weiter, wenn auchmit stark geschrumpfter Obödienz, das legitimeHaupt zu sein, nicht anders als nun der Papa Pisa-nus.24

Alexander V. (1409–1410), nach sieben Jahrhun-derten wieder der erste griechische Papst, war aus-

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nahmsweise einfacher Herkunft, früh verwaist, Fran-ziskanerzögling, dann selbst Franziskaner mit theolo-gischer Lehrtätigkeit in Pavia und Paris. Gefördertvon Gian Galeazzo Visconti, wurde Petros Philargosnacheinander Bischof von Piacenza, Vicenza, Novaraund verschaffte dafür seinerseits dem Visconti beiKönig Wenzel 1395 die Investitur mit dem Herzog-tum Mailand (1397 Herzogstitel der Lombardei).1402 wurde Petros Philargos Erzbischof von Mai-land, 1405 durch Innozenz VII. Kardinal.

Zusammen mit Baldassare Cossa hatte er das Kon-zil von Pisa mit vorbereitet und dort eine führendeRolle gespielt; auch geschworen, im Falle seinerPapstwahl, für die sich Cossa stark gemacht, dasKonzil nicht aufzulösen, bis die Kirche reformiert sei.Doch hielt er den Eid nicht und vertagte die Refor-men. Schließlich hatte er Wichtigeres zu tun. Er stat-tete – seine erste Regierungshandlung – seine Günst-linge großzügig mit Bistümern aus, mit Benefizien,exkommunizierte alsbald König Ladislaus von Nea-pel und schickte dem päpstlichen Widerpart in Romunter Ludwig II. von Anjou, den er als König von Si-zilien investierte, und dem Kardinal Baldassare Cossavon Bologna ein Heer auf den Hals.

Nach der Einnahme des wiederholt gestürmtenRom residierte der Konzilspapst allerdings nicht dort,sondern, gedrängt von Cossa, in Bologna, wo der

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7.341 Deschner Bd. 8, 176Statt der verruchten Zweiheit eine verfluchte ...

Kardinal einen starken Einfluß auf ihn gewann, bisAlexander, durch eine Gesandtschaft nach Rom gela-den, am 3. Mai 1410, noch bevor er recht über dieOfferte nachdenken konnte, überraschend das Zeitli-che segnete – einem lauten, vielleicht aber eher un-wahren Gerücht zufolge von dem Kardinal vergiftet,der jedenfalls schon vierzehn Tage später sein Nach-folger war.25

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7.342 Deschner Bd. 8, 177Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

Papst Johann XXIII. »So werden Füchsegefangen«

Über die Jugend von Johann XXIII. (1410–1415,gest. 1419) ist wenig Stichhaltiges bekannt. Er ent-stammte verarmten neapolitanischem Adel und hatteseine Karriere als Krieger, manche meinen als Pirat,der Unterschied ist ohnedies gering, im Seekrieg zwi-schen Ladislaus von Neapel und Ludwig von Anjoubegonnen. Nach dem Studium der Rechte in Bolognawurde er durch Bonifaz IX. gefördert, an die Kuriegeholt und dort durch Wuchergeschäfte reich. 1402erhob ihn der Papst zum Kardinallegaten in Bologna,wo er ebenso durch brutale Herrschsucht wie stupen-de Geilheit berüchtigt war, nicht nur die Frau seinesBruders, sondern auch Witwen, Jungfrauen und Ehe-frauen reihenweise begattet haben soll, deren einigedann angeblich durch ihre Männer oder Verwandtenumgebracht worden sind, ohne daß dies den Kardinalbeeindruckt hätte.26

Trotz des mehr oder weniger vagen Verdachts,Mörder zweier Päpste zu sein, wurde der so arglistigewie skrupellose, bisher noch nicht mal zum Priestergeweihte Cossa, von dem die Zeitgenossen überdiesglaubten, daß er vordem nie gebeichtet, nie dasAbendmahl empfangen habe und die UnsterblichkeitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.343 Deschner Bd. 8, 178Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

der Seele leugne, durch das Bologneser Konklave1410 einstimmig Papst.

Vieles half dabei mit. Er unterließ nicht, »seineKollegen mit allen Mitteln, die ihm seine Stellungbot, zu bearbeiten. An geldgierigen und bestechlichenElementen fehlte es im Kolleg nicht. Und so werdenStröme von Geld geflossen und Belohnungen jederArt ohne Maß versprochen worden sein, um die Stim-men der Wähler zu erkaufen!« Auch die Furcht vorihm spielte eine Rolle und ließ selbst die Widerspen-stigen kapitulieren. »Denn sie wußten, draußen harrteeine Menge, die Cossas Wahl ungestüm verlangte, dieKampfgenossen und Spießgesellen des Kardinals be-wachten als Konklavehüter den Zugang ... Es bedurftenur eines Winkes vom Balkon des Hauses, von wo eroft seine Todesurteile hatte verkünden lassen, und einSturm brach los, der ihnen allen Tod und Verderbenbringen mußte« (Souchon).

Aber auch die Erwartungen, die man in seine mili-tärischen Talente setzte, wirkten sich aus. Denn imBunde mit Ludwig von Anjou zog man weiter gegenKönig Ladislaus, den Beschützer Gregors XII. ImApril 1411 führte Cossa ein Heer, mit Kirchengeldernaufgerüstet, nach Rom, und trotz eines mit vom Papstgeweihten Fahnen, mit 12000 Reitern und vielemFußvolk errungenen, doch nicht ausgenutzten großenSieges bei Roccasecca am 19. Mai 1411 wurde der

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7.344 Deschner Bd. 8, 178Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

Vorstoß gegen Ladislaus ein Mißerfolg. Zwar ließPapst Johann die erbeuteten Fahnen des Königs vonNeapel und Papst Gregors wie berauscht auf St. Peterhissen, hinabstürzen und bei einer Prozession durchRom im Straßenstaub hinter sich herschleifen; zwarexkommunizierte er Ladislaus abermals und predigtedas Kreuz gegen ihn; zwar ließ er aufmüpfige Römerdurch Strang und Beil töten, geriet aber dennoch indie Enge und war nun bereit, Ludwig von Anjou zuverraten, wenn König Ladislaus Papst Gregor verriet.»Er erbot sich, ihn als König anzuerkennen, ihn zumBannerträger der Kirche zu machen, ihm für die Frei-lassung der Cossa, seiner Verwandten, große Sum-men zu zahlen und Ascoli, Viterbo, Perugia und Be-nevent als Pfänder zu überliefern. Dafür sollte Ladis-laus ihn selbst als Papst anerkennen, tausend Lanzenin den Dienst der Kirche stellen und Gregor XII. zurAbdankung bewegen oder doch aus dem Königreichverbannen« (Gregorovius).27

Der schmähliche Handel kam wirklich zustande,wenn Ladislaus auch bloß zum Schein darauf einging,nun Gregor XII. für unrechtmäßig, für einen »Ketzer«erklärte und Johann XXIII. als rechtmäßig. In Wirk-lichkeit aber brannte er auf Rache gegenüber einemPapst, der ihn fast vernichtet hatte. Er zog im Sommer1413 erneut gegen Rom, wo seine Soldaten barba-risch hausten, wo sie brandschatzten, Kirchen aus-

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7.345 Deschner Bd. 8, 179Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

raubten, mit Frauen besoffen aus geweihten Kelchenzechten und St. Peter zum Pferdestall machten. Undindes Papst Johann mit seinem Hof Hals über Kopffloh, vom Feind verfolgt, von den eigenen Knechtengeplündert, indes der König im Lateran hauste, kon-fiszierte und viele Römer gefangen fortschleppen ließ,feierte das römische Volk Feste und schrie: »Es lebeKönig Ladislaus.«

Freilich sollte er nicht mehr lange leben.Während Johann XXIII. und Gregor XII. durch Ita-

lien irrten, während sie da und dort Asyl fanden, Jo-hann in Florenz, Gregor nach besonders abenteuerli-cher Flucht in Rimini bei Carlo Malatesta, der auchnach dem Schisma noch intensiv im Dienst des Papst-tums stand, stieß der Neapolitaner, der insgeheim sichganz Italien zu unterwerfen suchte, mit Heeresmachtnach Norden vor, kam bis Perugia und wurde von denFlorentinern gestoppt.

Angeblich durch Exzesse erschöpft, erkrankte erschwer, gelangte auf einer Sänfte nach Rom, von dortzu Schiff nach Neapel, wo er am 6. August 1414 imCastel Nuovo unter fürchterlichen Qualen starb; be-erbt von seiner einzigen Schwester Johanna, einerschönen, lebensgierigen Frau, deren von Schuld undLeidenschaften geschütteltes Dasein etwas dem ihrergleichnamigen Vorgängerin glich (S. 16 f.). Die Flo-rentiner feierten den Tod des Königs mit großen Fe-

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7.346 Deschner Bd. 8, 179Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

sten, das Concistoro von Siena mit Psalm 118,23:»Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vorunsern Augen.«28

Papst Johann aber, durch die Attacke des Vertrags-brüchigen Neapolitaners in Bedrängnis geraten, hattesich inzwischen an den deutschen König um Hilfe ge-wandt, forderte jedoch jetzt auch Ludwig von Anjouauf, das neapolitanische Reich mit Waffengewalt zugewinnen.

Sigismund (1410–1437), der letzte Luxemburgerin männlicher Linie, war der Sohn Karls IV. und derjüngere Bruder Wenzels IV. (1363–1400, gest.1419), jenes böhmischen und römisch-deutschen Kö-nigs, der, sorgfältig erzogen, vielseitig gebildet undpolitisch wenig talentiert, was nicht gegen ihn spricht,es schließlich vorzog, mehr zu Prag oder auf seinengeliebten Burgen im Böhmerwald zu sitzen als dasReich zu regieren. 1410 von den rheinischen Kurfür-sten in Oberlahnstein als »unnützer« König abgesetzt(formal rechtswidrig und von ihm nie anerkannt),wurde sein ehrgeizigerer, fast schon altmodisch rings-um Kronen auf sein Haupt sammelnder Bruder Sigis-mund – seit 1387 König von Ungarn, nach dem TodKönig Ruprechts I. 1410 und des Gegenkönigs Jobstvon Mähren 1411, seines Vetters – zum römisch-deutschen König gekrönt (später kamen noch zweiKronen hinzu).

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7.347 Deschner Bd. 8, 180Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

Bald darauf vollbrachte Sigismund durch Beseiti-gung der Kirchenspaltung auf dem Konstanzer Kon-zil, so die Communis opinio, seine größte Leistung.Doch war dies wirklich ein historisches Verdienst?Oder wäre nicht ein endgültiger Kollaps des seit je sokorrupten wie überflüssigen Papsttums weit besser,eine wahre Wohltat für die Welt gewesen?29

Sigismund hatte sich zunächst, wie sein Vater undBruder, zu Gregor XII., zum römischen Papst be-kannt, wechselte aber 1409 zum Pisaner, zu Alexan-der V. und seinem Nachfolger Cossa über, offenbarweil Gregor nach seiner Absetzung in Pisa großeTeile seiner Obödienz verlor, Cossa aber mächtigerwurde.

Mit Johann XXIII. kontaktierte Sigismund sofort,wobei ihre Ansichten anscheinend am meisten überden Ort des Konzils auseinandergingen. Alles liegtam Ort, sagte der Papst zu seinem Geheimschreiber,wollte natürlich innerhalb seines Einflußbereichstagen und wünschte Bologna als Konferenzstadt.Doch Sigismund, der im ganzen Abendland für dasKonzil warb, besonders an England herantrat, anFrankreich, auch an den oströmischen Kaiser, hattesich schließlich für Konstanz entschieden, Papst Jo-hann mußte sich beugen und berief die Versammlungauf den 1. November nächsten Jahres ein; wobei aller-dings die Umstände der Konzilsberufung (Konvoka-

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7.348 Deschner Bd. 8, 180Papst Johann XXIII. »So werden Füchse ...

tionsbulle vom 9. Dezember 1413) nicht eindeutigsind. Weil Cossa aber nichts Gutes ahnte, am meistenSigismund selbst fürchtete, erkaufte er sich unter-wegs, in Meran, für 6000 Gulden Jahressold noch denBeistand des Herzogs Friedrich IV. von Österreich,den er mit der Bulle »Dum intuitus« vom 15. Oktober1414 zum Generalkapitän aller päpstlichen Truppenernannte, und meinte dann, gegen Ende des Monatsvon den Bergen zum Bodensee hinunterreichend: »Sowerden Füchse gefangen.«30

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7.349 Deschner Bd. 8, 181Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

Das Konzil von Konstanz (1414–1418)entmachtet drei Päpste

Zunächst nur schwach, bald jedoch außerordentlichzahlreich besucht, wurde das Konzil von Konstanz,trotz enormer internationaler Spannungen, trotz desHundertjährigen Krieges, trotz des großen Konfliktszwischen dem Deutschen Orden und Polen u.a., dergrößte Kongreß des gesamten Mittelalters. Auch vonItalien und Frankreich aus unschwer zu erreichen, warsozusagen alles vertreten, die Welt der Fürsten undGrafen, der Orden und Ritterorden, der Universitäten,der Diplomatie, der Gesandten von Königen undStädten, vor allem natürlich Schwärme von Kardinä-len, Erzbischöfen, Bischöfen, von Äbten und Dokto-ren der Theologie, insgesamt gegen siebenhundertklerikale Konzilsteilnehmer mit etwa 18000 Bedien-steten.

Nicht zu vergessen endlich über all dem geistli-chen, geistigen und aristokratischen Glanz das Wir-ken der so oft unterschlagenen, vom StadtchronistenUlrich Richental doch gleichfalls gewissenhaft regi-strierten siebenhundert öffentlichen Huren, ungerech-net jene, welche die Konzilsväter gleich selbst mitge-bracht. »Ich habe die Schwaben öfters sagen hören«,schrieb seinerzeit Jan Hus, »daß ihre Stadt KonstanzKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.350 Deschner Bd. 8, 182Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

in dreißig Jahren die Sünden nicht los wird, die wäh-rend des Konzils in ihren Mauern verübt wurden«;»viele haben ausgespuckt, weil sie gar zu schändlicheSachen gesehen«. Freilich füllten die gelb gekleidetenDamen sonntags bei der Heiligen Messe auch denOpferstock mit Münzen.31

Gregor XII. und Benedikt XIII. fehlten; die Ver-handlungen mit ihnen waren gescheitert. JohannsXXIII. trübe Ahnungen hatten nicht getrogen, brachteihn, der sich nun mehr als verus, unicus et indubitatuspontifex fühlte, das Konzil doch alsbald um seineMacht. Zwar konnte er es am 5. November 1414 nochfeierlich eröffnen und, zunächst als Oberhaupt durch-aus anerkannt, auch unbestritten leiten. Doch als anWeihnachten Sigismund selbst dazustieß, nahm die-ser, unterstützt von einigen einflußreichen Kardinälenund Theologen, dem Papst rasch das Heft aus derHand.

Dies geschah nicht nur durch die kluge Diplomatiedes überdurchschnittlich gebildeten Königs (er sprachaußer Deutsch, Tschechisch, Polnisch, Ungarischauch Französisch, Italienisch und Latein), sondernvielleicht mehr noch durch einen verfahrenstechni-schen Trick. Danach stimmten nicht mehr allein dieBischöfe ab, gab es überhaupt kein Stimmrecht wiebisher per capita, sondern per nationes: Jede Nationbekam, ohne Rücksicht auf ihre Mitgliedstärke, nur

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7.351 Deschner Bd. 8, 182Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

eine einzige Stimme; wie auch das Kardinalskolleginsgesamt nur eine Stimme hatte, was den Papst umeine gewisse Überlegenheit seines vielköpfigen, nochdurch Neuernennungen verstärkten italienischen An-hangs brachte. Zudem trat man immer mehr für diecessio omnium, die Abdankung aller drei amtierendenPäpste ein.

Johann sträubte sich anfangs zurückzutreten, wehr-te sich mit allen Mitteln, ließ es weder an Bestechun-gen noch an Beteuerungen fehlen, machte Verspre-chungen über Versprechungen, wollte lieber die rech-te Hand verlieren als sein Wort nicht halten, versi-cherte dann aber Anfang März: »Ich, Papst JohannXXIII., erkläre, verpflichte mich, gelobe und schwöreGott, der Kirche und dieser heiligen Synode, um desFriedens des ganzen christlichen Volkes willen, auseigenem freien Willen der Kirche den Frieden zugeben durch meinen einfachen Verzicht auf das Papst-tum, ihn tatsächlich zu vollziehen und auszuführengemäß dem Ratschlag des gegenwärtigen Konzils,wenn und sobald Peter von Luna und Angelo Correrder von ihnen beanspruchten päpstlichen Würde, seies in eigener Person oder durch Bevollmächtigte, ent-sagen.«32

Man sang schon ein Tedeum, läutete alle Glockenvon Konstanz; der Monarch dankte Johann, ließ aberdie Stadttore bewachen, obwohl oder weil dieser hoch

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7.352 Deschner Bd. 8, 183Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

und heilig schwor, den Ort nicht zu verlassen. Dochfühlte er sich Pressionen ausgesetzt, in seiner Freiheit,seiner Sicherheit nicht zu Unrecht bedroht und ent-wich in der Nacht vom 20. auf den 21. März als Stall-knecht verkleidet nach Schaffhausen in ein SchloßHerzog Friedrichs von Österreich, wohin ihm wenigeTage darauf auch acht Kardinäle und viele Kurialefolgten. Jetzt ächtete König Sigismund den Österrei-cher, dessen Land die Eidgenossen, offensichtlichwohlinformiert und gut vorbereitet, mit Krieg überzo-gen, so daß er den Papst nicht mehr zu schützen ver-mochte.

Johann hatte durch seinen Ausbruch die Kirchen-union zu hintertreiben, das Konzil zu sprengen, esentweder anderwärts zu lokalisieren oder ganz aufzu-lösen gesucht. Das mißlang völlig. Vielmehr provo-zierte er es zu einer revolutionären Lehrentscheidung,dem Dekret »Haec sancta« vom 6. April 1415, dasdie Oberhoheit des Konzils über den Papst verkünde-te in Fragen der Kirchenspaltung, der Kirchenreformund des Glaubens.

Konziliare Ideen hatten schon vordem Theologenwie Marsilius von Padua oder Wilhelm von Ockhamentwickelt, und während des Abendländischen Schis-mas propagierten Konrad von Gelnhausen, Dietrichvon Münster, Dietrich von Niehm, Jean de Gersonu.a. die Demokratisierung der Kirchenverfassung und

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7.353 Deschner Bd. 8, 183Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

das allgemeine Konzil als höhere Institution, eine Artparlamentarischer Kontrollinstanz gegenüber demPapst.

Dagegen schuldet dieser nach konservativen Kir-chenkreisen dem Konzil keine Rechenschaft, ist seineprimatiale Stellung grundsätzlich unerschütterbar, er-kennt man hier in dem Dekret »Haec sancta« keinenVerfassungs- oder Traditionsbruch, sondern sieht diehöchste Autorität dem Konzil nur zugebilligt in einemmit Konstanz vergleichbaren Fall. Die Sache wurdeschon bald auf dem Konzil von Basel (S. 223 ff.) wie-der spruchreif, wurde sogar radikaler neu belebt undist bis heute umstritten.

Johann erklärte auf der Flucht, Konstanz nur ausgesundheitlichen Gründen verlassen zu haben, waraber auch voller Klagen über die konziliaren Verhält-nisse und voller neuer Beteuerungen, seine Zusagenzu halten. Er floh weiter, von keinem Kardinal beglei-tet, nach Freiburg, wurde vom Pfalzgrafen LudwigIII., Herzog von Bayern, Ende April in Breisach ein-gefangen und dann in Konstanz einem Prozeß unter-worfen.

Man besaß dort seit Februar 1415 ein obskuresVerzeichnis aller Schandtaten, die man ihm zu Rechtoder Unrecht vorwarf, einen mit Geld erkauften Auf-stieg, ungemeine Mißwirtschaft, Vergeudung des Kir-chengutes, sexuelle Laster jeder Menge und Sorte.

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7.354 Deschner Bd. 8, 184Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

Die Liste umfaßte 72 Punkte seiner Crimina, ja, ur-sprünglich hatte man noch mehr aufgezeichnet, eswurde aber, wie es hieß, »der Ehre des apostolischenStuhles halber« ignoriert.

Vertraut man den Aussagen der Zeugen, das heißteinem Dutzend Kardinälen, einem halben DutzendBischöfen, Kurialen, alle selber, wohlgemerkt, nichtsehr viel besser, so war Johann XXIII. infolge Beste-chung Kardinal und Papst geworden, hatte sich kolos-sal bereichert durch Verkauf von Kirchenwerten,durch Simonie, Ablaßmanipulationen. Noch kurz vorseiner Absetzung war Johann XXIII. so vermögend,daß er König Sigismund ein Bestechungsgeld von100000 Goldgulden anbieten konnte. Den erwähntenZeugen zufolge hatte der Papst seinen Vorgänger Ale-xander vergiftet, wahrscheinlich schon dessen Vor-gänger Innozenz. Er hatte Ehebruch mit der Frau sei-nes Bruders getrieben, hatte die Schwester des Kardi-nals von Neapel als Konkubine, hatte auch häufig derHomosexualität gefrönt, einen seiner Lieblinge durcheine Abtei belohnt etc. Ein Zeitgenosse schrieb auch,daß man sich öffentlich in Bologna erzählte, er habe»im ersten Jahr seines Pontifikates gegen zweihundertverheiratete Frauen, Witwen, Jungfrauen und sehrviele Nonnen verführt«.

Wie auch immer, am 27. Mai präsentierte man ihm54 Anklagepunkte, ließ aber, angeblich um die Ohren

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7.355 Deschner Bd. 8, 184Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

der doch reichlich abgebrühten Konzilsväter zu scho-nen, viele weitere, seine Lebensweise betreffende,weil allzu dreckig, fallen. »Multi articuli, quia nimissordidi erant, omissi.«33

Papst Johann war inzwischen gänzlich zusammen-gebrochen, wollte sich nicht verteidigen, der heiligenunfehlbaren Versammlung auf keinen Fall widerspre-chen. Ende Mai überreichte ihm eine Konzilsdeputati-on seine Absetzungssentenz. Er erbat zwei StundenBedenkzeit, unterwarf sich danach und wurde einstim-mig aus dem Amt gestoßen wegen »unwürdigen Le-bens, notorischer Simonie, Unverbesserlichkeit,schlechter Kirchenleitung, Förderung des Schismasund vieler der Kirche gegebenen Ärgernisse«. Das be-sagt: Johann XXIII. war ein ehr- und würdeloser,doch kein unrechtmäßiger Papst. Und trotz aller Indi-gnität: Nachdem Cossa noch vier Jahre als HäftlingLudwigs III. von Bayern auf Burg Hausen (bei Mann-heim) gesessen und sich 1419 für eine Riesensummelosgekauft hatte, ernannte ihn – so würdig war erschon wieder – Martin V. zum Kardinalbischof vonTusculum, kurz bevor er unter dem vom dankbarenBankhaus Medici gestifteten, von Donatello und Ba-telomeo di Michelozzo gefertigten pompösen Grab-mal – mit päpstlichen Insignien – für immer ver-schwand.

Anfang Juli 1415 ließ auch Gregor XII. durch sei-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.356 Deschner Bd. 8, 185Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

nen Prokurator Carlo Malatesta seinen Rücktritt er-klären und wurde zum Kardinalbischof von Porto aufLebenszeit bestellt, die indes auch nicht mehr langdauerte.

Nur der mittlerweile in Spanien lebende BenediktXIII., dessen Beichtvater, Berater und vehementerAgitator bekanntlich ein Heiliger war, Vicente Ferrer(S. 162), blieb weiterhin felsenfest von seiner papalenRechtmäßigkeit überzeugt, und deshalb selbst derhöchstpersönlich in den Süden, nach Narbonne, gerei-ste Sigismund auch ohne Erfolg. Die spanischen Kö-nigreiche Aragón, Navarra und Kastilien (später nochSchottland) verließen Benedikt allerdings – und keinanderer als der hl. Vicente Ferrer hat die feierlicheAufkündigung der Obödienz gegenüber seinemFreund Benedikt am 6. Januar 1416 in Perpignan öf-fentlich lang und breit verkündet und begründet undsich nach der Wahl Martins V. (1417) natürlich zudiesem bekannt.

Benedikt XIII. saß seit 1415 mit wenigen Getreuenam Nordende des Golfes von Valencia auf der unein-nehmbaren Festung Peñiscola über dem Meer, versi-cherte, die wahre Kirche, die Arche Noah zu sein, undwurde am 26. Juli 1417 in Konstanz nach einem Pro-zeß mit 90 Anklagepunkten als eidbrüchig, als Schis-matiker und notorischer »Ketzer« für abgesetzt er-klärt. Es erschütterte de Luna nicht. Er hielt sich bis

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zuletzt für den einzig legitimen Papst, ernannte 1422noch vier Kardinäle und starb am 23. Mai des folgen-den Jahres. Auch bei ihm munkelte man von Mord.Doch soll der Kardinal Adimari zugesprochene Ver-giftungsversuch »wohl Legende« sein. De LunasReste wurden 1429 in sein Familienschloß Illuecaüberführt und 1811 von französischer Soldateska inalle Winde zerstreut, ausgenommen der Schädel.34

Auch wenn Benedikt XIII in Papst Clemens VIII.(1423 Wahl, 1426 Krönung, 1429 Abdankung) nocheinen Nachfolger bekam, das aragonische Restschis-ma hatte seit der Absetzung Johanns und derResignation Gregors sowie der Wahl Papst MartinsV. am 11. November 1417 seine Bedeutung verlorenund damit das Konzil eines seiner drei Ziele, diecausa unionis, die Beseitigung der Spaltung, die Kir-chenvereinigung erreicht.

Ein weiteres wichtiges Ziel dagegen, die causa re-formationis, die Kirchenreform, blieb, trotz einigerAnsätze des neuen, nun so gut wie allgemein aner-kannten Kirchenhauptes, weithin auf der Strecke.Denn die Prälaten, denen es glänzend ging, die inihren fetten Pfründen schwammen, »stinkende Men-schenkadaver« schimpfte sie seinerzeit ein Theologe,hatten, Ausnahmen beiseite, doch gar kein Interessedaran. Gegen das Wort Reform – kein Einwand. Abergegen die Sache. Je länger die Versammlung dauerte,

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7.358 Deschner Bd. 8, 186Das Konzil von Konstanz (1414–1418) ...

desto mehr versandete sie. Am Ende des Jahres 1415klagten die Deutschen, daß alle Mißbräuche, derent-wegen man Papst Johann abgesetzt, noch florierten,»und die Synode unterlasse es, sie zu verdammen«.Auch im ganzen nächsten Jahr geschah diesbezüglichnichts.

Einem dritten Ziel aber, der causa fidei, der Sachedes Glaubens, wurde man wenigstens insofern ge-recht, als das ehrwürdige Konzil, das man, so dasHandbuch der Kirchengeschichte, »kaum überschät-zen« könne »für die Ausbreitung des Humanismus«,auch zwei Menschen verbrannte, bedeutende Men-schen, bekennende Christen.35

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7.359 Deschner Bd. 8, 1876. Kapitel

6. Kapitel

Jan Hus und die Hussitenkriege

»Darum, treuer Christ, suche die Wahrheit, höredie Wahrheit, lerne die Wahrheit, liebe dieWahrheit, sage die Wahrheit, halte die Wahr-heit, verteidige die Wahrheit bis zum Tod.«

Jan Hus1

»Hus sprach die Not seiner Hörer aus dem ge-meinen Volk an und bezog mit aller Brisanz dasbiblische Nein und Ja auf ihre soziale Situation.Der Widerstand der Opponenten wurde sicherdurch diese soziale Komponente der hussiti-schen Predigt verschärft. Die Nachfolger vonHus – vor allem der revolutionäre Prager Prie-ster Jan Želivský und die Taboriten – entfaltetendiese Akzente zu einem revolutionären Pro-gramm. Sie gingen dabei in manchem über Hushinaus: in der Erkenntnis, daß die WahrheitGottes verpflichtende soziale Folgen hat, dach-ten und handelten sie jedoch im Geiste vonHus.«

Jan Milič Lochman2

»Erst, da Hus fort war, wurden seine Gedankeneigentlich lebendig.«

Leopold von Ranke3Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.360 Deschner Bd. 8, 1876. Kapitel

»Am Ende überwuchert das Soldatische oder –als traurige Wirklichkeit richtiger – die Solda-teska alles. Unter ihren Schlägen verschärft sichdie soziale Ungerechtigkeit, denn es leiden dieAusgebeuteten immer noch mehr als die Aus-beuter. Die Misere der Plünderungskriege, wiesie in dieser Zeit und in den nächsten Jahrhun-derten immer mehr in Übung kamen, schuf nochwirksamer jenes Massenelend der Besitz- undRechtlosen, als es Klassengegensätze je herbei-führen konnten – und das zu beheben die hussi-tische Bewegung ausgezogen war. Das Endewar ein Trümmerhaufen mitten in Europa, einVorgeschmack auf die Massenzerstörungen desDreißigjährigen Krieges.«

Heinz Rieder4

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7.361 Deschner Bd. 8, 1896. Kapitel

Schon unter Karl IV. waren in Böhmen namhafte Re-formprediger aufgetreten, die sich wieder an derNachfolge des biblischen Jesus orientierten. Ja, derKaiser selbst, Verfolger doch der deutschen Walden-ser im Land, berief den populären österreichischenAugustinerchorherrn Konrad von Waldhausen (Wald-hauser), der seit 1350 vor allem in Wien gewirkt,1363 nach Prag, mit etwa 40000 Einwohnern eine dergrößten Städte Mitteleuropas. Und auch hier, wo erkaiserlicher Hofkaplan und Pfarrer an der vornehmenTeinkirche wurde, predigte er mit nachhaltigem Er-folg, hatte aber auch außerhalb Prags und Böhmens,im Bistum Salzburg etwa, in Erfurt, großen Zulau f.Waldhauser trat für umfassende Kirchenreformen ein,geißelte den Sittenverfall, den Luxus der Reichen, dieGeldgier der Bettelorden, bis man ihm 1368 wegen»Ketzerei« den Prozeß machte, in dessen Verlauf er1369 starb.5

Waldhausers Tätigkeit setzte Jan Milič von Krem-sier, sein tschechischer Schüler, fort, er aber, im Un-terschied zum Lehrer, tschechisch predigend. Ausmährischem Kleinadel, aus der königlichen Kanzlei inPrag, dem dortigen Domkapitel kommend, gab Miličum 1364 all seine Ämter auf und gründete das »NeueJerusalem«, eine Predigerschule sowie ein Missions-haus für bekehrte Prager Dirnen. Er lebte asketisch,

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7.362 Deschner Bd. 8, 1906. Kapitel

mied Frauen, trug stets dasselbe und badete, wie vielemittelalterliche Mönche, nie. Als stark adventistischgeprägter Bußprediger verkündete er die baldige An-kunft, ja schon die Gegenwart des Antichrist, als dener einmal, mit den Finger auf ihn zeigend, den seinerHomilie lauschenden Kaiser vorstellte. Zeitweilig ein-gekerkert, predigte er weiter, wurde dreimal an denpäpstlichen Hof befohlen, geriet in Rom in die Fängeder Inquisition und bekam in Prag wegen seiner Kir-chen-, seiner Kleruskritik einen »Ketzer«-Prozeß,während dessen er 1374 in Avignon starb.

Ein Schüler wieder von Milič war der in Paris aus-gebildete Prager Titulardomherr und Pönitentiar Mat-thias von Janov (gest. 1394). Im Unterschied zuMilič, den er verehrte und bewunderte, lebte er nichtarm, suchte den persönlichen Erfolg, betonte aber,wie Milič, das eschatologische Thema. Er forderte,ein zentrales Motiv, den Vorrang des Evangeliumsgegenüber allen Kirchensatzungen, die tägliche Lai-enkommunion, bereitete besonders den Boden für dieRezeption Wyclifs in Böhmen und wirkte auch starkauf die spätere hussitische Bewegung.6

Die heftige Reformdebatte herausragender religiö-ser Nonkonformisten wurde um die Jahrhundertwendedurch zahlreiche Prager Theologen intensiviert, diesich eingehend mit der Lehre John Wyclifs (S. 149 f.)auseinandersetzten, der im radikalen Rückgriff auf die

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7.363 Deschner Bd. 8, 191Ein Reformator entflammt Böhmen

Bibel einen armen Klerus forderte, was natürlich dieZustimmung vieler fand. Und aus all diesen, auch so-zialkritischen Tendenzen (zu denen später noch ur-sprünglich nicht gegebene nationale Implikationenkamen, der Auszug der deutschen Magister und Stu-denten, wenigstens die Hälfte der Universitätsmitglie-der, aus der Universität) erwuchs so eine Art Reform-bewegung, deren Sprecher der Universitätsmagisterund, seit 1402, Rektor des dreitausend Menschen fas-senden Predigthauses »Zu den unschuldigen KindernBethlehems«, Jan Hus, geworden ist.7

Ein Reformator entflammt Böhmen

Jan Hus (Johann von Hussinetz) entstammte armenVerhältnissen und hatte auch stets Verständnis für so-genannte einfache Leute, zu seiner Zeit immer noch90 Prozent der Bevölkerung. Sollte ja auch, so Hus,der Priester arm sein, wie Jesus arm war, dem ernachfolgen müsse.

Um 1370 in Husinec, am Fuß des Böhmerwalds,unweit der Moldauquellen geboren, kam der Bauern-sohn etwa 1389 – das Jahr, in dem man im christli-chem Prag an einem Tag 3000 Juden abstach (vgl.VII 12. Kap.) – in die Stadt. Er studierte Philosophie,wurde 1396 Magister artium, trieb seit 1398 Theolo-

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7.364 Deschner Bd. 8, 191Ein Reformator entflammt Böhmen

gie, hielt jetzt auch Vorlesungen, wurde 1400 Prie-ster, 1401 Dekan seiner Fakultät, 1402 Prediger undRektor der Bethlehemkapelle, in der er ein Jahrzehntlang jährlich zweihundert Predigten und mehr gehal-ten haben soll, wurde 1409 Rektor der Universität,die seinerzeit die höchsten Immatrikulationszahlenunter den europäischen Universitäten aufwies. Somiteine glänzende Karriere des Mannes, der an JanMilič, Matthias von Janov anknüpfte, auch an ihreÜberzeugung vom nahen Weltende, der aber beson-ders dem englischen Reformator folgte, dessen Trak-tate er (1398) abschrieb, von dem er, damals durchausüblich, viel übernahm, ohne freilich Epigone Wyclifszu sein.

An Deutlichkeit ließ es Hus, der allerdings kaumeinen Hierarchen namentlich nannte, von früh an nichtfehlen. Unerschrocken ruft er, daß die Päpste vieleTausende bedrücken, daß sie »gewiß lügen, und sielügen auch ausgiebig«, daß sie »sich zu Henkern undScharfrichtern ausgebildet; einen treuen Christen hei-ßen sie einen Ketzer und verbrennen ihn«.

König Wenzel sympathisierte anfangs mit den Re-formbestrebungen von Hus, schätzte auch seine natio-nalböhmische Hochschulpolitik, überhaupt sein glü-hendes Tschechen- und Slawentum. Die Königin, So-phie von Wittelsbach, hörte manchmal seine Predig-ten. Der hochadlige Prager Erzbischof Zbyněk Zajic

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von Hasenburg (1403–14 n), beim Amtsantritt aucherst 26 Jahre alt, ermöglichte ihm Synodalpredigtensowie Auftritte vor anderen wichtigen Gremien. Unddem Adel konnte, da Hus die Grundprinzipien derStändeordnung nicht in Frage stellte, seine harscheKritik am Reichtum der Priester, an ihrer Habgier,ihrem Luxus, Hochmut, konnte sein Insistieren aufder Säkularisierung der Kirchengüter nur willkommensein. Auch verfehlte sein Vorwurf, der Klerus kassiereein Viertel oder ein Drittel aller Einkünfte des König-reichs, kaum die Realität. Im nordöstlichen Böhmenzwar besaß die Kirche um 1400 nur 10 Prozent desGrundeigentums, im Pilsner Raum aber 36,9 Prozent,im Prager Raum 53,6 Prozent, insgesamt mehr als einDrittel des Bodens.8

Hus, einmal »evangelicus doctor« genannt, erinnertimmer wieder an die Bibel. Etwa an das Wort: »Um-sonst habt ihr empfangen, umsonst gebt es auch.«Oder an Matthäus 19,21: »Willst du vollkommensein, so gehe hin, verkaufe dein Hab und Gut und gib(den Erlös) den Armen ...« Doch wie stand es inWirklichkeit? Hus sagt es. »Man zahlt für die Beich-te, die Messe, für die Sakramente, für den Ablaß, denSegen, das Begräbnis, für Gebete. Auch der allerletzteHeller, den sich ein Großmütterchen in einem Tüch-lein versteckt hat, bleibt ihr nicht. Es nimmt ihn aberder diebische Pfarrer ...« Hus brandmarkt die Dom-

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herren, die »faulen Meßstecher«, die kaum das Endedes Gottesdienstes abwarten können, hinaus in dieWirtshäuser eilen, zu Tanzereien, »wie wilde Tiere«hinter dem Mammon, dem Wucher, der Unzucht, derVöllerei her – »die größten Feinde unseres Herrn JesuChristi.«9

Hus geißelt das profitable Geschäft mit mirakelrei-chen Reliquien, das »Übel« der Bettelmönche, die»durch vorgebliche Wunder« und »lügenhafte Vor-spiegelungen« das Volk ausbeuten, die Erde, aus derAdam gebildet, Stroh aus dem Stall von Bethlehemfeilbieten, Eselsmist, Wasser vom Jordan, Manna ausder Wüste, Haare vom Fell des Täufers, vom BartJesu, Locken der Jungfrau Maria, ihr Ohrenschmalz,ihre Milch. Oder die Geld scheffeln durch drei blutro-te Hostien in Wilsnack (Havelland), wo die Pilger zuTausenden von Ungarn bis Schweden und Norwegenherströmen, erwiesenermaßen Lug und Trug, »nichtsals Täuschung«.

Hus agitiert wider die Bischöfe, Prälaten, »die Teu-felsherrn« und ihre großen Güter. »Mögen sie dochnachweisen, wo Christus der Herr sie zu Besitz undHerrschaft über dieses Gut berufen hat!« Ist aber »beieiner Kirche kein Gut, so findet man auch keinenPfaffen«.

Gerade die Kritik am weltlichen Besitz, an denHerrschaftsrechten der Kirche mißfällt dem Erzbi-

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schof begreiflicherweise. Und ebenso mißfällt ihm diezunehmende Vorliebe für John Wycli f. 1406 verbie-tet er dessen Lehre. 1408 – das Jahr, in dem der erstebezeugte Angriff auf Hus erfolgt, und zwar durch denPrager Pfarrklerus, der sich ganz offensichtlich in sei-ner materiellen Existenz durch Hus bedroht sieht –1408 befiehlt der Erzbischof die Abgabe von WyclifsSchriften und läßt sie am 16. Juli 1410 im erzbischöf-lichen Hof im Beisein vieler Priester, entgegen einemköniglichen Aufschubbefehl, verbrennen. Man sangein Tedeum dazu, und alle Glocken läuteten wie fürVerstorbene. Zwei Tage später wurde Hus samt Ge-nossen gebannt, exkommuniziert auch jeder, der Wy-clifs Werke nicht abgeliefert.

Doch riß man sich nach dem Vernichtungsakt erstrecht darum. Peitschte im übrigen Hus-Anhänger ineinem Gewölbe des erzbischöflichen Hofes, mißhan-delte aber auch Hus-Gegner. Noch in den Kirchenkam es zu fatalen Szenen. Mit gezückten Schwerternstürzte man auf einen Prediger, und Kleriker flohendutzendweise, sogar mitten in der Messe, von den Al-tären, wie einmal der Erzbischof selbst mit vierzigPriestern.

In Verkennung der Lage appellierte der überhauptvon Optimismus erfüllte Hus wegen Bücherverbren-nung und Predigtverbot an den Papst. Und hatteschon Innozenz VII. 1405 das Einschreiten gegen die

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Verbreitung von Wyclifs Lehre in Böhmen gefordert,so empfahl nun Johann XXIII. (der den Husprozeß inverschiedene Hände legte, auch in seine eigenen)durch den Kardinal Oddo Colonna weiteres Vorgehendes Erzbischofs in Prag, notfalls mit Hilfe des weltli-chen Arms, was Gewaltanwendung hieß; andernfallswerde er selbst mit Exkommunikation bedroht.

Der Metropolit aber, ein folgsamer Diener seinesHerrn, wiederholte und verschärfte bald Hussens Ex-kommunikation. Und dies nebst weiterem verschärftewieder die Situation in der Stadt, die Wirren steiger-ten sich. Doch Hus, der, anders als sein Freund Hiero-nymus, nie zu den Radikalen zählte, der Sätze Wy-clifs nicht selten abgeschwächt, der die bestehendeGesellschaftsordnung, wie ja auch Wyclif, grundsätz-lich akzeptiert hat, wollte keine Zwangsmaßnahmen,keine Revolution. Und hatte der König schon vordemseine Bereitschaft erklärt, Anhänger der wyclifitischen»Ketzerei« verbrennen zu lassen, suchte Hus denKonflikt zu vermeiden.

Bereits früher war er auf keinen Konfrontationskursaus, hatte er sich als gehorsamer Sohn demütig demErzbischof unterworfen, seiner Unterweisung, seinemTadel, seinem Schutz, hatte er in einer Universitätsre-de wohl 1409 betont, Wyclif als Gelehrten zu be-trachten, dessen Bücher er wie andere studiert undviel Gutes daraus gelernt habe. »Aber für Glaubens-

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wahrheit halte er nicht, was ein Gelehrter schreibe.Glaubenswahrheit biete nur die Heilige Schrift. Er er-munterte die Studierenden zum Studium der SchriftenWiclifs; was sie in ihnen noch nicht verstünden, soll-ten sie zurückstellen für später; Ansichten, die demGlauben zuwider seien – solche fänden sich bei Wi-clif –, sollten sie weder verteidigen noch annehmen.Sie hätten sich dem Glauben zu unterwerfen.«10

Aber bald stieß Hus auf ein neues schweres Ärger-nis, das ihm der Papst selber gab.

Im Kampf gegen König Ladislaus von Neapel hatteJohann XXIII. am 9. September 1411 eine Kreuz-zugsbulle erlassen und darin nicht nur den Kriegern,nicht nur jenen, die auf eigene Kosten kämpften, denSündennachlaß (venia peccatorum) versprochen, son-dern sogar allen, die für den Kreuzzug bloß zahlten.Vielleicht hatte gerade dies Hus provoziert, der einstselbst sein letztes Geld für die Gewinnung eines Ab-lasses ausgegeben, nun freilich schon längst undgrundsätzlich gegen die Ablässe, die gesamte kirchli-che Ablaßlehre, aufgetreten war und in einer Predigtsich mokierte, weil Paulus den Korinthern bei seinerAlmosensammlung für die Jerusalemer Heiligen keineAblässe bewilligt habe.

Als man im Mai 1412 in Prag Kreuzzug undKreuzzugsablässe feierlich verkündete, wurden in dreigroßen Kirchen, darunter im Dom neben dem Veitsal-

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tar, drei Truhen aufgestellt, in die man gleich dasGeld für den Ablaßkauf war f. »Jetzt ist den Völkerndie höchste Gnade geworden! Jetzt steht der Himmeloffen!« posaunten die päpstlichen Geldeintreiber aus,»die geldgierigen Lehrer des Antichrist«, vom »Mam-monsteufel« inspiriert. Denn ein Blinder, donnerteHus, könne mit Händen greifen, daß es dem Papst nurum's Geld gehe, erwähne er doch das Gebet dabei mitkeiner Silbe; ganz beiseite, daß weder er noch diePriester wüßten, ob die Menschen, die den Ablaßkauften, wirklich bußfertig seien. Eine »Schande«,rief Hus, warf dem Papst »sträfliche Vermessenheit«vor, »schändlichste Simonie«, und die Leute sangenSpottverse, schmissen Scherben, Knochen und ver-faulte Fische in die Ablaßtruhen.

Auch fand sich im Juni auf dem Hradschin ineinem solchen Kasten ein Zettel mit vehementen At-tacken gegen die »Anhänger des Belial und des Mam-mon«, gegen den Papst, den »Antichrist«, nebst demSchlußsatz: »Man muß dem wahrhaftigen MagisterHus mehr glauben, als dem Prälaten, der betrügeri-schen Menge oder den Konkubinariern und Simoni-sten.« Hieronymus von Prag aber, im Unterschied zuHus berüchtigt für spektakuläre Aktionen, ließ stadt-bekannte Nutten, Kopien der Papstbulle um den Hals,durch die Straßen fahren und die Urkunden dann aufdem Viehmarkt (heute Karlsplatz) verbrennen.

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Gewiß erregte es Hus auch, vielleicht sogar mehr,daß der Stellvertreter Christi zum Blutvergießen auf-rief, daß er nicht, wie Hus äußert, das Pauluswort be-herzige, »Mein ist die Rache, ich werde vergelten«(Rom. 12,19), daß sich seine Bulle auch noch gegenChristen richtete, wobei Johann XXIII. den neapolita-nischen König freilich mit allen apostolischen Zun-genschlägen als blasphemischen, schismatischen, hä-retischen und meineidigen Majestätsverbrecher ab-kanzelt.11

Mit seiner Attacke auf Johann aber, den regieren-den Papst, hatte sich Hus offensichtlich übernommen.Gerade noch dominierende Instanz der böhmischenReformer, sah er sich auf einmal, Studenten und Teiledes Volkes ausgenommen, ziemlich isoliert, selbstvon Freunden verlassen. Die theologische Fakultätstand gegen ihn, auch der größte Teil des Pfarrklerus,ebenso das Domkapitel und der Erzbischof- seit demTod Zbyněks von Hasenburg im Herbst 1411 derDeutschmährer Albich, obwohl dieser, vor kurzemnoch verheiratet, mit Theologie nichts am Doktorhuthatte. Er war Doktor der Rechte und ein hervorragen-der Medizinwissenschaftler, auch Leibarzt Wenzels,der ihn als Erzbischof gewünscht, weshalb man denPapst mit 3600 Goldfloren bestochen. Doch wenigangezogen von den Prager Querelen und theologischüberfordert, wich der neue Kirchenfürst rasch in die

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7.372 Deschner Bd. 8, 196Ein Reformator entflammt Böhmen

Propstei Vyšehrad, den südlichen Stadtteil, aus, spä-ter nach Mähren und Breslau.

König Wenzel, infolge der allgemeinen Anerken-nung Sigismunds als römisch-deutscher König zurProtektion der Prager Reformbewegung politischnicht weiter motiviert, begünstigte nun nicht mehrHus; mit ihm erfolgte seinerzeit der Bruch, dann dieoffene Feindschaft. Wenzel hielt es lieber mit PapstJohann, der ihn als römischen König anerkannt hatteund vielleicht für eine Kaiserkrönung noch vonnötenwar. Animierte Wenzel doch selbst den polnischenMonarchen zur Förderung der päpstlichen Ablaßpro-fite und verbot um diese Zeit Schmähungen Johannsund Proteste gegen seine Bullen bei Todesstrafe. Alses zu Hinrichtungen kam, soll er geäußert haben:»Und wenn es tausend solche wären, geschehe ihnenwie jenen.«

Es gab Übergriffe auf beiden Seiten, darunter denSturm eines schwerbewaffneten Haufens, meist Deut-sche, auf die Bethlehemkapelle, wo Hus unentwegtwider den päpstlichen Ablaß wetterte und er, wie ermeinte, getötet worden wäre, hätte ihn sein Anhangnicht geschützt.

Ein paar »der lautesten Schreier«, wie ProtestantAlbert Hauck formuliert, drei junge Prager Handwer-ker, Martin Kridelko, Jan Hudec und Stašek Polak,die gegen die »verlogenen und falschen Ablässe« be-

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7.373 Deschner Bd. 8, 197Ein Reformator entflammt Böhmen

sonders eiferten, »Du lügst, Priester!« bei der Ablaß-verkündigung schrien, »Es ist alles Betrug!«, wurdenam 11. Juli hingerichtet, strikt entgegen den Abwiege-lungen der Ratsherren, derzeit lauter Deutsche, wie esin einer Quelle heißt, »und auch die Bewaffneten be-standen nur aus Deutschen«. Sie wurden hingerichtet,obwohl man Hus, der ihre Verurteilung ungerechtnannte, sich selbst beschuldigte – »Ich habe geraten,sich dem Ablaß zu widersetzen. Ich habe esgetan!« –, versprochen, kein Blut zu vergießen. Schonwenige Stunden später hat man die drei, noch bevorman wegen des großen Menschenauflaufs zur Richt-stätte gekommen war, unterwegs geköpft.

Obwohl Hus aber auch jetzt nicht völlig mit derHierarchie zu brechen suchte, sich sogar zurückzog,still verhielt, jedenfalls nach der Liquidierung der dreibald als »Märtyrer« gefeierten Männer, schwoll ihmdoch immer wieder der Kamm, erklärte er seine Wi-dersacher zu Komplizen des Antichrist, schimpfte erden Papst samt Magistern, Doktoren und Juristen dieMitarbeiter »dieser abscheulichen Bestie«, »die größ-ten Feinde Christi«, könnte doch auf Petri Stuhl auch»der Satan mit zwölf Teufeln« sitzen.12

Im Juli hatte die Kurie, da der Prager Papstanhang»nicht mit Geld gespart« (Renate Riemeck), abermalsden Kirchenbann über den »Ketzer« verhängt, im Ok-tober die Bannsentenz verschärft, wobei die Ausfüh-

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7.374 Deschner Bd. 8, 197Ein Reformator entflammt Böhmen

rung all der Verbote und Drohungen die gänzlicheAusstoßung des Gebannten aus jeder menschlichenGemeinschaft bedeutete: »Niemand dürfe, unter An-drohung des Interdikts an jedem Ort des Aufenthalts,Hus Speise oder Trank reichen, mit ihm sprechen, mitihm Käufe oder Verkäufe tätigen, ihm Nachtlager,Feuer oder Wasser anbieten. Alle Zuwiderhandelndenwürden mit dem gleichen Bann bedroht. Wenn Husoder seine Anhänger nicht innerhalb von weiteren 12Tagen die Absolution erlangen sollten, würde das In-terdikt, das Verbot sämtlicher kirchlicher Handlun-gen, in allen Städten, Dörfern und Burgen ausgerufen,in welchen sich Hus aufhalte ...«13

Der Papst befiehlt überdies, die Anhänger des»Ketzers« aus »ihrer Höhle«, der Bethlehemskapelle,zu vertreiben und den Ort der »Ketzerei« unverzüg-lich niederzureißen.

Hus ist unschlüssig. Er denkt nicht nur an sich,vielleicht nicht einmal in erster Linie. Er fürchtet auchdie Folgen des Interdikts für seine Gläubigen. »Ichweiß nicht, was ich tun soll«, bekennt er ratlos undhält sich von Oktober bis Dezember 1412 außerhalbvon Prag auf, verbreitet aber seine Reformvorstellun-gen weiter, insgeheim begünstigt durch den neuenErzbischof Konrad von Vechta, der »hinkende Deut-sche« genannt, der dann sogar zu den Hussiten über-tritt. Hus kommt wieder nach Prag, verschwindet, er

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7.375 Deschner Bd. 8, 197Ein Reformator entflammt Böhmen

kommt und geht, bis er von Anfang Juli 1413 bis zuseiner Reise nach Konstanz, länger als ein Jahr, unun-terbrochen unter dem Schutz einiger Adliger in Süd-böhmen lebt und arbeitet – »Ich predige in Städten,unter Burgen, auf dem Feld und im Wald« –, währender auf der kleinen Ziegenburg (Kozi hrádek) wohnt,dann bei einer adligen Witwe Anna von Mochov, voneinem Husgegner 1418 die »eifrigste Hussitin in ganzBöhmen« genannt, von Hus selbst merkwürdigerwei-se in seiner Korrespondenz niemals erwähnt. (Fastfühlt man sich etwas an die Flucht [356] von Kirchen-lehrer Athanasius erinnert und seinen allerdings lang-jährigen Unterschlupf bei einer zwanzigjährigenSchönheit: I 385 ff!)14

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7.376 Deschner Bd. 8, 198Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

Inzwischen bereitete man das Konzil von Konstanzvor, und König Sigismund, der »Konzilskaiser«,wünschte dringend die Teilnahme von Jan Hus, umderart die Religionswirren in Böhmen zu beenden unddas Land vom Häresieverdacht zu befreien.

Gleich mehrmals ließ Sigismund Hus auffordern,nach Konstanz zu kommen, im Frühjahr 1414 durchdie beiden tschechischen Ritter Jan von Chlum undWenzel von Dubá, rührige Hus-Anhänger, dann durchHeinrich Leffl, einen mit den Reformern sympathisie-renden Vertrauensmann König Wenzels. Ja, ein drit-ter Gesandter Sigismunds, Nikolaus von Jemniště,verhandelte mit Hus, berichtete vom guten Willen sei-nes Herrn, »die Sache zu einem löblichen Ende zubringen«. Und als endlich noch ein Brief des Königli-chen Notars Michael von Priest vom 8. Oktober Husdes Herrschers »lebhafte Freude über seine Entschei-dung, nach Konstanz zu kommen«, mitteilte, aucheinen königlichen Geleitbrief zu schicken versprachsamt einem Vertreter des Königs als königlichem Rei-sebegleiter »zur größeren Sicherheit«, da erreichte derBrief den Adressaten gar nicht mehr, da war Hus mitSigismunds Rittern Chlum und Dubá schon seit dem11. Oktober unterwegs, mit über dreißig Pferden und

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7.377 Deschner Bd. 8, 199Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

zwei Wagen. Schließlich stimmten beide Könige, derrömische wie der böhmische, darin überein, daß Hus,sollte das Konzil seine Lehre verurteilen und er sichnicht unterwerfen, unversehrt heimkehren könne. End-lich garantierte auch der Geleitbrief Sigismunds, derden »verehrten Magister Johannes Hus« unter seinesund des heiligen Reiches Schutz und Schirm stellte,Hussens freie Rückkehr.

Am 3. November 1414 erreichte Hus Konstanz,zwei Tage darauf eröffnete Papst Johann XXIII. dasKonzil.

Der Heilige Vater aber, der Hus zuvor gebannt undverurteilt hatte, versicherte ihn bei der Ankunft seinespersönlichen Schutzes, betonte, ihn nicht zu behin-dern, in keiner Weise, selbst, wie er sagte, »wenn ermeinen eigenen Bruder getötet hätte« – und ließ ihnnoch im selben Monat verhaften. Und der König, derihn immer wieder nach Konstanz geladen und nun,von dem Geleitbruch, der Gefangennahme Hussensunterrichtet, drohte, er werde ihn befreien, müsse erauch persönlich die Türen des Kerkers aufbrechen,der riet Hus alsbald, sich »total in die Gnade des hei-ligen Konzils zu ergeben«, bußfertig, nicht hartnäckigzu sein, sonst wüßten die Konzilsväter recht gut, wassie mit ihm machen müßten. Ja, er setzte hinzu: »Ichhabe ihnen gesagt, ich will keinen Häretiker verteidi-gen, im Gegenteil, einen hartnäckigen Ketzer würde

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7.378 Deschner Bd. 8, 199Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

ich selbst anzünden und verbrennen!«15

Noch Ende November wurde Hus unter dem gänz-lich aus der Luft gegriffenen Vorwand, er habe, ineinem Heuwagen versteckt, aus Konstanz zu fliehenversucht, eingesperrt, wurde er mundtot gemacht, waraber weder angehört noch überführt, noch verurteiltworden, vom Freien Geleit zu schweigen. Zunächstkam er kurz in die Wohnung eines dortigen Dom-herrn, dann in das Dominikanerkloster (einst vonHeinrich Seuse bewohnt) auf der Insel vor der Stadt,wo er in einer Zelle direkt neben der Kloake steckte(in quodam carcere iuxta latrinas). Danach brachteihn der Konstanzer Bischof in seine Burg Gottlieben,in einen kalten engen Raum im obersten Geschoß desTurmes. Dort lag Hus untertags gefesselt, nachts miteiner eisernen Handschelle in einem Holzkäfig ange-kettet und ständig von drei Bewaffneten bewacht.Wiederholt erkrankte der durch ein altes Leber- undGallenleiden Geschlagene schwer. Er bekam Kopf-und Steinschmerzen, Erstickungsanfälle, hohes Fie-ber, erbrach Blut. Man befürchtete schon dasSchlimmste; doch die päpstlichen Leibärzte sorgtendafür, daß der Gefangene, wie es hieß, »nicht auf sogewöhnliche Weise ums Leben käme«.16

Längst hatte die Konzilsarbeit begonnen. Zunächstdie so wichtige hinter den Kulissen; vor allem durcheinige aus Böhmen herbeigeeilte Gegner, wie durch

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den päpstlichen Prokurator Michael de Causis, durchJohann »den Eisernen«, den Haudegen und Bischofvon Leitomyšl, sowie den Theologen Stefan Páleč,früher einer von Hus' engsten Freunden, seit etwa1412 einer seiner ärgsten Feinde, auch Autor eines»Antihus«. Páleč vergoß Tränen im Kerker des Ex-Gefährten – und schickte ihn dann auf den Scheiter-haufen.

Man operierte mit Arglist, mit Sophistereien, durchSpitzel, Aushorcher, Inquisitoren, Sonderverhöre.Man beeinflußte einzelne, Kardinäle, Bischöfe, ein-zelne Theologen und Mönche. Man streute Gerüchteaus, Falschmeldungen, fälschte gelegentlich öffentli-che Anschläge, fälschte Hussens Korrespondenz,fälschte die Bibel. Man fing auch seine Post ab undverwendete sie gegen ihn. Und man arbeitete mit Be-stechungen. Vor Hussens Kerker erklärte Michael deCausis: »Mit Gottes Hilfe werden wir diesen Ketzerschnell verbrennen, viele Florenen habe ich schon sei-netwegen ausgegeben.«

Andererseits hatte noch im Spätsommer 1414 derPäpstliche Inquisitor in Prag, Bischof Nicolaus Con-demone, in Gegenwart mehrerer böhmischer Adligerund eines Notars, der dies beglaubigte, erklärt: »Mitdem Magister Hus bin ich oft und viel zusammenge-wesen, habe mit ihm gegessen und getrunken, seinePredigten gehört und viele Unterredungen über die

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7.380 Deschner Bd. 8, 200Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

Heilige Schrift mit ihm gehabt, aber niemals eine Ket-zerei bei ihm wahrgenommen; vielmehr habe ich ihnals einen rechtschaffenen und katholischen Mann er-kannt und nichts Irriges bei ihm bemerkt. Bis zurStunde hat ihm noch niemand eine Ketzerei nachge-wiesen; auch hat das niemand versucht, als er erst voreinigen Tagen bei der Kirchenversammlung im erzbi-schöflichen Palast durch öffentliche Maueranschlägedazu aufgefordert hatte.« Und ähnliches sagte seiner-zeit der Prager Erzbischof Konrad von Vechta aufeiner Priesterversammlung.17

Unerschütterlich stand in dieser finsteren, verheu-chelten Konzilswelt der böhmische Adlige Johannesvon Chlum zu Hus, wenn auch alles, was er tat, hin-tertrieben und nicht wirksam wurde. Doch gelangtenauch zwei tschechisch geschriebene Protestbriefe desmährischen Adels an den König sowie, gleichfalls andiesen und gleichfalls auf tschechisch, das feierlicheMemorandum einer großen Versammlung von Baro-nen, Rittern, Edelleuten am 12. Mai in Prag, versehenmit nicht weniger als 250 Siegeln der böhmisch-mäh-rischen Aristokratie, die empört ist über die Einkerke-rung des Magisters gegen Wahrheit und Recht.Schuldlos sei er verleumdet worden, mit ihm aberauch Böhmen und die »tschechische Zunge«. Undjetzt, heißt es, ist er »in deiner Macht und in deinerStadt gefangen, obwohl er deine Versprechen und Ge-

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7.381 Deschner Bd. 8, 201Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

leitbriefe hat!«Doch der König fürchtete die Kardinäle und hatte

sich längst, falls nicht von Anfang an, gegen Hus ent-schieden, hatte sich opportunistisch auf die Seite dergroßen Mehrheit geschlagen. Ebenso klug wie berech-nend, ebenso unzuverlässig wie ehrgeizig, wollte Si-gismund Retter der Kirche und der ganzen Christen-heit sein. Und er wollte Böhmen nicht als »Ketze«-Winkel gebrandmarkt sehen. So gab er Hus preis,zumal man, wie Eberhard Dracher, ein Augenzeuge,berichtet, so lange auf ihn eingeredet hatte, »daß ereinem der Ketzerei Verdächtigen sein Wort zu haltennicht verpflichtet sei, bis er es selber glaubte« – »unddo er iren ernst hertt, do ließ er es gut sin« und sichdurch die »Sache Hus und andere Kleinigkeiten«nicht irritieren.

An Neujahr 1415 gestattete er den Kardinälen inaller Form, mit Hus nach eigenem Ermessen zu ver-fahren. Er kapitulierte vollständig vor den zu Tausen-den versammelten Pfaffen. Er wollte, daß Hus ab-schwöre oder das Verhängnis seinen Lauf nehme, derHäretiker verbrannt werde. Bereits eine seiner Ketze-reien, äußerte er, reiche dazu. Ja, er forderte die Kar-dinäle auf, Hus zu mißtrauen, selbst wenn er widerrie-fe. Nach Böhmen zurückgekehrt, würde sich seineLehre auch über Polen und andere Länder verbreiten.

Viel zu spät erkannte Hus, vor dem Freien GeleitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.382 Deschner Bd. 8, 202Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

des Königs schon in Böhmen dringend gewarnt, inseinem, wie er lange meinte, »gütigen Wohltäter undstarken Beschützer«, den Gegner. Er erinnerte sichnun eines Königsboten, des Herrn Mikeš Divoky, derihm einst auf Burg Krakovec in Sigismunds Namensicheres Geleit und ein gutes Ende versprochen, dochdem Auftrag Sigismunds selbst mißtrauend von sichaus hinzugefügt: »Wisse für gewiß, Magister, daß duverdammt werden wirst!« Zu spät erkannte er, »daßMikeš die Absichten des Königs nur zu gut durch-schaut hatte«. Ja, er glaubte schließlich, der Herrscherhabe ihn von Anfang an getäuscht. »Ich nehme an«,schreibt er an Chlum und Dubá, »dies ist mein letzterBrief an Euch, weil ich morgen in Hoffnung auf JesusChristus durch einen schrecklichen Tod von meinenSünden gereinigt werde. Was mir in dieser Nacht ge-schah, kann ich nicht schreiben. Sigmund hat alles inbetrügerischer Absicht getan.«18

Schon längst hatte auch die offizielle Konzilsregie,zumal eine neunzehnköpfige Untersuchungskommis-sion, lauter erklärte Hus-Feinde, ihr Opfer erfaßt.Doch im Grunde war Hus seit seinem Erscheinen inder Bodenseestadt ein toter Mann, zumindest einer,den man bei Widerruf in irgendeinem Klosterkerkerlebenslang würde kaputtgehen lassen.

Nachdem man John Wyclif am 4. Mai 1415 »aufewig verdammt« und seine Gebeine auszugraben und

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7.383 Deschner Bd. 8, 202Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

an einem ungeweihten Ort wie Unrat wegzuwerfenbefohlen hatte, begannen Anfang Juni die öffentlichenVerhöre von Hus, eine reine Formsache, wobei manoft skandalös mit ihm umging: zu vielen auf ihn ein-brüllte, ihn kaum zu Wort kommen ließ, ihn mit höh-nischen Ausfällen überschüttete, ihm Fangfragenstellte, ihn auslachte, auspfiff, anspie, ihn mit Ver-wünschungen, Schmähungen überschüttete, ihn Reptilund geile Natter schimpfte, schlimmer als einen Sodo-miten, Türken, Juden, als Kain und Judas, indem manseine Gewissensnöte komisch fand oder seine Gedan-kengänge gar nicht aufgri ff. Man befragte Zeugen,fast durchweg Gegner, an einem einzigen Tag 15, dieihn alle beschuldigten. Man erzwang Aussagen widerihn. Man gestand ihm keinen Verteidiger zu, da»einem der Ketzerei Verdächtigen« kein Rechtsschutzgebühre. Man unterstellte ihm Aussagen, die er garnicht gemacht, Lehrsätze, die er nie vertreten, die manverfälscht hatte, ja man bezichtigte ihn sogar, sich alsvierte Person Gottes ausgegeben zu haben.

Kurz, Hus mochte sich verhalten, wie er wollte,man kehrte es immer gegen ihn. Schrie man ihn vonallen Seiten nieder, so daß er nicht klar antwortenkonnte, nannte man ihn verwirrt. Setzte er sich genauauseinander, sagte man ihm Rabulistik nach undwollte nur ja oder nein von ihm hören. Schwieg erganz, sah man darin eine Zustimmung zu Irrtümern.

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7.384 Deschner Bd. 8, 203Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

Und argumentierte er mit Hilfe der Kirchenväter, fandman das abwegig und rief ihn zur Sache. »Gebt mirzwei Zeilen eines beliebigen Autors«, brüstete sichnicht ohne Grund ein mittelalterlicher Inquisitor, »undich beweise, daß er ein Häretiker ist und verbrenneihn.« »Ich hatte gedacht«, hielt Hus einmal ruhig derKonzilsmeute entgegen, »auf diesem Konzil mehr An-stand und Ordnung zu finden!« Und berichtete denPrager Freunden: »Sie schrieen alle gegen mich, wiedie Juden gegen Jesus.«

Man zieh Hus häufig der Verstocktheit, schalt ihneinen hartnäckigen »Ketzer«. Doch wiederholte erimmer wieder seine Bereitschaft zur Korrektur, bot eroft dem Konzil seinen Widerruf, seinen demütigenWiderruf an, wenn es ihn eines Irrtums überführe,eines Besseren belehre, ihn aus der Bibel, den Kir-chenvätern widerlege.

Noch kurz vor seinem Ende, am 5. Juli, erklärte ereiner offiziellen Delegation, darunter zwei der promi-nentesten Kardinäle, d'Ailly und Zabarella, erschöpftund ausgemergelt, schon vom Tod gezeichnet: » ...wenn ich mir bewußt wäre, etwas gegen das GesetzChristi und seine wahre Kirche geschrieben oder ge-predigt zu haben, so würde ich – Gott ist meinZeuge – in Demut widerrufen. Ich verlange doch nur,daß man mir bessere und annehmbarere Beweise ausder Schrift zeige, als die ich geschrieben und gelehrt

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7.385 Deschner Bd. 8, 203Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

habe, – dann werde ich bereitwillig widerrufen!« Undals ihn einer der Bischöfe anfuhr: »Willst du klügersein als das ganze Konzil?«, antwortete Hus: »Ichwill nicht weiser sein als das Konzil ... Gebt mir, ichbitte euch, den Geringsten aus dieser Kirchenver-sammlung, daß er mich eines Besseren aus der Schriftbelehre, und ich will alles tun, was das Konzil vonmir verlangt!«

Aber sollte er wider sein Gewissen handeln, ab-schwören, was er nie gesagt, das Konzil belügen?Doch genau das wünschte man, wollte ihn beugen,demütigen, wollte seinen totalen Widerruf, wollte seinLebenswerk, die ganze gefährliche Bewegung Böh-mens treffen, vernichten, »das Konzil wollte die Lüge,es nahm die Taktik der Schauprozesse des zwanzig-sten Jahrhunderts vorweg: Es verlangte ein umfassen-des Schuldbekenntnis auch dort, wo keine Schuld ge-funden oder bewiesen worden war« (Rieder).19

Nur zu begreiflich, daß Hus in Konstanz, den Todvor Augen, besonders achtsam, überlegt taktierte, daßer, was wunder, große Vorsicht walten ließ, daß er»Versuchungen« ausgesetzt war, er Angst hatte, viel-leicht doch abzuschwören, doch seine Glaubwürdig-keit zu verlieren, daß er auch Schwächen zeigte,Furcht, daß er manches vordem Vertretene zu ent-schärfen, einzuschränken suchte, daß er manchmalnicht sehr konkret replizierte, auswich, einiges gar ab-

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7.386 Deschner Bd. 8, 204Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

stritt, wenn es auch wohl zu weit geht, behauptet derGesandte der Kölner Universität von einem Besuchbei Hus: »Niemals sah ich einen so dreisten und dasRecht verdrehenden Kerl, der so vorsichtig zu antwor-ten und die Wahrheit zu verbergen wußte.« In allemWesentlichen, Entscheidenden, in allem, was seinenmoralischen Rigorismus, seine unerschrockene Kir-chenkritik, seine Hochschätzung Wyclifs betraf, er-wies sich Hus als unerschütterlich. Immer und immerwieder aufgefordert abzuschwören, immer und immerwieder durch Drohungen und Verlockungen zum frei-willigen Widerruf gedrängt – er blieb standhaft.20

So kam Samstag, der 6. Juli 1415, der letzte Aktdes blutigen Theaters. Alles, was Rang und Namenhatte, feierte schon am frühen Morgen im Münster diehl. Messe, von der Hus, gefesselt und von Schwerbe-waffneten umringt in der Vorhalle, ausgeschlossenwar. Der Erzbischof von Gnesen sang das Evange-lium nach Matthäus 7,15: »Hütet euch vor den fal-schen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kom-men, im Inneren aber räuberische Wölfe sind ...«. DerBischof von Lodi hielt die Predigt nach dem Paulus-wort: »Der sündige Leib soll zerstört werden« undappellierte an den König, unter der Krone und mit allseinen Insignien präsent, die »Ketzerei« auszurotten,»vor allem aber diesen verstockten Ketzer da, durchdessen Bosheit so manche Gegenden der Erde von

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7.387 Deschner Bd. 8, 205Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

ketzerischer Pest angesteckt sind und zugrunde ge-richtet werden ...«

Hus, inzwischen hereingeholt, war aufs Knie ge-sunken und betete.

Dann verlas man die Anklagepunkte und die vielenfalschen, längst entkräfteten Zeugenaussagen, wobeiein »Dekret des Schweigens« bestand. Doch Hus,seine letzte Gelegenheit nützend, die Öffentlichkeit zuinformieren, seine Rechtgläubigkeit zu bekunden, riefimmer wieder mit lauter Stimme seine Proteste undBerichtigungen dazwischen, bis man den Bütteln be-fahl, ihn gewaltsam zur Ruhe zu bringen, so daß ermit zum Himmel erhobenen Händen eindringlich bat:»Hört mich doch, um Gottes willen, hört mich, damitwenigstens die hier Versammelten nicht alle glauben,daß ich Irrlehren behauptet habe! Hernach mögt ihrmit mir machen, was euch gefällt!«

Als man ihn wieder bezichtigte, sich als vierte Per-son der Gottheit bezeichnet zu haben, wollte er, natür-lich vergeblich, den Namen des Zeugen hören und be-kannte seinen katholischen Glauben. Und als manihm seine Mißachtung des Banns vorhielt, erklärte er,dreimal an den Papst geschickt zu haben, um seineSache zu verteidigen oder sich eines Besseren beleh-ren zu lassen. Da ihm dies verwehrt geblieben, sei er»aus freiem Entschluß auf dieses Konzil gekommen,nachdem mir der König, der hier anwesend ist, siche-

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7.388 Deschner Bd. 8, 205Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

res Geleit versprochen hatte, das mich gegen jeglicheGewalt schützen sollte« – wobei Hus den Herrscheransah, »the playboy ruler of the Holy Roman Empi-re«, über dessen Gesicht, so Augenzeuge Mladenoviç,»eine Schamröte flog«, ohne Zweifel »the saddest fi-gure in this drama« (Molnar).

Eine traurige Figur macht noch heute der katholi-sche Kirchenhistoriker Brandmüller, der schreibt:»Zum guten Schluß (!) versuchte das Konzil, dem An-geklagten den Widerruf so leicht, wie es nur angingzu machen ...«

Nach Verlesung des Urteils, mit dem die »heiligeSynode« einen »hartnäckigen, unverbesserlichen undnicht zum Abschwören seiner Irrlehren bereiten Men-schen« richtete, einen wahren und offenbaren »Ket-zer«, der »verdammte Irrtümer und viel Anstößiges,Verwegenes und Aufrührerisches gelehrt und öffent-lich gepredigt hat«, sank Hus aufs Knie und rief:»Herr Jesus Christus, ich bitte dich, verzeih allenmeinen Feinden wegen deines großen Erbarmens; duweißt, sie haben mich fälschlich angeklagt, falscheZeugen vorgeführt und falsche Artikel gegen michaufgestellt! Verzeih ihnen deiner unermeßlichenGnade wegen.« Viele Bischöfe lachten; der königli-che Rat Graf Schlick aber verließ erregt und mit derlauten Erklärung das Münster, er könne bei solch un-gerechter Verurteilung guten Gewissens nicht zuge-

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7.389 Deschner Bd. 8, 206Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

gen sein.Nun wurde Hus feierlich degradiert. Auf einem Po-

dest inmitten des Kirchenschiffs stehend und mit demganzen Pfaffenornat bekleidet, rissen ihm – da er ein-mal mehr das Abschwören verweigerte, um »nichtGott«, wie er unter Tränen sagte, »ins Gesicht lügenund gegen mein Gewissen verstoßen« zu müssen –sieben ihn schmähende und verfluchende BischöfeStück für Stück der Gewänder ab, verstümmeltenseine Tonsur und übergaben ihn dem »weltlichenArm«, nicht ohne daß sie ihm noch die mit »dreygrewlich Teuffel« geschmückte Papiermütze des»Ketzers« aufgedrückt, »gar nahe eines ellenbogenshoch«, und verkündet hatten: »Wir übergeben deineSeele dem Teufel.«21

Hus wurde fortgeführt, vorbei an seinen brennen-den Büchern, durch eine riesige, den Weg säumendeMenschenmenge. Beim Anblick des Scheiterhaufensfiel er auf seine Knie und betete laut: »Jesus Christus,Sohn des lebendigen Gottes, der du für uns gelittenhast, erbarm dich meiner.« Doch als er an Ort undStelle deutsch predigen wollte, wurde es verhindert.Auch die drei, die böhmischen Reformprinzipien zu-sammenfassenden Reden, die Hus für Konstanz aus-gearbeitet hatte, durfte er nie halten.

Man band ihn jetzt mit nassen Stricken an einenPfahl und schichtete Holz und Stroh rings um ihn bis

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an sein Kinn. »Dann«, so Augenzeuge Peter von Mla-denoviç, »zündeten die Henker den Magister an. Ersang darauf mit lauter Stimme zuerst: ›Christus, Sohndes lebendigen Gottes, erbarm dich meiner‹; zumzweitenmal: ›Christus, Sohn des lebendigen Gottes,erbarm dich meiner!‹ Und beim drittenmal: ›Der dugeboren bist aus Maria, der Jungfrau.‹ Und als er zumdrittenmal begonnen hatte zu singen, schlug ihm als-bald der Wind die Flammen ins Gesicht, und also insich betend und Lippen und Haupt bewegend, ver-schied er im Herrn. Im Augenblick der Stille aber,bevor er verschied, schien er sich zu bewegen, undzwar so lange, als man zwei oder höchstens drei Va-terunser schnell sprechen kann. Als das Holz der ge-nannten Bündel und Taue verbrannt war und immernoch eine Körpermasse dastand, die an der genanntenKette um den Hals hing, stießen darauf die Henker diegenannte Masse zusammen mit der Säule zu Boden,belebten das Feuer weiter und zwar mit einer drittenHolzfuhre und verbrannten die Masse vollständig ...Da sie aber unter den inneren Organen sein Herz ge-funden hatten, spitzten sie eine Stange nach Art einesSpießes an und befestigten am Ende das Herz, brann-ten es besonders und schüttelten es beim Verbrennenmit Stangen und machten schließlich jene ganzeMasse zu Asche. Und auf Geheiß der genannten Her-ren, des (Pfalzgrafen) und des Marschalls, warfen die

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Henker sein Hemd zusammen mit den Schuhen insFeuer und sagten dabei: ›Damit das die Böhmen nichtetwa wie Reliquien halten ...‹ Und so luden sie ...alles auf einen Wagen und versenkten es im nahenRheinfluß.«

Nach dem Konstanzer Chronisten Ulrich Richental»nahm ihn der Henker und band ihn mit der Kleidungund mit allem an ein aufrechtes Brett, stellte ihmeinen Schemel unter die Füße, legte Holz und Strohum ihn, schüttete ein wenig Pech hinein und zündetees an. Da fing er zu schreien an und war bald ver-brannt. Und da er verbrannt war, blieb die Inful (Ket-zermütze) ganz. Da zerstieß sie der Henker, da ver-brannte sie auch und es entstand ein übler Geruch;denn der Kardinal Pankratius hatte ein Maultier ge-habt, das war an dieser Stelle gestorben und vergra-ben worden, von der Hitze öffnete sich das Erdreich,aus dem der Gestank herauskam.«

So konnte die Menge, gute Regie, noch etwas vomHautgout des Teufels mitbekommen.

Die Konzilsväter feierten am nächsten Tag einenDankgottesdienst. Und der katholische TheologeBrandmüller kommt noch im Jahre 1999 zum »gutenSchluß« seiner Apologie zu dem Resultat: »Das Ver-fahren war gerecht und fair.«

Dagegen forderte 1965 der Archivar von Konstanz,Otto Feger, in einem offiziellen Aufruf, von Papst

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7.392 Deschner Bd. 8, 208Die katholische Kirche verbrennt Jan Hus

Paul VI. nicht nur die Rehabilitierung, sondern dieHeiligsprechung von Hus – das Schlimmste, was ihmnoch passieren könnte. Doch im Herbst 1990 ani-mierte selbst Papst Johannes Paul II. in der Tschecho-slowakei die Theologen, »den Platz« des »MagisterJan Hus unter den Reformatoren der Kirche« genauerzu bestimmen, und betonte auch seine »Unbescholten-heit des persönlichen Lebens und die Bemühungenum den kulturellen und moralischen Fortschritt derNation«.

Rehabilitiert diese Kirche Hus? Das hätte sie nichtverdient! Und er erst recht nicht.

Und im nächsten Jahr verbrannte man Hieronymusvon Prag, Hussens Freund und Mitstreiter.

Hieronymus hatte einst Hus versprochen, ihm beiGefahr zu folgen, und war, obwohl selbst gebannt undvon Hus eindringlich gewarnt, Anfang April nachKonstanz gekommen, das er jedoch, von Chlum undDubá entsprechend unterrichtet, alsbald wieder ver-ließ. Kurz vor der böhmischen Grenze aber wurde erin Hirsau, Oberpfalz, gefangen und von Herzog Jo-hann von Bayern im Mai wieder zurückgeschickt.Man karrte ihn, an Händen und Füßen gefesselt, nachKonstanz, wo er am 23. Mai eintraf, kerkerte ihn einJahr, gleichfalls an Händen und Füßen in Ketten undin gekrümmter Stellung bei Wasser und Brot, ein undverbrannte ihn am 30. Mai 1416.

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Zwar hatte man Hieronymus, durch schauerlicheHaftumstände mürbe gemacht, im September 1415zur Lossagung von Wyclif und Hus gebracht, dochwurde auch sein Widerruf von ihm widerrufen und ervertrat die alten Überzeugungen mit einer selbst seineFeinde beeindruckenden Haltung. »Nie habe ich«, be-kannte der Konzilsteilnehmer und Sekretär der päpst-lichen Kurie, Poggio Bracciolini, »einen so beredtenMann gesehen, der den alten Rednern so nahe kommtals Hieronymus. Seine Feinde hatten mehrere Ankla-gen aufgesetzt, um ihn der Ketzerei zu beschuldigen,und er verteidigte sich so schön, so bescheiden und soklug, daß ich nicht imstande bin, es auszudrücken ...Hieronymus war schon 340 Tage in einem feuchten,finsteren Turm gesessen und konnte eine so trefflicheRede halten, voll Beispielen berühmter Männer undGrundsätzen der Kirchenväter. Sein Name verdientunsterbliche Ehre ... Hieronymus war aus der Schuleder alten Weisen, weder Scaevola hat seine Hand somutig ins Feuer gehalten als Hieronymus seinen gan-zen Körper, noch Sokrates den Giftbecher so gelassengeleert, als Hieronymus den Scheiterhaufen be-stieg.«22

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7.394 Deschner Bd. 8, 209Die hussitische Revolution beginnt

Die hussitische Revolution beginnt

Der Flammentod von Hus und Hieronymus führte,wie nicht anders zu erwarten, zur Rebellion in Böh-men und zu neuen ungeheueren Verbrechen. DasLand wurde ein brodelnder Hexenkessel, das Volk,vom Adel bis zum letzten Bauern, eine einzige Frontgegen die katholische Orthodoxie. Während man Huszum Heiligen erhob, während man ihn und Hierony-mus als Märtyrer verehrte, ignorierte man die Kon-stanzer Konzilsbeschlüsse, die Bezichtigungen, Ver-fluchungen, das Interdikt über Prag, reichte dasAbendmahl unter der Gestalt von Brot und Wein undmachte den Kelch zu einem Identifikationsattribut,zum zugkräftigen Hussitensymbol. Empört, rachelü-stern, raubend jagten die »Kelchgläubigen« den alt-kirchlichen Klerus. Fortgesetzte Exzesse folgten,Plünderungen von Kirchengütern, massenhafte Ver-treibungen, die Ermordung der gegnerischen Geistli-chen. Auch der Erzbischof mußte weichen.

Während Sigismund lavierte, mehr noch Wenzel,setzten sich radikale Köpfe an die Spitze der bald inverschiedene Gruppen auseinanderbrechenden Bewe-gung, vor allem in die radikalen Hussiten, die Tabori-ten, und in die gemäßigten, denen Universität undHochadel zuneigten, die Utraquisten (Kalixtiner), die

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7.395 Deschner Bd. 8, 209Die hussitische Revolution beginnt

das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfingen. Sieformulierten ihre Forderungen in den »vier Prager Ar-tikeln«, das heißt, außer der Kommunion sub utraquespecie: freie Predigt für dazu befähigte Kleriker; Be-sitzlosigkeit der Geistlichen; Bestrafung von Todsün-den (Häresie, Simonie, Diebstahl, Trunksucht u.a.) anPriestern wie Laien durch die weltliche Obrigkeit.

Jan Želivský (Johann von Selau), ein ehemaligerMönch, Ex-Zisterzienser und einer der unentwegte-sten Agitatoren, verkündete wortgewaltig das naheWeltende, den Kampf gegen den Antichrist, den Um-sturz alles Bestehenden. Von der Kanzel herab hetzter seine Anhänger gegen Adel und städtisches Bürger-tum und beschimpft einmal den anwesenden Bürger-meister als »Räuber dieser Gemeinde«.

Die Bibel ist wie immer nützlich. Im Gedenken anMoses und die alttestamentlichen »Helden« stacheltŽelivský seine Zuhörer auf, »ihre Schwerter in dasBlut ihrer Feinde zu tauchen«. Bald kommt man zuseinen Predigten bewaffnet. Dann aber fällt er, auchim Krieg als »director exercitus« brillierend und beimVolk beliebt, wegen seiner Radikalität dem PragerStadtrat lästig und wird, nebst zwölf Parteigängern imFrühjahr 1422 zu Beratungen gebeten, insgeheim ge-köpft, worauf die Seinen das Rathaus stürmen, dieAbstechung der Ratsherrn erfolgt, die verhaßter Prie-ster und, wie so häufig, schuldloser Juden.23

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7.396 Deschner Bd. 8, 210Die hussitische Revolution beginnt

Bedeutender, noch populärer: Jan Žižka von Trat-zenau (Trocnov), aus südböhmischem Kleinadel, einleidenschaftlicher Verehrer von Hus und Feind derPriester, dabei pragmatisch, ohne sonderlichen Sinnfür sektiererische Eiferer, theologische Haarspalterei-en, Streit um kirchlichen Kult, vielmehr ganz auf mi-litärische Konzentration, auf Abwehr und Angriff be-dacht. Feldpfaffen somit durchaus erwünscht! »Esziemt sich eines treuen Christenmenschen nicht, vordem Antichrist zu weichen.«

Zeitweise im Dienst des polnischen und des böhmi-schen Königs, der ihn ausdrücklich ermächtigt, Hus-sens Hinrichtung zu rächen, war der Hussitenführerauch politisch eher traditionell orientiert, wedergrundsätzlich gegen Adel noch Bürgertum. Späterbrach er freilich mit dem Ho f.

Unter Žižka und Želivský kommt es am 30. Juni1419 zum »Ersten Prager Fenstersturz«, zum Aus-bruch der hussistischen Revolution. Demonstrantenüben Lynchjustiz, werfen Stadtrichter, Gerichtsdiener,Stadträte, Bürgermeister durch die Neustädter Rat-hausfenster auf die Straße, wo sie die Menge zer-fleischt. Auch katholische Geistliche werden vertrie-ben, ermordet, Kirchen und Klöster, die großen Land-besitze, zerstört. Den Ärmsten, Ausgebeuteten wirdein goldenes Zeitalter verheißen, der Sturz der Unter-drücker, eine egalitäre Gesellschaft, die Gütergemein-

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7.397 Deschner Bd. 8, 211Die hussitische Revolution beginnt

schaft, gar die Wiederkunft Christi.Vor Aufregung stirbt König Wenzel IV. am 16.

August 1419 auf Schloß Wenzelstein bei Prag. Undnach seinem Tod eskaliert die Revolte erst recht. Manstürmt schon anderntags die Kirchen, man ruiniertReliquien und Altäre, Bilder und Orgeln und stiehltauf Teufel komm raus. Auch das Kartäuserklosterraubt man aus, brennt es bis auf die Mauern nieder.Annähernd fünfzig Klöster des Landes werden in die-sem und dem nächsten Jahr vernichtet, dazu mehr alshundert Kirchen, auch Mönche und Klosterfrauen er-barmungslos massakriert. Weithin gibt es keine Prie-ster mehr; »sie waren alle umgebracht« (Hauck).

Seit 1420 organisiert und führt Žižka als obersterBefehlshaber mit einer »hussitischen Heeresordnung«und unter Anwendung teilweise neuer Kriegstechni-ken, der Wagenburgen (schon seit der Antike be-kannt, doch jetzt ihre »Blütezeit« erlebend), der Feu-erwaffen, das Feldheer der Taboriten. Den BergTabor, benannt nach dem heiligen Berg der Bibel, diehussitische Festung, Zentrum der Radikalen, muß dieradikalste, chiliastische Vorstellungen vertretendeGruppe im März 1421 verlassen: die Pikarden, die,vom Heiligen Geist erleuchtet, religiöse Unterweisungverwerfen, zur Vielweiberei und Gütergemeinschafttendieren. Bald darauf schleppt man etwa fünfzig vonihnen auf Befehl Žižkas, der diese Eiferer gnadenlos

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7.398 Deschner Bd. 8, 211Die hussitische Revolution beginnt

jagt, als »abscheuliche Ketzer« auf den Scheiterhau-fen. (Einer ihrer Priester, Martin Húska, wird am 21.August 1421 allerdings von Katholiken verbrannt.)Die den Pikarden manchmal gleichgesetzten (sehrkontrovers beurteilten) Adamiten, rund 300 an derZahl, beseitigt Žižka im Frühherbst 1421.24

Hussitische Prediger ziehen umher und schüren denAufruhr. Religiöser Fanatismus und Raffgier entfes-seln immer mehr die Massen. Bald will man nicht nurBöhmen, sondern Deutschland befreien, will man, alsvon Gott auserwählt, als Verkünder des allein wahrenGlaubens, ganz Europa hussitisch machen. Will abernicht nur missionieren, will auch die in Leibeigen-schaft und Fron steckenden, stets von Hunger, Seu-chen, von Kriegsschrecken bedrohten Bauern befrei-en, will nicht nur eine religiöse, sondern auch eine so-ziale Revolution. Alles soll Gemeingut werden, auchfrei von Abgaben und Steuern sein.

Beutemachen war in der hussitischen Heeresord-nung streng verboten. »Wegen Raub aus Gier nachGold«, sangen die »Gottesstreiter«, »lasset euerLeben nicht, und bei Beute haltet euch nicht au f.«Doch allmählich lief alles immer mehr auf bloßeBrandschatzungen, auf Raubzüge hinaus, belud mansich nur noch, wie ein tschechischer Annalist schreibt,»mit großer Beute« und ließ sich »am Golde genü-gen«.

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7.399 Deschner Bd. 8, 212Die hussitische Revolution beginnt

Das ging freilich nicht ohne Blutvergießen.Zunächst schlägt man in Böhmen um sich, vernich-

tet etwa im Pilsener Raum alle Kirchen und Klöster,zerreibt so bravourös wie verlustreich eine Adelstrup-pe, erobert und verbrennt die Stadt Sezimovo-Ustí.

König Sigismund, nach dem Tod seines Halbbru-ders rechtmäßiger König Böhmens, ist nach diversenTürkenkämpfen in Ungarn seit Ende 1419 wieder imLand, doch wegen seiner grausamen Kriege und derVerbrennung von Hus überaus unbeliebt. Und wäh-rend er einerseits seine »angeborene Anhänglichkeitan die süße Heimat« versichert, will er andrerseitsWiclifisten wie Hussiten lieber heute als morgen er-säuft sehn. So macht er selbstverständlich gemeinsa-me Sache mit Papst Martin V. und verkündet am 17.März 1420 die von diesem erlassene Kreuzbulle »ZurAusrottung der Wiclifisten und Hussiten«, der selbstnoch Hunderte von Niederländern folgten.

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7.400 Deschner Bd. 8, 212Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

Man glaubte leichtes Spiel zu haben, rückte vonSchlesien in Böhmen ein, holte sich aber 1420/1421infolge veralteter Totschlagmethoden der königlichenTruppen in schweren Kämpfen nur Niederlagen. DieTaboriten verwüsteten darauf Böhmen, stürmtenSchlösser, bezwangen Burgen mit Hilfe ihrer Kano-nen, verbrannten Dörfer, stachen die Einwohner ab,ließen in Komotau (Chomutov) nur so viele amLeben, daß sie die Toten begraben konnten.

Der König mußte das Land verlassen, der Adel, ge-rade noch großzügig mit Kirchengut, mit Kirchen-schätzen bestochen, wechselte die Front, ging mit flie-genden Fahnen zu den Hussiten über. Sogar Erzbi-schof Konrad von Vechta trat ihnen 1421 bei. Im Jahrzuvor hatte er noch Sigismund im Veitsdom zumKönig von Böhmen gekrönt. Der Prälat wurde ge-bannt und starb, zurückgezogen auf seinen Besitzun-gen, 1430.

Beim zweiten Kreuzzug 1421/1422 fiel man vonWesten und Osten her in Böhmen, in Mähren ein. DieHorden deutscher, ungarischer und kroatischer Trup-pen ergossen sich zügellos plündernd über das Land,flohen aber vor dem anrückenden Gegner kampflosbis über die Grenzen. Sigismund entrinnt gerade

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7.401 Deschner Bd. 8, 213Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

noch. Deutsch-Brod wird beim Verfolgen der Invaso-ren erobert, eintausendfünfhundert Männer, Frauenund Kinder werden erschlagen und mit der ganzenStadt verbrannt. Viele Hunderte von Fliehenden er-trinken mit Roß und Wagen unter dem brechendenEis der Sazawa, über tausend Leichen liegen längsder Straße nach Kuttenberg, ein Fraß für Hunde undWölfe. »Böhmen begann sich nach diesem Kreuzzugmehr und mehr in eine Wüste zu verwandeln« (Rie-der).25

Denn wie die katholische Kirche Hus erledigt hatte,so suchte sie auch den Hussitismus auszulöschen, na-türlich gleichfalls durch Gewalt, durch Bildung immerneuer Kreuzheere. Martin V. (1417–1431), der einzi-ge Colonna auf dem Papststuhl, forderte sie, währendSigismund nach dem Versagen der Reichstruppen dieSache satt hatte. Doch kam alsbald, im Auftrag derKurfürsten, der Kölner Erzbischof Dietrich nach Un-garn, um die »Vertilgung der Ketzer« voranzutreiben.Und der Papst schickt dem König Kardinal Branda,um das Blutbad wiederzubeleben. »Erhebe dich«, sta-chelt der Heilige Vater brieflich den kampfmüdenFürsten an, »damit nicht die übrigen Gläubigen sichauf deine Lauheit berufen und mit deinem Benehmenihre eigene Trägheit entschuldigen könnten!« Undheischt auch in einer Bulle die Vernichtung, ja, ruftnoch die eigne Priesterschaft bewaffnet in die

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7.402 Deschner Bd. 8, 214Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

Schlacht gegen das »giftige Gewürm«.Aber der König tat nichts, er tat nur so. Er trat gern

als Vogt und Schirmherr der Kirche auf, als Retter derChristenheit. Er erklärte alle »Ketzer« für vogelfreiund drohte ihnen die schrecklichsten Strafen an. In derNürnberger Sebalduskirche nahm er feierlich das vomPapst geweihte Kreuzpanier entgegen, verspracheinen Kreuzzug, doch er hielt sein Versprechen nicht.Er rührte keinen Finger.

Selbst als der alternde Žižka 1424 in Böhmen wü-tete, schlimmer als je, griff er nicht ein. Es wurde»Žižkas blutiges Jahr« – und sein Todesjahr. MitteSeptember war er, nicht mehr einäugig, sondern vollblind, kriegsblind, umjubelt in Prag eingezogen, einenknappen Monat später, am 11. Oktober 1424, raffteihn die Pest hinweg, nicht ohne daß er die Seinen ver-pflichtete, »voll Gottesfurcht fest und getreu die gött-liche Wahrheit zu schirmen um der ewigen Vergel-tung willen«. (Im Dreißigjährigen Krieg wurde seinGrab geplündert und auf Anordnung Kaiser Ferdi-nands II., des gottesfürchtigen, zerstört.)26

Žižkas Nachfolge trat Prokop »der Große« an(auch der Kahle genannt, Rasus, da bartlos). Er warhussitischer Priester, kam möglicherweise aus demPrager Patriziat und setzte den Kampf mit aller Bruta-lität fort. Und mit Gott. Ja, der Krieg war geradezuder Weg zu diesem. Tat Prokop doch kund: »Durch

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7.403 Deschner Bd. 8, 214Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

die Gnade Gottes wird das Getümmel des Krieges dieHerzen zur Erkenntnis und zum Ergreifen der Wahr-heit bringen.« Das geschah, indem man Dörfer undStädte in Flammen aufgehen ließ und die Gefangenenhängte. Natürlich auf beiden Seiten. Und jetzt, imHerbst 1425, ging auch Sigismund gegen die Hussi-ten vor, mit ungarischen Truppen und gestützt aufeine starke Streitmacht Herzog Albrechts V. vonÖsterreich, seines Schwiegersohnes – »vor allem inden Kriegen gegen die Hussiten bewährt« (Handbuchder Europäischen Geschichte). Der bewährte Herzog,der einmal in Mähren fünfhundert Ortschaften nieder-brennen ließ, rottete die Hussiten so rasend aus wieŽižka die Katholiken. Ja, jetzt machte man unter denbeiden katholischen Fürsten sogar alles nieder, gleichob Hussiten oder Katholiken.27

Damals, da Böhmen schon gänzlich ausgeplündertwar, begannen auch die Raub- und Verwüstungskrie-ge jenseits der Grenzen.

Die Hussiten fielen in Österreich ein, in Ungarn,drangen weit ins ost- und mitteldeutsche Reichsgebietvor, nach Sachsen, Schlesien, Franken, in die Ober-pfalz, wo die Truppen des – nicht selten persönlichgegen die Feinde ziehenden – Würzburger BischofsJohann II. von Brunn »schändlich hausen« (Wende-horst). Man stand gelegentlich fast vor den TorenWiens, kam bis Preßburg, Torgau, Magdeburg. Ja, im

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7.404 Deschner Bd. 8, 215Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

Sommer 1433 gelangte Prokop bis zur Ostsee, bisDanzig, während man indes oft auch in Böhmen wei-terstritt, wider Gemäßigte und Katholiken, gegneri-sche Burgen, feste Plätze berannte, durch den Zwei-frontenkrieg die eigene Kraft zersplitternd; wie mansich auch auf deutscher Seite durch innerstaatlicheQuerelen, territoriale Streitereien schwächte.

Nur anfangs schonten die Hussiten bei ihren, wiesie sagten, »herrlichen Kriegsfahrten« das unterjochteVolk der Nachbarländer, suchten sich sogar mit ihmgegen Klerus und Adel zu verbünden, »missionierten«mit Flugblättern, Manifesten. Bald aber überfielen siedie Ausgebeuteten genauso wie die Ausbeuter, wieKirchen, Klöster, Burgen. Nach Eroberung der Fe-stung Plauen, wo man zuvor hussitische Parlamentäreliquidiert hatte, rächten sich die Eindringlinge, »daßdas Blut an die Wände und Balken sprang, das mannoch heutzutage sieht«.

Schreckenerregende Greuelnachrichten eilten denböhmischen Horden voraus, doch die Wirklichkeitsoll die Schilderungen oft übertroffen haben. GanzeStädte und so viele Burgen, »als sich kaum zählen lie-ßen«, gingen im Feuer au f. Aussig wurde verbrannt,Bayreuth wurde verbrannt, Guben in Flammen ge-setzt, die Einwohnerschaft meist getötet, die Vorstäd-te von Leipzig, von Breslau verwandelten sich inRauch. In Sachsen und Meißen äscherte man achtzehn

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7.405 Deschner Bd. 8, 215Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

Städte und vierzehnhundert Dörfer ein. Nur mancheOrte widerstanden ungeschröpft den Stürmen, nurmanche erkauften sich durch Riesensummen den Frie-den, das königstreue Eger zum Beispiel, das reicheNürnberg; es zahlte zwölftausend Gulden.

Im allgemeinen aber machte man nicht viel Feder-lesens. Mit Feuer und Schwert streckte man in erbar-mungslosen Vernichtungszügen die Menschen nieder,zerstörte ihre Behausungen, schoß Hunderte vonSteinkugeln in zernierte Burgen, Städte, schleuderteHunderte von Fässern mit Aas und Kot zur Vergif-tung des Feindes über die Mauern. Man fing aus Fen-stern Gestürzte mit Spießen und Heugabeln auf,schnitt Katholiken Kreuze (Hussitenkelche) in dieStirnen, briet Priester in Pechfässern oder stach sie amAltar ab. Man verwüstete das flache Land, übte dieTaktik der verbrannten Erde, kam im Winter, und dieÜberlebenden starben an Hunger. Kurz, man ließ eineeinzige Blut- und Leichenspur hinter sich, Tote »wieGarben auf dem Feld«.

Auch zwang man mittellose Gefangene in den eig-nen blutigen Dienst. Man raubte massenweis' Herden,Tausende und Abertausende von Rindern, raubteGold, Kleider, alles, was brauchbar, nützlich schien,und führte es auf hoch beladenen Wagen mit bis zuzwanzig Pferden als Vorspann in langen Trecks nachBöhmen, gelegentlich nach Polen, wo man es lukrativ

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7.406 Deschner Bd. 8, 216Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

verkaufte.28

Zwischen all den fürchterlichen Raub- und Mord-aktionen kam es zu einer Reihe von größeren Ausein-andersetzungen. So am 16. Juni 1426, als Prokop beiAussig über ein etwa gleichstarkes Reichsheer unterdem Kurfürsten von Sachsen siegte; als Haubitzenund Handfeuerwaffen im Schutz der Wagenburg dieangreifenden Deutschen zerfetzten, worauf man dieFliehenden zwischen brennenden Dörfern RichtungErzgebirge trieb, niemandem Schonung gewährte,auch nicht den Scharen eingekreister Ritter, die kni-end, die Schwerter in die Erde gesteckt, Pardon erba-ten, ihn freilich zuvor den Hussiten selbst nicht gege-ben hatten – Christen unter sich.

Ähnlich wurde 1427 bei Mies und Tachau ein rundhunderttausend Mann starkes Kreuzheer, geführt vonErzbischof Otto von Trier und Friedrich I. von Bran-denburg, gegen den Kamm des Böhmerwalds undDeutschland gejagt. Dabei spielte der KardinallegatHeinrich von Beaufort, Bischof von Winchester, fasteine Heldenrolle, indem er die deutschen Truppen, diein panischer Angst vor den unter Prokop herandon-nernden Hussiten flohen, aufzuhalten suchte, diepäpstliche Fahne und das Bild des Gekreuzigtenschwang, schließlich mit dem Brandenburger Kurfür-sten in Tränen ausbrach. Und alles in Tachau, mitAusnahme der Frauen und Kinder, wurde nach Erstür-

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7.407 Deschner Bd. 8, 216Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

mung der Stadt von den Siegern geschlachtet. DieFürsten freilich und sonstigen Herren, die von einer»List des Teufels« sprachen, hatten sich sämtlich ge-rettet.29

Die Kirche rief zwischen 1420 und 1431 zu vierKreuzzügen gegen die Hussiten auf, zu »HeiligenKriegen«, in denen man keine Frauen mitführen durf-te, in der Woche einmal beichten und möglichst oftdie Messe hören mußte. Das förderte die frommeSache, diente der blutigen Ausmerzung der »Ketze-rei«, diente aber vor allem, wie bei den Hussiten, derPlünderung.

Papst Martin V., seit Herbst 1420 in dem zerstör-ten, unsäglich verarmten Rom, wo nachts die Wölfein den vatikanischen Gärten heulten und aus dem be-nachbarten Friedhof die Toten scharrten, blieb unver-söhnlich; er und sein Kardinal Heinrich von Winches-ter schürten unermüdlich den Krieg. Und unter kirch-lichem Einfluß erhob man auch eine allgemeine »Hus-sitensteuer«, eine Art Kopfgeld: 25 Gulden der Graf,fünf Gulden der Ritter, einen Groschen der sogenann-te gemeine Mann. Und noch Jude und Jüdin sollten jeeinen Gulden zahlen. Doch waren die Hussiten früherzur Stelle als auch nur ein kleiner Teil der Steuer, derüberdies verschleudert wurde. König Sigismund, des-sen Krieger damals in Ungarn vor Galambocz gegendie Türken eine verheerende Niederlage erlitten,

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7.408 Deschner Bd. 8, 217Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

wobei er selbst knapp dem Verderben entrann, lösteSold- und Finanzfragen mitunter dadurch, daß er diePrager Kirchenschätze plündern oder geldgierige Ba-rone durch Verpfändung von Kirchengut befriedigenließ.

Als man sich unter hussitischem Druck und zuneh-mender Kriegsmüdigkeit auf Verhandlungen einließund den nach der Burg Beheimstein benannten Ver-trag schloß, war es der Papst, der jede Verhandlung,jedes Gespräch mit »schändlichen und verstocktenKetzern« verbot und ihre gewaltsame Unterjochungverlangte. Bis zuletzt erhoffte er »militärische Erfol-ge, um auf Verhandlungen mit den Hussiten verzich-ten zu können« (Koller). Der selbstherrliche Colonna,der seine Familie durch Güter und Abgabenfreiheitganz übermäßig privilegierte, war auch anderweitignicht zimperlich, ging beispielweise im Kirchenstaatmit »rücksichtsloser Gewalt« vor (Seppelt). Und hatteMartin bereits am 22. Februar 1418 seine Bulle»Inter cunctas« gegen die Hussiten gerichtet, hatte erschon damals, zu Beginn seines Pontifikats – eine sei-ner ersten Regierungshandlungen –, den Kardinalle-gaten Giovanni Dominici beauftragt, in Böhmen ge-meinsam mit der weltlichen Macht die »Ketzerei«auszurotten, so schickte er zu demselben Zweck noch1431, kurz vor seinem Tod, den neuen Kardinallega-ten Giuliano Cesarini, den mehrjährigen Präsidenten

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7.409 Deschner Bd. 8, 218Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

des Basler Konzils (1431–1437), zum NürnbergerReichstag.

Offensichtlich betrieb der Kardinal die Vorberei-tung des neuen Krieges, des Vierten Kreuzzuges, vielangelegentlicher als der nicht sehr interessierte König.Cesarini überreichte auch im Sommer in Nürnbergeinem Kreuzzugführer, dem Kurfürsten Friedrich vonBrandenburg, feierlich das Kreuz, bevor er selber miteiner Leibwache von dreihundert Lanzenträgern alsScharfmacher der Seinen und, laut päpstlicher Ernen-nung, Anführer des Ganzen in den Kampf zog, vomGedanken der »Ketzer«-Vernichtung, wie es heißt,»bis zum Überströmen« erfüllt.

So blieb, als man im August Richtung Pilsen vor-rückte, nichts am Leben. Denn was Albert Hauck vonden Hussiten sagt, »das Nebeneinander von Gottes-dienst und Mord ist bezeichnend für die hussitischeFrömmigkeit«, das gilt genauso für die katholische.Man hieb alles zusammen, was böhmisch war, auchFrauen und Kinder, sogar Katholiken, eine ja schonaus früheren Kreuzzügen bekannte Methode derHeilsgewinnung. Doch als Prokops Heer nahte, dasgrößte, das er je hatte, angeblich mehr als fünfzigtau-send Mann, als am 14. August bei Taus die Erde vonden heranstürmenden Streitwagen der Hussiten dröhn-te, die Luft voll war von gellenden Trompetenstößen,Schlachtgebrüll und Totschlaggesängen »Die ihr Got-

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7.410 Deschner Bd. 8, 218Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

tes Krieger seid ...«, da erfaßte die Gotteskrieger deranderen Seite das kalte Grausen. Da machten sie, fastohne Feindkontakt, kehrt, brauste alles, koste es, wases wolle, drunter und drüber, ohne Waffen, Gepäckund Diebesgut, mit nur dreihundert von viertausendWagen dem Böhmerwald entgegen, verkeilte sich,den bösen Feind im Rücken, in den schmalenWegen – ein Chaos.

Der Kardinallegat Giuliano Cesarini opferte seineLeibwache. Sie wurde niedergemacht. Er selbst ent-kam unter Zurücklassung der päpstlichen Fahne, sei-nes roten Hutes, seines Mantels. Auf ungesatteltemPferd, heißt es, sei er in Unterwäsche davongejagt –und mußte, jenseits des Böhmerwaldes, erneut dasWeite suchen, nur diesmal vor den eignen wütendenHaudegen, die auch seinen Wagen voller Geld undSchmuck behielten. In Nürnberg aber, wo Sigismunddas Ganze abgewartet, drängte der Kardinal sofort zurFortsetzung des heiligen Spektakels, zu einem weite-ren »Ketzer«-Krieg und klagte brieflich dem Papst,daß »die Laien auf Hussitenart über uns herfallen unduns niedermachen werden, wohl in der Meinung, der-art ein gottgefälliges Werk zu tun«.30

Gleichwohl war der Widerstand der Taboritendurch den fünfzehnjährigen Krieg geschwächt, warihre Übermacht durch eine neu geschaffene Koalitiondes katholischen Adels und der Utraquisten, der ge-

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7.411 Deschner Bd. 8, 219Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

mäßigten Hussiten, gebrochen. Von ihr aus Prag undaus dem Pilsener Raum verdrängt, wurden die tabor-itischen Heere am 30. Mai 1434 in der Schlacht vonLipan (30 Kilometer östlich von Prag) vernichtendgeschlagen, etwa dreizehntausend Mann – mit Hilfeeiner Kriegslist, einer Scheinflucht – niedergemetzelt,darunter auch Prokop. Nur einige hundert Gefangeneblieben übrig, wurden in Scheunen gesteckt und ver-brannt. Noch ein Aufstand unter dem tschechischenAdligen und Hussiten-Heerführer Jan Roháč z Dubébrach zusammen. Man nahm ihn am 6. September1437 auf seiner Burg Sion gefangen und tötete ihnsamt seinen Kampfgenossen drei Tage später. Im sel-ben Jahr noch starb Sigismund, dem Albrecht V. vonÖsterreich auf den böhmischen und ungarischenThron folgte, bevor auch er, schon zwei Jahre danach,das Zeitliche segnete, auf einem Feldzug gegen dieTürken.31

Das militante Hussitentum, das eineinhalb Jahr-zehnte Mitteleuropa in Atem gehalten, hatte mit derNiederlage bei Lipan ausgespielt, der radikale Flügelwar entmachtet, der konservative auf einen dürftigenKompromiß festgelegt, die Basler (bzw. Prager)Kompaktaten. Sie erlaubten den Hussiten das Abend-mahl unter beiderlei Gestalt (sub utraque specie), er-laubten für Böhmen also den Kelch. Es wurde Lan-desgesetz; doch weder das Plenum des Basler Konzils

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7.412 Deschner Bd. 8, 219Vier Kreuzzüge gegen das »giftige Gewürm«

bestätigte es noch der Papst. Und unter Georg vonPodiebrad (1458–1471), dem »hussitischen König«,kommt es zu einem neuen Kreuzzug.32

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7.413 Deschner Bd. 8, 2217. Kapitel

7. Kapitel

Das christliche Europa gegen Mitte des 15.Jahrhunderts unter besonderer

Berücksichtigung Papst Eugens IV.,weiterer Judenpogrome und des Deutschen

Ritterordens

»Eugen IV. (1431–1449). Der tief fromme, viel-leicht für seine neue Aufgabe zu sehr mön-chisch-strenge, durch Güte und Wohltätigkeitausgezeichnete neue Papst sollte eine Regie-rungszeit ganz eigener Art haben.«

Wilhelm Neuss1

»Selten hat die Regierung eines andern Papstsüber die Provinzen der römischen Kirche glei-che Verwüstung und gleiches Unheil gebracht.Die vom Kriege gegeißelten Landschaften, dieverheerten und zertrümmerten Städte, die ver-wüsteten Äcker, die von Räubern vergewaltigtenStraßen, mehr als fünfzig teils zerstörte, teilsvon Kriegsknechten geplünderten Orte habenjede Art der Wut erfahren. Viele Bürger sindnach der Vernichtung ihrer Stadt als Sklavenverkauft, viele in Kerkern durch Hunger umge-kommen.«

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7.414 Deschner Bd. 8, 2227. Kapitel

Poggio Bracciolini, italienischer Humanist undpäpstlicher Sekretär unter Eugen IV.2

»Die Kriege im Kirchenstaat unter diesem Papstwaren überhaupt so vernichtend wie wenige vor-her.« »Der tägliche Anblick von Köpfen oderGliedern gevierteilter Menschen, welche an denToren festgenagelt oder in Käfigen oder aufLanzen ausgestellt waren, oder das täglicheSchauspiel von Verbrechern, die man in dieKerker und auf die Richtplätze abführte, mochteselbst die abgehärteten Nerven der damals Le-benden erschüttern.«

Ferdinand Gregorovius3

»Die Juden leben wegen ihrer Schuld in ewigerKnechtschaft. Die Herren können ihnen daheralles wegnehmen und ihnen nur das Lebensnot-wendige lassen ...«

Thomas von Aquin4

»Man müsse endlich reinen Tisch machen. AlleJuden solle man als Feinde des Glaubens aufSchiffe laden und auf offener See ertränken.«

Empfehlung des hl. Johannes Capestrano5

»In seinen eigenen Gebieten errichtet der Ordeneine Gewaltherrschaft, der sich auch der Klerus,›sein‹ Klerus, zu beugen hat. Ein Bischof wirdin einem Gewölbe der Kirche von Tapiau bei

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7.415 Deschner Bd. 8, 2227. Kapitel

Königsberg an die Wand geschmiedet, zwei Rit-ter müssen seinen Hungertod beobachten.« »Dieuns seit 1939 – seit Besetzung Polens – wohlbe-kannten Verbrechen gegen die Menschlichkeit,die hier mehr als zweihundert Jahre lang perma-nent praktiziert werden, sind Genocid, also Völ-kermord, Ausrottung von Stämmen; Verschlep-pung von Frauen und Kindern; Versklavung derarbeitsfähigen Bevölkerung und bewußte Aus-rottung der führenden Oberschicht.«

Friedrich Heer6

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7.416 Deschner Bd. 8, 223Konzil contra Papst

Die christliche Kirche steckte im Spätmittelalter in soverrotteten Verhältnissen, in einem so schweren geist-lichen und weltlichen Verfall, daß aus ihr selber derRuf nach Reform immer lauter erscholl. Allerdingskam er nicht aus den Reihen des höheren Klerus odergar aus den Kreisen um den Papst, deren Macht- undGeldgier die Kritiker ja gerade mobilisierte – undauch immer wieder scheitern ließ. Zwar wollte dasKonzil von Konstanz, wie schon die Pisaner Synode,auch die causa reformationis behandeln, doch wurdesie, ungeachtet seiner fünf Reformdekrete, völligüberschattet vom Schismaproblem und der Frage derKirchenverfassung, des Konziliarismus.7

Konzil contra Papst

Unter Konziliarismus versteht man die Lehre vom all-gemeinen Konzil als höchster kirchlicher Instanz, derauch der Papst unterworfen ist; entweder grundsätz-lich, beim strikten, extremen Konziliarismus, oder nurin bestimmten Fällen, beim gemäßigten Konziliaris-mus. Die erste Auffassung beinhaltet eine Art Demo-kratisierung, eine Entmachtung des primatialen Ran-ges, der Souveränität des Papstes, die andere tastetdiese nur in Ausnahmesituationen an; dazwischen ent-

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7.417 Deschner Bd. 8, 224Konzil contra Papst

wickelten sich mannigfache Spielarten. Gefördertwurde die konziliare Idee vor allem von namhaftenTheologen wie Marsilius von Padua, Wilhelm vonOckham, Konrad von Gelnhausen, Dietrich vonNiem, Franciscus Zabarella, Pierre d'Ailly, Jean deGerson, wurde unterstützt aber auch von Fürsten wieFriedrich II. oder Ludwig dem Bayern.

Die Konstanzer Kirchenversammlung bestimmteam 6. April 1415 durch das Dekret »Haec sancta« dieSuperiorität des Konzils in Glaubensfragen, in Fragendes Schismas sowie der Kirchenreform in capite etmembris. Das Basler Konzil (1431–1437/1449), daslängste der Kirchengeschichte, das die größte Streit-schriftenflut vor der Reformation auslöste und sich fürdie vom Hl. Geist geleitete rechtmäßige Vertretungder ganzen Kirche hielt, verschärfte den Konziliaris-mus noch. Es bestand auf konziliare Unfehlbarkeitund dogmatisierte am 16. Mai 1439 in dem Beschlußüber die »Drei Wahrheiten« den bereits im Konstan-zer Dekret »Haec sancta« verordneten Vorrang desGeneralkonzils als »veritas fidei catholicae«.

Damit war die Kulmination des Konziliarismus er-reicht, dem jedoch bald seine Zurückdrängung undder Sieg des monarchisch-hierarchischen Systemsfolgte, auch wenn der korporativ-konziliaristische Ge-danke bei namhaften Theologen des 15. und 16. Jahr-hunderts weiterlebte, besonders im Gallikanismus,

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7.418 Deschner Bd. 8, 225Konzil contra Papst

partiell im Jansenismus, im Episkopalismus, bei denAltkatholiken, ja im 20. Jahrhundert in Verbindungmit dem Zweiten Vaticanum wieder diskutiert wordenist.8

Zwischen dem Basler Konzil und dem NachfolgerMartins V., dem venezianischen Kaufmannssohn Ga-briele Condulmer, der sich Eugen IV. nannte, began-nen allmählich immer schärfere Zerwürfnisse, ging esdoch, worum es in der Politik freilich immer geht, umdie Macht.

Eugen IV. (1431–1447) war durch Gregor XII.,seinen Onkel, 1407 Bischof, 1408 Kardinal, dann, alsKompromißkandidat zwischen den Colonna und Or-sini, selbst Papst geworden. Schroff, undiplomatisch,eifersüchtig auf seine Prärogativen bedacht, die mitallen Mitteln verteidigte papale plenitudo potestatis,arbeitete er während seines ganzen stürmischen Ponti-fikats im stetig wachsenden Konflikt gegen die konzi-liaristischen Kräfte der Basler.

Zugleich wandte sich Eugen wider die teilweiseweitgehend modifiziert darauf fußende PragmatischeSanktion, eine am 7. Juli 1438 von Karl VII. auf-grund einer französischen Klerusversammlung inBourges erlassene und den Interessen der Krone ange-paßte Ordonnance. In diesen Verfügungen lavierte derKönig zwischen Konzil und Papst und schuf so, ohnejede formelle Festlegung, eine gallikanische National-

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7.419 Deschner Bd. 8, 225Konzil contra Papst

kirche. Die von Frankreich an die Kurie gelangendenGelder gingen darauf um 20 Prozent zurück.

Dessen ungeachtet introduzierte Eugen IV. gegen-über dem korporativen Verfassungsprinzip den Tri-umph der antikonziliaristischen papalen Idee. Er löstedas Konzil im Dezember 1431 auf, anerkannte eszwar, in Italien militärisch massiv bedrängt, zweiJahre später unter demütigenden Wendungen erneut,verlegte aber die Versammlung als Gegensynode erstnach Ferrara, dann nach Florenz. Und von dort ausbeleidigte man die Basler Prälaten als »Bettlerpack,vulgäre Kerle vom niedrigsten Bodensatz des Klerus,Abtrünnige, blasphemische Rebellen, Gotteslästerer,Galgenvögel, Männer, die ohne Ausnahme nur verdie-nen, zum Teufel zurückgejagt zu werden, von dem siegekommen sind«.

Das derart denunzierte Rumpfkonzil in Basel setzteden Papst am 25. Juni 1439 als Schismatiker und Hä-retiker ab, forderte jedoch vergeblich ein bewaffnetesEinschreiten gegen ihn und wählte am 5. Novembereinen anderen Pontifex, womit man ein neues Schismahatte.9

Felix V. (1439–1449), wie sich der verwitweteHerzog Amadeus VIII. von Savoyen, ein Laie, nunnannte, wurde der bisher letzte Gegenpapst. Währendseiner Amtszeit meist in Lausanne residierend, hatteer offenbar mehr erhofft. Er sah sich ungenügend mit

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7.420 Deschner Bd. 8, 225Konzil contra Papst

Pfründen und Rechten ausgestattet, bekam zudemselbst Probleme mit dem radikalen Konziliarismusder (seit Sommer 1448 in Lausanne tagenden) BaslerSynodalen, die ihrerseits wieder finanziell und poli-tisch enttäuscht von Papst Felix waren. Kurz vor deram 25. April 1449 beschlossenen Auflösung desKonzils trat er zurück. Nikolaus V. (1447–1455) er-nannte den Exrivalen zum Kardinalbischof von Sabi-na, zum ständigen Legaten für Savoyen, für den Be-reich seiner einstigen Obödienz, und erkannte ihm ausder apostolischen Kammer eine hohe lebenslangeRente zu, die er freilich nicht lang genoß. Schon am7. Januar 1451 starb er in Genf als »Einsiedler«(Knöpfler), vermutlich der reichste Einsiedler, der jegelebt.10

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7.421 Deschner Bd. 8, 226Großes Köpferollen unter Kardinal Giovanni ...

Großes Köpferollen unter Kardinal GiovanniVitelleschi, dem »geliebten Sohn« des Papstes

In Italien, von Tumulten und Waffengängen über-wogt, die das Land noch fast hundert Jahre heimsu-chen sollten, stritt inzwischen Papst Eugen IV. (des-sen Sippe eine große Rolle im mittelmeerischen Tuch-geschäft spielte, doch auch mehrere Prälaten stellte)zunächst an der Seite von Venedig und Florenz, dengrößten Handelszentren. Hauptgegner: Mailand undNeapel, vor allem Filippo Maria Visconti, der Herzogvon Mailand, aber auch die Colonna, die Nepoten sei-nes Vorgängers, die er, der Nepot Gregors XII., undselbst wieder eifriger Förderer der eigenen NepotenGiovanni Francesco und Marco, noch im Mai 1431bannte und im Kirchenstaat sogleich mit Krieg über-zog.

Martin V., der Vorgänger, hatte seine Verwandtenmit gewaltigen Gebieten beglückt, die ihnen nun derNachfolger wieder entriß, wobei in Rom durch einen»Hochverratsprozeß« über zweihundert Menschenumkamen, teils im Kerker, teils auf dem Schafott. DieColonna, die Eugen zu ermorden planten, der Vis-conti, das Konzil von Basel, sie alle hatten den Auf-stand gegen ihn geschürt, die Römer wieder einmaldie Republik ausgerufen. So mußte der Papst in ent-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.422 Deschner Bd. 8, 227Großes Köpferollen unter Kardinal Giovanni ...

würdigender, doch angemessener Weise und trotz sei-ner Verkleidung als Mönch erkannt, verfolgt, bewor-fen und beschossen im Juni 1434 mit dem SeepiratenVitellius von Ischia in einem Kahn auf dem Tiberfliehen.11

Während seines neunjährigen Exils, zumeist inFlorenz, führte in Rom und dem Kirchenstaat Giovan-ni Vitelleschi, sein »geliebter Sohn«, ein einstiger»Räuberhauptmann« (Kühner) und zeitlebens »grau-samer, skrupelloser Kriegsmann« (Seppelt), den er1437 zum Kardinal ernannte, ein Terrorregiment. Inlangjährigen Kämpfen rottete er aus, was ihm wider-stand. Mit Feuer und Schwert, mit 4000 Reitern und2000 Fußknechten rang er seine Gegner nieder, ließihnen reihum die Köpfe abschlagen, gelegentlicheinen, den Grafen Antonio Scantino, an einem Oli-venbaum hängen, einen anderen, einen gewissen Pon-celletto, durch Rom schleifen, mit glühenden Zangenzwicken, dann vierteilen, den Abt von Monte Cassinoim Kerker krepieren; er ermordete aber auch mit eige-ner Hand Pietro Gentile, den er nach Recanati gelocktund erwürgt hat – und gewann den Kirchenstaat gro-ßenteils zurück.

Die päpstlichen Truppen eroberten alle Kastelle derPräfekten von Vico (S. 54), und 1434 legte GiovanniVitelleschi seinem Herrn mit Hilfe der Orsini auchRom zu Füßen. Im nächsten Jahr ließ er den letzten

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7.423 Deschner Bd. 8, 227Großes Köpferollen unter Kardinal Giovanni ...

Exponenten dieses alten germanischen, den Päpstenstets todfeindlichen Geschlechts, den rebellischenStadtpräfekten Giovanni di Vico, einen Bundesgenos-sen der Colonna, köpfen, worauf Eugen dessen Güterkassierte und seinem geliebten Sohn Vitelleschi dasErzbistum Florenz und die Patriarchenwürde verlieh.1437 machte der brutale Prälat das ausgehungerte Pa-lestrina, die Hauptstadt der Colonna, dem Erdbodengleich und errang durch die Gefangennahme AntonioOrsinis, des Fürsten von Tarent, den Kardinalspurpur.

Noch gründlicher als dies einst unter Bonifaz VIII.geschah (VII 389 ff.!), ruinierte Vitelleschi Palestrina,riß auch dessen Dom ein und verwendete die marmor-nen Portale für einen eigenen Palast. Im steten Krieggegen die Barone zerstörte er weiter die von LorenzoColonna verteidigte Festung Zagarolo bis auf denGrund; besiegte Niccolò Savelli, dessen uralteStammburg bei Albano er schleifen ließ; besiegteebenso nach monatelanger Belagerung Folignos Cor-rado Trinci. Nicht viel später wurde Corrado nebstseinen Söhnen Ugolino und Niccolò hingerichtet, unddas Haus Trinci, das in den letzten hundert Jahrenauch einige Bischöfe gestellt, starb aus.

Dies erlebte Giovanni Vitelleschi allerdings nichtmehr. War der purpurgekrönte Haudegen doch inzwi-schen wegen seiner stets wachsenden Macht bei PapstEugen in Ungnade gefallen und selber als Gefangener

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7.424 Deschner Bd. 8, 228Großes Köpferollen unter Kardinal Giovanni ...

in der Engelsburg entweder einer Verwundung erle-gen oder ermordet worden. Der Vogt der Burg, Anto-nio Rido, hatte einen »schriftlichen Befehl des Papsts,sich Vitelleschis lebend oder tot zu bemächtigen«(Gregorovius). Eugen aber kassierte die Burgen undGüter des getöteten Kardinals sowie eine SummeGeld (mit Kleinodien) von 300000 Dukaten.

Das Lexikon für Theologie und Kirche verzichtetin seiner 3., völlig neu bearbeiteten Auflage 2001 aufGiovanni Vitelleschi ganz und gar – undankbarer-weise angesichts all seiner Verdienste, stellte er ja, sodie erste Auflage 1938, »als Legat Eugens IV. Okto-ber 1434 die päpstliche Herrschaft über Rom wiederher ...« Und über einen großen Teil des Kirchenstaa-tes.12

Nachfolger Vitelleschis wurde Eugens neuerGünstling, der Kardinal Scarampo, gleichfalls einMensch schlimmster Sorte, der in Rom täglich Hin-richtungen vornehmen ließ. Doch Raub, Blutrache,Greuel aller Art erfüllten die Stadt. Sogar Geistlichedes Laterans stahlen die Edelsteine von den Hüllender angeblichen Apostelhäupter, wurden darauf tage-lang in einem Käfig auf dem Campo di Fiore zurSchau gestellt, dann gehängt bzw. verbrannt.

Eugen IV., der ehemalige Augustiner-Eremit, wirdgewöhnlich als ehrfurchteinflößende Erscheinung hin-gestellt, als Asket, »mönchisch ernst« (Seppelt), »sit-

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7.425 Deschner Bd. 8, 228Großes Köpferollen unter Kardinal Giovanni ...

tenstreng« (Schuchert/Schütte), »äußerst fromm«(Kelly), »heiliger Ordensmann« (Schnürer), »durchGüte und Wohltätigkeit ausgezeichnet« (Neuss).Doch selbst das katholische Lexikon für Theologieund Kirche (1995) attestiert ihm »brutale Gewaltan-wendung«. Als beispielsweise der heiligmäßig ge-nannte Karmeliter Thomas Conecte die völlig ver-kommene Moral der Kurie öffentlich geißelte, ließ ihnder Heilige Vater foltern und verbrennen. Wie er dennauch bei seinen Kriegen im Kirchenstaat ranke vollund treulos war, je nach Umständen mit seinen Freun-den und gegen sie kämpfte, Freunde zu wilden Fein-den und Gegner zu Bundesgenossen machte.13

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7.426 Deschner Bd. 8, 229Eugens Kirchenunion

Eugens Kirchenunion

Als Höhepunkt dieser päpstlichen Regierung gilt dieKirchenunion mit Byzanz auf dem Konzil von Ferra-ra-Florenz (1437–1439). Doch war die Sache nur fürden Papst selbst ein Erfolg.

Der byzantinische Kaiser Johannes VIII. Palaiolo-gos (1425–1448) hatte bereits persönlich, bedrängtvon den schon 1422 Konstantinopel belagernden Os-manen, 1423 im Auftrag seines Vaters Manuel II. mi-litärischen Beistand von Ungarn und Venedig erbeten,allerdings vergeblich. Als aber in den folgenden Jah-ren die Attacken der Türken zunahmen, verhandeltedas stets mehr bedrohte Byzanz erneut mit dem We-sten, wobei das Unionsproblem ein Politikum wurdezwischen Papst und Basler Konzil. Beide Konkurren-ten umwarben die Griechen, beide schickten eineFlottille, und noch unmittelbar vor der Abfahrt wußtedie griechische Delegation nicht, mit wem sie fahrenwürde, bis am 18. Oktober 1437 der Basileus, 20Metropoliten und ein Schwarm von Mönchen, insge-samt 700 Personen, Eugens Schiffe bestiegen.14

Die Ostchristen trieb ohne Zweifel nicht religiöseÜberzeugung, sondern die stets größere Gefahr, dasSchutzbedürfnis, das Schrumpfen ihres Reiches, dieTürkennot. Byzanz brauchte Truppen, einen heiligen

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.427 Deschner Bd. 8, 229Eugens Kirchenunion

Krieg; das Zukreuzekriechen bei den Römern war einreiner Verzweiflungsakt. Papst Eugen aber, der dieKirchenunion, einen beträchtlichen Prestige- undMachtgewinn auch gegenüber den Baslern erhoffte,nutzte einfach die Lage.

Nach langem dogmatisch-theologischem Gefeilsch(um Primat, Fegfeuer, das Filioque zumal, wonachder Hl. Geist »aus dem Vater und dem Sohn« hervor-geht und man endlich sowohl »a filio« als auch »perfilium« akzeptiert), nach politischem, nach finanziel-lem Druck, nach mancherlei Demütigungen und Uner-quicklichkeiten unterzeichnete man am 5. Juli 1439das Einigungsdekret »Laetentur coeli«, die sogenann-te Florentiner Union. 117 Lateiner signierten und 33Griechen, nur zwei von ihnen weigerten sich. Dochdie Sache hatte bloß kurzen Bestand; 1472 wurde siefeierlich und förmlich von der Ostkirche verworfen.15

Die Lateiner begingen das Ereignis mit einer latei-nischen Messe, schlugen aber die von Kaiser Johan-nes erbetene Beteiligung an einer griechischen Eucha-ristiefeier brüsk ab. Der Westen bestimmte wieimmer, wenn er die Macht hat. Die Stimmung der By-zantiner jedoch war gedrückt. Die Mehrzahl der Un-terzeichner kehrte verbittert heim, beschämt und wi-derrief auch. Ja, Kaiser Johannes VIII. promulgiertein Konstantinopel, wo einer wachsenden Oppositiondas Florentinum als Verrat galt, die Union bis zuletzt

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7.428 Deschner Bd. 8, 230Eugens Kirchenunion

nicht.Als aber nach Johannes' Tod sein Bruder und

Nachfolger Konstantin XI., der letzte, 1453 imKampf um Konstantinopel fallende Kaiser von By-zanz, kurz zuvor die Union doch verkündete, so –völlig vergeblich – auf eine leichter erreichbare west-liche Militärhilfe hoffend, erregte er einmütige Miß-billigung. Soll doch sogar einer der höchsten christli-chen Würdenträger des Reiches erklärt haben: »Lie-ber wollen wir die Macht des türkischen Turbans alsdiejenige der lateinischen Tiara in unserer Stadtsehen.«16

Verwundert es? Die Byzantiner hegten einen tiefenArgwohn gegen den Westen. Das grauenhafte Mordenund Plündern nach der Einnahme Konstantinopelsdurch die Kreuzfahrer 1204 (VII 95 ff.!) war unver-gessen. Wer aber wußte, wohin eine Hilfe des We-stens gegen die Türken führte? Vielleicht nicht nurzur Gefährdung der byzantinischen Orthodoxie, son-dern zur Gefährdung des byzantinischen Staates über-haupt? Vielleicht würde die lateinische Herrschaftschlimmer als die türkische sein? Würde sie nicht dieBefreiung, sondern die dauernde Knechtung durch denPapismus samt Anhang bringen, die vollständige La-tinisierung des Griechentums?

Ansätze dazu gab es. Begann doch gerade unterEugen IV. als unmittelbare Folge der Kirchenunion

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7.429 Deschner Bd. 8, 230Eugens Kirchenunion

eine jahrzehntelange Kreuzzugspolitik gegen das im14. und 15. Jahrhundert zur Großmacht aufgestiegeneReich der Osmanen, dessen Gegenkreuzzüge längstbegonnen hatten.17

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7.430 Deschner Bd. 8, 231Die Türken vernichten Byzanz

Die Türken vernichten Byzanz

Schon um 1300 sind viele kleinasiatische ProvinzenKonstantinopels türkisch. Dann gehen auch ihre altenMetropolen dort verloren, 1326 Prusa, 1331 Nikeia,1337 Nikomedeia. Bereits 1352 erobern die Invaso-ren am Marmarameer die erste Festung auf dem Bal-kan. In verhältnismäßig rascher Folge nehmen sie1354 das Dardanellenkastell Gallipoli, 1362 Adria-nopel, wo nun, rund 100 Kilometer im Rücken vonKonstantinopel, der osmanische Sultan residiert.1371 wird der König von Bulgarien türkischer Va-sall. 1387 gewinnen die Aggressoren Thessaloniki,1395 definitiv das ihnen schon vordem großenteilstributpflichtige Makedonien.

1389 triumphieren die Türken in der so berühmtenwie blutigen Schlacht von Kosovo polje (Amselfeld),der »serbischen Götterdämmerung«. Philippe de Mé-zières, der zeitgenössische französische Autor, Planerder »Militia Passionis« und einflußreicher Verfechterdes Kreuzzugsgedankens, spricht von 20000 Toten,auch beide Heerführer darunter. Der später schreiben-de türkische Chronist Nešri notiert: »Berge von Lei-chen erhoben sich auf dem Schlachtfeld, Köpfe fielenauf die Erde wie Sand ...«

Die Türken beherrschten nach diesem Debakel denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.431 Deschner Bd. 8, 231Die Türken vernichten Byzanz

gesamten Balkan.Natürlich zogen die Christen immer wieder einmal

gegen den ungläubigen Koloß, dessen Soldateska dieschlagkräftigste Militärmaschine Europas war unddessen Eliteverbände (Janitscharen), aus zwangsbe-kehrten Söhnen christlicher Untertanen rekrutiert, fürden Kampf überragende Bedeutung hatten. Die Euro-päer freilich sahen in diesen mit den Parolen, denSymbolen der Kreuzzüge geführten Kriegen langenichts anderes als eine Fortsetzung ihrer bewaffnetenWallfahrten von einst.

Nur wenige Jahre nach dem serbischen Fiasko aufdem Kosovo polje, im Sommer 1396, führte KönigSigismund von Ungarn einen gesamteuropäischen,von beiden Päpsten autorisierten Kreuzzug, eines derletzten Kreuzritterheere überhaupt, längs der unterenDonau gegen die Festung Nikopolis und in ein Desa-ster. Die Christen, etwa 10000 ungarische, italieni-sche, deutsche, französische Ritter, waren der feindli-chen Armee unter dem ersten Osmanensultan BayezidI. weder organisatorisch noch disziplinarisch, nochtaktisch gewachsen, machten die gleichen militäri-schen Fehler »wie schon vor dreihundert Jahren«(Heer), hatten »in all den Jahrhunderten nichts ge-lernt« (Runciman).

Sigismund selbst entkam knapp. Gefangene konn-ten sich, falls sie überlebten, nur durch riesige Löse-

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7.432 Deschner Bd. 8, 232Die Türken vernichten Byzanz

gelder freikaufen. Tausende waren wieder gefallen,darunter Jean de Vienne, der Admiral von Frankreich,ein lebenslanger Krieger, noch im Tod das ihm anver-traute Marienbanner umkrallend.

Mit dieser den Siegern das Innere des Balkans er-schließenden Schlacht begann ganz Europa die Panikvor den Türken zu erfassen, begann der lang anhalten-de Mythos ihrer Unschlagbarkeit, wurde der heidni-sche Abschaum aus dem Osten mit Gog und Magogidentifiziert, einer Art Manifestation des Teufelsrei-ches.18

Eine Kreuzbulle jagt nun die andere.Registrieren wir einmal, ohne Vollständigkeit an-

zustreben, nur Kreuzbullen aus den ersten Jahrzehn-ten des 15. Jahrhunderts, auch wenn längst nicht alleden Türken oder Mauren gelten und auch nicht jederAufruf befolgt wird.

1400 Kreuzbulle zugunsten Kaiser Manuels II. Pa-laiologos gegen die Türken

1405 Kreuzbulle gegen Tamerlan (Timur) 1405Kreuzbulle zugunsten König Sigismunds vonUngarn gegen die Türken

1411 Kreuzbulle Gregors XII. gegen seinen Neben-buhler Johann XXIII.

1413 Kreuzbulle Johanns XXIII. gegen König Ladis-laus von Neapel

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7.433 Deschner Bd. 8, 233Die Türken vernichten Byzanz

1420 Kreuzbulle gegen die Hussiten1421 Kreuzbulle gegen die Hussiten1427 Kreuzbulle gegen die Hussiten1431 Zwei Kreuzbullen gegen die Hussiten1434 Kreuzbulle für Albanien gegen die Türken1436 Kreuzbulle für den König von Portugal gegen

die Mauren1437 Kreuzbulle für den König von Kastilien gegen

Granada1438 Kreuzbulle für Ungarn gegen die Türken1442 Kreuzbulle für den König von Portugal gegen

die Mauren1443 Kreuzbulle für den König von Portugal gegen

die Mauren.19

1443 folgt auch eine Kreuzbulle für die ganze Chri-stenheit gegen die Türken. Ein von Papst Eugen IV.angestrebter Zug sollte die Aggressoren aus Europajagen. Der polnisch-ungarische König Wladislaw III.Jagiello und sein Truppenführer Johannes Hunyadi,der 1443 an der Spitze eines Kreuzzugverbandes bisSofia vordrang, hatten bereits mehrere Erfolge widerdie Türken errungen und mit diesen am 1. August1444 einen vorteilhaften Frieden geschlossen. Aufge-stachelt jedoch von dem päpstlichen Legaten GiulianoCesarini, kündigte man den Frieden und erlitt am 10.November bei Varna gegen die von Sultan Murad II.

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7.434 Deschner Bd. 8, 233Die Türken vernichten Byzanz

befehligte Osmanenarmee eine katastrophale Nieder-lage. König Wladislaw III., der päpstliche Legat, aberauch 30000 Türken fanden den Tod.20

Es folgen weitere Kreuzbullen gegen die Verhaß-ten, 1448 aber verlieren die Christen, was großesAufsehen erregt, eine zweite Schlacht auf dem Koso-vo polje. Und am 29. Mai 1453 verlieren sie sogarKonstantinopel. Vom Westen weitgehend im Stichgelassen, nur von einigen venezianischen Galeerenund ein paar hundert Seeräubern unter dem damalsfallenden berühmten genuesischen Piraten GiovanniGiustiniani unterstützt, dringen nach fast achtwöchi-ger Belagerung 150000, 265000 oder noch mehr Tür-ken unter Allah-Geschrei in Konstantinopel ein. Sul-tan Mehmet II. reitet hoch zu Roß in die einst vonKaiser Justinian erbaute Hagia Sophia (II 371), aufder Kanzel erschallt das Lob des Propheten, Tausendevon Christen werden ausgeraubt, geschändet, abgesto-chen, 50000 in die Sklaverei geführt.

Mit diesen Schlägen war Byzanz vernichtet, dasSchicksal des oströmischen Reiches ebenso besiegeltwie das des Balkans, auch wenn am 22. Juli 1456 das»Wunder von Belgrad« geschah und Johannes Hun-yadi, knapp drei Wochen danach ein Opfer der Pest,mit einem zusammengewürfelten, doch überwiegendungarischen Kreuzfahrerhaufen den Ansturm der Tür-ken auf die Stadt abwehren konnte.

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7.435 Deschner Bd. 8, 233Die Türken vernichten Byzanz

Einen »erheblichen Anteil« an Belgrads Rettungschreibt nicht nur das Lexikon des Mittelalters Johan-nes Capestrano zu, dem hl. Judenverfolger und -ver-brenner (S. 246 ff.), ging er doch mitten im dichtestenKampfgewühl mit dem Kruzifix in der Hand vorwärtsund rief »so laut er konnte«, wie Ludwig Donin inseinem vielbändigen Werk über die »Heiligen Got-tes« festhält: »Sieg – Jesus! Sieg«, und befahl auchals »Führer, Oberster und Commandant der Kreuzt-ruppen« seinen Soldaten denselben Schrei. 1521 al-lerdings nehmen die Ungläubigen Belgrad, dessenstrategische Bedeutung durch die Türkenkriegewächst, endgültig ein. 1529 stehen sie vor Wien, der,so türkische Chronisten, »goldenen Stadt des We-stens«. Und 1683 stehen sie noch einmal vor ihr.21

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7.436 Deschner Bd. 8, 234Der hundertjährige Krieg (1327–1453) geht zu ...

Der hundertjährige Krieg (1327–1453) geht zuEnde

1453, im selben Jahr, in dem Konstantinopel in dieHand des Islam gerät, endet auch der HundertjährigeKrieg. Während die Türken Byzanz und den Balkanerobern und die dortigen Christen vergebens wirksa-me Hilfe vom Westen erhoffen, bekriegen sich Frank-reich und England immer von neuem gegenseitig.

Zwar schien um die Wende zum 15. Jahrhundertder Konflikt einzuschlafen, ja 1396 kam gar eine Hei-ratsverbindung zwischen der Tochter des französi-schen Königs Karl VI., der siebenjährigen Isabella,und König Richard II. zustande; doch fand dieser be-reits Anfang 1400 in der Gefangenschaft Heinrichs V.den Tod. Und im August 1415 erfolgte mit 1400Schiffen in der Seinemündung die englische Invasion.Nur unter großen Anstrengungen wurde der befestigteKriegshafen und Flottenstützpunkt Harfleur genom-men (1450 von den Franzosen zurückgewonnen),wurden etwa 8000 Einwohner vertrieben und Englän-der angesiedelt.

Noch im selben Jahr, am 25. Oktober 1415, schlugin einer der bekanntesten Schlachten des Krieges einzahlenmäßig weit unterlegenes englisches Heer einfranzösisches bei Agincourt (frz. Azincourt), nördlichKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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von Hesdin, vor allem dank der englischen Bogen-schützen (Archers). Sie konnten bis zu zwölf Pfeilepro Minute abschießen, noch aus 200 Meter Entfer-nung eine Panzerrüstung durchbohren und wurdenerst im späten 16. Jahrhundert durch die Handfeuer-waffen abgelöst. Der verheerende Pfeilregen zurrte beiAgincourt die Reiterei Karls VI. auf der regennassenErde förmlich fest, und die folgende KavallerieattackeHeinrichs V. fegte sie völlig zu Boden. Die Englän-der, die, auf Befehl ihres Königs, außer Fürsten, keineGefangene machten, hatten nur geringe Verluste, dieFranzosen Tausende von Toten, darunter mehrereHerzöge. Auch 1424 nach der Schlacht von Verneuil(Normandie), vor der beide Seiten gelobten, keine Ge-fangenen zu machen, prahlte ein englisches Sieges-bulletin mit 7262 getöteten Gegnern.

Die außen- und innenpolitischen Folgen dieser Ka-tastrophen lähmten Frankreich für eine Generationund brachten große Teile der Normandie unter engli-sche Kontrolle. Erst bis 1453 konnte Karl VII. allevon den Briten beherrschten Territorien auf dem Fest-land, mit Ausnahme von Calais, erobern und denHundertjährigen Krieg unformell beenden.22

Wir lassen die weiteren Christengemetzel der ge-waltigen englisch-französischen Konfrontation ebensoauf sich beruhen wie die Tatsache, daß der lange,Frankreich furchtbar verheerende und zerfleischende

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Konflikt durch das Wechselspiel der Bedürfnisseauch andere europäische Länder stark in Mitleiden-schaft zog: Schottland, Kastilien, Portugal, die nieder-ländischen Provinzen. Während aber im Osten die is-lamischen Osmanen anrannten, schlugen im Westennicht nur christliche Engländer und christliche Fran-zosen einander blutig, sondern tobten auch in ihren ei-genen Ländern Bürgerkriege, fielen Engländer überEngländer her und Franzosen über Franzosen.23

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Peasants' Revolt

So war es in England bereits im Frühjahr 1381 zurPeasants' Revolt, zu Wat Tylers Rebellion, gekom-men, der ersten großen Sozialerhebung in der engli-schen Geschichte. Denn wie so oft war auch dies nichtnur ein Bauernaufruhr, hatte es Unruhen anderer Un-terdrückter, soziale Zusammenstöße gerade in denStädten, hatte es seit je eine große Stadtarmut gege-ben, schließlich wider die Werktätigen gerichtete »Ar-beiter«-Statute, endlich auch Versammlungsverbotevon »congregations, conventicles and assemblies«ohne obrigkeitliche Erlaubnis. Und natürlich gab esBauernaufstände auch in England schon vordem.Doch wurden sie immer wieder, besonders von denKlöstern, den auf Wahrung und Mehrung ihrer»Rechte« bedachten Äbten, mit eiserner Hand und derHilfe des Königs niedergerungen. Und nicht sehr vielanders sollte die Sache auch jetzt verlaufen.

Die durch die Leibeigenschaft, die Hörigkeit, denSteuerdruck (wegen Wiederbeginn des Krieges gegenFrankreich unter Richard II.) und durch die hohenFeudallasten Ausgebeuteten hatten sich erhoben, häu-fig von der bäuerlichen Oberschicht und niederenGeistlichen geleitet. Der Aufruhr, der viele Grafschaf-ten erfaßte und oft mit der Abstechung von Steuerein-

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nehmern, der Verbrennung der Steuerlisten, der Fron-dienstverzeichnisse begann, galt den Verursachern derwirtschaftlichen Not, den Besitzern der großen Lati-fundien. Er zeigte von Beginn an scharfe antifeudaleZüge, die Wut besonders gegen die Kirche, die einDrittel des Landes besessen haben soll, bekundete dieEmpörung gegen Bischöfe, Äbte, die reichen Konven-te zumal, die man beraubte, ruinierte, deren Vieh manforttrieb.

In London hatte auch ein Teil der Bevölkerung, be-sonders das Proletariat revoltiert, ähnlich in Cam-bridge, wo man u.a. das Corpus Christi College angriff. Unruhen gab es auch in Norfolk und Suffolk. DasHaupt des Priors von Bury St. Edmunds fiel. DieKöpfe vieler Hochgestellter rollten. Auch ErzbischofSimon Sudbury von Canterbury, seit dem Vorjahr zu-gleich Kanzler, wurde von der Menge aus der Kapelledes Tower, in der er Zuflucht gesucht, gezerrt und ge-köpft, sein Sitz, Lambeth Palace, zerstört; ähnlich dasHaus des Schatzkanzlers, zugleich Prior des Hospital-ritterordens, und auch dessen Besitzungen in Schuttund Asche gelegt.

In seltsamer Verblendung richtet sich der Zorn derRebellen nie gegen den König, die »Verkörperung derGerechtigkeit«. Entsprechend verfuhr er. Unter demDruck der Empörer gestand der junge Richard II. ur-kundlich beglaubigt fast alles zu, was man von ihm

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verlangte, und bald darauf schlug er die Revolte imVerein mit dem Adel nieder, dabei unter anderen derkampflustige Bischof von Norwich, Henry Despenser(der wenig später auch einen katastrophalen »Kreuz-zug« nach Flandern führte).

Und nun fielen die Häupter der Erhebung, vorallem ihre beiden bedeutendsten Führer: Wat Tyler,am 15. Juni bei einer Begegnung mit König Richardermordet, der »Verkörperung der Gerechtigkeit«,sowie der Geistliche John Ball, von den Commons ein»gerechter und guter Mann« genannt, am 15. Juli,ebenfalls in Anwesenheit des Königs, gehängt, ausge-weidet, gevierteilt und sein Bild von der zeitgenössi-schen Kirche beschmutzt. Tyler hatte die Beseitigungaller Standesunterschiede und aller Bischofssitze, bisauf einen, gefordert, sowie die Konfiskation sämtli-cher Kirchengüter zugunsten der Laien. John Ball, beiBeginn des Aufstands aus einem Kenter Gefängnisbefreit, soll sogar zur Tötung aller Lords, Rechtsge-lehrten und königlichen Beamten aufgerufen haben (ineiner Predigt mit dem Auftakt: »Whan Adam dalf[grub] and Eve span / Wo [Wer] was thanne a gentil-man?«) Dies behauptet jedenfalls ein zeitgenössischerBenediktiner, der glühende Wyclif- und Lollardengeg-ner Thomas Walsingham. Ball forderte jedoch wederKommunismus noch Gütergemeinschaft, sondern eineArt christlicher Demokratie.

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»Kein Edelmann war seines Lebens und Gutesmehr sicher«, liest man in Pierers altem Universal-Le-xikon und erfährt dann, daß die Edelmänner selber dieschwierige Lage bereinigt haben »mit der Hinrichtungvon fast 1500 Rädelsführern«.24

Die nächsten Jahrzehnte galten in England u.a. demunterschiedlich scharf geführten Kampf gegen das»Ketzertum«, den Wyclifiten und den von ihnen starkbeeinflußten Lollarden, der einzigen größeren häreti-schen Bewegung des Landes.

Gestützt auf die Bibel in der Volkssprache, verwar-fen die Lollarden, die in allen Kreisen Anklang fan-den und bis ins 16. Jahrhundert fortdauerten, den Pri-mat des Papstes, die Sakramente, die Bilderverehr-ung, das Wallfahren und besonders den weltlichenKirchenbesitz, schätzten jedoch durchaus die staatli-che Autorität. Die zeitgenössischen Chronisten abereiferten gegen diese Christen ausnahmslos. Man fahn-dete nach ihnen, ihren Schriften, intensivierte mitihrer Zunahme kirchliche wie staatliche Verfolgungenund verschärfte die »Ketzer«-Gesetze. 1401 drohteman – es geschah zum erstenmal in England – Häreti-kern die Todesstrafe an. 1413/1414 brach eine Revol-te der Lollarden aus, am 15. Dezember 1417 wurdeihr Führer, Sir John Oldcastle, der einstige FreundHeinrichs V., am Galgen verbrannt.25

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Die Herren unter sich

In jenen Jahrzehnten entwickelte sich in England derKonflikt zwischen Königtum und Adel besonders in-struktiv. Zunächst unter Richard II. (1377–1399), dermehr Macht begehrte, unbeschränkte Königsgewalt.Also ließ er einige hochadlige Widersacher hinrichtenbzw. im Gefängnis ermorden, ließ den Erzbischof vonCanterbury, Thomas von Arundel (der als erster dieÜbersetzung der Bibel in lebende Sprachen verbot),verbannen, bevor schließlich ihn, den König, Hein-rich Bolingbroke (Heinrich IV.) im Juli 1399 gefan-gennahm, vom Thron stieß und augenscheinlich dafürsorgte, daß er im nächsten Jahr im Kerker umkam,nach einer unverbürgten Quelle durch Verhungern.

Heinrich IV. (1399–1413) setzte 1406 auch denschottischen König Jakob I. für 18 Jahre im LondonerTower fest, ließ nach seinem Freikauf seinen VetterDuke Murdoch samt dessen Familie töten und ihreGüter einziehen, bevor er selber 1437 als Opfer einesAdelskomplotts im Kloster Perth ermordet wurde.Heinrich IV. bekämpfte nicht nur die Wyclifiten, son-dern auch sich häufende Verschwörungen und Auf-stände im Innern, so 1400, 1403, 1405, 1408; u.a.eine Revolte des Erzbischofs von York, RichardScrope, den er hinrichten ließ, worauf man ihn als

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Märtyrer feierte.Drei Rebellionen lösten allein die Percies aus, eine

britische Hochadelsfamilie, der Heinrich sein König-tum mitverdankte. In der Schlacht von Shrewsbury(1403) fiel Henry »Hotspur«, einziger Sohn vonHenry, Earl of Northumberland, gegen den König.Zwei Tage darauf ließ dieser Thomas Percy, Earl ofWorcester, und andere Insurgenten töten. Und 1408kam auch Henry, Earl of Northumberland, in derSchlacht von Bramham Moor (Yorkshire) um. Hein-rich IV. unternahm mehrere Kriegszüge nach Schott-land sowie gegen den sich widersetzenden WaliserFürsten Owain Glyn Dŵr (Shakespeares »Glendo-wer«), dessen Familie in Gefangenschaft geriet, wäh-rend er selbst verschwand.26

Die Wirren, Unruhen, Adelsfehden reißen kaum ab.In der Mitte des Jahrhunderts kommt es in Kent zur»Jack Cade's Rebellion«, zum Sieg über ein königs-treues Heer, ziehen die Aufsässigen, meist Bauernund Handwerker, nach London, wo Heinrich VI.weicht und sein Großschatzmeister (Lord Treasurer)hingerichtet wird, bevor man auch John (Jack) Cadeam 12. Juli 1450 in Kent beseitigt. Kurz zuvor warauch William de la Pole, Duke of Suffolk, ein bisheri-ger Günstling des Königs, von diesem verbannt undam 2. Mai 1450 bei der Einschiffung nach Frankreichauf mysteriöse Weise getötet worden. (Seinen Enkel

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Edmund läßt 1513 Heinrich VIII. liquidieren.)Schließlich kommt Heinrich VI. in den Macht-

kämpfen der Königshäuser Lancaster (rote Rose) undYork (weiße Rose), den sogenannten Rosenkriegen(Wars of the Roses), mit mehr als 60 Wochen langenFeldzügen, Land- und Seeschlachten, wiederholt inGewahrsam und wird nach einem Gemetzel bei Tew-kesbury 1471, wo man viele kriegsgefangene Lordsund Ritter der Lancastrians über die Klinge springenläßt, selbst im Tower ermordet.27

Es geschah aber auch, daß verschiedene englischeFaktionen im französischen Bürgerkrieg mit rivalisie-renden Gruppen koalierten und, gemeinsam mit denFranzosen, gegeneinander fochten. So vor allem beidem großen Konflikt zwischen den Häusern Orléansund Burgund, den Armagnacs und Bourguignons,zwei im Frankreich des frühen 15. Jahrhunderts jahr-zehntelang sich erbittert befehdende Parteien.

Auf der einen Seite standen der Graf Bernhard VII.von Armagnac (1391–1418) und das ihm verschwä-gerte Haus Orléans, besonders Ludwig, Herzog vonOrléans, der jüngere Bruder des (seit 1392 zeitweisegeisteskranken, 1422 in tiefer Umnachtung sterben-den, doch beim Volk beliebten) Königs Karl VI. Aufder anderen Seite, bei den Bourguignons, stritt Her-zog Ludwigs Onkel, Herzog Philipp der Kühne, Be-gründer des Hauses Burgund, und nach dessen Tod

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(1404) setzte sein Sohn Herzog Johann »Ohnefurcht«(Jean »sans Peur«) den Kampf fort.

Johanns Anhänger ermordeten weisungsgemäß am23. November 1407 Herzog Ludwig von Orléansgrausam auf offener Straße; ein von Jean Petit, demPariser Theologen, in seiner berüchtigten »Justifica-tion« als »Tyrannenmord« öffentlich gerechtfertigtesVerbrechen. Der Burgunder hatte den Pariser Pfaffen,der »stets die herrschende Auffassung« vertrat, imJahr zuvor gekauft (feiner: als »besoldeten Rat in sei-nen Dienst« gestellt: Autrand). Und am 10. Septem-ber 1419 stachen Spießgesellen des Dauphins, desspäteren Königs Karl VII., in dessen Gegenwart undmit seiner Zustimmung, heimtückisch den Burgunder-herzog Johann »Ohnefurcht« bei Verhandlungen aufder Brücke von Montereau ab, 88 km südöstlich vonParis, als sich Johann vor dem Dauphin verneigte.Auch zwei von Johanns Begleitern fielen. Den Mör-dern des Herzogs aber zahlte der Dauphin hohe Pen-sionen.

Zwischen diesen Attentaten wogte der Bürgerkrieghin und her; unterstützte etwa Johann den Bischofvon Lüttich, Johann von Bayern »Ohnegnade« (»sansPitié«) 1408 in der blutigen Schlacht von Othéegegen dessen aufständische Diözesanen; wurde Parisbald von der einen, bald von der anderen Partei ge-nommen; wurde danach immer wieder in der Stadt ge-

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mordet, eingekerkert, verjagt; kam es u.a. zur brutalenBeseitigung des Connétable Armagnac, zu schwerensozialen Ausschreitungen, zu Massakern.28

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7.448 Deschner Bd. 8, 241Eine Hexe wird heilig

Eine Hexe wird heilig

Die »Symbolfigur« des französischen Widerstandesgegen England, die populärste Gestalt des Hundert-jährigen Krieges überhaupt, wurde Jeanne d'Arc (ge-nannt »la Pucelle«, das Mädchen), nachmals von Vol-taire gewürdigt, von Schiller, Shaw, Brecht, Anouilhu.a. Honegger verfaßt ein Oratorium.

In einem lothringischen Dorf an der Maas geboren,hatten sich bei der Tochter eines wohlhabenden Bau-ern aus Domrémy seit ihrem 13. Jahr diverse Heiligeeingefunden. Zuerst der Erzengel Michael (und späterwollen ihre frommen Richter wissen, ob er nackt ge-wesen). Dann stellen sich ihr die hl. Katharina, die hl.Margareta, weitere vor, und allmählich kann sie allenach Wunsch herbeizitieren. Doch auch sie bekommtOrdonnanzen, hört fortgesetzt Stimmen, die ihr in denletzten Jahren fast täglich befehlen, die Engländer ausder »France« zu treiben und Karl VII., dem sie sichals »Tochter Gottes« empfiehlt, in Reims zum Königzu weihen.

Der Dauphin empfängt die aparte Analphabetin,damals etwa achtzehn, am 6. März 1429 in reichlichaussichtloser Lage in Chinon, einem Schloß an derLoire. Eingehend verhören sie dort und in Poitierswochenlang Theologen, Juristen, Räte des Fürsten

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und attestieren ihr Reinheit und Rechtgläubigkeit.Auch die Schwiegermutter Karls und weitere erfahre-ne Damen bezeugen nach gewissenhafter Explorationihre Virginität, und so läßt man sie, ritterlich gerüstet,auf edlem Pferd (nie tadelt sie höfischen Prunk, unddie Rechnung für das eigene kostbare Outfit schicktesie dem König) mit einem großen Heerhaufen gegenOrléans ziehen. Am 29. April 1429 erobert sie dieStadt, worauf man sie die Jungfrau von Orléans zunennen beginnt. Sie befreit auch Reims, und am 17.Juli wird dort Karl zum König geweiht.

Längst ist die Stimmung gut, Enthusiasmus ent-facht, erhofft man neuen Glanz für das Königtum, er-wartet die Befreiung von Paris. Doch da verläßt diemännliche Jungfrau ihr Glück. Am 8. Septemberscheitert ihr Vorstoß gegen die von Engländern, Bur-gundern, vielen Parisern verteidigte Hauptstadt. Ja,am 23. Mai 1430 nimmt sie bei einem Ausfall ausdem umzingelten Compiègne der England ergebeneJohann von Luxemburg, Graf von Ligny, gefangen.Und da der Reimser Erzbischof Regnault de Chartressich weigert, sie loszukaufen, auch der König, der ihrdie Krone verdankt, keinen Finger für sie rührt (bei-seite einmal, daß er sie nebst Familie im Dezember1429 nobilitiert), auch später weder an den Papstnoch an das Basler Konzil appelliert, wird sie an diebritische Regierung verkauft und von dieser, entspre-

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chend dem Drängen der Pariser Universität, einem In-quisitionstribunal überstellt, einer geistlichen, einerfranzösischen Instanz, denn die Briten lechzen zwarnach Rache für ihre militärischen Schlappen durch Jo-hanna, überlassen die »Drecksarbeit« aber den Fran-zosen.

Unter dem Vorsitz von Pierre Cauchon (gleichlau-tend mit Cochon, Schwein), dem Bischof von Beau-vais, von Jean le Maitre, dem Vize-Inquisitor Frank-reichs, sowie mit einem halben Hundert klerikalenBeisitzern (und mehr als hundert Zeugen in Paris, Or-léans und Rouen) macht man nun Jean d'Arc zwi-schen dem 21. Februar und Ende Mai 1431 im Schloßvon Rouen den Prozeß, einen ausgesprochen politi-schen Prozeß, der im Dienst der englischen Sache diefranzösische herunterreißt. Geführt als typischer In-quisitionsprozeß mit allen schmutzigen Tricks, wobeinur das Foltern fehlt, verurteilt man Johanna, mutter-seelenallein einer Horde haßerfüllter Richter konfron-tiert, wegen ihrer teuflischen Stimmen, ihrer Männer-tracht, ihres Ungehorsams gegenüber der Kirche,wegen Zauberei und Hexerei, wegen Blasphemie,Grausamkeit, Schamlosigkeit, Hochmut sowie einesSchocks anderer Sünden. Und am 30. Mai verbrenntman sie auf dem alten Marktplatz zu Rouen, nichtohne daß zuvor Monseigneur Cauchon, der den gan-zen Prozeß mit anwiderndem Eifer betrieben, noch in

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altbewährter Heuchelei die weltliche Gerichtsbarkeitgebeten hätte, »ihr Urteil über Euch zu mäßigen ohneTötung und Verstümmelung der Glieder«. Sie wird le-bend verbrannt – auf einem besonders kleinen Schei-terhaufen, um sie noch stundenlang leiden zu lassen.Dann streut man ihre Asche in die Seine.

Führende Theologen und Kanonisten begutachtetendamals ausnahmslos die Verdammung durch ihre Un-terschrift. 1894 aber erklärt dieselbe Kirche Jeand'Arc als verehrungswürdig, 1909 wird sie selig-,1920 heiliggesprochen.29

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7.452 Deschner Bd. 8, 243Auch ein Judenhetzer wird heilig

Auch ein Judenhetzer wird heilig

Bei all den Kämpfen gegen äußere und innere Feindevergaßen die Christen nie das Verfolgen der Juden.

Gewiß stellten ihnen manche Päpste, wie schonfrüher (VII 440 ff.), auch im ausgehenden MittelalterSchutzbriefe aus und verboten darin Hetzreden desKlerus. So Papst Martin V., der allerdings – unterdem Einfluß des hl. Johannes Capestrano – schon we-nige Monate später seinen Schutz widerruft und in derBulle »Sedes Apostolica«, zu seiner »größten Bestür-zung« Eigensinn und Ungehorsam der Juden beiderleiGeschlechts erkennend, ihnen jetzt »Betrug« vorwirft,»Schlechtigkeit« »schändliche Dinge und Verbre-chen«.30

Ähnlich nehmen Martins Nachfolger ihre Schutz-bullen wieder zurück.

Eugen IV. verbietet statt dessen in einer Verord-nung vom 8. August 1442 Juden und Sarazenen (inKastilien und León) das Zinsnehmen von Christen. Eruntersagt jedes Zusammenleben mit Juden und Mau-ren. Sie müssen in Städten in einem besonderen Quar-tier wohnen, dürfen mit Christen weder essen undtrinken noch mit ihnen baden, noch an ihren Hochzei-ten und Begräbnissen teilnehmen, keine Gevatter-schaft bei ihnen übernehmen, ebensowenig umge-

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kehrt. Juden und Mauren sollen keine Makler undWechsler, sollen für Christen nicht Apotheker undÄrzte sein. Man verwehrt ihnen, kranke Christen zubesuchen, ihnen Medizin zu geben, bestimmte Le-bensmittel zu verkaufen. Sie dürfen keine christlichenDiener, Landarbeiter, Hirten haben, sollen nicht Ver-walter des Königs oder irgendeines christlichen Her-ren sein und nicht Waffen tragen.

Ganz so judenfeindlich wie Eugen IV. waren seineklerikalen Widersacher in Basel. Feierlich erneuertdas Konzil 1434 die gesamte antijüdische Gesetzge-bung der Kirche, wiederholt aber nicht nur alte, fügtauch neue Erlasse hinzu, fordert den Ausschluß derJuden aus den Universitäten und rechtfertigt dieZwangspredigt.

Auch Eugens Nachfolger Nikolaus V.(1447–1455) trat bald nicht mehr für die nahezu Ver-femten ein, sondern verbot Christen jeden Verkehr»mit den von Tag zu Tag frecher werdenden Juden«,verbot ihnen jedes Amt und erneuerte auch seinerseitszahlreiche alte antijüdische Kirchengesetze.

Bei dieser geschlossenen judenfeindlichen Phalanxdes Klerus und seiner andauernden Hetze wider dieJuden ist deren fortgesetzte Verfolgung »zu EhrenGottes und der Heiligen Jungfrau« nur konsequent.31

Wie vor den Kreuzzügen stellte man den Juden, be-sonders in Bayern und Österreich, auch vor den Hus-

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sitenkriegen nach und schröpfte sie dann für dieseKriege noch finanziell enorm, um ein Drittel ihres ge-samten Vermögens, eine Spezialität von König Sigis-mund, der die Ausbeutung seiner Opfer nicht weitgenug treiben konnte. Erst garantierte er ihnen, sielängere Zeit vor Sondersteuern zu bewahren, was ersich natürlich hoch bezahlen ließ. Dann scherte ersich nicht um sein Versprechen, forderte vielmehrimmer neue Abgaben. »Wenn ihr euch dawider setzet,so müssen wir euch an Leib und Gut strafen lassen,daß euch leid wäre, daß ihr euch wider unser königli-ches Gebot setzet.«

In Österreich sagte Herzog Albrecht V., Schwie-gersohn Sigismunds und eifriger Förderer der soge-nannten Melker Reform, den Juden nicht nur Verbin-dungen zu den Hussiten nach, sondern glaubte an-scheinend auch die Geschichten von ihrem – meist er-logenen – Hostienfrevel (VII 429 f.). Jedenfalls ließer nach einem solch angeblichen Fall anno 1420 dieJuden in seinen Ländern verhaften und ihr Vermögenkonfiszieren. Viele töteten sich, wie so oft, eigenhän-dig, um der Zwangstaufe zu entgehen. Wer sich aberweigerte, Christ zu werden, wurde im nächsten Jahr,Mann wie Frau, bei Wien verbrannt, nach einer zeit-genössischen Quelle mehr als 1300 Menschen (ander-wärts liest man von 200 Scheiterhaufenopfern, undalle Juden verbannte man aus Österreich »auf ewige

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Zeiten«.32

Zu größeren Pogromen kam es 1398 auch in Prag,1404 in Salzburg, 1408 in Segovia, 1453 in Breslau.In Speyer vertrieb man die Juden 1405 und 1435. InTrier ließ sie der Erzbischof 1418 austreiben, nichtohne zuvor die Tilgung aller Schulden befohlen zuhaben. In Mainz kam es 1420 und 1438 zu Auswei-sungen. Im selben Zeitraum verjagte man die Judenauch aus Köln, Augsburg, Freiburg, Ravensburg,Wien.

In Herzogenaurach beschlossen am 25. April 1422die Bischöfe von Bamberg und Würzburg sowie diezwei Burggrafen, keinen Juden mehr im fränkischenLand wohnen zu lassen. »Was aber daraus gevile, dassolt gleich in 3 teil geteilt werden und davon denbeden Bischoffen zwei teil und den beden Marggra-ven ein dritttheil werden.« Christliche Schuldner vonJuden sollten bloß noch die Hauptsumme ihrer Schul-den zahlen, jedoch nicht den Juden, sondern derenHerrn! Von Schweinfurt melden alle Annalen zumJahr 1444 ohne jede Angabe eines Grundes, daß »etli-che Juden allhie' verbrannt worden sind«.

Aus Erfurt verstieß man die jüdische Gemeinde1458, nachdem der Rat der Stadt dem ErzbischofDietrich von Mainz 7000 Gulden gezahlt. Ein vordem Reichskammergericht angestrengter Prozeß derJuden wurde durch die Intervention des Papstes, des

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Erzbischofs u.a. niedergeschlagen, »kostete die Stadtaber viel Geld, nicht zuletzt Bestechungsgelder«(Patze).

Aus Zürich wurden die Juden 1423, endgültig1436 vertrieben – »gott und unser lieben frouwen zelob und eren«. Aus Bern jagte man sie 1427, ausGenf 1454 und 1490. Auch aus Villeneuve, Burgdorf,Schaffhausen exilierte man seinerzeit die Verhaßten.Und 1489 beschloß man allgemein, daß ihnen »zuewigen Zeiten kein Geleit mehr gegeben werden soll,um in der Eidgenossenschaft zu sitzen«.33

Auf der Iberischen Halbinsel ging der Klerus sounbarmherzig gegen die Juden wie anderwärts vor(VII 406 ff.!), ja suchte sie noch bis ins Kleinste zugängeln, sogar ihre Barthaltung zu regeln, ihre Haar-frisur. Während allerdings ihre Glaubensbrüder inDeutschland oder Frankreich fast stets den Tod einer»Bekehrung« vorzogen, traten die spanischen Judenbei Gefahr oft mit ihren gelehrtesten und reichstenMitgliedern zum Christentum über – eine schon in derAntike gegenüber den Heiden ausgiebig praktiziertechristliche Taktik. Die jüdischen »Conversos« oder»Christiani novi«, die trotz der Taufe insgeheimJuden blieben, wurden »Marranos« genannt (vermut-lich vom spanischen »marrana«, Schwein, abgeleitet),in jüdischen Texten »Anussim« (Gezwungene).

Marranen gibt es auf der Iberischen HalbinselKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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schon in westgotischer Zeit, doch kulminiert ihre Ge-schichte und Verfolgung erst während der (spani-schen) Inquisition im 15. Jahrhundert. Und die seit-dem von Christen verlangte »Blutreinheit« (limpiezade sangre) wurde in manchen Gebieten bis ins 19.Jahrhundert gefordert. Die Marranen gingen zurMesse, zu den Sakramenten, sie ließen ihre Kindertaufen, beachteten aber heimlich die Vorschriften derjüdischen Religion. So kam es schließlich zum Nie-dermetzeln auch der getauften Juden, 1449 in Toledound – fünf Tage lang – in Ciudad Real.34

Wie kaum irgendwo sonst ging die Judennachstel-lung in Spanien fast gänzlich vom Klerus aus (VII406 ff.). Und beträchtlichen Anteil daran hatte der ei-fernde Dominikaner Vicente Ferrer, einer der führen-den Kirchenmänner des frühen 15. Jahrhunderts.

Der 1419 auf einer Predigtreise durch die Bretagnegestorbene und bereits 1458 heiliggesprochene Anti-semit beeinflußte nicht nur die judenfeindliche Ge-setzgebung König Ferdinands von Aragón, sondernauch das bekehrungsunwilligen Juden geltende »Or-denamiento de Doña Catalina« der Regentin Kathari-na, deren Berater und Inspirator der Heilige nicht nurbei dieser, gerade in der ursprünglichen Fassung äu-ßerst harten Anordnung gewesen ist. Bezeichnender-weise wurde diese abgeschwächt, sobald Ferrer Kasti-lien verlassen hatte, der übrigens wahrscheinlich auch

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7.458 Deschner Bd. 8, 246Auch ein Judenhetzer wird heilig

an dem »Tractatus novus et valde compendiosus con-tra Perfidiam judaeorum« beteiligt war.

Darüber hinaus wirkte der Heilige bei der lokalenUmsetzung dieser Erlasse teilweise direkt mit. Erliebte Propagandarummel, war als Bußprediger schonvon 1399 bis 1409 durch halb Europa unterwegs,zeitweilig von riesigen Scharen, Männer und Frauen,sich peinigender Geißler begleitet. Und zog späterwieder, Haufen fanatisierter Flagellanten anführend,durch Kastilien, durch Aragón, den »Heiligen Krieg«verkündend, den »Heiligen Haß«, »Tod oder Taufe«,jede Menge Flüchtlinge, Vertriebene schaffend, undungezählte Selbstmorde Verzweifelter.35

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7.459 Deschner Bd. 8, 247Auch ein großer Judenmörder wird heilig

Auch ein großer Judenmörder wird heilig

Wie Vincent Ferrer wurde wenige Jahrzehnte späterauch Johann von Capestrano, ein Adelssproß aus denAbruzzen, ein gefeierter Bußprediger, ein Organisatorvon Massenveranstaltungen, der als solcher »fastohne Beispiel in der Geschichte steht«. Es erhelltschon daraus, daß das Volk – täglich zwanzig- bisdreißigtausend Versammelte – bei seinen Reden Trä-nenströme vergoß, »obgleich es seine Sprache nichtverstand, indem er lateinisch predigte« (Wetzer/Welte), freilich auch manchmal einen Totenkopf zeig-te. So bekehrte er Tausende, darunter allein »11000Hussiten«, auf die ihn der Papst und Kaiser FriedrichIII. angesetzt. Und wirkte zudem als »Orakel seinerZeit«, als »Wundermann«; heilte Hunderte, ging »aufseinem Mantel trockenen Fusses über den Po«, er-weckte in Rieti einen Toten, »dem das Haupt entzwei-gespalten worden, wieder zum Leben« (Donin).36

Dabei war de Capestrano, dieser gewaltige franzis-kanische Zungen- und Mirakeltäter – eigentlich schonwieder wunderbar –, ein eher mickriges Männchen,klein, unscheinbar, im Alter gar nur Haut und Kno-chen. Immerhin hatte er, nachdem er, der einstige Go-vernatore von Perugia, dort eingekerkert war, seinegeistliche Karriere bemerkenswert erfolgreich als In-

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quisitor begonnen, bereitete er doch durch den Kampfgegen die Fraticellen »ihren völligen Untergang vor«(Lexikon für Theologie und Kirche).

Sowohl Eugen IV. als auch Nikolaus V. erneuertenbereits bei ihrer Stuhlbesteigung Capestranos Mandatals Generalinquisitor, und die Folgen verspürten nichtnur die Fraticellen. Denn während der Propagandistjahrzehntelang vor allem in Italien auftrat, kam esdort zu sonst »kaum bekannten Ausschreitungengegen die Juden« – der einzige diesbezügliche Hin-weis des katholischen Handbuchs der Kirchenge-schichte. Auch das Lexikon für Theologie und Kirchestreift nur einmal »sein stetes Drängen bei Päpsten,Fürsten und Städten auf restlose Durchführung der Ju-dengesetze« – in der ersten Ausgabe 1933, als sichder »Stürmer« und andere NS-Rassisten auf Capestra-no, den »Judenhammer« des Spätmittelalters, berie-fen, mit vollem Recht natürlich. (Die dritte Ausgabeaber des kirchlichen Lexikons von 1996 bringt imCapestrano-Artikel über sein Verhältnis zu den Judenkein Wort!)

In späteren Jahren zieht der Heilige – für den säch-sischen Minoriten Matthias Döring nur ein eitlerPrahler und Betrüger – durch Österreich, Bayern,Thüringen, Sachsen, Schlesien, Ungarn, Polen und»säubert« die Länder. Denn »Judenverfolgungen«,klagt Schopen in seiner Geschichte des Judentums,

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7.461 Deschner Bd. 8, 248Auch ein großer Judenmörder wird heilig

»kennzeichnen seinen Weg, Einkerkerungen, Vermö-genskonfiskationen, Vertreibungen, Hinrichtungendurch Feuertod, Wegnahme der Kinder unter siebenJahren zu gewaltsamer Erziehung im Christentum«.37

Es ist die vom Lexikon für Theologie und Kirchegerühmte »fast 40 Jahre dauernde rastlose apostoli-sche Wirksamkeit«, diese, so auch von Pastor, »groß-artige Reformtätigkeit«. Von Sizilien bis Polen hattendie Hetzreden des »frommen Vaters«, wie ihn immerwieder die Magdeburger Schöppenchronik nennt, an-tijüdische Demonstrationen zur Folge, Gewalttaten,Metzeleien. Manchmal, wie 1450 im frommen Bay-ern, lochte man die »Hebräer« schon vor seiner An-kunft ein oder vertrieb sie. In Breslau ließ der »würdi-ge«, der »vornehme«, »dieser fromme Vater Johan-nes« 1453 wegen einer angeblichen Hostienschän-dung 41 Juden vor ihren Häusern auf dem Salzring le-bendig verbrennen, alle anderen Juden wurden ver-jagt, beraubt, ihre Kinder unter sieben Jahren ihnenfortgenommen, um sie »rechtgläubig« zu machen.Ähnliche Greuel geschahen im selben Jahr in Liegnitzund in Schweidnitz, wo im frühen 14. Jahrhundertschon der Breslauer Bischof fünfzig »Ketzer« auf ein-mal hatte ins Feuer werfen lassen (VII 277).38

Aber man kann die ungeheure Blutspur der franzis-kanischen »Reiseroute« auch ganz anders sehen, unddies noch nach Hitler. So rühmen M. Pinay und seine

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geistlichen Co-Autoren zur Zeit des Zweiten Vatika-nums in ihrem dreisten Hetzwerk »Verschwörunggegen die Kirche«, das jeder Konzilsteilnehmer er-hielt, den hl. Thomas von Aquin, weil er die Notwen-digkeit erkenne, »die jüdische Bestie in Ketten zulegen« und lehre: »Die Juden dürfen nicht behalten,was sie sich durch Wucher angeeignet haben und sindverpflichtet, diejenigen wieder hochzubringen, die sievernichtet haben ... Die Juden leben wegen ihrerSchuld in ewiger Knechtschaft. Die Herren könnenihnen daher alles wegnehmen und ihnen nur das Le-bensnotwendige lassen, es sei denn, es werde durchdie heiligen Gesetze der Kirche verboten.«

Ja, Pinay und Kollegen sehen bei Johann von Ca-pestrano die thomistischen Postulate schönstens in diePraxis übergehen. Denn, triumphieren sie: »Dieserfromme Franziskaner bekämpfte die Bestie mit seinenPredigten und auch mit dem Schwert, das er dem Dra-chen in den Rachen stiess, bis er ihn besiegt hatte ...Die Verwüstung, die er in der ›Synagoge des Satans‹hervorrief, wird von verschiedenen Juden als dieschlimmste angesehen. Die Hl. Kirche hat aber schonihr endgültiges Urteil über diesen Kämpfer gefällt undihn heiliggesprochen. St. Juan de Capistrano, der dieKirche und Europa im 15. Jh. rettete, verdient es, vonden patriotischen Organisationen, die gegenwärtig dasJudentum bekämpfen, als Schutzheiliger angesehen zu

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werden. Im Himmel wird er, der einen ähnlichenKampf gewann, der wertvollste Fürsprecher bei Gottsein und sich für die einsetzen, die seinen heiligenSpuren folgen und in der Gegenwart darum kämpfen,die Kirche und ihre Nationen gegen den jüdischen Im-perialismus der ›Synagoge des Satans‹ zu verteidi-gen.«

Der Radikalismus ist nicht zu überbieten, empfiehltJohann von Capistrano doch in fraglos heiligem Eiferals beste Lösung des Konflikts mit den Juden dieEndlösung, die völlige Vernichtung, die Ausrottung:»Man müsse endlich reinen Tisch machen. Alle Judensolle man als Feinde des Glaubens auf Schiffe ladenund auf offener See ertränken.«

Sein Grab zwar hat man 1526 zerstört, seine Reli-quien sind verschollen. Doch er wurde selig- und hei-liggesprochen.39

Wie im Westen, so fielen die Christen auch im Ostenübereinander her. Zunächst allerdings hatte man dortgegen Heiden gekämpft, hatte man »christianisiert«,der Deutsche Orden etwa die Preußen seit 1231, undes wurde eine der blutigsten »Missionen« des Mittel-alters (VII 183 ff. 186 ff.!).

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7.464 Deschner Bd. 8, 250Die »Preußenreise« - der Deutsche Orden bittet ...

Die »Preußenreise« – der Deutsche Orden bittetzur »Saison«

Der Historiker Heinrich von Treitschke, publizistischBismarck nahestehend, rühmt dem Deutschen Ordeneinen »dreifachen Stolz« nach, den »des Christen, desRitters, des Deutschen« – und mehr als zweihundertJahre betrieb der Deutsche Orden die Ausmordungund Verknechtung im Osten. Mehr als zweihundertJahre führte er Vernichtungsfeldzüge, schlachtete erheimtückisch die Stammesführer ab, beging er syste-matisch Kinderraub, die Verschleppung von Frauen.Ungezählte Dörfer und Städte werden geplündert undniedergebrannt. In der Mitte des 13. Jahrhundertsschickt der Papst den Deutschen Rittern abgeurteilteGangster zur Verstärkung, und am 16. September1256 sichert eine Bulle Alexanders IV. (der versuch-te, die Politik seines Vorgängers »mit möglichsterMilde fortzusetzen«: Kühner), jedem Rechtsbrecher inOrdensdiensten Straffreiheit zu.

Die Hatz auf »Feinde« bekommt geradezu einensportlichen Zug, die »Litauerreise« oder »Preußenrei-se«, wie sie heißt, saisonalen Charakter. Es gibt eine»Winterreise« und eine »Sommerreise«. Zweimal imJahr bittet der hochangesehene Orden dazu, und im-merhin hält das Interesse der »Kriegsgäste« über einKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.465 Deschner Bd. 8, 250Die »Preußenreise« - der Deutsche Orden bittet ...

Jahrhundert an, wobei die Höhepunkte zwischen den1330er und 1390er Jahren liegen, der »Blütezeit« desDeutschen Ordens in Preußen. Auch viele Franzosenkosten die mörderischen Reize der voyage de Prusseaus, viele Engländer, dazu Spanier, Schotten, Italie-ner, ja, der gesamte Adel Europas kommt, Herzögeund Könige darunter. Und ein Geschichtsschreiberdes Deutschen Ordens, der im 15. Jahrhundert das 14.als Preußens »goldenes Zeitalter« malt, möchte unswirklich glauben machen, der Zustrom der »Gäste«sei wegen der »Weisheit« der Ordensritter erfolgt,wegen der »Blüte der Weisheit«. Sagten doch »da-mals alle Reisenden, woher sie auch kamen, daß sie inkeinem Lande so viele im Hinblick auf Alter undWeisheit wohlgeratene Leute gesehen hätten wie imOrden zu Preußen. Deshalb wünschten viele Herren,Ritter und Knappen aus der Christenheit, den Ordenkennenzulernen, und sie kamen mit Gefolge nachPreußen und blieben mit großem Aufwand in Königs-berg, wobei mancher ein ganzes Jahr lang auf denKriegszug gegen die Feinde wartete.«

Für nicht wenige Familien war die Tour de force,die Jagd im Osten, Tradition, für alle »eine Attrakti-on« (Paravicini), inklusive: Ablaß und geregelter Zah-lungsverkehr. Fehlte Geld – Ritter und KaufleutePreußens standen zur Verfügung; der Orden war einerder reichsten Kreditgeber Europas. Hauptsache blieb

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7.466 Deschner Bd. 8, 251Die »Preußenreise« - der Deutsche Orden bittet ...

natürlich der Krieg, galt es doch, mit den Gastgebernmöglichst viel zu verwüsten, Burgen zu erobern, zuschleifen, zu errichten.

Über die »Saison« hinaus hielten die Ritter sichbrandschatzende Banden, die Land und Leute terrori-sierten. Noch Domherr Nikolaus Kopernikus schreibtan Sigismund I. von Polen: »Auf wessen Anstiftungdieses Übel dermaßen zugenommen hat, ist Ew. Ma-jestät hoffentlich schon von anderer Seite zur Kennt-nis gebracht worden. Denn es ist allgemein bekannt,wo diese Räuber ausgebrütet werden, wo sie sichgegen uns bewaffnen und wohin sie mit ihrer Beuteflüchten. Wir sehen, daß uns seitens des Hochmei-sters schon bald Gefahr und Übermacht drohen ...«40

Respektiert doch die Gewalttätigkeit, die Hab- undHerrschsucht des Ordens auch den Klerus nicht. ImGegenteil. Die Grausamkeit kennt keine Grenzen.»Ein Bischof wird in einem Gewölbe der Kirche vonTapiau bei Königsberg an die Wand geschmiedet,zwei Ritter müssen seinen Hungertod beobachten«(Heer). Erzbischof Friedrich von Riga behauptet, esgebe »keine größeren Feinde der römischen Kircheund des Landes als sie, die Ordensbrüder«. Er meldet230 Anklagen nach Avignon und berichtet die Ab-schlachtung von zehntausend Menschen in Danzig um1308, »die Ausrottung von Christen ...«

Ging es dem Orden also um das Christentum, umKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.467 Deschner Bd. 8, 252Die »Preußenreise« - der Deutsche Orden bittet ...

Bekehrung? Es ging ihm um Unterwerfung und Aus-beutung, ging ihm wie schon jenen sächsischen Gro-ßen, von denen Helmold bereits Jahrhunderte früherschrieb (VII 169 ff!), sie seien »stets geneigter, Zins-lasten zu steigern als dem Herrn Seelen zu gewin-nen«, sie »teilten das Geld unter sich. Vom Christen-tum war keine Rede ...«

Als deshalb um den Ordensstaat Preußen schonfast alles christlich war, gingen die Fehden, Kämpfe,Kriege permanent weiter. Es half dem Orden, der um1400 seine größte Ausdehnung erreichte, nicht, aufder Notwendigkeit des Heidenkrieges, der Kreuzzügezu bestehen, die Christianisierung Litauens als Täu-schung hinzustellen und zu behaupten, Großfürst Wi-told habe schon dreimal den Glauben gewechselt»und dabei immer wieder gottlose und abscheulicheVerbrechen an Kirchen und Heiligtümern begangen«.Es half dem Orden nichts, daß er 1397 dem Frankfur-ter Reichstag über »mächtige Anfechtung« klagte,»denn täglich werden die Ungläubigen, Litauer undRussen, durch den König des Polenlandes mehr undmehr gestärkt ... Tag für Tag versorgt man von Polenaus die Heiden mit Waffen, Panzern, Platten, Har-nisch, Büchsen, Pferden, Werkmeistern, Büchsen-schützen und dergleichen, also daß die Bekämpfungder Feinde Christi fort und fort schwieriger wird.«

Mit Litauen führte man von 1401 bis 1404 Krieg.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.468 Deschner Bd. 8, 252Die »Preußenreise« - der Deutsche Orden bittet ...

Doch für den römischen König wie für den Papst warLitauen christlich. Und das mit Litauen verbündetePolen war es längst. So maßregelt der Pontifex ineiner Bulle des Jahres 1403 die Ordensritter, habe erdoch »nicht ohne bitteren Schmerz« erfahren, wie un-menschlich man die Leute des Königs und die neuGetauften in Litauen zu Tode bringe, und verbietetunter Androhung des Bannes, Polen und Litauen mitKrieg zu überziehen.

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7.469 Deschner Bd. 8, 252Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

Gleichwohl verschärfen sich die Beziehungen zwi-schen diesen Ländern und dem Ordensstaat. Wie ge-wöhnlich geht es um Grenzbereinigungen, Territorial-konflikte, um die Neumark, Schemaiten, das DobrinerLand. Die Überfälle in der Neumark häufen sich, einallgemeiner Aufstand in Schemaiten 1409 kommthinzu, und offensichtlich steckt die polnisch-litaui-sche Allianz dahinter.

Am 6. August 1409 erklärt Ordenshochmeister Ul-rich von Jungingen dem Polenkönig Jagiello offiziellden Krieg, die Ordensheere rücken verheerend überdie Grenzen, Burg Dobrin geht in Flammen auf, BurgBebern, die Kastelle Zempelburg und Kammin desErzbischofs von Gnesen brennen. Auch Brombergwird eingeäschert. Und auf der andern Seite brand-schatzt Großfürst Witold von Litauen das Land, be-rennt und kassiert er Burgen seinerseits.41

Dazwischen scheitert ein Schiedsspruch KönigWenzels. Die Gegner rüsten fieberhaft, dringen aufVerstärkung. Der Hochmeister befiehlt dem Meistervon Livland sofortige Unterstützung. Auch die Bi-schöfe von Livland, Reval, Kurland, Ösel sollenTruppen nach Preußen werfen, viele Söldner kommenaus Deutschland. Und am 15. Juli 1410 treffen die

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7.470 Deschner Bd. 8, 253Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

verfeindeten Christen zwischen Tannenberg undGrunwald/Grünfelde aufeinander, (daher spricht diepolnische Geschichtsschreibung von »Grunwald«): dadie vermutlich knapp 15000 Mann starke Ordens-streitmacht unter Hochmeister Ulrich von Jungingenund den verbündeten Herzögen von Pommern; dortdie polnisch-litauische Armee mit geschätzten 20000Kriegern unter König Wladislaw II. Jagiello vonPolen und seinem Vetter Großfürst Witold von Litau-en, zwischen denen es nicht immer so harmonisch zu-gegangen war.

Jagiello, 1377 Großfürst von Litauen geworden,hatte zunächst mit seinem Onkel, dem GroßfürstenKynstute (Kejstut), gemeinsam regiert, bis er ihn ver-trieb und Kynstute Mitte August 1382 eines mysteriö-sen Todes starb, ermordet vielleicht vom Neffen, wasumstritten ist. Am 15. Februar 1386 jedenfalls hatteJagiello sich in Krakau taufen lassen, den NamenWladyslaw angenommen, am 18. Februar Hedwig,die Tochter Ludwigs des Großen von Ungarn undPolen, geheiratet und am 4. März auch die polnischeKrone empfangen. Seinem zweimal nach Preußen ge-flohenen gleichaltrigen Vetter Witold, KynstutesSohn, erlaubte er seit 1392 die Herrschaft über Litau-en, wo von ihm selbst 1387 mit der Gründung desBistums Wilna und der Errichtung der ersten siebenPfarrkirchen das Christentum eingeführt worden war.

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7.471 Deschner Bd. 8, 254Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

Nun, im Sommer 1410, zog Polenkönig Jagiellobei Tannenberg in eine der größten Feldschlachtendes Mittelalters, und seine Heerscharen sangen zumAuftakt des Gemetzels das alte polnische Marienlied»Boga Rodzicza« – es schien aber vorerst nicht sehrhilfreich.

Die Ordensritter dagegen, denselben himmlischenGeistern verbunden, zumal, gemäß ihrem votum casti-tatis, »ihrer himmlischen Dame Maria« (was sie nichtabhielt, in meiner Sexualgeschichte nachzulesen, alleszu vögeln, von Ehefrauen über neunjährige Mädchenbis zu, nicht grundlos vermutet, weiblichen Tieren),die vitalen Ritter hatten den Erfolg zunächst auf ihrerSeite. Sie warfen das litauische Kontingent zurück,Hochmeister Ulrich von Jungingen durchbrach drei-mal die polnische Schlachtreihe, die Ordenstruppenintonierten bereits den Siegeschoral »Christ ist erstan-den«, da zeigte sich, daß Christ, zumindest diesmal,auf der andern Seite stand, wo der Polenkönig frischeTruppen ins Gefecht warf, während der Hochmeisternichts mehr dagegenzustellen hatte; und da ihn auchder kulmische Adel verläßt, ist die Katastrophe kom-plett. Ulrich von Jungingen segnet das Zeitliche, auchalle Großgebietiger, bis auf einen, kommen um, dazuelf Komture und der größte Teil der Ordensritter,zweihundertundfün f. Insgesamt liegen vier- bis fünf-tausend Leichen auf der Walstatt, und Dutzende er-

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7.472 Deschner Bd. 8, 254Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

oberter Ordensbanner stehen bald im KrakauerDom.42

Augenblicklich unterwirft sich nahezu das ganzeLand. Fast alle Burgen, Städte, auch die vier Bischöfedes Ordensstaates mit ihren Bistümern (seit 1243)Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland huldigendem Polenkönig, der nun das Ordenshaupthaus ein-kreist, die »Königin der Landesburgen«, die Marien-burg. Mit einem Teil des geschlagenen Heeres hält sieGraf Heinrich von Plauen, der (spätere) Nachfolgerdes gefallenen Hochmeisters, bis zum Abzug desPolen, dessen Krieger und Pferde eine Seuche dezi-miert, auch Lebensmittel-, Futterknappheit und rings-um anrückender Entsatz bedroht. So marschiert erheimwärts, verheerte Felder hinter sich, vernichteteErnten, geschleifte Städte, auch die Stadt Marienburg,sie allerdings schon von Heinrich von Plauen selbst,sozusagen vorsorglich, dem Erdboden gleichgemacht.

Und so schnell wie es den Orden verraten hat, wen-det sich das Land ihm jetzt wieder zu. Er kommt auch1411 im Ersten Frieden von Thorn glimpflich davon,zumal territorial gesehen, verliert er doch nur einigeRandgebiete und das freilich immer wieder einmalstrittige Schemaiten mit den letzten Heiden Europas,wo Jagiello und Witold 1417 gemeinsam das Chri-stentum einführen. Allerdings sind die Kontributionenenorm, muß man, ohnehin durch Rüstung und Krieg

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finanziell erschöpft, für Gefangenenfreikauf und Bur-genräumung die Riesensumme von 260000 ungari-schen Gulden zahlen, was zwar die künftige ständigeFinanznot des Ordens erklärt, nicht aber entscheidenddessen nun beginnenden Niedergang.43

Noch mehr als bisher wird der Deutsche Orden,dessen Ritter zumeist dem Reich entstammten, jetztals Fremdherrscher empfunden, als ein Tyrann, deralles schröpft, den Adel, die Städte, die Stände, dieBauern, eine machtbesessene Clique, die keine »Mis-sions-Aufgabe« mehr hat, institutionell abgewirt-schaftet ist und sich nur noch persönlich bereichernwill. Wohl nicht nur eine Steuer, zur Begleichung derhohen Reparationen erhoben, treibt einen Teil desLandes in den Widerstand, wobei Danzig – in demeine immer kleiner werdende Gruppe von Händlern,nicht zuletzt durch Wucher und Kreditspekulationen,immer reicher wird – die Führung übernimmt, zumaldie Stadt ohnedies in Handelskonkurrenz zum Ordensteht. Der Hochmeister läßt die beiden Danziger Bür-germeister hinrichten.

Es kommt überhaupt, trotz des Ersten ThornerFriedens, immer wieder zu Exekutionen, Überfällen,Kriegshandlungen, die auch 1422 der Friede von Mel-nosee (Kulmer Land), zwischen dem OrdensstaatPreußen einerseits und dem König Wladislaw Jagiel-lo, dem Großfürsten Witold sowie den Herzögen Jo-

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7.474 Deschner Bd. 8, 255Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

hann und Semowit von Masovien andererseits, nurabschließt, aber nicht dauerhaft beendet.44

Mittlerweile war auch ein interner Ordensstreit aus-gebrochen zwischen dem Hochmeister Heinrich vonPlauen und dem Obersten Marschall Michael Küch-meister. Dieser ließ den einen Angriff auf Polen pla-nenden Plauen im Herbst 1413 in Marienburg gefan-gennehmen, absetzen und sich selbst zum neuenHochmeister wählen, während der alte, der Retter desOrdensstaates nach der Niederlage von Tannenberg,wegen angeblicher Konspiration mit Polen bis zumTode Küchmeisters und fast bis an sein eigenes Le-bensende eingekerkert blieb.

Im Orden nehmen die Konflikte zu, wächst der Au-toritätsverlust, die Machtgier, häufen sich die Zwistezwischen dem Hochmeister und den Komturen oderdem Landmeister in Livland, dem Deutschmeister imReich, wobei man auch mit gefälschten Statuten ar-beitet.

Noch gefährlicher allerdings sind die Auseinander-setzungen mit den Repräsentanten des Landadels undder größeren Städte, die längst eine Mitwirkung vorallem in der Innenpolitik fordern, in der Rechtsspre-chung, eine Beschränkung dann auch der unbe-schränkten Gerichtshoheit der Obrigkeit, des Ritteror-dens und der Bischöfe. So formieren sich am 14.März 1440 in Marienwerder 53 preußische Adlige

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7.475 Deschner Bd. 8, 256Tannenberg oder Der Anfang vom Ende

und 19 Städte in einem »Bund vor Gewalt«, dem»Preußischen Bund«, den Polen unterstützt, der Or-densstaat aber verwirft, ganz besonders der Bischofvon Ermland, der nimmermüde die Stände zu benach-teiligen sucht. Denn, argumentiert er mit dem hl. Au-gustin, ein Prälat, der nicht die Laster seiner Unterta-nen geißle, sei mehr mit einem schamlosen Hund alsmit einem Bischof zu vergleichen. Die Stände ihrer-seits erklären, notfalls die Sache selber in die Hand zunehmen, auch wenn es »einige Hälse« koste.

Die kostete es dann auch. Als nämlich der Preußi-sche Bund auf Wunsch des Ordensstaates vom Papstund im Dezember 1453 vom Kaiser für aufgelöst er-klärt wird, kündigen die Bündischen dem Orden denGehorsam auf, unterstellen sich Polen, dem sie dieSouveränität über Preußen antragen, und es beginntein dreizehnjähriger Krieg. Ihm fallen nicht nur Tau-sende und Abertausende von Dörfern zum Opfer, son-dern auch 1019 Kirchen – und Preußen wird dabeizur Wüste.45

Die Heiligen Väter aber leben bald immer fröhli-cher.

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7.476 Deschner Bd. 8, 2578. Kapitel

8. Kapitel

Das Renaissance-Papsttum beginnt

Nikolaus V., Kalixt III., Pius II., Paul II., SixtusIV., Innozenz VIII.

»Käuflich sind uns Tempel, Priester, Altäre, ...der Himmel ist käuflich und auch Gott.«

Der Karmelit Battista Spagnoli von Mantua1

»Die wichtigste Tätigkeit des nur drei Jahre re-gierenden Papstes war dem Kreuzzug gewidmet.Mit einer für sein hohes Alter staunenswertenEnergie hat er unermüdlich sein ganzes Sinnenund Trachten dieser Aufgabe geschenkt.«

Handbuch der Kirchengeschichte über Kalixt III.2

»Es gibt nichts, was von der römischen Kurieohne Geld zu erlangen ist. Denn selbst die Prie-sterweihen und die Geschenke des Heiligen Gei-stes werden verkauft. Verzeihung der Sündenwird nur für Geld erteilt.«

Enea Silvio de Piccolomini/Papst Pius II.3

»Barbo, der spätere Papst Paul II. (1464–1471),sah es gerne, wenn nackte Männer auf die Foltergespannt und gemartert wurden. Er war schwul

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und trug eine päpstliche Tiara, die, Zeitzeugenzufolge, ›an Wert den eines Palastes übertraf‹.Er plünderte die päpstliche Kasse, um seineProtz- und Prunksucht zu befriedigen ... Paul II.starb angeblich an einem Herzinfarkt, währender mit einem seiner Lieblingslustknaben Anal-verkehr hatte.«

Nigel Cawthorne4

»Bedenkenlos verbarg er seine dynastischenPläne unter dem Vorwand der päpstlichen Auto-rität und der Religion. Er trug somit eine Haupt-verantwortung an der Kette von Kriegen, Mor-den und Verschwörungen, die Italien währendseines Pontifikates heimsuchten ... Macchiavellihat seiner Skrupellosigkeit das höchste Lob ge-zollt.«

Hans Kühner über Sixtus IV.5

»Seine ungewöhnliche Schönheit verschaffteihm in Rom Zugang zur Familie des KardinalsPhilipp von Bologna, um dessen Vergnügen zudienen. Nach dem Tod seines Beschützerswurde er der Liebling von Paul II. und SixtusIV., der ihn zum Kardinal ernannte ... Andersals die meisten Päpste bekannte sich Innozenzoffen zu seinen unehelichen Kindern. Er tauftesie, führte ihre Trauungen durch und fand fürsie angemessene Beschäftigungen. Seine Amts-zeit war bekannt als das ›Goldene Zeitalter der

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Bastarde‹.«Nigel Cawthorne6

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7.479 Deschner Bd. 8, 2598. Kapitel

Das Wort Renaissance ist ein vom lateinischen renas-ci, wieder erstehen, wieder geboren werden, abgeleite-ter, den Zeitraum etwa vom Beginn des 15. bis zurMitte des 16. Jahrhunderts umfassender Begri ff. Alsallgemein charakterisierende Kulturbezeichnung kamer zwar erst nachträglich (vor allem durch J. Micheletund J. Burckhardt, den bedeutendsten Renaissance-In-terpreten des 19. Jahrhunderts) in Gebrauch, war je-doch der Sache nach den Menschen der Renaissancedurchaus vertraut. Allerdings lebte die Mehrzahl derdamals neun bis zehn Millionen Einwohner Italiens,überwiegend Bauern, »zumeist in äußerster Armut«und von der neuen Zeit »wahrscheinlich völlig unbe-rührt« (Burke; vgl. das 3. Kap.!).

Ob die Renaissance wirklich etwas Einzigartiges,eine Epoche mit völlig eigenen identitätsstiftendenCharakteristika gewesen und somit vom Mittelalterscharf abzusetzen sei oder ob nicht doch hauptsächli-che Konturen desselben, wesentliche Momente derKontinuität im großen und ganzen gewahrt blieben,kurz, ob man den Begriff Renaissance verabsolutierendürfe oder ob er, wofür im 20. Jahrhundert der »Auf-stand der Mediävisten« erfolgte, relativiert werdenmüsse, dies lassen wir auf sich beruhen.

Einerseits gibt es wohl keinen plötzlichen radikalenEpochenbruch, wirken manche Strukturen und Model-

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7.480 Deschner Bd. 8, 2608. Kapitel

le der vorausgehenden Zeit weiter. Andererseits kannman frühere »Renaissancen«, die karolingische, dieottonische Kultur, ohne sie zu überstrapazieren, mitdem neuen Lebensgefühl nicht vergleichen. Verbindetsich doch mit dessen resolutem Rückgriff auf die An-tike eine betonte Welt- und Menschenzugewandheit,eine viel kraftvollere personale Emotionalität, auchdas Ethos persönlicher Tüchtigkeit, ein stärkeresSelbstbewußtsein somit und die entschiedene Wen-dung gegen das Fortwirken mittelalterlich scholasti-scher Überlieferungen. Die Indoktrinationen des Kle-rus löst eine bürgerliche Bildungsoffensive, der Hu-manismus, ab, laikale Intelligenz, Ästhetik.

Der gebildete Laie spielt dabei in Italien eine sehrviel größere Rolle als in all den Ländern rundum, Re-naissance-Kunst dort wird tonangebend für Europa.Insbesondere in der florentinischen und römischenKunst orientiert man sich an der Natur und den Vor-gaben des Altertums – »die größte Erinnerung Itali-ens« (J. Burckhardt) –, an der »wahren Kunst«, dem»guten« Stil, vorab in Architektur und Skulptur, understrebt die an der Wirklichkeitsnähe, der Naturwahr-heit und an den antiken Normen der »klassischen«Idealität ausgerichtete »buona maniera« bei gleichzei-tiger Verwerfung der Gotik, der »maniera tedesca«.Erst im 19. Jahrhundert wurde der Begriff Renais-sance auch auf alle politischen und sozialen Lebens-

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bereiche ausgedehnt.7Die Epoche des Renaissance-Papsttums wird von

jeher, vor allem von Christen, vielgepriesen und ver-dammt.

Man ist voll des Lobes für das mäzenatische Enga-gement der meisten Hierarchen, ihre Protektion zumalder Architektur und Malerei. Tausend- und abertau-sendmal gewürdigt kontrastiert dieses Verdienst je-doch kraß mit den Grundlagen des Christentums.Denn mit dessen ältester Botschaft, der Predigt desbiblischen Jesus, die doch die Heiligen Väter angeb-lich vertreten und verbreiten, hat dies gar nichts zutun. Oder wo hätte dieser Jesus je gerufen: LaßtKünstler um mich sein!? Laßt Päpste teuere Paläste,schöne Kathedralen bauen!? Treibt Philologie, schafftBibliotheken, verfaßt Gedichte und komponiert Kir-chenmusik!? (Musik, beiläufig, spielt im Zentrum derRenaissancekunst noch im 14. Jahrhundert, im Unter-schied zu Paris, keinerlei Rolle. Noch Johannes XXII.bekämpft die »Ars nova« und bedroht 1324/1325 inder Bulle »Docta sanctorum« die Aufführung derneuen Musik in der Kirche mit Kirchenstrafen.)

Der biblische Jesus, dessen Reich »nicht von dieserWelt« war, für den deren Ende vielmehr unmittelbarbevorstand und darum »nur eines« not tat, hatte über-haupt keinen Sinn für Geistesleben, Wissenschaft undKunst, was lange nachwirkt. Noch im frühen 3. Jahr-

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7.482 Deschner Bd. 8, 261Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller ...

hundert fragt Kirchenvater Clemens von Alexandria,wie könne denn ein Werk der Baumeister-, der Stein-metzen-, der Handwerkerkunst überhaupt heilig sein?Und Tertullian erklärt seinerzeit Künstler kurzerhandfür Söhne des Teufels.8

Vielgescholten werden die Renaissance-Päpste insittlicher Hinsicht. Doch mag nicht wenigen, mit mir,prinzipiell ein im Vatikan oder sonstwo herumvögeln-der Pontifex immer noch hundertmal lieber sein alsein rigoroser Asket, der Tausende unschuldiger Men-schen auf Scheiterhaufen, in Kriege und Folterkam-mern schickt. Auch ist ein Papst, der aus seiner Un-zucht kein Geheimnis macht, immer noch sympathi-scher als ein öffentlich den Unschuldsengel spielenderHurenbock.

Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste allerPäpste«

Wenn die Frührenaissance, in Italien die Zeit des 15.Jahrhunderts, auch schon an den Höfen Martins V.und Eugens IV. unübersehbare Spuren hinterließ, alserster Papst der Epoche gilt Nikolaus V., der einstigeArztsohn Tommaso Parentucelli aus Sarzana bei LaSpezia.

Der mittellose Hauslehrer war bei reichen Florenti-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.483 Deschner Bd. 8, 262Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller ...

nern, den Albizzi, den Strozzi, mit führenden Gelehr-ten und Musensöhnen der Arnostadt, dem Mittelpunktder vordringenden Renaissance, bekannt geworden.Und das glanzvolle Jubeljahr 1450 brachte nicht nurdie Pest (bei der sich der Papst in Fabriano einschloßund die Annäherung an sein Refugium bei Todesstra-fe verbot), brachte nicht nur mancherlei Unglück (wiedas der zweihundert auf der Engelsbrücke zertretenenoder in den Tiber geschleuderten Menschen). Esbrachte auch einen ameisenhaften Andrang von Pil-gern, volle Kassen und die Möglichkeit, die päpstli-che Stadt, während der avignonesischen Epoche fastzum Dorf geworden, jetzt herrlich wieder aufzubauen.

Nikolaus führte in der Mitte des Quattrocento Re-naissancegeist in seinen Hof ein. Er förderte Humani-sten und Künstler, darunter der freigeistige LorenzoValla, Autor ebenso musterhafter wie explosiver Pu-blikationen gegen Scholastik, Mönchswesen, herr-schendes Recht, das profane Papstregiment.

Noch unter Martin V. und Eugen IV. hatte Vallavergeblich in kuriale Dienste zu treten versucht. Dannlieferte er als Sekretär König Alfons' V. von Neapelin seiner Schrift »De falso credita et ementita Con-stantini donatione Declamatio« den Fälschungsnach-weis für die Konstantinische Schenkung (IV, 14.Kap.!). Der Protagonist philologischer Textkritikmachte dieser »schon schwer angeschlagenen Sache«

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7.484 Deschner Bd. 8, 262Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller ...

nun »mit einem einzigen Hieb den Garaus« und kan-zelte den Fälscher als »stockdumm«, »Rindvieh«,»Esel« ab, als einen Unglücksraben, der zwar denguten Willen zum Betrügen habe, nicht aber das Ta-lent.

Ulrich von Hutten edierte das Werk 1517 in Basel.Valla indes, von den Franziskanern der »Ketzerei«bezichtigt, mußte aus Neapel fliehen, wurde 1450 inRom Professor für Rhetorik und 1455, unter CalixtIII. – päpstlicher Sekretär.

Nikolaus V. gab auch Anregungen für die bildendeKunst, die Architektur. Fra Angelico arbeitete für ihn,ebenso Benozzo Gozzoli, Angelicos Gehilfe, auchBernardo Rossellino und besonders Leon Battista Al-berti, Verkörperung des »uomo universale«, der Ar-chitekt und große Gelehrte, Verfasser u.a. der erstenitalienischen Grammatik, der dreißig Jahre den lukra-tiven Posten eines päpstlichen Beraters innehatte, biser ihn ausgerechnet unter dem »Humanistenpapst«Pius II. verlor.

Als leidenschaftlicher Bibliophiler ließ Nikolausgriechische Klassiker, zumeist freilich Kirchenväterund Titel theologischen Charakters, ins Lateinischeübersetzen und durch seine »Manuskriptenjäger« weitüber tausend Handschriften sammeln, wodurch erzum Neubegründer der Vatikanischen Bibliothekwurde.9

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7.485 Deschner Bd. 8, 263Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller ...

Der schmächtige, äußerlich unansehnliche Papst,sittenstreng, heißt es und ohne nepotistische Neigun-gen, baute, wie er noch in seiner Sterbestunde rühmt,»prachtvolle Festungen« im Kirchenstaat, verstärktedie Engelsburg und die Mauern Roms, dessen kom-munale Autarkie er sehr beschnitt. Zwar warb er,zumal in Italien, um Frieden, vor allem aber, weil erdie Christenheit in einen neuen Kreuzzug zu führensuchte.

Zum deutschen König, dem Habsburger FriedrichIII. (1440–1493), der Kirchen und Klöster förderte,1436 auch (s. »Kayser Fridrichs moerfart«) ins Heili-ge Land gereist und in Jerusalem zum Ritter des Hei-ligen Grabes geschlagen worden ist, unterhielt er guteBeziehungen.

1448 schloß er mit ihm das Wiener Konkordat,womit sich das Reich endgültig vom Basler Konzilzur römischen Kurie wandte. Der Papst, der eigentli-che Profiteur des Vertrags, der bis 1803/1806 in Gel-tung blieb, erhielt wieder erhöhten Einfluß auf diedeutsche Kirche, auf Annaten, Bestallungen, auf vieleeinträgliche Posten, worauf denn auch prompt einewiderliche Pfründenjagd begann. Und der Habsburgerwurde dafür, wichtigster Gegendienst, am 19. März1452 in St. Peter zum Kaiser gekrönt – die letzte inRom stattfindende Kaiserkrönung.

Für eine Kirchenreform tat Nikolaus V. nichts.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Auch im Wiener Konkordat standen keinerlei entspre-chende Bestimmungen, obwohl die Mißstände je län-ger desto mehr zum Himmel schrien.10 Dagegen hatteer Erfolg bei der Zerschlagung eines Aufruhrs unterStefano Porcaro, einem humanistisch gebildetenMann aus dem niederen Adel Roms. Entflammt vonrepublikanischen Idealen, wollte er das Volk, wie ersagte, »dem Pfaffenjoch« für ewig entreißen, den Va-tikan in Brand stecken und selbst Tribun werden. Ni-kolaus V. exilierte den wegen seines Charmes undseiner Talente von vielen Geschätzten nach Bologna,ließ den Zurückgekehrten aber mittels Folter undKopfgeld einfangen und samt Schwager, Sohn Cle-mente sowie weiteren »Mordgesellen« (von Pastor)am 9. Januar 1453, drei Stunden vor Tag, in der En-gelsburg hängen. Andere Opfer folgten. Infessura, Se-natsschreiber und Augenzeuge, nennt in seinen römi-schen Annalen Porcaro einen »Ehrenmann«, den»Freund des Wohles und der Freiheit Roms; ohneGrund aus der Stadt verbannt, wollte er sein eigenesLeben an die Befreiung seines Vaterlandes von derKnechtschaft setzen, wie er durch die Tat bewies«.11

Ferdinand Gregorovius, der Nikolaus V. als den li-beralsten aller Päpste preist, muß doch zugeben, daßer die Magistrate auf dem Kapitol nicht mehr von derKommune wählen läßt, sondern selbst bestimmt, daßer die Stadt in eine päpstliche Festung verwandelt,

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7.487 Deschner Bd. 8, 264Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller ...

daß die Kardinäle unter ihm verschwenderisch wieweltliche Fürsten auftreten, die Kurialen, überhauptzahllose Schwärme von Prälaten, Rom ein häßlichesSchauspiel bieten »von Übermut, Goldgier und La-sterhaftigkeit«. Vielleicht kann man ja auch das libe-ral nennen. Und verwundert es, daß die Humanisten,selbst Valla, die vom Geld des Papstes leben, denihnen einst nahestehenden Porcaro verdammen, wäh-rend sie im Heiligen Vater, der die Empörer reihen-weise aufknüpfen läßt, den »liberalsten Mäzen«sehen?12

Nur einige Monate nach den Hinrichtungen, am 30.September 1453, rief Nikolaus V. – dem man nochheute Güte und Toleranz, eine friedliebende Art nach-rühmt, den sein Biograph Vespasiano da Bisticci, derFlorentiner Buchhändler, als »Licht und den Schmuckder Kirche Gottes und seines Jahrhunderts« bejubelt,den auch der von ihm bezahlte Battista Alberti den»friedlichsten der Päpste« nennt –, er rief zu einemKreuzzug gegen die teuflische Tollheit der Türken auf.

Alle Anstrengungen aber des kaiserlichen SekretärsEnea Silvio Piccolomini, des späteren Pius' II., aufden drei Türkenreichstagen in Regensburg, Frank-furt/Main und Wiener Neustadt 1454/1455, warenumsonst. Die Verbündeten des Papstes, besonders dieitalienischen Städte, von denen einige schon Sonder-

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7.488 Deschner Bd. 8, 264Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller ...

verträge mit dem Sultan schlössen, beschäftigtenmehr ihre Handelsbeziehungen mit dem verfluchtenFeind. Der französische König Karl VII. (S. 240), derein bereits früher unterbreitetes Kreuzzugprojekt ganzunbeantwortet gelassen, hielt sich auch jetzt zurück.Der portugiesische König Alfons V., genannt »Affon-so o Africano«, hatte schon vordem Kreuzzugszehn-ten eigenen Interessen geopfert. Kurz, die guten Chri-sten atmeten auf, als sie im Frühjahr 1455 in WienerNeustadt den Tod dieses so friedlichen Heiligen Va-ters erfuhren.13

Der Nachfolger allerdings betrieb die Kreuzzugs-propaganda mit noch vermehrtem Eifer.

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7.489 Deschner Bd. 8, 265Calixtus III. (1455–1458) - Türkenkrieg und ...

Calixtus III. (1455–1458) – Türkenkrieg undNepotismus

Er ist der zweite Papst dieses Namens und nicht zuverwechseln mit dem gleichnamigen Gegenpapst mitderselben Ordinalzahl, Calixt III., aus dem 12. Jahr-hundert (VI 533). Der neue Pontifex Alonso de Borja(italianisiert Alfonso Borgia), Sproß eines kleinenLandbesitzers, war Spanier, Jurist und einflußreicherBerater Alfons' V. von Aragón (als König von Nea-pel: Alfons I.). Einst hatte den Borgia GegenpapstBenedikt XIII., Pedro de Luna (S. 172 ff.), zum Ka-noniker gemacht. 1429 wurde er durch Martin V. Bi-schof des reichen Bistums Valencia, 1444 durchEugen IV. Kardinal, worauf er zwölf Jahre lang zu-rückgezogen gelebt haben soll.

Calixt III. suchte Neutralität gegenüber den diver-sen Faktionen Roms und förderte das durch den Frie-den von Lodi (1454) entstandene sogenannte Gleich-gewicht in Italien, ja erstrebte Frieden weithin in Eu-ropa. Allerdings tat auch er dies, gleich so vielen an-deren Päpsten, nicht des lieben Friedens wegen, son-dern wollte das im Mai 1453 von den Türken eroberteKonstantinopel (S. 233) zurückgewinnen. DiesesZiel, geradezu Hauptaufgabe seiner dreijährigen Re-gierung, verfolgte er, wiewohl hochbetagt, gichtge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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plagt und meist bettlägerig, von Beginn seines Ponti-fikats an mit unermüdlicher Energie, genoß aber denRuf eines friedfertigen Mannes. Tatsächlich war erstrenggläubig, starrsinnig, war er als Spanier imGlaubenswahn, im Haß gegen den Islam groß gewor-den und gelobte so bald nach seiner überraschendenWahl (mit 77 Jahren unverkennbar ein Übergangs-papst) öffentlich und feierlich, dem Heiligen Kriegseine ganze Kraft, nicht nur materielle Güter, notfallsauch sein Leben zu opfern.

Hier sein über fast ganz Europa verbreitetes Gelüb-de: »Ich, Papst Kalixtus III., verspreche und gelobeder heiligen Dreieinigkeit, dem Vater, Sohn und Hei-ligen Geist, der allzeit jungfräulichen Mutter Gottes,den heiligen Aposteln Petrus und Paulus und allenhimmlischen Heerscharen, daß ich, wenn es nötig seinsollte, selbst mit Aufopferung meines eigenen Blutes,nach Kräften alles aufbieten werde, um, unterstütztvon dem Rate meiner ehrwürdigen Brüder, Konstanti-nopel wieder zu erobern, das, dem sündigen Men-schengeschlecht zur Strafe, von dem Feinde des ge-kreuzigten Heilandes, dem Sohne des Teufels, Mo-hammed, dem Türkenfürsten, erobert und zerstörtworden ist, und um ferner die in der Sklavereischmachtenden Christen zu befreien, den wahrenGlauben zu heben und die teuflische Sekte des ver-worfenen und treulosen Mohammed im Orient auszu-

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7.491 Deschner Bd. 8, 266Calixtus III. (1455–1458) - Türkenkrieg und ...

tilgen. Denn dort ist das Licht des Glaubens fastgänzlich erloschen. Sollte ich deiner vergessen, Jeru-salem, so möge meine Rechte der Vergessenheit an-heimfallen; meine Zunge möge in meinem Munde ge-lähmt werden, wenn ich mich deiner nicht erinnere,Jerusalem, und dich nicht den Anfang meiner Freudesein lasse. So wahr mir Gott helfe und sein heiligesEvangelium. Amen.«

Auch der Verherrlicher der Päpste, Freiherr von Pa-stor, bescheinigt dem Borgia »glühenden Haß gegenden Todfeind des christlichen Namens« und dies »vonJugend auf«. Und nach Gabriel von Verona, dem eng-sten Vertrauten Johanns von Capestrano, dachte derPapst nur an den Kreuzzug, sprach von nichts ande-rem. »Die übrigen Geschäfte«, berichtet der spätereKardinal, »erledigt er mit einem Wort, den Kreuzzugbehandelt und bespricht er beständig.«

Calixt schrieb Bullen, jagte seine dienstbaren Gei-ster in alle Himmelsrichtungen, Nuntien und Haufenvon Bettelmönchen, wohlinstruiert alle für die Kriegs-propaganda, die Kreuzpredigt, präpariert mit Abläs-sen, scharf auf Steuern und Kreuzzugszehnten. –Einer seiner prominentesten Agenten war Johann vonCapestrano, der Judenschreck (erneuerte doch auchdieser Heilige Vater die antijüdische Gesetzgebung).Calixt soll eigenes Vermögen spendiert, seine Mitraund sein Tafelgeschirr veräußert, die päpstliche

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Schatzkammer, 200000 Dukaten, geplündert und Kir-chengüter preisgegeben haben. Er verkaufte Gold-und Silberarbeiten und kostbare Bucheinbände. Ver-mutlich vergriff er sich auch an der Vatikanischen Bi-bliothek und sicher an dem Gold aus Särgen.14

Der Papst, an der Welt der Renaissance, an Wis-senschaft und Kunst, überhaupt, im Gegensatz zu sei-nem Vorgänger, kulturell desinteressiert, hat auch denvon Nikolaus V. begonnenen Wiederaufbau Roms alsVerschwendung gering geschätzt und nicht fortge-setzt. Stattdessen schuf er mit wie immer gehortetenGeldern auf dem Tiber eine Kriegsflotte und unter-stellte sie dem Kardinal Lodovico Scarampo.

Durch Eugen IV. und Nikolaus V. in die höchstenKurienämter gelangt, war Scarampo sozusagen einSchüler Vitelleschis (S. 226 ff.), also wie dieser einMann des Krieges, auch sonst ein weltlich gesinnterTyp (daher »Kardinal Lucullus«) und ungemein reich.Nach Vitelleschis Tod sein Nachfolger in Rom, über-wachte er 1455/1456 die Aufrüstung des päpstlichenGeschwaders und errang im folgenden Jahr als Legatund Generalkapitän bei Metelino in der Ägäis, unter-stützt von einem Flottenverband König Alfons' I. vonNeapel, einen nicht allzu bedeutenden Sieg, bei demer nahezu 25 Schiffe kaperte. Daneben betrieb derKardinal mit Admiralsfunktion, so Seppelt, »auchhandfeste Seeräuberei«, ein gradueller Unterschied

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7.493 Deschner Bd. 8, 267Calixtus III. (1455–1458) - Türkenkrieg und ...

nur zur offiziellen Staats- bzw. Papst-Piraterie.Die römischen Kreuzzugsanstrengungen wurden al-

lerdings kaum belohnt, die sporadischen Siege nichtzu ergiebigeren Aktionen ausgeweitet. Die Groß-mächte zeigten daran kein Interesse. Vielmehr warman in Frankreich wie in Deutschland verärgert überdie Einmischung, die Kreuzzugshysterie des Papstes,seine Steuereintreiberei. Auch ein so bewährter Bun-desgenosse wie König Alfons von Aragón und Neapelverfolgte eigene territoriale Pläne, ja, er steckte dieTürkenzehnten in den Ausbau seiner Seemacht undleitete dann die Kreuzzugsflotte statt nach dem Bos-porus zum Angriff auf Genua um.15

Blieb aber die päpstliche Leidenschaft für den Tür-kenkrieg reichlich ungestillt, wurde die Liebe zu denNepoten desto mehr befriedigt. Förderte Calixt dochfast ausschließlich Verwandte näheren und fernerenGrades, neben seinen spanischen Landsleuten über-haupt, weshalb sie an der Kurie und im Kirchenstaatbald immer mehr Machtpositionen einnahmen und dieItaliener terrorisierten.

Zwei Neffen, eben erst zwanzig Jahre alt, erhob derPontifex, entgegen der beschworenen Wahlkapitula-tion, bereits am 20. Februar 1456 zu Kardinälen. Dereine, Luis Juan del Mila, ein unfähiger Mensch,wurde Legat von Bologna, der andere, Rodrigo Bor-gia, der nachmalige Alexander VI., avancierte zum

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7.494 Deschner Bd. 8, 268Calixtus III. (1455–1458) - Türkenkrieg und ...

Feldhauptmann der päpstlichen Truppen in Italienund zum Vizekanzler der Kurie; beide bekamen Bene-fizien über Benefizien, Bistümer und Abteien. Rodri-go war vermutlich der uneheliche Sohn seines »On-kels«, des Papstes Calixt, und dessen Schwester Joan-na. Pedro Luis, Rodrigos Bruder, ein weiterer Neffealso, erhielt die höchsten weltlichen Ehren. Er wurdeGeneralkapitän der Kirche, Gouverneur der Engels-burg, Herr zahlreicher anderer Kastelle und Städte, indie er seine katalanischen Krieger legte, wurde Stadt-präfekt Roms auch, sogar Herzog von Spoleto. Nichtgenug. Als König Alfons I. von Neapel, dem Calixtseinen Aufstieg verdankte und vieles darüber hinaus,1458 starb, plante der Papst, nicht den natürlichenSohn des Herrschers, Ferrante, den sowohl PapstEugen als auch Papst Nikolaus legitimiert, als sukzes-sionsfähig anerkannt hatten, auf den neapolitanischenThron zu bringen, sondern einen seiner eigenen Nef-fen. Ja, Calixt behauptete, Ferrante, der einzige Erbedes Königs, sei nicht einmal dessen unehelicherSproß, sondern untergeschoben.

Doch das edle Vorhaben des Heiligen Vaters zer-rann jäh. Er starb noch im Sommer, am 6. August1458, als schon die Fahne des Halbmonds überAthen, über Korinth wehte, die Unterjochung Serbi-ens begann. Und sofort erhob man sich in Rom wieim Kirchenstaat wider die verhaßten »Katalanen«.

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7.495 Deschner Bd. 8, 268Calixtus III. (1455–1458) - Türkenkrieg und ...

Man raubte die Borgia-Paläste aus, und der Gouver-neur der Engelsburg, Pedro Luis, verkaufte diese um20000 Dukaten den Kardinälen, entkam zwar mitknapper Not, erlag aber noch Ende des Jahres einertödlichen Krankheit.16

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7.496 Deschner Bd. 8, 269Pius II. (1458–1464), ein Pornograph wird Papst

Pius II. (1458–1464), ein Pornograph wird Papst

Enea Silvio de Piccolomini, wie Calixts Nachfolgervor seiner Erwählung hieß, wurde als Humanist be-kannter denn als Hierarch, obwohl das hohe Amt sei-nem Ruf als Autor sicher nützte, hätte auch der Papstdann angeblich viel darum gegeben, manches, was erals Laie schrieb, nicht geschrieben zu haben.

Daß Piccolomini, ein so pittoresker wie extrem sel-tener Typus unter Päpsten, ebenso witzig wie kennt-nisreich gewesen, auffallend vielseitig überdies, istunbestritten. Vielleicht aber war der längst Illustre zurichtungslos, zu wenig eindeutig, leidenschaftlich,war er glänzender als gehaltvoll, zu sehr Rhetoriker,um im hohen Sinn bedeutend oder doch Poet zusein.17

Auch als Kirchenführer überragte Piccolomininicht; absurd ihn einen »der größten Päpste« zu nen-nen – inwiefern? Im Lichte seiner »Commentarii«vielleicht, seiner selbstverliebten Memoiren, der ein-zigen Autobiographie eines römischen Oberhirten.

Piccolomini, aus verarmtem Sieneser Adel (was ihnzu »massiver« Familiengeschichtsfälschung verführ-te), wuchs in Corsignano, einem Flecken, auf, den er,in Pienza umbenannt, zur Stadt, zum Bischofssitzerhob und mit pompösen Bauten schmückte.

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7.497 Deschner Bd. 8, 269Pius II. (1458–1464), ein Pornograph wird Papst

Nach Studien in Siena und Florenz führt er, vielerHerren Sekretär, ein jahrzehntelanges Wanderleben,eine Art Diplomatenlaufbahn, vor allem in Deutsch-land, wobei die Umstände seine Präferenzen bestim-men, er wohl mehr aus Karriere-Kalkül als aus Über-zeugung die Seiten wechselt.

Zunächst u.a. im Dienst des Kardinals Capranica,tritt er, als dieser 1432 vor Eugen IV. zu der mehrund mehr antirömischen Basler Kirchenversammlung(S. 224 f.) flieht, gleichfalls dort an. In scharfen At-tacken verteidigt er die Autorität des Konzils gegen-über dem Papst, ja wird Sekretär Felix' V., des Ge-genpapstes (S. 225). Doch als ihn Felix 1442 zumFrankfurter Reichstag schickt, wo ihn Friedrich III.zum poeta laureatus, zum Hofdichter, krönt und lockt,den untergehenden Gegenpapst zu verlassen und inseinen, des Königs, Dienst zu treten, tritt er über,wird Mitglied der Reichskanzlei, ein enger Freundauch von Kaspar Schlick, dem ersten Laien-Kanzlereines römisch-deutschen Potentaten, wird 1447 Bi-schof von Triest, 1450 Bischof von Siena, dann durchCalixt, schon lange angestrebt, 1456 Kardinal, end-lich und zumal durch eigenes Zutun wieder zwei Jahrespäter Papst.18

Einen ähnlich abrupten Bruch gab es in Piccolomi-nis Lebenswandel.

Wie einst der hl. Augustin trieb es auch Enea inKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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puncto puncti zunächst sehr locker, leichthin,schrieb's aber, anders als jener frivol renommierend,sich breit von der Seele oder wovon immer: ein viel-gelesener Verfasser erotischer Literatur, geradezu»auf pornographische Sujets spezialisiert« (Caw-thorne).

Das Potente lag offenbar in der Familie. SchonVater Sylvius – »Ihr wißt, welch ein Hahn Ihr wart«,erinnerte ihn der Sohn – machte der Gattin VictoriaForteguerra achtzehn Kinder. Und wenigstens etliche,überdies uneheliche, machte auch Enea. Von einemschottischen Mädchen bekam er ein Söhnchen, durcheine Bretonin in Straßburg, Mutter einer fünfjährigenTochter, schenkte ihm »der Herr« noch einen Sohn.Mindestens zwei weitere sehr natürliche Kinder, gele-gentlich sprach man gar von einem Dutzend, setzteder spätere Papst in die Welt.

Und er war stolz darauf, gestand, weder »Eunuchnoch von kühlem Blut« zu sein, auch »kein Heuch-ler«, ja kannte, fast schon vierzig, nichts Herrlicheresfür den Menschen, »als sein eigenes Ebenbild zu zeu-gen, gleichsam die eigene Art fortzupflanzen und nachseinem Tode jemanden zurückzulassen ... Was michbetrifft, so bin ich entzückt, daß mein Samen Fruchtgebracht hat und ein Teil von mir überleben wird,wenn ich sterbe«.19

Doch dann, als Piccolomini entschlossen den rotenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Hut ansteuerte, gar Papst geworden war, wollte er vonseiner theologisch und moralisch aufmüpfigen Ver-gangenheit nichts mehr wissen.

Erste Selbstverdammungen begegnen als Bischo f.Kein extremer Konziliarist war er jetzt mehr, dereifernd die antirömische Linie der Basler verfocht,sondern entschiedener Papist. Er forderte und fördertenicht mehr die Konzilsautorität als Waffe gegen denPapst, sondern wetterte gegen das »todbringendeGift« des Konziliarismus und untersagte in der Bulle»Execrabilis« vom 18. Januar 1460 strikt jedwedeBerufung auf eine allgemeine Kirchenversammlungals Häresie und Majestätsverbrechen.

Natürlich war der Karrierist auch nicht mehr der le-benslustige Autor lasziver Erotika, der die freie Liebevertrat, sondern der zur Sittenstrenge rufende HeiligeVater. Noch 1463, im Jahr vor seinem Tod, bestander in der Retractationsbulle »In minoribus agentes«darauf: »Aeneam rejicite, Pium recipite!« (VerwerftAeneas, haltet Euch an Pius!). Und die Moralpaukefiel ihm desto leichter, als er schon mit Fünfzig phy-sisch verbraucht, gichtgeplagt, überdies kahl war undgreisenhaft wirkte.20

Immerhin bezeichnend die folgende Reaktion. Alsein befreundeter Priester seine Dispens vom Zölibaterbittet, drängte er ihn zwar zur Enthaltsamkeit, mah-nend, alle Weiber wie die Pest zu fliehen, jede Frau

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für einen Teufel zu halten. Aber, setzt er gleich hinzu,der Dispens Wünschende werde jetzt freilich sagen,»seht, wie streng ist doch Aeneas. Jetzt preist er mirdie Keuschheit und ganz anders redete er zu mir inWien und in Neustadt. Es ist wahr, aber die Jahrenehmen ab, der Tod rückt heran. Elend und der GnadeGottes verlustig ist derjenige Mensch, der nicht zu-weilen in sein Inneres einkehrt, nicht sein Leben bes-sert und nicht an das denkt, was er in dem künftigenLeben sein wird. Ich muß bekennen, ich habe es sattund überdrüssig. Die Venus ekelt mich an. Freilichnehmen auch die Kräfte ab. Mein Haar ist grau, meineNerven sind ausgetrocknet, mein Gebein ist morschund mein Körper übersäet mit Runzeln. Ich kann kei-nem Weibe mehr zur Lust dienen und keine mir. Vonnun an diene ich mehr dem Bacchus als der Venus.Der Wein ernährt mich, erfreut und ergötzt mich undmacht mich selig. Dieser Saft wird mir bis zum Todesüß sein. Wahr ist es, mich flieht mehr die Venus alsich sie.«21

War die humanistische »Zierde des Papsttums«auch nicht mehr in wollustvolle Abenteuer ver-strickt – in kriegerischen Händeln, tatsächlichen oderbegehrten, steckte Pius bis zuletzt, auch wenn man esgern überspielt, schönt, gefälligere Aspekte hervor-hebt, ihn etwa, mit seinen eigenen Worten, als »Lieb-haber der Wälder« preist, wenn man seinen Pontifikat

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in der »heitern Menschlichkeit« seiner Zeit sich ver-lieren und sein Leben als Papst »fleckenlos« sieht.»Von jeder kriegerischen Politik wendete er sich ab.«»Wenige Päpste haben sich zu ihrer Ehre so wenigum Kriegswesen bekümmert wie Pius II.«, meint Gre-gorovius, behauptet: den Kirchenstaat habe er fast un-geschützt gelassen, Festungen nicht beachtet und Ge-biete, die Vorgänger nur auf der Flucht oder mit Heer-haufen durchzogen, ganz gemächlich besucht, ent-zückt betrachtet, beschrieben – »den Virgil in derHand ...«22

Ganz so idyllisch, das läßt auch der Geschichts-schreiber Roms erkennen, ging es nun freilich nichtzu.

Das zeigt schon das Engagement des Papstes imKönigreich Neapel, dessen Bevölkerung im ausgehen-den Mittelalter von 3,4 Millionen auf 1,7 Millionensank. Der angeblich so unkriegerische Kirchenfürstkämpfte im neapolitanischen Konflikt auf der SeiteFerrantes I., eines Königs, der unentwegt Kriege führ-te und Aufstände niederschlug, u.a. in der Toskana,den Abruzzen, in Apulien, Kalabrien, kämpfte gegenden von Frankreich protegierten Herzog Jean vonAnjou-Lothringen, Titularherzog von Kalabrien, under kämpfte nicht zuletzt seiner Verwandten wegen.

So mußte Ferrante für den Beistand des HeiligenVaters beim Blutvergießen dem Nepoten Antonio Pic-

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colomini als Lehen die Herzogtümer Sessa und Amal-fi sowie die Grafschaft Celano überlassen. Und auchnach Niederringung Sigismondo Malatestas von Ri-mini hätte derselbe Papstneffe ohne den EinspruchVenedigs das ganze Territorium der Malatesta be-kommen.

Denn das System des »großen Nepotismus« florier-te auch unter diesem Hohenpriester. Der ihm Nächst-stehende, sein Sekretär Gregorio Lolli, war der Sohnseiner Tante Bartolomea. Ein Verwandter mütterli-cherseits, Niccolò Forteguerra, wurde Kardinal; Gia-como Tolomei wurde Vogt der Engelsburg; Alessan-dro Mirabelli Piccolomini, ein Bankier in Rom, Rec-tor Frascatis. Von den vier Söhnen seiner SchwesterLaudomia avancierte Neffe Andrea zum Herrn vonCastiglione della Pescaja, Neffe Giacomo zum Herrnvon Montemarciano, Neffe Francesco zum Kardinal,Neffe Antonio zum Herzog, um weitere Verwandten-förderungen zu übergehen, nepotistische Neigungen,nein, Exzesse, die auch den zweiten, Kriege so verab-scheuenden Pius bis zum Kampf mit den Waffenführten.

Natürlich nicht nur im neapolitanischen Konflikt,auch gegen seine Widersacher im Kirchenstaat, gegenden Grafen Eversus, den Malatesta, den (dann imAuftrag König Ferrantes gefangengenommenen undermordeten) Jacopo Piccinino. Die päpstlichen Trup-

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pen unterlagen bei San Fabbiano in den Abruzzen,bei Sarno, bei Kastell Lione. Doch konnte der Strate-ge seiner Heiligkeit, Federico von Urbino, 1461 dieganze Sabina beugen und zusammen mit dem Pius-Verwandten, Kardinal Forteguerra, ein vielverspre-chender Name, am 13. August 1462 Sigismondo Ma-latesta von Rimini schlagen, den schönen, verwege-nen, humanistisch gebildeten Atheisten, den Inbegriffeines Renaissancemenschen, für von Pastor aber einGewaltherrscher, frecher Heide, blutdürstiger Wüst-ling, notorischer Verbrecher, »die entsetzlichste Er-scheinung der Epoche der Frührenaissance«, ja »einerder schrecklichsten Fürsten aller Zeiten« – Hitlerkonnte der 1928 verstorbene Historiker der Päpstenoch nicht einbeziehen.

Im September des folgenden Jahres entmachteteman Malatesta durch die Niederlage bei Fano fastganz. Pius nahm ihm alle Städte bis auf Rimini,schimpfte ihn die »Schande Italiens«, ließ ihn in Ab-wesenheit zum Tod verdammen und an zwei StellenRoms statt seiner ein ihm täuschend ähnliches Bildverbrennen mit der Unterschrift: »Dies ist SigismondoMalatesta, König der Verräter, Feind Gottes und derMenschen, zum Feuer verurteilt durch den Beschlußdes heiligen Kollegiums.«

Nicht ausgeschlossen: daß viele der über Malatesta(dessen Sarkophag, wie furchtbar, dann nicht mal ein

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christliches Emblem aufwies) kursierenden grausigenGeschichten – Ermordung zweier seiner Frauen, Un-zucht mit der eigenen Tochter, Vergewaltigung Unge-zählter beiderlei Geschlechts – in der kurialen Ge-rüchteküche ausgebrütet worden sind. Kurz, »dieserPapst«, schreibt Gregorovius, »welcher Kriege verab-scheute, besiegte alle seine Feinde, eroberte derenLänder und vergrößerte den Kirchenstaat« – ebendoch nicht nur mit dem Virgil in der Hand.23

Schließlich ließ Pius II. 1461/1462 auch politischeGegner, Banditen, Terroristen, würde man heute viel-leicht sagen, mit Truppen jagen und mehr als ein Dut-zend von ihnen hinrichten; darunter Tiburtius, dessenVater Angelo de Maso schon als Teilnehmer des Por-caro-Putsches (S. 263 f.), ebenso wie ein älterer Bru-der, durch Papst Nikolaus V. ein Jahrzehnt früher li-quidiert worden war. Und wie die beiden wurde nunauch Tiburtius im Kapitol gehenkt.

Im übrigen – wenn der Papst in dem von Partei-kämpfen und Empörungen geschüttelten Italien Frie-den zu verbreiten suchte, so nicht zuletzt deshalb,weil auch er, wie lange unterschätzt, intensiv die Wie-deraufnahme der Kreuzzüge wünschte; weil auch erdies, wie die Vorgänger, allerdings mit noch geringe-rem Erfolg, erstrebte, von Beginn seines Pontifikatsan, ja bereits vordem, und bis zum letzten Atemzug;wenn es auch, wie schon seit längerem, nicht mehr um

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die traditionellen Offensiven ging, sondern um dieEindämmung der türkischen Invasion, freilich nur dieFolge der einstigen christlichen!

Schon die von Pius beschworene Wahlkapitulationforderte vor allem den Türkenkrieg. Und da er einer-seits bereits vor seinem Kardinalat auf vielen deut-schen Reichstagen diesen Kampf propagierte, ande-rerseits seinem Pontifikat eine gesamteuropäische,eine weltgeschichtliche Leistung fehlte, fiel es demRuhmgierigen leicht, immer wieder für die BefreiungKonstantinopels zu werben, immer wieder Fürstenund Völker missionarisch daran zu erinnern, die Eu-ropäer zu einem gemeinsamen Krieg aufzustacheln,obwohl ihm sogar Kardinäle opponierten.

Der schwärmerische Romantiker stiftete 1459 denRitterorden der heiligen Maria zu Bethlehem. Undnoch im selben Jahr, wenige Wochen nach seiner Er-hebung, organisierte er in Mantua einen Kreuzzug-kongreß der Herrscher, die ihn dort monatelang war-ten ließen, wie er überhaupt sein Ziel voll verfehlte.Ja, der Phantast versuchte allen Ernstes durch seine»Epistula ad Manometern«, ein langes, noch im 20.Jahrhundert umstrittenes Schreiben, den siegreichenSultan Mohammed II., der schon Lesbos, Bosnien er-obert und das griechische Reich zu einem türkischengemacht hatte, zum Christentum zu bekehren, wobeier ihm, den das Dokument nie erreichte, das Blaue

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vom Himmel versprach und der glückseligen Welt eingoldenes Zeitalter. Doch aus dem Ritterorden wurdeebensowenig wie aus dem Religionskrieg oder derBekehrung Mohammeds.24

Gleichwohl, im Januar 1460 verkündete Pius II.einen dreijährigen Kreuzzug Europas gegen die Tür-ken.

Denn noch immer galt der Türkenkrieg als Kreuz-zug, noch immer bestimmte der Papst diesbezüglich,bestimmte der einstige Schreiber der Wiener Kanzleijetzt Kaiser Friedrich III. zum Generalkapitän des vonihm so ersehnten Krieges. Dieser stand in all den Jah-ren so im Mittelpunkt seines Denkens und Tuns, daßReformen oder Reformentwürfe, selbst die ausgereif-tere »Reformatio generalis« (1459) des Nikolaus vonKues, einfach auf der Strecke blieben, Einzelfälle bei-seite. Doch sein Legat Kardinal Bessarion, mehrfachaussichtsreicher Papstkandidat, nicht unbedeutenderHumanist, Protektor von Poggio Bracciolini, LorenzoValla, Regiomontanus, blitzte trotz aller Beredsam-keit 1460/1461 bei Kaiser und Reichsständen ebensoab wie bei seinen späteren Legationen für einen Tür-kenkreuzzug in Venedig und Frankreich.25

Deshalb beschloß Pius, die heilige Sache selbst indie Hand zu nehmen.

Zwei Ereignisse des Jahres 1462, ein sozusagenideelles und ein materielles, mögen ihn dabei beflü-

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gelt haben. Einmal tauchte infolge der Flucht vor denTürken der angebliche Kopf des Apostels Andreasauf, des Bruders von St. Peter, sogleich ein – freilichaussichtslos – begehrtes Kaufobjekt in europäischenFürstenhäusern; an Päpste mochte man da kaum mehrglauben, doch noch an die, so oder so, von ihnen ver-markteten Reliquien.

In Rom überreichte Kardinal Bessarion, in Tränenaufgelöst, den buchstäblich fabelhaften Schädel demgleichfalls Tränen vergießenden, leichenblaß zuBoden gegangenen Papst, der den (wäre er denn echtgewesen, seit fast eineinhalb Jahrtausenden toten)körperlosen Ankömmling folgendermaßen auf latei-nisch begrüßte: »So kommst du endlich, o allerheili-ges duftendes Apostelhaupt, durch die Türkenwut vondeinem Sitz vertrieben. Zu deinem Bruder, dem Für-sten der Apostel, nimmst du als Verbannter deine Zu-flucht. Dies ist die Alma Roma, welche du vor dirsiehst, und die dem kostbaren Blut deines leiblichenBruders gewidmet ist. Die Römer sind die Nepotendeines Bruders, und sie begrüßen dich alle als ihrenOheim und Vater.«

Kein Wunder, daß auch viele Römer und Römerin-nen angesichts des Spektakels zumindest das Ge-sichtswasser nicht halten konnten. Und anderntagshuldigte man dem duftenden Apostelhaupt (und PapstPius) noch mit einer stundenlangen pompösen Prozes-

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sion – denn: Religion bedeutete Schauspiel, Schau-stellung, Ritual –, und Pius hatte anscheinend eine be-sondere Vorliebe für prunkvolle Feste. Die angeführtegläubige Masse wälzte sich durch die überaus heraus-geputzte Stadt, wobei der Palast Kardinal RodrigoBorgias alles an Pracht übertraf und Kardinal Bessa-rion in einer Predigt beteuerte, der Apostelfürst werdeseinen Bruder Andreas an den bösen Türken rächen,was jener aber durchaus nicht tat.

Ein wahres Wunder und eine weitere göttliche Bei-steuer zum Türkenkreuzzug nannte eine Bulle desPapstes im selben Jahr die Auffindung der Alaungru-ben von Tolfa durch Giovanni de Castro, den bald pa-pale Hofpoeten lobpriesen, während ihn Pius selbstdurch ein Denkmal verewigt sehen wollte. Sofort,noch unter ihm, wurden die Alaungruben durch Tau-sende von Arbeitern ausgebeutet; sie brachten derKurie geschätzte 100000 Goldgulden jährlich ein undwaren dreihundert Jahre lang in Betrieb.

Pius II., der Italien befriedet, die Tyrannen gezähmtfand, rief am 22. Oktober 1463 die ganze Christenheiterneut zum Kreuzzug auf und bestimmte Ancona fürden Sommer nächsten Jahres zum Ausgangspunkt. ImJuni nahm er dann in Rom das Kreuz und ging, wäh-rend sich Europas Fürsten, mit Ausnahme weniger,wie des Sonderinteressen hegenden Dogen, verweiger-ten, ging ruhmsüchtig, gedrängt von dem Ehrgeiz, ein

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welthistorisches Fanal zu setzen, gichtbrüchig undsterbenskrank nach Ancona, wollte an der Spitze dersich sammelnden Kreuzfahrer, unter denen die Som-merhitze schon Seuchen ausgebrütet, von denen vieleschon wieder heimkehrten, in See stechen, sah nochdrei Tage vor seinem Tod, »mit viel Beschwer« an einFenster getragen, die Segel von zwölf venezianischenSchiffen am Horizont und starb am 15. August1464.26

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Paul II. (1464–1471), »die fromme Maria«

Pietro Barbo, Sproß einer reichen venezianischenKaufmannsfamilie, wurde von seinem Vorgänger, derihn als »fromme Maria« bespöttelte, nicht begünstigt.Die kirchliche Karriere verdankte er Onkel Eugen IV.,der den Sohn seiner Schwester schon mit 23 Jahren,1440, zum Kardinal erhob.

Als Barbo am 30. August 1464 im ersten Wahl-gang überraschend Papst geworden war, brach er um-gehend eine zuvor beschworene, 18 Punkte umfassen-de Wahlkapitulation, in der er u.a. die Reformierungder Kurie sowie die Berufung eines allgemeinen Kon-zils zugesagt. Da dies seine Macht als Papst jedochgeschmälert hätte, ließ er sich durch ein Gutachtenphilopapaler Kanonisten von seinem Eid entbindenund zwang die Kardinäle, teils unter Gewaltanwen-dung, eine stark abgeänderte Bullenausfertigung, diesie nicht einmal lesen durften, zu unterschreiben. Nurein einziger Kardinal, Juan de Carvajal, blieb stand-haft und verweigerte die Zustimmung.27

Der neue Herr war ein Durchschnittskopf, ein För-derer immerhin der Kunst, des Buchdrucks, einFreund üppiger Gastmähler und Festlichkeiten; fürseine Krönung zahlte die Apostolische Kammer mehrals 23000 Gulden. Der Papst war eitel, prachtgierig,

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wie seine Hauptresidenz zeigt, der große Summenverschlingende Palazzo S. Marco (heute Palazzo Ve-nezia), zu dessen Errichtung er antike Denkmäler,sogar das Kolosseum plünderte, ja noch stehendeTeile zerstören ließ. Und drei Verwandte ernannte erzu Kardinälen, Marco Barbo, Baptista Zeno und, spä-ter in der Engelsburg vergiftet, Giovanni Michiel.

Die Massen gängelte Paul – noch heute ein belieb-tes Mittel der Politik – mit Sport und Spielen, pflegteauch enorm den Karneval, die Ludi Romani, durchihn »weltberühmt«; dabei trat die rituelle Judenver-höhnung in den Mittelpunkt, die die Verhöhnten auchnoch mitbezahlen mußten. Bezeichnenderweise führteer nicht nur eine neue Steuer ein, die sogenannte quin-demia, sondern dekretierte auch 1470, das finanz-trächtige Heilige Jahr alle 25 Jahre zu begehen – fürLudwig von Pastor nur ein Beweis, »wie sehr Paul II.die Förderung des Seelenheils der ihm von Gott an-vertrauten Gläubigen am Herzen lag ...«

Den Wert seiner von Edelsteinen blitzenden Kroneschätzte man auf 200000 Goldgulden; auf mehr denSchatz des Kardinals Scarampo (S. 228). Und als die-ser bald nach dem Sieg seines Rivalen, angeblich ausÄrger darüber, starb und die Nepoten sich mit ihremReichtum, testamentarisch ihnen hinterlassen, auf unddavon machten, ließ sie der Pontifex einfangen undganze Ladungen von Gold und Preziosen in den Vati-

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kan zurückbringen, um nach Lust und Laune darüberzu verfügen – geraubt war es allemal.

Das Verhältnis zwischen Papst und Kardinalskolle-gium war seit dem gebrochenen Wahlvertrag belastet.Und weitere Feinde schuf sich Paul 1466 durch dieEntlassung von siebzig Kanzlei-Abbreviatoren,hohen, eventuell der Käuflichkeit verfallenen Kurial-beamten, darunter häufig Humanisten, Gelehrte,Schriftsteller, die nun Arbeit und Brot verloren. DerHistoriker Bartolomeo Platina, zeitweise Bibliothekarbei Kardinal Bessarion, 1475 auch Leiter der Vatika-nischen Bibliothek, hatte dem Papst mit einem Allge-meinen Konzil gedroht, worauf ihn der »humanistaVeneziano«, papa Paolo, vier Monate (nach anderenein Jahr) in die Engelsburg werfen und foltern ließ.

Überhaupt ging Paul II. – doch, von Freundesseitemehrfach bezeugt, auch Vater einer Tochter – oft indas Staatsgefängnis, vielleicht nicht nur um dort zu»inquirieren«, sondern weil er, angeblich schwul, esgenoß, Männer nackt auf der Folter zu sehen. Platinaaber rächte sich und schwärzte in seiner weitverbreite-ten Papstgeschichte Pauls Bild auf Jahrhunderte.28

Schließlich verfolgte der Heilige Vater als ersterPapst 1468 auch die römische Akademie (Accademiaromana oder pomponiana), einen von dem bedeuten-den Valla-Schüler Pomponius Laetus gegründetenund geleiteten Humanistenkreis, der sich anscheinend

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mehr für den antiken Paganismus als für das Chri-stentum interessierte und Paul möglicherweise stürzenwollte, was sich aber nicht beweisen ließ. Doch wur-den die Akademiker der Häresie bezichtigt, zeitweisein der Engelsburg eingekerkert, auch »peinlich be-fragt«, den Lehrern das Lesen altrömischer Dichter inden Schulen verboten und die Akademie (bis 1478)aufgehoben.29

Innenpolitisch kam es ständig zu Auseinanderset-zungen mit Vasallen im Kirchenstaat, etwa mit derFamilie Anguillara. Von kirchlichen Autoren gern als»Raubrittergeschlecht« vorgestellt (was der Adel, umwieder daran zu erinnern, gemeinhin war), hatte dieSippe einst in Rom die Kaiser Heinrich VI. und Hein-rich VII. aufgenommen und Senator Orso dell'Anguil-lara 1341 Petrarca zum Dichter gekrönt, später abervier Päpsten getrotzt. Jetzt nahm Paul II. dem GrafenEversus von Anguillara dreizehn Felsenburgen, einemVerächter zwar des Papst- und Pfaffentums, der abergleichwohl zu seiner Seelenrettung der Kirche große,u.a. den Pilgern geraubte Summen spendierte. Undvom Heiligen Vater vernichtet, verschwand die Machtdes Geschlechts »wie der Rauch, wie in Feuer gewor-fenes Wachs« (Kardinal Ammanati).

Im Krieg um Rimini, in den der Argwohn um diesich mehrende Macht Roms fast ganz Italien trieb,wurde das Heer des Papstes am 30. August 1469 ge-

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schlagen. Und auch gegen den Böhmen Georg vonPodiebrad (1458–1471), der sich schließlich zumUtraquismus bekannte, zur Förderung des Laienkel-ches, vermochte sich Paul nicht ganz durchzusetzen.So entband er ihn 1465/1466 formell sämtlicher Wür-den und ließ sein Land durch den ungarischen KönigMatthias I. Corvinus/Hunyadi – seit 1468 mit Böh-men im Krieg, seit 1469 Gegenkönig zu Georg – imsogenannten Ketzerkreuzzug schweren Verwüstungenaussetzen, ohne ihn, den auch Katholiken unterstütz-ten, zunächst sogar die Bischöfe von Olmütz undBreslau, völlig niederringen zu können.

Auch sonst hatte Paul außenpolitisch wenig Erfolg.Weder gelang ihm, wie in der Wahlkapitulation ver-sprochen, eine Fortsetzung des Krieges gegen dieTürken, die 1463 Bosnien erobert, König Stefan ge-fangen und getötet, die 1470 auch noch Negroponte(Euboia) genommen hatten, den letzten größeren ve-nezianischen Stützpunkt; noch konnte er König Lud-wig XI. von Frankreich (1461–1483) zur Beseitigungder Pragmatischen Sanktion (S. 224 f.), der sogenann-ten gallikanischen Freiheiten, bewegen, noch die rus-sisch-orthodoxe Kirche versöhnen. Mit 54 Jahrenstarb Paul II. überraschend am 26. Juli 1471 durcheinen Schlaganfall oder, nach anderer Auskunft, »an-geblich an einem Herzinfarkt, während er mit einemseiner Lieblingslustknaben Analverkehr hatte« (Caw-

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7.515 Deschner Bd. 8, 279Paul II. (1464–1471), »die fromme Maria«

thorne).30

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7.516 Deschner Bd. 8, 280Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord für ...

Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord fürNepoten, Beginn der Spanischen Inquisition

Francesco della Rovere, in relativ bescheidenen Ver-hältnissen 1414 in Celle (bei Savona/Ligurien) gebo-ren, wurde schon früh in ein Franziskanerkloster ge-bracht, stieg 1464 zum General seines Ordens auf,1467 zum Kardinal, am 9. August 1471 zum Papst;wobei es noch bei den Krönungsfeierlichkeiten zueinem Volksaufruhr und Steinwürfen nach Sixtus'Sänfte kam. (Und nach seinem Tod plünderten die Di-özesanen die päpstlichen Räume so restlos aus, daßman die Leiche mit einem geliehenen Talar bedeckenmußte.)31

Die Krönung des Rovere nahm Rodrigo Borgiavor, und wie dieser lebte auch Sixtus, der einstigeMönch, nicht gerade zölibatär, ein Papst, der Festemit offiziellen Mätressen gab, der es noch mit einerSchwester, seinen Kindern trieb, der seine Lustknabenmit reichen Bistümern und Erzbistümern belohnte,der Freudenhäuser in Rom gründete (angeblich garein vornehmes lupanar »für beide Geschlechter«), dieer an Kardinäle vermietete, während er von seinenDirnen – jede siebte Römerin war eine Nutte – jähr-lich 20000 (nach Theiner: 80000) Dukaten Steuereinsteckte.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.517 Deschner Bd. 8, 281Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord für ...

Doch soll der Heilige Vater, mit dem man dieHochrenaissance meist beginnen läßt, persönlichgütig und fromm gewesen sein, ein inniger Verehrer –ein »besonders schöner Zug« (von Pastor) – der heili-gen Jungfrau, deren Kult er gefördert, der er zwei Ma-rienkirchen in Rom errichtet hat, ja, der zu Ehren er1476 sogar das Fest der Unbefleckten EmpfängnisMariens einführte, der zudem ausdrücklich die nachihm benannte Sixtinische Kapelle geweiht worden ist.In der »Geschichte der Theologie« wird er so »immergenannt werden« (Jesuit Hertling). In der Geschichtepäpstlicher Hurenböcke auch.

Immerhin gönnte er manch andren, was er selbstgenoß; berichtet doch ein zeitgenössischer Chronist:»Als die Familie des Kardinals von St. Lucia ihm dasAnliegen unterbreitete, während der drei heißen Mo-nate des Jahres – Juni, Juli und August – die Erlaub-nis zur Sodomie zu erhalten, schrieb der Papst unterihre Bittschrift: ›Es möge geschehen wie ersucht‹.«32

Dabei besaß Sixtus auch Sinn für Geld und Ge-schäft, wie ja schon sein römischer Puff beweist,wenn freilich auch andere Bischöfe, Äbte und Oberin-nen seinerzeit und nicht nur seinerzeit Hurenhäuserbauten oder kauften. Angeblich zwar hatte der Rove-re, meint Franz Xaver Seppelt, »als Ordensmann, wiees oft zu beobachten ist, vom Wert des Geldes keineAhnung«. Doch nicht zufällig war er der erste Papst,

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7.518 Deschner Bd. 8, 281Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord für ...

der sein Konterfei auf Münzen setzen ließ. Er speku-lierte mit Finanzen, trieb den Fiskalismus hoch, ver-mehrte die käuflichen Ämter auf 625, auf mehr alsdas Doppelte. Er verkaufte Notariate, Protonotariate,Prokuratorenstellen bei der Kammer, verkaufte ganzeneue Kollegien, seltsame Titel darunter, wie ein Kol-legium von hundert Janitscharen, für 100800 Dukatenernannt. Er erhöhte die Steuern für Priester, die sichMätressen hielten, erhöhte die Pfründenbesteuerung,die Abgaben an den Kirchenstaat (69 Prozent der Ge-samteinnahmen). Seine Zehntauflagen, die päpstli-chen »Türkenzehnten«, erregten Proteste von Italienbis Polen, bis Schweden, Norwegen und verschärftendie antipäpstliche Stimmung zumal in Deutschland.Sixtus erfand aber auch neue Einnahmequellen, indemer etwa reichen Männern gestattete, »gewisse Matro-nen in Abwesenheit ihrer Ehemänner trösten zu dür-fen«. Er handelte mit Ablässen, erlaubte sogar derenDarbringung für Verstorbene, denen sie »fürbittwei-se« zukämen, und feierte 1475 ein Jubeljahr.33

Auch hatte sich Sixtus, wie so viele Vorgänger,schon die höchste Würde der Christenheit mit allensimonistischen Praktiken beschafft. Er hatte seinenProtektor, den Herzog von Mailand, mit generösenGeschenken bestochen, wie sein Neffe und BegleiterPietro Riario die Mehrheit der Kardinäle durch üppi-ge Versprechen.34

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7.519 Deschner Bd. 8, 282Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord für ...

Zunächst griff der neue Papst das drängendste Poli-tikum, das alte Kreuzzugprogramm, anscheinend mitaller Begeisterung auf, freilich auch er nicht sehr er-folgreich. Zwar steckte er viel Geld in die Aufrüstungseiner Flotte – allein 1471/1472, nach den Rech-nungsbüchern, 144000 Golddukaten – und sandte imFrühjahr 1472 seine prominentesten Kardinäle nachSpanien, Frankreich, Deutschland, Polen, um die Für-sten für den Türkenkrieg zu motivieren. Doch manzeigte auch jetzt wieder geringes Interesse, und derFührer der päpstlichen Armada, Kardinal OlivieroCaraffa, von seinem Herrn zum Admiral ernannt, kamtrotz Prozession und dem Segnen der Banner und Ga-leeren durch Sixtus vor der Ausfahrt über einige be-scheidene Ergebnisse im sogenannten Levantekriegnicht hinaus. Gleichwohl wurde Caraffa 1473 – mit25 erbeuteten Muselmanen auf 12 Kamelen – trium-phal in Rom empfangen.

1476 erlaubte der Papst dem französischen Königdie Einführung eines »Jubiläum«-Ablasses, wo er eswünsche: die Hälfte der einfließenden Gelder sollteder Verteidigung der Insel Rhodos zugutekommen,die andere der päpstlichen Kammer. In Schottlandmußte zur Gewinnung des Jubiläumablasses die Ka-thedrale in Glasgow besucht werden: ein Drittel derEinnahmen gehörte der Kirche, zwei Drittel derKreuzzugskasse. In Ungarn wurde 1481 der Jubelab-

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7.520 Deschner Bd. 8, 282Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord für ...

laß ein zweites Mal verkündet – zur Aufbringung desGeldes für den Türkenkrieg.

Auch als die Türken 1480 Otranto in Apulien er-oberten, die Einwohner abstachen, die Region verwü-steten, der bestürzte Papst bereits die Flucht nachFrankreich erwog und die Furcht vor den Invasorenplötzlich ganz Italien ergriff, konnte man keine großeGegenoffensive starten, sondern mit päpstlich-neapo-litanischen Schiffen und ungarischen Hilfstruppen ge-rade Otranto zurückgewinnen; und auch dies wohlnur, weil, bald nach Mohammeds II. jähem Tod (denganz Europa mit Kirchenfesten, Dankprozessionen,Freudenfeuern feierte), der Kampf der beiden Sultan-ssöhne um den Thron entbrannte und der türkischeBefehlshaber es vorzog, Otranto zu räumen.

Vergeblich wiederaufgenommen wurde auch dervon Paul II. angestrebte Versöhnungsversuch, dieVerhandlungen mit Iwan III. (1462–1505) über eineWiedervereinigung der russisch-orthodoxen Kirchemit Rom, was natürlich auch zum Beistand im Tür-kenkrieg führen sollte.35

Sixtus aber war viel zu sehr innenpolitisch, dasheißt durch Versorgung seiner Sippe, in Anspruch ge-nommen, als daß er außenpolitisch größere Erfolgehätte haben können. Denn was er offenbar aufbauenwollte, unbestritten sein Hauptgeschäft, war eine ArtGroßnepotismus, eine umfassende Begünstigung der

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Seinen, der Riario, Basso, Giuppo, die alles diesbe-züglich Dagewesene an Konsequenz und Umfangübertraf. Ein wahrer Gnadenregen, ein Wolkenbruchvon Pfründen und Privilegien ging auf den kinderrei-chen Anhang von zwei Brüdern und vier Schwesterndes Papstes nieder, ebenso auf die Verwandten vonKardinälen. Die eigentlichen Türken, höhnten dieZeitgenossen, sind die Neffen des Papstes.

Eine ganze Reihe seiner Nepoten, insgesamt sechs,machte Sixtus – zwei bereits, in offener Verletzungseines Wahlgelübdes, am 15. Dezember 1471 – zuKardinälen: drei Rovere, Giuliano, später Papst JuliusII., der neben zahlreichen Abteien noch sechs Bistü-mer erhielt, Cristoforo, ein systematischer Pfründenjä-ger, und Hieronymus della Rovere sowie Pietro undRaffaele Riario, der erste mit fünfundzwanzig, derzweite mit siebzehn Jahren Kardinal; wobei »Neffen«damals häufig »Bastarde«, wirkliche Söhne ihrer Hei-ligen Väter waren. Von Pietro Riario (einem Kindvielleicht seiner eigenen Schwester) und von dessenBruder Girolamo erscheint dies dem katholischenPapsthistoriker Kühner »mehr als wahrscheinlich«.Wurden doch auch »Neffen« gleichfalls »Werkzeugeseiner infamen Vergnügungen«.

Vor allem Pietro genoß des Papstes ganze Gunst.Er gab ihm mehrere Abteien, vier Bistümer und einPatriarchat, machte ihn zum Bischof von Treviso,

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zum Erzbischof von Sevilla, Valencia, Florenz sowiezum Patriarchen von Konstantinopel. Gerade nocharmer Franziskanerbruder, bezog er jetzt ein Jahres-einkommen von mehr als 60000 Goldgulden.

Sein Luxus war sagenhaft. Hofdamen, die er beher-bergte, konnten geschmeichelt in Nachtgeschirre ausvergoldetem Silber pissen. Bei seinen öffentlichenBanketten agierten gelegentlich Schauspieler, Künst-ler, Poeten, bedienten Domestiken in Seide gehülltmit vollendeter Kunst, kam ein Gang nach dem an-dern, mit Trompeten und Flöten angekündigt. Wild-schweine samt Fell erschienen gebraten auf der Tafel,ganze Damhirsche, ein Bär sogar, Pfauen mit ihrenFedern, Störche, Kraniche, übersilberte Fische, Kon-fekt in den verschiedensten Farben und Formen – undseine Mätresse war »vom Scheitel bis zur Sohle« mitPerlen übersät.

Zur Kurie sprengte Kardinal Pietro mit hundertRassepferden, Italien durchreiste er als Legat mit un-glaublichem Pomp und einzigartigen Vollmachten,vergöttert vom Volk, hofiert von Purpurträgern, inMailand wie in Venedig mit königlichen Ehren emp-fangen. Und als er nach zwei Jahren, nach wahnsinni-gen Extravaganzen, Ausschweifungen, am 5. Januar1474 kaum achtundzwanzigjährig starb, hatte er200000, laut anderen Berichten 300000 Goldguldenverpraßt, einen Berg Schulden hinterlassen, sich

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buchstäblich zu Tode koitiert – und erhielt auch nochdurch Mino da Fiesole eines der schönsten Grabmäleraller Zeiten.36

Sixtus IV. aber wandte jetzt seine Fürsorge beson-ders Girolamo Riario, Pietros Bruder, zu. Dieser warinzwischen vom Gemüsehändler zum Grafen vonBosco aufgestiegen und wurde Gemahl der berühmtenCaterina Sforza, der illegitimen Tochter des HerzogsGaleazzo Maria, der als Mörder seiner Mutter galtund an Weihnachten 1476 erst dreiunddreißigjährig inder Mailänder Kirche San Stefano unter den Dolchenjunger Adeliger fiel – alles Christen, um nur beiläufigeinmal daran zu erinnern.

Der Onkel oder Vater, der Heilige Vater jedenfalls,kaufte Girolamo Riario für 40000 Dukaten die Graf-schaft Imola, investierte ihn auch mit der GrafschaftForli (wo ihn 1488 Tyrannenmörder erdolchten) undsuchte ihm weitere Städte, Faenza, Ravenna, Rimini,die ganze Romagna zuzuschanzen – die intendierteBasis eines päpstlichen Nepotenreichs, »eines eigenenStaates«, wobei Sixtus »rücksichtslos militärischeund geistliche Waffen einsetzte« und »alle bis dahingeltenden Grenzen des Nepotismus« übertrat (Jait-ner).

Nicht jeder Papstverwandte konnte Purpurträgerwerden. So wurde ein Nepot Herzog; ein weiterer, dersehr junge Bruder des Kardinals Giuliano, Giovanni

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Rovere, trotz Protestes hoher Prälaten, mit Sinigagliaund Mondovi beliehen, auch Stadtpräfekt und dieTochter Johanna des Federico von Urbino, den derPapst zum Herzog erhob, als seine Frau ausersehen.

Fast während seines ganzen Pontifikats war SixtusIV. vor allem mit kirchenstaatlicher und italienischerTerritorialpolitik befaßt, das heißt mit der Fürsorgefür seine Familie. Darum führte er Kriege, darum in-trigierte, täuschte, konspirierte er, kam es zu schwerenpolitischen Erschütterungen, zu Rebellionen undFeldzügen. Und all dies natürlich unter metapoliti-schen Bekundungen, vorgespiegelten höheren Zielen,unter dem Deckmantel seines priesterlichen Amtesund der Religion.37

Mit viermal wechselnden Kriegsbündnissen ver-suchte Sixtus Mailand, Florenz, die Romagna, Ferraraund Neapel dem Grafen Girolamo Riario in dieHände zu spielen.

Dabei kam es zur Verschwörung der Pazzi, die, soheute der Schweizer Historiker Volker Reinhardt, diePhantasie von Autoren politischer Thriller unsererTage als ärmlich erweist: die Konspiration einiger su-perreicher Florentiner Familien gegen die Florenz be-herrschende, allmählich aber sinkende Macht der Me-dici. Doch war das Komplott »in Rom vorbereitetworden« (Handbuch der europäischen Geschichte),»unter wohlwollender Ägide des Papstes« (Rein-

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hardt). Sixtus IV., der seine Geldgeschäfte seit kur-zem den Medici – traditionell die Bankiers der Päp-ste – entzogen und dem römischen Bankhaus derPazzi anvertraut hatte, kooperierte auch politisch mitihnen. Er war eingeweiht, billigte und wünschte denFlorentiner Staatsstreich, nur das Ausmaß seines Ein-verständnisses ist, wie gewöhnlich in solchen Fällen,umstritten. Doch war selbstverständlich, daß das allesohne Mord und Totschlag, ohne die physische Ver-nichtung der Medici-Häupter nicht geschehen konnte,und die eigentlichen Drahtzieher offenbar der Papstund Girolamo Riario gewesen sind. Sie wollten ex-pandieren, in Florenz eine Signorie bekommen, jeden-falls die Stadt unter Herrschaft der Pazzi in ihrenMachtbereich einbeziehen. Zwischen ihnen und denVerschwörern fungierte als Verbindungsmann der vonden Medici abgelehnte junge Erzbischof FrancescoSalviati von Pisa, dem man das Erzbistum Florenzversprochen.

Da Lorenzo und Giuliano Medici nach diversenPlanänderungen am Sonntag, dem 26. April 1478,während eines Hochamtes im Dom von Florenz er-dolcht werden sollten, der zunächst gedungene päpst-liche Hauptmann Giambattista da Montesecco dieSache aber lieber nicht so feierlich, nur außerhalb derKirche, an einem ungeweihten Ort erledigen wollte,sprangen zwei weniger empfindliche und am Umgang

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mit Höherem, Heiligem besser gewöhnte für ihn ein:Antonio Maffei von Volterra und der apostolische Se-kretär Stefano von Bagnorea. Wohl während derWandlung, vor erhobener Hostie, wurde GiulianoMedici am Hochaltar wundenreich abgeschlachtet,mit vorsorglich immerhin 19 Messerstichen, währenddie Hauptperson Lorenzo Medici il Magnifico, in derArnostadt fürstengleich gestellt, infolge eines Brust-panzers unter seiner Kleidung leicht verletzt entkam(nicht ohne daß Girolamo später noch mehrmals ver-sucht hätte, ihn ermorden zu lassen). Und weil dieFlorentiner in der Vendetta gegen die Putschistenstanden, baumelten bald Angehörige der FamiliePazzi, Erzbischof Salviati von Pisa u.a. an den Fen-stern des Palazzo della Signoria, bis die Menge diehinabgestürzten Leichen auf der Straße in Stücke riß.Auch beide Meuchelmörder hauchten ihr geistlichesLeben aus. Und bis 1480 dauerten die Hinrichtungenfort.

Sixtus IV. aber schleuderte Bannflüche um sich,exkommunizierte den verdammten Priestermörder Lo-renzo Medici samt Anhang, verhängte das Interdiktüber die Stadt, beschlagnahmte alle florentinischenGüter in Rom, stachelte die Schweizer zum Einfall inItalien auf, so daß ihre bewaffneten Haufen in der Po-ebene erschienen, und führte selbst, unterstützt vonNeapel, einen schadenreichen Krieg gegen Florenz,

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das indes den Beistand von Mailand, Venedig, Ferra-ra, Frankreich nebst weiteren fand. Als jedoch auchFerrante vom Papst absprang und zudem die Erobe-rung Otrantos erfolgte (S. 282), zog es Sixtus vor, mitVenedig ein Bündnis, mit Florenz Frieden zu schlie-ßen.38

Dem Krieg gegen Florenz folgte der sogenannteFerrarakrieg (1481–1484). Der Papst kämpfte nun imBund mit Venedig, das erst zögerte, erst scharf ge-macht werden mußte mit Ferrara »gleichsam alsLockspeise« (Kretschmayr), indes er mit veneziani-schem Beistand für Girolamo Riario das KönigreichNeapel gewinnen, aber auch Venedig austricksen,nämlich Ferrara nicht den Venezianern, sonderngleichfalls dem Nepoten geben wollte.

Das üble Spiel des Papstes riß den größten TeilItaliens in die Kriegsflammen hinein.

Außer Venedig stand noch eine Reihe von wenigerbedeutenden Dynasten und Städten zu Sixtus, wäh-rend auf die Seite Ferraras Neapel, Florenz und Mai-land traten. Doch war auch Rom selbst, von Meuchel-mördern und anderen Gangstern wimmelnd, wie sooft, zerstritten. Für den Papst schlugen sich die Or-sini, gegen ihn die Colonna und Savelli, obwohl auchall diese Familien wieder gespalten waren. Die Blut-rache brach unter den Christensöhnen aus, Straßen-kämpfe tobten, Köpfe fielen, auf Altären und in Sakri-

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steien würfelte und tafelte das Kriegsvolk. Und derHeilige Vater kerkerte sogar die Kardinäle Colonna,Giambattista Savelli sowie dessen Bruder Matiano inder Engelsburg ein. Doch wurde auch Roms Umge-bung in Mitleidenschaft gezogen; verschwanden jaüberhaupt im 14. und 15. Jahrhundert 25 Prozent derDörfer im Umland der Heiligen Stadt.

Inzwischen lagen neapolitanische Kriegsschiffe,zwanzig Dreiruderer unter Ferrante, vor Ostia und be-unruhigten die Küste, operierte Herzog Alfons vonKalabrien, Ferrantes Sohn, im Kirchenstaat unddrang, selbst moslemische Reiter unter seinen Scha-ren, brandschatzend beinah täglich bis vor die ToreRoms. Dort, wo auch noch die Pest ausbrach, ließ derPapst nach Ankunft des Roberto Malatesta, des jun-gen Dynasten von Rimini, mit venezianischer Verstär-kung am 15. August 1482, von einem Vatikanfensteraus sein Kanonenfutter segnend, an sich vorüberzie-hen: Reiter, Armbrustschützen, aber auch Büchsenträ-ger, Artillerie und über 9000 Mann Fußvolk. Und we-nige Tage darauf siegte man in der Schlacht vonCampo Morto (Totenfeld) südöstlich von Rom in denmalariaverseuchten Pontinischen Sümpfen unter Füh-rung des Malatesta. Auf beiden Seiten fochten Orsini,Colonna, Savelli, über tausend Menschen starbenelend, und Sixtus bejubelte die Freudenbotschaft undgab sie an die Venezianer weiter, an die befreundeten

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Staaten. Er ließ alle Kirchenglocken läuten und be-suchte selbst einen Dankgottesdienst in Santa Mariadel Popolo.

Nur drei Wochen nach seinem Sieg verschied Ro-berto Malatesta am Sumpffieber. Mit allen Ehren ver-schwand er unter St. Peter – und schon trieb der Hei-lige Vater Girolamo nach Rimini, um MalatestasWitwe samt Sohn Pandolfo, einem Kind noch, ihrErbe zu entreißen. Allein die Florentiner verhindertendas Schurkenstück. Dem Papst aber schien es infolgegewisser Umstände wieder einmal opportun, die Frontzu wechseln. Er trennte sich von Venedig und ver-band sich mit dem eben noch blutig bekämpften Nea-pel. Gegen Venedig verhängte er im Sommer 1483das Interdikt und schleuderte den Bann, freilich ohneWirkung.39

Die Feindseligkeiten rissen nicht ab. In Rom, woSixtus und der Schrecken der Stadt, Graf Riario, mitden Orsini gegen die Colonna standen, raubte manKirchen und Häuser aus, riß Paläste nieder, bauteSchanzen, erstürmte Barrikaden, warf Feuerbrände.Man sperrte ein, folterte, vertrieb, erstach und köpfte,prominente Häupter fielen. Einmal sterben in einemnur zweistündigem Kampf auf der Seite der Colonnaetwa vierzig, auf der Gegenseite dreizehn Menschen.

Der Krieg dehnte sich auf ganz Latium aus, wo derPapst die Colonna vernichten, ausrotten wollte, um

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mit ihren Gütern und Reichtümern den vergöttertenNepoten auszustatten, der seinerseits Geld von denKirchen Roms erpreßte, während Vater Sixtus seineHaudegen mit Artillerie ausrüstete, Kanonen segneteund die Hände zum Himmel streckte, ohne sich durch-setzen zu können. Wider Willen mußte er den für Ve-nedig günstigen, für ihn enttäuschenden Frieden vonBagnolo am 7. August 1484 hinnehmen und starb –wie es heißt aus Wut darüber.40

Ein besonderes Ruhmesblatt erwarb sich Sixtus IV.als einer der wirksamsten Förderer der »neuen« Inqui-sition. Erlaubte er doch ihre Einführung durch einespezielle Bulle vom 1. November 1478 Ferdinand V.von Aragón und Isabella von Kastilien. Das Herr-scherpaar wurde bevollmächtigt, alle »Ketzer« seinesReiches (zumal die vermeintlich judaisierenden Kon-vertiten, die »Neuchristen«, die man zuerst zum Über-tritt gezwungen, dann der Unehrlichkeit verdächtigthatte) zu verhaften, zu richten und ihr Eigentum zu-gunsten des Papstes, der spanischen Krone und natür-lich des hochverdienten »heiligen Tribunals« zu kon-fiszieren.

Man ging jetzt mit massenhaften Exekutionengegen die Opfer vor, verbrannte sie entweder – mitvervollkommneter »Todestechnik« – lebendig odernachdem man sie zuvor erwürgt, »garrottiert« hatte;eine Methode u.a. von Straßenräubern, die den Aus-

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zuraubenden durch eine übergeworfene Schlinge be-wußtlos machten; die Garrotteure der Inquisitionbrachten die gleichfalls auszuraubenden »Ketzer« um,was jedoch als Zeichen besonderer Barmherzigkeitgalt, als Gnadenerweis der geistlichen Henker. Nach-dem die Pest viele Eingekerkerte hinweggerafft, grubman noch deren Leichen aus, um die Überbleibselrichten und ihr Erbe von den Verwandten kassieren zukönnen. Das Spitzelwesen, das Denunziantentumgrassierte und wurde von der Kirche in Predigt undBeichte als gottwohlgefällig gefördert.

Damit geht die schrecklichste und schändlichsteAusgeburt menschlichen Geistes, päpstlich autori-siert, königlich kontrolliert, grausamer und gründli-cher als irgendwo, ihrem Höhepunkt entgegen, ein na-hezu perfektes Massenmordinstrument, ein systema-tisch ausgeklügelter Terror, der, beispielhaft für ana-loge Einrichtungen in der Welt, noch mehr als dreiJahrhunderte dauert, bis 1834.41

Begreiflicherweise befürwortet der päpstliche Nun-tius in Spanien, Nicolas Franco, die pastorale Sache,die vielfach nur die Wahl zwischen Taufe und Todläßt, wärmstens. Und seine Heiligkeit ernennt wieder-holt, 1480 und 1482, Inquisitoren für Spanien, darun-ter der Dominikanermönch Tomas de Torquemada(1420–1498), Neffe des Kardinals Juan de Torque-mada (Turrecremata), eines der führenden Gegner der

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Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens.Papst Sixtus bestätigt ihn 1483 als Großinquisitor fürKastilien und Arágon, worauf er den Titel führt:»Wir, Bruder Thomas Torquemada, Mönch des Or-dens der Predigerbrüder, Prior des Klosters des Heili-gen Kreuzes in Segovia, Beichtvater des Königs undder Königin, unserer Herrscher, und Generalinquisitorin allen ihren Königreichen und Besitzungen gegendie häretische Verderbtheit, ernannt und bevollmäch-tigt durch den Heiligen Apostolischen Stuhl«.42

Dieses katholische Superscheusal, das führend dasgroße Judenpogrom von 1492 mit vorbereitet und indem von ihm noch gegen sein Lebensende gegründe-ten Dominikanerkonvent Santo Tomás (de Aquino)statutarisch auf »Reinheit des Blutes« (limpieza desangre) als Norm besteht, jagt nun vor allem die an-geblich judaisierenden »Neuchristen«, Juden also, dieChristen geworden waren. Die Scheiterhaufenexzessewerden als regelrechte Volksschauspiele begangenund noch unter Sixtus an drei Tagen in Toledo 2400Marranen verbrannt, wie die zum Katholizismus kon-vertierten Juden hießen, was »Schwein« bedeutet.

Als eigentlicher Begründer der Spanischen Inquisi-tion, die insgesamt über 300000 Menschen vernichtethaben soll, als Organisator wie Ideologe ihres Ter-rors, hat Torquemada, der sich für »ein Instrument dergöttlichen Vorsehung« hielt und somit auch von sei-

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nem Gewissen her alles erlauben konnte, in seinemachtzehnjährigen Wirken als Leiter des Inquisitions-tribunals 10220 Menschen lebend verbrannt, 6840»in effigie«, weil sie verstorben oder geflohen waren.97321 wurden durch ihn aus staatlichen oder sonsti-gen Ämtern gestoßen und ehrlos, insgesamt somitetwa 114300 Familien für immer ruiniert – AngabenJuan Antonio Llorentes, des späteren Sekretärs derSpanischen Inquisition, der sich dabei auf deren Ar-chive stützt. »Darin sind nicht eingeschlossen jenePersonen, die wegen ihrer Verbindungen zu den Ver-urteilten mehr oder weniger deren Unglück teilenmußten ...«43

Noch 1484, in seinem Todesjahr, übermitteltePapst Sixtus IV. ein Lob des Kardinals Borgia an denspanischen Großinquisitor und ergänzte seinerseits:»Wir haben dieses Lob mit großer Freude vernommenund sind darüber begeistert, daß Ihr, reich an Kennt-nissen und bekleidet mit Macht, all Eure Anstrengun-gen auf solche Gegenstände richtet, die den Namendes Herrn erhöhen und dem wahren Glauben nützlichsind. Wir rufen auf Euch Gottes Segen herab und er-muntern Euch, teurer Sohn, mit der früheren Energiefortzufahren und unermüdlich der Sicherung und Fe-stigung der Grundlagen der Religion zu dienen; indieser Angelegenheit könnt ihr stets auf unser beson-deres Wohlwollen rechnen.«

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7.534 Deschner Bd. 8, 290Sixtus IV. (1471–1484) Krieg und Mord für ...

Auf sein Wohlwollen nicht mehr rechnen konnte injenem Jahr sein früherer enger Studienfreund, der Do-minikaner Andrea Zamometić, ein vornehmer Balka-nese, von Sixtus 1476 zum Titularerzbischof vonGranea (bei Saloniki) erhoben. Als der Prälat aber,zeitweilig kaiserlicher Gesandter in Rom, die Zustän-de am päpstlichen Hof scharf zu kritisieren begann,ließ ihn Sixtus in die Engelsburg werfen. Und als er,dank kaiserlicher Intervention befreit, daranging, dieReform von Kirche und Kurie zu fordern und das all-gemeine Basler Konzil (mit Zitation des Papstes) wie-derzubeleben, landete Erzbischof Zamometić erneutim Kerker, diesmal durch den Kaiser und in Basel, woman ihn zwei Jahre später, 1484, erdrosselt in seinerZelle fand.44

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Innozenz VIII. (1484–1492) Das »GoldeneZeitalter der Bastarde«

»Wer als Papst ins Konklave geht, der verläßt es wie-der als Kardinal«, schrieb Ferraras Gesandter späterseinem Herrn. So erging es Rodrigo Borgia, der alsVizekanzler genügend Geld angehäuft hatte, um dieWahl gewinnen zu können. Denn Konklaven wurdennicht mehr, wie einst so oft, durch nackte Gewalt ent-schieden, sondern durch Korruption. Dem Borgiaaber, wie sehr er auch Ämter, Gelder, Güter, Benefizi-en versprach, mißtrauten die Kardinäle. Und da auchsein schärfster Konkurrent, der Neffe des verstorbe-nen Papstes, Giuliano della Rovere, der künftige Juli-us II., seine Chancenlosigkeit erkannte, ließ er esebenfalls an Bestechungen nicht fehlen und tat alles,um einen Mann durchzusetzen, der für ihn beherrsch-bar war, einen Kompromißkandidaten der rivalisie-renden Orsini und Colonna: Giovanni Battista Cibo,der sich Innozenz VIII. nannte.

Johannes Burckard, einst aus dem Elsaß wegen Ur-kundenfälschung und Diebstahl vertrieben, doch inRom 1483 zum päpstlichen Zeremonienmeister aufge-stiegen, berichtet als Organisator des Konklave in sei-nem Diarium, wie sich Cibos Generosität, seine buch-stäblich bestechende Freigebigkeit, herumsprach, wieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.536 Deschner Bd. 8, 292Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

die zur Nacht sich bereits niederlegenden Kardinäleaus ihren Zellen nur spärlich bekleidet herbeieilten,um ihre Suppliken, ihre Wunschlisten, vorzulegen,und wie Cibo sie alle sehr entgegenkommend unter-schrieb, ohne zu lesen, was er unterschrieb, und ohnees dann zu halten.

Innozenz VIII. war eben die »Güte und Liebens-würdigkeit« in Person, aber leider »sein Vorleben ...nicht frei von sittlichen Verfehlungen« (Seppelt). Unddiese sittlichen Verfehlungen scheinen, werden sie be-kannt, für viele neuzeitliche Kirchenhistoriker stetsdas Schlimmste zu sein. Damals machte man sichetwas weniger daraus, zumal im Umkreis der HeiligenVäter selbst.45

Giovanni Battista Cibo, einem vornehmen Genue-sergeschlecht entstammend, wuchs am Hof von Nea-pel au f. Dort hatte er, wie es hieß, »die schrecklicheUnart der Sodomie« angenommen. »Seine ungewöhn-liche Schönheit verschaffte ihm in Rom Zugang zurFamilie des Kardinals Philipp von Bologna, um des-sen Vergnügen zu dienen. Nach dem Tod seines Be-schützers wurde er der Liebling von Paul II. und Six-tus IV., der ihn zum Kardinal ernannte.«

Ob derartige Dienste nun aus Lust und Neigungoder mehr karrierebedingt geschahen, der Günstlingvon Sixtus IV. soll es – nicht zufällig rühmte manseine Amtszeit das »Goldene Zeitalter der Bastar-

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7.537 Deschner Bd. 8, 292Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

de« – auch auf acht uneheliche Söhne und ebensoviele uneheliche Töchter gebracht haben. »Was suchstdu Zeugen«, höhnte man in Rom, »um zu beweisen,ob Cibo Mann oder Frau sei? Schau die Schar seinerKinder an! Das ist der beste Beweis. Schuldig hat eracht Knaben gezeugt und ebensoviele Mädchen: MitRecht darf Rom diesen Mann als ›Vater‹ bezeichnen.«

Doch wieviele Sprößlinge immer giftige Zungenihm nachgesagt haben (zur Zeit seiner Papstwahl leb-ten sicher noch zwei, Teodorina und Franceschetto),er machte kein Geheimnis daraus, gab sie nicht alsNeffen, Nichten oder sonstwas aus. Im Gegenteil, of-fenherzig verheiratete er einige der Seinen mit diver-sen Fürstenhäusern Europas, zögerte auch nicht,Hochzeiten mit allem Pomp im Vatikan zu feiern, undgelegentlich feierte sogar die Mutter seiner Töchtermit. Mag Cibo aber als Papst seine Mätresse aufgege-ben, mag er sich mit mehreren Konkubinen getröstethaben: »Seine Heiligkeit erhebt sich aus dem Huren-bett«, so sagte man allemal, »um die Pforten des Fe-gefeuers und des Himmels zu öffnen und zu schlie-ßen.«46

Und da der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, triebes auch Papstsohn Franceschetto Cibo, der beimVater im Vatikan wohnte, entsprechend. Auf nächtli-chen Streifzügen soll er, in Häuser eindringend, jedeFrau, die er begehrte, vergewaltigt haben – ohne

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Tadel des Heiligen Vaters. War er nicht zu Einbrü-chen und amourösen Gewalttaten unterwegs, durch-brachte Franceschetto die Abende oft in den Spielhöl-len der Stadt, und als er einst in einer einzigen Nachtan Riario 14000 Dukaten verlor, bezichtigte er denKardinal des Betrugs, und der Papst erzwang von die-sem die Rückerstattung der Summe.

Auf Geld war Innozenz VIII. ebenso aus wie aufdas Glück seiner Kinder. So betrieb er die Vermäh-lung von Franceschetto mit Maddalena Medici, derTochter Lorenzos il Magnifico, wobei er nicht zöger-te, im Gegenzug dessen dreizehnjährigen Sohn Gio-vanni Medici, den späteren Leo X., zum Kardinal zuerheben (hatte doch Sixtus IV. schon den Siebenjähri-gen zum apostolischen Protonotar gemacht). Undgleichzeitig wurde der illegitime Sohn des Papstbru-ders Kardinal.

Wie der Vorgänger im Amt, der ihm hohe Schuldenhinterlassen, brauchte auch Innozenz nichts dringen-der als die Sanierung der Finanzen, zumal auch seineHofhaltung so prunkvoll wie unmoralisch war. Vor-übergehend mußte selbst der Kronschatz, mußtenMitra und Tiara des Papstes verpfändet werden.Sahen sich einige seiner Beamten doch sogar genö-tigt, sich durch eine Fälscherwerkstatt und denschwungvollen Handel mit gefälschten Bullen überWasser zu halten. Man hat Ablässe auch für die

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7.539 Deschner Bd. 8, 293Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

schlimmsten Vergehen en masse verkauft, hat jedeMenge überflüssiger Ämter (nicht nur in der Kurie)kreiert und den Meistbietenden zugesprochen. Alleindie Einführung von 24 neuen päpstlichen Sekretär-stellen erbrachte eine Kaufsumme von 63000 Kam-merdukaten. Und für jedes Verbrechen ging manstraflos aus, konnte man die päpstliche Kanzlei ent-sprechend befriedigen. Verbrechen aber gab es stän-dig; bloß von der Erkrankung Innozenz' VIII. bis zurKrönung seines Nachfolgers wurden 220 Mordtatengezählt.47

Eines seiner besten Geschäfte machte der ständiggeldhungrige Pontifex ausgerechnet mit den Türken.Zwar rief auch er zunächst zu einen Kreuzzug gegensie auf, wollte er sie mindestens fünf Jahre bekriegen,doch blieb alles im Ansatz stecken, ja schließlich gingInnozenz als erster Papst vertragliche Verbindungenzu den Osmanen, einen Handel mit Sultan Bayezid II.ein.

Beim Kampf nämlich um die Herrschaft nach Mo-hammeds II. Tod 1481 mußte dessen jüngerer SohnDschem, Bayezids Bruder und Rivale, fliehen und ge-langte dabei – Opfer jahrelangen Schacherns und Gei-sel bis zu seinem Tod – über den skrupellosen, wort-brüchigen Großmeister des Johanniterordens Pierred'Aubusson auf Rhodos nach Frankreich und 1489,gegen einen Kardinalshut für den Johannitergroßmei-

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7.540 Deschner Bd. 8, 294Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

ster, in die Hand des Papstes. Nach einem unver-schämten Handel hielt Innozenz den unglücklichen,längst von ihm begehrten Prinzen für jährlich 40000Dukaten von der Hohen Pforte gefangen, auf daß erseinem Bruder nicht gefährlich wurde.

1490 lieferten dessen Gesandte in Rom kostbareGeschenke samt der Drei-Jahres-Rate, 120000 Gold-dukaten, ab, was etwa 60 Prozent der regulären Ein-nahmen aus dem Kirchenstaat entsprach. Der treusor-gende (Heilige) Vater nutzte das Geld für die Ausstat-tung seiner Kinder, und 1492 überbrachte eine weite-re Delegation aus Konstantinopel u.a. gar die – natür-lich triumphal eingeholte – kostbare Spitze der Heili-gen Lanze, die einst den gekreuzigten Christus durch-bohrt, dann zwar seit langem schon zugleich in Nürn-berg und Paris verehrt und zumindest noch im 20.Jahrhundert in St. Peter gehütet worden ist (vgl. 48 III2. Kap.!).48

Geld war, neben seinen Kindern, das einzige, wasdiesen trägen, laxen, entscheidungsscheuen Manndauerhaft interessierte. Und da er auch oft und lang-wierig erkrankte, mehrmals schon für tot gehaltenwurde, überließ er das Regierungsgeschäft häufigGuiliano Rovere, der seine Wahl ebendeshalb simoni-stisch durchgesetzt.

Schon zu Beginn des Innozenz-Pontifikates riß derKardinal die Kirche in den langen leidenschaftlichen

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7.541 Deschner Bd. 8, 295Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

Kampf der neapolitanischen Barone gegen König Fer-dinand I. von Aragón (Ferrante). Nichts Gutes vonihm erwartend, vielmehr ernsthaft um ihre feudalenPrivilegien fürchtend, hatten die Barone bereits seineThronfolge zu verhindern gesucht und dann immerwieder gegen den »Tyrannen« konspiriert. Und daKardinal Giuliano mit der aragonesischen Dynastieverfeindet war, da der König die Oberhoheit Romsnicht anerkannte und den Lehenszins verweigerte, er-griff die Kurie in diesem, wie man einmal schrieb,»furchtbarsten aller Dramen des 15. Jahrhunderts«,die Partei des aufständischen Adels.

Der Konflikt, der auch Rom, wo man den Vatikanin eine Festung verwandelte, bedroht und dem Kir-chenstaat wie der papalen Politik schwer geschadethat, führte zu internationalen Verwicklungen. Einer-seits appellierten die Barone an den Herzog René vonLothringen, als Nachkomme der Anjou sein Recht aufden Thron von Neapel geltend zu machen, standenauch Venedig und Genua zum Papst. Andererseits un-terstützten den Neapolitaner Ungarn, Spanien, Mai-land und Florenz.

Der Krieg zog sich mit Verwüstungen, mitSchlachten auf verschiedenen Schauplätzen und meh-reren Unterbrechungen bis 1492 hin. Dabei drohte derPapst, der zur Verstärkung seiner Verteidiger sogarallen Verbrechern die Rückkehr erlaubte, König Karl

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7.542 Deschner Bd. 8, 295Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

VIII. von Frankreich mit Neapel zu belehnen. UndKönig Ferrante rächte sich am Adel, indem er dessenGüter und Kapitalien einzog, dessen Frauen und Kin-der ins Gefängnis steckte, indem er die Grafen vonSarno, Francesco Coppola, und von Policastro, Anto-nello de Petruciis, den Sekretär des Königs, samtihren Söhnen liquidieren, andere in den Geheimverlie-sen von Castelnuovo grausam hinschlachten ließ,während weitere Rebellen dort bis zum Einzug derFranzosen eingekerkert blieben.49

Karl VIII., kleinwüchsig, christlich reformfreund-lich, etwas geil und von Zeitgenossen wegen seinerFrömmigkeit gerühmt, hatte statt der ihm zugedach-ten, bereits in Frankreich weilenden, doch von ihmwieder zurückgeschickten Margarete von Burgund1491 Anna von Bretagne geheiratet, obwohl sie be-reits dem Erzherzog Maximilian I. von Österreichdurch Prokuration angetraut war.

Nach langen militärischen Auseinandersetzungenum das »burgundische Erbe« erfolgte nun ein neuerKonflikt. Und als diesen der Frieden von Senlis am23. Mai 1493 beendete, bereitete Karl, der frommeKönig, schon einen weiteren Krieg vor, den Feldzugnach Neapel, womit er 1494 ein fünfundsechzigjähri-ges Ringen mit Aragón bzw. Habsburg um die Hege-monie in Italien eröffnet hat. Dank seiner schwerenReiter, seiner überlegenen Artillerie und der ihn be-

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7.543 Deschner Bd. 8, 296Innozenz VIII. (1484–1492) Das »Goldene ...

gleitenden Schweizer Infanterie, seinerzeit wohl diesozusagen beste Europas, entschied er die Expeditionvorerst für sich und zog am 22. Februar 1495 in Nea-pel ein als »rex pacificus« auf einem Esel reitend –ein wahrer christlicher Friedensfürst –, zumal auchein »Hauptziel« seines frommen Unternehmens ganzoffenbar »die Gewinnung Neapels als Brückenkopffür einen Kreuzzug« war (Labande-Mailfert).50

Damals hatte allerdings Innozenz VIII. – nacheinem fünftägigen Todeskampf51 – bereits das Zeitli-che gesegnet, nicht ohne freilich seinen Namen fürimmer in die Geschichte des Heils tief eingebrannt zuhaben mit seiner Schrift »Summis desiderantes affec-tibus«, der sogenannten Hexenbulle, womit das Phä-nomen des christlichen Geister- und Hexenwahns inunser Blickfeld rückt.

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9. Kapitel

Die Anfänge des langen christlichenHexenwahns

»It is necessary to go back beyond the origins ofChristianity to understand how medieval peoplecould become so obsessed with the Devil andhis demons.«

Jeffrey Burton Russell1

»Thomas von Aquin, der das augustinische Mo-dell der These vom Teufelspakt aufnahm (S.th.IIa IIae q. 92 a. 1), systematisierte die heteroge-nen Elemente des Aberglaubens im Begriff derHexen und der ketzerischen Hexerei. Seine Su-perstitionssystematik legte die theoretischenGrundlagen für die Lehre von Teufelsbündnisund Satanskult und trug dadurch wesentlich zurEntwicklung des spätmittelalterlichen und früh-neuzeitlichen Hexenwahns, der Hexenverfol-gung und der Einrichtung der Inquisition bei.«Christoph Daxelmüller im Lexikon des Mittelalters2

»Albrecht Dürer (1471–1528) begann späte-stens 1497 mit der Produktion von Hexenbil-dern, gefolgt von anderen berühmten Künstlernseiner Zeit wie Hans Baldung Grien

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7.545 Deschner Bd. 8, 2979. Kapitel

(1485–1545), Niklaus Manuel Deutsch (ca.1483–1530), Urs Graf (ca. 1485–1525) oder Al-brecht Altdorfer (1480–1538). Wie Jane P. Da-vidson herausgearbeitet hat, gehörten die Hexenzu den verbreitetsten Bildthemen dieser Zeit.«

Wolfgang Behringer3

»Zur größten Hexerei gehört es, wenn man nichtans Hexenwesen glaubt.«

Der Hexenhammer4

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Die wohl stärkste Korrelation zum Hexenkomplexbildet das Phänomen der Zauberei, ein freilich beson-ders unscharfer Begriff, doch universal, typisch fürwohl alle Zeiten, auch gewiß älter als das Wesen oderUnwesen der Hexerei. Und schon in den frühen Kul-turen ist Magie, der »Kraftglaube« im weiten Sinn,über den Zauberer, Medizinmann, Magier, Schama-nen, den Priester mit dem sogenannten Übernatürli-chen, dem Göttlichen, Religiösen verbunden.5

Nicht selten unterschied man – allerdings kaum immittelalterlichen und späteren Christentum – zwi-schen »weißer« und »schwarzer« Magie, je nachdemman ihr positive oder negative Wirkungen zuschrieb,dem Menschen nützliche oder schädliche Kräfte. Zuden nützlichen zählten Wahrsagen, Wetterzauber,Astrologie, die Heilkunst und zumal im (sonst allemZauber, wie Wahrsagen, Beschwören, todfeindlichen)Judentum auch das Tragen von Amuletten. Zu denschädlichen Vorgängen rechnete man Verführungoder Tötung mittels magischer Praktiken.

Der Glaube an solche natürlichen und übernatürli-chen Potenzen, gute wie schlechte, war im Altertumund noch im Jahrtausend darauf weit verbreitet, dochblieb Zauberei zunächst im Mittelalter, im allgemei-nen bis ins Hochmittelalter hinein, straflos oderwurde mit Wergeld und Buße geahndet, wobei prakti-

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zierter Schadenszauber in schweren, indes sehr ver-einzelten Fällen sogar die Todesstrafe durch Verbren-nen nach sich zog.6

Längst vor dem Ausbruch des christlichen Geister-wahns aber war die Welt darin befangen, die vedischeReligion ebenso wie die ägyptische oder das talmudi-stische Judentum, dessen Promotor Rabbi Jochanan300 Dämonenarten kannte. Die verschiedensten Ge-spenstersorten bevölkerten die Unterwelt, die Erdeund den Luftraum, terrorisierten oder beschützten dieMenschen. Die verschiedensten Verirrungen des Ver-standes grassierten. Es gab ganze Heere von Toten-,Ahnen-, Haus-, Wald-, Wildgeistern etc., und aus derpaganen, der jüdischen Superstition, aus dem religiö-sen Synkretismus, der griechischen Mythologie, derPhilosophie, dem Volks-, dem Stammesglauben dran-gen die Gespenster, die alten Zauberpraktiken insChristentum ein (III 389 ff.), wo ja schon Jesus, einerder üblichen Zauberer für Celsus, »viele böse Gei-ster« austreibt. 63mal findet sich die Vokabel »dai-monion« im Neuen Testament, überwiegend in denEvangelien, und dort, durch den Kontext meist nega-tiv bestimmt, erscheinen vor allem die »unreinen«, die»bösen Geister«.

Immer wieder verurteilten die Kirchenväter dieMittel der Magie, das Dämonische, und bekämpftenes, indem sie – grausige Ironie – entsprechende vor-

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christliche Elemente mit christlichen niederzuschla-gen, abzuwehren, auszumerzen suchten, womit dieheidnische Zauberkunst, etwas umgemodelt, »zuneuer Blüte gelangte« (Reallexikon für Antike undChristentum), womit der ganze Höllenspuk von An-fang an ins Christentum drang, der »Feind«, der»Böse«, der »Herrscher dieser Welt«.

Ergo gebrauchte man geisterabwehrende exorzisti-sche Gesten. Wie schon in Babylonien blies mangegen den Teufel an, spuckte auch gern wider ihn.Wie schon in Neuguinea, in Persien, Ägypten, Romräucherte man das Böse im Christentum aus, da unddort noch heute. Man trug Kreuzchen statt antikerAmulette, machte vor dem Baden Kreuzzeichen aufdie Stirn statt da Schlamm zu verreiben. Ja, man lehr-te die Dämonen mit dem Kreuz, dem Kreuzzeichendas Fürchten. Frauen schreckten damit zudringlicheFreier und Liebhaber ab, man empfahl seine Anwen-dung gegen Biß und Gifte, empfahl es vor allem beiNacht, doch im Grunde immer. »Mache dieses Zei-chen«, rät im 4. Jahrhundert Kyrill von Jerusalem,»wenn du issest und trinkst, wenn du sitzest, wenn dudich niederlegst, wenn du aufstehst, wenn du sprichst,wenn du gehst, um es kurz auf einmal zu sagen, beiall deinem Tun.« Der hl. Kirchenlehrer nannte dasKreuz geradezu »Dämonenschreck«. Doch war es alsapotropäisches Zeichen, als Schutzmittel schon im jü-

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dischen Palästina bekannt.Auch die christlichen Priester praktizieren die Teu-

felsbeschwörung, Teufelsaustreibung, den Exorzis-mus, sprechen etwa (nach dem durch die Bullen vielerPäpste autorisierten Rituale Romanum) bei der Taufe:»Ich treibe dich aus, unreiner Geist«; »Höre, verfluch-ter Satan, und weiche ...« Immer wieder werden dieGeistlichen im Rituale ermahnt, sich vom Teufel nichttäuschen zu lassen, seinen Tricks und Listen nichtzum Opfer zu fallen, vielmehr auf sein Verhalten zuachten, ihn auszuforschen durch alle möglichen Fra-gen, dabei mit Kreuzzeichen und Weihwasser zu ar-beiten.7

Folgenreich wurde, wie so oft, Augustinus.Was er über Dämonen weiß, von ihnen glaubt –

einen Dämon will er selbst gesehen haben –, geht aufkeine Kuhhaut. Dämonen, gefallene Engel, treten alsGötter auf, sind aber keine, sondern nehmen »eineMittelstellung« ein. Sie bevölkern die Luft, wie dieVögel, sind jedoch »luftiger« noch, auch schneller. Ja,der große Kirchenlehrer kann sie ganz körperlos sichdenken, besteht indes doch wieder auf ihrem Corpus,denn zuletzt müssen sie »ewig« in der Hölle braten,wozu ein Luftleib schlecht paßt.

Überhaupt ist das Äußere dieser kleinen Teufel»nicht sonderlich viel wert«, und noch weniger natür-lich ihr Charakter. Die Dämonen sind eine neidische,

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schadenfrohe, betrügerische Bande, aufgeblasen vonHochmut, »vernünftig« zwar, aber »darum (!) auchelend«, befähigte Ratgeber zwar, doch eben satani-sche. Augustinus, der Experte, ist sogar Autor einereigenen Schrift über »Die Weissagekunst der Dämo-nen« und sich ganz sicher: bei einer Beschäftigungmit ihnen »bildet sich der Geist nicht ohne Nutzen ...«

Wie der seine.So schreibt er zum Beispiel: »Es ist eine oft gehör-

te Erzählung, und viele behaupten, es selbst erlebtoder von solchen, die es erfahren und über derenGlaubwürdigkeit kein Zweifel besteht, gehört zuhaben, daß Waldmenschen und Faunen, welche dasVolk Incubi nennt, nach den Weibern gegeilt und mitihnen den Beischlaf erstrebt und ausgeübt hätten; unddaß gewisse Dämonen, welche die Gallier Düsen nen-nen, diese Unflätereien eifrig versuchten und öftersverübten; und die das fest behaupten, sind solcheLeute, daß dies zu leugnen eine Frechheit wäre.«

Der Bischof von Hippo, der fest von der Existenzder Frauen nachstellenden Faune überzeugt war,glaubte auch an die Möglichkeit eines Geschlechts-verkehrs mit dem Teufel, an den Koitus der vom Him-mel gestürzten bösen Geister mit Menschenfrauen,werde es doch von so vielen vertrauenswürdigenChristen berichtet. Er glaubte an einen Teufelspakt,einen Bund mit dem »Bösen«, wie er auch in der

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Theophilus-Legende, der ältesten abendländischenMarienlegende, vorkommt, dem Urbild der Faustsage,ein Wahn, der in der Geschichte der christlichen He-xenverfolgung eine verheerende Rolle spielt.8

Augustinus und die anderen antiken Kirchenväterhatten einen großen Einfluß auf die theologische Re-flexion über den Teufel im Mittelalter, wo Priesterund Laien mit dem Ausüben von Riten fortfuhren,»little removed from heathenism« (Russell). So ist be-reits für die erste Kirchenrechtssammlung Mitte des 6.Jahrhunderts Zauberei schlechthin Apostasie, Abfallvom Glauben, qualifizierte »Ketzerei«, da man hinterden Zauberern Dämonen argwöhnte, böse Mächte,Teuflisches eben, während die Mirakel christlicherHeiliger Manifestationen selbstverständlich stets desGuten, des Göttlichen sind.9

So gehen im Frühmittelalter die libri poenitentia-les, die Bußbücher der Kirche, das Poenitentiale Bo-biense, Poenitentiale Burgundense, Floriacense, Hu-bertense, Vindobonense, Merseburgense usw. widerZauberer und Wettermacher, Weissager und Vogel-deuter sowie weitere Konkurrenten vor.

Zum Beispiel soll ein Jahr sühnen, »wer durchZauberei Verliebtheit erregt hat«, und zwar ein Jahr,ist er Laie oder Kleriker, drei Jahre, ist er Diakon,fünf Jahre, davon zwei bei Wasser und Brot, ist erPriester. Zwei Jahre soll sühnen, wer Zauberer um

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Rat fragt, zwei Jahre, wer Zauber- oder Teufelsliederüber Brot und Kräuter spricht. Wahrsager, Vogeldeu-ter sollen drei Jahre bei Wasser und Brot büßen, Zau-berer, Wettermacher fünf bzw. sieben Jahre, davondrei bei Wasser und Brot. Drei Jahre Buße treffenden, der »am ersten Januar mit einem Böcklein odereinem alten Weibe spazieren gegangen ist«. Ebenfallsdrei Jahre oktroyiert man einem Weib, das »denSamen ihres Mannes in die Speise mischt, um seinegrößere Liebe zu gewinnen«. Ein Mord mittels Zau-berei wird durch sieben Jahre Buße gesühnt.10

Freilich vermied man die schlimmsten Strafen. Ja,Karl »der Große« verhängte auf einer von ihm einbe-rufenen Synode die Todesstrafe über den, der, »vomTeufel verblendet, nach der Weise der Heiden glaubt,daß ein Mann oder eine Frau ein Hexer oder eineHexe ist und ... ihn oder sie verbrennt«. Und 799/800verfügt die Synode von Reisbach, Diözese Freising,zwar, daß Zauberer, Weissager, Wettermacher »mitsorgfältigster Prüfung festgehalten« werden, aber»daß sie nicht das Leben verlieren, sondern im Ge-fängnis erhalten werden mögen, bis sie durch GottesEingebung die Ausmerzung ihrer Sünden geloben«.

Ebensowenig ist von Todesstrafe in dem »CanonEpiscopi« die Rede, der im Mittelalter häufiger er-wähnt und von Regino von Prüm (V Register) 906 inseine Sammlung von Synodalbeschlüssen aufgenom-

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men wurde. Demnach sollen Leute, die sich mit dervom Teufel erfundenen Kunst der Zauberei undWahrsagerei befassen, mit Schimpf und Schande ausihren Gemeinden ausgestoßen werden. Seien Hexen-flug und Hexensabbat, nächtliche Ritte mit Dianadurch die Luft doch nichts als heidnischer Irrglaube,Blendwerk der Dämonen.11

Was kleine und große Kirchenlichter glaubten

Allerdings nisteten Dämonenwahn und Zauberspukim Laufe des späteren Mittelalters immer alberner,abgeschmackter in den Köpfen selbst führender Chri-sten. Hat die Kirche doch überhaupt, wie in manchenGlaubensfragen, ihre Einstellung auch zum Hexenwe-sen geändert, geradezu ins Gegenteil verkehrt. Be-trachtete sie nämlich überwiegend von der Antike bisins Hochmittelalter hinein all die diesbezüglichenWahnvorstellungen als irreal, als paganen Mumpitz,den sie bekämpfte, so gab sie dies an der Schwellezum Spätmittelalter als Wirklichkeit, als terrible Rea-lität aus.

Welchen Stuß sie dereinst der Welt über das Wir-ken der Dämonen vorsetzte, deute hier pars pro totobloß ein Beispiel an, der »Dialogus magnus visionumatque miraculorum« des Caesarius von Heisterbach

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aus dem frühen 13. Jahrhundert.Dem kraft seiner »Gelehrsamkeit« bald magister

novitiorum und Prior gewordenen Zisterzienser kamin der mittelalterlichen Predigtliteratur gleichermaßenBedeutung wie Beliebtheit zu. Er war einer der popu-lärsten Exempelschriftsteller, und seine ausführlichenStupiditäten dienten ebenso der dogmatischen undmoralischen Belehrung der Mönche wie als Predigt-vorgaben für Priester, prächtige Illustrationen christ-gläubigen Zeitgeistes.

Zunächst allerdings hatte Caesarius offensichtlichkeinerlei Lust auf das Klosterleben verspürt. Erst alsihm sein künftiger Abt die »herrliche« Geschichte vonClairvaux erzählte, wo einst zur Erntezeit »die Brüderim Tal mähten, die heilige Mutter Gottes, die heiligeAnna, ihre Mutter, und die heilige Maria Magdalenavom Berge kamen, in großem Glänze ins Tal hinab-stiegen, den Schweiß der Mönche abwischten, mit denÄrmeln fächelnd ihnen Kühlung zuwehten ...«, erstda, ja, gab's kein Halten mehr für den Berufenen, dawurde Caesarius »so erschüttert«, daß er in die Kutteschlüpfte und seinerseits, hochgelehrt wie er war, einfamoses Histörchen nach dem andern, hunderte, zumBesten gab.

Zum Beispiel von einem Zisterzienserabt, »der ge-storben war und wiederauflebte«; von einem Marien-bild, »das schwitzte«; von der hl. Gottesmutter, die

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die abgeschnittene Zunge eines Geistlichen durch eineneue ersetzt (worauf er mit heller Stimme ruft: »Heildir, Maria, reich an Gnaden, und so weiter ...« und diegesamte Brüderschaft Clunys das Wunder bezeugt).

Vor allem aber meldet der weltkundige Zisterzien-ser immer und immer wieder, wie Teufel und Dämo-nen ihren Terror treiben, wie sie die Kebse eines Pfaf-fen jagen, eine Priestertochter verführen, wie ein gei-ler Geist über Jahre eine Frau beschläft, und dies mitihrem Mann im selben Bett. Auch meldet Caesarius,daß der hl. Bernhard ein Weib von einem Inkubus be-freite; daß ein Teufel in einem Kleriker hauste; daßein Dämon beichtete; daß die Eingeweide einer Hennein eine Kröte verwandelt wurden und dergleichenStaunenswertes mehr. Dabei stützt sich der Autor na-türlich sowohl auf Selbsterlebtes wie auf die vertrau-enswürdigsten Zeugen seiner Exempla, den MönchGerhard etwa, »vormals Scholastikus in Bonn«, denMönch Gerhard, »einst Domherr in Regensburg«, denAbt Daniel von Schönau. Oder er beteuert: »Dies be-zeugt zuverlässig unser Subprior Gerlach.« »Dies hatmir ein frommer Abt unseres Ordens öfter erzählt.«»Dies hat mir ein Abt des Zisterzienserordens, einMann von hohem Ernste, berichtet.« »Dies habe ichvon einem, der dabei war und es mit angesehen hat.«

Kein Zweifel also an der Authentie des Reportier-ten – und alles so wunderbar und wissenswert, daß es

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noch das Zeitalter der Gegenreformation »zur neuenGeltung« bringt (Wagner).12

Im 13. Jahrhundert, nach Leibniz das dümmste derWeltgeschichte, verbreitete auch der große »Ketzer«-Jäger Papst Gregor IX. (VII 231 ff.!) das Aberwitzig-ste. In seiner Bulle »Vox in Rama« vom 13. Juni1233 berichtet er über den Teufelskult in Deutsch-land: »Wenn ein Neuling aufgenommen wird und zu-erst in die Versammlung der Genannten eintritt, so er-scheint ihm zuerst ein Frosch, den Einige eine Krötenennen. Diesem geben sie einen schmachwürdigenKuß auf den Hintern, andere auf das Maul und ziehendabei die Zunge und den Speichel des Thieres in denMund. Dasselbe erscheint zuweilen in natürlicherGröße, manchmal auch so groß wie eine Ente odereine Gans; meistens jedoch nimmt es die Größe einesBackofens an.«

Einige Zeit später, nachdem man auch getafelt, sobelehrt der Statthalter Christi weiter die Welt, tritt»ein schwarzer Kater von der Größe eines mittelgro-ßen Hundes rückwärts mit emporgehobenem Schwän-ze hervor. Der Neuling küßt ihn auf den Hintern,dann der Meister der Versammlung und nach ihm alleübrigen der Reihe nach ... Dann werden die Lichterausgelöscht, und man ergiebt sich ohne Rücksicht aufVerwandtschaft der greulichsten Unzucht. Sind mehrMänner als Weiber da, so befriedigen die Männer

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unter sich die schändliche Begierde; das Gleiche thundie Weiber unter sich.«

Kein Wunder, spukt es auch im Kopf des Thomasvon Aquin, des Heiligen und Kirchenlehrers, der alseiner der größten Philisophen gilt, dessen »Summatheologiae«, während des Trienter Konzils neben derBibel auf dem Altar liegend, auch heute noch als »dastiefste, bestens geordnete und meist katholische Werkder kirchlichen Tradition« angesehen wird (Lexikondes Mittelalters, 1997).

Thomas, der u.a. an gewisse Teufels- und Zauber-vorstellungen Augustins anknüpft, vertritt natürlichnicht nur den Satansglauben, sondern auch anderekrude Behauptungen, vor allem die infolge seiner Au-torität verhängnisvolle Lehre von der Teufelsbuhl-schaft. Steht doch in der »Summa« des Doctor eccle-siae, von dem Papst Leo XIII. noch im späten 19.Jahrhundert schreibt, »Der Sonne gleich hat er denErdkreis mit dem Glänze seiner Lehre erfüllt«:»Wenn aus dem Beischlaf der Teufel mit MenschenKinder geboren werden, so sind sie nicht entstandenaus dem Samen des Teufels oder des von ihm ange-nommenen menschlichen Leibes, sondern aus demSamen, den der Teufel sich dazu von einem anderenMenschen verschafft hat. Derselbe Teufel, der sich alsWeib mit einem Manne geschlechtlich vergeht, kannsich auch als Mann mit einem Weibe geschlechtlich

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vergehen.« (Bei der Übertragung der »Summa« insDeutsche hat der Übersetzer, der Dominikaner Zes-laus Maria Schneider, diese Stelle schamvoll ausge-lassen – in der Vorrede aber versichert, es liege der»ganze vollständige Text« vor.)

Der große Kirchenlehrer polemisiert nun gegenjene, die behaupten, der Teufel- und Dämonenwahnsei nichts als Aberglaube Unwissender, da es garkeine Zauberei gebe, außer in der Einbildung des Vol-kes. Und hatte selbst Gregor VII. gegenüber dem Dä-nenkönig Harald 1080 noch protestiert, alte Frauenund Priester als Verursacher von Krankheiten undStürmen barbarisch umzubringen und derart den ZornGottes, der doch durch diese Katastrophen die Men-schen strafe, nur zu vermehren, so lehrte jetzt Tho-mas, der »engelgleiche Doktor«, die Dämonen wür-den wirklich existieren und mit »Gottes Zulassung«die phantastischsten Dinge vollbringen, zum Beispielauch die Fortbewegung des menschlichen Körpersüber große Distanzen. Befähige sie ja die Feinheitihrer Natur, »vieles zu tun, was wir nicht vermögen,und daß es Leute gibt, die sie veranlassen das zu tun,die deshalb auch Schädlinge genannt werden.«13

Der überaus abergläubische, sich ständig von Zau-berern und Zauberkunst, durch Assassinate mittelsWachsbildern und Gift bedroht fühlende JohannXXII. (VII 474 ff.) – er sprach Thomas heilig! – ver-

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dammt im früheren 14. Jahrhundert in zwei Bullen dieZauberei; dabei publiziert er in der Bulle »Super spe-cula« einen »für ewige Zeiten geltenden Erlaß«, wo-nach alle, die so verirrt seien, daß sie mit der Hölleein Bündnis eingehen, ipso facto der Exkommunikati-on verfallen. Ferner sollen Vermögensbeschlagnahmesowie die übrigen »für Ketzer bestimmten Strafen vonihren zuständigen Richtern verhängt werden ...« Ähn-lich geht 1437 Eugen IV. (S. 224 ff.) gegen jene vor,die den Teufel anbeten, Verträge mit ihm abschließen,die mit magischen Tricks Krankheiten und Gewitterverursachen.14

Entscheidend wurde, daß man die Hexerei allmäh-lich von gewöhnlicher Magie unterschied und als»Ketzerei« ausgab, womit Zauberer und Hexen in dieHände der Inquisition gerieten und wie Häretiker be-handelt worden sind. Der Teufelspakt allein machtenoch keinen Zauberer, noch keine Hexe zum »Ket-zer«, zur »Ketzerin«. Es mußte das Element des Ter-roristischen, Verschwörerischen, des sozusagen orga-nisierten Verbrechens dazukommen. Deshalb machtedie Kirche die Diener und Dienerinnen der Dämonenzu Soldaten, zur Armee des Teufels, zur »SynagogeSatans« mit kriminellen Zusammenkünften beim »He-xensabbat«.

Bei diesen Treffen verehrten die Ruchlosen denLeibhaftigen, tanzten pervers, tafelten um Mitter-

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nacht, genossen Delikatessen, Kröten etwa, Herzenund Fleisch ungetaufter Kinder, bevor sie sich in wil-der Orgie den Teufeln sowie einander hingaben. DerVorwurf der Homosexualität wird in den Hexenpro-zessen ein Gemeinplatz, die Formel »vir cum viris«und »femina cum feminis« üblich. Abschließend fei-erte man beim »Hexensabbat« eine »schwarzeMesse«, eine gotteslästerliche Nachäffung des christ-lichen Gottesdienstes, wobei Satan selbst zelebrierte,das heilige Kreuz bespuckte, mit Füßen trat. Dieseund viele weitere Ausgeburten des Irrsinns, den un-glücklichen Opfern in fürchterlichen Torturen einge-geben und herausgefoltert, vermittelten Klerus und In-quisitoren dem Kirchenvolk, und nun konnte mangegen die Hexen wie gegen »Ketzer« vorgehen undsie einzeln oder haufenweise verbrennen.15

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7.561 Deschner Bd. 8, 308»Brennen«, »das houbet abslahn«, »den wilden ...

»Brennen«, »das houbet abslahn«, »den wildentieren fürgeworfen«.

»Der Vorrang der Initiative lag zunächst bei dergeistlichen Gerichtsbarkeit«

Der erste christliche Kaiser, Konstantin I., der im 4.Jahrhundert einerseits selbst Eingeweideschauer undAstrologen befragt, der auch gesetzlich Heil- undWetterzauber zugelassen hat, pönalisierte andererseitsschon das Verabreichen von »Liebesbechern« mitExil und Güterkonfiskation, ja, im Todesfall, mit demZerreißen durch wilde Tiere oder durch Kreuzigung (I268). Auch diskriminierte bereits Konstantin das frü-her erlaubte Wahrsagen. Und während der heidnischeKaiser Diokletian (284–305) Schadenszauberer zwarlebendig verbrennen, doch wohltätige Magier unge-schoren ließ, wurde seit Konstantins Sohn Konstanti-us II. (337–361) auf jede Magie, schwarze wie weiße,die Todesstrafe gesetzt.16

Im Frühmittelalter hatte es anscheinend nur sehrvereinzelt Verfolgung und Hinrichtungen beziehungs-weise Lynchjustiz von Zauberern und Hexen gegeben,so unter den Merowingern um 580 durch die grauen-hafte fränkische Königin Fredegunde (vgl. IV 118ff.!) in Paris. Oder nach dem großen Viehsterben imJahre 810. Ebenso bei dem jähen Tod König ArnulfsKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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899. Anno 1090 wurden bei Freising drei Erntezaube-rinnen (perditrices frugum), 1115 in Graz dreißigFrauen an einem Tag verbrannt (concrematae sunt tri-ginta mulieres in Greez una die).

Gewiß hat es in diesen frühen Jahrhunderten mehrOpfer christlichen Hexenwahnes gegeben als dieDürftigkeit der Überlieferung erkennen läßt. Zumaldie meisten Fälle der Lynchjustiz, etwa im Alpen-raum, in Skandinavien, offenbar nicht aktenkundigwurden. In Polen und der Ukraine kamen so nacheiner Schätzung die Hälfte aller Opfer um. Bemer-kenswert, daß unter der Türkenherrschaft in UngarnHexereianklagen vor türkischen Gerichten nicht zuge-lassen und verhandelt worden sind. Wehrten sichdoch auch Bischöfe und weltliche Obrigkeiten mitun-ter gegen die Verfolgungen, allmählich aber koope-rierten Kirche und Staat auch gegen Zauberer undHexen.

So bestimmt das erste deutsche Prosawerk, der»Sachsenspiegel«, Eike von Repgows berühmte Auf-zeichnung des sächsischen Rechts um 1225: »Swelkcristen man ungeloubich ist oder mit zoubere ummegeit oder mit vergiftnisse, unde des virwunnen wirt,den sol man uph der hurt burnen.« Und auch nachdem im 13. Jahrhundert entstandenen, von derSchweiz bis in das deutsche Ordensland verbreiteten»Schwabenspiegel« soll man Zauberer oder Teufels-

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7.563 Deschner Bd. 8, 309»Brennen«, »das houbet abslahn«, »den wilden ...

bündler, es »si wip oder man, ... brennen oder swel-chen tot der rihtaer wil, der noch erger ist dann bren-nen ..., und alle die ez wizzen und verswigent oder dieez ratent oder lerent, waerdent die des bewaert alsrecht ist, den sol man das houbet abslahn.« BeideRechtsquellen galten bald als Kaiserrecht, der»Schwabenspiegel« wird sogar in den Handschriftenhäufig als »kayserlich Rechtsbuch« oder ähnlich beti-telt. Und um die Mitte des 15. Jahrhunderts sollenauch nach dem »Richterlich Klagspiegel« Zauberer(maleficos) »getöt werden«, soll jenen, die »solch ver-boten sach treiben, ... das haubt abgeschlagen«, sollendie, die »das gemüt der frawen biegen und neigent zuliebe, begird und unkeuschheit ... den wilden tierenfürgeworfen ... oder villeicht mit dem schwert getoetetwerden«.17

Insgesamt aber hielt sich die profane Obrigkeit zu-rück, schaltete sich die weltliche Justiz, ausgenom-men etwa Fälle von Schadenszauber, während desganzen Mittelalters noch eher selten ein. »Der Vor-rang der Initiative lag zunächst bei der geistlichen Ge-richtsbarkeit, besonders bei Inquisitoren« (Trusen). Inihre Kompetenz fiel ja die Hexerei, seit man alle mög-lichen Wahrsage- und Zauberkünste, die ganzeschwarze Magie unter dem Begriff der Häresie subsu-mierte und den Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft,den Hexenflug und Hexensabbat, die rituelle Teufels-

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anbetung als Apostasie, satanische Gegenkirche, alsbewußte Abkehr von Gott verstand.

Der Übergang von der »Ketzer«- zur Hexeninquisi-tion vollzog sich im Laufe des 13. Jahrhunderts, indessen zweiter Hälfte es noch wenig Hexenprozessegab. Hundert Jahre darauf und später aber mehrten siesich in Südfrankreich, Nordspanien, im SüdenDeutschlands, vor allem auch in den oberitalienischenAlpentälern (Val Tellina, Valcamonica etc.), ferner inder Schweiz, in Fribourg, Neuchâtel, in den DiözesenLausanne, Genf, Sion, nicht zuletzt im Wallis, wonach dem zeitgenössischen Luzerner Chronisten Jo-hann Fründs der Dominikanerinquisitor Uldry de Tor-renté bereits gegen die »ketzerye der hexsen« vorgehtund in eineinhalb Jahren zweihundert Menschen ver-brennt. (In Luzern taucht 1419 in einem Verfahrengegen einen gewissen Gögler erstmals der schwyzer-dütsche Begriff »hexerye« au f.) Und bereitete schondas verhängnisvolle Edikt Johanns XXII. gegen dieZauberei großen Pogromen den Weg, so erst recht derberüchtigte Erlaß Innozenz' VIII.18

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»Hexenbulle« und »Hexenhammer« erleuchtendie Neuzeit

Einer der vielen Inquisitoren jener Tage war der um1430 in der elsässischen Reichsstadt Schlettstadt ge-borene Dominikaner Heinrich Institoris (Kramer).Seit 1470 als Hexenverfolger aktiv, wurde der Dr.theol. schließlich zum Inquisitor für ganz Deutsch-land ernannt, stieß aber auf so starken Widerstand,daß er nach Rom reiste, sich den Beistand des Heili-gen Vaters zu sichern.

Papst Innozenz VIII. (S. 291 ff.)) zögerte auchnicht, am 5. Dezember 1484 in der Bulle »Summisdesiderantes affectibus«, der berühmten Hexenbulle,die Welt zu warnen, die Christenheit aufzuklären, al-lein genötigt durch »Unser Gottseliges Verlangen«,gedrängt von »der höchsten Begierde ..., wie es dieSorge unsers Hirten Amtes erfordert, daß der Catholi-sche Glaube fürnehmlich zu unseren Zeiten allenthal-ben vermehret werden und blühen möge, und alleKetzerische Bosheit von den Gräntzen der Gläubigenweit hinweg getrieben werde ...«

Der Heilige Vater scheint baß entsetzt, ist ihmdoch »neulich nicht ohne grosse Beschwehrung zu un-sern Ohren gekommen, wie daß in einigen theilen desOberteutschlands, wie auch in denen Meyntzischen,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Cölnischen, Trierischen, Saltzburgischen (und Bre-mer) Ertzbistümern, Städten, Ländern, Orten und Bi-stümern sehr viele Personen beyderley Geschlechts,ihrer eigenen Seligkeit vergessend, und von dem Ca-tholischen Glauben abfallend, mit denen Teufeln, diesich als Männer oder Weiber mit ihnen vermischen,Mißbrauch machen, und mit ihren Bezauberungen,Liedern und Beschwehrungen, und anderen abscheuli-chen Aberglauben und zauberischen Übertretungen,Lastern und Verbrechen, die Geburten der Weiber,die Jungen der Thiere, die Früchten der Erde, dieWeintrauben und die Baumfrüchte, wie auch dieMenschen, die Frauen, die Thiere, das Vieh, undandre unterschiedener Arten Thiere, auch die Wein-berge, Obstgarten, Wiesen, Weyden, Getreide, Kornund andern Erdfrüchten, verderben, ersticken und um-kommen machen ...«19

Der Papst beauftragt in der Bulle die ProfessoresTheologiae, seine »geliebten Söhne« Henricus Instito-ris und Jacobus Sprenger, ebenso den »geliebten SohnJohannes Gremper«, einen Geistlichen des Konstan-zer Bistums, der sie als Notar begleitet, zur Bekämp-fung all der vielen schädlichen Exempel und Ärger-nisse, der überaus zahlreichen Leichtfertigkeiten,Sünden, Laster, befiehlt – denn nicht von ungefährwird ihm, so Theologe und Kirchenhistoriker Wil-helm Neuß, »eine große Gutmütigkeit« nachge-

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rühmt –, befiehlt, daß seine Helfershelfer »wider alleund jede Personen, wes Standes und Vorzuges sieseyn mögen, solches Amt der Inquisition vollziehen,und die Personen selbst, welche sie in vorgemeldetenwerden schuldig befunden haben, nach ihrem Verbre-chen züchtigen, in Haft nehmen, am Leib und amVermögen straffen«. Zuletzt erlaubt der Heilige Vater»gar keinem Menschen ..., dieses Blatt Unserer Ver-ordnung, Ausdehnung, Bewilligung und Befehls zuübertretten, oder derselben aus verwegener Kühnheitentgegen zu handeln. Wann aber jemand sich dieseszu erkühnen unternehmen würde, der soll wissen, daßer den Zorn des allmächtigen Gottes und Seiner Heili-gen Apostels Petri und Pauli auf sich laden werde.«

Es beleuchtet die perverse Moral der katholischenKirche, wenn der Jesuit Ludwig Freiherr von Hertlingin seinem mehrfach übersetzten und aufgelegtenHauptwerk »Geschichte der Katholischen Kirche«noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts schreibenkann: »Nicht wegen dieser Bulle, wohl aber wegenseiner Charakterschwäche und des Ärgernisses, das ergab, gehört Innozenz in die Reihe der Päpste, die denStuhl Petri entehrt haben.« Nicht das durch Jahrhun-derte fortgesetzte Enteignen, Foltern, Verbrennen –meist bei lebendigem Leib – Unschuldiger ist schänd-lich, schändlich ist die sexuelle »Sünde«, der Zöli-batsverstoß.20

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Ausgerüstet mit der apostolischen Vollmacht, er-probt Heinrich Institoris deren Wirkung gleich auf derRückreise 1485 in Tirol. Wochenlang stachelt er dasVolk von der Kanzel herab auf, so daß eine Frau ihm,der doch das »Wort Gottes« verkünden sollte, ins Ge-sicht sagt: »Ihr predigt ja nichts anderes als gegen dieHexen.« Brutal geht er in Innsbruck gegen einen gro-ßen Haufen ihm Ausgelieferter, meist Frauen, vor,u.a. wegen Wettermachen, Entziehung der Milch ausKühen, verweigert im Prozeß jede Verteidigung, ver-dreht systematisch die Aussagen, unterstellt Verbre-chen, die kein Zeuge vorgebracht, scheut sich auchnicht, offenkundig zu lügen, und läßt foltern.

Obwohl die Verfahren vor einem geistlichen Ge-richtshof (darunter vier Dominikaner) stattfanden,brach der Prozeß als null und nichtig zusammen, dieAngeklagten kamen frei. Der Bischof von Brixen,Georg Golser, der den Mann des Papstes am 23. Juli1485 noch dem Diözesanklerus schriftlich empfohlenhatte, schrieb jetzt: Institoris sei »vorher bei vielenPäpsten Inquisitor gewesen, bedünkt mich aber ausAltersschwäche ganz kindisch geworden zu sein; erscheint wirklich zu rasen. Was der Inquisitor gethan,ist höchst unanständig«, und riet diesem selbst, »sichzu entfernen, je geschwinder, desto besser.« Bürger,Klerus, Adel, alles war gegen den Hexenjäger seinerHeiligkeit, und die Regierung der Grafschaft Tirol

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soll nie wieder eine Hexenverfolgung zugelassenhaben.21

Das peinliche Debüt des Papstbüttels geschah zurselben Zeit, da der Inquisitor von Como, »unser Kol-lege«, wie es im »Hexenhammer« heißt, »im Zeiträu-me eines Jahres, 1485, 41 Hexen verbrennen ließ«.Möglicherweise dadurch angefeuert, keinesfalls aberentmutigt durch das Innsbrucker Fiasko, das selbstdie Bulle aus Rom nicht verhindert hatte, suchten nundie Hexenfahnder ein wirksameres Procedere, einedurchschlagende Propagandawaffe, und es kam zurNiederschrift des »Malleus maleficarum«, später »He-xenhammer« betitelt. Der dickleibige Kommentar zur»Hexenbulle« hat das in ihn gesetzte Vertrauen seinerVerfasser vollauf gerechtfertigt, den anfänglichen Wi-derstand mancher Fürsten und Bischöfe gebrochenund auf Jahrhunderte hin verheerend gewirkt.

Dies vor allem wohl, weil die Schreiber ihre Unge-heuerlichkeiten durch ungezählte (wörtlich oder indi-rekt benutzte) Kirchenvätertexte stützten, nicht nurdann und wann, sondern Hunderte von Malen, oft aufjeder Seite mehrfach, wobei die bedeutendsten Auto-ren, Augustinus und Thomas von Aquin, auch amhäufigsten erscheinen. Daß die Verfasser ihren gernhochgelehrt daherkommenden schauerlichen Sumsnoch mit einer Fülle von Fällen, Episoden, Histörchengarnieren, die nicht selten alle Perlen des Caesarius

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von Heisterbach verblassen lassen, hat der Publizitätdes Ganzen gewiß nicht geschadet.

Überdies waren sie schlau genug, auch für ein ak-tuelles wissenschaftliches Gutachten der damals be-rühmten theologischen Fakultät von Köln zu sorgen,das aber nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfiel, weshalbsie ein zweites fälschten und dem Band als Vorwortbeigaben. Fälschten sie doch auch notarielle Doku-mente; wie überhaupt Heinrich Institoris nur knappeiner Verhaftung wegen Unterschlagung von Ablaß-geldern entging.22

Im Grunde dreht sich das Ganze einzig und alleinum den Nachweis, daß die Hexen – wirklich Hexensind, denn sind sie es nicht, sind die Hexenjägerselbst die Mordbuben. Und da seinerzeit noch viele,auch Geistliche, die Existenz von Hexen für ein Un-ding, für Einbildung hielten, bekämpft der »Hexen-hammer« mit penetranter Verbissenheit »die alte Mei-nung ..., daß Hexerei nichts Wirkliches sei, sondernin der Meinung der Menschen bestehe« und lehrt sei-nerseits verständlicherweise: »Zur größten Hexereigehört es, wenn man nicht ans Hexenwesen glaubt.«

Was aber gab den Hexenjägern und -vernichternihre Gewißheit, immer vorausgesetzt, daß sie bonafide verfuhren? Nun, einfach »die Lehrmeisterin Er-fahrung, die uns nach den eigenen Geständnissen derHexen und den von ihnen begangenen Schandtaten so

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sicher gemacht hat, daß wir ohne Gefährdung des ei-genen Heiles nicht mehr von der Inquisition abstehenkönnen.«

Wie viele Theologen – nicht nur des Mittelalters –sich immer wieder eingehend mit der Sexualität be-faßten, so auch unsere Hexenjäger.

Zum Beispiel ventilieren sie, wie die Hexen dieZeugungskraft hemmen; wie sie die männlichen Glie-der (penes) weghexen (denn sie können sie »wahr undwahrhaftig weghexen«). Man bedenkt, ob der Incubusdie Hexe immer mit Ergießung des Samens besucht;ob er's lieber zu der einen als zur anderen Zeit treibt;lieber an dem einen als dem anderen Ort; ob Incubiund Succubi wie für die Hexe, so auch für die Umste-henden sichtbar auftreten – wissen die Experten doch»bezüglich der Umstehenden zu sagen, daß oft aufdem Felde oder im Walde Hexen auf dem Rücken lie-gend gesehen wurden, an der Scham entblößt, nachder Art jener Unflätereien, mit Armen und Schenkelnarbeitend, während die Incubi unsichtbar für die Um-stehenden wirkten. Es mochte sich auch am Ende desAktes ein schwarzer Dampf in der Gestalt eines Man-nes von der Hexe in die Luft erheben, was aber nursehr selten beobachtet wurde.«

Ausführlich erörtert man: »Ob durch Incubi undSuccubi Menschen erzeugt werden können«. Oder:»Von welchen Dämonen derartiges, nämlich das In-

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kubat und Sukkubat, verübt wird«. Und resümiertdann u.a.: »Es ist wahr, daß die Zeugung des Men-schen die Handlung eines lebenden Körpers ist. Aberwenn behauptet wird, daß die Dämonen kein Lebengeben können, weil dieses förmlich aus der Seelefließt, so ist es auch wieder wahr, aber nur deshalb,weil es stofflich abfließt vom Samen und der Dämonals Incubus mit Zulassung Gottes ihn durch den Co-itus hineintun kann, und zwar nicht als von ihm selbstabgesonderten, sondern durch den dazu genommenenSamen irgendeines Menschen, wie es der Heilige

Doctor« – das ist Thomas von Aquin – »sagt im er-sten Teile, qu. 51, art. 3, so daß der Dämon, der beidem Mann Succubus ist, bei dem Weibe Incubuswird, wie sie auch anderen Samen zur Zeugung ande-rer Dinge verwenden, wie Augustinus De trin. 3.sagt.«

Freilich könnte es sein, spinnt man den hochkrimi-nellen Schwachsinn fort, »daß an Stelle des Succubusein anderer von ihm den Samen empfinge und an Stel-le des anderen Dämonen sich zum Incubus machte,und zwar aus dreifachem Grunde. Ein Dämon nämlichkönnte, zu einem Weibe geschickt, den Samen emp-fangen von einem Dämon, der zu einem Manne ge-schickt ist, so daß also ein jeder für sich vom Fürstender Dämonen den Auftrag hätte, Zauberei zu üben,indem einem jeden ein Engel zugeteilt wird, auch von

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den Bösen, sei es wegen der Häßlichkeit der Hand-lung, vor der ein einzelner Dämon zurückgeschreckt(denn in der folgenden Frage wird es ersichtlich wer-den, daß bestimmte Dämonen infolge ihrer höherenRangordnung vor der Ausführung gewisser Handlun-gen und Unflätereien zurückschrecken), sei es, daß erunsichtbar an Stelle des Samens des Mannes seinenSamen, d.h. den er als Incubus empfing, dem Weibegibt, dadurch, daß er sich unterschiebt.«23

Denn ist's auch Wahnsinn, hat es doch Methode.Hexe aber ist vor allem das Weib. Das steht für die

Verfasser felsenfest, bedarf keines Beweises »daaußer den Zeugnissen der Schriften und glaubwürdi-ger Männer die Erfahrung selbst solches glaubwürdigmacht.« Die Erfahrung nämlich, daß die Weiber »inallen Kräften, der Seele wie des Leibes, mangelhaftsind«, »daß mehr unter den Weibern Ehebruch, Hure-rei usw. sich findet«, daß bei ihnen alles »unersättlichist«, »Alles ... aus fleischlicher Begierde« geschieht,die Öffnung der Gebärmutter »niemals spricht: Es istgenug«; »daß fast alle Reiche der Erde durch die Wei-ber zerstört worden sind«, daß sie »töten, weil sie denGeldbeutel entleeren, die Kräfte rauben und Gott zuverachten zwingen«; daß die Frau »immer täuscht«,»von Natur lügnerisch ist«, »nur ein unvollkommenesTier ...«24

Und all dies und mehr wird natürlich durch dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Heilige Schrift und die Sprüche der hl. Kirchenväterbestätigt: »Klein ist jede Bosheit gegen die Bosheitdes Weibes.« »Ein schönes und zuchtloses Weib istwie ein goldener Reif in der Nase der Sau.« »Esfrommt nicht, zu heiraten. Was ist das Weib anderesals die Feindin der Freundschaft, eine unentrinnbareStrafe, ein notwendiges Übel, eine natürliche Versu-chung, ein wünschenswertes Unglück, eine häuslicheGefahr ...« usw.25

Die Frau ist aber nicht nur eine häusliche, sie istauch eine religiöse Gefahr, hat sie doch, wie der »He-xenhammer« schon an Stammutter Eva nachweist,»von Natur geringeren Glauben«; was überdies auchdie Etymologie des Wortes für Frau lehre – »dasWort femina nämlich kommt von fe und minus (fe =fides, Glaube, minus = weniger, also femina = die we-niger Glauben hat) ... Also schlecht ist das Weib vonNatur, da es schneller am Glauben zweifelt, auchschneller den Glauben ableugnet, was die Grundlageder Hexerei ist.«26

Nun gibt es eine Gruppe von Frauen, den Autoren des»Hexenhammers« verhaßter als jede sonst: die Heb-ammen. Es erstaunt, daß der Fanatismus der Inquisi-toren, ihre Verfolgungssucht gerade diese Frauentrifft. Sie können kaum schlecht genug gemacht wer-den. Ja, es wird schlicht behauptet: »Niemand schadet

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7.575 Deschner Bd. 8, 316»Hexenbulle« und »Hexenhammer« erleuchten ...

dem katholischen Glauben mehr als die Hebammen.«Wie kommt es zu solch ganz außergewöhnlichen

Bezichtigungen?Gewiß, die Hexenhebammen schlürfen das Blut ge-

töteter Knaben, sie fressen Kinder auf, sie kochen ihreeigenen und verschlingen sie, sie erzeugen Fehlgebur-ten oder opfern gerade Geborene »dem Fürsten derDämonen, d.h. Luzifer, und allen Dämonen, über demKüchenfeuer.« Und auch hierfür bedarf es keiner »Ar-gumente«, wieder liegen doch »die klarsten Indizienund Erprobungen« vor, ist alles erneut »klarer als dasLicht bewiesen.« So hatte eine Hexenhebamme in derDiözese Straßburg nach eigenem Geständnis »Kinderohne Zahl« gemordet und eine andere Verbrannte ausder Diözese Basel bekannt, »mehr als vierzig Kinderin der Weise getötet zu haben, daß sie ihnen, sobaldsie aus dem Mutterleib hervorkamen, eine Nadel inden Kopf durch den Scheitel bis ins Gehirn ein-stach«.27

Doch das alles weicht kaum von den sonst berich-teten exorbitanten Scheußlichkeiten dieser Sammlungab, reicht kaum aus, uns zu erklären, warum niemandmehr als die Hebammen, die »Hexenhebammen«,dem katholischen Glauben schaden.

Gerade darauf aber gaben inzwischen zwei Deut-sche, Gunnar Heinsohn und Otto Steiger, ein Human-und ein Wirtschaftswissenschaftler, eine Antwort in

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ihrem aufsehenerregenden Werk »Die Vernichtungder weisen Frauen« mit der zentralen These: »DasZiel der Hexenverfolgung der frühen Neuzeit ist dieBeseitigung von Geburtenkontrolle.«

Heinsohn/Steiger gehen aus von der Bevölkerungs-katastrophe des 14. Jahrhunderts, den abendländi-schen Ernährungskrisen, Mißernten, Hungersnöten,zumal von der großen Pest; dem kolossalen Schrump-fen der europäischen Einwohnerschaft (nach langsa-mem Anstieg zwischen 800 und 1300 von rund 30auf 75 Millionen Menschen) wieder auf 45 Millionenim folgenden Jahrhundert.28

Dies aber bedeutete, das Werk vereinfacht, dochsinngemäß skizziert, einen enormen Arbeitskräftever-lust – in England beispielsweise büßten die Kirchen-güter während der großen Pest die Hälfte ihrer männ-lichen Bauern über zwanzig Jahre ein. Das wieder be-deutete, die riesigen Ländereien konnten nicht mehrrentabel genug bewirtschaftet werden. Den größtenGrundbesitz aber hatte weithin die katholische Kir-che; folglich hatte sie auch das größte Interesse an der»Wiederbevölkerung«, folglich trieb gerade sie zumKampf gegen Verhütung, Abtreibung, Kindstötung,folglich mußte vor allem die Trägerin des Verhü-tungswissens, die Hebamme, ausgerottet werden.Ergo beginnen im späten Mittelalter ziemlich jäh undvermehrt die Hexenverbrennungen, koordiniert 1484

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7.577 Deschner Bd. 8, 317»Hexenbulle« und »Hexenhammer« erleuchten ...

Innozenz' VIII. Hexenbulle »die Unterdrückung derGeburtenkontrolle für das gesamte katholische Euro-pa«, wird der »Hexenhammer« zum »Geburtenkon-trollhammer«.

Die Sicht der beiden Forscher ist bedeutsam, ihreDisqualifizierung von Gegnern nahezu ein literari-scher Genuß, kurz, das so gründliche wie klare Buch,von manchem Neider, Mißgünstigen, Besserwisserniedergenörgelt, alles andere als unseriös, als aben-teuerlich – wenn die aufschlußreiche Arbeit andereMotive der Hexenverfolgung auch nicht außer Kraftsetzen, wenn auch das bevölkerungspolitische Kalkül,die prononcierte Konzentration auf die »weisen Frau-en« als der fast einzigen Zielgruppe der Pogrome,nicht alles erklären kann, nicht immer das primäreMotiv gewesen ist, weil gewiß nicht nur Nüchternheitund zynische Rationalität den Ausschlag gaben. Einmehr oder weniger hoher Anteil an pseudoreligiösemFanatismus, abergläubischer Pfaffenhysterie und -dummheit, an materieller Raffsucht (nicht bloß län-gerfristig gesehen) bleibt. Und wie auch immer dieverschiedenen Faktoren des Problems bewertet wer-den mögen, hinter all den horrenden Massakern stehtunzweifelbar als Basis und immerwährender Anschubdie Moral, besonders die Sexualmoral der Kirche.

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7.578 Deschner Bd. 8, 31910. Kapitel

10. Kapitel

Von Alexander VI. (1492–1503) bis zuLeo X. (1515–1521)

»Seine Lebensweise war ausschweifend. Erkannte weder Schamgefühl noch Aufrichtigkeit,weder Glauben noch Religion. Außerdem wurdeer beherrscht von einer unersättlichen Habgier,von einem grenzenlosen Ehrgeiz und von einerbrennenden Leidenschaft, seine zahlreichenKinder zu fördern, die bei der Ausführung sei-ner schändlichen Befehle bedenkenlos diescheußlichsten Mittel anwandten.«Der florentinische Geschichtsschreiber Francesco

Guicciardini über Papst Alexander VI.1

» ... ein glücklicher Vater von nicht weniger alszwölf Kindern, Männlein und Fräulein.«

Ferdinand Gregorovius über Papst Pius III.2

»Von der Reinheit seiner Absichten und derHöhe seiner Stellung durchdrungen, verfolgte erunentwegt seine hochgesteckten Ziele.«

Ludwig von Pastor über Papst Julius II.3

» ... seine religiösen Verpflichtungen erfüllt ergewissenhaft, aber er will leben und das Leben

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7.579 Deschner Bd. 8, 31910. Kapitel

genießen.«Der venezianische Botschafter Marco Minio über

Papst Leo X.4

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7.580 Deschner Bd. 8, 32110. Kapitel

Es ist ein merkwürdiges und irritierendes Phänomen –das aber nur wenige zu irritieren scheint, zumal unterkatholischen Theologen und Historikern –, daß siedas Martyrium von Tausenden, von Hunderttausendenunschuldig gefolterter, oft auf scheußlichste Art er-mordeter Männer und Frauen, Menschen jeden Alters,anscheinend weit weniger bedrückt als das sexuell an-rüchige Leben eines Papstes, besonders das Alexan-ders VI.

Gewiß hat auch Alexander gelegentlich einen grö-ßeren Krieg betrieben oder erlaubt. Doch wie selten,und wie beinah bescheiden nimmt es sich aus nebenall den monströsen Gemetzeln so vieler seiner Vor-gänger und Nachfolger, die keine Erotomanen waren,die nicht als unsterbliche Schandflecken gelten.

Die Kriminalgeschichte ist kaum der Ort, Plus-punkte eines Papstes zu sammeln, etwa BorgiasPünktlichkeit, seine juristischen, seine bürokratischenQualitäten, seine herausragende Amtsführung als Vi-zekanzler, die weltberühmten, in seinem Auftrag vonBramante geschaffenen Bauten, die anno 1500 vollen-dete Pietà des jungen Michelangelo oder den Prozeß,den er, wenig bekannt, den Hexenjägern Institoris undSprenger in Straßburg machen ließ.

Aber zwei bei ihm überraschende Züge seien fest-gehalten. Einmal ein gewisses Mitgefühl für Arme.

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7.581 Deschner Bd. 8, 32210. Kapitel

Denn so ungeheuer er sich selbst bereicherte, er kamgerade unbemittelten, hilflosen Gesuchstellern entge-gen, wie ihn überhaupt die große Menge mochte.»Für die kleinen Leute waren die elf Jahre des Borgia-Pontifikats Jahre der Freiheit und des unverhofftenWohlstands«, schreibt Hans Conrad Zander. »Wasimmer er verbrach, im Volk blieb Alexander ›derSünder‹ die ganzen elf Jahre über so beliebt wie inder Stunde seiner Wahl.«

Zum zweiten war er auffallend tolerant, zumindeststupend nachsichtig gegenüber Schmähern seiner Per-son, mochten sie ihm noch so übel mitspielen. VonZensur, gar Inquisition in seiner Umgebung wollte ernichts wissen. »Rom ist eine freie Stadt«, sagte er am1. Februar 1502 zu dem ferraresischen Gesandten.»Hier kann jeder denken und schreiben, was ihm sel-ber gutdünkt.« Der Devise »leben und leben lassen«huldigte der fast immer gut gelaunte, auch im Alterblühend aussehende Alexander VI. allerdings nicht.5

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7.582 Deschner Bd. 8, 322Die heilige Familie

Die heilige Familie

Rodrigo de Borja y Borja wurde um 1430 in der Nähevon Valencia vermutlich als unehelicher Sohn seines»Onkels«, des späteren Papstes Calixt III., geboren;seine Mutter war eine Schwester Calixts (S. 268). Der»Onkel« machte ihn 1456, fünfundzwanzigjährig,zum Kardinal, im nächsten Jahr zum Vizekanzler desHeiligen Stuhls, ein Amt, das ihm, unter vier Päpstenausgeübt, ein Riesenvermögen einbrachte. Er galtnach dem Franzosen d'Estouteville als reichster Pur-purträger, und die Kardinäle zählten zu den reichstenMännern Europas. Sein unermeßliches Vermögenaber verwandte er, um sich das Papsttum zu erkau-fen – mit tausend Betrügereien, wie damals der vene-zianische Gesandte in Mailand schrieb.

Andere Kandidaten kamen dagegen nicht auf, auchnicht Giuliano della Rovere, für dessen DurchsetzungGenua 100000, der französische König 200000 Du-katen in einer Bank hinterlegt hatten. »Ziemlich zu-verlässige Berichte wissen von der Bereitstellung gro-ßer Summen für das Konklave von mehreren Seiten«(Handbuch der Kirchengeschichte). Der Borgia warfnur so um sich mit Benefizien, Immobilien, Posten.Er versprach Villen, Städte, Kastelle, Bistümer, Ab-teien, allein die Abtei Subiaco mit 22 Burgen »auf

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ewige Zeit«. Auch den eigenen prächtigen Palast samtallen Schätzen bot er feil, auch das Vizekanzleramtund natürlich Geld.

Dem selbst enorm begüterten Ascanio Sforza, Sohndes Mailänder Herzogs Francesco, schickte der künf-tige Papst, so hieß es in Rom, noch vor dem Konkla-ve vier mit Geld beladene Maultiere ins Haus. So er-hielt der Borgia schon im ersten Wahlgang AscaniosStimme und dieser, dem er nach eigener Aussage dieTiara vor allem verdankte, das Kastell von Nepi, dasBistum Erlau, das Vizekanzleramt, ein Priorat, eineAbtei u.a. Nur fünf Kardinäle von insgesamt 25 er-wiesen sich als unbestechlich.

Ein Mann hatte die höchste Würde bekommen, no-tierte seinerzeit der Annalist der Kirche, den die alteKirche wegen seines unsittlichen Lebens nicht einmalzu den untersten Stufen des Klerus zugelassen hätte.Denn die Sexualexzesse des Borgia waren weithin be-kannt.

Zwar soll er noch als Zwölfjähriger, berichtet einChronist, einen Jungen seines Alters, doch »von nied-riger Geburt«, getötet haben, »indem er ihm seineSchwertscheide immer wieder in den Bauch rannte«,weil er »unanständige Reden geführt«. Doch bald ließer alle Prüderie hinter sich, wurde ein notorischerFrauenjäger, verführte u.a. eine spanische Witwe vongroßer Attraktion nebst ihren beiden Töchtern, lehrte

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7.584 Deschner Bd. 8, 324Die heilige Familie

sie, wird überliefert, »die abscheulichsten Perversio-nen« und machte der Jüngeren drei Kinder, die er alsseine leiblichen anerkannte: Pedro Luis, Jerónima undIsabella; Ur-Ur-Enkel der letzteren: Papst InnozenzX. (1644–1655).6

Eine besondere Rolle unter den vielen Frauen, dieder Borgia mehr oder weniger beglückte, die er ansich zog »stärker als der Magnet das Eisen anzieht«,war die schöne Römerin Vanozza de Catanei.

Als er die Achtzehnjährige 1461 während des Kon-zils von Mantua kennenlernte, soll er bereits mitderen Mutter und vielleicht auch mit ihrer Schwestergeschlafen haben. Doch Vanozza, von der er zwi-schen 1475 und 1481, also als Kardinal, vier beinahabgöttisch geliebte Kinder bekam und fürstlich ver-sorgte, wurde für lange, für mehr als zwei Jahrzehnte,seine Mätresse, was ungezählte andere Kontakte na-türlich nicht ausschloß. Gleichwohl schrieb er ihr, alser sie mit Rücksicht auf den plötzlich Askese predi-genden Pius II. (S. 269 ff.) in Venedig untergebracht,»meine Liebe, folge meinem Beispiel und bleibekeusch bis zu jenem Tag, an dem es mir erlaubt seinwird, zu Dir zu kommen, und wir unsere tiefe Zunei-gung mit endloser Sinnlichkeit verschmelzen. Bisdahin lasse keine Lippen Deine Reize entweihen,lasse keine Hand jene Schleier heben, die mein höch-stes Glück bedecken. Noch ein wenig Geduld, und ich

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werde haben, was er, den man meinen Onkel nannte,mir als Erbe hinterlassen hat, den Stuhl Petri. Unter-dessen kümmere Dich mit großer Sorgfalt um die Er-ziehung unserer Kinder, denn sie sind bestimmt, überNationen und Könige zu herrschen.«

Vanozza unterzeichnete die Briefe an ihre Tochtergewöhnlich: »Deine glückliche und unglücklicheMutter.«7

Man kann gegen Alexander VI. sagen, was manwill: als Papst übertraf er alle früheren und späterenHeiligen Väter an Fürsorge für die Seinen – ohne lei-der bis heute in der Kirche ein Standes-, ein Familien-Patron geworden zu sein. Immerhin spricht Ludwigvon Pastor von dem »an sich edlen Untergrunde« die-ser Verwandten- und besonders Kinderliebe. Zudemwurde der Borgia, seit 37 Jahren Kardinal, von vierVorgängern, Pius II., Paul II., Sixtus IV. und Inno-zenz VIII., sehr geschätzt und galt im allgemeinen beiseiner Erhebung am 11. August 1492 als einer derTüchtigsten im Kollegium der Kardinäle.

Auch darüber hinaus aber fand er, nach doch fastlebenslangem hitzigem Herumgevögel, zunächst viel-fach Anerkennung, Lob, nicht nur bei zahlreichen Rö-mern, die ihn nun mit beinah paganem Pomp, mitStandbildern, Triumphbögen, Altären derart feierten,daß er vor Erschöpfung (was freilich, aus welchenGründen immer, häufiger bei ihm vorkam) die Besin-

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nung verlor und man ihm Wasser ins Gesicht goß.Auch der in Italien zum Dr. med. promovierte Nürn-berger Hartmann Schedel, Humanist und Chronist,Besitzer einer der bedeutendsten Privatbibliothekenseiner Zeit, sieht den Neugewählten berufen, »billichvor andern zur gubernirung und leytung sant Petersschifleins«, preist ihn voller »gotßdienstlichkeit undkuntschaft aller der ding, die zu einer solchen hohenwirdigkeit und stand gepürlich sind. Darum selig istder mit soviel tugenten geziert und in die höhe solcheröberkeit erhebt.«

Nicht weniger als fünf Borgia machte AlexanderVI. zu Kardinälen: Francesco, Lodovico, Juan Borgia,den Erzbischof von Valencia, Juan Borgia, den Erzbi-schof von Monreale, und Cesare, seinen Sohn. 1475geboren und für den geistlichen Stand bestimmt, hatteAlexander den bereits durch Sixtus IV. und InnozenzVIII. generös Bepfründeten an seinem Krönungstagmit dem Erzbistum Valencia beglückt, das ihm 16000Dukaten eintrug, ließ ihn aber vor der Ernennung zumKardinal – mit achtzehn Jahren – durch den Eid fal-scher Zeugen als ehelichen Sohn eines andern ausge-ben.8

Sein ältester Sproß, Don Pedro Luis, hatte sich imMaurenkrieg hervorgetan. Er wurde deshalb vom spa-nischen König 1485 zum Herzog von Gandia ge-macht und setzte, bevor er schon 1488 in Rom ver-

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schied, seinen jüngeren Bruder Don Juan zum Erbenein, Alexanders Lieblingssohn, den er am 7. Juni1497 mit dem Herzogtum Benevent und mehrerenStädten belehnte. Obwohl so der Kirchenstaat für alleZeit große Gebiete verlieren sollte, gab es im Kardi-nalskolleg nur geringen Protest, beherrschten es dochbereits die Spanier, darunter acht Blutsverwandte desPapstes. Am 14. Juni aber wurde Juan ermordet. Keinhärterer Schlag, klagte Alexander, hätte ihn treffenkönnen. »Wir liebten den Herzog von Gandia mehrals alles auf der Welt. Sieben Papstkronen würdenWir gerne hingeben, um ihn zum Leben zu erwek-ken.«9

Der Mörder des Herzogs von Gandia war wahr-scheinlich niemand anderes als dessen Bruder Cesare;für viele Historiker, darunter Ranke, steht dies fest.Und nun wurde ausgerechnet der Mörder des päpstli-chen Lieblingssohnes zum neuen Lieblingssohn desPapstes, wurde für ihn, wie er König Ludwig XII. vonFrankreich bekannte, das Teuerste auf Erden – fürwohl die meisten Geschichtsbetrachter: sein böserGeist. Mit fast jeder seiner Greueltaten war er einver-standen, wenn nicht von vornherein, dann hinterher.

Cesare, der seinen Bruder umgebracht, weil er ihmbeim Papst im Weg stand, wurde auch der Mörderseines Schwagers, des Neapolitaners Alfonso Herzogvon Bisceglie, des dritten und von ihr sehr geliebten

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7.588 Deschner Bd. 8, 326Die heilige Familie

Mannes der Lucrezia. Da er einem Attentat auf demPetersplatz nicht erlag, erwürgte Cesares PrivathenkerMicheletto Co-reglia den von Frau und Schwester, derPrinzessin Squillace, fürsorglich gepflegten, ausFurcht vor Gift auch beköstigten Verwundeten imBett.

Liquidieren ließ Cesare unter Eidbruch im Juni1502 auch den in der Engelsburg eingekerkertenAstorre Manfredi, den sechzehnjährigen, beim Volkbeliebten Herrn von Faenza, samt seinem Bruder. Er-würgen ließ er am 18. Januar 1503 Paolo Orsini und,am 8. Juni in Trastevere, wiederum durch Micheletto,wobei er, Cesare, heimlich zusah, den auf der Fluchtgefangenen Papstsekretär Troche.

Das bevorzugte Mordmittel der Borgia – wie wohlder Pfaffen überhaupt – war allerdings Gift. Sie besei-tigten damit besonders Prälaten, Bischöfe, Kardinäle,vergifteten aber auch einen päpstlichen General, einenfranzösischen Gesandten, vergifteten Mitglieder derFamilie Orsini und Gaetani sowie sonstige prominen-te oder begüterte Personen. Cesare erkundigte sich ge-legentlich eingehend bei seinem Stückhauptmann Lo-renz Beheim, später Kanonikus in Bamberg, nach derZubereitung von Giften, die Lebensmitteldosen beige-mischt werden und, je nach Wunsch, erst in einemMonat, in vier oder sechs Monaten wirken.

Vergiftet wurde damals, offenbar mit Einverständ-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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nis des Pontifex, falls er nicht gar, wie es hieß, Urhe-ber der Vergiftung war, Kardinal Orsini, der einst zuAlexanders Erhebung maßgeblich beigetragen.Gleichfalls mit dessen Zustimmung wurde auch PaulsII. Neffe, Kardinal Michiel, vergiftet, hinter dessenReichtum Cesare her war. Und im Sommer 1503 soller auch den Kardinal von Monreale, Juan Borgia, ver-giftet haben.10

Nicht jeder dieser und weiterer Morde des Papst-sohnes ist unumstritten. Doch gibt es niemand, derbezweifelt, daß er auch zu dem einen oder anderen an-gezweifelten Anschlag fähig gewesen wäre, ein Mann,der selbst den Papstkämmerer, den Liebling Alexan-ders, unter dessen Mantel abstach, daß dem HeiligenVater das Blut ins Gesicht sprang.11

Lucrezia Borgia, 1480 geboren, soll, wie besonderskirchliche Autoren gern betonen, gar nicht die Femmefatale, »die größte Hure, die es in Rom je gab«, sollvielmehr besser gewesen sein als ihr Ruf, zumal inetwas reiferen Jahren, als Fürstin in Ferrara, wo sieden Sturz des Hauses Borgia überstand, wenigstenszuletzt »im Zeichen religiöser Einkehr« (Batllori).

Zuvor diente sie als Marionettchen der Borgia-Poli-tik in der dieser jeweils förderlichen, allein vom Op-portunitätsprinzip bestimmten Ehen. Nach zwei wie-der gelösten Verlobungen verheiratete der Vater nachseiner Papstwahl die Vierzehnjährige, deren Wert nun

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7.590 Deschner Bd. 8, 327Die heilige Familie

»ins Astronomische« stieg (Chamberlin), mit Giovan-ni Sforza aus dem Hause der Herzöge von Mailandund annullierte nach Änderung seiner Politik 1498diese Ehe zugunsten (klingt hier zynisch) des sieb-zehnjährigen Prinzen Alfonso von Bisceglie, des un-ehelichen Sohnes Alfonsos II. von Neapel. Nach des-sen Ermordung wurde Lucrezia 1501 in dritter Ehemit Alfonso d'Este, dem Herzog von Ferrara, verbun-den. (Was man sich, wie auch sonst stets, einiges ko-sten ließ. Allein für die Roben ihrer Ausstattung zahl-te man zwischen fünfzehn- und zwanzigtausend Du-katen, allein für ihre Hüte, pro Stück, zehntausendDukaten.)

Alles für die Familie!Das hieß natürlich nicht zuletzt auch alles für Lu-

crezia. Der Heilige Vater, der ihr während seiner Ab-wesenheit wiederholt sogar die Regierung im Vatikananvertraute, die Abwicklung von Staatsgeschäften(obwohl sie – dafür auch unnötig – nicht übermäßigintelligent gewesen), hatte sie besonders tief ins väter-liche Herz geschlossen, wenn auch das ganze Ausmaßdieser Liebe gelind umstritten ist, die Quellen sich wi-dersprechen, begreiflicherweise. Denn daß, so der ka-tholische Papsthistoriker Seppelt, »ihr Vater und ihrBruder Cesare mit ihr Blutschande getrieben hätten,kann nicht als einwandfrei erwiesen gelten« – na, im-merhin. Die Behauptung Giovanni Sforzas, ihres

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7.591 Deschner Bd. 8, 328Die heilige Familie

wegen angeblicher Impotenz gefeuerten Ehemanns,der Papst habe »seine Tochter nur für sich selbst« ge-wollt und »bereits bei unzähligen Gelegenheiten Ge-schlechtsverkehr mit ihr gehabt«, mag ja der Wut ent-sprungen und erlogen sein, auch wenn die Intimitätder beiden »die hartnäckigste Beschuldigung« warund blieb, auch wenn Juan de Borgia, der Herzog vonNepi, vielleicht doch nicht der Sohn von Vater undTochter gewesen ist.

Aber sind auch die von Johann Burkard, dem ku-rialen Zeremonienmeister, in seinem Tagebuch be-richteten »Turniere« erfunden? Sind sie nur »Propa-gandalegenden«? Die Bespringung der Stuten durchdie Hengste, wobei sich Vater und Filia beifallsreichaufgegeilt, bevor sie sich zusammen für eine Stundeim Palastinnern eingeschlossen haben? Oder das »Hu-renturnier«, auch »Kastanien-Ball« benannt, bei demam 31. Oktober 1501 im Vatikan fünfzig der schön-sten Nutten Roms – es gab damals 50000 in der Hei-ligen Stadt – splitternackt und auf allen vieren ver-streute Kastanien um die Wette eingesammelt, ehe»zur Erbauung aller Gäste« die Dirnen selbst»fleischlich angegangen« wurden; »dieses Mal war esdie gnädige Frau Lucrezia, die neben dem Papst aufeinem Podium präsidierte, und den Besuchern diePrämien aushändigte«.12

Wie auch immer, längst war offenbar: AlexanderKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.592 Deschner Bd. 8, 328Die heilige Familie

VI. hatte bloß zwei große, ihm ungemein bekömmli-che Leidenschaften, die Stillung seiner Wollust unddie Erhöhung der Seinen. Vor allem letzteres be-stimmte den Regierungskurs. Alexanders Politik warganz vorherrschend Italienpolitik, Innenpolitik, unddiese gelenkt von den Familieninteressen.

Auch die wiederholten schroffen Frontwechseldienten seinen Kindern.

Zunächst lag der Papst noch im Konflikt mit KönigFerdinand I. Ferrante, der ihn beschuldigte, ihm seitBeginn seiner Regierung nur Schlimmes angetan, nuran sein Verderben gedacht zu haben. Doch dann un-terstützte er Neapel gegen Frankreich, wobei er syste-matisch die Versorgung seiner Sippschaft betrieb, vonder man sagte, nicht zehn Papsttümer würden reichen,sie zu befriedigen. Nach Ferdinands Tod am 25. Janu-ar 1494 erkannte er dessen Sohn Alfonso II. alsKönig an, und am 7. Mai feierte man die Hochzeitvon Jofré Borgia, dem zwölf- oder dreizehnjährigenjüngsten Papstsproß mit Sanzia von Aragón, einerTochter Alfonsos, den damals Kardinal Juan Borgiain Neapel krönte. Jofré bekam das reiche FürstentumSquillace mit 40000 Dukaten jährlicher Einkünfte, erwurde Graf von Coriata und Statthalter des König-reichs. Papstsohn Juan, Herzog von Gandia, wurdezum Fürsten von Tricarico, Grafen von Claromonte,Grafen von Lauria, Grafen von Carinola ernannt. Und

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7.593 Deschner Bd. 8, 328Die heilige Familie

auch Papstsohn Kardinal Cesare bekam reiche Bene-fizien.13

Nun aber erfolgte der Einfall Karls VIII. vonFrankreich, der erste von den Vorstößen dreier fran-zösischer Könige in das Land binnen zwanzig Jahren.

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7.594 Deschner Bd. 8, 329Franzosen- und Türkeninvasion

Franzosen- und Türkeninvasion

Anfang September 1494 überstieg König Karl mitseiner Armee den Paß am Mont Genèvre und drang inPiemont ein, gegen den Willen seiner Räte, seinerFeldherren, seines darbenden Volkes, doch vonRuhmgier getrieben und aufgewiegelt von AlexandersTodfeind Kardinal Giuliano della Rovere (nachmalsPapst Julius II.).

Als Erbe der Anjou erhob Karl Ansprüche auf Nea-pel, proklamierte aber auch den Krieg gegen die Tür-ken, die Eroberung des Heiligen Landes, prangtendoch auf den schneehellen Seidenfahnen seiner Solda-ten die Parolen »Voluntas Dei« (Gottes Wille) und»Missus a Deo« (Gottgesandter). »Das Schwert istgekommen ..., der Herr ist's, der diese Heere anführt«,rief Savonarola, der Karl als allerchristlichen Königbegrüßte, einen 22jährigen verwachsenen fremden Er-oberer, an dem alles extrem war, der Körper klein, derKopf unförmig dick, die Augen groß und glanzlos,die Nase riesig, die Beine spindeldürr. Manche emp-fingen ihn mit französischen Fahnen, französischenWappen; die Colonna, die Orsini – durch Heirat mitden Borgia verbunden – gingen zu ihm über. Florenzließ 120000 Goldgulden springen. Gelegentlich frei-lich, wie bei der Erstürmung Rapallos, wurden alle

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7.595 Deschner Bd. 8, 330Franzosen- und Türkeninvasion

Einwohner niedergemacht und noch die ärmsten Dör-fer geplündert.

Alexander VI., der sich mühte, den Feind vom Vor-rücken abzuhalten, geriet immer mehr in Aufregung.Auch befürchtete er, im Bewußtsein des erkauftenAmtes, die Ladung vor ein Konzil, die Absetzung undAufstellung eines Gegenpapstes. Er suchte überallHilfe, sogar beim Erbfeind, bei Sultan Bayezid II. Erbilligte auch die Verbindung seines Alliierten Alfonsovon Neapel mit dem Türken, schwankte im übrigen,immer ratloser, unschlüssig hin und her, wollte sichbald verteidigen, bald fliehen. Und als die Franzosen,von den Astrologen angeraten, an Silvester 1494 inRom einrückten, die Stadt plünderten, Juden erwürg-ten, die Synagoge zerstörten, reiche Prälatensitze aus-raubten, schloß sich der Papst mit seiner Leibwachein der Engelsburg ein, verweigerte dem König, der siezu beschießen drohte, zwar standhaft die Belehnungmit Neapel, überließ ihm aber Cesare Borgia als Gei-sel (offiziell Kardinallegat bei der französischenArmee, der er schon bald wieder entfloh).

Alexander erlaubte dem Feind freien Durchzugdurch den Kirchenstaat, ließ Karl, der ihn feierlich alsPapst anerkannte und sein Recht zu schützen ver-sprach, Ehren über Ehren erweisen, erfüllte Wunschauf Wunsch, gewährte Exspektanzen, Reservationen,Gnaden, erhob zwei Franzosen zu Kardinälen, lieferte

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zuletzt auch noch den unglücklichen Türkenprinzenaus, der bald darauf starb; »an etwas, das er aß unddas ihm nicht bekam«, wie ironisch zurückhaltendMajordomus Burkhard formuliert.

Der Franzose stürmte gleichwohl nahe der neapoli-tanischen Grenze, doch noch auf kirchenstaatlichemGebiet, zugunsten der Colonna etliche Burgen derConti, tötete die Besatzung von Montesortino, ließfast sämtliche Einwohner von Monte San Giovanniüber die Klinge springen und zog am 22. Februar1495, begeistert empfangen, in Neapel ein, wo Alfon-so II., am 22. Januar, wenige Monate bevor er dasZeitliche segnete, mit seinen Schätzen nach Siziliengeflohen, Ferrante II. König geworden war.

Doch während die Fremdlinge berauscht ihren Sieggenossen, die Liebe, den Wein, auch in großem Um-fang die »neapolitanische Krankheit«, die Syphilis be-kamen, die sich als »morbus gallicus« (französischeKrankheit) in Windeseile pestartig über Europa ver-breitet, auch viele Mitglieder der Familie des Papstesund seines Hofes heimgesucht hat, darunter CesareBorgia, die Kardinäle Ascanio Sforza und Giulianodella Rovere, grämte viele Fürsten das »beispielloseGlück« der Franzosen, ihr Trachten nach dem Kaiser-tum, der »Weltmonarchie«.

So schlossen sich am 31. März 1495 in Venedigdie Lagunenrepulik, Spanien, der deutsche König Ma-

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7.597 Deschner Bd. 8, 331Franzosen- und Türkeninvasion

ximilian I., seit 1493 seinem Vater Friedrich II. nach-gefolgt, ferner Lodovico il Moro von Mailand sowieder Papst in der »heiligen Liga« zusammen. Alarmiertbrach der Franzosenfürst mit einem Teil seines Heeressamt 20000 beutebeladenen Maultieren zum Rückzugauf und schlug sich am 6. Juli in der unentschiedenenSchlacht am Taro bei Fornovo durch die Truppen derLiga, unter beträchtlichen Verlusten, ganz ohne denriesigen Raub, ruhmreich und arm an Gewinn.14

Damit aber war auch der Türkenkrieg völlig insWasser gefallen. Und nicht sehr viel anders stand esmit diesem Krieg einige Jahre später.

Nach dem Tod des Prinzen Dschem begannen dieOsmanen wieder an vielen Fronten vorzustoßen. VomNorden bis Süden verheerten sie christliches Gebiet.»Auf Straßen und Feldern lagen die Erschlagenenumher«, meldet man nach einer Invasion in Polen1498. »Alle Städte im Gebirge und in der Ebene umLemberg und Przemysl bis Kanczug hin, wurden ge-plündert, verbrannt, und nachdem die Unholde einigeZeit im Lande gehaust hatten, kehrten sie mit schwe-rer Beutelast wieder um.«

Im nächsten Jahr brandschatzten 10000 türkischeReiter von Bosnien aus das venezianische Festland,stachen die Menschen ab oder schleppten sie in dieSklaverei. Gleichzeitig gingen die Seeschlacht beiNavarino verloren und Lepanto am Meerbusen von

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Korinth, ein Jahr darauf, im Sommer 1500, auchModon, Navarino und Koron, hochbedeutsame Kolo-nien Venedigs. Die wenigen Einwohner von Modon,schreibt ein Zeitgenosse, »wurden alle bis auf denletzten Mann auf das grausamste gepfählt. So weit istes mit den Christen infolge der Unruhen in Italien ge-kommen! So weit haben uns die inneren Streitigkeitengebracht!«

Daran aber waren der Papst und sein Borgia-Klün-gel hauptsächlich beteiligt.

Gewiß erinnerte Alexander VI. hin und wieder andie Türkengefahr, forderte er die Christenheit zu ge-meinsamer Abwehr auf, machte er Vorschläge zumBetreiben eines Feldzugs, zur Ausrüstung einerKriegsflotte. Dem Klerus erlegte er einen Zehnten alsBeisteuer auf, die Kardinäle, mehr als vierzig, solltenzusammen 34300 Dukaten zahlen; hatten doch man-che Einkünfte von 15000 Dukaten (Zeno), 18000 Du-katen (Sansoni), 20000 Dukaten (Giuliano della Ro-vere), 30000 Dukaten (Ascanio Sforza). Und natür-lich kassierte man Ablaßgelder. Auch allen Kriegernder spanischen Armada verlieh Alexander am 31. Au-gust 1500 einen vollkommenen Ablaß, ja er rüsteteselbst eine Kreuzzugsflotte aus. 13 Galeeren mit 2500Mann Besatzung, zu deren Kommandanten er BischofGiacopo Pesaro ernannte.15

Indes, all diese Anstrengungen, wenn es denn wel-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.599 Deschner Bd. 8, 332Franzosen- und Türkeninvasion

che waren, wurden nicht sehr ernst genommen.Die Fürsten verspürten wenig Lust, hatten ihre ei-

genen Pläne, die allgemeine Opferfreudigkeit warstark reduziert. In Frankreich verweigerte ein Teil desKlerus offen die Zahlungen. Auch die ungarischenPrälaten hielten sich auffällig zurück. Und der seitAnfang 1502 Deutschland durchziehende Legat Per-audi fand bei Geistlichen wie Laien ein so geringesKreuzzugsinteresse, daß er den Papst wiederholt umseine Rückberufung bat. Man mißtraute diesem, be-zweifelte seinen eigenen Ernst für die Sache, machtesich auch Gedanken über den Verbleib der Gelder.

Fest steht: das Haus Borgia, ja, jedes einzelne sei-ner Kinder war Heiligkeit allemal wichtiger als derganze Heilige Krieg. Paolo Capello, der veneziani-sche Gesandte, notierte im September 1500: »DerPapst ist siebzig Jahre alt; er verjüngt sich mit jedemTage; seine Sorgen dauern nicht eine Nacht; er ist vonheiterem Temperament und tut nur, was ihn frommt;sein einziger Gedanke ist, seine Kinder groß zu ma-chen, anderes kümmert ihn nicht.«

Fällt doch sogar für den Historiker der Päpste –dem das Urteil des Venezianers selbstverständlich zuweit geht –, durch Alexanders maßlosen Nepotismus,durch »die Sucht, das Haus Borja zu erhöhen«, aufdie Türkenfrage ein tiefer Schatten. Und obgleich derfür all seinen Schweiß nobilitierte Starverteidiger der

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7.600 Deschner Bd. 8, 332Franzosen- und Türkeninvasion

Stellvertreter nichts unterläßt, um das vom Papst »fürdie Türkensache Geleistete« – gut gesagt – »nicht sounbedeutend« erscheinen zu lasssen, bleibt es selbstfür ihn »freilich wahr, daß ungleich mehr hätte ge-schehen können, wenn Alexander VI. seiner nepotisti-schen Politik entsagt, weniger an die Erhöhung seinesCesare Borja gedacht hätte.«16

Daran aber dachte der treu sorgende Vater immerund an wohl nichts sonst dachte er mehr. Schon garnicht an jenen das Volk aufrüttelnden Revoluzzer ausFlorenz, der ihm einige Jahre seines so lustvollen Le-bens freilich ziemlich vergeblich sauer zu machensuchte.

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7.601 Deschner Bd. 8, 333Savonarola

Savonarola

Girolamo Savonarola, 1452 als Sproß einer angesehe-nen Familie in Ferrara geboren, wurde nach Abbrucheines Medizinstudiums und dem geplatzten Ehepro-jekt mit Laudomia Strozzi (frühe Liebeslyrik nochvorhanden), 1475 Dominikaner in Bologna, 1479 No-vizenmeister in Ferrara und 1491 nach einstimmigerWahl Prior des Konvents S. Marco in Florenz, demMittelpunkt der Renaissance. 1493 ernannte ihn Ale-xander VI. zum Generalvikar einer eigenen, aus demlombardischen Provinzialverband herausgelöstentoskanischen Reformkongregation, die an die einstigestrengere Observanz, das ursprüngliche Ordensidealder Armut anknüpfte.

Savonarola, einer der wortgewaltigsten Predigerseines Jahrhunderts, dem auch Botticelli und Michel-angelo oft lauschten, vertrat einen religiös-morali-schen Rigorismus und ging dabei immer wieder vondrei Sätzen aus: die Kirche werde schwer gezüchtigt,dann erneuert werden, und beides bald.

Selbst sittlich unantastbar, ein lebendiges Beispieldessen, was er lehrte, verdammte er mit glühender Be-redsamkeit und schrankenlosem Freimut die Verderb-nis der Kirche seiner Zeit. Von der Domkanzel herabschmähte er sie »schamlose Hure«, »öffentliches

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Haus«, »Bordell«. »Du bist schlimmer als die Tiere,du bist ein Monstrum und eine Abscheulichkeit.« Ergeißelte Klerus wie Laien, die Geistlichen seien »zuBüchern des Teufels« geworden und das Leben derFlorentiner zu einer »Lebensart der Schweine«.17

Der Dominikaner steckte nicht nur mit seinem Kör-per noch in der Mönchskutte, im Mittelalter, sondernauch mit seinem Kop f. Heiliger Zorn, Eitelkeit, einegewisse mystische Schwärmerei und theatralischeÜberspanntheit durchdrangen sich in ihm. Er glaubtean seine Visionen und Auditionen, seine Gesichte undStimmen. Er hielt sich für einen Propheten, ein mitEngeln verkehrendes Organ göttlicher Offenbarung.

Er wurde mit der Zeit immer schärfer, radikaler,wetterte immer wütender gegen Trunksucht, kurzeRöcke, Karten- und Würfelspaß. Er empfahl, öffentli-che Spieler zu foltern, Gotteslästerern die Zunge zudurchstechen. Er organisierte, so sagt er selbst, das»Fest der höheren Tollheit« (maggior pazzia), organi-sierte die »bruciamenti«, die Verbrennung der Eitel-keiten, der Faschingskostüme, Luxuskleider, Musik-instrumente. Auch »schlüpfrige und anstößige Bücher(libri lascivie e disonesti)«, wie Jacopo Nardi berich-tet, übergab man den Flammen, »und alle möglichenFiguren und Gemälde«. Er fiel über den Schönheits-kult her. Selbst Fra Bartolomeo, der wahrscheinlichunter Savonarolas Einfluß Dominikaner wurde, Lo-

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renzo di Credi, Sandro Botticelli verbrannten ihreNacktstudien.

Der Bußprediger zerriß die Familien. Er inszenierteeine Art Inquisition, überall herumstreifende, herum-spionierende und denunzierende Sitten Wächter,sogar eine fanatische »Kinderpolizei«, Jugendlichen-gruppen (»fanciulli«), die, geschützt von Erwachse-nen, die Florentiner terrorisierten, ihnen in razziaarti-gen Heimsuchungen Kartenspiele, Masken, Spiegel,anderen Hausrat wegnahmen und auf dem Scheiter-haufen verbrannten.18

Doch nicht nur das religiöse, moralische, sozialeLeben suchte Savonarola zu dirigieren, auch das poli-tische. Er spielte eine führende Rolle bei den Umwäl-zungen in Florenz, bei der Etablierung einer demokra-tischen Verfassung (governo popolare), mit der erfreilich, nach venezianischem Vorbild, auch aristokra-tische Prinzipien verband. Er forderte während desExils der Medici für jeden, der die Tyrannei wiedereinsetzen wollte, ausnahmslos die Todesstrafe, undjeder sollte Tyrannen »ohne Sünde in Stücke hauen«dürfen, was man fast augenblicklich zum Gesetzerhob. Savonarola machte die Arnometropole zurGottesstadt, Christus zum »König von Florenz« undpropagierte das Bündnis mit Frankreich und KarlVIII., dem neuen Kyros, dem »Messias«, den er alsGottes Werkzeug zur Kirchenreform ausgab (vgl. S.

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329 ff.), womit er in Gegensatz zur papalen Politik,zur antifranzösischen Liga geriet. Und dies störte Ale-xander anscheinend weit mehr als Savonarolas Kritikan der Kurie, der »Hure Babylon«, und an ihm selbst,von dem er behauptet, »daß er weder Christ ist nochan die Existenz Gottes glaubt«, daß er der Antichristsei.

Savonarola wurde 1495 mit Predigtverbot, 1496mit Auflösung seiner Reform-Kongregation bestraftund 1497 exkommuniziert. Er verlor an Popularität,als der Papst 1498 Florenz mit dem Interdikt und da-durch auch das Geschäftsleben der Stadt bedrohte. ImApril stürmte die inzwischen umgestimmte Volks-menge S. Marco. Savonarola kam, an Händen undFüßen gefesselt, in den Kerker, wiederholt und ver-schärft auf die Folter, seine Prozeßakte hat man ge-fälscht. »Um der guten Sache willen«, meinte einRichter, »war einiges weggelassen, einiges hinzuge-fügt worden.« Und nach seiner – von vornherein fest-stehenden – Verurteilung durch ein kirchliches Ge-richt wurde er am 23. Mai 1498 mit zwei Mitbrüdern,Domenico Buonvicini und Silvestro Maruffi, gehängt,verbrannt, die Asche in den Arno gestreut und seinAnhang hart verfolgt. Heute, in Erinnerung an seinen500. Todestag (1998), eröffnet man offiziell das Ver-fahren zu seiner Seligsprechung.19

Bald nach dem Florentiner Galgenszenario gabKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Alexander sein Bündnis mit dem abgetakelten Neapelpreis und ging nun seinerseits zu Frankreich über. DerPapst brauchte Frankreichs König, und FrankreichsKönig brauchte den Papst.

Ludwig XII. hatte als Herzog von Orléans seineCousine Johanna (Jeanne de France), die verwachseneTochter Ludwigs XI., als Gattin aufgenötigt bekom-men, erwartete der Regent doch eine kinderlose Eheund den Heimfall des Hauses Orléans an die Krone.Als aber 1498, nach Karls VIII. plötzlichem Tod, derHerzog als Ludwig XII. selbst den Thron bestieg, be-gehrte er sofort die Scheidung, um die KöniginwitweAnna von Bretagne heiraten zu können. Der Papst an-nullierte die Verbindung, weil der neue König dieFörderung Cesares versprach. Johanna wurde versto-ßen, Ordensgründerin und heilig (Fest 4. Februar).Und Cesare wurde Herzog von Valence und mit Char-lotte d'Albret verheiratet, der siebzehnjährigenSchwester des Königs von Navarra, da die ihm zu-nächst versprochene, am französischem Hof erzogenePrinzessin Carlotta von Neapel sich entschieden wei-gerte, einen »Pfaffen und Pfaffensohn« zum Mann zunehmen.

Der »Pfaffe« freilich hatte, als er im Herbst 1498,prachtvoll, beinah wie ein orientalischer Despot, nachFrankreich zog – mit Hunderten von Maultieren, mitauf 200000 Dukaten geschätztem, meist schamlos

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von der Kurie erpreßtem Gut –, den Hut schon abge-legt und damit auf eine Rente von 35000 Goldguldenverzichtet; als Herzog in Italien versprach er sichmehr.20

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7.607 Deschner Bd. 8, 336Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

Drei Romagna-Kriege – und das »weiße Pulver«

Cesare, damals 23 Jahre alt, wohl mehr noch macht-geil als sinnlich, charmant wie die Schwester, durch-trieben und zupackend zugleich, weniger tapfer alsverräterisch, grausam, kurz, so gerissen wie skrupel-los, hatte richtig kalkuliert.

Denn nun ging alles Schlag auf Schlag.Am 9. Februar 1499 schloß Ludwig XII. ein Bünd-

nis mit Venedig zur Teilung Mailands, und nachdemCesare die französische Prinzessin bekommen, wech-selte der Papst gänzlich die Front: »Wir stehen aufseiten des französischen Königs, weil er Unsern Cesa-re liebt; die mailändische Dynastie muß vernichtetwerden.« Alexander jubelte bei der Einnahme Mai-lands im September, sah er doch jetzt des Sohnesgroße Zeit gekommen, die Unterwerfung des Kirchen-staates. Er setzte die Fürsten der Romagna wegenausstehender Zahlungen ab, erklärte sie ihrer Lehenverlustig und vernichtete zuerst die Gaetani, derenHaupt Giacomo er, arglistig nach Rom gelockt, imSommer 1500 in der Engelsburg vergiften ließ, indesCesares Schergen bei Sermoneta Bernardino Gaetanikillten und nun alle Güter des Geschlechts, um diesich einst Bonifaz VIII. so bemüht (VII 382 ff.!), Ale-xander VI. bekam.21

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7.608 Deschner Bd. 8, 337Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

Mittlerweile hatte im November 1499 Cesares er-ster Romagnafeldzug begonnen, mit eigenen Sold-truppen, einigen tausend Schweizern des französi-schen Königs und der Hilfe von 45000 der Apostoli-schen Kammer geliehenen Dukaten Mailands. Imolafiel, Forlí fiel, der begeisterte Papst weinte und lachtein einem. Während pompöser Karnevals- und Freu-denfeste machte er den Brudermörder, der möglicher-weise erst kurz zuvor auch Kardinal Juan Borgia, denihm lästigen Vetter, vergiftet, in St. Peter zum Ban-nerträger der Kirche, zum Nachfolger somit seinesOpfers, des Herzogs von Gandia, und zeichnete ihnmit der goldenen Rose aus.

Das Heilige Jahr 1500, das Nikolaus Kopernikus,wahrscheinlich auch Matthias Grünewald unter denRompilgern sah und am Ostersonntag vor Sankt Peter200000 Menschen auf den Knien vor dem segnendenAlexander VI., füllte dessen Geldtruhen ebenso wieder eingehende Zehnt zum Türkenkrieg und die mehrals hunderttausend Dukaten, die eine Schar neuer-nannter Kardinäle Cesare einhändigte, damit der, wieer kaltschnäuzig gestand, seinen nächsten Krieg füh-ren konnte.22

Im Herbst 1500 eröffnete er dann auch mit zehn-tausend Mann, Orsini, Savelli darunter, VitellozzoVitelli, den zweiten Romagnafeldzug. Er nahm Pesa-ro, Rimini, Faenza, und Alexander, der wohl wieder

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7.609 Deschner Bd. 8, 337Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

Freudentränen vergoß, ernannte den Sohn zum Her-zog der Romagna, der größten Provinz des Kirchen-staates, der allmählich, unwidersprochen vom Kolle-gium der Kardinäle, nicht zufällig voller Spanier, sä-kularisiert, in die Hände der Borgia übergehen, ihrerbliches Fürstentum werden sollte, wie letzten Endesganz Mittelitalien.

Um dieselbe Zeit koalierten Frankreich und Spani-en, um zusammen das Königreich Neapel an sich zureißen. Ferdinand von Spanien sollte Kalabrien undApulien einheimsen nebst dem Herzogstitel, LudwigXII. König von Neapel werden und über die Terra diLavoro und die Abruzzen herrschen. Gregoroviusnennt den Geheimvertrag, der darüber am 11. Novem-ber 1500 zwischen dem Allerchristlichsten und demKatholischen König in Granada geschlossen wurde,»eins der schmachvollsten Aktenstücke der Kabinetts-politik«. Obendrein sollte dies, wie man vortäuschte,der Auftakt zu einem Kreuzzug gegen den Halbmondsein.

Der Papst gab seinen Segen dazu. Er setzte Federi-co von Neapel, den von seinen Untertanen geliebtenschuldlosen König ab, hoffte er doch wohl, die beidenmächtigen Räuber, die ihm den Vasalleneid zu leistenhatten, eher früher als später gegeneinander zu jagenund dann der lachende Dritte zu sein.23

Auch nutzte er, während die Truppen der Franzo-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.610 Deschner Bd. 8, 338Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

sen und Cesares endgültig den Untergang der neapoli-tanischen Dynastie Aragóns erzwangen, die Lage. Erächtete im Sommer 1501 die Colonna und Savelli undbemächtigte sich ihrer Besitzungen, auch aller Lände-reien der Gaetani, der Barone von Pojano und Magen-za sowie weiterer Geschlechter und machte darauszwei Herzogtümer: ein Herzogtum Sermoneta für Lu-crezias und Alfonsos zweijähriges Söhnchen Rodrigo;ein Herzogtum Nepi für seinen eigenen etwa dreijäh-rigen, mit Giulia Farnese gezeugten Sprößling JuanBorgia, den er in einer Bulle vom 1. September 1501als natürlichen Sohn Cesares ausgab und erst in einerzweiten Bulle vom selben Tag als seinen Sohn legiti-mierte, ein »unzweifelhaft echte(s) Dokument« (vonPastor).

Giulia Farnese hatte der achtundfünfzigjährigeKardinal als Fünfzehnjährige zur Geliebten genom-men. Als »concubina papae« wurde Giulia (La Bella),auch »Braut Christi« und »Hure des Papstes« ge-nannt, in ganz Italien, ja darüber hinaus bekannt. Ale-xander ließ sie auf einem Madonnenporträt verewi-gen, machte ihr mehrere Kinder und erhob, um derblutjungen Schönen sicherer zu sein, ihren neunzehn-jährigen Bruder Alessandro Farnese zum Kardinal,was diesem den Spitznamen »Kardinal Unterrock«eintrug, »Schürzenkardinal« (il Cardinale della Gon-nella); später wurde er Papst Paul III.24

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7.611 Deschner Bd. 8, 338Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

Den Borgia gehörte jetzt fast der ganze Kirchen-staat. Und nachdem man fieberhaft gerüstet, auch dieneapolitanische Artillerie angekauft hatte, setzte Ce-sare im Sommer 1502 seinen Raubzug in der Roma-gna fort. Notorisch verschlagen brachte er Urbino ansich, ließ dort nicht nur einen Teil der kostbaren Bi-bliothek aus Federicos Palast fortschaffen, sondernauch sonstige Schätze im Wert von rund 150000 Du-katen. Ebenso heimtückisch kassierte er Camerino,das man dem jungen Juan Borgia verlieh, und nanntesich nun: »Cesare Borgia von Frankreich, durch Got-tes Gnade Herzog der Romagna und von Valence undUrbino, Fürst von Andria, Herr von Piombino, Gon-faloniere und Generalkapitän der heiligen römischenKirche.«

Weithin lag man vor dem Dämon im Staub. Ergebot in der Romagna sowie über Teile der Markenund Umbriens. Leonardo da Vinci stand in seinemDienst, sogar ein eigener Hofpoet besang ihn. Kriegund Kultur, alles kostete Geld, und die Borgia be-schafften es. Seinerzeit vergifteten sie gerade den rei-chen Kardinal Giambattista Ferrari, der selbst alsDatar, als »Zerberus der Kurie« bisher für seine Hei-ligkeit den alles beherrschenden Mammon gehortet,offenbar ohne sich dabei zu vergessen. »Der Papst«,berichtet der venezianische Botschafter Giustiniani,»treibt es immer so, daß er seine Kardinäle mästet,

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7.612 Deschner Bd. 8, 339Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

bevor er sie vergiftet, damit ihm ihre Habe zufällt.«25

Bei seinem dritten, wieder kräftig aus der väterli-chen Kasse finanzierten Romagnakrieg wäre Cesarebeinah selbst Opfer einer Verschwörung, einer Empö-rung seiner Condottieri geworden, fürchteten sie doch,schrieb im Oktober 1502 Gianpaolo, der Herr Peru-gias, »einer nach dem andern von dem Drachen ver-schlungen zu werden.« Nur der Beistand Frankreichsund die eigene, ihm stets verfügbare Durchtriebenheitretteten ihn. Und als er seine Hauptleute umgarnt, beiSinigaglia sie freundlichst in eine Falle gelockthatte – damals begegnete ihm Niccolò Machiavelli,der »den unergründlichen Herzog, der wenig sprachaber handelte«, zum Modell seines »Il principe«machte –, rächte er sich an ihnen. Unter schmähli-chem Wortbruch ließ er sogleich Vitellozzo Vitelliund Oliverotto von Fermo, Rücken an Rücken sit-zend, erwürgen. Erwürgt wurden etwas später auchder Herzog Francesco von Gravina und Paul Orsini,dessen Sohn Fabio erst vor wenigen Jahren Hierony-ma Borgia, eine Schwester des Kardinals Johann Bor-gia, geheiratet hatte.26

In Rom trieb der Papst zum Sturz der Orsini, nachdem er ihre Dienste genossen. Er lockte den KardinalOrsini in den Vatikan, ließ ihn festnehmen und in dieEngelsburg werfen, wo er, seines Palastes und allerSchätze beraubt, am 22. Februar am Borgiagift

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umkam, nur wenige Wochen, bevor dort auch Kardi-nal Giovanni Michiel, der besonders begüterte NepotPauls II., dem berühmten »weißen Pulver«, zumeistCantarella, einem Arsenpräparat, der Borgia erlag,worauf man auch seinen Besitz im Wert von 150000Dukaten konfiszierte. Beiden Kardinälen, besondersdem Orsini, hatte der Papst einst bei seiner Wahlgroße Versprechungen gemacht, und fraglos wuchsihr Reichtum noch unter den Borgia, zumal diese ja,nach der Darstellung des venezianischen BotschaftersGiustiniani, ihre Opfer gern erst mästeten; »sie stopf-ten die mächtigeren unter den Kardinälen mit immerreicheren Pfründen voll, wofür sie ungeheure Geld-summen empfingen, und beseitigten sie dann miteinem gewissen ›weißen Pulver‹«.

Auch Rinaldo Orsini, Erzbischof von Florenz, Pro-tonotar Orsini und andere wurden damals verhaftetund konnten nur durch Preisgabe ihrer Schlösser ihrLeben retten. Als sich nun die Führer der Orsini imBund mit den Savelli, etlichen Colonna und dem Restder Barone racheschwörend erhoben, empfahl derPapst gelegentlich sogar den Einsatz von Artillerie,schuf auch achtzig neue Kurienämter, deren jedes erfür 760 Dukaten verkaufte, kreierte auch weitere kapi-talkräftige Kardinäle. Und nachdem man die meistenGegner ausgeschaltet, erwog Alexander bereits, Cesa-re zum König der Romagna und der Marken zu ma-

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7.614 Deschner Bd. 8, 340Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

chen.27

Allein hier endete jäh die »Glückssträhne« der bei-den Zelebritäten.

Sie erkrankten plötzlich schwer und zugleich; derPapst starb. Ob an Malaria oder Gift, sei hier dahin-gestellt. Der Historiker der Päpste gibt sich alleMühe, Alexander – als eine »höhere Hand« eingriff,als »Gottes Langmut ... erschöpft« war – ein ganz na-türliches Ende zu gönnen.

(Es wäre genußvoll aufzuzeigen, wie von Pastor anhundert, nein, an Hunderten von Stellen selbst Ale-xander VI. mit kleineren und größeren Ausflüchten,mit Scheingründen, Wortmanövern immer wieder inSchutz nimmt, verteidigt, die Umstände schönt, auchwenn er gar nicht so selten Alexanders »Nichtachtungder Pflichten, die ihm seine hohe Würde auferlegte«erwähnt, von »vielfach verwerflichen Neigungen undBestrebungen« spricht, »schwere sittliche Makel«konstatiert, wenn er betont – in kleingedruckter An-merkung –, »daß der Borja-Papst bis zuletzt unsittlichlebte« usw. Denn dies geschieht fast immer nur kurz,fast immer nur beiläufig, fast immer nur sehr allge-mein, abstrakt; vor Konkretem, vor Details hütet ersich wie der Teufel vor dem Weihwasser!)28

Seite um Seite verschwendet Pastor auf den »Nach-weis« eines natürlichen Papsttodes. Alexander sei imgefährlichsten Monat in Rom, im August gestorben,

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7.615 Deschner Bd. 8, 341Drei Romagna-Kriege - und das »weiße Pulver«

an Wechselfieber, an Malaria perniciosa. Mag ja sein.Doch die Zeitgenossen, darunter viele bekannte Ge-schichtsschreiber, glaubten das nicht. Und selbst ka-tholische Autoren äußern sich ganz anders. SelbstSeppelt schreibt: »Es ist kaum ein Zweifel möglich,daß nicht Malaria die Todesursache war, sondern daßer den Tod infolge eines Versehens durch Gift fand,das er und sein Sohn Cesare dem Kardinal AdrianoCastellesi von Corneto bei einem von diesem veran-stalteten Gastmahl in seiner Villa auf dem Janiculuszugedacht hatten.« Hans Kühner erklärt: »Nach neue-sten Forschungen muß als erwiesen gelten, daß Vaterund Sohn durch Kardinal Adriano Castellesi vergiftetworden sind.« Und schon für Ranke war es »nur all-zugut bezeugt«, daß der Papst damals beabsichtigte,»einen der reichsten Kardinäle mit Gift aus dem Wegezu schaffen; aber ... er selber starb an dem Gifte, mitdem er einen anderen umbringen wollte.«

Und noch sterbend lag er zwischen zwei Nutten,die seinen Fieberfrost lindern sollten – während maneiner im Gang des Vatikans lebendig eingemauertenFrau befahl, für ihn zu beten.29

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»Blutsäufer Julius« tritt an

Auf Alexander VI. folgte Francesco Todeschini-Pic-colomini, Pius III., der Neffe Pius' II., der ihn schonvor mehr als vierzig Jahren zum Kardinal gemacht.Als solcher wurde er, eine freilich umstrittene Be-hauptung, »ein glücklicher Vater von nicht wenigerals zwölf Kindern, Männlein und Fräulein« (Gregoro-vius). Und vielleicht war der neue, nach den üblichenIntrigen gewählte Pontifex ja (auch) deshalb so fried-fertig gestimmt.

Jedenfalls: endlich ein Papst, wider den sich beinahnichts sagen läßt, angesichts seines gesamten Pontifi-kats nicht, außer daß er verbot, gegen »Cesare Borgiavon Frankreich«, seinen »geliebten Sohn«, »den Her-zog der Romagna und von Valence, den Gonfalionereder Kirche«, vorzugehen. Er schrieb mehrere Brevenzu seinen Gunsten und gestattete ihm gar die Rück-kehr nach Rom mit tausend Mann.

Ja, ein fast einwandfreier Pontifex: freilich schonbei seiner Krönung am 8. Oktober so krank, daß erkaum stehen konnte und zehn Tage später starb; im-merhin noch auf dem Sterbebett gewillt, seinen Nef-fen Giovanni Piccolomini zum Kardinal zu kreieren;doch nicht mehr kräftig genug, die bereits vorbereiteteErnennungsbulle zu unterzeichnen. Vergiftung,

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7.617 Deschner Bd. 8, 342»Blutsäufer Julius« tritt an

wovon mehrere Quellen sprechen, ist da wohl ent-behrlich, zuviel (des Bösen) – obgleich er noch amTag vor seinem Tod nicht an sein nahes Ende glaub-te.30

Aus ganz anderem Schrot und Korn: der Nachfol-ger Giuliano della Rovere, Julius II. (1503–1513).Sein berüchtigter Onkel Sixtus IV., der eigentlicheBegründer von Macht und Reichtum der della Rovere,hatte ihn 1471, gleich zu Beginn seiner Regierung,zum Bischof und Kardinal ernannt, worauf er raschweitere Bistümer, mindestens acht, viele Abteien undPfründen bekam, was ihn zu einem der reichsten Kar-dinäle machte. Schon wiederholt Papstkandidat, warer, wie sein Onkel, durch schier unversiegliche Ver-sprechungen und Bestechungen an einem Tag (fast)einstimmig auf den Stuhl der Stühle gelangt. Danachaber erwies er sich in einer Bulle vom 14. Januar1506 unverschämt genug, künftigen Papstkandidatendie Simonie, mittels derer er selbst aufgestiegen, unterAndrohung schwerster Strafen zu verbieten und einesolche Wahl für null und nichtig zu erklären.31

Auch dem Nepotismus hat Julius II., der ja selbstpäpstlicher Vetternwirtschaft alles verdankte, seinenTribut gezollt, wenn auch nicht im sozusagen sixtini-schen Ausmaß. Doch verlieh auch er mehreren seinerVerwandten den Purpur. So dem ältesten Sohn seinerSchwester Lucchina, Galeotto della Rovere, dem be-

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sonderen Liebling, dem er dazu das wichtige und ein-trägliche Vizekanzleramt übertrug sowie eine Füllevon Benefizien. Kardinal wurde auch Clemente Gros-so della Rovere. Und als Galeotto schon 1508 ver-blich, ernannte Julius noch an dessen Todestag einenweiteren Nepoten, Sisto Gara della Rovere, zum Kar-dinal, ebenfalls zum Vizekanzler und überschütteteihn mit sämtlichen Benefizien des Verstorbenen –alles für Ludwig von Pastor ein Beweis: »Wie wenigJulius II. sich nepotistischen Neigungen überließ«!

Längst hatte der Papst auch einen anderen Ver-wandten, Francesco Maria Rovere, einen dreizehnjäh-rigen Jungen zum Stadtpräfekten Roms erhoben, auchdafür gesorgt, daß dieser 1508 Herzog von Urbinowurde, als welcher er, der Neffe des Papstes, 1511 inRom auf offener Straße einen Kardinal abstach! Eineder Borgia würdige Szene. Julius absolvierte ihn undgab ihm auf dem Sterbebett Pesaro obendrein, ein Ge-biet des Kirchenstaates, wo er dann residierte.

Auch sonst wirkt manches borgiaesk. So berausch-te sich Julius zuweilen an Luxus; etwa an einer Hand-voll Edelsteine, die er für 12000 Dukaten gekauft; aneinem berühmten, noch teuereren Diamanten, nebenanderen Preziosen auf seinem Rauchmantel prangend;oder an seinen beiden Tiaren im Wert von 300000Dukaten. Auch richtete er dem Neffen 1505 eine pom-pöse Hochzeit im Vatikan aus. Und schon im Jahr

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7.619 Deschner Bd. 8, 343»Blutsäufer Julius« tritt an

zuvor gab es dort bemerkenswerten Damenbesuch:geleitet von prächtig zu Pferd sitzenden Kardinälenund Hofschranzen erschien Papst-Schwester Lucchinamit Papst-Tochter Felice, die Julius, durchaus versiertHeiratspolitik treibend, bei einem Orsini unter dieHaube brachte, wie Nichte Lucrezia Gara della Rove-re bei einem Colonna. So suchte er sich Ruhe undRückendeckung in Rom für seine künftigen Kriege zuschaffen.

Der Papst bedrohte zwar im Konkubinat lebendeKleriker, war aber großzügig genug – man erinneresich an Onkel Sixtus (S. 280) – per Bulle die Errich-tung eines Bordells zu verfügen, ein auch von Leo X.und Klemens VII. toleriertes Etablissement, aller-dings unter der Auflage, daß ein Viertel von Hab undGut der dort tätigen Damen nach deren Tod die Non-nen von Sainte-Marie-Madeleine bekommen sollten.Auch hatte Julius seinerseits drei Töchter, dazu dieSyphilis, die Zeitgenossen sprachen von Päderastieund Sodomie, ja von einem »großen Sodomiten«.Ranke attestiert ihm ganz generell »Unmäßigkeit undAusschweifungen« – denn »auch er liebte die Wol-lust« (Theiner). Sein Leben war so lasterhaft gewesenwie »das der meisten Prälaten seiner Zeit« (Gregoro-vius), was auch, fast wörtlich gleich, von Pastor zu-gibt, sogar ohne die zeitliche Begrenzung. Natürlich:»als Papst lebte er anders«.32

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7.620 Deschner Bd. 8, 344»Blutsäufer Julius« tritt an

Überhaupt präsentiert der Historiker der Päpste sei-nen Helden als Inbegriff der Lauterkeit: im allgemei-nen »eine gerade Natur von rücksichtsloser Offen-heit«, »Verstellung widersprach der Natur Julius' II.«Und schrieb selbst doch nur wenige Zeilen zuvor, derPapst habe die »Künste der Staatsmänner nicht ver-schmäht«, habe »zuweilen Verstellung« geübt.

Wie sehr, zeigt gleich sein Verhalten zu CesareBorgia.

Einst verkehrte er am französischen Königshof mitdem »duca Valentino« und vermittelte dessen Ver-mählung mit einer Prinzessin. Und noch vor kurzemhatte Cesare samt den spanischen Kardinälen diePapstwahl des Rovere gesichert und dieser ihm dafürdie Bannerträgerschaft der Kirche versprochen sowiedie Begünstigung seines Besitzes. Doch der Papsthielt sein Versprechen nicht. Er ließ Cesare verhaftenund nach Rom bringen. Er haßte ihn, begreiflicher-weise, mit aller Glut, doch er zeigte es ihm nicht, ver-hielt sich vielmehr freundlich, zuvorkommend. Esschien ihm unklug, »ein solches Werkzeug unge-braucht wegzuwerfen«, zumal er womöglich in derRomagna gegen das dort vordringende, viel gefährli-chere Venedig, dem gegenüber er ebenfalls lavierte,noch zu verwenden war.

Der Borgia hatte immer noch Truppen in RoccaSoriana unter seinem Privathenker Don Micheletto

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7.621 Deschner Bd. 8, 344»Blutsäufer Julius« tritt an

Coreglia stehen. Auch gebot er über eine Reihe vonromagnolischen Burgen, die der Papst wollte, abernicht gewaltsam bekommen konnte. So heuchelte die-ser Sympathie, ließ den Gefangenen Hoffnung schöp-fen, ließ ihn auch im Vatikan wohnen, sogar miteinem Hofstaat. Er nannte Cesare, auf dessen Unter-gang er sann (freilich so, daß die Schuld nicht auf ihn,den Papst, fallen sollte), geliebter Sohn, wie dasschon Pius III. getan, und wie dieser schrieb auch Ju-lius Breven zu seinen Gunsten.

Natürlich erkannte Cesare sein riskantes Dasein inder Hand des Rovere. Er floh, wurde auf einer franzö-sischen Galeere in Ostia festgenommen, zurückge-bracht, und nach abermaliger Flucht betrieb Julius er-neut seine Verhaftung, die in verräterischer Weise,unter wiederholtem Wortbruch und vom Papst beju-belt, in Neapel erfolgte. 1504 nach Spanien überstellt,saß der Borgia zwei Jahre in einem kastilischen Ker-ker; vergebens intervenierte seine Schwester Lucreziawiederholt bei König und Papst.

Im Herbst zwar brach er abermals aus, fiel jedochjetzt in einer Fehde im Dienst seines Schwagers Jeand'Albret, Königs von Navarra, am 12. März 1507 imAlter von 31 Jahren.33

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7.622 Deschner Bd. 8, 345Julius II. bekriegt Perugia und Bologna

Julius II. bekriegt Perugia und Bologna

Cesare war noch nicht ganz von der Bildfläche ver-schwunden, da wandte sich der Papst gegen Perugiaund Bologna. Beabsichtigte er doch nichts Geringe-res, als all das der Kirche zurückzugewinnen, wassein Vorgänger mit vollen Händen den Seinen, derBorgia-Dynastie, zugeschanzt. Und eroberte auch nundurch eine einzige Kette von Konspirationen und Ge-waltsamkeiten, was dann in diesem Umfang bis 1870bestand.

In Italien nannte man den Franziskaner Julius II.denn auch »Il terrible«, den Schrecklichen, was Pastorallerdings so – auch noch »wohl am besten« – ver-deutscht: »ganz außerordentlich, gewaltig, großartig,überwältigend«. Der »feurige Greis«, ein »eisernerMann«, wie ihn Pastor wieder rühmt, »der alle (!)Mittel für sein großes Ziel anwandte«, der sicherheits-halber stets Gift bei sich trug, lieber unter dem Helmals der Tiara auftrat, rückte auch bei Eis und Schneeins sogenannte Feld, wie 1511 bei dem legendäremWinterkrieg um Mirandola. Er war natürlich, denn eshängt eng zusammen, auch Jäger, obwohl man Kriegwie Jagd den Geistlichen verboten hatte. Passionierthandhabte er einen Stock, mit dem er auch Michelan-gelo schlug, den er ebenso wie Bramante und Raffael

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beschäftigte, während er Lodovico Ariosto, dem größ-ten italienischen Dichter der Zeit, dem Vollender deritalienischen Renaissanceliteratur, drohte, ihn wieeinen Hund im Tiber ersäufen zu lassen – »ein demTrunk ergebener und bösartiger Papst«, so KaiserMaximilian.

Als Oberbefehlshaber kontrollierte Julius die Trup-pen mit dem Schwert in der Faust, im Harnisch, ob-wohl der ihm anstand, höhnte seinerzeit der belgischeHumanist Jean Lemaire, »wie einem gestiefeltenMönche das Tanzen«. Beinah täglich soll er die »hei-lige Messe« gehört, oft auch selbst zelebriert haben.Und fast in jedem Jahr seines Pontifikats führte erKrieg und wollte mit seinen Schlachten »den Donnerüberbieten«. Dreißig feste Plätze eroberte er dem hei-ligen Stuhl, Gründer einer Macht, »wie nie ein Papstsie besessen«, schreibt Ranke nicht ohne den Bei-klang der Bewunderung, von der viele, zumal Kir-chennahe, noch heute benommen zu sein scheinen.

Zum einen aber bedenke man, daß die Päpste die-sen Staat, der Italien länger als ein Jahrtausend in dreiTeile zerriß und Konflikte ohne Ende schuf, docheinst bloß durch Krieg und Trug, die angebliche Kon-stantinische Schenkung, auf die sich auch Julius II.berief, in ihre besitzgierigen Finger bekamen (IV 13.Kap., bes. 377 ff.!), daß also die Rückeroberung nurauf einem Scheinrecht basierte, nur die Fortsetzung

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eines alten Unrechts war. Ganz zu schweigen davon,daß Julius den Kirchenstaat auch erweiterte, daß erGebiete zu ihm schlug, die in keiner Hinsicht dazugehörten: Modena, Reggio, Parma, Piacenza.

Zum andern: Wie nimmt sich neben dem biblischenJesus, neben dem Prediger der Nächsten-, der Fein-desliebe, dem Verkünder des Verzichts auf Gegen-wehr, Vergeltung, Selbstbehauptung, wie nimmt sichdagegen einer aus, der seine Soldateska zum Plün-dern, Rauben, Schlachten treibt? Der ihr selbst inHelm, Panzer, mit dem Schwert vorauszieht? Undauch noch vorgibt, Jünger Jesu zu sein, sein Stellver-treter! Ist es nicht absolut grauenhaft, grotesk?! KeineKarikatur etwa, nein, das Gegenteil. Kein Apostel,der Antipode. Kein Diener Gottes, der Teufel! DerTeufel in Person! »Den Kirchenstaat ... regierte JuliusII. sehr gut« (Jesuit von Hertling).

Überhaupt: so vorteilhaft für einen Teil der Kleri-sei, die Hierarchie, das Papsttum im besonderen, diemilitärischen Aktionen des »papa terribile« gewesen,so verheerend war die Fortdauer des Kirchenstaatesfür das italienische Volk und den Rest der Welt, eineimmersprudelnde Quelle geistiger Tyrannei, sozialerAusbeutung, blutiger Kriege. Und wenigstens diefortgesetzte Verblödung hätte uns das Gelingen derBorgia-Säkularisation vielleicht erspart.34

In Rom war es jetzt ruhig unter Julius. Kein Wun-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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der. »Ein trefflich hart Regiment«, fand Luther, als erdie Stadt besuchte. In Italien herrschte weithin Frie-den – Florenz' Krieg gegen Pisa mal beiseite. DerPapst hatte drei Jahre lang Geld gehortet und gerüstet,bevor er im Sommer 1506 mit dem Gros der Kardinä-le an der Spitze eines eher kleinen, aber schwer be-waffneten und durch sein wüstes Verhalten empören-den Heerhaufens gegen Perugia aufbrach, sein ersterFeldzug; doch gab's von nun an bald so viel Waffen-lärm und Krieg, wie man einmal schrieb, daß Marsselbst auf dem Heiligen Stuhl zu sitzen schien.

Im Süden konnte Julius nicht expandieren. Dortstand Spanien. Also versuchte er es im Norden, unter-wegs in voller Rüstung segnend, weiteres Kriegsvolkan sich ziehend, die hl. Messe zelebrierend. Dabeihatte er Glück. Der Signore von Perugia, GianpaoloBaglioni, der zuvor an der Seite Cesares gekämpft, inder Nacht des 14. Juli 1500 einem furchtbaren Fami-lienblutbad entkommen war, eh' er dann seinen Kopfin Rom verlor, gab jetzt Perugia preis, so daß diepäpstliche Streitmacht im September 1506 alle Fe-stungen der Stadt besetzte.

Julius II. aber gewährte in Perugia, wo alle Glok-ken läuteten, einen Ablaß, verkündete, nichts sehnli-cher zu wünschen als Frieden, natürlich um Konstan-tinopel, das Heilige Land befreien zu können – undkommandierte seine Streiter gegen das von den Benti-

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vogli beherrschte Bologna. Doch einzig und allein dieVerstärkung durch achttausend französische Soldatenermöglichte am 11. November seinen erneut trium-phalen, u.a. von Erasmus von Rotterdam bestauntenEinzug in die Stadt, die zweitgrößte des Kirchenstaa-tes, die reichste und schönste neben Rom: Priesterund waffenstrotzende Haudegen, Standarten, das al-lerheiligste Sakrament, Kanonendonner und Glocken-geläut – als zweiter Julius Caesar wurde er gefeiert.Dreizehn Triumphbogen trugen die Inschrift: »Juliusdem II., dem Befreier und hochverdienten Vater«. DieBolognesen brüllten: »Es lebe Julius, der Vater desVaterlandes, der Erhalter der Freiheit Bolognas!« Undmußten alsbald erleben, daß ihnen der Befreier eineZitadelle in die Stadt setzen ließ, eine Zwingburg, diesie schließlich ebenso zertrümmerten wie seine vonMichelangelo geschaffene Monumentalstatue, ein mitPhidias' Werken verglichenes Bronze-Standbild – aufpapalen Wunsch in dreifacher Lebensgröße –, worausman dann eine Kanone goß, höhnisch »La Giulia« ge-nannt.35

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7.627 Deschner Bd. 8, 348Julius II. bekriegt mit Frankreichs Hilfe die ...

Julius II. bekriegt mit Frankreichs Hilfe dieVenezianer und mit Venedigs Hilfe die

Franzosen

Das nächste Opfer des Papstes wurde die mächtigeMarkusrepublik. Da der Rovere als Kardinal stets ihrFreund gewesen, hatte sie auch seine Wahl unter-stützt. Doch gebot Venedig über einige Städte in derRomagna, die Julius beanspruchte: Ravenna, Faenza,Cervia, Rimini. In ihrem Entzug sah er, so unterbrei-tete er dem Dogen am 10. Januar 1504, eine »Beleidi-gung Gottes und Verlust Unseres Ansehens« undwollte eines Tages gar, wie er dem Botschafter PaoloPisani zurief, die Beherrscherin der Meere »wieder zueinem Fischerdorf machen«.

Schon 1504 hatte Julius II. seine Nuntien an dieGroßmächte Frankreich, Spanien und Deutschland ge-schickt, um sie der erwähnten Städte wegen gegenVenedig zu jagen; hatte er doch als Kardinal auch be-reits König Karl VIII. zur Invasion in Italien getrie-ben (S. 329). Am 10. Dezember 1508 nun schloß erdie Liga von Cambrai, vereinte er Ludwig XII. vonFrankreich, Maximilian I., Ferrara, Mantua, Urbinound Florenz gegen die Republik. Und während daraufdie französischen Heere und das päpstliche Kriegs-volk unter dem Nepoten Francesco Maria Rovere,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.628 Deschner Bd. 8, 348Julius II. bekriegt mit Frankreichs Hilfe die ...

Herzog von Urbino (S. 342), gegen Venedig vorrük-ken und er den Bann wider die Lagunenstadt schleu-dert, wird diese am 14. Mai 1509 durch die mörderi-sche Schlacht bei Agnadello (Provinz Cremona) anden Rand des Ruins gebracht.36

Als Ludwig XII., der Kaiser und der Papst, demman die begehrten Städte inzwischen ausgeliefert,Friedensangebote abschlagen, rät der Sohn desDogen, Marco Loredano, bei den Türken Hilfe zu su-chen »gegen den Henker des Menschengeschlechts,der sich dessen Vater nenne«. Doch im Februar 1510verbündet sich Julius II. mit den Venezianern, da ernicht das stärkste Bollwerk wider die Türken zerstörthaben, auch von den Großmächten nicht abhängenwollte und rief jetzt: »Wenn Venedig«, das er vor kur-zem noch zu einem Fischerdorf zu machen gedachte,»nicht da wäre, so müßte man es erschaffen.«

Er fiel von der Liga ab. Und hatte er sich zuerstFrankreichs zur Eroberung von Bologna bedient, sokoalierte er jetzt in einer der für ihn typischen raschwechselnden Allianzen mit Venedig gegen Frank-reich, dem allein er seinen Sieg über Venedig ver-dankte, dessen Kardinal von Clermont er in härtesterHaft in der Engelsburg hielt. Dazu gewann er imMärz 1510 die Schweizer, die ihm vertraglich sechs-tausend Krieger gegen jeden Feind garantierten, nach-dem er ihren Bischof Matthaeus Schinner von Sitten,

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7.629 Deschner Bd. 8, 349Julius II. bekriegt mit Frankreichs Hilfe die ...

einen fanatischen Franzosenhasser, zum Kardinal er-nannt hatte. Und er gewann Spanien, dessen KönigFerdinand II. von Aragón er ohne Berücksichtigungder französischen Ansprüche im Juli 1510 mit Neapelbelehnte.

Trotz seiner Einkreisungspolitik freilich mißlangJulius der von ihm selbst mit großen Erwartungen an-geführte Feldzug gegen den Herzog von Ferrara Al-fonso d'Este, den dritten Mann Lukrezia Borgias,einen engen Verbündeten der Franzosen. Und im Mai1511 nahmen diese Bologna ein, die Bentivogliherrschten wieder, das Volk zerschmetterte mehrereBildsäulen des Papstes, warf seine Zwingburg nieder.Der Legat und Günstling Kardinal Francesco Alidosi,Julius' Liebling, ein habgieriger Gangster, der alsErzbischof der Stadt ein Schreckensregiment ausge-übt, vier Senatoren und viele Bürger hatte köpfen las-sen, mußte fliehen. Dann wurde der mit Truppen her-aneilende Herzog von Urbino, Francesco Maria, Juli-us' Neffe, geschlagen, wobei man die ganze Artillerieeinbüßte. Auch Mirandola, erst unlängst erobert, gingwieder verloren. »Wenn der Herzog in meine Händekommt«, schrie der Papst, »so will ich ihn vierteilenlassen.« Und als Kardinal und Herzog sich dann vordem Pontifex gegenseitig beschuldigten, stach kurzdarauf der Julius-Neffe den Kardinal auf offenerStraße ab (S. 342.).37

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Julius gab nicht nach. Er wollte die Franzosen, dieer einst selbst nach Italien gelockt, um Papst werdenzu können, um jeden Preis wieder vertreiben. Tag undNacht dachte er daran. »Hinaus mit den Barbaren«,rief er oft. Doch ganz beiseite, daß er alle, Franzosen,Spanier, Schweizer, selber gerufen, er begehrte natür-lich kein freies Italien, sondern ein unabhängigesPapsttum.

So betrieb er eine neue Einkreisung und schloß imHerbst 1511 eine weitere, eine »heilige Liga« mit Ve-nedig, Ferdinand dem Katholischen, Heinrich VIII.von England. Doch am 11. April 1512, am hl. Oster-sonntag, wurde das spanisch-päpstliche Heer bei Ra-venna von dem überragenden Feldherrn Gaston deFoix, dem Neffen des französischen Königs, schwergeschlagen, seit Jahrhunderten eine der blutigstenMetzeleien auf italienischem Boden. »Es war entsetz-lich zu sehen«, berichtet Jacopo Guicciardini seinemBruder, dem florentinischen GeschichtsschreiberFrancesco, damals Gesandter in Spanien, »wie jederSchuß des schweren Geschützes unter den Hommesd'armes eine Gasse brach, die Helme mit den Köpfenund verstümmelte Glieder in die Luft flogen.«

In jedem Heer stritt ein Kardinallegat, beide übri-gens alte Freunde, im französischen Sanseverino, impäpstlichen der in Gefangenschaft geratende GiovanniMedici: ein Jahr darauf Leo X. Und noch ein weiterer

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Medici und künftiger Papst, Clemens VII., war andem Blutbad beteiligt. Zehntausend Leichen lagen aufdem Schlachtfeld, und Ravenna wurde durch fürchter-lichen Terror, durch Mord- und Raubexzesse heimge-sucht.

Da aber auch Gaston de Foix (Ludwig Pastor, mehrals Katholik denn als Stilist begnadet, nennt ihn drei-mal in drei Dutzend Zeilen »genial«), gefallen war,bekamen die Alliierten allmählich wieder das Ruderin die Hand, besonders durch die über die Berge her-abströmenden Schweizer. Frankreichs Herrschaft inOberitalien brach zusammen, die Reste seiner Trup-pen retteten sich über die Alpen. Und nun plante Juli-us II., der jeden sehr Starken an seiner Seite abzuhalf-tern suchte, gegen einen weiteren Bundesgenossen zuziehen, wider dessen Übermacht er im Novembereinen Beistandspakt mit Kaiser Maximilian schloß:die Spanier. Man sprach bereits von ihrer Vertreibungaus Italien, der Papst selbst erklärte, er hasse die Spa-nier nicht weniger als die Franzosen, und sagte zudem Kardinal Domenico Grimani, indem er seinenStock auf den Boden stieß: »Wenn Gott mir dasLeben läßt, so werde ich auch die Neapolitaner vondem auf ihnen liegenden Joche befreien.«

Doch die Tage Julius' II. waren gezählt. Schon län-ger leidend, seit einigen Wochen fieberkrank, starb erin der Nacht zum 21. Februar 1513, erst auf dem To-

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7.632 Deschner Bd. 8, 351Julius II. bekriegt mit Frankreichs Hilfe die ...

tenbett bekennend, nicht gelebt und nicht regiert zuhaben, wie er sollte.

Der Papst hatte nichts von einem Priester an sich,so Francesco Guicciardini, als Rock und Namen. Seinganzer Pontifikat war vom Krieg beherrscht. Gewiß,ungezählte Päpste führten Kriege. Aber nur wenigekämpften selbst dabei, und nur wenige so fortgesetzt,so senil verbissen. Alles Kirchliche war marginal.Und es diente – wie freilich immer in Kurienkreisenund weit darüber hinaus – der Politik, von den Ex-kommunikationen, den Bannflüchen bis zu der Eröff-nung des 5. Lateranums am 3. Mai 1512 in Rom,womit Julius, ringsum von Soldaten geschützt, erfolg-reich einem Konzil aufsässiger Kardinäle in Pisa be-gegnete, das seine Absetzung betrieb.38

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7.633 Deschner Bd. 8, 351Papst Leo X. (1513–1521) »Nunc ...

Papst Leo X. (1513–1521) »Nunctriumphabimus, amici«

Der Nachfolger erwies sich, wie nicht selten, in vie-lem als das Gegenteil, und dies, wiederum nicht unge-wöhnlich, ohne gerade besser zu sein.

Giovanni de'Medici, Leo X., war der zweite Sohndes Lorenzo il Magnifico (S. 285 f.), der schon dasKind, den Siebenjährigen, mit der Tonsur, mit vielenPfründen versehen ließ. Mit acht Jahren wurde derkleine Giovanni Abt von Front Douce in Frankreich,mit neun Abt in Passignano, mit elf im berühmtenMonte Cassino. Und schon den Dreizehnjährigen ließder ebenso reiche wie einflußreiche Vater durch Inno-zenz VIII., den Hexen-Bullen-Pontifex, zum Kardinalernennen.

Bereits mit 37 Jahren erhält der Medici selbst dieTiara – womöglich nur, weil man ihn damals einer Fi-stel in der Aftergegend wegen von Florenz nach Romin einer Sänfte getragen, im Konklave sogar operierthatte und jedem, der es hören wollte, zumal älterenWählern, seinen bedenklichen Gesundheitszustand,seine höchstwahrscheinlich bloß noch kurze Lebens-zeit verriet. Leos Fistelleiden galt manchen als Folgeeines unsittlichen Lebenswandels, andrerseits sollteseine Haupttugend die Keuschheit sein. VielleichtKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.634 Deschner Bd. 8, 352Papst Leo X. (1513–1521) »Nunc ...

sein populärstes Diktum aber, kurz nach der Wahl ge-äußert: »Laßt uns das Papsttum genießen, da Gott esuns verliehen hat«. Die andere Version: »Jetzt trium-phieren Wir«, kann ebenso authentisch oder unau-thentisch sein; se non è vero, è ben trovato.

Nicht von ungefähr hat man die Ära des glanzvoll-sten und bis heute von Ästheten vielbewunderten Re-naissancehierarchen das Goldene Zeitalter genannt.Eine sorgfältige Erziehung durch hervorragende Hu-manisten konnte seiner heiteren Natur nicht schaden.Leutselig und Spaße liebend, wich er Unerquickli-chem am liebsten aus, lachte gern und vergnügte sichdurch die Jahre, überaus kostspielig zwar, doch eini-germaßen kultiviert. Es war weniger der protzige Vul-garismus der Borgia, weniger die pompöse spanischeals die feinere Florentiner Art, die freilich auch rohe,ordinäre Exzesse zuließ, überdies nicht billiger kam,im Gegenteil.39

Der Medicipapst, korpulent, nahezu klotzig, immassigen Gesicht gedunsen wirkend, feist, dazu unge-mein kurzsichtig (weshalb er Besucher gern mit einemVergrößerungsglas fixierte), hatte nichts Anziehen-des, doch auch nichts von einem Fanatiker an sich. Erglich, wie man einmal sehr allgemein und anschaulichzugleich schrieb, durchaus den widerlichen Prälatenfi-guren, wie sie zu Hunderten herumliefen, und war,sieht man von seiner notorischen, durch die Herkunft

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7.635 Deschner Bd. 8, 352Papst Leo X. (1513–1521) »Nunc ...

bedingten, durch das Ambiente geförderten unersättli-chen Vergnügungssucht ab, schlicht gesagt faul. Hei-ligkeit erhob sich spät, hörte dann, heißt es, täglichdie Messe, gewährte huldvoll Audienz, nahm eineMahlzeit ein, pflegte wieder der Ruhe, unterhielt sichanschließend, spielte Schach, Karten, ritt durch dievatikanischen Gärten oder zum Tieremetzeln.

Der Jagd, jedem Priester kanonisch verboten, über-dies einmal von ihm selbst den portugiesischen Geist-lichen auf Veranlassung ihres Königs als unklerikaluntersagt, galt seine ganze Passion. Nur neun Kilome-ter von Rom lag sein Lieblingsjagdschloß Magliana,das er noch kurz vor seinem Tod vergrößern und ver-schönern ließ, wollte er doch auch als Jäger repräsen-tieren. So befahl er dem Vogt einer päpstlichen Villa:»Du mußt sicherstellen, daß es ein gutes Essen mitviel Fisch für mich gibt, da mir sehr viel daran liegt,vor den Gelehrten und anderen, die mich begleitenwerden, Pracht zu entfalten.« Der Beize frönte er gernbei Viterbo, dem Angeln am Bolsener See. Es gab be-vorzugte Gehege für das Wildschwein- oder Rotwild-töten.

Im Herbst verbrachte er fast den gesamten Oktoberjagend, nach Auskunft des päpstlichen Oberzeremoni-enmeisters Paris de Grassis aber auch zwei Monate,drei. Vor allem beim Vogelmord ergötzte es ihn, stun-denlang zuzusehn, wie abgerichtete Greifvögel Wach-

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7.636 Deschner Bd. 8, 353Papst Leo X. (1513–1521) »Nunc ...

teln, Rebhühner, Fasane zu Tode würgten. Man schoßauch Hasen, Eber, Rehwild. Und sicher ein Höhe-punkt des edlen Weidwerks war's, hetzte man beiSanta Marinella, nahe Civitavecchia, in einer förmli-chen »Wildfalle« die Hirsche ins Meer, wo sie dannauf Barken lauernde Edelmänner beziehungsweisePfaffen bequem abknallen konnten. Manchmal stachHeiligkeit auch mit einem Spieß im Netz gefangeneHirsche ab. (Wie eng kohärierten doch auch Weid-mannsheil und Heilsgeschichte. Vgl. V 584 f!)

Der Papst scheute keine Kosten für seinen blutrün-stigen Sport. Und jagte er gewöhnlich auch nur miteinem Gefolge von einigen hundert Begleitern, Kardi-nälen, Dienern, Musikern, Literaten, Hofnarren, Pos-senreißern (buffoni), etwa 160 Leibwächtern dazu,gab es doch auch Jagden mit tausend und zweitausendReitern.40

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7.637 Deschner Bd. 8, 353Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

Da der prachtliebende Pontifex auch bei Festen nichtknauserte, sein Palast vielmehr häufig zum Schau-platz einer gleißenden Theaterszenerie, eines fortge-setzten Festivals geworden schien, waren die Ausga-ben Leos X., eines wahren Naturtalents im Geldver-schleudern, ungeheuer. Allein die Zeremonie desSacro Possesso, ein einziges Fest bei der Amtseinfüh-rung, ließ er sich 100000 Dukaten kosten, ein Siebtelder in neun Jahren angehäuften Rücklage Julius' II.Und in nur zwei Jahren hatte er dessen gesamtenSchatz restlos verbraucht – in einer Stadt, deren öf-fentliche Armut so zum Himmel schrie wie ihr priva-ter Luxus.41

Nicht nur kirchennahe Historiker priesen und prei-sen die Mildtätigkeit des mediceischen Papstes überdie Maßen: 6000 Dukaten Almosen pro Jahr! Sein ei-gener Haushalt aber verschlang jährlich annähernd100000 Dukaten (während Julius II. den seinen nochmit 48000 Dukaten bestritt). Tausende verpraßten dieKardinäle bei einem einzigen Bankett. Nur für Ge-schenke und Kartenspiel ließ Leo 8000 Dukaten mo-natlich springen, ebensoviel für seine Tafel. BruderGiuliano beglückte er zu dessen Hochzeit mit 16000Dukaten. Und bedenkt man, daß Leos Arzt Archan-

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7.638 Deschner Bd. 8, 354Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

giolo monatlich acht Dukaten verdiente, mag man er-messen, was es heißt, daß die Giuliano zugewiesenenEinkünfte jährlich 59600 Dukaten betrugen, ja daßder Papst allein für die Hochzeitsfeier des Bruders150000 Dukaten gezahlt haben soll.

Giuliano heiratete Filiberta, die Tante Franz' I. vonFrankreich, die erste königliche Heirat im Hause Me-dici. König Franz erhob Giuliano zum Herzog vonNemours, und Leo hatte den geliebten Bruder fürGroßes in Italien ausersehen, ihm ein Fürstentum mitden Städten Modena, Parma, Piacenza, Reggio zuge-dacht, wohl auch die Krone von Neapel. Doch starbGiuliano durch Ausschweifungen erschöpft (manchermunkelte auch am Gift des eifersüchtigen Lorenzo),erst 37 Jahre alt, schon 1516 in Florenz; sein einzigerErbe, der uneheliche Sohn Ippolito Medici, wurdespäter Kardinal.

Tief betroffen übertrug der Papst nun – es erinnertan Alexander VI. und Cesare (S. 325) – die großeNeigung zu dem Bruder auf den Neffen Lorenzo, dener bereits zum Kapitän der Florentiner, zum Oberbe-fehlshaber über die päpstlichen Truppen, dann auchzum Herzog von Urbino gemacht. Und als Lorenzoim März 1518 nach Frankreich zog, um Madeleine dela Tour d'Auvergne zu heiraten, schätzte man seineGeschenke für die Braut und für Königin Claudia auf300000 Dukaten. (Dem König selbst überbrachte er

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7.639 Deschner Bd. 8, 355Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

in einer Bulle die Erlaubnis, den Türkenzehnten belie-big zu verwenden.)

Leos Vetter Giulio avancierte gleich nach derPapstwahl an einem Tag vom ziemlich bescheidnenMönchsjob eines Priors zum Erzbischof von Florenz,nicht ohne Meineid übrigens, da Giulio unehelich ge-boren war, ein kanonisches – wieder an die Borgia er-innerndes (S. 325) –, durch die Lüge aus dem Weggeräumtes Hindernis, seine Eltern seien verheiratetgewesen. Kraft dieses beurkundeten Schwindelskonnte der Nepote nicht nur das Kardinalat gewinnen,sondern auch den enorm ergiebigen Posten des Vize-kanzlers, ja schließlich Papst Klemens VII. werden.

Kardinal wurde der Sohn von Leos SchwesterMaddalena, Innocenzo Cibò, der Enkel Papst Inno-zenz' VIII.; Kardinal wurde der Sohn von LeosSchwester Lucrezia, Giovanni Salviati; Kardinalwurde der Sohn von Leos Schwester Contessina, Nic-colò Ridolfi. Und auch der Nepote Lodovico Rossibekam den roten Hut. Gleichfalls genossen selbstver-ständlich angeheiratete Verwandte die allerhöchsteGunst. So erhielt, nur ein Beispiel, der Mann vonMaddalenas Tochter Caterina, Giovan Maria da Vara-no von Camerino, das Gebiet von Sinigaglia, die Her-zogswürde und die Stelle des römischen Stadtpräfek-ten.42

Der Aufwand unter Leo X. war exorbitant. Er undKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.640 Deschner Bd. 8, 355Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

sein Hof vergeudeten sagenhafte Summen.Woher kam das Geld?Man hat das päpstliche Staatseinkommen im März

1517 – gezogen aus Flußzoll, Landzoll, den Alaun-werken von Tolfa, den Salinen von Cervia, den Ein-künften aus Spoleto, der Mark Ancona, der Romagnau.a. – auf 420000 Dukaten berechnet. Außerdem er-brachten die sogenannten geistlichen Erträge aus An-naten und Kompositionen rund 200000 Dukaten, diekäuflichen Ämter (der Kollegien der Porzionari diRipa, der Cubiculari, Scudieri, der erst ad hoc ge-schaffenen Cavalieri di S. Pietro), die der Papst bis zuseinem Tod um über tausend schwer geschröpfte Mit-glieder auf 2150 erhöhte, einen Kapitalwert von fastdrei Millionen Dukaten. Dazu kamen die Akzepta ausden Zehnten sowie den enorm strapazierten Jubiläenund Ablässen, Riesentransaktionen, Objekte des Pro-tests und der Satire, die Gelder aus gehäuften Kardi-nalsernennungen, aus Konfiskationen und anderen ku-rialen Finanzgeschäften.

All diese Kapitalien wurden kaum so schnell einge-nommen wie ausgegeben. Man mußte deshalb Anlei-hen machen, mitunter bis zu vierzig Prozent Zinsenzahlen, mußte die Teppiche des Papstes verpfänden,die kostbarsten Heiligenstatuen, das Silbergeschirr,die Kronjuwelen. Seit dem Florentiner Kirchenhauptgab es dreißig florentinische Banken in Rom – und

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7.641 Deschner Bd. 8, 356Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

Schulden über Schulden, nur beim Bankhaus Bini200000 Dukaten. Die Kardinäle Ridolfi und Rangonihatten ihre ganzen Benefizien zur Geldbeschaffungdrangegeben, Kardinal Salviati hatte 80000, KardinalPucci 150000 Dukaten, Kardinal Armellini sein ge-samtes Vermögen zu fordern. Sie alle standen beimTod des Papstes finanziell am Rand des Ruins.

Nach einer von dem venezianischen BotschafterGradenigo vorgelegten Abrechnung des KardinalsCamerlengo Armellini gab Papst Leo X. während sei-ner Regierung viereinhalb Millionen Dukaten aus undhinterließ noch 400000 Dukaten Schulden. Andere ta-xierten die Verbindlichkeiten auf das Doppelte, Giro-lamo Severino in einem Brief an Karl V. auf mehr als850000 Dukaten, König Franz I. noch höher. In Romkursierte das Bonmot: »Leo X. habe drei Pontifikateaufgezehrt: den Schatz Julius' II., die Einkünfte seinereigenen Regierung und diejenigen seines Nachfol-gers.« Wozu gut des Papstes eigene Sentenz gegen-über seinem Geheimsekretär Kardinal Pietro Bemboüber das lukrative Christusmärchen paßt: »Quantumnobis nostrisque ea de Christo fabula profuerit, satisest omnibus saeculis notum« (Wie einträglich dieseFabel von Christus für uns gewesen, ist weltbekannt).

Nicht alles Geld hat Leo X. verjubelt. 800000 Du-katen soll er allein für den Krieg um Urbino verpul-vert haben.43

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7.642 Deschner Bd. 8, 357Leos blutiges Lavieren für die Medici

Leos blutiges Lavieren für die Medici

Erstaunlich, daß ein so vergnügungssüchtiger Menschüberhaupt noch Zeit für Politik und Krieg fand. Dochbrauchte er sie nicht, gerade wenn und weil er imPapsttum schwelgen, genießen wollte – und die ge-liebte Verwandtschaft, die Nepoten und die Nepoti-sierten dazu? Nunc triumphabimus, amici! Bezeich-nenderweise kümmerte ihn die Missionierung der neuentdeckten Gebiete in Übersee genauso wenig wie zu-nächst die in Deutschland sich anbahnende Reforma-tion.

Leo X., gemessen am Zug der Zeit politisch eherkleinkariert agierend, antiquiert, konzentrierte sich aufdie Interessen des Hauses Medici, auf Italien. Hieraber rangen Frankreich und Spanien miteinander,wurde vor allem das Herzogtum Mailand zum Zielder Expansionsbestrebungen rivalisierender europäi-scher Staaten, und das Papsttum konnte da keinenSieger, keinen fremden Allmächtigen brauchen. Alsokämpfte es, die schlimmsten Verwicklungen riskie-rend, bald mit Spanien gegen Frankreich, bald mitFrankreich gegen Spanien, die Konflikte nahmen keinEnde, und Leo lavierte skrupellos zwischen denGroßmächten, trügerisch, doppelzüngig, verschlagen.Während die Italiener glaubten, er kämpfe für ihre

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Freiheit, kämpfte er nur für die Freiheit der Kurie, fürden ungehemmten Genuß des Papsttums und dasGlück seiner Sippschaft.44

Beim Krieg um Mailand und die Lombardei, woviele Menschen die Rückkehr des milderen französi-schen Regiments erhofften, neigte Leo deutlich zu denantifranzösischen Kräften, verheimlichte es aber so-weit möglich, verhandelte mit Frankreichs KönigLudwig XII., dessen Eroberung Mailands er zugleichzu verhindern strebte. Und als der Liga von Blois (23.März 1513), dem Bündnis Frankreichs mit Venedig,die Liga von Mecheln (5. April 1513) entgegentrat,unterstützte er diese zwar kriegsentscheidend mitGeld, leugnete aber offiziell die Unterstützung undfeierte erst, als die Franzosen am 6. Juni 1513 beiNovara völlig geschlagen und über den Mont Cenisgetrieben, die Venezianer bis zu den Lagunen zurück-gejagt wurden, mit Glockengeläut, Freudenfeuern, mitrauschenden Festen den Sieg.

Da aber Frankreich am 16. August gegen Englän-der und Kaiserliche auch die »Sporenschlacht« beiGuinegate verlor und damit die Picardie, näherte sichder Papst dem jetzt geschwächten Land, das seiner-seits auch das Schisma beendete, die kirchliche Aus-söhnung suchte. Doch zur selben Zeit mühte sich Leo,Venedig von Frankreich loszureißen, insgeheim einenPakt gegen Frankreich zu schmieden, eine Vereini-

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gung von Spanien, dem Kaiser, der Schweiz, Mailandund Florenz. Er verhandelte aber auch jetzt weiter mitdem französischen König – nach Ludwigs XII. TodFranz I. –, ja wollte diesem im Falle eines SiegesMailand überlassen, würde der König dafür BruderGiuliano Neapel zugestehen, woran Franz I. nichtdachte. Also trat der Papst dem von ihm angeregten,im Februar 1515 gegründeten antifranzösischenBündnis am 17. Juli offen bei und suchte noch Eng-land in den Krieg hineinzureißen.

Am 13. und 14. September kreuzte man die Waffenbei Marignano. Dabei bildeten neben spanischen, ita-lienischen und päpstlichen Kontingenten (letztereunter den Nepoten Lorenzo und Kardinal Giulio Me-dici) die Hauptmacht der Liga 30000 Eidgenossen.Sie galten als unbesiegbar und wurden persönlichdurch den Bischof von Sitten, Kardinal Schiner, einennotorischen Scharfmacher, gegen die Tod und Verder-ben speienden Geschütze der Franzosen geführt, 60größere Kanonen und 100 sogenannte Feldschlangen.Doch als am Abend des zweiten Schlachttages nochvenezianische Kavallerie in das Gemetzel eingriff, un-terlag die Liga.

Leo X., den schon eine vorschnelle, in Rom Jubelund Freudenfeuer auslösende Siegesmeldung erreichthatte, war so bestürzt durch die Niederlage, daß erwieder einmal scheinbar die Seiten wechselte, ja per-

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sönlich zum Sieger reiste. Franz I. fiel zwar in Bolo-gna dreimal protokollgerecht vor Leo aufs Knie,küßte ihm Fuß und Hand und erwies ihm vielerleiAufmerksamkeiten (nur den Kommunionempfanglehnte er ab), schloß aber einen für Frankreich vorteil-haften Vertrag, der den Papst um Parma und Piacenzabrachte, um Modena und Reggio, und den bald daraufsterbenden spanischen König Ferdinand den Katholi-schen empört nach Rom schreiben ließ, daß seineHeiligkeit bisher wohl ein doppeltes Spiel gespieltund »all sein Eifer um die Vertreibung der Franzosenaus Italien nur eine Maske gewesen«.

Tatsächlich freilich verabscheute Leo die Herr-schaft der Franzosen in Italien, verhandelte er auchmit Spanien und dem Kaiser weiter, ja ließ Maximi-lian ausdrücklich versichern, der alten Liga mit ihmtreu zu bleiben. Überdies hielt er sich, eines seinergrößten Schurkenstücke, mit nur widerwillig gewähr-tem französischem Beistand, schadlos durch denRaub von Urbino.45

1508 hatte dort Julius II. seinen Neffen FrancescoMaria Rovere zum Herzog gemacht (S. 342). Undjetzt sollte da Leos Neffe Lorenzo Medici Herzogwerden. Es war eigentlich ganz logisch. Vergebenstraten denn auch König Franz für den Rovere ein, ver-gebens dessen Adoptivmutter Herzogin ElisabettaGonzaga von Urbino, die Witwe des Vorgängers, ver-

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gebens Leos eigener Bruder. Wiederholt und nochsterbend erflehte Giuliano die Gnade des Papstes, er-innerte er an die den vertriebenen Medici jahrelangdurch das Haus Urbino gewährte Gastfreundschaft.Der als so friedlich und freundlich gerühmte Leoschleuderte den Bann gegen Julius' II. Nepoten, den»Hochverräter«, der ihn gegen Frankreich im Stichgelassen, und setzte seine Krieger, unterstützt vonfranzösischen Truppen, von drei Seiten gegen Urbinoin Marsch, wo mit Wirkung vom 18. August 1516Lorenzo Medici als Herzog residierte.

Doch der verjagte, zu seinem Schwiegervater Fran-cesco Gonzaga nach Mantua geflohene Rovere kehrtevon dort zu Leos großer Verblüffung und Wut miteiner kleinen Heerschar Anfang Februar nach Urbinozurück und stritt monatelang, bis tief in den Sommerhinein, in Umbrien gegen die päpstliche Soldateska,»wie fast immer, der Auswurf der Nationen, raubgie-rig und ohne Disziplin« (Gregorovius), was Leo ge-waltige Summen gekostet und trotz der Erhebung vonKriegssteuern im gesamten Kirchenstaat enorm ver-schuldet hat. Auch verlor er erheblich an Prestige, daer die ganze Christenheit um Beistand aufgerufen ineinem Kampf, bei dem es im Grunde um kaum mehrging, als um die Beseitigung des einen Papstneffendurch einen anderen Papstneffen, einen Familienkon-flikt, um nicht zu sagen eine Privatsache, wenn auch

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eine besonders schäbige.46

Noch während dieses Krieges, Ende April 1517war es zu einer weiteren sehr christlichen Auseinan-dersetzung gekommen, der Aufdeckung einer Ver-schwörung gegen das Leben des Papstes.

Das mehrere, auch prominente Kardinäle involvie-rende Komplott hatte der junge Kardinal Alfonso Pe-trucci wegen schwerer Benachteiligung, des Entzugsder Herrschaft seiner Sieneser Familie initiiert, diesich um den Papst besonders verdient gemacht. Soplante der empörte Purpurträger einen Racheakt,einen Giftmord durch den angesehenen Arzt Battistada Vercelli. Die Sache flog jedoch auf, der Kardinalwurde kraft päpstlichen Befehls unter Wortbruch undVerletzung des Freien Geleits in Rom verhaftet undmit seinem Kollegen Bandinello Sauli ins tiefste Ver-lies der Engelsburg geworfen, bald gefolgt von Kardi-nal Riario, den man infolge einer Ohnmacht in denKerker trug. Vermutlich hat man, doch widersprechendie Quellen einander, die Herren gefoltert und Petruc-ci selbst, der einen Beichtvater ablehnte, nach einemabermaligen Wortbruch des Papstes, erwürgt oderenthauptet. Sein Sekretär Marc Antonio Nino undBattista da Vercelli wurden erst entsetzlich gemartert,dann gehängt und gevierteilt, auch weitere Personenhingerichtet oder zu den Galeeren verurteilt, im gün-stigsten Fall nur geschröpft (je 25000 Dukaten).47

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Indes Papst Leo so sich mehr oder weniger blutigmit seinem Heiligen Kollegium herumschlug und inUmbrien den Neffen seines Vorgängers bekriegte undbesiegte, kritisierte jenseits der Alpen ein noch fastunbekannter Mönch das Ablaßwesen und verfaßteschließlich 95 Thesen dagegen (der Anschlag an dieWittenberger Schloßkirche ist umstritten).

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7.649 Deschner Bd. 8, 36111. Kapitel

11. Kapitel

Der AblaßVom katholischen zum protestantischen

Luther

»Das Credo des Credits«.Horst Herrmann1

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» ... eine echte dogmengeschichtlicheNeubildung«

Schon zur Zeit des Johannes Hus, des tschechischenVorläufers von Luther, hatte man in Prager Kirchengroße Truhen für die Ablaßgaben aufgestellt (S. 194)und bei Mangel an Bargeld auch Waren angenom-men. Bei Luthers Debüt war der Ablaß längst ein rei-nes Finanzgeschäft, eine Ausbeutung gerade der gläu-bigen Massen. Und nicht nur der Klerus, die römischeKurie, die Bischöfe, Ablaßprediger, Beichtväter,wollten davon profitieren, auch die Landesfürsten,Wechsler, Agenten.

Ablaß, was heißt das?Im Katholizismus lateinischer Tradition, nicht in

den Ostkirchen, unterscheidet man zwischen Sünden-schuld (culpa) und sogenannter zeitlicher Sündenstra-fe (poena). Sündenschuld und ewige Sündenstrafenwerden in der Beichte, im sogenannten Sakrament derBuße ausgelöscht. Es bleiben aber seltsamerweise(als wäre da nicht alles seltsam!) die auf Erden oderim »Fegfeuer« abzubüßenden zeitlichen Sündenstra-fen. Und offenbar bleiben sie nur, um eben durch Ab-lässe getilgt werden zu können; entweder ganz durchvollkommene Ablässe, die alle zeitlichen Sündenstra-fen, oder durch unvollkommene Ablässe, die bloß einKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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begrenztes Maß dieser Strafen nachlassen. Stürbealso jemand gleich nach Gewinnung eines vollkom-menen Ablasses, käme er »sofort, ohne die Flammendes Fegfeuers zu berühren, in den Himmel« (Berin-ger).

Leider hat dieses Glück nicht jeder. Daher schufMutter Kirche in nie ruhender Seelsorge noch unvoll-kommene Ablässe. Die dabei genannten Zeitmaße be-zeichnen jedoch keine auf Erden oder im Fegfeuer ab-zubüßende Zeit, sondern die Zeit, die im Frühmittelal-ter ein Büßer auf sich nahm, um seine Sünden loszu-werden (S. 302 f.). Jedenfalls ist der Ablaß, wie etwaauf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 der mel-chitische Kardinalpatriarch hervorhob, erst im Mittel-alter aufgekommen und ein Problem allein der römi-schen Kirche.

Weitere diesbezügliche Details ersparen wir uns,da hier, wie üblich in der Theologie, so gut wie allesauf Fiktionen, auf Hirngespinsten beruht. Und ob-gleich die Kirche behauptet, »Christus« habe ihr dieVollmacht zur Ablaß-Gewährung gegeben, weiß dasNeue Testament vom Ablaß nichts. Er ist, weiß dafürdas Lexikon für Theologie und Kirche, »eine echtedogmengeschichtliche Neubildung«, über die sichfreilich, so der evangelische Theologe Heinrich Born-kamm, die Gelehrten »bis zum heutigen Tage nichteinig« sind. Kein Wunder, war doch das fiskalische

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Problem allemal interessanter für die Kirche als dastheologische, das »creditum« wichtiger als das»credo«, wie Horst Herrmann höhnt, der das einschlä-gige Kapitel seines Lutherbuches treffend »Das Credodes Credits« überschrieb.2

Die für den Ablaß verlangte Leistung konnte zwargeistlicher Art sein, lief aber immer mehr auf materi-elle Zuwendungen hinaus. Der Klerus spendete dieGnade, der Gläubige das Geld.

Die Päpste förderten sogar Kreditgesellschaftendurch Ablässe, natürlich die eigenen, die »Montespietatis«, und da die Beschaffung des Betriebskapitalsanfangs schwierig war, regten sie durch Verheißungvon Ablässen zu »milden Spenden« an: Pius II., Six-tus IV., Innozenz VIII., Alexander VI., Julius II., LeoX. Besonders unter Sixtus und Leo vermehrten sichdie Ablaßgnaden ungeheuer, und ganz offensichtlichinfolge chronischen Geldmangels.3

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Die »Fuggerei«

Hatten im Mittelalter zunächst die Juden im Geldge-schäft eine beträchtliche Rolle gespielt, dann gewiegteLombarden, südfranzösische Caorsini, Wechsler ausCahors, schließlich Florentiner, auch Sieneser Ban-ken, so gewannen allmählich die Fugger – nebenWelsern und Höchstettern eines der führenden Augs-burger Handelshäuser – auf dem internationalen Ka-pitalmarkt immer mehr an Bedeutung, vor allem imFiskalsystem der Habsburger und der Kurie nebstderen Würdenträgern nördlich der Alpen.

Schon im ausgehenden 15. Jahrhundert gehören dieFugger zu den mächtigsten Finanzagenten der Päpste,die ihnen bald riesige Summen schulden. 1476 über-weist der französische Kardinal und Fürstbischof vonGurk, Raymund Peraudi, durch Georg Fugger (Nürn-berg) schwedische Ablaßeinnahmen nach Rom. Per-audi, später Ablaßkommissar und Generalkollektor inFrankreich, Deutschland, Skandinavien, hatte frühKontakte zu der Firma und auch den Jubelablaß vom5. Oktober 1500 im Auftrag Alexanders VI. inDeutschland verbreitet. Ein Drittel des Eingangs soll-te dem Kardinal gehören, doch 1503 kassierte Maxi-milian den größten Teil für sich. Der Kaiser warbgern und flammend für kirchliche Ziele, für einen Tür-

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kenzug etwa (den er nie unternommen), um dahinterganz andere Vorhaben zu verbergen. Auch HerzogGeorg von Sachsen steckt damals, im Einvernehmenmit Maximilian, seinem Schuldner, 18000 GuldenAblaßgelder ein. Ungeniert greifen andere Christen-fürsten bei Gelegenheit zu. Christian I., König vonDänemark, bedient sich 1455 für »Reichszwecke« auseiner mit Ablaßgeld gefüllten Kiste in einer SakristeiRoskildes. König Wladislaus von Böhmen und Un-garn tilgt mit Jubiläumsgaben von 1500 seine Schul-den bei Breslauer Bürgern. Und manchmal geschiehtdie völlig willkürliche Verwendung solcher Sünden-gelder, Bußgelder, Kreuzzugsgelder sogar mit aus-drücklicher Genehmigung eines Papstes, wie jenerLeos X. gegenüber König Franz I. von Frankreich (S.354).

1495 erfolgt die Gründung einer römischen Fug-ger-Filiale, deren Leitung im nächsten Jahr der Flo-rentiner Jacopo de Doffis, ein Kleriker, übernimmt.Und bald gehört der Bischof von Schleswig ebenso zuden Fuggerkunden wie der Erzbischof von Tarent.4

Um die Jahrhundertwende festigt Jakob Fugger»der Reiche« – 1514 in den Grafenstand erhoben, vonDürer gemalt, wie sein Nachfolger (seit 1525) AntonFugger von Tizian – die wirtschaftliche Macht seinerFirma und erreicht schließlich ihren weltgeschichtli-chen Höhepunkt. Mit einem Startkapital von nur

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10000 Gulden steigert er das Gesellschaftsvermögenum mehr als 1800000 Gulden. Das Unternehmenhatte inzwischen in Italien heimische Banken zurück-gedrängt, vatikanische Großkunden aus Deutschlandan sich gezogen, auch über seine Krakauer Filiale imeuropäischen Osten an Boden gewonnen, ebenso impolnischen, im ungarischen Handelsgebiet. Längstwickelte man alle möglichen Arten von Zahlungen ab,von Augsburger Baumeisterrechnungen, von Kredit-briefen für Romreisende über Geschäfte mit Wechs-lern, verzinsliche Einlagen, Darlehen für hohe Präla-ten, Servitien- und Annatenobligationen bis zu poli-tisch-militärischen Bankaufträgen, beispielsweise dieEinhebung des Türkenzehnten, Vorschüsse für eineKriegsflotte, der Aufrüstung des Kirchenstaates über-haupt.5

Schon Alexander VI. hatte sich in seinen letztenRegierungsjahren immer wieder der Fugger bedient,damals, 1501, gerade auch Johannes Zink, ein äußerstgeschäftstüchtiger Typ, die Fugger in Rom zu vertre-ten begonnen. Und wie de Doffis war auch Zink Kle-riker, stieg, von Mal zu Mal befördert, in der Kurievom Magister über den Pfalzgrafen zum päpstlichenFamiliären auf, blieb aber gleichzeitig Leiter des rö-mischen Fugger-Hauses. Einerseits weitete er den Ge-schäftsbereich bis England, Skandinavien, Finnlandaus. Andrerseits hemmte er die Aktivität der Welser

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in Rom, mochte dort Christoph Welser auch päpstli-cher Protonotar und Geheimkämmerer werden. Er,Zink, besaß 32 nachweisbare Pfründen und fandsogar noch Zeit, mit kirchlichen Ämtern und Würdenprofitreich in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Fuggers intensives Zutun fiskalisierte das soge-nannte Gnadenwesen mehr und mehr, ja die Firmaversuchte es durch kaufmännische Zentralisation zumonopolisieren, wie das ähnlich auf anderen Gebie-ten, beim Kupfer etwa geschah, ein Monopol, das sieimmens reich gemacht. »Ware blieb ihnen Ware. Undnur weitschauende Kritiker der Zeit begriffen, daßdurch Zinks Tätigkeit italienischer Fiskalismus sichin das deutsche Handelsdenken ergoß und ihm seinerationale Hemmungslosigkeit, jedoch mit robusterennordischen Formen und ohne südliche Eleganz, einzu-flößen begann« (von Pölnitz).6

Nach dem Ableben Alexanders VI. florierte derGnadenshop unter Julius II. fort. Hatte die schwäbi-sche Gesellschaft doch von Anfang an, sobald sichdie Chancen des della Rovere mehrten, seinen Wäh-lern durch Zink Mittel zur Verfügung gestellt und derneue Papst noch an seinem Wahltag eine »Konklave-schuld« von 2500 Dukaten an die Fugger anerkannt.Und durch sein ganzes Pontifikat überwiesen sie ihmGeld aus Deutschland, wo zu ihren Kunden die mei-sten Diözesen gehörten, Toul etwa, Verdun, Aquileia,

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Passau, Basel, Salzburg, Augsburg, Regensburg,Speyer, Bamberg, Würzburg, Fulda, Hildesheim, dieHansestädte, Breslau, Leipzig, Meißen, Krakau u.a.Rühmte sich ja Jakob Fugger angeblich, bei Beset-zung sämtlicher deutscher Bistümer, zuweilen garzwei- und dreimal, mitgewirkt und daran verdient zuhaben. Um 1511 trieben die Seinen den Jubelablaßfür St. Peter auch in Schlesien, Ungarn, Polen ein.Und was Leo X. angeht, spricht es wohl für sich, daßihm Faktor Johannes Zink zwischen 1513 und 1521nicht weniger als 56 beurkundete »Gnadenbeweise«verdankt.

Zumindest ein Teil des hohen Klerus war auchdurch private Interessen mit dem Fugger-Handel ver-quickt und überließ der Firma, allen biblischen undkanonischen Verboten zuwider, mehr oder minderhohe Beträge als stille Kredite. Ebenfalls spekuliertenda »wahrscheinlich ziemlich ausgedehnte Vatikani-sche Kreise« (von Pölnitz). Kardinal Fazio Santorio,das finanzkundige Haupt der Datarie, gehörte zu die-sen Kunden ebenso wie der Erzbischof von Gran oderder Breslauer Bischof Johann Thurzo und sein Bru-der, der Prälat von Olmütz, bei denen die Fugger-Fak-toren mit eigenen Schlüsseln die Ablaßtruhen öffnenund leeren konnten.

Ein durch das Augsburger Haus besonders profitie-render Hierarch war der Fürstbischof von Brixen,

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Kardinal Melchior von Mekkau. Streng vertraulich in-vestierte er 1496 eine verzinsliche Einlage von 20000Gulden, womit das Unternehmen nach Belieben ver-fahren durfte. Offenbar befriedigt durch das Geschäft,steckte der Kardinal weitere Gelder in die Fugger-bank. Und im März 1509 belief sich seine Einlageohne Abzüge auf 152931 Gulden – das eigene Han-delsvermögen der Firma betrug genau ein Jahr daraufnur 198915 Gulden!7

Die Fugger verbanden sich aber nicht nur finanzi-ell, sondern auch familiär mit dem Klerus.

Schon der ältere Marx Fugger bekam durch denPapst eine Domherrenpfründe. Der jüngere Marx,unter Julius II. als Protonotar und Scriptor meist imVatikan tätig, besaß ein Archidiakonat in Liegnitz,ein Kanonikat in Würzburg, zwei Pfarren im BistumPassau, er bekam die Passauer Dompropstei, zweiPropsteien in Speyer, je eine Propstei in Bamberg,Regensburg und Augsburg. Auch Jakob Fugger derReiche hatte ursprünglich im Stift Herrieden die geist-liche Laufbahn eingeschlagen. Und später stellte dieFamilie einen Bischof in Konstanz, zwei Bischöfe inRegensburg, und selbstverständlich förderte sie (aus-genommen der evangelische Ulrich II. d.J.) die Ge-genreformation, besonders der Jesuiten.8

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Ablässe für Lebende und Tote

Kam es so auch zu den verschiedensten Transaktionenzwischen Vatikan und Fugger, wurde die breite Öf-fentlichkeit doch am meisten durch den Ablaßhandelmißbraucht.

Dabei wußte man auch die Ärmsten, die besitz-und beinah geldlosen Massen zu gängeln und wenig-stens ihre Arbeitskraft zu kapitalisieren, etwa bei derErrichtung von Kirchen, besonders von großen, wiebei der Vollendung des Freiburger Münsters, wozuman Arbeiter zu unentgeltlicher Dienstleistung selbstaus fernen Gegenden bekam. Ebenso gab es die be-gehrten Gnaden für das Sand- und Steineschleppenbeim Klosterbau. Oder für Mithilfe – selbst an Sonn-und Feiertagen – bei Festungsbauten. Und 1503konnte man im Herzogtum Braunschweig einenAblaß von 100 Tagen sogar bei ganz profanen Stra-ßenarbeiten erwerben.

Ablässe spendierten Päpste oder Bischöfe bald mitvollen Händen und für alles mögliche.

Zum Beispiel für die Beteiligung an einer Prozessi-on in Venedig mit öffentlicher Geißelung. Oder fürdas ehrfurchtsvolle Aussprechen der Namen Jesu undMariä. 1514 gewährte die Lateransynode einen Ablaßvon zehn Jahren allen Denunzianten und Richtern von

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Gotteslästerern. 1287 verliehen deutsche Bischöfeeinen Ablaß allen, die die Karmeliter (Träger einesneuen weißen Habits) nicht »die weißen Brüder«nannten, sondern nach wie vor »Frauenbrüder«(nichts Unzüchtiges war damit gemeint, wie man mei-nen könnte, hieß es doch damals, ein geflügeltesWort, er hurt wie ein Karmeliter, sondern die heiligeJungfrau, die sie besonders verehrten).

Es gab Ablässe für solche, die Sünden vergessenhatten oder ihre Bußen, gab Ablässe für Gelübdebre-cher, Meineidige, für Diebe und Räuber (retentio reialienae). Es gab Ablässe für Mütter, die im Schlaf ihrKind erdrückt, für Gläubige, die zu einem neuenMeßbuch beigesteuert oder es gekauft hatten. BischofRudolf von Würzburg gewährte dafür 1481 einenAblaß von 40 Tagen, ein etwas kärglicher Nutzen.9(Allen Käufern dieser Kriminalgeschichte gewähre ich40000 Jahre!)

Die Leipziger Schützenbrüder, die 1482 »aus hitzi-ger Liebe und Begier bewegt, das Lob und den DienstGottes zu mehren«, der Pfarrkirche St. Nikolai 500rheinische Goldgulden gestiftet, erhielten ebensoeinen Ablaß wie die »Schwestern« der oberelsässi-schen Büchsen- und Armbrustschützenbruderschaftdes Städtchens Rufach, falls sie »wahrlich gereuetund gebeichtet erscheinen und ihr heiliges Almosendazu geben, sooft und dick sie das tun«.

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Schön gesagt.Am dicksten kam es vielleicht, seit man Ablässe

auch für Tote anbot, die sozusagen geschäftsfähigmachte. Tote waren, sind ja, nach christlichem Glau-ben, nicht tot, sind entweder, meistens, in der Hölle,oder, seltener, im Himmel; jedenfalls war da wie dortfür sie auf ewige Zeiten gesorgt. Aber – es gab nochdas Fegfeuer, wo die Armen Seelen, wer weiß wielang, sühnten für alle Schuld aus trüben Erdentagen,und ihnen konnte, durfte, mußte man beispringen.

Schon im 13. Jahrhundert verbreitete der Klerusdas Unglaublichste über Indulgenzen für Verstorbene.

Da berichtet ein englischer Franziskaner in einemBeispielbuch zum Gebrauch der Prediger vom Ablaß-kauf eines Mannes für seinen jüngst verstorbenenSohn. Er zahlt viel Geld, doch erscheint ihm der Sohngleich in der Nacht darauf in strahlendem Glanz undverkündet: »Durch die Ablässe, die du für mich ge-kauft, wurde ich aus dem Fegfeuer befreit und fahrenun gen Himmel.«

Viele folgten ihm. Und als wahrer Segen für dieArmen Seelen erwies sich wieder einmal Rom. DerNürnberger Ratsherr Nikolaus Muffel, der sich 1455in der heiligen Stadt »mit allem Fleiß« um das wun-derbare Phänomen gekümmert, nennt bereits mehr als15 Kirchen und Stätten, wo man im FegfeuerSchmachtende retten konnte. Von der Kapelle der hl.

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Praxedis meldet er: »so man fünf Messen für eineSeele in der Kapelle liest, die wird erledigt von allenPeinen. Des hat man Urkund und Zeichen, die da ge-schehen sind.« Kein Wunder, wenn nun zahlreichePilger die kostspielige Romfahrt gerade zum Trost derArmen Seelen unternahmen.10

Natürlich konnte nicht jeder nach Rom reisen unddort wie Martin Luther 1510/1511 als »ein toller Hei-liger« durch alle Kirchen, alle Krypten laufen, allesglauben, »was daselbst erlogen und erstunken ist«und ernsthaft bedauern, »daß mein Vater und meineMutter noch lebten, denn ich hätte sie gern aus demFegfeuer erlöst mit meinen Messen ...« Nein, nurAuserwählten waren Rombesuche vergönnt, und sogewährte Mutter Kirche in nimmermüder Sorge fürdas Seelenheil die großen Gnade auch anderwärts.Den Dominikanerinnen von Kirchheim in Württem-berg verkaufte der 1493 für seine Verdienste zumKardinal ernannte Ablaßkommissär Peraudi fünf Ab-laßbriefe, »die kosteten mehr denn 10 Gulden; aberwir gaben es gern«, bekundete eine Nonne, »daß wirden Seelen im Fegfeuer zu Hilfe kommen möchten ...Es holten sich etliche Schwestern 200 Seelen, etliche100, etliche 50, und darnach jegliche vermöchte.«

Noch um die Mitte des 14. Jahrhunderts war dielängst geübte Arme-Seelen-Rettung theologisch sehrumstritten. Doch im späteren 15., im frühen 16. Jahr-

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hundert verliehen die Päpste Calixt III., Sixtus IV.,Innozenz VIII., Alexander VI., Julius II., Leo X. au-thentische Ablässe für Verstorbene.

Gewährt ja noch im 20. Jahrhundert die weiter sehrablaßfreudige Catholica Ablässe für Lebende: füreinen Kleriker, der seinen Chorrock anzieht, dasKreuzzeichen schlägt und ein bestimmtes Gebetspricht: 300 Tage Ablaß. Auch wer den Ring desPapstes küßt, bekommt im Jahrhundert Einsteins 300Tage Ablaß, wer den eines Kardinals küßt, 100 Tage,den eines Bischofs, 50 Tage Ablaß. Wer betet »OHerr, bewahre uns den Glauben«: 100 Tage Ablaß je-desmal. Wer beim Hören von Gotteslästerungen denLobspruch spricht »Gott sei gepriesen!«: 50 TageAblaß jedesmal. Und sogar für die Armen Seelen imFegfeuer gewährt der Apostolische Stuhl noch Abläs-se – die Wirkung aber läßt man jetzt offen. Ist die Ab-laßeffizienz für Lebende nach wie vor »unfehlbar«,»kann nicht festgestellt werden«, ob und wie weit»einer ganz bestimmten armen Seele ein Ablaß zugutekommt« (Jone).

Im übrigen rügt man nun den »Mangel an Kritik«im Mittelalter – ja, wer wollte ihn denn! –, tadelt dieallzu häufigen Ablaßverleihungen, die manchmal un-angemessene Höhe, was schon den Spott »leichtferti-ger (!) Humanisten« erregt habe, bemäkelt die zu ge-ringen Leistungen für zu große Versprechen, die vie-

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7.664 Deschner Bd. 8, 371Ablässe für Lebende und Tote

len Fälschungen – statt doch die ganze Sache selbstabsurd, den Schwindel einfach Schwindel zu nen-nen.11

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7.665 Deschner Bd. 8, 372Fortschritte beim Ablaßbetrug und Folgen

Fortschritte beim Ablaßbetrug und Folgen

Im späteren Mittelalter stiegen die Gnadenschätze all-mählich immer steiler an, die geringen Gewinne frü-herer Zeiten zogen nicht mehr. So steigerte man sie.Ein Gebet für den König von Frankreich, das Mittedes 13. Jahrhunderts unter Innozenz IV. 10 TageAblaß einbrachte, ergab hundert Jahre später unterKlemens VI. bereits 100 Tage. Ein noch relativ be-scheidener Anreiz gewiß, doch bahnte sich eine infla-tionäre Entwicklung an.

Insbesondere waren mit der Visite vieler KirchenAblässe verbunden. Und hatte der päpstliche LegatPeraudi im Anfang des 16. Jahrhunderts für jede derReliquien in der Schloßkirche zu Wittenberg – sielagen dort bekanntlich tausendweise – 100 TageAblaß gespendet, machte Papst Leo X. aus den 100Tagen für jede Partikel gleich 100 Jahre. Und für jedeReliquie in Halle verlieh er 4000 Jahre.

Mehr noch verheißt eine Berliner Handschrift:»Wer dies Gebet spricht, so man den Leichnam Chri-sti erhebt, der verdient also viel Ablaß, als ein Mähereinen Tag Gras gehauen kann, und itzlich Gras be-deutet ein Jahr Ablaß.« War eine Indulgenz jedochbesonders hoch, wie eine von 48000 Jahren in der Se-bastianuskirche Roms, so versicherte das deutsche

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7.666 Deschner Bd. 8, 372Fortschritte beim Ablaßbetrug und Folgen

Rombüchlein: »Es soll niemand an dem Ablaß zwei-feln, der bei der würdigen Kirche ist; wer daran zwei-felt, der sündigt größlich.«

Von einer Ablaßsumme von wenigen Tagen kamman allmählich – in echten oder gefälschten Doku-menten – bis zu 1000, 12000, 48000, ja zu 158790,186093 Jahren und mehr. Bei einem Ablaß von600000 Jahren (sexcenta millia annorum), einst zugewinnen an Allerheiligen und natürlich in Rom (inder Kirche der hl. Bibiana), nimmt ein moderner ka-tholischer Experte doch lieber »wohl einen Druckfeh-ler an«. Dabei stand in einem englischen Gebetbuchein Ablaß von 1000000 Jahren, und die Heiligtums-bücher von Wittenberg oder Halle erwiesen sich alsnicht minder generös.12

Eine Menge Ablaßbullen haben Welt- und Ordens-geistliche im späteren Mittelalter gefälscht, und diemeisten dieser Fälschungen haben die Päpste im 15.und 16. Jahrhundert approbiert. Doch wurden nachmanchen theologischen Experten die gefälschten Ab-lässe schließlich gültig – durch das Gewohnheits-recht.

Die Menschen damals hätten freilich nicht leichtzwischen echten und unechten Ablässen zu unter-scheiden gewußt, ganz beiseite, daß die einen so vieloder so wenig wert waren wie die andren. Erregt hatman sich auch eher über die Höhe der Preise. Und

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noch mehr über die – vom 13. Jahrhundert an –immer wiederholte Aufhebung älterer Ablässe, für dieaber gezahlt war. Eben deshalb mußten sie ja ungül-tig, mußten sie aus dem Gnaden- und Geschäftsver-kehr gezogen werden, bedurfte es stets neuer Indul-genzerweise. So »sistierte« man, wie das Kunstwortlautet, und verlieh neu und bezahlte neu und kassierteneu.

Wie viele Kreuzablässe gab es bereits! Doch vom15. Jahrhundert an widerrief man immer häufiger(fast) alle bisherigen und schrieb neue aus. Pius II.brauchte Geld für die Restaurierung der römischenBasilika San Marco. Also ließ er den Bischof vonTreviso in seiner Diözese hundert Leute suchen, diefür einen Sterbeablaß eine namhafte Summe berapp-ten – und suspendierte dort bis zur Auftreibung desGeldes alle anderen Ablässe. Sixtus IV. wollte zumJubeljahr 1475 Pilger massenweise in Rorg versam-meln und dabei natürlich das Seine einstecken. Alsohob er bereits am 29. August 1473 sämtliche voll-kommenen Ablässe auf – ausgenommen die der Kir-chen in Rom. Innozenz VIII. bestieg am 29. August1484 den Heiligen Stuhl – und am 30. August 1484annullierte er (mit Ausnahme der Sterbeablässe) allePlenarablässe seines Vorgängers. Wer diese wiederwollte, konnte sie zwar gerne haben, doch gegen neueBezahlung. Und wie Innozenz VIII. verfuhren im An-

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schluß an ihn: Alexander VI., Pius III., Julius II., LeoX., Hadrian VI.13

Die kirchlichen Behörden haben zum Ablaß-schwindel lange geschwiegen, nur einzelne Theolo-gen, teilweise anonym (!), protestiert. Erst als der Be-trug immer offenkundiger wurde, erregte man sichüber das Treiben von Quästoren, Almosenbegehrern,Ablaßpredigern, die ohne päpstliche oder bischöflicheErlaubnis Geld sammelten, die päpstliche und bi-schöfliche Verordnungen fälschten, was schließlichvon Spanien bis Skandinavien ständig vorkam, dochgar nicht vorgekommen wäre, hätte der niedere Klerusnicht vom höheren gelernt, gegen einen Teil der ge-horteten Gelder mit den Quästoren gemeinsame Sachezu machen. Erst als der Gnadenverkauf allzu plumpund oft betrieben wurde, geriet er in Mißkredit, mußteder hohe Klerus um seine Einnahmen fürchten – undeiferte in ganz Europa gegen die kleinen Gauner.

Auch gab es selbstverständlich längst die im Ka-tholizismus bis heute beliebte Praxis, bei einfachnicht mehr zu kaschierenden Skandalen die niedereKlerisei, geringere Prälaten, zu tadeln, um ja keinenSchatten auf höhere, höchste, den Heiligen Vaterselbst, fallen zu lassen, die eigentlichen Brutstättendoch der Korruptheit. So eifert Hieronymus Emser,von 1505 bis 1511 in Dresden Sekretär und Hofka-plan des Herzogs Georg von Sachsen: »Daß aber der

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7.669 Deschner Bd. 8, 374Fortschritte beim Ablaßbetrug und Folgen

Mißbrauch drein gekommen, ist nicht des Papstes,sondern der geizigen Kommissäre, Mönche und Pfaf-fen Schuld, die so unverschämt davon gepredigt undallein von ihres eigenen Nutzens wegen, damit sie desSackes auch einen Zipfel kriegten, die Sache alsogrob gemacht und mehr aufs Geld, denn auf Beichte,Reue und Leid gesetzt, dessen sie doch von Päpstli-cher Heiligkeit ungezweifelt keinen Befehl gehabthaben.«

Immerhin galt ihnen aber die strikte Order der Päp-ste, ihre Ablässe zu verkünden. Zwang man ja auchdie Gemeinden unter Androhung von Kirchenstrafen,»bei Pein des Bannes«, wie es 1517 in Hildesheimheißt, der Ablaßverkündigung beizuwohnen. Ja, häu-fig hatte man diesen Tag in den Pfarreien schon vom13. Jahrhundert an zum Feiertag gemacht und mit er-heblichem Gepränge, »mit großer Löblichkeit«, »mitgroßer Reverenz« begangen.14

Je größer freilich der Aufwand und die Gnaden,desto geringer allmählich deren Popularität. So be-richtet 1436 eine anonyme Chronik von einem Ablaßzur Griechenmission: doch »da tailtens die pfaffenunder in und losten sich auß der herberg zuo Basel imconsily und wurden die layen gelaicht«. Und als imFrühjahr 1518 Ablaßkommissäre Breslau heimsuch-ten, bat das dortige Domkapitel den Bischof, sie nichtzuzulassen, seien doch so viele ähnliche Ablässe ver-

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kündet worden, »daß das Volk bereits Ekel davorhabe und sein Gespött damit treibe«. Erhob sich jaauch 1450 beim Verlesen des Rom-Ablasses durchden Augsburger Bischof »groß murbeln under demvolck dann vor langen Zeiten bruoder Berchtold hiegepredigt hett: ›wenn ainem Rom für die thür kam, sosolt man die peutel zuohalten‹ und ward sein oft ge-dacht«; gleichwohl glitten 20000 Gulden in die Kir-chenkassen. Doch gerade in Augsburg, der Stadt derFugger, deren F. von 1510 bis 1534 auf den römi-schen Münzen stand, hörte man immer wieder Schmä-hungen auf den Ablaß als Schröpferei »der ainfeltigenleut«. Und munkelte oder wußte weithin, die bei derFirma aufgehäuften Gelder dienten ganz anderenZwecken, als viele Spender noch glaubten.

Da gab es beispielsweise den anno 1506 mit hohen»Gnadengaben« dotierten Ablaß zum Neubau der Ba-silika des Apostelfürsten Petrus in Rom. Er befreiteLebende wie Tote, die in der Beichte ihre Sünden-schuld getilgt, von allen zeitlichen Sündenstrafen, vonBußleistungen, vom Fegfeuer. Päpstlicher Ablaßver-walter aber wurde, und zwar auf eigenen Wunsch, inseinen Kirchenprovinzen und darüber hinaus KurfürstAlbrecht von Mainz, zugleich Erzbischof von Mainz,von Magdeburg, Administrator von Halberstadt.Seine hohen Kirchenwürden hatte er in Rom erworbenund deshalb bei den Fuggern 30000 Dukaten Schul-

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den. Also verschrieb er der Augsburger Gesellschaft –die Hälfte des eingehenden Ablaßgeldes, der »heiligenWare«.15

Was seinerzeit Deutschland am Papsttum wohl ammeisten skandalisierte, war die Ablaßpraxis. So über-rascht es kaum, daß sich damit Luther – der danndiese ganze Ausbeutung, die römische Gier nachGeld, als »Fuggerei« brandmarkt – besonders befaßt.Er kritisierte sie seit 1516, traf so aber auch die Wit-tenberger Ablaßsammlung, die kursächsischen Reli-quienschätze seines Landesherrn, bei dem er derart»schlechte Gnade verdienet«, weshalb er seine öffent-liche Kritik bemerkenswerterweise auch einstellt. Undals er sie wiederaufnahm, verstand er es, nur dieLehre der »brandenburgischen« Ablaßprediger theo-logisch zu disqualifizieren und jede Kollision mit derAblaßpolitik seines Landesherren zunächst zu vermei-den, so daß bereits Zeitgenossen Friedrich den Wei-sen als Inspirator der Ablaßthesen vermuteten. Am31. Oktober 1517 jedenfalls schickte Luther die 95Thesen über die Kraft der Ablässe an seinen Ordinari-us, den Bischof von Brandenburg sowie an seinenMetropoliten, den Erzbischof Albrecht von Magde-burg/Mainz. Und gegen die Fugger, die sich im aus-brechenden Religionsstreit für Kaiser und Katholizis-mus entschieden, trat Luther, der ein arbeitsloses Ein-kommen verwarf, dann in mehreren Schriften nach-

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drücklich au f.16

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Die AblassthesenVom »sehr guten Papst« zur »Papstsau«

Zunächst hatte freilich auch Luther die Berechtigungdes Ablasses öffentlich anerkannt und nur gegen seineVeräußerlichung, gegen den Mißbrauch immer ent-schiedener seit 1516/1517 Stellung genommen. Inden 95 Thesen nun, Disputationsthesen, in denen sicheine ausgesprochen ambivalente Haltung Luthers,eine Zwitterstellung gegenüber dem Papsttum ab-zeichnet, geht er jedoch gelegentlich über die bisheri-ge Ablaßlehre deutlich hinaus, verneint er ihre Gültig-keit vor Gott, bestreitet, »daß durch die Ablässe desPapstes der Mensch von jeder Strafe frei und loswerde« (per pape indulgentias hominem ab omni penasolui et saluari). Statt dessen erklärt er, ein Großteildes Volkes werde zwangsläufig getäuscht »durchjenes in Bausch und Bogen großsprecherisch gege-bene Versprechen des Straferlasses« und lehrt seiner-seits: »36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat An-spruch auf völligen Erlaß von Strafe und Schuld, auchohne Ablaßbrief« (habet remissionem plenariam apena et culpa, etiam sine literis veniarum sibi debi-tam).

Luther attackiert jedoch viel mehr die Ablaßver-künder, »diese freche Ablaßpredigt«, als Leo X., denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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er einmal sogar »einen sehr guten Papst« nennt, »des-sen Integrität und Gelehrsamkeit alle guten Ohren ent-zückt«. Gewiß ereifert er sich: »Warum baut derPapst, der heute reicher ist als der reichste Crassus,nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber vonseinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?«Doch schreibt er auch: »Wenn der Papst die Erpres-sungsmethoden der Ablaßprediger wüßte, sähe er lie-ber die Peterskirche in Asche sinken, als daß sie mitHaut, Fleisch und Knochen seiner Schafe erbautwürde.« Oder: »Wenn daher der Ablaß dem Geisteund der Auffassung des Papstes gemäß gepredigtwürde, lösten sich diese (Einwände) alle ohne weite-res auf, ja es gäbe sie überhaupt nicht« (facile illaomnia soluerentur, immo non essent).

Luther stand dem Papsttum in seinen Frühschriften,Vereinzeltes ausgenommen, durchaus positiv gegen-über, und er bezeugt noch 1545, vor dem Ablaßstreit»ein geradezu fanatischer Mönch und ganz unsinnigerPapist« gewesen zu sein, ein Mann der, wie er 1538gesteht, vom Namen des Papstes mächtig fasziniertwar und ihn als Werkzeug des Heiligen Geistes be-trachtet hatte.

Noch im Herbst 1517 scheint Luther in der 81.These bereit, »das Ansehen des Papstes vor böswilli-ger Kritik oder sogar vor spitzfindigen Fragen derLaien zu schützen«. Und an Leo X. selbst schreibt er

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noch im nächsten Jahr, er könne zwar nicht widerru-fen, wolle aber des Papstes Stimme hören »wie dieStimme Christi, der in ihm den Vorsitz führt undredet«. Ja, er beteuert: »Belebe mich, töte mich, rufe,rufe zurück, bestätige, verwerfe, wie es dir gefällt!«17

Inzwischen freilich hatte der zwielichtige Geist, derMann ungeheurer Gegensätze und Widersprüche, mitWindeseile und, dem Feuer seines Temperamentsgemäß, zunehmend gereizt einige Schriften in dieWelt gesetzt, hatte er zunächst auf deutsch »Ein Ser-mon von dem Ablaß und Gnade« unters Volk ge-schleudert und fast gleichzeitig unter die gelehrteZunft die lateinischen »Resolutiones disputationis devirtute indulgentiarum«. In diesen vehementeren An-griffen auf den Ablaß aber klingt auch die neue Lehrevon Glaube und Gnade schon an. Und wollte er indem Schreiben an Leo X. dessen Stimme hören wiedie Christi, erklärte er in den Resolutionen, auf ihnmache gar keinen Eindruck, was dem Papst gefalleoder nicht gefalle. Der Papst sei »ein Mensch wie dieandern Menschen. Viele Päpste gab es, denen nichtbloß Irrtümer und Laster, sondern auch Ungeheuer-lichkeiten (monstra) gefielen. Ich höre auf den Papstals Papst, d.h. wie er in den Kirchengesetzen sprichtund gemäß denselben oder mit dem Konzil entschei-det, nicht aber, wann er nach seinem Kopfe redet.«

Immerhin beteuert er noch im September 1519 inKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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der Widmung des Galaterbrief-Kommentars, nicht nurdie Römische, sondern die ganze Kirche Christi innigzu lieben, versichert ausführlich, daß diese Liebe esverbiete, sich von Rom zu trennen, ja nennt den Papst»Statthalter Christi«. Doch bereits am 24. Februar1520 schreibt er nach der Lektüre von Huttens Edi-tion über die Konstantinische Schenkung von Lauren-tius Valla, er zweifle »fast nicht mehr daran«, daß derPapst der erwartete Antichrist sei. In diesem Jahr er-folgt Luthers endgültiger Bruch mit Rom18.

Und von nun an spricht der Reformator – fragloseiner der größten Schöpfer deutscher Sprache undjeden Vertreter des »Grobianismus« seiner Zeit über-trumpfend – anders über die Heiligen Väter, wenn derTon auch im Prinzip wahrlich nicht neu ist, vielmehrlebhaft an die Innigkeit erinnert, mit der Christen,Apostel, Kirchenväter, Bischöfe schon in der Antike,ja im Neuen Testament ihre Nächstenliebe zum Aus-druck brachten (I 3. Kap.!),

Denn für Luther ist fortan und bis an sein Lebens-ende der »Statthalter Christi« ein Mensch, der »allesBöse treibt«, »besessen vom Teufel«, »des TeufelsBischof und der Teufel selbst«, »ein verzweifelterGotteslästerer und abgöttischer Teufel«, »ein ver-mummeter und leibhaftiger Teufel«, gar »der Dreck,den der Teufel in die Kirche geschissen«. Er schimpftden Papst, noch 1518 »die Stimme Christi« für ihn,

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»beschissen« und »ausgeschissen«, »Räuber«, »Mon-strum«, »Rattenkönig«, »Tier«, »wildes Tier«, »Dra-chen und Höllendrachen«, »Bestie der Erde«, schmähtihn »erzpestilenzialisches Ungetüm«, »spitalischer,stinkender Madensack«, »Papstesel«, »Papstsau«.Das Haustier vom Esel bis zum Schwein ist »in seinerMalediktologie fast vollzählig vertreten« (Mühl-pfordt) und die »Sau« in seinem Schimpfinventar ge-radezu eine Lieblingsbezeichnung für Gegner – Dok-tor Eck figuriert als »Saueck«, Herzog Georg als»Dresdener Sau«, die Konstanzer Konzilsväter sindinsgesamt »Säue« etc. Luther nennt nicht nur dasPapsttum, sondern auch »Bißthumb, Stift, Klöster,Hohenschulen mit aller Pfafferei, Müncherei, Nonne-rei, Messen, Gottesdiensten eitel verdampte Sectendes Teufels«, das Papsttum im besonderen »des ober-sten Teufels giftigster Greuel« und Rom »eine Behau-sung der Drachen, eine Wohnung aller unreinen Gei-ster«, »voller geizigen Götzen, Meineidigen, Aposta-ten, Sodomiten, Priapisten, Mörder, Simonisten undanderer unzähliger Ungeheuer«.

Schon 1520 ist es gewiß für ihn, und er dürfte sichkaum sehr getäuscht haben, »daß der Papst und Car-dinäl gar nichts glauben«. »Was gehet den PapstBeten und Gottes Wort an? Er muß seinem Gott, dem

Teufel, dienen. Aber das ist noch das Geringst ... Dieallerärgeste Grundsuppe aller Teufel in der Hölle ist,

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daß er solche Gewalt dahin strecket, daß er Machthaben will, Gesetze und Artikel des Glaubens zu stel-len ... Er brüllet als besessen und voller Teufel ...Denn der Teufel, so das Papstthum gestiftet, der redetund wirket alles durch den Papst und römischenStuel.«

Man meint, es gäbe da schwerlich eine Steigerung,und doch überhäuft er am Ende seines Lebens in demPasquill »Wider das Papsttum zu Rom, vom Teuffelgestiftet« den »Stellvertreter Christi« echt christ-evan-gelisch mit Schmähworten über Schmähworten als»Das Haupt der verfluchten Kirchen allerärgestenBuben auf Erden, ein Statthalter des Teuffels, einFeind Gottes, ein Widersacher Christi und Verstörerder Kirchen Christi, ein Lehrer aller Lügen, Gotteslä-sterung und Abgöttereien, ein Erzkirchendieb undKirchenräuber ... ein Mörder der Könige und Hetzerzu allerlei Blutvergießen; ein Hurnwirth über alleHurnwirthe, und aller Unzucht ... ein Widerchrist, einMensch der Sünden und Kind des Verderbens, einrechter Bärwolf«, und wünscht wieder mit aller evan-gelischen Wärme, man sollte »den Papst, Cardinal,und was seiner Abgötterei und päpstlicher HeiligkeitGesindlin ist, nehmen und ihnen ... die Zungen hintenzum Hals heraus reißen und an den Galgen anna-geln ...«19

Wir werden das nun anhebende und immer mehrKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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ausufernde Gezänk der Alt- und Neugläubigen, dieFlut überbordender Streitschriften, Sendbriefe, Pro-phetien, Utopien, Pamphlete, Flugblätter allenfallsgelegentlich streifen, nicht aber das beginnende Zeit-alter der Reformation – eine 1697 durch Veit Ludwigvon Seckendorff geprägte, durch Rankes »DeutscheGeschichte im Zeitalter der Reformation«(1839/1843) bekannter gewordene Charakterisierung-auch nur entfernt kontinuierlich betrachten. Und eben-sowenig verfolgen wir chronologisch das Leben desReformators selbst: das alsbald (»fulmen Dei«, »Got-tes Stimme«) abgebrochene Jurastudium, den Ein-tritt – nach einem Blitzeinschlag neben ihm – in dasErfurter Augustiner-Eremiten-Haus, das strengste derdortigen sechs Klöster, 1505; die Romreise, nochohne Ärgernisnahme, 1510; die (dann zeitlebens bei-behaltene) Professur für Bibelexegese 1512 in Wit-tenberg.

Noch immer ist Luther in den nächsten Jahren einvöllig Unbekannter in der Welt. Doch nach dem 1516ausgebrochenen Ablaßstreit beginnt 1518 das römi-sche Verfahren wegen Häresieverdacht, findet das(mit der Ablaßfrage eröffnete) Verhör durch den mitder causa Lutheri betrauten Legaten Kardinal Cajetannach dem Augsburger Reichstag statt und die Verwei-gerung des Widerrufs. Es kommt im Sommer 1519auf der Pleißenburg zur Leipziger Disputation mit Jo-

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hannes Eck von Ingolstadt, Luthers stärkstem theolo-gischem Widersacher. 1520 überbringt Eck persön-lich aus Rom die Bannandrohungsbulle »Exsurge Do-mine« mit der Anführung von 41 »Errores MartiniLutheri«, die »fromme Ohren beleidigen, einfache Ge-müter verführen«, die aber Luther (mit einem »Wild-schwein aus dem Walde« verglichen, einem gar »wil-den Tier«) publizistisch hochwirksam als FälschungEcks ausgibt und sie im selben Jahr noch am 10. De-zember mit scholastischen Traktaten, mit reichsrecht-lich gültigen Büchern des kanonischen Rechts sowieeinem Dutzend Schriften seiner Gegner Eck undEmser auf dem Wittelsberger Schindanger öffentlichverbrennt. »Wessen erfrecht sich der räudigeMönch!« rief Luthers Kollege, freilich den Juristenzugehörend, einer von ihm bekanntlich besonderswenig geschätzten Spezies, »Schinder«, »Zungendre-scher«, zumeist auch noch »des Papstes Diener«,»böse Christen«. Und am nächsten Tag erklärt Lu-ther, die Verbrennung allein genüge nicht, es sei not-wendig, den Papst, d.h. den päpstlichen Stuhl zu ver-brennen.

Worauf nach langem Zögern am 3. Januar 1521mit der Bulle »Decet Romanum Pontificem« die Ex-kommunikation durch Leo X. erfolgt, die Reichsachtdurch den Kaiser, das Wormser Edikt, auf der Rück-reise von Worms die Scheinentführung durch den

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Landesherrn Kurfürst Friedrich den Weisen auf dieWartburg, wo Luther als »Junker Jörg« sein »opusproprium« schafft, seine von der neueren Forschungnicht selten relativierte literarische Großtat, die ihn,wie freilich wohl mehr noch sein Streitschriftenwerk,in dem er selbst ein Kernstück seines Schaffens sieht,als Sprachgestalter neben Goethe und Nietzsche stellt,die Übersetzung des Neuen Testaments nicht aus derbisher gebräuchlichen lateinischen Vulgata, sondernaus dem Griechischen ins Deutsche – Luthers »ver-korter Dolmatschung«, wie 1527 der katholische Her-zog Georg von Sachsen sagt.20

Erst recht nicht erörtert wird hier (wie überhaupt)Luthers Theologie, die bekanntlich mit seiner Angstbeginnt, Gott nicht genugzutun, mit seiner qualvollen,schon pathologisch anmutenden Suche nach einemgnädigen Gott, mit dem Problem beginnt, wie er alsSünder vor Gottes Gericht gerecht erscheinen könne.Selbst wenn uns die Begriffe »Sünder«, »Gott«, »Ge-richt« (oder die Formeln »sola fide«, »sola gratia«,»solus Christus«) in solchem Zusammenhang (undüberhaupt) etwas zu sagen hätten, sie gehören nicht inunseren Themenkreis, es sei denn zu der Demonstrati-on, daß da mit lauter Unbekannten operiert, daß derWelt und ihm selbst, dem abgrundtief in seinen Sün-denwahn Verstricktem, vom Teufel oft Besuchtem,ein X für in U vorgemacht werde, was aber nicht zu

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demonstrieren ist – für viele indes seine »größte undbleibende Leistung« (Tannenberg!).

Natürlich kümmert uns auch nicht Luthers »be-rühmte« 1523 in seiner Schrift »Von weltlicher Ob-rigkeit« dargelegte Zweireichelehre, ein ebenso alterwie plumper Theologenkunstgriff (fast zu plump, umihn noch so zu nennen), sein strenges Differenzierenzwischen geistlichem und weltlichem Regiment, »Di-vina und Politica«, aber auch zwischen andren Bezie-hungszusammenhängen des Christen, die jedoch alleunlösbar verbunden, aufeinander zugeordnet sind.Solche dualistische Konfrontationen gibt es mutatismutandis bereits im Alten Testament, bei Paulus, Au-gustinus, die mittelalterliche Zweischwerterlehre ge-hört hierher. Und diese Unterscheidung, die keineScheidung ist, besteht auch zwischen den Bereichendes »homo interior« und »exterior«. Sie ist bei Augu-stinus ebenso wie bei Luther »scharf und unbedingt,aber zugleich unsichtbar und nie zu fixieren« (H.Bornkamm), also einfach wunderbar für Theologen,darin ganz wie's der Zweck erheischt herumzu-schwimmen, ein ideales Terrain, das man, da äußerstvariabel, situativ auslegen kann, stets nach dem Op-portunitätsbedarf. Unter den Faschisten, als der Be-griff Zweireichetheorie nicht zufällig eine Konjunkturerfuhr, lehnten deutsche Lutheraner mit ihr den Wi-derstand gegen Hitler ab, norwegische und dänische

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Christen begründeten ihn damit. In den USA vertei-digte man mit Hilfe der Zweireichelehre ebenso dieSklaverei wie den Freiheitskampf der black commu-nity.21

Das, was uns interessiert, ist allein der kriminelle,das heißt ohne jeden Abstrich der hervorstechende,der Haupt-Aspekt im blutigen Wust der Geschichte.Und dabei konzentrieren wir uns auf vier Kernpunkte,auf Luthers agitatorisch-demagogische Verteufelungder Bauern, der »Ketzer«, der Hexen, der Juden. JederVorgang ist gleich grauenhaft, gleich abscheulich,vielleicht der fatalste aber, weil historisch folgen-reichste, die Niederschlagung der Ärmsten.

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7.684 Deschner Bd. 8, 38312. Kapitel

12. Kapitel

Man nennt es Reformation

Die Heiligenlegenden entlarvte Luther als Mär-chen. An den Bibellegenden hielt er fest; amTeufelsglauben auch; am Hexenwahn auch; ander Ketzervertilgung auch; am Antisemitismusauch, am Kriegsdienst, an der Leibeigenschaft,den Fürsten. Man nennt es: Reformation.1

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7.685 Deschner Bd. 8, 385Der Reformator läßt die Bauern schlachten

Der Reformator läßt die Bauern schlachten oder»Anzaigung zwayer falschen Zungen des

Luthers«

Die Kirche stand seit den frühen christlichen Sozial-aufständen in der ausgehenden Antike stets auf Seiteder Unterdrücker gegen die große Mehrheit der Men-schen, die Bauern. Sie haben im christlichen Abend-land, das sie erst zu Hörigen, dann zu Leibeigenenmacht, eine Rechtsnatur fast wie Vieh, sie könnenvererbt, verschenkt, verkauft, getauscht, können jäm-merlich geschunden, aufs äußerste geschröpft werden,sie müssen lebenslang um Gottes Willen gehorchen.Um 1300 schmeckt dem Hochmeister des Deutschrit-terordens Siegfried von Feuchtwangen, wie er sagt,kein Bissen, habe er zuvor nicht ein paar Bauern hän-gen lassen.

Durch das ganze Mittelalter kommt es so zuneh-mend zu den mannigfachsten Formen des Protests,des Widerstandes der Unterjochten gegen ihre weltli-chen und geistlichen Grundherren, zu passiver Resi-stenz, zu Verweigerung von Diensten und Abgaben,zu Abwanderung, Flucht, zu Unruhen, Erhebungen,kommt es, je weiter das Mittelalter vorrückt, in Nor-wegen, Dänemark, England, der Normandie, in Flan-dern, Ungarn, der Schweiz zu Aufständen, zu Bauern-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.686 Deschner Bd. 8, 386Der Reformator läßt die Bauern schlachten

rebellionen (Vgl. 3. Kap.).Allein auf deutscher Seite – wo seinerzeit, teils per-

sönlich frei, teils unfrei bis hin zur Leibeigenschaft,rund drei Viertel von 12 oder 13 Millionen Menschenauf dem Land lebten – zählte man im 15. Jahrhundertvierzig Erhebungen mit stetig sich verdichtender Ten-denz und einer nicht selten schichten- wie ständeüber-greifenden Kooperation. Und aus diesen Voraufstän-den entwickelte sich dann eine soziale Massenbewe-gung, die aber, letztlich ihr Verderben, nicht in sichzusammenhängend, nicht geschlossen, die regionalzersplittert war; wobei nicht die unterste, die am mei-sten verelendete Klasse der Bauern den Ton angab,sondern der Stand mittlerer und großer Bauern, dergegenüber einer verstärkten herrschaftlichen Abhän-gigkeit sein Selbstverwaltungsrecht erstrebte.

Wenn auch ein ganzes Knäuel von Konflikten ver-schiedenster Art zum deutschen Bauernkrieg(1524–1526) führte, ist doch bemerkenswert, daß, zu-mindest gebietsweise, der besondere Haß der Be-drängten, der oft um ihre nackte Existenz Ringenden,dem Klerus gilt, dem größten Grundeigentümer. Warja »die Abneigung des Volkes gegen die Geistlichen«geradezu eine »Ursache des Bauernkrieges« (Gerdes),und dieser auch eine »religiöse Volkserhebung«, eine»Glaubensrevolte« (Oberman).

Desiderius Erasmus von Rotterdam, bis zum Auf-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.687 Deschner Bd. 8, 387Der Reformator läßt die Bauern schlachten

treten Luthers vielleicht der führende Gelehrte seinerZeit, nennt denn auch den Bauernkrieg schlicht »Pfaf-fenkrieg« und »Klosterkrieg«.

1460 empören sich die Kemptener Bauern gegenihren Abt. 1476 demonstrieren 16000 Bauern beiNacht mit Fackeln vor der Festung Marienberg ihresWürzburger Oberhirten, der mit Kanonen auf sie feu-ern läßt. »Und wurden der Völker etlich viel erschla-gen und erstochen«, heißt es in der Würzburger Rats-chronik, »auch gefangen uf 104 Personen ungnadeli-chen gesinnt (= ohne Gnade) uf Unserfrauenberg.«

1483 bekämpft die Bundschuhbewegung inSchlettstadt besonders die geistlichen Gerichte, 1490die Augsburger Bauernschaft ihren Bischof Friedrichvon Hohenzollern. 1493 heißt die Parole des ElsässerBundschuhs, bei dem, wie auch sonst nicht selten,bäuerliche und bürgerliche Widerständler sich zusam-menfanden, vor allem Abschaffung des StraßburgerBischofsgerichts und des kaiserlichen Hofgerichts zuRottweil verlangend: »Loset, was ist das für einWesen? Wir mögen nicht vor Pfaffen und Adel gene-sen.«

Stark ausgeprägt war der Pfaffenhass auch 1502beim Bruchsaler Bundschuh unter dem rastlos agie-renden Joss Fritz, einem Leibeigenen des Speyrer Bi-schofs, eines notorischen Leuteschinders, ja der dorti-ge Bundschuh war geradezu aus diesem Haß hervor-

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gegangen. Etwa 100 Rebellen wurden verhaftet, zehngeköpft und gevierteilt. – Der Bundschuh, die üblicheFußbekleidung der Bauern, wurde das Symbol ihrerFreiheitsbewegung.2

Auch als der Bundschuh 1513 auf den Breisgauübergreift, im nächsten Jahr unter Peter Gais der»Arme Konrad« Teile Württembergs erschüttert, äu-ßern sich starke antiklerikale Tendenzen, wollen dieBauern – dreizehn werden hingerichtet – sich nichtmehr vor geistliche Richter gestellt, vielmehr das Kir-chen-, das Klostergut gerecht verteilt sehen, wollensie die »göttliche Gerechtigkeit« übrigens nicht nurfür die Bauern, sondern, wie dann in den zwölf Arti-keln stand, »für sich und die andren Christen«.

Die Memminger »Zwölf Artikel der Bauernschaftin Schwaben« von Ende Februar 1525, die noch insElsaß und nach Thüringen wirkende, in mindestens25 Drucken mit ca. 25000 Exemplaren verbreitetewichtigste Programmschrift der Aufständischen, dieausdrücklich ihre Bereitschaft gegenüber der Obrig-keit »in allen gebührenden und christlichen Sachen«betonte, richtet sich gleichwohl weit mehr gegen Bi-schöfe und Prälaten als gegen die weltlichen Grund-herren, war doch auch sie »vor allem eine religiöseRevolte gegen das kirchliche Establishment« (Ober-man).

Bezeichnenderweise dehnen zu Beginn der Neuzeit,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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als man die Leibeigenschaft da und dort gemildert,ganz aufgehoben, anderwärts aber verschärft oder ersteingeführt hat, auch Klöster die (bei Rechtshändelnentmündingende) das Territorialregiment begünsti-gende Leibherrschaft, wie sie auch hieß, aus, so St.Georgen, Weingarten, Einsiedeln, Salem, Sankt Peterim Schwarzwald oder Kempten im Allgäu, die größteGrundherr in des Gebietes. Gerade diese Abtei, inderen Urkunden stand: »Die Leibeigenschaft ist nitwider göttlich oder menschlich gesatz«, suchte miteinem von ihr gefälschten Stiftungsbrief Karls I. ihreBauern in die Leibeigenschaft zu drücken. Sie schika-nierte sie durch das ganze 15. Jahrhundert, ging mitgeistlichen Strafen gegen sie vor, soll auch willkürlichgefoltert haben, und um 1500 machte der Fürstabt aufdie perfideste Art 1200 Zinser leibeigen. (1526 ent-hält das sogenannte Blutbuch der Abtei 173 Namenvon aufrührerischen Bauern und Rädelsführern).3

Bei aller Wut auf den Klerus waren die mittelalter-lichen Bauern durchaus fromm, christgläubig, Wall-fahrer, Heiligenverehrer, wurden jetzt auch eine reli-giöse, eine religiös-soziale Bewegung, und wahr-scheinlich wollten Sie schon mit dem »Pfeifer von Ni-klashausen«, dem 1476 in Würzburg als »Ketzer«verbrannten Hans Behem, sicher aber im Bundschuhvon 1502 des Joss Fritz »nichts denn die Gerechtig-keit Gottes«. Die Allgäuer Artikel, beginnend »In

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Christo Jesu liebwerte Brüder«, wissen sich verbun-den »bei dem heiligen Evangelium und bei dem Got-tesworte und bei dem heiligen Recht« und wollen ein-ander beistehen bis zum Tod, »denn wir sind Brüderin Christo Jesu, unserem Erlöser«. Und der letzte Ar-tikel des Memminger Manifests lautet, bezeichnender-weise in unverkennbarer Anlehnung an Luthers Ver-weigerung des Widerrufs auf dem Wormser Reichstag1521: »Wenn einer oder mehr Artikel allhier aufge-stellt sein sollten, die dem Worte Gottes nichtgemäß: ... dieselbigen Artikel wolle man uns aufGrund des Wortes Gottes als ungebührlich erweisen,so wollten wir davon abstehen, wenn man uns denNachweis mit Begründung aus der Schrift führt.«

Die Bauern vereinigten sich als »christliche Ver-sammlung«, stritten als »evangelische Brüderschaft«,als »christlich evangelisches Heer«, auf ihren Fahnensah man Bilder des Gekreuzigten und den NamenJesu. Ein Fähnlein des Bundschuh zeigte nicht nureinen Crucifixus, sondern auch die Madonna, denTäufer, den Kaiser, den Papst, dazu einen vor demKreuz knienden Bauern und die Umschrift: »Herr,stand diner gütlichen gerechtigkeit bi!« Es gab Bau-ernlager, in denen Huren keinen Zutritt hatten, dochalle Tage Predigtgottesdienst befohlen war. Ja, derwürttembergische Bauernführer Matern Feuerbacher,freilich ein Außenseiter, der selbst Adligen und Geist-

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lichen Schutzbriefe ausstellte, verlangte das Predigengleich zweimal täglich.4

Gewiß trumpften auch radikale Kräfte auf, Männer,die alle Pfründen reduziert, das Kirchengut abge-schafft, nur noch Kaiser und, ausgerechnet, den Papstals Herren anerkannt sehen wollten oder die, wie dieOdenwälder Bauern, der Stadt Tauberbischofsheimlakonisch erklärten: »wir wollen herrn sein«; kein ver-einzeltes Geschehen.

Der Rebell Joss Fritz, charakterlich einwandfrei,wollte sämtliche Abgaben und Zinsen einstellen, diegeistlichen Güter aufteilen, überhaupt jede Herrschaftbeseitigen. So heißt es in den Satzungen dieses Bund-schuhs: »Wir wollen alle Joche und Leibeigenschaf-ten zerbrechen und mit Waffen uns freien, weil wirwie die Schweizer frei sein wollen. Niemals mehrwollen wir Obrigkeit über uns dulden und niemandZins, Zehnt, Steuer, Zoll und noch andere Beden (Ab-gaben) bezahlen, sondern uns aller dieser Beschwer-nisse auf ewig entledigen. Wir wollen die Fürsten undEdelleute mit Gewalt brechen und vertreiben oder tot-schlagen samt allen Pfaffen und Mönchen; ihre Güterwollen wir teilen.« Als nicht weniger radikal erwiessich die Tiroler Landesordnung des einstigen bischöf-lichen Sekretärs Michael Gaismair, die den Landes-fürsten gar nicht mehr erwähnte und »ain ganze Glai-chait im Land« verlangte. Gaismair starb 1532 in

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Padua durch gedungene Mörder mit Einverständnisder Innsbrucker Regierung.5

Doch überraschenderweise war die Mehrzahl derBauern und Bauernhaufen ursprünglich friedlich ge-stimmt, versöhnungsbereit.

Zu Beginn großen Auseinandersetzung 1525 spre-chen kaum die Waffen, Ausnahmesituationen beiseite.Die aus lokal oft verschiedenen Anlässen entspringen-den Unruhen hatten meist einen gewaltlosen, nochkeinen kriegerischen Charakter, dienten der Demon-stration der Not, bezweckten die Aufhebung erdrük-kender Lasten, erstrebten jedoch in der Regel keineEmpörung, keinen Umsturz mit Waffengewalt. Dasbringen diverse Bauerngruppen auch zum Ausdruck,der Baltringer Haufen (der dann aber, erbittert überdie hinhaltenden, die Bauern nur prellenden Schein-verhandlungen des Schwäbischen Bundes, mit derNiederbrennung des Herrensitzes Schemmerberg deneigentlichen Bauernkrieg eröffnete), die KemptenerBauern, der Schwarzwälder Artikelbrief, die AllgäuerArtikel. Man suchte den Konflikt noch auf dem Ver-handlungs-, dem Rechtsweg zu bewältigen, schloßviele Verträge, u.a. mit dem Erzstift Mainz, Abkom-men, die nicht immer ernst gemeint waren, zumal derAdel auch auf Zeitgewinnung spekulierte und anderer-seits die Bauern nicht auf jedes Angebot eingingen.Doch brachten sie ihre rechtlichen, sozialen, kirchli-

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chen Wünsche »auf einen im ganzen maßvollen unddiskutablen Nenner. Es ging ihnen wesentlich darum,in rechtlich gesicherter politischer Freiheit unter lan-desherrlicher Obergewalt zu leben« (Handbuch derEuropäischen Geschichte).

Zunächst sah es im übrigen auch nicht so übel fürsie aus. Sie waren zwar deutlich weniger gut geführt,nicht kriegserfahren, strategisch schwach, die einzel-nen Haufen aber militärisch oft ordentlich organisiert,zumindest teilweise zufriedenstellend gerüstet, undzweifellos in der Überzahl. Auch standen ländlicheArbeiter, Bergknappen, Handwerker, Teile der städti-schen Unterschichten zu ihnen. Erwiesen sich ja sogarmehrere Fürsten als einsichtig, verhandlungsbereitund zögerten lange, ihre Vereinbarungen zu brechen.6

Auch Luther, der das Elend vieler Bauern, ihreÜberlastung, den Steuerdruck, die Beamtenwillkür,nicht nur kannte, sondern das Berechtigte ihres Pro-tests auch anzuerkennen schien, greift zunächst in sei-ner Schrift »Ermahnung zum Frieden auf die ZwölfArtikel der Bauernschaft in Schwaben« alle Ausbeu-ter, die so »schätzen und schinden«, »die leute sovntreglich beschweren« massiv an. »Erstlich mügenwyr niemand auff erden dancken solchs vnradts undauffruhrs / denn euch Fürsten vnd Herrn / sonderlicheuch blinden Bisschoffen vnd tollen Pfaffen vnd Mün-chen / die yhr noch heuttigs tages verstockt / nicht

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auffhöret zu toben vnd wüten wider das heylige Euan-gelion.«

Zwar meinen sie, schreibt Luther, noch fest im Sat-tel zu sitzen, doch könne und wolle er ihre Wütereinicht dulden, müssen sie anders werden, müssen siedem Wort Gottes entweder freundlich oder gewaltsamweichen, entweder durch diese oder andere Bauern.»Und ob yhr sie alle schlügt / so sind sie noch vnge-schlagen / Gott wird andere erwecken.« Und über-haupt: »Es sind nicht die bawren / lieben herrn / diesich widder euch setzen / Gott ists selber / der setztsich widder euch / heymzusuchen ewer wueterey.«

Luther findet auch »etliche« der Zwölf Artikel derBauern »billich vnd recht«. Und die anderen Artikel,gesteht er, »sind ja auch billich vnd recht«. Daß frei-lich die Bauern, seine »lieben herren vnd brüder«,seine »lieben freunde«, zwar den großen Zehnt weiterentrichten wollen, nicht aber den kleinen, heißt er»eytel raub vnd öffentliche Strauch dieberey«. Erstrecht verwirft er den Kampf der Geknechteten widerdie Leibeigenschaft, die aber gerade an der Spitzealler bäuerlichen Gravamina stand – betrafen dochvon 54 ausgewerteten Beschwerdeschriften mit zu-sammen 550 Einzelpunkten 90 Prozent die Leibei-genschaft (83 Prozent die Grundherrschaft, 67 Pro-zent die Gerichtsherrschaft), wobei die Bauern ebenmeinten, Christus habe alle Menschen befreit. Das

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freilich will der Reformator schon gar nicht hören,heiße es ja »Christliche freyheyt gantz fleyschlich ma-chen.« Und auch eine schlechte Obrigkeit, lehrt Lu-ther, sei kein Freibrief für »rotterey noch auffruhr«.Vielmehr sei es Sache der Obrigkeit, wie es nichteben logisch, wie es theologisch heißt, »die bosheytzu straffen«, müsse jede Seele ihr »vnterthan seyn /mit furcht und ehren«. Jeder Christ habe nicht zurechten und zu fechten, »sondern vnrecht zu leydenvnd das vbel zu dulden«. Ja, er schimpft die Bauerndreist viel größere Räuber als ihre Gebieter. Denn»Die oberkeyt nympt euch vnbillich ewer gut / das isteyn stuck. Widderumb nemet yhr der selben yhre ge-wallt / darynne alle yhr gut / leyb vnd leben stehet /drumb seyt yhr viel grösser reuber denn sie / vndhabts erger für / denn sie gethan haben.«7

Bekam Luther Angst? Drohte sein evangelisch-re-formatorischer Protest in andere, rein weltliche, reinmachtpolitische Bahnen zu entgleiten? Drohte die re-ligiöse in eine soziale Empörung, die Reformation inRevolution umzuschlagen? Und war er, Luther, viel-leicht selbst in den Aufruhr verstrickt? Ursächlichverstrickt? Zugespitzt formuliert Winfried Schulze inseiner Deutschen Geschichte im 16. Jahrhundert,»daß ohne die reformatorische Verkündigung desEvangeliums kein Bauernkrieg möglich gewesenwäre«.

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Das mag sein oder nicht – die Reformation, seitlangem von England bis Böhmen, von John Wyclifund Jan Hus vorbereitet, die Reformation, eine Sachedes Glaubens, der religiösen Bedürfnisse, der antirö-mischen Opposition, der Verwerfung scholastischerTheologie und päpstlicher Kirchentyrannei, ein vonvielen Gelehrten, von Humanisten, von Melanchthon,von Hütten gefördertes epochales europäisches Ereig-nis, die Reformation war mit der Bauernbewegungund deren Berufung auf Bibel und »Göttliches Recht«unverkennbar verbunden. Luthers fundamentaler An-griff auf das Papsttum, die mitreißende Wucht seinerKritik mußte auch eine Attacke auf andere Autoritätennahelegen, auslösen. Sein ungestümer, berserkerhafterElan hatte Signalwirkung, hatte gewaltige Erwartun-gen geweckt, nicht nur der Beseitigung von Seelen-qualen, sondern auch materieller Bürden, eine Verän-derung der Gesellschaft überhaupt. Der Wittenbergerhatte »die ganze Summa eines christlichen Lebens« indem Begriff Freiheit zusammengefaßt, und dieser Be-griff erschien in den Flugschriften der Bauernkriegs-zeit wieder – nur hatte ihn Luther »geistlich« und dieBauern auch »fleischlich« verstanden wissen wollen.

Schon als der überall den Klerushaß schürende,den Waffengebrauch fordernde Ulrich von Hütten undFranz von Sickingen 1522 den »Pfaffenkrieg« gegenden Trierer Erzbischof Richard von Greiffenklau führ-

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ten, verloren und beide bald darauf starben, hatte Lu-ther die Gewaltanwendung verworfen. Sah er doch»Aufruhr« darin und keine »ordentliche Gewalt«.Aufruhr aber, schrieb er in seinem 1522 gedrucktenText »Eine treue Vermahnung zu allen Christen, sichzu hüten vor Aufruhr und Empörung«, Aufruhr seiohne Vernunft und treffe mehr Unschuldige als Schul-dige. »Darumb ist auch kein Aufruhr recht, wie rechteSach er immer haben mag.« Doch der Herr omnes,also der sogenannte gemeine, der kleine Mann, kapie-re das nicht, »schläget in den Haufen, wie es trifft,und (das) kann nit ohn groß, greulich Unrecht zuge-hen«.

Schlägt somit der »kleine Mann« drauf, ist's stetsUnrecht, wie recht er hat. Schlägt der »große«, dieObrigkeit zu, ist's stets Recht, wie unrecht auchimmer: die christliche »Gesellschaftslehre« von Pau-lus bis Luther, bis heute. Die »Großen«, mögen sieKonstantin, Chlodwig, Karl, Hitler, Stalin oder sonst-wie heißen, dürfen morden und morden lassen, dürfenmonströse Blutbäder anrichten, Weltkriege führen,ganze Völker vernichten, sie wurden und werdendabei, gemäß Paulus, Luther und ihresgleichen, vonallen christlichen Kirchen unterstützt. Und vielleichtstimmt es nachdenklich, daß einer der ersten bekann-ten Militärs der Bundeswehr, der General Ulrich deMaizière gestand, »daß es lutherische Schriften

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waren, die mich 1951, nur knapp sechs Jahre nachdem Ende des Zweiten Weltkrieges, haben wagen las-sen, dem Ruf der Bundesrepublik zur Mitarbeit in denStreitkräften zu folgen«.8

Anfang Mai 1525 schleudert Luther seine blutrün-stige Schrift »Wider die räuberischen und mörderi-schen Rotten der Bauern« heraus, worin er diese, die,unter Berufung auf die Genesis, frei und gleich seinmöchten, brüsk abfertigt und ihren Schlächtern preis-gibt. Denn: im Neuen Testament »gillt Moses nicht /Sondern da steht vnser meyster Christus«. Lehrt aberselbst meyster Christus etwas gegen meyster Luther,dann gilt meyster Christus nicht, sondern meyster Lu-ther. Falls etwa die Obrigkeit unversehens über dieBauern herfällt und sie »ohne vorhergehendes Erbie-ten zu Recht und Billigkeit«, das heißt ohne jedesVerhandeln schlägt und straft, dann will der doch garnicht so ungern Blut riechende Reformator durchaus»nicht weren«, obgleich er natürlich sehr gut weiß,daß dies »das Euangelion nicht leydet«.

Freilich, die Bauern begehen »grewliche sundenwidder Gott vn menschen«, sind »eyn ewiger helle-brand«, ja, er vermutet gar keine Teufel mehr in derHölle, da sie allemal in die Bauern fuhren. Denn dieBauern sind »des teuffels«, treiben »eyttel teuffelswerck«, ehren, dienen »dem teuffel / vnter dem scheyndes Euangelij«, sind »die öffentlichen strassen reuber

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vn morder«, »thun wie die rasenden hunde«, weshalbman sie auch wie »eynen tollen hund todschlakemus«, sie »wurgen vnd stechen« soll, »heymlichodder öffentlich / wer da kan« – also nicht nur dieObrigkeit soll totschlagen, soll abstechen, nicht nurder Soldat, der Verbrecher, nein: jeder, der's vermag.Man sieht, was in diesem christlichen, diesem gottes-fürchtigen Gehirn vorgeht. Das meiste und vor allemdas Schlimmste, was er den »Teufeln«, den Bauern,zu recht oder nicht, an den Kopf schmeißt, daswünscht, das treibt, befiehlt er mutatis mutandisselbst.

Ja, die Bauern sind »trewlose / meyneydige / vnge-horsame / auffrurissche / morder / reuber / gotts-lesterer«, Leute, die »den todt verdienet haben / anleybe vnd seele manichfeltiglich«, »vielfalltig ... dentod verdienet«, »wohl zehen mal den tod ... an leibvnd seele«, ein Pack, das sogar die heidnische Obrig-keit strafen darf, ja muß, denn dafür trage sie dasSchwert, wie erst recht natürlich einem Christenfür-sten, einem Amtmann Gottes und Diener seinesZorns, »das schwerd vber solche buben befohlen ist«.

Denn die Bauern haben »böse gewissen vnd vn-rechte sachen ... Aber die oberkeyt hat eyn gut gewis-sen und rechte sachen«! Und stirbt der Fürst gegen»die vbelthetter«, so stirbt er unter göttlichem Befehl,richtig: unter seinem. Also setzt Luther dem Fürsten,

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seinem Schutzherrn, Verteidiger, mit dem seineSache, die Reformation, steht und fällt, in den Kopf,was in seinem eigenen Kopf steckt, seine »rechtesache«. »Drumb will ich straffen / vnd schlahen solange ich eyne ader regen kan«. Und schärft ausdrük-klich ein, es gelte hier nicht »gedult odder barmhertzi-ckeyt. Es ist des schwerds vnd zorns zeyt hie / vndnicht der gnaden zeyt.« Und prägt den denkwürdigenSatz, der sich wohl wieder seltsam im Mund seinesHerrn Jesus Christus ausnähme: »Solch wunderlicheZeiten sind jetzt, daß ein Fürst den Himmel mit Blut-vergießen verdienen kann, besser als andere mitBeten.«

So kann Luther zum Schluß eines seiner widerlich-sten Erzeugnisse – unter vielen widerlichen – nocheinmal jeden (!) aufhetzen, die elenden Bauern zumassakrieren: »Darum, liebe Herren, erlöset hier, ret-tet hier, helft hier. Erbarmt euch der armen Leute: ste-che, schlage, würge hier, wer da kann. Bleibst du drü-ber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmer-mehr finden. Denn du stirbst im Gehorsam göttlichenWorts und Befehls ...«9

Goethe sprach einmal von jenen Christen, die imSchafspelz daherkommen, inwendig aber reißendeWölfe sind. Luther kommt schon als reißender Wolf!Die Heuchelei entfällt trotzdem nicht: sie steckt inDetails, in tausend Details.

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Natürlich bekennt sich ein Mann wie er auch dannnoch zu seiner Schrift, wenn man, wie er hört »mitden armen Leuten so greulich verfährt«. Er findet esrichtig, notwendig, »und Gott wills auch haben ... wonicht, so täte der Satan viel Ärgeres, ein Unglück istbesser als das andere«. Immer wieder äußert er sich soin Briefen des Jahres 1525, ironisch, zynisch, selbst-herrlich. Ja, mit den Bauern »gilts hier nicht viel Er-barmens; lasse nur die Geschütze unter sie sausen, siemachens sonst tausendmal ärger«. Und auch jetzt wie-der: »hohe Zeit ist es, daß sie erwürgt werden wie dietollen Hunde!« »Ich bin der Meinung: es ist besser,daß alle Bauern erschlagen werden als die Fürstenund Obrigkeiten, und zwar deshalb, weil die Bauernohne Gewalt von Gott das Schwert nehmen.« Und alldie Klüglinge, die ihn nicht verstehen wollen, diemögen unverständig bleiben, »und wers nicht wissenwill, der mag unwissend bleiben. Es ist genug, daßmein Gewissen Christus gefällt«.10

Und wie er weiß, daß sein Gewissen Christus ge-fällt, so weiß er in seinem »Sendbrief von dem hartenBüchlein wider die Bauern«, daß auch seine Schrift»Gott gefeilt«. Ein Aufrührer aber ist für den Refor-mator keiner vernünftigen Antwort wert. »Mit derfaust mus man solchen meulern antworten / das derschweys zurnasen ausgehe.« Ist »des schwerds zornvnd ernst ia so not ym volck / als essens vnd trinckens

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/ ia als des lebens selbst«. Deshalb, was die »hallstar-rigen / verstockten / verblendten bauren« betrifft, soschreibe er, wie er dazumal schrieb, auch jetzt, »er-barme sich nur niemand / sondern / hawe / steche /würge / schlahe dreyn / alls vnter die tollen hunde /wer da kan / vnd wie er kan« und, so an andrer Stelle,»wer am ersten kan / vnd soll nicht sorgen / das ereynen mord begehe / sondern er weret eym ertzmorder/ der das gantze land morden will.« Ja, steche undmorde er nicht, sondern läßt nur den Herrn stechen,»ist er auch eyn ertzmorder«. Im übrigen, schließt ermit der hypertroph irren Selbstsicherheit, die er zurSchau trägt, vermutlich wirklich hat, »sol recht bley-ben / was ich lere vnd schreibe / sollt auch alle weitdrüber bersten ...«11

Die chronikalischen Berichte über den Bauernkriegstammen (fast) ausnahmslos von der Seite der Herrenund sind entsprechend gefärbt. Gewiß brannten dieBauern von den Alpen über Franken, wo sie, von denBischöfen besonders schikaniert, am wildestenkämpften und hausten, bis nach Thüringen und zumHarz viele Hunderte von Burgen, Schlössern, Klö-stern nieder oder vernichteten sie sonstwie, allein imBistum Bamberg nahezu 150, plünderten sie natürlichauch, das Kloster des Abts Hieronymus Herzog vonElchingen gleich dreimal, verwüsteten die Häuser vonKlerikern, beraubten auch Wallfahrtsorte, wie das

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fränkische Vierzehnheiligen. Sie zerstörten Kunstwer-ke in den Kirchen, zerfetzten Urkunden, zerrissen Bü-cher, die sie ohnedies nicht lesen konnten, sie brülltenin die zerschlagenen Orgelpfeifen, betranken sichsinnlos am Wein in den Klosterkellern, aber sie be-gingen kaum eigentliche Bluttaten, töteten nur Leute,die sich gegen sie während des Kampfes besondersgrausam benommen oder sie verraten hatten.12

In den wenigen größeren Schlachten im Mai undJuni 1525 unterlagen sie hoffnungslos, gelegentlichfast ohne Gegenwehr, ihr Ruin war total, kaum einerihrer Führer entkam.

Noch am 3. Mai hatte Luther dem Herzog Johannauf die Frage, ob er in die Zwölf Artikel einwilligensolle, dringend abgeraten. »Ich aber widerriet's ganzund gar, er sollte auch nicht in einen willigen.« Ein,zwei Tage darauf drängt Luther den MansfeldischenRat Rühel, den Grafen keinesfalls von seinem Vorge-hen gegen die Bauern, nichts anderes als »Räuber undMörder«, abzuhalten, sei es doch ein gutes, von Gottverordnetes Recht, das Schwert gegen die »Bösen« zubrauchen, »solange eine Ader sich reget im Leibe«.Am 9. Mai verlautet sein haßerfüllter Schrei wider dieräuberischen und mörderischen Rotten der Bauern,worin er fallende Fürstensöldner als echte Märtyrererklärt, die Bauern aber zu massakrieren heißt, da»nicht giftigers, schädlichers, teuflischers sein kann,

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denn ein aufruhrischer Mensch, gleich als wenn maneinen tollen Hund totschlagen muß, schlägst du nicht,so schlägt er dich und ein ganz Land mit dir ...«13

Am 14. Mai wird das Heer der thüringischen Bau-ern unter Thomas Müntzer bei Frankenhausen durchTruppen der Fürsten von Hessen, Sachsen und Braun-schweig mit wenigen Geschützsalven völlig vernich-tet. »Komm Heiliger Geist, Herre Gott«, sangen dieBauern, 5000 von ihnen starben elend, angeblich nursechs Gegner, und Luther diffamiert noch den totenMüntzer, für Heinrich Heine einer der »heldenmütig-sten und unglücklichsten Söhne des deutschen Vater-landes«, als »den Teufel leibhaftig« und wünscht ein-mal mehr, »wie hoche Zeit ist's, daß sie erwürget wer-den wie die tollen Hunde«.

Am 19. Mai werden die Bauern bei Zabern unterHerzog Anton von Lothringen durch großenteils spa-nische Söldner niedergemetzelt – trotz zugesagterSchonung, 18000 Menschen, die sich freiwillig ent-waffnet haben sollen, darunter Frauen und Kinder.

Am 2. Juni attackiert bei Königshofen in FrankenKavallerie des Truchseß von Waldburg einen größe-ren Aufrührerhaufen, 4000 Bauernleichen liegen amAbend auf dem Schlachtfeld. Nur wenige Tage späterverlieren bei Sulzdorf (südlich Würzburg) 5000 Bau-ern das Leben.14

Die Zahl der insgesamt im Krieg Getöteten schätztKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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man zwischen 70000 und weit über 100000. Undnach Beendigung der Kämpfe zogen die Herren oderihre Büttel durchs Land, brandschatzten, verhängtenhohe Strafgelder und ließen die Köpfe rollen.

In Eisenach wurden schon im Frühsommer 24 Rä-delsführer hingerichtet, etwas später, am 22. Juni, aufdem Markt in Jena 20 Todesurteile vollstreckt. Land-graf Philipp von Hessen meldet die Hinrichtung »100böser männer«. Der Bamberger Bischof Weigand vonRedwitz hatte 13 Rebellen auf dem Markt enthaupten,den Vorort Hallstadt als Sitz der Empörung nieder-brennen lassen und zog dann in seinem Bistumumher, Geld- und weitere Todesstrafen diktierend.Nicht anders der Würzburger Oberhirte, der monate-lang seine Diözese durchreiste, Gelder und Köpfenehmend. Und 220000 Gulden Entschädigung, zahl-bar in zwei Jahren. Denn selbstverständlich hat manalle »Opfer« des Konflikts jetzt reichlich getröstet; somancher bekam für »alte zerrissene Rattennester«bald »hübsche neue Schlösser und Paläst«. In Würz-burg aber werden »auf ayn tag 66 man mit demSchwert gericht«.

Markgraf Kasimix von Ansbach ließ in Rothen-burg ob der Tauber dem protestantischen Prediger Dr.Johann Teuschlein, dem blinden Mönch Hans Schmidund 15 Bauernführern auf dem Marktplatz den Kopfabschlagen, in Kitzingen 60 Bürgern die Augen aus-

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stechen, »sind umgangen wie die unvernünftigen Tier,sind viel von ihnen gestorben«. In Langensalza fallen41 Köpfe. Nach der Niederlage von Pfedersheim beiWorms läßt der Pfalzgraf an 80 Aufständischen dasTodesurteil vollstrecken. Bei Überlingen werden 40,bei Schlettstadt 300 geköpft. Nach der Schlacht beiBöblingen zog der Profoß Berthold Aichelin, derLieblingshenker des Truchseß, mit seinen Spießgesel-len durchs Land und soll dabei »an die 1000 Empörerenthauptet oder gehängt haben«. In Stuttgart undCannstatt wurden auch mehrere Pfarrer an den Galgengebracht, andere enthauptet sowie einigen Frauen dieZunge ausgeschnitten. Allein im Gebiet des Schwäbi-schen Bundes hat man Ende 1526 die Menge der Hin-gerichteten auf 10000 veranschlagt.15

Das Scheitern des Bauernkrieges war eines der fol-genreichsten Verhängnisse der deutschen Geschichte,keineswegs nur für die Bauern, die daraufhin jahrhun-dertelang weiter unterdrückt, geringgeschätzt, verach-tet worden sind, sondern für die Deutschen, Deutsch-land überhaupt. Karl Marx hat deshalb den Bauern-krieg die »radikalste Tatsache der deutschen Ge-schichte«, Friedrich Engels den »großartigsten Revo-lutionsversuch des deutschen Volkes« genannt. Dastreffendste Wort hinsichtlich des Konflikts und Mar-tin Luther im besonderen aber stammt wohl von die-sem selbst, das Wort nämlich, mit dem er 1533 »Pre-

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diger die größten Totschläger« nennt und hinzusetzt:»Ich habe im Aufruhr alle Bauern erschlagen. Dennich hab sie heißen totschlagen. All ihr Blut ist aufmeinem Hals.« Daß er die Schuld dann nach alterPfaffenart noch seinem »Hergott« zuweist, der ihm»solches zu reden befohlen«, können wir, mag Lutheres geglaubt haben oder nicht, auf sich beruhen las-sen.16

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Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

Luthers Weg führt von der Toleranz des Reformatorszur Intoleranz des Kirchenmannes, des Begründersder lutherischen Landeskirche. Dabei entfaltet sichseine Haltung zunächst in der Auseinandersetzung mitder Papstkirche, schien es anfangs, als träte er selbstgegenüber deren mörderischer Rabiatheit für Duld-samkeit ein. Dann identifiziert er zeitweise sein An-liegen fast mit den früheren Häretikern. Nicht sie, dieman richte, seien »Ketzer«, sondern die Papisten, die»heute verbrennen«. Überhaupt geißelt er den Miß-brauch des weltlichen Schwertes durch den Papst, derihn »nicht zu einem liebreichen Vater, sondern gewis-sermaßen zu einem furchtbaren Tyrannen« mache,»indem wir allenthalben nichts als Gewalt von ihm zusehen bekommen«.

Frei von jedem Zwang sollte das Evangelium ver-kündet werden, jeder nur seinem Gewissen folgen.Luther ist für unbeschränkte Lehr- und Kultusfreiheit.Leidenschaftlich wie kein anderer Reformator forderter Toleranz gegenüber Katholiken wie neuen Häresi-en. Das »Ketzer«-Verbrennen verurteilt er 1518 und1520; »Ketzer« solle man »mit Schriften, nicht mitFeuer überwinden«. Auch im folgenden Jahr predigter: »Zu dem Glauben soll man niemand zwingen, son-

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7.709 Deschner Bd. 8, 399Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

dern Jdermann furhalten das Evangelium und vormah-nen zum Glauben, doch den freien Willen lassen zufolgen oder nit zu folgen.« 1525 mahnt er: »Die Ob-rigkeit soll nicht wehren, was jedermann lehren undglauben will, es sei Evangelium oder Lüge.« Undnoch im Juli 1528 beantwortet er die Frage seinesalten Freundes Wenzeslaus Link, ob die Obrigkeitfalsche Propheten töten solle: »Ich kann nicht zuge-stehen, daß falsche Lehrer zum Tode verurteilt wer-den.«

Insbesondere verwirft Luther die Hinrichtung,selbstverständlich auch die Inquisition – die aller-dings bald, sogar unter diesem Namen, gegen Geistli-che wie Laien wieder eingeführt wird und häufig Ab-setzung und Exil nach sich zieht. Wie der Reformatorauch die Strafe des Kirchenbanns übernimmt und bei-spielsweise den Stadthauptmann von Wittenberg,Hans Metzsch, wegen Unsittlichkeit exkommuniziert.Doch bis zum Ende der zwanziger Jahre erklärt er dieAuseinandersetzung mit der Häresie für eine Sachenicht der weltlichen Gerichtsbarkeit, sondern der Ge-meinde. Diese könne »straffen, bessern, ausstossenodder ynn den Bann thun«. Dann aber sieht er in der»Ketzerei« ein »crimen publicum« und verlangt fürsie die Todesstrafe.17 Gewiß, einst schien Lutherringsum tolerant, friedlich gestimmt, hatte er beteuert:»Es ist wider den Heiligen Geist, Ketzer zu verbren-

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7.710 Deschner Bd. 8, 400Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

nen« und »Gegen die Türken Krieg führen, heißt Gottwiderstehen, der unsere Ungerechtigkeiten durch sieheimsucht.« Doch beide Sätze, von der römischenBannandrohungsbulle begreiflicherweise verdammt,gab auch Luther preis. Denn als er erkannte, Häretikernicht überzeugen zu können, rief er gegen sie dieweltliche Obrigkeit an, wurde der »Ketzer« »Ketzer«-Jäger, wenn er auch gern, je nach Bedarf, Zurückhal-tung gewahrt sehen wollte und sich nicht selten inWidersprüche verwickelte. Müntzer hatte schon recht,wenn er von ihm sagte, er trage eine »beschissenDemut« vor sich her, aber »er hetze und treibe wie einHöllenhund«. Denn wie die Papstkirche brauchteauch der Reformator den Staat, brauchte er den Kriegund die »Ketzer«bekämpfung. »Er hat die Bauern, dieTürken und die Juden im wörtlichen Sinne, eindeutigbelegbar, verteufelt und dazu aufgerufen, sie als Teu-fel – und keineswegs nur als weltliche Feinde – zu be-handeln« (Müller-Streisand).

Für Luther war sein »Evangelium« das »rechteEvangelium« und alles, was dem entgegenstand,»Ketzerei«. Es widerstrebte einfach seiner Geistesart,Überzeugungen anderer als gleichberechtigt zu ach-ten. Mächtig gefördert wurde diese Haltung durch sei-nen Glauben an die Wahrheit, an nur eine Wahrheit,eine einzige Wahrheit, die er auch noch, seine festeÜberzeugung, als einziger erkannt habe! Und natür-

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lich für »alleinseligmachend« hielt.Ohne Frage, vieles ist bei Luther nicht mehr als

verführerische Parole, »Parteiprogramm«, wie beiPaulus, noch mehr bei Augustin, der auch so leiden-schaftlich jeden Zwang bei der christlichen Mission,der Bekehrung Andersgläubiger, ausschloß und dannso beredt dafür warb (I 479 ff!). »Gewaltlos durch dasWort allein«, heißt es in der Confessio Augustana,»sine vi humana sed verbo«.

Luther verbietet zeitweise Gewalt. Er fordert Ge-duld mit Andersdenkenden, Andersgläubigen, er for-dert Lehrfreiheit. Aber er fordert sie von den katholi-schen Gegnern, und er fordert sie nur so lange, bisseine Lehre herrscht, sein alleinseligmachendes Ge-spinst. Dann müssen andere Lehren, da es ja nur eineWahrheit gibt, schweigen.18

Die Statuten der theologischen Fakultät Witten-bergs, von Melanchthon mit Luthers Einverständnisverfaßt, geboten den Lehrern streng, »die reine Lehre«vorzutragen. Verteidigt aber jemand hartnäckig »diefalschen Ansichten«, dann solle er »mit solcher Stren-ge bestraft werden, daß er die schlechten Meinungennicht weiter verbreiten kann«. Der Vorsteher dieserFakultät war von 1535 bis zu seinem Tod ununterbro-chen Martin Luther.

Irrlehrer mußten bestraft werden, weil der Reforma-tor sie nicht geistig »überwinden« konnte. So verlang-

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7.712 Deschner Bd. 8, 401Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

te er seit 1524 das Vorgehen der Obrigkeit gegen Dis-sidenten, wenn sie Aufruhr verursacht oder rebellischeGedanken verbreitet hatten, und hielt Landesverwei-sung als Strafe für angemessen. Karlstadt verdrängteer erst aus Wittenberg, ließ ihn dann, trotz dessen in-zwischen erfolgter Distanzierung von Gewaltanwen-dung, mit seiner Familie 1524 aus Kursachsen aus-weisen und verfolgte ihn, bis er 1541 in Basel an derPest starb. Erst recht war der große Rebell ThomasMüntzer, der das Reich Gottes mit Gewalt auf Erdenverwirklichen wollte, des Teufels für Luther, für »dasgeistlose sanftlebende Fleisch zu Wittenberg«, wieMüntzer höhnte, der dann im Bauernkrieg gefangen,gefoltert und hingerichtet wurde.

Noch 1528 sprach sich Luther gegen die Todesstra-fe aus. Doch seit 1530 unterschieden die Reformato-ren nicht mehr zwischen aufrührerischen und bloßfalsch lehrenden »Ketzern«, so daß die einen wie dieandern die Todesstrafe tra f. »Die zahlreichen Hin-richtungen auch solcher Wiedertäufer, die nachweis-bar keine Aufrührer waren, und die gerade auf Grundjener normativen Erklärungen der Wittenberger Theo-logen getötet wurden, reden eine zu deutliche Sprachegegenüber allen derartigen Versuchen, noch immerdie klare Tatsache ableugnen zu wollen, daß Lutherselbst die Todesstrafe gegen bloße Ketzer gutgehei-ßen hat« (Wappler).

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7.713 Deschner Bd. 8, 402Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

Im Februar 1530 erklärt sich Luther in einem Briefan Justus Menius und Friedrich Mykonius für die To-desstrafe. Als er im selben Jahr die (irrtümliche)Nachricht erhält, der Antitrinitarier Johannes Campa-nus sei zu Lüttich als »Ketzer« hingerichtet worden,schreibt er: »Mit Freuden habe ich dies vernommen(laetus audivi).« Etwa seinerzeit riet er auch, die»Winkelprediger« der Täufer »dem rechten meister,der Meister Hans (= Henker) heißt«, zu übergeben.Keinesfalls eine nicht ganz ernst zu nehmende Hyper-bel – erst am 18. Januar 1530 hatte »Meister Hans«in Reinhardsbrunn bei Gotha sechs Täufer getötet.Und 1531 setzte Luther seinen Namen unter ein vonMelanchthon verfaßtes Gutachten der theologischenFakultät Wittenberg, das für Täufer die Todesstrafeverlangte, wenn sie aufrührerische Gedanken vertra-ten, Verwerfung des Eigentums, des Eides, des Zinsesu.a. oder das öffentliche Predigtamt ablehnten.19

Mit Luthers Anfängen als Reformator, mit seinemKampf gegen den Papismus wußten sich die soge-nannten »Schwärmer«, die aus mittelalterlichen »Ket-zer«-Traditionen hervorgegangenen Täufer (von ihrenGegnern pejorativ Wiedertäufer, Anabaptisten ge-nannt) eng verbunden. Luther und Zwingli, diese bei-den, so steht in der hutterischen Chronik, einer Täu-ferschrift, »haben alle Tück und Büberei der päpstli-chen heiligkeit eröffnet und an den Tag hervorge-

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7.714 Deschner Bd. 8, 402Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

bracht gleich als wenn sies mit Donnerschlägen alleszu Boden wollten schlagen«. Doch sie hatten, heißtes, nichts Besseres gebracht. Vielmehr sei es, »als obeiner einen alten Kessel flickt (aber) das Loch nurärger wird«. Stets von neuem hört man denn von denTäufern, daß eine Lehre, die den christlichen Lebens-wandel nicht gebessert, wohl falsch sei, daß »wenigguts ... von der lutherischen Pfaffen Predigen komme[sondern] alle Ärgernis, Freiheit, Büberei, und seiböser und ärger dann underm Papsttum«.

Das Täufertum, das eine Fülle religiöser Gruppie-rungen ohne einheitliche Theologie umfaßte, wolltewieder ans Urchristentum anknüpfen. Es erhofftegrundlegende gesellschaftliche Veränderungen, ver-warf die Kindertaufe, praktizierte die Taufe von Er-wachsenen und war häufig mit Endzeiterwartungenverbunden, die übrigens auch Luther durchaus teilte,der zeitweise den Weltuntergang auf das Jahr 1534ansetzte, dann ihn 1540 ersehnte (»komm, lieberjüngster Tag«, schließt er seinerzeit ein Schreiben andie Gattin). Freilich wußte er auch: »Einige Jahrekanns noch dauern«, »fünf oder sechs Jahre«. Dochbis 1548 bestehe die Welt nicht mehr, »denn Ezechielist dawider«. Der große Reformator wußte sogar, derWeltuntergang werde um Ostern stattfinden – »mor-gens in der Frühe, nachdem es eine Stunde oder etwaslänger gedonnert haben wird ...«

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7.715 Deschner Bd. 8, 403Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

Das Täufertum entstand im Gefolge der Reformati-on (von ihr wie von den Katholiken bald scharf be-kämpft) 1525 in der Schweiz, in Zürich, wo man be-reits am 5. Januar 1527 Felix Manz, den ersten Mär-tyrer der Täufer, in der Limmat ertränkte. Es entwik-kelte sich 1526 in Thüringen und Franken, 1530 inden Niederlanden und verbreitete sich, nicht zuletztinfolge seiner fortgesetzten Verfolgung, von Öster-reich bis in den Ostseeraum.

Die langlebigste Täufersekte ließ sich auf derGrundlage unbedingter Wehrlosigkeit und Güterge-meinschaft unter Jakob Hutter aus Tirol (1536 inInnsbruck auf dem Scheiterhaufen verbrannt) in Mäh-ren nieder, beschützt mancherorts vom Adel, der sieals äußerst friedliche und fleißige Arbeitskräfteschätzte, und besteht heute noch in Nordamerika inrund 350 Kolonien.

Die wohl spektakulärste, doch nur kurzlebigeKommune wurde das Täuferreich in Münster1534/1535, angeführt von dem Prediger Bernd Roth-mann, von Jan Matthys, zuvor Leiter der Amsterda-mer Täufergemeinde, dann im Kampf um Münster ge-fallen, geführt weiter von seinem Nachfolger, demSchneider Jan van Leiden (Bockelson) und dem scharfantiklerialen Tuchhändler Bernd Knipperdollinck.Das »neue Jerusalem« war durchaus kein Gossenre-gime, sondern vielleicht gar durch »die reichen Bür-

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7.716 Deschner Bd. 8, 403Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

ger« dominiert (Kirchhoff). Jedenfalls verbrannte manalle Bücher bis auf die Bibel, praktizierte die Erwach-senentaufe, die Vielehe und eine Art Planwirtschaft,keine gänzliche Gütergemeinschaft. Bei interner Op-position ließ man rasch die Köpfe rollen, während derBischof Graf von Waldeck die eingeschlossene Stadtberannt, ausgewiesene Prediger liquidiert hat, bisLandsknechte des Reichs Münster durch Verrat ein-nahmen. »Außer den Frauen gab es nur wenige Ge-fangene« (Kirchner). Die Anführer wurden nach mo-natelangen Verhören und Folterungen am 22. Januar1536 mit ausgesuchter Grausamkeit durch glühendeZangen hingerichtet und in eisernen Käfigen am Lam-berti-Kirchturm zur Schau gestellt. Auch weit darüberhinaus starben »die meisten« Täuferführer »den Mär-tyrertod« (Rabe).20

Für Luther war das Münsteraner Täuferreich einmehr peripheres Ereignis, mit dem er sich wenig, ei-gentlich nur beiläufig beschäftigt hat. Doch da erüberall den Teufel sah, wo man nicht dachte undglaubte wie er (und selbst dort!), sah er auch in Mün-ster, »das der Teuffel dasselbs leibhafftig haus helt,und gewislich ein Teuffel auff dem andern, wie diekröten, sitzen« und warnte schon bald vor Verirrungin zwinglianische Gedanken und in Aufruhr.

Zunächst zwar will er die Täufer großmütig gedul-det sehen, verkündet er vollmundig: »Man lasse sie

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7.717 Deschner Bd. 8, 404Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

nur getrost und frisch predigen!« Dann aber begehrter für sie die Todesstrafe, nicht nur wegen revolutio-närer Übergriffe – zumal Faktum ist: »Die meistenTäufer lehnten jede Gewalt ab« (Moltmann) –, son-dern auch wegen ihrer »Irrlehre«, wobei er sich aufdie Nachrichten des Alten Testaments über das Tötenfalscher Propheten stützt. Als sein Freund JohannesBugenhagen, Theologieprofessor in Wittenberg,»Ketzer«, die Schwärmer und Sakramentarier, aufMoses verweisend, zu töten verlangte, stimmte Lutherzu: »Ja es stehet der Grund im Text dabei: Besser istes einen Menschen hinwegräumen als Gott.« Und un-terschrieb auch mit seinem Namen ein Gutachten Me-lanchthons – des schärfsten reformatorischen Verfech-ters der Kapitalstrafe für die Täufer –, das im Jahr1531 für ihren hartnäckigen Anhang ebendiese Sühneprätendierte.

Seit 1529, seit dem Speyrer Reichstag, standreichsrechtlich auf »Wiedertaufe« die Todesstrafe.Seit einem Reichstag, auf dem die »Protestanten«,deren Geburtsstunde hier schlug, darauf bestanden, inGlaubensfragen allein ihrem Gewissen zu gehorchen,schlug man Andersgläubigen dies Recht ab – und ihreKöpfe dazu. Ökumenisch schönstens vereint erhobenKatholiken und »Protestanten« jetzt zum Reichsge-setz: »Nachdem auch kürzlich eine neue Sekte derWiedertäufer entstanden ist, die durch allgemeines

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7.718 Deschner Bd. 8, 405Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

Recht verboten ist, ... hat Ihre Majestät ... eine recht-mäßige Konstitution, Satzung und Verordnung erlas-sen ..., daß alle Wiedertäufer und Wiedergetauften,Männer und Frauen, in verständigem Alter vom natür-lichen Leben zum Tod mit dem Feuer, Schwert oderdergleichen nach Gelegenheit der Personen ohne vor-hergehende Inquisition der geistlichen Richter gerich-tet und gebracht werden ...« Als Aufrührer und »Ket-zer« also sollten Täufer getötet werden.

Doch schon 1527 hatte in ganz Süd- und Mittel-deutschland die Verfolgung begonnen, hatte HerzogWilhelm von Bayern befohlen, wer widerruft, werdegeköpft, wer nicht widerruft, verbrannt. Schon 1527hatte man zwölf Männer und eine Frau, die sich ge-genseitig getauft, enthauptet. 1531 massakrierte manzehn Wiedertäufer in Den Haag. Weitere Exekutionengab es u.a. 1530, 1532, 1538. Im nächsten Jahrschrieb das Wittenberger Hofgericht im Hinblick aufTäufer, die man in Eisenach gefangen hielt, wenn sienicht widerrufen und gehorsam sein wollen, »werdensie von wegen solcher Gotteslästerung, und daß siesich anderweit haben taufen lassen, mit dem Schwertvom Leben zum Tod billig hingerichtet«.

Man sperrte Täufer ein, manche bis sie in der Ge-fangenschaft umkamen, wie den bis Livland undStockholm missionierenden Melchior Hoffmann,einen Kürschner aus Schwäbisch-Hall, der nach zehn-

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7.719 Deschner Bd. 8, 405Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

jährigem Kerker 1543 in Straßburg endete. Oder manfolterte sie, wie jenen in Österreich inhaftierten Täu-fer, von dem wir lesen: »dem haben sie beide Schen-kel in ein Stock so hart geklemmt, daß sie ihm ge-fault, also daß die Maus seine Zehen von Füßen ihmvor seinen Augen hinweggetragen haben«. Anderewurden enthauptet oder verbrannt, waren sie doch fürdas öffentliche Leugnen wichtiger Glaubenswahrhei-ten auch nach sächsischem Recht, wie der sächsischeJurist Matthias Coler (gest. 1587) in seinen »Decisio-nes Germaniae« schrieb, mit dem Feuertod zu bestra-fen (de iure saxonico cremandi veniunt); »vor derVerbrennung müßten sie jedoch auf der-Folter überihre Mitschuldigen befragt werden, damit das Landvon diesen schlechten Menschen gesäubert werde«.21

Die »Schwärmer«, ursprünglich Anhänger, dannGegner Luthers, wurden fast überall verfolgt, »gleichwilden Tieren gehetzt« (von Bezold), und von Ort zuOrt, von Land zu Land. »Einige hat man gereckt undgestreckt«, heißt es in einer Chronik mährischer Täu-fer, »so daß die Sonne durch sie hindurchscheinenkonnte, einige sind an der Folter zerrissen und gestor-ben, einige sind zu Asche und Pulver als Ketzer ver-brannt worden, einige an Säulen gebraten worden, ei-nige mit glühenden Zangen gerissen, einige in Häu-sern eingesperrt und alle miteinander verbrannt wor-den, einige an Bäumen aufgehängt, einige mit dem

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Schwert hingerichtet, erwürgt und zerhauen worden.Vielen sind Knebel in den Mund gesteckt und dieZunge gebunden worden, damit sie nicht reden undsich verantworten konnten. So sind sie zu Tode ge-führt worden ... Wie die Lämmer führte man sie ofthaufenweise zur Schlachtbank und ermordete sie nachdes Teufels Art und Natur.«

Bereits zwischen 1527 und 1533 hatte man als»Ketzer« oder Aufrührer an die siebenhundert Täuferbeseitigt, »vielleicht sehr viel mehr« (Rabe), »siewurden in Massen hingerichtet« (Moeller), nach neue-ren Schätzungen zwei- oder dreitausend Männer undFrauen, und viele Tausende wurden eingekerkert odervertrieben. In den Territorien König Ferdinands I., ge-genüber den Protestanten eher vermittelnd, war dieVerfolgung am schärfsten. Schon nach den ersten Jah-ren schätzte man die Zahl der umgebrachten Täufer inExsisheim auf sechshundert, in Tirol und Graz auftausend. Katholiken und Protestanten standen dabeizusammen, Fugger finanzierte. Und gerade in Kur-sachsen hat man die »Teuffel«, im Gegensatz etwa zuHessen, immer wieder liquidiert. Auch Zwingli ließeinige Täufer töten, während Calvin, ihr besondersscharfer Bekämpfer, nie die Todesstrafe gegen sie ge-fordert hat.22

Die Tendenz zur Verschärfung ist für Luther ty-pisch. Und je mehr die Auseinandersetzungen sich zu-

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spitzten, vor allem mit den »Linken« (»zur Linken«,so sagt er selbst), mit den »Propheten« (ob er sie nunhimmlisch schimpft oder neu oder falsch oder wieimmer), mit den Schwärmern, Rottengeistern, Klüg-lingen, kurz den Rigoristen, den Radikalen der Refor-mation, desto mehr anathematisiert er sie, wie die tra-ditionalistischen »Teufel« natürlich von vornhereinund erst recht. »Müntzer, wiedertäufer, papst, kardi-nal(e)« – lauter »Teufelsmäuler«.

Denn der Wittenberger führte ja einen Zweifronten-krieg und schaltete nicht nur im Kampf gegen seinereformatorischen Widersacher, sondern auch gegendie Altgläubigen bei Bedarf, und der Bedarf bestandmeistens, die weltliche Obrigkeit ein, allerdings erstnach einer notorisch freundlichen Annäherung. Daswar sein Prinzip bei allen praktischen religiösenMaßnahmen: Toleranz, Toleranz. Nur keinen Zwang.

Als es beispielsweise 1522 in Altenburg um dieEinsetzung eines evangelischen Predigers, GabrielZwillings, ging, mahnte Luther diesen: »Du sollst ...,wie ich es dir ans Herz gelegt, mit dem Worte alleindie Gewissen befreien und auf reinen Glauben undLiebe dringen ... Ich habe dem Fürsten versprochen,daß du so vorgehen würdest.« Als aber die Chorher-ren von Altenburg Zwillings Anstellung zu verhin-dern suchten, zog Luther, wie üblich, andere Saiten auf. Er gestand ihnen nun keinerlei Recht, Zins, Macht

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etc. zu, kein Siegel, keine Briefe, keinen Brauch,»weil sie öffentlich dem Evangelio entgegen sind«.Seinem Evangelio natürlich, das er damals rühmte:»Das Wort Gottes ist ein Schwert, ist Krieg, ist Zer-störung, ist Ärgernis, ist Verderben, ist Gift und, wieAmos sagt, gleich dem Bär am Wege und der Löwinim Walde.« Er bedeutete den Chorherren: »Sie sollenschweigen oder das reine Evangelium lehren«, stecktesich hinter den Kurfürsten, dem er doch selbst ein mo-derates Taktieren versprochen, forderte ihn auf, »zuwehren falschen Predigern«; er müsse »als ein christ-licher Fürst den Wölfen begegnen« – und so ge-schah's.

Ähnlich verfuhr er gegenüber Johann Heinrich vonSchwarzburg, der bei seiner Einführung des neuenGlaubens auf den Widerstand der Mönche stieß. Alsder skrupulöse Graf ihn konsultierte, beschied er ihnso knapp wie scharf, es sei »nicht Unrecht, ja dashöchste Recht, daß man den Wolf aus dem Schafstalljage ... Es ist keinem Prediger darumb Gut und Zinsegebe, daß er Schaden, sondern Frommen schaffensolle. Schaffet er nicht Frommen, so sind die Güter

schon nimmer sein. Das ist meine kurze Antwort.«So kam die Reformation nach Schwarzburg.

Und nicht anders siegte sie in Eilenburg, indem Lu-ther dem Landesherrn schrieb: »Dem Fürsten liegt es

als christlichem Bruder und auch als Fürst ob, dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Wölfe abzuwehren und für das Heil seines Volkes be-sorgt zu sein.«23

Vorrangig bekämpfte der Reformator das »Meßop-fer«. Nicht Opfer nämlich durfte die Messe mehr sein,sondern »ein Zeichen und Testament«, eine Versiche-rung von Gottes Gnade. Doch sollte man die Ände-rungen vorsichtig einführen, »ohne Versehrung derLiebe«, sollte niemand vor den Kopf stoßen, wie beiliturgischen Neuerungen überhaupt: »Nichts Sonderli-ches anrichten und sich nicht wider den Haufen set-zen.« Nein, nur keine Gewalt, allein mit dem Wort,mit Predigen, mit »pietas« und »charitas«. »Aber nie-mand sol man mit den Haren dauon reissen, sondernman soll es Gott heim geben und sein wort allein wir-ken lassen ...«

Natürlich nicht unbegrenzt. Ist die Halsstarrigkeitzu groß, ist was zu ändern »oder zu brechen, es seiBilder« (von den Wittenbergern bereits abgeschafft)»oder was es sei«, so solle man die »ordentliche Ge-walt« einschalten. Und spielt auch die nicht mit, wieetwa Friedrich der Weise bei der Abschaffung derMesse am Wittenberger Allerheiligenstift 1523/1524(von Luther als »Bethaven« verhöhnt, als »Allerteu-felskirche«, »Stätte des Götzendienstes«), so zählteselbst der Kurfürst nicht, möchte er auch meinen, daßdie von ihm und seinen Vorfahren gestifteten Messen»nit unbillich gehalten würden«.

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7.724 Deschner Bd. 8, 408Der »Ketzer« wird zum »Ketzer«-Jäger

Luther machte die leidige Affäre nun zur Gewis-sensfrage. »Mein Gewissen kann wegen des mir an-vertrauten Amtes nicht länger schweigen.« Und dieGewissen seines Anhangs? »Ich rede itzund mit EuernGewissen: Was geht uns der Kurfürst in solchen Sa-chen an?« Und muß man Gott nicht mehr gehorchenals den Menschen? Und so insistiert er weiter auf Be-seitigung der antievangelischen Greuel, des papisti-schen Unwesens. Da der Fürst aber vorerst keine Re-formen wollte, für einen Aufschub eintrat, in Witten-berg schon »Unwillen genug vor Augen« hatte, auchLuther riet, zunächst einmal selbst zu »thun, was erpredigen und lehren thäte«, tat dieser genau das Ge-genteil. Er mobilisierte durch entsprechende PredigtenStiftsherren, Professoren, Bürgermeister, Räte, Rich-ter etc. samt allem Volk, die Messe als Gottesläste-rung abzuschaffen und des Allerhöchsten Ehre zu ret-ten, »das nit der grewlich zorn Gottes wie ain glyeen-der bachoffen sich über ewer hinlessigkeit erzürneunnd euch mit sampt den Abgoettischen pfaffen auffsgrewlichst straf« – und der Kurfürst fügte sich.24

In Sachsen wurden die Katholiken systematisch un-terdrückt, Verbannung für nicht Abschwörende wardie Regel. Darum hatten sich die Visitatoren bei ihrer»Inquisition« ausdrücklich zu kümmern. Luther re-kurrierte in solchen Zusammenhängen gern aufMoses, für den er sonst nichts übrig hatte. Als man

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aber 1533 Lutheraner aus dem Herzogtum exiliert,donnert er gegen den »herzoglichen Tyrannen«, wäh-rend er nach dessen Tod, zur Zeit des lutherisch ge-sinnten Bruders und Nachfolgers Heinrich, bedauert,daß man nicht sofort fünfhundert Pfarrer, noch alle»giftige Papisten«, weggejagt.

Er wettert wider »die greuliche gotteslästerlicheAbgötterei«, will »die Leute um der zehn Gebote wil-len zur Predigt getrieben« sehen und erreicht auch,daß in Kursachsen Predigtbesuch unter Strafandro-hung amtliche Vorschrift wird. Der christliche Fürsthat »die Wölfe abzuwehren«, »den Wolf aus demSchaf stall« zu jagen und »bei seinem Seelenheile ...

den papistischen Gottesdienst zu verbieten«. David(vgl. I 85 ff.!) habe ihm, dem christlichen Fürstenzum Vorbild »falsche Lehrer, Abgöttische, Ketzermüssen vertreiben oder je also das Maul stopfen«.

Schon 1520 stieß Luther den Schrei aus, warumgreifen wir nicht »diese Kardinäle, diese Päpste unddas ganze Geschwärm der römischen Sodoma, wel-ches die Kirche Gottes ohne Ende zu Grunde richtet,mit allen Waffen an und waschen unsere Hände inihrem Blut?« Der Rhein habe nicht Wasser genug,»die Bullenkrämer, die Cardinäle«, »die Buben allezu ersäufen« – aber bei Ostia das »Wässerlin«, dasreicht! Und noch am Ende seines Lebens tobt er inschäumender Wut, man solle doch den Greuel der

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Verstörung, »ihn selbs, den Papst, Cardinäl und wasseine Abgötterei und päpstlicher Heiligkeit Gesindlinist, nehmen und ihnen, als Gotteslästerern, die Zun-

gen hinten am Hals heraus reißen und an den Gal-gen annageln an der Riegen (Reihe) her, wie sie ihrSiegel an den Bullen in der Riege her hangen ...«

Gegen die Täufer hatte Luther 1536 das Werkleinverfaßt »Daß weltliche Oberkeit den Wiedertäufernmit leiblicher Strafe zu wehre schuldig sei, EtlicherBedenken zu Wittenberg«. Eine eigene Schrift gegendie Hexen schrieb er nie. Und doch haben sie ihn we-sentlich mehr und länger beschäftigt, sein ganzesLeben.25

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7.727 Deschner Bd. 8, 410Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und ...

Luther fordert Todesstrafe für Zauberer undHexen

Noch mehr als mit andren Anschauungen steckt derReformator mit seinen Glauben an die Existenz vonZauberern und Hexen tief im Mittelalter, ja noch infrüh- und vorchristlicher Zeit (vgl. S. 297 ff.). Unddieser krude magische Komplex hängt natürlich un-verkennbar und untrennbar mit einem irren Teufels-wahn zusammen, einer primitiven Idée fixe, die an derSchwelle der Neuzeit kaum einer mehr gefördert hatals Martin Luther.

Wie der spätmittelalterliche Mensch im allgemei-nen wächst auch er in einer Welt auf, die vom Glau-ben an Gott und Teufel erfüllt war, zumindest habenwir keinen anderweitigen Hinweis. Die Eltern sindfromm, doch nicht besonders kirchlich »und teilenallen Aberglauben der Zeit, vor allem einen auch beiLuther stark ausgeprägten Teufelsglauben« (A. vanDülmen). Er hatte, schreibt Jean Delumeau, »immereine außerordentliche Angst vor dem Teufel«, war erdoch »in der Angst vor Teufeln und Hexen erzogenworden«. Wie er denn dann – was für ein verräteri-scher christlicher Zungenschlag – dringend selbstempfiehlt: »Die Kinder soll man die Teufelsgefahrenin frühem Alter fürchten lehren.«26

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7.728 Deschner Bd. 8, 410Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und ...

Der junge Luther muß nicht mehr von Gespenster-angst berührt gewesen sein als andere Kinder auch;sonderbare atmosphärische Vorgänge, zwielichtigeErscheinungen am Himmel und auf Erden, eigenartigeWind- und Wassergeräusche, ein Fluidum des Unge-wissen, Irritierenden, Bedrohlichen, das alles korre-lierte mit Magie, mit Zauberei und Hexerei, die Weltwar von Geistern durchwaltet, keinesfalls von bösennur, doch eine besondere Rolle spielte darin fraglosder Teufel.

Nun ist Luther bald gelehrt und aufgeklärt undglaubt nicht mehr an jeden Spuk. Früher, meint er,habe man die Welt voller Rumpel- und Poltergeistergewähnt, die man für die Seelen Verstorbener hielt;heute, schreibt er 1525, wisse man durch das Evange-lium, »daß es nicht Menschenseelen, sondern eitelböse Teufel sind«.

Der Teufel, lehrt er 1529, bewohne die Wälder, dieBüsche, Gewässer »und schleicht sich überall an unsheran, um uns zu verderben«. Luther warnt besondersvor dem »Baden im kalten Wasser«. Und im Wassertreiben nicht nur die männlichen Teufel ihr Unwesen,sondern auch die Nixen, »die die Kinder am Randedes Wassers ins Wasser reizen und ersäufen; das sindalles Teufel«. Und natürlich huren sie da auf Teufel-kommraus oder -kommrein. Denn »etliche Mägde rei-ßet der Teufel oftmals ins Wasser, schwängert sie und

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behält sie bei ihm, bis sie des Kindes genesen«. Da-nach vertauscht er die Kinder in den Wiegen mit denTeufelskindern.27

Teufel stecken auch »in den schwarzen dichtenWolken, die machen Wetter, Hagel, Blitz und Donnerund vergiften die Luft, Weide etc.«, also solle mandas nicht aus natürlichen Ursachen erklären. Teufelferner in den Affen, Meerkatzen, Papageien, weshalbsie die Menschen so gut nachahmen können. Teufelnatürlich auch unter der Erde. Und Teufel nicht zu-letzt in den feuchten, schlammigen Gegenden Sach-sens. Ja, hier glaubt der Reformator alle Teufel ver-sammelt, »die Christus zu Jerusalem und Juda in dieSchweine ausgetrieben hat« und vermutet gar, daßjust dieser vielen Teufel wegen gerade in Sachsenauch »das Evangelium gepredigt werden mußte«!

Die ganze Erde ist ein »Teufelsreich«. Der Teufel»regiert und herrscht in aller Welt«, er »masset sichgottlicher maiestat an«, ist »ein Fürst und Gott« hie-nieden und hält alles in der Hand »wovon wir leben:Essen, Trinken, Kleider, Luft etc.«

Luther hat »erfahren, daß Geister umbhergehen«,»ich habe Geister gesehen!« Der Teufel erscheint inverschiedenen Verwandlungen, als Bock beispiels-weise, häufiger als Hund, als Katze, Fuchs u.a. In Ge-stalt eines Kalbes vertreibt ihn Luther selbst von einerKranken, wenn auch nur für eine Nacht. Und bei einer

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kranken Jungfrau zu Wittenberg sieht er ihn wiedermit eigenen Augen, diesmal gar in Gestalt Christi,worauf er sich allerdings in eine Schlange verwandelt,»die der Jungfrau bis aufs Blut ins Ohr biß«.

Wir verweilen noch etwas bei dieser Materie, kannes doch nicht schaden zu wissen, von wem sich dieWelt belehren, führen läßt, wem sie glaubt! Und wersolchen Teufelsstuß vertritt, sollte dessen Gottesglau-ben imponieren können?!

Vom Teufel kommt nach Luther alles irdische Un-glück: Hagel und Ungewitter, Krieg, Feuer, Pest,Wahnsinn. Selbstmord, Französische Krankheit,überhaupt Krankheit (aber jüdischen Ärzten hilft ergern, besonders »bei Vornehmen und Großen«). DerTeufel verdirbt das Vieh im Stall, macht den Käseschlecht und die Milch. »Ein Christ soll das wissen,daß er mitten unter den Teufeln sitze, und daß ihm derTeufel näher sey, denn sein Rock und Hemde, janäher denn seine eigene Haut, daß er rings um uns hersey ...«28

Schon als junger Mönch vernimmt Luther dasnächtliche Rumoren des Teufels, und auf der Wart-burg poltert dieser nicht nur »viel Nachts«, sondernversucht auch zweimal, »in Gestalt eines großen Hun-des«, Luther umzubringen. Zu Coburg erblickt er ihndann »inn meinem Garten als eine wilde schwartzeSaw«, und ein andresmal auf der Veste als feuerige

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Schlange. Doch er sieht ihn nicht nur: »Der Teufel hatmich wohl oftmals schon bei dem Kopf gehabt.« Ja,Satan setzt ihm derart zu, daß er nicht mehr weiß, »obich todt oder lebendig sey«. Er streitet, er rauft Tagfür Tag mit ihm, »teglich muß ich ihm tzu Hareligen«, er steckt mit ihm sogar im Bett, ja, »er schläfetviel mehr bei mir als meine Käthe«. Manchmal frei-lich wehrt er ihn auch leichter ab, sagt einfach »Leckmich im Arß« oder kann ihn schon »mit einem Fortzverjagen«.

Überall ist der Leibhaftige hinter ihm her, auchdurch seine Büttel. So hält auf dem Reichstag zuAugsburg jeder Bischof so viele Teufel gegen ihnparat, »so viel ein Hund Flöhe hat um St. Johannis-tag«. Und als er in seinem Todesjahr 1546 nach Eis-leben reist, findet er dort seinetwegen wieder solchgroße Scharen schikanöser Höllengeister vor, »daßdie Helle und die ganze Welt ledig seyn muß vonallen Teufeln«, ja er glaubt auch da den Fürsten derFinsternis selbst gesehen zu haben.

Wir erfahren von Luther die sonderbarsten Teufels-berichte; zum Beispiel, daß man in Thüringen achtHasen gefangen habe, aus denen über Nacht »eitelPferdeköpfe wurden, so sonst auf Schindleichen lie-gen«. Viele Geschichten hört er von anderen, selbstre-dend von glaubwürdigen Personen, nicht wenige sata-nische Vorkommnisse erlebt er selber. Natürlich blieb

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ihm nicht unbekannt, daß der Teufel Verträge mitMenschen macht. Einen solchen Teufelspakt, weiß er,hat sein Gegner Doktor Eck geschlossen, ebenso derihn von Anfang an befeindende Kurfürst Joachim I.von Brandenburg.29

Besonders gefährliche Hilfskräfte Luzifers abersind die Magier, die Hexen.

Luther benutzt sehr viele deutsche und lateinischeNamen für das Wort Hexe (das als solches in seinemSchrifttum, den mehr als hundert Bänden der »Wei-marana«, nur neunmal vorkommt). Männer nennt erhäufig »Zauberer«, die weibliche Hexe oft »Wetter-macher«, »Wettermacherin« und – dies anscheinendseine eigene Wortschöpfung: »Teufelshure«.

Bekanntlich hat der Reformator von der Frau –nach immerhin eineinhalb Jahrtausenden Christen-tum – keine sehr hohe Meinung. Schon Evas Sünden-fall legt er zum Vorteil des Mannes aus, dem das»Regiment« gehöre, der »höher und besser« sei, demauch die »Schrift« »mehrere Weiber« heimzuführengestatte – einem Fürsten erlaubt der Fürstendiener jaauch generös eine Doppelehe! – wohingegen die Frau,»ein halbes Kind«, »ein Toll Thier«, sich »bücken«müsse und verprügelt werden dürfe, tauge sie doch,den Hausputz mal beiseite, »zu nichts«.30

So sind es für Luther, wie schon für die Welt vorihm, und nicht nur für die katholische, vor allem

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7.733 Deschner Bd. 8, 413Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und ...

Frauen, die Zauberei und Hexerei üben. Zumal denSchadenszauber schrieb er »eindeutig den Frauen zu«(B. Frank). »Gemeynlich ist das der Weyber natur,das sie ... zewberey und aberglaubens treyben.« Unddaß Frauen minderwertig sind, stand für den größtenaller Reformatoren so fest wie für die größten Kir-chenlehrer der Catholica. Ja, er übertrifft diese nochan Diffamierungsvermögen, er wird so niederträchtig,daß man meinen könnte, er sei beim »Hexenhammer«in die Schule gegangen, den er aber nie erwähnt, viel-leicht nicht einmal gekannt hat. Wie auch immer,allen Ernstes behauptet er, die Frauen, »daz wybischgeschlecht«, haben ein ähnliches Verhältnis zum Teu-fel wie die Männer, die Priester, zu Gott – »kurtzalles das gott befohlen hat den mennern (als die heili-ge ding / die priesterschafft vnd gottes wort) daz be-filcht der böß find den wybern / die sind syn priester /lert sy mangerley aberglauben / segen vnn anderschentliche ding«, wodurch auch Luther in bester ka-tholischer Tradition die Frauen zu den eigentlichenBrandopfern der Hexenpogrome macht.31

Schon in den 1516 und 1517 in der WittenbergerStadtkirche gehaltenen Dekalogpredigten, »Decempraecepta«, den Predigten über die Zehn Gebote, at-tackiert Luther die Zauberinnen und Hexen, besondersdie »alten Weiber«, auch »vetulae«, »alter Balck« u.a.genannt, Synonyma für Hexen.

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7.734 Deschner Bd. 8, 414Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und ...

Diese Frauen schänden zu Ehren Satans die Sakra-mente, fabrizieren Zaubertränke und können Men-schen töten. Bei etlichen Hexen erscheint der Teufelmehrmals am Tag. Es gibt Incubi und Succubi, diemit den Teufelsbuhlen, doch auch mit anderen Perso-nen huren. Und was der Teufel selbst nicht tun kann,»tut er durch alte Weiber« – »der Teufel ist sehr ge-waltig in den Zauberinnen«.

Bezweifler der Dämonenkünste beredet Luther,»das die bösen geist wol solchs vermögen«, wennauch nur mit Gottes Hilfe, »so es inen got nachlaßt«,womit Gott der eigentliche Übeltäter wäre. Macht Lu-ther doch sogar deutlich, daß Gott das Teufels- undHexenwerk nicht nur zuläßt, sondern anordnet! Undda Luther im Alter das »Übel der Zauberei wiederüberhand zu nehmen« schien, fand er es »notwendig«,die 1518 gedruckten Dekalogpredigten nochmals her-auszugeben.

Der Reformator kennt eine Menge Hexenschäden,vom Wettermachen über Milch-, Eier-, Butterdieb-stähle, über »der kuhe jns ohr blasen und sprechenauch Gottes und der heiligen namen dazu«, bis hinzum körperlichen Ruin, – »die leutt schiessen, lernenund vordurren, die kind ynn der wigen marttern, dieehlich glidmaß betzaubern unnd desgleychen«.32

Nach Luther können Hexen nicht nur geistig ver-blenden, sie können auch erblinden lassen, können

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durch Fernzauber wirken, etwa durch eine Puppenan-fertigung, können schnell oder mittels langer Krank-heit umbringen, Vorkommnisse, die ihm selbst be-kannt geworden, »wie ich viel gesehen hab mit sol-chen schäden beladen«. Und natürlich weiß er auch,daß Hexen die Heiligtümer der Christen mißbrauchen,daß sie die Feldfrucht verderben, das Vieh töten kön-nen; er kennt den Milchzauber, das Melken aus einerAxt, einem Handtuch am Türpfosten, einem Tisch,einem Griff und derlei mehr.

Schon Wiegenkindern kann der Teufel schaden. Erkann Kinderunterschiebungen arrangieren, ja, sich anihrer Stelle »in die Wiege legen, wie ich denn selbstgehört habe, daß ein solches Kind in Sachsen gewe-sen sein soll, dem fünf Weiber nicht genug Milchhaben geben können, um es zu stillen; und es sindsolcher Beispiele mehr vorhanden«. Nicht genug.»Müglich ists wol, wie man sagt, das der böse geistsich zu den zewberin thun kan und sie auch schwen-gern und alles Unglück anrichten.« Luther sprichtdann von »Wechselbälgen« und »Kielkröpfen« undempfiehlt, solche Kinder zu ersäufen; in Dessau riet erauch, ein solches Kind von zwölf Jahren zu erstik-ken.33

Luthers Haltung zum Hexenflug ist umstritten unddas Ergebnis seiner eigenen Widersprüchlichkeit.

An der Existenz von »Teufelshuren, die sich demKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.736 Deschner Bd. 8, 415Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und ...

Satan ergeben, und denen er fleischlich beiwohnt«,hat Luther keinen Zweifel und polemisiert gegen dieJuristen, die »zu viel Zeugnisse und Beweisungenhaben« wollen und die offenbaren Tatsachen geringschätzen. »Solche Thaten aber geben Zeugniß genug,daß man sie billig sollte hart strafen.«

Von der Teufelsbuhlschaft ist er durch »trefflichlerer« unterrichtet und weiß daher, daß die Teufel»sich den menschen mögen vnder oder ob legen invnküschen wercken. Also in gestalt einer frowen mager empfahen eins mans samen / vnd darnach sich ver-endern in eins mans gestalt vnd mit einer frowen einkind machen wiewol er deß selbigen kinds vatter nitist, sonder der von dem er den samen empfangen hat.«

Bei seiner Incubusvorstellung fußt der Wittenber-ger auf der entsprechenden scholastischen Lehre undauf Augustinus. Bereits um 1509 notiert er an denRand seiner De-Civitate-Dei-Ausgabe: »incubi«. DieSache hat ihn also früh beschäftigt und ließ keinenZweifel zu. Für ihn stand fest, daß ein Dämon Incu-bus oder Succubus sein könne – »ich habe nämlichviele ihre eigenen Beispiele erzählen hören. Und Au-gustinus sagt auch, daß er dasselbe gehört habe vonglaubwürdigen Menschen ...« Luther bestreitet nur,»daß aus dem Teufel und einem Menschen etwas ge-zeugt werden kann« – behauptet aber gelegentlich dasGegenteil.34

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Zu den Malefizien rechnet Luther natürlich auchvieles im Katholizismus Übliche wie Würzweihen,Weihwasser, Blasiuslichter, Amulette mit Bibelzita-ten, mit Heiligennamen » ...et omnes zeuberey«, weilHilfe für den Teufel, Werk des Teufels, Verstoßgegen die »Schöpfungsordnung«. Mitunter werdenvon ihm sogar Mönche, Papisten, der Papst selbstdem Bereich der Magie adjungiert, mit den Zaubererngleichgesetzt, ebenso »Ketzer«, Türken, Juden.

Zaubern und Gaukeln sind »teuffels gescheffte«,sind nach Luther Vergehen »fürnemlich an der göttli-chen Majestät«, folglich ist Zauberei »ein Majestäts-verbrechen ... So wird sie billig an Leib und Lebengestraft«. Der Reformator stellt sie in eine Reihe mitMord und Diebstahl, mit Pest und Krieg und Abgötte-rei. Wer zaubert, sollte exkommuniziert oder getötetwerden.35

Luther verlangt zum erstenmal die Tötung vonHexen (occidantur) anno Domini 1526, und er ver-langt sie bis an sein Lebensende.

Im Frühjahr 1526 fordert der Prediger über das alt-testamentliche Gebot »Die Zauberinnen sollst dunicht am Leben lassen« fünfmal für sie die Todesstra-fe. Das hört sich so an: »Der Volksmund nennt sie dieWeisen Frauen. Sie sollen getötet werden (Occidan-tur) ... Es ist ein überaus gerechtes Gesetz, daß dieZauberinnen getötet werden, denn sie richten viel

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7.738 Deschner Bd. 8, 416Luther fordert Todesstrafe für Zauberer und ...

Schaden an ... Wenn du solche Frauen siehst, siehaben teuflische Gestalten, ich habe einige gesehen.Deswegen sind sie zu töten ... Die Zauberinnen sollengetötet werden, weil sie Diebe sind, Ehebrecher, Räu-ber, Mörder ... Also ist gegen sie nicht mit Verach-tung, sondern mit dem Schwert oder festem Glaubenvorzugehen. Sie schaden mannigfaltig, also sollen siegetötet werden, nicht allein weil sie schaden, sondernauch, weil sie Umgang mit dem Satan haben.«

Wegen satanischen Umgangs sind schon Milch-diebinnen für Luther des Todes würdig. »Kein Erbar-men mit ihnen!« ruft er im August 1538: »Ich wollte

sie selber verprennen, nach Weise des (mosaischen)Gesetzes, wo die Priester mit der Steinigung derSchuldigen den Anfang machten.« Vielleicht ist esauch nicht unbezeichnend, daß bereits Luthers ersteExkommunikation am 22. August 1529 einige Hexentrifft; und daß seine Heimat Kursachsen zuerst die ge-meinrechtlichen Strafgesetze gegen Hexen und Zaube-rer 1572 verschärft.36

Ob nun aber Luthers Stellung zum Zauberei- undHexenwesen mehr ein psychologisch-biographischesoder ein theologisches Problem war, ob er dabei mehrdurch sein Elternhaus oder die spätere eigene Befas-sung oder – doch am wahrscheinlichsten – durch bei-des bestimmt worden ist, entscheidend bleibt seinenormer Einfluß damit auf die Reformation, ja sogar

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darüber hinaus.Luther hat immer wieder gegen Zauberer und

Hexen gesprochen und geschrieben, in den nicht un-beträchtlich verbreiteten Dekalogspredigten, dem Bet-büchlein, in der Kirchenpostille, dem Galater-, demGenesiskommentar, vor allem auch in seinen sehr po-pulären Tischreden. Und diese beinah lebenslangeAgitation nahm in seiner späteren Zeit an Umfangund Härte noch zu. Das aber mußte bei der ungeheue-ren Verbreitung seiner Schriften wie seiner Autoritätum so mehr Wirkung haben, als ungezählte lutheri-sche Prediger, religiöse Autoren, Schriftsteller, gele-gentlich sogar katholische Kleriker daran anknüpften.Ebenso Juristen wie der Frankfurter Johann Fischart,der zwar den »Hexenhammer« sowie andere katholi-sche Traktate dieser Tendenz bekämpft, doch unterBerufung auf Luther die Hexenverbrennung fordert.Und zumindest indirekt gehört hierher auch der inWittenberg geborene Benedict Carpzov, Professor derRechtswissenschaft, der maßgeblich an der Entwick-lung eines sächsisch-deutschen Strafrechts beteiligtwar, als Vater des deutschen Kriminalrechts und -pro-zesses gilt und an 20000 Todesurteile unterschriebenhaben soll.

So vieles in der Haltung Luthers zum Zauber- undHexenwesen aber schwankend, widersprüchlich ist,einen Aspekt desselben, betont Jörg Haustein, be-

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handle Luther »an jeder Stelle mit erschreckenderEindeutigkeit ...: Zauberei gehört mit dem Tode be-straft!«37

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7.741 Deschner Bd. 8, 418Der Judenstürmer

Der Judenstürmer

Für Luther hatten Juden und Judentum, lange ver-kannt, eine beträchtliche Bedeutung. Er äußert sichdarüber bereits in seiner noch katholischen, seiner»frühreformatorischen« Zeit um 1515 – und das letz-temal am 15. Februar 1546, drei Tage vor seinemTod. Und wie er infolge seiner katholisch-klerikalenErziehung gegen »Ketzer« und Hexen sowohl emotio-nal wie geistig stark eingestimmt war, so auch gegendie Juden. Auch wenn er sie in seiner Frühzeit fastausschließlich aus Büchern, der Bibel, der Theologiekannte, muß ihn die allgemeine judenfeindliche Stim-mung geprägt haben, erst recht die antijüdische katho-lische Theologie. Und theologisch ist Luther im Grun-de stets antijüdisch, beherrscht nämlich von demGlauben: Die Juden sind gottlos, weil sie die »Erlö-sung« durch Jesus Christus verwerfen.

Der Reformator konnte ja wirklich nicht spurlosden Händen der Katholiken entkommen. Er hatte dieSchule der Franziskaner in Magdeburg, die Latein-schule der Barfüßer in Eisenach, hatte zu Beginn des16. Jahrhunderts die Universität Erfurt besucht undwar 1505 dort als Mönch in das Kloster der Augusti-ner-Eremiten eingetreten. In dieser Zeit hat er wohlalle antijüdischen Ansichten und Argumente der mit-

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telalterlichen Theologie kennengelernt. In dieser Zeitfanden auch, wie freilich seit langem schon, fortge-setzte Judenvertreibungen statt, 1492 aus Spanienund Mecklenburg, 1493 aus Magdeburg, 1495 ausReutlingen, 1496 aus Portugal, Kärnten, Steiermarkund Krain, 1499 aus Nürnberg, im gleichen Jahr ausUlm, 1506 aus Nördlingen, ebenso aus Colmar.38

Schon in Luthers erster Psalmenvorlesung zwi-schen 1513 und 1515 an der Wittenberger Universitätschlägt die Animosität voll durch, spielt beispielswei-se die den Juden angelastete Kreuzigung Jesu – einuraltes, wahrhaft evangelisches Motiv christlicher Ju-denfeindschaft! – eine zentrale Rolle. Zwar haben sieeinst Jesus nicht buchstäblich gekreuzigt, aber inner-lich, willentlich, wie sie ihn, recht verstanden, nochimmer kreuzigen, wie sie, durch ihre Schriftausle-gung, auch ihre Propheten und Schriftgelehrten weitergeißeln, steinigen, töten. »Sie bespucken, kreuzigenund töten die Heilige Schrift wie einst den irdischenChristus, mehr noch, sie verwüsten sich selber mitihren Lehren weit schlimmer, als es die Römer phy-sisch taten, und metzeln beständig durch ihre Christusverneinende Lehre die ihnen anvertrauten Seelen nie-der« (von der Osten-Sacken).

Diese Juden sind für den vorreformatorischen Lu-ther »Blutmänner«, ein ganzer »Blutacker«, »eineSynagoge Satans bis auf den heutigen Tag«. Könnten

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sie, rissen sie »die Christen mit ihren Zähnen in Stük-ke«. Schon in seiner ersten Psalmen Vorlesung wer-den die Juden weidlich verunglimpft, werden sie eifri-ge Lügner, ihre Schriften voller Lügen, voller Verdre-hungen der Bibel geschimpft und ihre Märtyrer alsHeuchler hingestellt, die nur aus purem Egoismusfreudig stürben.

Bei seiner Auslegung von Psalm 77,66 – von ihmselbst übersetzt »Vnd schlug seine Feinde im Hindern(in posteriora) / Vnd henget jnen eine ewige Schandean« –, verweilt er in dem bei ihm so beliebten Rektal-bereich und schreibt: »ihre hinteren Teile sind der Rufihrer Werke, der bereits durch die Welt modert undstinkt, seit das Evangelium offenbart ist. Und ihreRekta stecken heraus, weil das Evangelium selbst dasgeheimste Böse ihres Herzens bekannt macht, (näm-lich) wie beschaffen sie im Innern sind ...«

Auch in den folgenden Jahren finden sich immerwieder scharfe Ausfälle gegen die Verhaßten, prahltLuther etwa, trotz ihrer vielen Mühen und Gebeteseien sie »allen Völkern auf der ganzen Welt zumZertreten dahingegeben, wie der Kot auf derGasse ...«39

Doch dann ändert er anscheinend seine Haltung. Inder Römerbriefvorlesung 1515/1516 beginnt er ihreDiffamierung zu kritisieren und vorsichtig für sie ein-zutreten, nicht nur für die alttestamentlichen, auch für

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die lebenden Juden, wobei er nach seiner Überzeu-gung kurioserweise dem Apostel Paulus folgt, derdoch als erster den christlichen Kampf gegen dieJuden eröffnet und ihn zeitlebens fortsetzt, der sie imältesten Zeugnis des Neuen Testaments verdammtsein läßt »bis ans Ende der Welt«, ja für den ihr gan-zer geistiger und religiöser Besitz »Dreck« ist (I 124ff.!).

Die Juden, heißt es jetzt bei Luther, sind nicht vonGott verstoßen, nicht alle verworfen, ein Teil wirdschon vor der Endzeit gläubig und gerettet, ja zuletzt»wird ganz Israel gerettet werden«. Schließlich sinddie Juden »von dem geblutt Christi«, »sind blutfreund, vettern und bruder unsers hern«, und so gese-hen seien »die Juden Christo mehr tzu denn wyr«.40

Nach einer Aufforderung, seine Ansichten zumAlten Testament zu begründen, verfaßt Luther 1523seine Schrift »Daß Jesus Christus ein geborner Judesei«. Wieder liest man Judenfreundliches, gelegentlichmit scharfer antikatholischer Polemik gewürzt. Sowenn er den Papisten vorhält, sie seien bisher mit denJuden verfahren, daß ein guter Christ lieber Jude, under, wäre er Jude gewesen, lieber eine Sau gewordenwäre als Christ. »Denn unsere narren die Bepste, Bi-schoff, Sophisten und Munche, die groben esels kopf-fe, haben bis her also mit den Juden gefaren, das, wereyn gutter Christ were geweßen, hette wol mocht eyn

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Jude werden. Und wenn ich eyn Jude gewesen wäreund hette solche tolpell und knebel gesehen den Chri-sten glauben regirn und leren, so were ich ehe eyn sawgeworden denn eyn Christen.«

Daß er strittige Bibelfragen stets in seinem Sinnauslegt, erstaunt gewiß nicht, vertritt er doch die al-leinseligmachende Wahrheit ebenso wie die Juden sievertreten oder die Katholiken. Aber es frappiert, mitwelchem Pharisäismus – die gute römische Schule –er die Interpretatio Christiana handhabt, er das heiligeBuch der Juden als christliches ausgibt (vgl. I 121f.!). Sind ja auch die alttestamentlichen Frommen fürihn fraglos Christen. Immerhin verlangt er, die Judenunter den Christen leben und arbeiten zu lassen, siebrüderlich in »christlicher Liebe« anzunehmen, undgeißelt die über sie kursierenden Greuelmärchen, denKinderraub, die Ritualmorde, Brunnen Vergiftung,Hostienschändung und derlei »Narrenwerk mehr« alsLug und Trug.41

Warum aber diese lutherische Freundlichkeit ge-genüber den von der Christenheit seit je so verachte-ten, so gehaßten Juden? Warum diese schöne refor-matorische »Toleranz«? Nun, der Menschenfängermacht aus seinem Herzen keine Mördergrube, er gibtselbst, und nicht nur einmal, die Antwort, hofft erdoch, »wenn man mit den Juden freuntlich handeltund aus der heyligen schrifft sie seuberlich unterwey-

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ßet, es sollten yhr viel rechte Christen werden undwidder tzu yhrer vetter, der Propheten und Patriarchenglauben tretten«.

Das war es in der Tat: Luther wollte Proselytenmachen. Wollte seinen Anhang, wie begreiflich, ver-größern. Die Bekehrung der Juden, bloße Konversi-onsobjekte, war das eigentliche Motiv seines Schrei-bens. Ihr Schicksal betraf den Verfasser kaum, aberder Fortschritt der Reformation. Hätte er doch denverhaßten Papismus gar nicht mehr ausstechen, dieÜberlegenheit seiner Lehre gar nicht mehr beweisenkönnen als durch einen Missionserfolg in wenigenJahren, durch einen Sieg, der dem Papsttum in Jahr-hunderten verwehrt worden war.

So kümmerte er sich selbst nachdrücklich um dieVerbreitung des neuen Werkleins, propagierte essogar von der Kanzel herab. Und hatte Glück. Nichtweniger als neun Auflagen erlebte es noch 1523. Imnächsten Jahr wird eine lateinische Übersetzung inAugsburg zweimal aufgelegt, 1525 kommt eine ande-re lateinische Übertragung in Straßburg heraus. Viel-leicht haben sogar die Juden selbst das Bekanntwer-den des Traktats gefördert. Noch in Jerusalem werdenLuthers Bücher gekauft. Und seine Methode der Ju-denbekehrung fand Anklang, fand begeisterten Bei-fall.42

Aber der Autor hatte die Rechnung ohne den WirtKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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gemacht. Der buchhändlerische Erfolg wurde keinmissionarischer. Seine ganze Liebesmüh, nicht über-wältigend, doch immerhin bemerkenswert und auchbemerkt, war umsonst. Er hatte die Juden nicht über-zeugt, nicht ihr Vertrauen gewonnen. Was konnte dergute Christ nun tun, als straffere Saiten aufziehen?Die Juden statt der erhofften Kombattanten der Refor-mation zu deren Opfern machen? In den folgendenJahren, in denen er unterschiedliche, teilweise viel-leicht auch nur fiktive, legendäre Begegnungen mitJuden hat, ist die Zahl ihrer Taufen nicht größer alsvor der Reformation, sein Bekehrungsversuch also of-fensichtlich gescheitert, seine Einstellung zu ihnenwechselhaft, schwankend, wieder schlechter. BereitsAnfang der dreißiger Jahre sieht er sich »und unsereReligion« durch jüdische Täuflinge so verhöhnt, daßer droht, falls er noch einen frommen Juden zu taufenfinde, wolle er ihn mit den Worten »Ich taufe dich imNamen Abrahams« mit einem Stein um den Hals vonder Elbbrücke stoßen.

Und als 1536 Johann Friedrich der Großmütige,Kurfürst von Sachsen und Luthers Landesherr, dieJuden per Edikt besonders rücksichtslos aus seinemTerritorium ausweist, tut Luther nicht das Geringstefür sie. Vielmehr verweigert er ihrem Anwalt, Joselvon Rosheim, einem Mann von fleckenlosem Ruf, derihn mehrfach brieflich um eine Audienz beim Fürsten

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anfleht, seine Hilfe. Luther nennt zwar den Bittstellerseinen guten Freund, seinen lieben Josel, wünschtauch allen Juden gern das Beste, denkt aber nicht anFürsprache, sondern rät Josel, seine Empfehlungs-schreiben durch andere vorbringen zu lassen. »Hier-mit Gott befohlen!«

Überhaupt stellt er die Juden schließlich mit seinenschlimmsten Feinden auf eine Stufe, mit den Türkenund dem Papst. Allerdings wußte er vom Judentumpraktisch nur, was er wissen wollte, das heißt nichtsAuthentisches. Denn: »Ihm genügten die Informatio-nen, die ihm die antijüdische Polemik an die Hand ge-geben hatte« (St. Schreiner).43

1538 hatte Luther dem Grafen Wolff Schlick zuFalkenau den dreißig Druckseiten langen, alsbaldauch wieder ins Lateinische übertragenen Brief»Wider die Sabbather an einen guten Freund« ge-schrieben. Von Schlick schon vor längerer Zeit umseinen Beistand gegen in Mähren missionierendeJuden gebeten, war Luther nun bereit, wider »dieJuden mit ihrem Geschmeiß und ihrer Lehre« Rat undMeinung beizusteuern und vor allem ihre Messias-hoffnung zu bekämpfen. Auf der einen Seite standendabei er und der treue wahrhaftige Gott, auf der an-dern die »falschen verlogenen Juden«, und im übrigenwar klar, »dass uns ihre faulen, unnützen Lügen undfalsches Geschwätz nicht schaden können«, ja, ihre

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Gottverlassenheit, wie es gegen Schluß des alles inallem noch moderaten Briefes heißt, ist so groß, daßdarin »nicht eine Fliege mit einem Flügel ihnen zi-schet zum Trost«.44

Als aber im Frühjahr 1542 eine jüdische Gegen-schrift erschien, platzte dem Reformator offensichtlichder Kragen, und er setzte zu seiner längsten und fana-tischsten antijüdischen Kampagne an: »Von denJuden und ihren Lügen«.

Das in der Weimarer Ausgabe 145 Folioseiten um-fassende Werk gehört wohl zu den schwungvollstenund widerlichsten antijüdischen Hetzschriften allerZeiten: ein einziges giftiges Geifern gegen die Judenund nicht zuletzt ihre verdammten Rabbiner, die diearme Jugend und den gemeinen Mann derart vergif-ten, daß man sie steinigen sollte! Fortgesetzt, von An-fang bis Ende, nennt er konsequent seinem Schrifttitelfolgend, alles von den Juden Vertretene lügnerischund sie selbst durchgehend Lügner, die natürlich auchfür ihren Hochmut, Starrsinn, ihre Härte, Narrenwer-ke, Erzbubenstücke, ihre »mutwilligen, offenbarenLügen ewige Schande zu Lohn haben werden«, wäh-rend er die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichtsals die Wahrheit verficht.

»Wenn du siehest oder denkest an einen Juden, sosprech bei dir selbs also: Siehe das Maul, das ich dasehe, hat alle Sonnabend meinen lieben Herrn Jesum

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Christ, der mich mit seinem theuren Blut erlöset hat,verflucht und vermaledeiet und verspeiet, dazu gebe-tet und geflucht für Gott, daß ich, mein Weib undKind und alle Christen erstochen und aufs jämmer-lichst untergangen wären; wollts selber gern thun, woer künnte, daß er unser Güter besitzen möchte; hatauch vielleicht heute vielmal auf die Erden gespeietüber dem Namen Jesu (wie sie pflegen), daß ihm derSpeichel noch im Maul und Bart hänget, wo er Raumhätte, zu speien. Und ich sollte mit solchem verteufel-ten Maul essen, trinken oder reden, so möcht ich ausder Schüssel oder Kanne mich voller Teufel fressenund saufen, als der mich gewiß teilhaftig machet allerTeufel, so in den Juden wohnen und das theure BlutChristi verspeien. Da behüt mich Gott für.«

Unentwegt unterstellt Luther den Juden Geldgier.Sie stinke ihnen aus dem Mund, sei doch kein Volkunter der Sonne geiziger als sie, als sie sind, nochsind, gewesen sind und immerfort bleiben. Wenn einDieb zehn Gulden stehle, müsse er hängen, hetzt Lu-ther. »Aber ein Jude, wenn er zehn Tonnen Goldesstiehlt und raubt durch seinen Wucher, so ist er lieberdenn Gott selbst.«

Von ihrem Messias erwarteten die Juden, daß ersämtliche Heiden totschlage, auf daß sie aller WeltLand, Güter und Herrschaft einheimsen. Die Judenwünschen Schwert und Kriege, Angst und jedes Un-

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glück über die verfluchten Gojim, Leute die ihr Goldund Silber ihnen, den Juden, geben, ihre Knechte seinund sich schlachten lassen sollen wie das arme Vieh.Halten sie die Christen doch in deren eigenem Landgefangen, lassen sie sich schinden, lassen sie schuftenim Nasenschweiß, während sie selbst hinterm Ofensitzen, Birnen braten, fressen, saufen, saugen derChristen Geld und Gut aus, während sie lügen, flu-chen, speien, morden, stehlen, rauben, wuchern, spot-ten und lauter solch lästerliche Greuel treiben. »Sorauben sie und saugen uns aus, liegen uns auf demHalse, die faulen Schelmen und müßigen Wänste,saufen, fressen, haben gute Tage in unserm Hause,fluchen zu Lohn unserm Herrn Christo, Kirchen, Für-sten und uns allen, dräuen und wünschen uns ohn Un-terlaß den Tod und alles Unglück. Denke doch, wiekommen wir armen Christen dazu, daß wir solch faul,müßig Volk, solch unnütz, böse, schädlich Volk, sol-che lästerliche Feinde Gottes umsonst sollen nährenund reich machen, dafür nichts kriegen denn ihr Flu-chen, Lästern und alles Unglück, das sie uns tun undwünschen können?«45

Ja, was tun, fragt Luther schließlich, mit diesemgottverdammten Volk? Rächen dürfen wir uns nicht,meint er gut christlich. »Sie haben die Rache amHalse, tausendmal ärger als wir ihnen wünschenmöchten.« Was man freilich nicht mehr glauben kann,

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hört man jetzt seinen »treuen Rat«, seine Empfehlungan die Landesfürsten, »mit Gebet und Gottesfurchteine scharfe Barmherzigkeit« zu üben:

»Erstlich, daß man ihre Synagoge oder Schule mitFeuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mitErde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einenStein oder Schlacke davon sehe ewiglich. Und solchessoll man tun unserem Herrn und der Christenheit zuEhren, damit Gott sehe, daß wir Christen sind undsolches öffentliches Lügen, Fluchen und Lästern sei-nes Sohnes und seiner Christen wissentlich nicht ge-duldet noch gewilligt haben ...

Zum andern, daß man auch ihre Häuser desgleichenzerbreche und zerstöre. Denn sie treiben eben dassel-bige drinnen, das sie in ihren Schulen treiben. Dafürmag man sie etwa unter ein Dach oder Stall tun wiedie Zigeuner, auf daß sie wissen, sie seien nicht Her-ren in unserem Lande, wie sie rühmen, sondern imElend (= Ausland) und gefangen, wie sie ohne Unter-laß vor Gott über uns Zeter schreien und klagen.

Zum dritten, daß man ihnen nehme alle ihre Bet-büchlein und Talmudisten, darin solche Abgötterei,Lügen, Fluch und Lästerung gelehrt wird.

Zum vierten, daß man ihren Rabbinern bei Leibund Leben verbiete, hinfort zu lehren ...

Zum fünften, daß man den Juden das Geleit undStraße ganz und gar aufhebe, denn sie haben nichts

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auf dem Lande zu schaffen, weil sie nicht Herren,noch Amtleute, noch Händler oder desgleichen sind.Sie sollen daheim bleiben ...

Zum sechsten, daß man ihnen den Wucher verbieteund nehme ihnen alle Barschaft und Kleinod und legees zur Verwahrung beiseite. Und dies ist die Ursache:Alles, was sie haben (wie droben gesagt), haben sieuns gestohlen und geraubt durch ihren Wucher, weilsie sonst keine andere Nahrung haben ...

Zum siebenten, daß man den jungen, starken Judenund Jüdinnen in die Hand gebe Flegel, Axt, Karst,Spaten, Rocken, Spindel und lasse sie ihr Brot verdie-nen im Schweiß der Nasen, wie Adams Kindern Gen3 (19) auferlegt ist. Denn es taugt nicht, daß sie unsverfluchte Gojim wollten im Schweiße unseres Ange-sichts arbeiten lassen und sie, die heiligen Leute,wollten es hinter dem Ofen mit faulen Tagen, Festenund Pomp verzehren.«

Eine »scharfe Barmherzigkeit« nennt Luther diesenAppell an die Obrigkeit, um später weniger pfäffischim gleichen inhaltlichen Konnex ganz kaltschnäuzigzu schreiben: »Verbrenne ihre Synagogen, verbietealles, was ich droben erzählt habe, zwinge sie zur Ar-beit, und gehe mit ihnen um nach aller Unbarmherzig-keit (!) wie Moses tat in der Wüste und schlug drei-tausend tot, dass nicht der ganze Haufen verderbenmusste.«46

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Da gesteht er, was ihm wirklich notdünkte, nottäte.Und mancher könnte denken, solch scharfe Barmher-zigkeit oder Unbarmherzigkeit schon allein ließe lu-therische Theologen heute, sechs Jahrzehnte nach Hit-ler, vor Scham versinken. Doch vor Scham ist nochkein echter Theologe untergegangen!

Betrachten wir statt vieler den evangelischen Got-tesmann Walther Bienert und sein 1982 im Evangeli-schen Verlagswerk Frankfurt am Main erschienenesQuellenbuch nebst Einführungen und Erläuterungen»Martin Luther und die Juden«.

Natürlich findet der Lutheraner da manches»schlimm«, »bedauerlich«, in der »Form hart und un-fair« »inhuman«, ja »unchristlich« etc.

Im übrigen aber ist, was eben so beiläufig wieheute unerläßlich entschuldigt, indirekt gemildert, ent-schärft wird, marginal und weit weg vom Kern, vomProprium. Denn Basis des edlen Ganzen ist undbleibt »die allgemeine Wahrheit des Evangeliums undder Dogmen«, »Luthers großartige reformatorischeÜberzeugung«. Damit hat jedoch seine Judenfeind-schaft nichts zu tun. Sie ist nämlich »vorlutherisch«,ist ausgesprochen »altdogmatisch«, »spätmittelalter-lich« – ist »durchweg nicht auf dem Boden seiner ei-genen Theologie gewachsen«, sondern entstammt»vorreformatorischer Judenfeindlichkeit« etc.47

Nun ist all dies ja goldrichtig. Doch entlastet esKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Luther? Hätte er es denn übernehmen müssen? Aberals er es übernahm, als er die tradierte Judenfeind-schaft in Theorie und Praxis propagierte, war dieseJudenfeindschaft eben nicht mehr nur »vorlutherisch«,sie war auch lutherisch. War sie nicht mehr nur »vor-reformatorisch«, sie war auch reformatorisch. War sienicht mehr nur »spätmittelalterlich«, sie war auchfrühneuzeitlich. Sie gehörte eben jetzt nicht »nicht zurreformatorischen Theologie«, sie gehörte jetzt dazu!

Freilich hat Lutheraner Bienert wieder recht, er-kennt er das alles als »zeitgeschichtlich-bedingt«.

Doch zeitgeschichtlich-bedingt war auch die ganzeReformation, zeitgeschichtlich-bedingt waren derDreißigjährige Krieg und der Erste Weltkrieg und derZweite und all die hundert und mehr Kriege und Inter-ventionen der USA in der jüngsten Vergangenheit unddie Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasa-ki. Denn »zeitgeschichtlich-bedingt« ist nur einedummflaue Ausflucht, ist nur die ebenso nichtssagen-de Erklärung wie vielsagende Exkulpation nicht zu-letzt auch vieler Historiker, deren sie sich schämensollten, könnten sie sich schämen. Scham aber istauch ihre Sache nicht – eher versinken wohl, zeitge-schichtlich-bedingt, unsere fünf Kontinente ...

Doch Lutheraner Bienert will alles aus der »zeitge-schichtlichen Situation« heraus verstanden wissen,»in die hinein Luther sprach« und die »an noch

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Schlimmeres gewöhnt war«. Noch Schlimmeres. Dergute Luther! Dürfen wir Bienert so verstehen? Zumin-dest spricht er jetzt gleich von »Luthers Rat zum An-zünden der Synagogen« und stellt fest – damit wir denReformator ja richtig »im Gesamtzusammenhang mitder zeitgeschichtlichen Situation« sehen, daß damalsja »die meisten Synagogen in der Zeit nach 1349«(vgl. VII 437 ff.) »schon verbrannt worden waren«.»Mindestens 300 Synagogen«, trumpft der Theologeau f. Somit kann da der Rest wohl gar nicht mehr sogroß, Luther wieder nicht so schlimm gewesen sein?Jedenfalls, beruhigt sein kundiger Gefolgsmann, warLuthers Rat, die Synagogen zu verbrennen, »damalsnichts Außergewöhnliches«, er war »von vielen Kir-chenmännern vorher und gleichzeitig erteilt worden«und – er kam, Herz, was wünschst du mehr!, »derVolksstimmung entgegen«.48

Nicht anders steht es mit Luthers Empfehlung derBücherverbrennung. Die »berühmteste Universitätdes Abendlandes in Paris« war da längst vorangegan-gen, andere Universitäten waren mehr oder wenigergefolgt, und auch sonst befand sich der Reformatorwieder »in Übereinstimmung mit vielen bedeutendenMännern seiner Zeit«.

Und nun gar erst die Anregung zur Vertreibung derJuden!

Ja, das war doch »damals ohnehin landauf, landabKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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üblich«, der Jude übrigens deshalb, wie der Luthera-ner einräumt, »kaum irgendwo willkommen«. Gleich-wohl, im christlichen Abendland ein guter alterBrauch. Bienert zählt beredt auf: England, Frank-reich, Spanien, Portugal, er nennt Dutzende von Ju-denexilierungen in Deutschland, was solls – »Lutherwar auch hierin ein Kind seiner Zeit und im politi-schen Bereich weitgehend vom Zeitgeist irregeführt.«Ja, der Zeitgeist wieder (vgl. I 56 f.), ein ganz beson-ders schöner Geist, zumindest für so viele in die Re-trospektive versunkene Theologen und Historiker,und so eng verwandt doch auch dem Zeitbedingten,Zeitgeschichtlichbedingten. Und selbst wenn Luthergrober formulierte, man solle die Juden »wie die tol-len Hunde ausjagen«, hatte er auch da schon sozusa-gen Vorläufer, Vorformulierer.

Gab es doch überhaupt brutalere Naturen. Zumalwas das Töten von Menschen betrifft, habe der Refor-mator noch nicht mal, man denke, »die Brutalität vie-ler seiner Zeitgenossen erreicht«. Der gute Luther! Ja,er habe ganz den »Weg zur Tötung Andersgläubiger«vermieden. Wirklich? Und die Tötung der Täufer?Die Tötung der Hexen? Von den Bauern zu schwei-gen.

Aber die Juden? »Luther wies nicht den Weg nach›Auschwitz‹«, schreibt der Lutheraner und beteuert:»Nie – auch nicht in seinen wütendsten Angriffen auf

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die Juden bzw. deren Religion – hat er ein Töten vonJuden angeregt oder auch nur gutgeheißen.« Ach, derGute, der!

Doch was meinte er, als er nahelegte, mit Juden»nach aller Unbarmherzigkeit« umzugehen, »wieMose tat in der Wüste und schlug dreitausendtot ...«?! Was meinte er, als er gefragt, ob er Judenohrfeigen würde, gestand, er würde einen Juden »nie-derwerfen und im Zorne erstechen. Wenn man einenRäuber nach menschlichem und göttlichem Recht zutöten befugt ist, so darf man doch viel eher einen Got-teslästerer umbringen«?! Was meinte er, als er seinenvierten Ratschlag gab, »daß man ihren Rabbinern beiLeib und Leben verbiete, hinfort zu lehren ...«? BeiLeib und Leben, das heißt bei Todesstrafe.49

Natürlich hat Luther den Weg nach »Auschwitz«nicht gewiesen, hat aber fraglos damit zu tun – gewal-tig. Wir brauchen nicht auf Julius Streicher vor demNürnberger Kriegsverbrechertribunal zeigen, obwohldieser damals mit seiner Berufung auf Luther imRecht war. Es gibt andere Gewährsmänner. Kurz nachdem Zweiten Weltkrieg besuchte Melvin Lasky, einjunger amerikanischer Schriftsteller, Karl Jaspers inHeidelberg, sprach etwas verlegen-verbindlich überDeutschlands große kulturelle Tradition, nannte Les-sing, Goethe, wurde jedoch von Jaspers brüsk unter-brochen und sah sich nach einem kurzen Griff des Ge-

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lehrten hinter sich ins Bücherregal mit Luthers »Vonden Juden und ihren Lügen« konfrontiert. »Das istes«, sagte Jaspers. »Da steht das ganze Programm derHitler-Zeit schon!« Und schrieb auch später in »Dienichtchristlichen Religionen und das Abendland«:»Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahmeder direkten Tötung durch Gaskammern.«50

Unbedachterweise bringt Walther Bienert seinenHelden mittelbar selbst mit den Gaskammern in Ver-bindung; mit »Auschwitz«. Er meint nämlich, und hatso unrecht nicht damit, Luthers Intoleranz, zumalderen Verschärfung seit 1543, seit seinen Ratschlä-gen, hänge entscheidend zusammen mit dem »Kir-chenmann« Luther, sei es doch die Folge seiner Lan-deskirchenpolitik und des damit verknüpften Staats-schutzes. Denn als Vertreter der inzwischen etablier-ten »lutherischen« Kirchen habe er auch deren Allein-wahrheitsanspruch bzw. Absolutheitsanspruch vertre-ten, schlechterdings vertreten müssen – natürlich wie-der ein »verhängnisvolles mittelalterliches Erbe«.Doch ebendies führte nun zu »neuer Unduldsamkeitund Feindschaft«, ein reines Ergebnis der Politik, derKirchenpolitik. Es habe nichts mit Persönlichem, mitAusbrüchen individueller Emotionen, Altersstarrsinnzu tun. Vielmehr sei es in den »geschichtlichen Zu-sammenhang zu integrieren«, aus dem es erwuchs,also in die landeskirchlichen Belange, die Institution

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und deren Alleinanspruch auf »die Wahrheit« mit derdaraus resultierenden Intoleranz. Damit aber stündenLuther und das Luthertum nicht isoliert da, sondern ineiner Reihe mit anderen Institutionen, anderen »Ideo-logieverfolgungen« von der Antike bis hin zu»›Auschwitz‹ oder ›Gulag‹ oder wo auch immer«.

Luthers Theologie ist bei allem natürlich überhauptnicht involviert, er selbst nur insofern, als er als ver-antwortlicher Kirchenmann das reformatorische Kir-chenwesen gegenüber der jüdischen Religion schüt-zen mußte, und zwar »durch staatliches Eingreifen,das die gegenteilige Lehre einfach verbietet oder un-möglich macht«.

Die eigentliche Schuld trifft somit die Entwicklungder Reformation zur Staatsreligion, die Luther über-haupt nicht wollte, aber die dann, »ein historischesFaktum«, entstand, nachdem »Luther die Obrigkeitengebeten, ihre Bevölkerung nicht hilflos sich selbst zuüberlassen, vielmehr aus ›christlicher Liebe‹ die reli-giöse Versorgung und das Kirchenwesen in ihrenLändern zu ordnen ...« Doch das geschah, wie gesagt,gegen Luthers ursprüngliche Absicht und hat schongar nichts, dies wird Bienert nie müde besonders zubetonen, mit seiner Theologie zu tun, obwohl LuthersAntijudaismus – überall mit Händen zu greifen – ge-rade die Folge seiner Theologie ist! Für Bienert dage-gen ging die neue Judenverfolgung von der Instituti-

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on, der Landeskirche aus. Denn diese hatte als Staats-kirche offenbar »in sich selbst die Tendenz des Aus-schlusses aller nichtlandes-kirchlichen Religion.Nicht Luthers Theologie, sondern der ererbte und aufdie Landeskirchen übergegangene Staatsschutz für dieallein wahre Religion war der Nährboden für die Into-leranz gegenüber den Juden.«51

Die vier letzten Predigten Luthers – insgesamt hin-terließ der »Gelegenheitsschriftsteller« weit überzweitausend – hielt er in Eisleben in seinem Todes-jahr: lauter Judenpredigten. Die Juden werden darinals Vertreter des Un- und Irrglaubens beschimpft, alsblinde Gotteslästerer, als Leute, die Abel, das heißtalle Nichtjuden, ermorden wollen, während die Chri-sten ihnen ihren christlichen Glauben und ihre christ-liche Liebe anbieten. Bekehren sie sich nicht, lästernund schänden sie weiter den Herrn, sind sie nicht län-ger tragbar. Die Juden, faßt Adam Weyer zusammen,sind in weiten Teilen von Luthers Predigten »nichtsanderes als die Gottlosen – von denen alle anderenGottlosen abstammen«. Sie sind »die Satanskin-der ...« Und das waren sie doch schon in den Jahren1514/1515.

Noch am 1. Februar 1546, in seinem Todesmonat,schreibt er seiner Frau, er müsse sich »dran legen, dieJuden zu vertreiben«. Graf Albrecht sei ihnen feindund habe sie schon preisgegeben. »Aber niemand tut

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ihnen noch nichts. Will's Gott, ich will auf der KanzelGraf Albrecht helfen und sie auch preisgeben. Ichtrinke Naumburgisch Bier ...« Eine Woche später, am7. Februar, bedauert er abermals brieflich gegenüberKatharina von Bora: »Noch will ihnen niemand nichtstun.« Und leistet am selben Tag, nur wenige Tage vorseinem Tod, noch Kanzelhilfe zur Judenvertreibung.»Bekehren sie sich nicht, so sollen wir sie auch beiuns nicht dulden noch leiden« – im wörtlichen Sinne,schreibt Peter von der Osten-Sacken, »sein letztesWort in dieser Frage«.52

Das nahezu bedenkenswerteste Wort aber, das ichüber Luther kenne, stammt von einem (sonst nichtsonderlich von mir geschätzten) Katholiken, von Jo-seph Lortz, und lautet: »Luther war katholischer, alswir wußten ...« Die Fortsetzung: » ... und als dergroße Teil der evangelischen Forschung es weiß«,schlösse wohl besser: es wissen will.53 Es noch wis-sen will. Denn schließlich wurden auch andere »Ket-zer« schon kanonisiert. Und werden die Zeiten fürbeide Konfessionen schlechter – und das werdensie –, beginnen die Stühle, die Pfründen zu wackeln,so rückt man einander noch näher, kriecht da ganzund gar zu Kreuz und macht dort Luther – zum Kir-chenlehrer.

Verdient hätte er's.

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7.763 Deschner Bd. 8, 43113. Kapitel

13. Kapitel

Vom »Sacco di Roma« zum AugsburgerReligionsfrieden

»Wohl der unheilvollste aller Päpste, die je aufdem römischen Stuhle gesessen.«

Leopold von Ranke über Clemens VII.1

»Nie fiel eine reichere Beute einer gewaltsame-ren Truppe in die Hände; nie gab es eine län-gere, anhaltendere, verderblichere Plünderung.«

Leopold von Ranke über den Sacco di Roma2

»In vielen Dingen, vor allem in seinem Nepotis-mus, blieb er auch als Papst ein Kind der Re-naissanceperiode, in der er groß geworden war.Auf welche Abwege ihn die Liebe zu den Sei-nen führte, davon hat die Geschichte seines Pon-tifikats nur allzu oft zu berichten. Auch das Hof-leben Pauls III. behielt vielfach die weltlichenGewohnheiten der Renaissancezeit bei. Einenpeinlichen Eindruck machte es ferner, daß er ...für alle Handlungen von irgend welcher Bedeu-tung ... durch Astrologen die günstige Stundebestimmen ließ.«

Ludwig von Pastor über Papst Paul III.3

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7.764 Deschner Bd. 8, 433Karl V. und Franz I.

Karl V. und Franz I.

Einer der wichtigsten Faktoren der europäischen Poli-tik im Zeitalter der Reformation war der Gegensatzder Häuser Habsburg und Valois und ihr Kampf umdie Vorherrschaft, ausgetragen zwischen Karl V., demrömisch-deutschen Kaiser (1519–1556), und demfranzösischen König Franz I. (1515–1547).

Karl, ein Enkel väterlicherseits Kaiser MaximiliansI., mütterlicherseits Ferdinands II. des Katholischen,war der Sohn Philipps des Schönen von Burgund undJohannas der Wahnsinnigen von Spanien. In den Nie-derlanden mit französischer Muttersprache aufge-wachsen und als Spanier erzogen, erbte er ein riesigesImperium, Burgund und die Niederlande, Österreich,Kastilien, Aragón, Neapel, Sizilien sowie die Koloni-en in Amerika. Seit 1516 (als Carlos I.) König vonSpanien, setzte er sich nach Maximilians Tod 1519bei der Kaiserwahl gegen seinen französischen Kon-kurrenten durch, dessen Bestechungsgelder er mittelsder gewaltigen Summe von 850000 Gulden nochüberbieten konnte, schon von Großvater Maximiliandarauf vorbereitet, daß »viel Geld«, möglichst bares,nötig sei, um den Franzosen auszubooten. Und einigeJahre später schrieb Jakob Fugger der Reiche demMonarchen ganz unverblümt, es liege am Tage, daß

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7.765 Deschner Bd. 8, 434Karl V. und Franz I.

»Eure Kaiserliche Majestät die Römische Krone ohnemeine Mithilfe nicht hätte erlangen können«. (Auchals Kaiser brauchte Karl V. unentwegt weiter »vielGeld« und gab beispielsweise 1528 dem AugsburgerBank- und Handelshaus der Welser für Kredite Vene-zuela bis 1546.)4

Zu den weltpolitischen Folgen der Wahl von 1519gehörten u.a. vier Kriege, die Karl V. gegen Franz I.führte: 1521–1525; 1526–1529; 1536–1538;1542–1544, wozu noch ein fünfter Krieg(1552–1559) gegen Franz' Sohn und NachfolgerHeinrich II. kam; blutige Kämpfe zwischen Deutsch-land und Frankreich um die Hegemonie in Europa, dieimmer wieder ausbrachen und sich bis ins 20. Jahr-hundert fortsetzten.

Nicht zuletzt diese Kriege mit dem Ziel, Italienwieder für den deutsch-spanischen Machtbereich zugewinnen, trugen dazu bei, daß Karl V. von den 37Jahren seines Kaisertums noch nicht einmal 8 Jahreim Reich verbrachte, daß er dort weder von1521–1530 noch von 1532–1540 war; was wiederzur Folge hatte, daß sich die Reformation unter demstreng altgläubigen Herrscher und weltlichen Hauptder Christenheit in deutschen Landen verhältnismäßigungestört ausbreiten konnte. Vergebens bestürmtendie spanischen Prälaten und Granden Karl im April1521, die Ausrottung Luthers und seines Anhangs zu

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7.766 Deschner Bd. 8, 435Karl V. und Franz I.

betreiben; die Durchführung des Wormser Ediktsgegen Luther unterblieb.5

1521 überließ Karl die habsburgischen Erbländer,fünf Herzogtümer, seinem Bruder Ferdinand I., derihn während seiner Abwesenheit im Deutschen Reichvertrat, wo er der Ausbreitung des Protestantismusentgegenwirkte. Karl selbst eröffnete im selben Jahrden Krieg um Mailand gegen Frankreich, den er 1525nach wochenlangen Gefechten in der Entscheidungs-schlacht am 24. Februar bei Pavia mit knapper Notgewann, vor allem wohl, weil die Schweizer auf fran-zösischer Seite den Kampf verweigerten (und dannfliehend haufenweise im Ticino ertranken). Über12000 Mann betrug das Schlachtopfer, der französi-sche König war gefangen, die Vorherrschaft Frank-reichs in Italien zugunsten Spaniens beendet, undschon am 1. April 1525 schloß der Papst mit den nunmächtigsten christlichen Fürsten Europas ein Schutz-und Trutzbündnis, das freilich nicht lang währte.

Der französische König beschwor am 14. Januar1526 im Frieden von Madrid (worauf Mailand bis1713 spanisch wurde) Forderungen Karls, die selbstdessen einflußreicher Kanzler Mercurino Gattinaramaßlos überzogen fand. Franz I. aber beschwor, wasimmer der Kaiser wollte, gab Neapel, Mailand,Genua preis, auch Burgund samt Nebenländern, seineRechte in Flandern, im Artois u.a., hatte indes schon

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7.767 Deschner Bd. 8, 435Karl V. und Franz I.

zuvor insgeheim notariell niedergelegt, weder seineSchwüre noch den Frieden zu halten. Und ClemensVII. sprach den Meineidigen feierlich von seinem Eidlos und wandte sich, ungeachtet ihres Trutz- undSchutzbündnisses, vom Kaiser ab, da er dessen Über-macht zu fürchten begann. Wie es denn überhaupt zuseiner Schaukelpolitik gehörte, Kaiser und König zuseinem Vorteil fortgesetzt gegeneinander auszuspie-len.

Am 22. Mai 1526 brachte der Papst gegen Karl dieLiga von Cognac zustande, wieder einmal eine Heili-ge Liga, in der er, Clemens, als »Seele der ganzengrossen Unternehmung« (Gregorovius), Frankreich,Venedig, Mailand vereint gegen den katholischenKaiser standen, auch der Beitritt des englischen Kö-nigs in Kürze erwartet wurdet; die besonders zur Ligatreibende Kraft war der Vertraute des Papstes, seinDatar Gian Matteo Giberti, der Bischof von Verona.6

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7.768 Deschner Bd. 8, 436Clemens VII. laviert

Clemens VII. laviert

Giulio de Medici, wie Clemens VII. (1523–1534) ei-gentlich hieß, war ein illegitimer Sohn jenes GiulianoMedici, der im April 1478 bei der Pazzi-Verschwö-rung in Florenz den Tod gefunden (S. 285 f.), DamitGiulio Kardinal werden konnte, wurde seine uneheli-che Abkunft unter seinem Vetter Leo X. in eine eheli-che umgefälscht durch eine Urkunde, die zwischenseinen Eltern »im geheimen eine gültige Ehe« erlog.Im übrigen war Clemens VII. durch eine Dienstmagdselbst Vater eines Sohnes Alessandro, der erblicherHerzog von Florenz werden sollte, auch wurde, frei-lich erst nachdem die Kaiserlichen 1530 dem PapstFlorenz zurückerobert hatten; eine Stadt, für die alsFestungskommandant auch Michelangelo gekämpft,eine Stadt, die sich trotz Pest, trotz Hungersnot biszuletzt verzweifelt wehrte, die lieber untergehen alspäpstlich werden wollte und an der sich dann der Hei-lige Vater für einige Jahre Republik durch ungezählteExilierungen rächte, durch Güterkonfiskationen unddie Enthauptung der vordem Regierenden. Aberschließlich hatte ihn der Krieg zwei Millionen Gold-dukaten gekostet, die er durch Steuern gehortet, durchVerkauf von Kirchengut und Ämtern.

Der Kardinal Medici war, unter dem starken Wi-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.769 Deschner Bd. 8, 436Clemens VII. laviert

derstreben der zahlreichen französischen Kardinäle,aus einem fünfzig Tage dauernden Konklave am 19.November 1523 als Sieger hervorgegangen.

Natürlich hatte man wieder bestochen; der Medicibeispielsweise dem Kardinal Pompeo Colonna dasVizekanzleramt und einen Palast offeriert, KardinalFarnese je 100000 Dukaten sowohl der französischenwie der kaiserlichen Seite, wovon der Kaiser selbst80000 Dukaten erhalten sollte. Dessen Kandidat aberwar sein Parteigänger Giulio Medici, der jedoch alsPapst den von seinem Vorgänger Hadrian VI.(1522–1523) mit Karl V. geschlossenen Verteidi-gungspakt nicht erneuert hat. Vielmehr näherte er sichim geheimen Frankreich. Und als dessen König nacheinigen Niederlagen in Oberitalien am 26. Oktober1524 Mailand wieder gewann, verband sich der Papstam 12. Dezember auch prompt mit dem Sieger undbekam dafür u.a. die Mediciherrschaft in Florenz ga-rantiert. Nach dem überraschenden Fiasko des Fran-zosen vor Pavia aber schloß sich Clemens wieder anden Kaiser an, um diesen dann, aus Furcht vor seinerMacht in Italien, vor der spanischen Hegemonie über-haupt, in der Liga von Cognac erneut zu bekämpfen.7

Clemens VII., dem man auch einige gute Eigen-schaften nachsagt, der als ernst und arbeitsam galt,sicher nicht so verschwendungssüchtig wie sein Vet-ter Leo X., wenn auch nicht so sittenstreng, nicht so

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7.770 Deschner Bd. 8, 437Clemens VII. laviert

bescheiden war wie sein unmittelbarer Vorgänger Ha-drian VI., der einstige niederländische Professor undErzieher Karls V., der als Papst für seinen Tisch täg-lich gerade einen Dukaten ausgab.

Wie üblich kreierte Clemens Prälaten, mehrereDutzend, ausnahmslos aus finanziellen oder aus dyna-stischen, politischen Gründen zu Kardinälen, Männer,weder besonders christlich noch kirchlich, darunterder von Franz I. protegierte blutjunge Schüler Odet deColigny (1571 von seinem Kammerdiener vergiftet).Häufig rekrutierte Clemens auch Truppen, und gele-gentlich ließ er jeden Kardinal hundert Mann aus ei-gener Tasche ausrüsten.

Beim Volk war der Papst, der Rom mit Zöllen undneuen Steuern bedrückte, verhaßt. So fand er auchkeinen Beistand, als ihn Kardinal Pompeo Colonna,ein Kaisersympathisant, auf Veranlassung Karls(doch »wie auf eigene Faust«, hieß es in der imperia-len Instruktion) am 20. September 1526, mit seinenBrüdern samt Anhang aus Rom zu verjagen, vielleichtzu töten suchte. Nun, daraus wurde nichts. Doch wäh-rend Clemens – betroffen noch durch die Nachrichtüber die Vernichtung des Ungarnheeres unter LudwigII., dem Schwager Karls, durch die Türken bei Mo-hács – in die Engelsburg floh, plünderte man im Vati-kan die Gemächer des Heiligen Vaters, die der Kardi-näle und Kurialen ebenso aus wie die Basilika St.

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7.771 Deschner Bd. 8, 437Clemens VII. laviert

Peter. Reliquien, Kreuze, Kelche, Hirtenstäbe, dieTiara des Papstes, das Geld in den Kassen der geistli-chen Ämter, alles, was zu haben war, wurde geraubt,schätzungsweise 300000 Dukaten in wenigen Stun-den – ein schlimmer Schimpf für den die Colonnabald mit seinen Kriegshaufen angreifenden und mehrals ein Dutzend ihrer Orte zerstörenden Hohenprie-ster, doch kaum ein bescheidenes Vorspiel dessen,was sich schon nächstes Jahr in Rom abspielen soll-te.8

Clemens VII., ängstlich, wankelmütig, treulos undverschlagen, betrieb eine sich an den mediceischenHausinteressen orientierende eher kleinstaatliche Poli-tik, wobei er, stets nach Bedarf die Seiten wechselnd,aus dem Lavieren nie herauskam. Als er die Liga vonCognac gegen den Kaiser arrangierte, hatte er es »sehreilig mit dem kriegerischen Vorbereitungen« (Sep-pelt). So blieb Karl kaum etwas anderes übrig, alsneue Streitkräfte nach Italien zu werfen. Tausende vonSpaniern und Deutschen segelten nach Neapel. VonTirol aus brach Georg von Frundsberg, der berühmte,auch die Schlacht von Pavia mitentscheidende Feld-hauptmann mit 12000 »frommen Landsknechten« auf,Franken und Schwaben, Bayern und Tiroler, nachRanke »sämtlich lutherisch gesinnt«. Soll ja auch ihrFeldherr selbst, der zu ihrer Besoldung, außer den Ju-welen König Ferdinands und dem Schmuck seiner

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7.772 Deschner Bd. 8, 438Clemens VII. laviert

Frau, die eigenen Güter und Schlösser für 38000 Gul-den versetzte, wiederholt erklärt haben, »wenn er genRom kom, so woll er den Papst henken«. Doch schonbei Bologna zog sich Frundsberg beim Versuch, diefehlenden Solds wegen meuternden Haufen zu beruhi-gen, einen Schlaganfall zu, mit dem er gerade nochheimkehren konnte, um am 20. August 1528 zu ster-ben.

In einem abenteuerlichen Zug, knapp an Proviantund Geld, ganz ohne Pferde und Kanonen, begünstigtdurch Kühnheit, Glück und einen teils untätigenFeind, durchzog man nach Überquerung des Gebirgesdie Lombardei, Mittelitalien, plünderte, brannte nie-der, geleitet, wie die Lutheraner sagten, von der Fü-gung Gottes, das frevelvolle Rom zu strafen, und be-gann dort auch sofort damit, den Willen des Herrn zuvollziehen. Ohne Beschießung, ohne die Stadt bela-gert, ohne sie eingeschlossen, ohne sie durch Hungerund Krankheiten geschwächt zu haben, doch in Anbe-tracht vieler prekärer Umstände gezwungen, entwederim ersten Anlauf zu siegen oder unterzugehen, stürm-te man mit notdürftig aus Weinbergpfählen gefertig-ten Leitern im nebligen Morgengrauen des 6. Mai dieewige Stadt, für alle Neugläubigen die Latrine derWelt jetzt, der grausige Sitz des Antichrist, »des Teu-fels Nest« mit Luther – der »Sacco di Roma« nahmseinen Lau f.9

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7.773 Deschner Bd. 8, 439Il Sacco di Roma

Il Sacco di Roma – der katholische Kaiser undSchirmvogt der Kirche bekriegt mit Spaniern

und Lutheranern den Papst

Zu den ersten Opfern auf der Seite der Kaiserlichengehörte ihr Oberbefehlshaber, der Connétable Karlvon Bourbon, der Mann, der – erst zwei Tage zuvordurch die große Exkommunikation gestraft – Romtrotz allem jetzt noch vor dem Schlimmsten hätte be-wahren können. Nach zwei abgeschlagenen Sturman-griffen aber stellte er sich selbst an die Spitze undfiel, den Fuß auf eine Leitersprosse setzend, sogleichdurch eine Kugel. Erbittert durch den Tod ihres popu-lären Führers überwanden die Angreifer jetzt dieMauern und 30000 spanische Marodeure und deut-sche Landsknechte metzelten, sich durch die Straßenergießend, wie leibhaftige Teufel alles nieder, wassich ihnen verzweifelt entgegenwarf oder wehrlos zuentkommen suchte. Heldenmütig kämpfende Milizenwurden fast bis auf den letzten Mann zusammenge-hauen und fliehende Schweizer. »Da muest alles ster-ben, was auf den Gassen gefunden wardt, es wargleich jung oder alt, Weib, Mann, Pfaff oder Münch.«

Die Berichte beider Seiten stimmen darin überein,daß niemand und nichts geschont worden ist. Manwarf Feuer in die Häuser, stach im Hospital S. SpiritoKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.774 Deschner Bd. 8, 439Il Sacco di Roma

die Kranken ebenso ab wie die Insassen des benach-barten Waisenhauses. Die Verteidigungsbereitschaftunter diesem Papst war alles in allem gering, dieWeltstadt wie gelähmt; sie sank, schreibt Gregorovi-us, vor den Speeren der Landsknechte und den Trom-peten des Feindes wie Jericho. Und ein HauptmannFrundsbergs, der Ritter Sebastian Schertlin, notierte:»Den 6. Tag May haben wir Rom mit dem Sturm ge-nommen, ob 6000 Mann darin zu todt geschlagen, dieganze Stadt geplündert, in allen Kirchen und ob derErd genommen was wir gefunden, einen guten Teilder Stadt abgebrannt.«10

Am nächsten Tag, am 7. Mai, lagen die Straßenvoller Toter und Sterbender, darunter besonders viele,von den Kriegsknechten aus den Fenstern geworfenekleine Kinder. Und schon nach wenigen Tagen erfüll-te der Dunst von Tausenden unbegrabener Leichendie Stadt. Bald brachen Pest und Hungersnot aus.Viele Häuser, besonders die Paläste waren vollge-pfropft mit vor Todesangst bebenden Menschen undviele auch voller Schätze. Im Palast des Markgrafenvon Mantua und des dem Kaiser nahestehenden por-tugiesischen Gesandten erbeutete man, da auch vieleBankiers ihr Geld dorthin geflüchtet, gleich in der er-sten Nacht angeblich 500000 Dukaten; aus dem Pa-last des Kardinals Enkevoirt holte man Beute im ge-schätzten Wert von 150000 Dukaten, aus den Häu-

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7.775 Deschner Bd. 8, 440Il Sacco di Roma

sern der Kardinäle Valle und Cesarini im geschätztenWert von 200000 Dukaten. Als Sympathisanten desKaisers hatten sich diese Kardinäle außer Gefahr ge-glaubt.

Doch verschonte man auch die Häuser kaiserlichGesinnter, die Häuser selbst von Spaniern und Deut-schen nicht und sprengte Widerstand leistende Palästein die Luft. Man schleppte Kardinäle gebunden undmit Fußtritten traktiert durch Rom, wie den Luther1518 auf dem Augsburger Reichstag gegenüberste-henden Thomas Cajetan oder den alten, kaiserlich ein-gestellten Kardinal Ponzetta, doch erst nachdem manihn um seine verscharrten 20000 Dukaten gebracht.Man fahndete noch in Gärten und Gräbern nach Gold,in Kanälen und Kloaken, man erpreßte von ScharenGefesselter, oft unter Todesdrohungen, oft unter teuf-lischen Martern, ungezählte hohe Lösegelder, zahltenicht selten 60000 Gulden, der Bischof von Potenza,ein Kaiserlicher, kaufte sich dreimal los und wurdedoch ermordet. »In ganz Rom«, meldet ein Bericht,»ward kein Sterblicher über drei Jahre gefunden, dersich nicht loskaufen mußte.« Wer es nicht konnte,wurde erst gefoltert, dann liquidiert. Mancher ge-wöhnliche Kriegsknecht kam »im Handumdrehen« zu20000, ja 40000 Dukaten.

Am meisten holte man aus Kirchen und Klöstern,zumal sie auch noch Mengen dorthin geflüchteten

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7.776 Deschner Bd. 8, 440Il Sacco di Roma

Gutes bargen. Selbst die Nationalkirche der Deut-schen wie der Spanier wurde ausgeraubt und SanctaSanctorum, die heiligste Kapelle der heiligen Stadt.Den Sarg Julius' II. hat man geplündert, kostbareKunstwerke, herrliche Glasmalereien, Handschriftenvernichtet, Raffaels flandrische Tapeten verhökert.Die sakrosanktesten Schätze wurden entwendet, ge-weihte Hostien geschändet, das Schweißtuch der Ve-ronika, die Apostelhäupter, die heilige Lanzenspitze,die ein deutscher Kriegsknecht, am eignen Spieß befe-stigt, herumschwenkte. Noch die lächerlichsten Reli-quien verschwanden, wie (durch Ritter Schärtlin) derStrick, an dem sich Judas erhängt hatte. Und Spanier,Lutheraner, Italiener äfften, entsprechend kostümiert,in grotesken Szenen die Zeremonien der Priester nach.

Viele Mönche wurden ermordet, viele als Kriegsge-fangene verkauft, Geistlichen die Nasen, die Ohrenabgeschnitten. Der achtzigjährige Bischof von Poten-za, der das Lösegeld nicht zahlen konnte, wurde so-fort niedergemacht. Hatten doch die Landsknechtesogar Gott versprochen, alle Pfaffen umzubringen.Und mit den Nonnen wurden, vermutlich ohne solcheAbsprache, die ungeheuersten Greuel begangen.

Man würfelte auf den Hochaltären St. Peters, soffdort mit Nutten, mit halbnackten Hetären aus Meßkel-chen, während in den Seitenschiffen, in der Sixtinaund anderen Kapellen eingestallte Pferde standen,

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7.777 Deschner Bd. 8, 441Il Sacco di Roma

Bullen und Handschriften als Streu unter sich. Primi-tivste Kriegsknechte verlustierten sich mit den vor-nehmsten, den reichsten Damen Roms, entehrten sievor ihren Männern, Eltern, trieben es mit Marquisen,Gräfinnen, Baronessen, noch lange danach »die Reli-quien des Sacco von Rom« genannt. Insbesondere diegeilen Spanier, denen man überhaupt das Schlimmstenachsagte, schienen mit Vorliebe Kinder vergewaltigt,die wilden Deutschen, die »frommen Landsknechte«,lieber Kardinäle gefoltert zu haben. Immer wiederauch stritten Spanier und Deutsche um den Raub, undfast wäre es darüber zur Schlacht gekommen, wozudie Deutschen bereits erbeutete Kanonen in Stellungbrachten. Es folgte auch, da der Papst die von den Be-satzern verlangten Summen nicht zahlen konnte, eineabermalige, teilweise noch schrecklichere PlünderungRoms, wo schließlich zwei Drittel aller Häuser ver-nichtet, vier Fünftel unbewohnt waren und die Umge-gend fünfzig Meilen weit einer Wüste glich.11

Auf 20 Millionen Golddukaten wurde, vielleichtübertrieben, die Beute des Sacco di Roma geschätzt –mit 250000 hätte der Papst ihn verhindern können,hätte er der Welt das unerhört blutige Schauspiel er-spart, das die Soldateska des höchsten weltlichenHerrn der Christenheit in der Stadt ihres höchstengeistlichen Hauptes auf wahrhaft singuläre Weise so-zusagen zum Besten gab.

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7.778 Deschner Bd. 8, 442Il Sacco di Roma

Am 4. Mai hatte Clemens zum Kreuzzug gegen dienur noch drei Stunden vor Rom stehende Armee desKaisers aufgerufen, »diese Lutheraner und Maranen«,deren Führer Bourbon bloß Verpflegung und freienDurchzug nach Neapel begehrte und für eine großeGeldsumme die Stadt wohl geschont haben würde.Clemens aber war in die Engelsburg geflohen, wiedreizehn Kardinäle und einige Tausend Römer, vondenen viele auf der Brücke zum Kastell zertreten wor-den sind, und noch am 5. Mai, als schon Panik in derStadt grassierte, hatte der Papst, dem mantuanischenGesandten zufolge, »den allerbesten Mut«.

Zwei Tage später jedoch verhandelte er mit denKaiserlichen und wollte sich der Großmut Karls über-geben. Er kontaktierte natürlich auch mit der zumEntsatz heranrückenden Ligistenarmee, die dann frei-lich wieder umgekehrt ist. Inzwischen war auch einVersuch, ihn zu befreien, mißglückt; in Rom wütetedie Pest, die Hungersnot, die Kaiserlichen drohten mitdem Sturm der Engelsburg, notfalls auch den Papstsamt Kardinälen in die Luft zu sprengen. So kapitu-lierte Clemens schließlich am 5. Juni 1527. Er schloßeinen Vertrag mit seinem Kerkermeister, dem Kaiser,der wenig ergriffen über dessen Schicksal war, derRoms Katastrophe öffentlich beklagt, betrauert, ins-geheim wohl genossen, im übrigen alles als Fügung,als Strafe Gottes ausgegeben hat. Kalt und umsichtig

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7.779 Deschner Bd. 8, 442Il Sacco di Roma

behielt er den Papst sieben Monate in harter Gefan-genschaft, ehe dieser über Orvieto und Vierboschließlich auf kaiserlichen Wunsch am 6. Oktober1528 wieder in Rom einzog, »einen elenden, zerrisse-nen Leichnam vor unserem entsetzten Blick«, was javor allem seine eigene Schuld war.

Clemens hatte sich bei Karl wie bei Franz I. fürseine Befreiung bedankt. Doch erst als der inzwischenum Neapel ausgebrochene Krieg, wie der in Oberitali-en, nicht, wie von ihm erhofft, zugunsten Frankreichssondern Spaniens ausging, legte er sich endgültig aufKarl fest, der im Königreich Neapel ein Schreckensre-giment begann. Aber notgedrungen sah er jetzt seinenVorteil und den seines Hauses, den er nie aus demAuge verlor, der bei vielen Entscheidungen alle and-ren Gesichtspunkte überwog, wieder im Lager desKaisers. Er schloß mit ihm 1529, während die Türkenschon nach Wien stürmten, im Juni den Frieden vonBarcelona, im Dezember den Frieden von Bolognaund krönte Karl V. dort am 24. Februar 1530 zumKaiser, zu dem mächtigsten vielleicht des Reiches seitKarl »dem Großen«: die letzte Krönung eines Kaisersdurch einen Papst, allerdings nicht mehr in Rom.

Doch auch danach näherte sich Clemens wiederFrankreich, und ohne Zweifel auch wieder aus dyna-stischen Gründen. Und als er Ende Oktober 1533 inMarseille seine junge Großnichte Katharina von Me-

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7.780 Deschner Bd. 8, 442Il Sacco di Roma

dici mit dem zweiten Sohn des französischen Königs,Heinrich von Orléans, traute, dem späteren HeinrichII. von Frankreich, führte er einmal mehr geheim blei-bende Gespräche mit Franz I., die verständlicherweisewieder des Kaisers Mißtrauen erregten.12

Während des Clemens-Pontifikats festigte sich dieReformation in Deutschland gewaltig, wurde sie auchin Schweden eingeführt, kam die Loslösung der engli-schen Kirche von Rom durch Heinrich VIII. fast zumAbschluß, eroberte und zerstörte der Spanier Francis-co Pizarro in Peru das Inka-Reich – doch darüber ananderer Stelle, wenn es mir noch vergönnt sein sollte.

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7.781 Deschner Bd. 8, 443Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

Papst Paul III. (1534–1549) Türkenkriege,Römische Inquisition und sein Verrat des

Kaisers im Schmalkaldischen Krieg

Als Clemens VII. im September 1534 einem längerenLeiden erlag, folgte ihm als Papst ein Mann, der spä-ter seinem Vorgänger nachsagte, ihm zehn Pontifi-katsjahre genommen zu haben – eine Anspielung aufdas Konklave 1523. Doch war ihm schon zweimalzuvor das Papsttum ziemlich knapp entgangen. ImOktober 1534 aber schaffte er es in zwei Tagen undnach einmütiger Wahl, allerdings jetzt 67 Jahre alt,kränkelnd, doch diplomatisch befähigt, klug, berech-nend und von enormer Willenskraft.

Alessandro Farnese, wie Paul III. (1534–1549) mitdem Spitznamen »Kardinal Unterrock« (S. 338) vor-dem hieß, entstammte einer dem Waffenhandwerkverbundenen Familie and verdankte seinen Aufstiegseiner schönen, von Tizian gemalten Schwester Giu-lia, verheiratete Orsini und bevorzugte Geliebte Ale-xanders VI. Der Borgia-Papst hatte den 23jährigen, inRom und Florenz humanistisch erzogenen AlessandroFarnese bereits 1493 dank der Dienste seiner Schwe-ster Giulia, La Bella, ins sogenannte Heilige Kollegi-um geholt und zum Schatzmeister der Kirche ernannt.Und natürlich hatte der Farnese als echter Renais-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.782 Deschner Bd. 8, 444Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

sance-Prälat auch selbst eine Mätresse, die den Kardi-nal zum Vater von drei Söhnen und einer Tochter Co-stanza machte. Mehrere dieser Kinder haben Julius II.und Leo X. legitimiert; davon war Pier Luigi, der Äl-teste, ein hemmungsloser Lüstling und besondererGünstling des Vaters, der ihn zum Gonfaloniere, zumOberbefehlshaber der päpstlichen Truppen und zumHerzog von Parma (fast zwei Jahrhunderte dann imerblichen Besitz der Farnese) und Piacenza machte,wo er 1547 mit Einverständnis Karls V. ermordetworden ist. Immerhin herrschten dort acht Papstab-kömmlinge als Herzöge in direkter Linie.

Paul III. hatte aber nicht nur vier Kinder, er leistetesich auch, freilich nichts Neues wieder, einen exzessi-ven Nepotismus. Schon 1534, kurz nach seiner Wahl,machte er zwei seiner Enkel zu Kardinälen, und zwarAlessandro Farnese, den Sohn Pier Luigis, im Altervon vierzehn Jahren, Enkel Guido Ascanio Sforza diSantafiora, den Sohn seiner (mit dem gleichnamigenGrafen verheirateten) Tochter Costanza, im Alter von16 Jahren. Beide Kardinäle, seinerzeit noch in Bolo-gna studierend, wurden mit Bistümern, Abteien, Prio-raten nur so überhäuft und bekamen die lukrativstenSchlüsselämter der Kurie.

Paul III. machte Enkel Alessandro damals zumGouverneur von Spoleto, zum Gouverneur von Tivoli,erhob ihn schon mit fünfzehn, als er auch die Abtei

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7.783 Deschner Bd. 8, 444Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

Tre Fontane bei Rom und das Erzbistum Avignon er-hielt, zum Vizekanzler und ließ ihn seit 1538, mitachtzehn Jahren, auch die meisten Staatsgeschäftewahrnehmen. Und wie der Papstgroßpapa war auchPapstenkel Kardinal Alessandro Vater einer Tochterund lebte in Rom auf großem Fuß, gleich allen Farne-sen freilich, die bald, erst geheim, dann öffentlich, inder Stadt erschienen und sich schnell bereicherten.

Rasch gesegnet mit Pfründen und Bistümern warauch Papstenkel Guido Ascanio. Der junge Kardinalwurde Legat von Bologna und der Romagna, wurdeCamerarius, Leiter der kurialen Finanzverwaltung,Patriarch von Alexandrien. Ein dritter Papstenkel, derfünfzehnjährige Ranuccio, auch er ein Sprößling PierLuigis, erhielt gleichfalls den roten Hut. Und Papsten-kel Ottavio Farnese bekam als erbliches Lehen dasHerzogtum Camerino in den Marken, bald vertauschtmit dem Herzogtum Castro in Latium.13

Paul III. selbst, so oft als Mann des Übergangs be-zeichnet, war trotz einiger Abstriche ein typischer Re-naissancepapst, der im wesentlichen den Lebensstilvieler Vorgänger und den seiner eigenen Prälatenzeitungehemmt fortsetzte. Wie seine Kardinäle gab errauschende Feste. Er veranstaltete Maskenbälle imVatikan, ließ frivole Schauspiele aufführen, Musikergastieren, Sängerinnen, Possenreißer. Er feierte gernund luxuriös mit seinen Nepoten und zog auch Frauen

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7.784 Deschner Bd. 8, 445Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

(seiner Sippe) zu Tisch. So hält ZeremonienmeisterBlasius de Martinellis unter dem 7. Februar 1535fest: Papa habuit 8 vel 10 mulieres secum in prandio.Der Papst liebte üppige Bankette, Karnevalsfeiern,Stier- und Pferderennen. Und zog auch zu aufwendi-gen Jagden aus.

Paul III., der zu Beginn seines Pontifikats dreiZiele, wie er sagte, sich gesteckt, Herstellung des äu-ßeren Friedens, Krieg gegen die Türken und ein allge-meines Konzil, verschwieg begreiflicherweise seinvielleicht wichtigstes Vorhaben: die völlig ungezügel-te Bereicherung und Erhöhung seines Geschlechts;eine ihn unentwegt beschäftigende Familienpolitik,die seine Kräfte extrem beansprucht und immer mehrverzehrt, vor allem aber die Beziehung zum Kaiser»aufs schwerste« gestört hat. Standen doch beideHäupter der Christenheit von Anfang an »einandervoll Mißtrauen und Abneigung gegenüber« (Sep-pelt).14

Der Farnese mied allerdings die katastrophaleSchaukelpolitik seines Vorgängers, wollte sich wedermit dem Kaiser noch mit dem französischen Königüberwerfen und hielt seine neutrale Position, sehr zumÄrger der zwei Fürsten, auch eine Reihe von Jahrenmehr oder weniger durch. Jeder der beiden Monar-chen, die sich in den späteren dreißiger, den früherenvierziger Jahren blutig bekriegten, was Sultan Sulei-

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7.785 Deschner Bd. 8, 446Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

man den Prächtigen nur zu neuen Vorstößen reizte,suchte den Papst mit vielen Verlockungen auf seineSeite zu ziehn, und der Papst suchte zwischen ihnenzu vermitteln, Frieden zu wahren oder herzustellen,vor allem um vereint die Hohe Pforte besser bekämp-fen zu können.

Schon im Monat nach seiner Wahl, im November1534 erklärte Paul den Krieg gegen die Türken alsseine heiligste Pflicht. Und als Karl Ende Mai 1535von Barcelona aus gegen Chaireddin Barbarossa, denunter türkischer Oberhoheit und mit Franz I. in Ver-bindung stehenden Beherrscher Algiers samt einigenhundert Schiffen gegen Tunis in See stach, segelteauch eine kleine Kriegsflotte des Papstes mit. Zudemwar Paul dem Kaiser finanziell beigesprungen und hatdas Unternehmen natürlich, wie dieser, als Kreuzzug,als Heiligen Krieg betrachtet und feierlich gesegnet.Auch den Segen der Himmelskönigin hatte sich Karldurch eine Wallfahrt nach dem Kloster Montserrat er-worben und selbstverständlich wehte am Mast desAdmiralsschiffes eine Flagge mit dem Bild des Ge-kreuzigten. Man eroberte La Goletta, dann das barba-risch geplünderte Tunis, befreite Tausende von Chri-stensklaven, und Paul feierte den Sieg mit einem per-sönlich angestimmtem Te Deum durch Feuerwerkeund Dankprozessionen im ganzen Kirchenstaat.

Ermutigt durch das Kriegsglück (ein schrecklichesKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.786 Deschner Bd. 8, 446Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

Wort), trieb der Heilige Vater auch künftig zumKampf gegen die »Ungläubigen«. Er besteuerte des-halb seine Untertanen und belastete den italienischenKlerus durch stets neue Türkenzehnten, so 1537,1541, 1543, 1544. Doch als er am 8. Februar 1538nach vieler Mühe ein antitürkisches Bündnis, eineneue heilige Liga mit dem Kaiser, mit Ferdinand I.und Venedig geschlossen und zwei Tage darauf in St.Peter feierlich verkündet, als er generös Kreuzzugsab-lässe zum neuen Heiligen Krieg bewilligt, ja man sichschon über die Teilung des türkischen Reiches geei-nigt hatte, holten sich die Christen im September inder Seeschlacht vor dem Felsenschloß Prevesa imGolf von Arta eine jämmerliche Schlappe. Ebensomißlang ihnen ein zweiter Zug gegen Algier im Spät-herbst 1541. Und im folgenden Jahr nahm auch dieOperation eines vor der vom Sultan besetzten FestungOfen meuternden Reichsheeres einen kläglichen Ver-lauf.

Doch schließlich wurde der Türkenkrieg vom Kai-ser, der bereits mit Barbarossa verhandelte und einenFriedensschluß mit der Pforte erwog, gar nicht mehrernst genommen. Er trat allmählich in den Hinter-grund, nicht nur in seiner Politik, auch in der des Pap-stes, der mittlerweile, während der Kaiser eine Preis-gabe der kurialen Neutralität zu seinen Gunstenwünschte, immer mehr auf die Seite Frankreichs glitt,

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7.787 Deschner Bd. 8, 447Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

dem vermutlich von Anfang an seine Sympathien gal-ten; und das, obwohl Franz I. ganz offen mit den Tür-ken verbündet war und überdies enge Kontakte zu denProtestanten in Deutschland unterhielt, sie jedoch imeigenen Land hart verfolgte. Aber der König bildeteauch ein natürliches Gegengewicht gegen die habs-burgische Weltmacht, besonders gegen die von derfranzösischen Diplomatie an der Kurie fortgesetzt dis-kreditierte Hegemonie des Kaisers in Italien.15

Paul III. befürchtete inzwischen, nicht anders alssein Vorgänger, die immer größere Macht Karls, dieEinschnürung des Kirchenstaates im Norden undSüden.

Im Süden gebot der Kaiser über Neapel und Sizili-en, in Mailand ernannte er 1546 Ferrante Gonzaga,einen erbitterten Feind der Farnesen, zum Vizekönig,an dessen Stelle der Papst lieber seinen Enkel OttavioFarnese, Karls Schwiegersohn, gesehen hätte. Dochdem Herrscher mißfielen die nepotistischen, seine Po-litik beträchtlich störenden Rücksichten und Verflech-tungen des Papstes, der im Kirchenstaat vor allemwegen seiner Steuern verhaßt war. Gegen die im Jahr1540 rebellierenden Peruginer verhängte er nicht nurdas Interdikt, sondern ließ auch seinen Sohn PierLuigi Farnese mit einem Heer von 10000 Mann unterargen Verwüstungen ins Peruginische einrücken: dersogenannte Salzkrieg; den Paul III. dann auch gegen

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7.788 Deschner Bd. 8, 447Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

Ascanio Colonna führte, wobei man unter dem Ober-befehl von Pier Luigi alle Kastelle der Colonna er-obert, einige dem Erdbeben gleichgemacht, rundzwanzig Colonna-Besitzungen konfisziert hat.16

Ein erheblicher Dissens zwischen Kaiser und Papstbestand im Verhalten gegenüber den Protestanten.Für Karl, zwar streng »altgläubig« und entschiedenerVerfechter einer Reunionspolitik, waren hauptsäch-lich die »weltlichen« Aspekte der Religionsfrage, derKirchen- und Glaubensspaltung entscheidend. »Maß-gebend war der jeweilige Stand der großen machtpoli-tischen Auseinandersetzung mit Frankreich und dieFrage, wieweit das Papsttum ausgespielt und für dieeigene Politik nutzbringend eingesetzt werden konn-te« (Handbuch der europäischen Geschichte).

Jahrelang suchten beide Habsburger kriegerischeVerwicklungen in Deutschland zu verhindern und diefür sie so wesentliche Einheit des Reiches durch fried-liche Religionsgespräche, durch Ausgleichsverhand-lungen zu erreichen. Auch der Papst hätte nichts lie-ber als eine religiöse Einigung gesehen, aber natürlichauf Kosten der Protestanten und ganz zugunsten derRömischen Kirche. Die Vermittlungspolitik Karlsund Ferdinands erschien ihm gefährlich und verfehlt.Er war für Druck, Zwang, Verfolgung. Eben deshalbschuf er auch, angeregt durch Ignatius von Loyola,den Begründer der Jesuiten, 1542 mit der Bulle

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7.789 Deschner Bd. 8, 448Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

»Licet ab initio« die Römische Inquisition als Zen-tralbehörde für die Bekämpfung der »Ketzerei« inallen Ländern. Und stellte an die Spitze des »SanctumOfficium« eine entsprechend brutale Persönlichkeit,den Kardinal Gian Pietro Carafa, einen guten Kennerder Spanischen Inquisition, der vom Inquisitor auchnoch als Paul IV. zum Papst aufstieg und durch des-sen unmenschliche Strenge, so Kardinal Girolamo Se-ripando, diese Römische Inquisition eine solche Be-deutung gewann, »daß man dafür hielt, nirgends aufder ganzen Erde würden schrecklichere und furchtba-rere Urteile gefällt ...« In Italien konnten deshalb pro-testantische Haltungen und Gemeinden nicht langebestehen; während das Luthertum in Deutschland zurZeit Pauls III. kräftig gedieh, das Papsttum aber Stadtum Stadt und auch weitere Territorien verlor.17

Natürlich war auch Karl V. nicht aus purem Frie-dens- und Toleranzbedürfnis für Verhandlung mit dendeutschen Lutheranern. Seine Kriege gegen Türkenund Franz I. aber banden ihn und König Ferdinandund erzwangen geradezu die »Toleranz«. So gewährteer den protestantischen Reichsständen gegen Zahlungeiner Türkenhilfe am 23. Juli 1532 im NürnbergerReligionsfrieden einstweilige Freiheit in Glaubensfra-gen und stellte die Religionsprozesse vor dem Reichs-kammergericht ein. Ganz ähnlich operierten die Habs-burger am 19. April 1539 beim »Frankfurter An-

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7.790 Deschner Bd. 8, 448Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

stand« zwischen König Ferdinand und den Schmal-kaldnern. Ebenso machte Karl im Abschied des Spey-erer Reichstags vom 10. Juni 1544 den Protestanteneine Reihe von Zugeständnissen – all dies stets nurunter außenpolitischem Druck und zum größten Miß-vergnügen des Papstes.

Sobald aber der Kaiser seinen vierten Krieg mitFranz I. durch den Frieden von Crépy am 18. Septem-ber 1544 beendet hatte, steuerte er voll auf den Kriegmit den Protestanten zu, den er wohl nur durch derenlaufende »Fehler«, durch verpaßte Gelegenheiten,sträfliches Ungeschick von Anfang an, nicht verlor.

Denn verbittert durch seine Mißerfolge, durch dieprotestantische Intransigenz änderte er seine Haltung,ja soll jetzt geäußert haben, sein Leben dranzusetzen,um zu verhindern, »daß diese Sekte noch weitere Ver-breitung gewinne«. Und auch wenn er es so gern be-stritt, der Schmalkaldische Krieg galt von vornhereinals »Glaubenskrieg«, als »Krieg Gottes«. Der Papstüberreichte dazu seinen beiden Enkeln Alessandround Ottavio das Kreuz nebst Fahne und verkündete inguter alter Tradition einen Ablass »für den gemeinenFrieden und die Ausrottung der Ketzereien«. Karlaber billigte er sofort die beträchtliche Summe von200000 Dukaten zu, außerdem 400000 Dukaten, dieHälfte der Jahreseinnahmen der spanischen Kirche,sowie 12000 Mann Fußvolk und 500 Reiter.18

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7.791 Deschner Bd. 8, 449Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

Doch noch bevor dieser Krieg durch den Kaiser(der daran, an Gicht und Blase leidend, in einer Sänfteteilnahm, so daß die Leute meinten, die Spanier führ-ten nur seine einbalsamierte Leiche mit), noch bevorder Krieg durch den Kaiser gewonnen war, ja nochbevor der zum entscheidenden Schlag ausgeholt, stell-te der Papst, erschreckt geradezu durch die Erfolgeseines Bundesgenossen, nicht nur die ohnedies spär-lich geflossene Subsidienzahlung ein, sondern zogauch seine Truppen, die, wie er Karl schrieb, »jetztarg zusammengeschmolzen sind«, aus Deutschlandzurück. Sah er doch nun, mehr noch als in den Luthe-ranern, in Karl V. den eigentlichen Feind. Der aber,auf dessen Seite auch protestantische Reichsständefochten, vor allem der Herzog Moritz von Sachsen,höhnte, er sei »sehr dankbar, daß Paul III. ihn vondiesem italienischen Raubgesindel, das nur geschadethabe, befreie«, komme er doch »immer mehr zu derÜberzeugung«, der Papst habe »ihn in diesen Kriegverwickelt ... mit der Absicht, ihn zu verderben«. Undoffensichtlich wäre es dem Heiligen Vater, dem derKaiser damals noch in einem besonders perfidenWortspiel seine »Franzosenkrankheit« vorwarf, nichtunlieb gewesen, wäre Karl nach seinem Sieg über dieSchmalkaldener in Süddeutschland, ihnen in Nord-deutschland unterlegen. Aber in der Schlacht beiMühlberg an der Elbe – keine Schlacht, so Melan-

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7.792 Deschner Bd. 8, 450Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

chthon, ein Davonlaufen – beendete Karl V. am 24.April 1547 den Schmalkaldischen Krieg mit etwafünfzig eigenen Toten und mehr als 2000 Toten seinerGegner.19

Zur Zerrüttung des Verhältnisses von Kaiser undPapst trug nicht zuletzt das Tridentinum bei(1545–1563), jenes große Konzil, mit dem die Ge-genreformation recht eigentlich beginnt.

Vom französischen König stets und mit allen Mit-teln bekämpft, von den protestantischen Fürstenschroff abgelehnt, vom Papst immerhin erst nacheinem vollen Jahrzehnt zustandegebracht, bestandenzwischen diesem und Karl verschiedene, wenn auchdann überbrückte Ansichten über die Priorität derThemen (Reformberatung oder Behandlung der Glau-benslehre). Die schärfste Spannung jedoch zwischenKaiser und Papst trat ebendamals, 1547, ein durch dieVerlegung des Konzils von Trient nach Bologna, dasheißt weg aus dem kaiserlichen und hin zum päpstli-chen Machtbereich. Einige Fälle von Flecktyphus inder Stadt bildeten den Vorwand, und die Erklärung,man habe die (langgeplante) Verlegung ohne Wissendes Papstes vorgenommen, war sicher unwahr. Nie-mals werde er dies glauben, erklärte der aufs äußersteempörte Kaiser, dessen große Hoffnung auf eine Be-teiligung der Protestanten am Konzil damit zerschla-gen war, dem päpstlichen Nuntius Girolamo Verallo

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7.793 Deschner Bd. 8, 450Papst Paul III. (1534-1549) Türkenkriege

in einer Audienz am 14. April 1547 in Plauen, zehnTage vor der Schlacht bei Mühlberg. Und erwiderteauf die Bemerkung, der Papst könne einen Konzilsbe-schluß nicht widerrufen, er wisse längst, daß SeineHeiligkeit die Sache nach ihren Wünschen drehe.»Der Papst denkt nur daran, sein Leben zu verlän-gern, sein Haus zu vergrößern, Geld aufzuhäufen ...Wir kennen ihn: er ist ein hartnäckiger Alter, der andem Untergang der Kirche arbeitet.«20

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7.794 Deschner Bd. 8, 451Der Augsburger Religionsfrieden - neues Recht ...

Der Augsburger Religionsfrieden – neues Rechtund neues Unrecht

Gewiß hat Paul III. so wenig an diesem Untergangder Kirche gearbeitet wie sein Nachfolger Julius III.(1550–1555), Giovanni Maria Ciocchi del Monte, derdafür vielleicht noch etwas bessere (eigentlich:schlechtere) Voraussetzungen mitgebracht.

Denn auch wenn der neue Papst gleich zu Beginnseines Pontifikats in einer Rede am 10. März seinenEifer für die Religion und das Konzil betonte – wasihn rasch populär machte, obwohl er so unsympa-thisch aussah, daß es Künstlern schwerfiel, ihn darzu-stellen, das war seine ungeheure Vergnügungssuchtund die Befriedigung gewisser Freuden des Volkes,worüber er die eigene Verwandtschaft keinesfalls ver-gaß. Pietro del Monte ernannte er zum Präfekten derEngelsburg, seinen Neffen Ascanio della Corgna zumGardekommandanten, seinen Bruder Baldovino zumGouverneur von Spoleto, dessen Sohn Giovan Batti-sta zum Regenten von Fermo und Nepi sowie zumGonfaloniere der Kirche, die Söhne seiner beidenSchwestern erhob er zu Purpurträgern. Ja, einen Jun-gen, den er als Legat in Piacenza »sozusagen von derStraße aufgelesen« und durch seinen Bruder adoptie-ren ließ, machte er zu seinem Affenwärter und mitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.795 Deschner Bd. 8, 451Der Augsburger Religionsfrieden - neues Recht ...

siebzehn Jahren gleichfalls zum Kardinal. Er über-häufte ihn, ganz ungeachtet des Skandals, den er er-regte, in abgöttischer Liebe mit Pfründen, gab ihmmehrere Abteien, machte ihn noch zum Staatssekretär,wobei wir offen lassen können, ob der Papst derVater, der Liebhaber des Jungen oder beides war.21

Julius III., der auf einer Medaille die »hilaritas pu-blica«, die allgemeine Fröhlichkeit, verherrlichte, ge-fiel der Menge durch seine Faulheit, Freßlust, seineMißachtung des Zeremoniells, seine derben Spaße,Redensarten, die Förderung des Karnevals, seine Vor-liebe für Feste, Rennen auf dem Korso, Stiergefechte.Der dritte Julius genoß Gepränge, glänzende Gelage,wozu er gern die Kardinäle, aber auch Frauen einlud.Er frönte dem Luxus, spielte um hohe Einsätze. Kurz:»Die Hauptbeschäftigungen des Papstes«, schreibtder katholische Papsthistoriker Kühner von dem ein-stigen Präsidenten des Konzils von Trient, »warenMaskeraden, Stierkämpfe, Jagden, Kartenspiel umhohe Summen und Gastmähler, die, wie es seinemWesen entsprach, in ordinäre Lustbarkeiten ausarte-ten.« Oder wie Ranke, wie so oft schonend, wennnicht schönfärbend formuliert, »das harmlose ver-gnügliche Leben auf seiner Villa genügte ihm«.

So ganz doch nicht. Wenn es auch bei all den Freu-denbedürfnissen des Papstes fast erstaunt, daß er auchnoch Zeit für etwas Kirchenpolitik fand; daß er sich

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7.796 Deschner Bd. 8, 452Der Augsburger Religionsfrieden - neues Recht ...

beispielsweise durch Karl V. in einen Krieg gegenden Herzog Ottavio Farnese, einen, wie er sagte, elen-den Wurm, den Enkel seines Vorgängers Paul, hinein-reißen ließ, einen Krieg, der gefährlich, sehr kostspie-lig und überdies für den Papst erfolglos war.

Wie Julius III. auch sonst keine großen Erfolgevorzuweisen hat, weder politisch noch kirchlich.Macht es doch selbst auf Ludwig von Pastor, der sichso große Mühe gibt, der Vergessenheit zu entreißen,was sein verkannter Held »für Rom und den Kirchen-staat leistete« (»namentlich seine Sorge für strengeJustiz«!), macht es doch sogar auf den Historiker derPäpste, der wenigstens etwas »Reformatorisches Wir-ken« des Papstes nachzuweisen sucht, »den peinlich-sten Eindruck, daß Julius III., statt innere Einkehr zuhalten, sich in geradezu naiver Weise wie die großenHerren der Renaissanceperiode mit Komödien, Hof-narren und Kartenspiel vergnügte.«22

Noch im Todesjahr des Papstes, im September1555, schloß man den Augsburger Religionsfrieden.Er war nicht theologisch, sondern kirchenpolitischmotiviert und kam vor allem den Interessen protestan-tischer wie katholischen Fürsten entgegen, sicherteaber insbesondere den sich zur Augsburger Konfessi-on bekennenden Fürsten und Reichsständen den Be-sitz der bis 1552 eingezogenen Kirchengüter zu – den»deutschen Kantönlipotentätchen«, wie Theodor Les-

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7.797 Deschner Bd. 8, 452Der Augsburger Religionsfrieden - neues Recht ...

sing spottet, die durchaus gewillt waren, »die neueBewegung mitzumachen bis zur äußersten Grenzeihres eigenen Vorteils«.

Preisgegeben wurde durch den Augsburger Religi-onsfrieden das von Karl V. erstrebte Ziel, dem Reichdie religiöse Einheit aufgrund des katholischen Be-kenntnisses zu erhalten. Das Konfessionsbestim-mungsrecht des Kaisers (der »Skrupel« hatte, inAugsburg mitzuwirken und bald danach abdankte)gemäß dem damals mehrfach ausgesprochenenGrundsatz »Ubi unus dominus, ibi una sit religio«,woraus erst später die bekanntere Formel wurdeCuius regio, eius religio (Wem das Land gehört, demgehört die Religion), war jetzt aufgehoben. Doch nunbeanspruchten dieses Recht die Reichsstände. Dasheißt die Fürsten, die reichsunmittelbare Aristokratieund die Reichsstädte hatten freie Religionswahl. Siekonnten fortan zwischen Katholizismus und Luther-tum entscheiden, ein Recht, das ihnen zuerst durchden Speyrer Reichstag 1525, nun aber endgültig zuer-kannt worden ist. Die Untertanen dagegen blieben andie Entscheidung ihrer Obrigkeit gebunden, bliebenvom Recht des Bekenntniszwanges, des sogenanntenius reformandi völlig abhängig. Untertanen, die denreligiösen Glauben ihrer Oberen nicht annehmenwollten, konnten nach dem Verkauf ihrer Güter ver-schwinden, auswandern.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.798 Deschner Bd. 8, 453Der Augsburger Religionsfrieden - neues Recht ...

Der Augsburger Religionsfrieden, ein Kompromiß,der viele Unklarheiten, viel Konfliktstoff barg, auchzunächst nur als Provisorium gedacht und vomPapst – jetzt Paul IV. – selbstverständlich verworfen,wurde ein Definitivum, wurde vom WestfälischenFrieden (1648) bestätigt und blieb bis zum Untergangdes Reiches 1806 Reichsgesetz. Der sogenannte Reli-gionsfrieden förderte besonders das landesherrlicheKirchenregiment. Von echter Toleranz, von Gewis-sensfreiheit keine Spur. Die uneingeschränkte Religi-onsausübung, von den Lutheranern so energisch fürsich beansprucht, gestanden sie auf ihren Territorienkeinesfalls den Katholiken zu (und umgekehrt). Undganz wurden Zwinglianer, Calvinisten, Täufer ausge-schlossen.23

Denn bei Frieden haben die Religionen immer nuran ihren eigenen gedacht.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.799 Deschner Bd. 8Anmerkungen zum achten Band

Anmerkungen zum achten Band

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.800 Deschner Bd. 8, 455Anmerkungen zum achten Band

Anmerkungen zum achten Band

Die vollständigen Titel der angeführten Sekundärlite-ratur stehen auf S. 483 ff., die vollständigen Titelwichtigerer Quellenschriften und Abkürzungen imAbkürzungsverzeichnis auf S. 509 f., Autoren, vondenen nur ein Werk benutzt wurde, werden in den An-merkungen meist nur mit ihrem Namen zitiert, die üb-rigen Werke mit Stichworten.

1. KapitelDie Anfänge Karls IV. von Luxenburg-Böhmen(1346–1378) und Clemens VI. (1342–1352), ein

Vorläufer der Renaissance-Päpste

1 Müller-Mertens, Karl IV. 311 f.

2 Kelly 238

3 LMA V 971 ff, LThK II3 1221 f. Taddey 614. DerGrosse Ploetz, 1986, 514. Pfeifer 18. Müller-Mer-tens, Karl IV. 306 ff. Kavka 9 f. 12. Stoob 52 f. 56.Seibt, Karl IV. 119, 135. – Für eine Reihe von Hin-weisen in diesem 1. Kapitel danke ich einem Leser,der anonym bleiben möchte.

4 LMA V 973, HEG II 423, Hansjakob 26. PfeiferKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.801 Deschner Bd. 8, 455Anmerkungen zum achten Band

18 ff. Hillenbrand 49. Valentin 389, Müller-Mertens,Karl IV. 305 f. 311 f. Stoob 59 f. 240. Seibt, Karl IV.131 ff, Diwald 671

5 Taddey 614. Gregorovius II/2, 660 f. Müller-Mer-tens, Karl IV., 305 f. 307 f. 310 ff. 315. Kavka 10,vgl. 7. Seibt, Karl IV. 121 ff. 128 f. 131

6 Taddey 614. Müller-Mertens, Karl IV. 311. J.Pfitzner zit. nach Stoob 56

7 LMA II 2143. LThK II3 1221 f. HKG III/2, 399 f.

8 LMA II 2143 f. Kühner, Lexikon 125. Kelly 237.HKG III/2, 399 f. Seppelt IV 135 f.

9 Pierer VIII 965. XI 737. LMA V 524, 2190 f.2199. LThK I3 685 f. HKG III/2, 402, 413 f. Cham-berlin 154. Stoob 58

10 Wetzer/Welte II 599. Pierer XI 738. LMA V 524f. 985 f. 2199. Kelly 237. HEG II 660. HKG III/2,402. Lanfrey weist darauf hin, daß der Kaufpreis fürAvignon nicht bezahlt worden sei. Gregorovius II/2,725 f. Seppelt IV 135. Gontard 306

11 Wetzer/Welte II 597. HKG III/2, 402, 423. Caw-thorne 137

12 Kelly 238. HKG III/2, 402, 423. Hauck V/2, 594.Seppelt IV 134. Kühner, Das Imperium 221. Zim-

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7.802 Deschner Bd. 8, 456Anmerkungen zum achten Band

mermann, Ordensleben 38 ff. 45 ff.

13 M. Villani III 43. Wetzer/Welte II 597. LMA I1303. LThK I3 1316 f. Kelly 238. HKG III/2, 402,414. Hergenröther II 615. Bernhart 186. Kühner, DasImperium 222. Chamberlin 157 ff. Tuchmann 40 f.Cawthorne 135 ff.

14 Corvin 162 f. Cawthorne 137

15 Weinhold 72 f. Chamberlin 155 f. Cawthorne 137ff. Vgl. zur Heilsgeschichte

LThK IV3 1336 ff. bes. 1338

16 Wetzer/Welte II 597. Hergenröther II 615. HauckV/2, 595 f. Seppelt IV 159. Cawthorne 139 f. Tuch-mann 41

17 Gerh. v. Reichersb. De invest. Antichr. 1,19. Vgl.ders. de aedi f. Dei 40. Gregorovius III 467 ff. David-sohn IV 2. T. 273. Grupp IV 379. Vgl. außer dem 5.Kapitel »Ausbeutung« in Bd. III der Kriminalge-schichte auch die Zusammenfassung der sozialenFrage bei Deschner, Abermals 410 ff. 419 ff.

18 LMA I 1409 ff. HKG III/2, 423 f. Hauck V/2,629. Seppelt IV 171 f. 184 ff. Davidsohn IV 2. Teil305. Heer, Mittelalter 549. Chamberlin 154. Tuch-mann 41, 86. Kolmer 146, 149

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7.803 Deschner Bd. 8, 456Anmerkungen zum achten Band

19 Gams III 1. Abtl. 334 f. Lea III 709. Chamberlin155, 169. Deschner Opus Diaboli 52

20 LMA III 107 f. Kirsch XIII. ff. Hauck V/2 586 f.Seppelt IV 178 f.

21 LThK VIII1 122 f. IV3 1396. VIII3 84. LMA VI1942. Pierer XII 909. Paulus I 204, II 18 f. 40, 172ff. III 450 ff. 478. Kober, Die Suspension 345.Schmitz, Die Bußbücher 144 ff. Levison 31. HauckV/2 587 ff. Schubert II 474, 683. Lea I 24, 39. Frie-denthal 33. Gontard 272, 354. Erdmann 203

22 Can. Apost. c. 30 f. Conc. Chalced. c. 2. LMA I673 f. VI 1338. VII 1795. Kirsch XXII ff. Bastgen70. Böhmer, Kirche und Staat 246 f. Niemeyer 149 ff.Lea I 30. Hauck V/2 532, 590 f. 599 ff. DavidsohnIV 2.T. 281. Schwaiger, Stolgebühren 311. SeppeltIV 179. Gontard 272. Kolmer 147

23 Syn. Elv. (um 300) c. 48. Syn. Mer. (666) c. 9.Syn. Olm. (1342) c. 8. LMA II 1948 f. (Oexle).LThK II3 1183. Paulus I 141 ff. 160 ff. II 3,61 ff. III454 ff. 481 f. Kober, Die körperliche Züchtigung 59f. mit vielen Quellenbelegen. Dresdner 35, 73 f.Grupp I 340, IV 125, 410 ff. 421, 425. Lea I 31. J.J.Bauer, Rechtsverhältnisse 120, 158. Browe, Beiträgezur Sexualethik 117, 120 f. Ders. Die Pflichtbeichte351 f. Mehnert 124. Kehr, Rom und Venedig 139.

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7.804 Deschner Bd. 8, 457Anmerkungen zum achten Band

Daniel Rops 683 f. Krausen 43. W. Hartmann, DieSynoden der Karolingerzeit. Zu den Finanzen der Kir-che heute vgl. etwa H. Herrmann, Die Caritas-Legen-de. Ders. Die Kirche und unser Geld. Frerk, Finanzenund Vermögen

24 Grupp IV 360 f. v. Schubert, Geschichte derchristlichen Kirche im Frühmittelalter 2. Hlb. 649.Abel 45. Karl Kraus, Ausgew. Werke II 1971, 396 ff.

25 Syn. Olm. (1342) c. 8. Dresdner 141. Sommerlad I188. Hauck V/2, 605 f. 610, 630 ff. 660. Grupp I340, IV 125, 360 f. 410 f. 421. Davidsohn I 705 ff.Browe, Beiträge zur Sexualethik 117, 120 f. Kehr,Papsturkunden im östlichen Toscana 169. Ders.Nachträge 282 ff. 299. Hoberg, Die Servitienlasten101 f. Ders. Der Anteil Deutschlands 178 ff. v. Fal-kenhausen 395. Pfleger 93 ff. 162 ff. Kolmer 149 f.

26 LThK IX1 736 f. IX3 867. HKG III/2, 421.Kirsch XXIX, XLVI. Kolmer 147

27 LMA I 662, V 888 f. 1254. LThK I3 696. HKGIII/2, 420 f. 424. dtv Atlas, Weltgeschichte I 181.Hauck V/2, 611 f. 617, 630 ff. 640 ff. 662 f. KirschXXX ff. LVI ff. LXXI, dem ich hier besonders ver-pflichtet bin. Grisar, Päpstliche Finanzen 216. GruppIV 414. Seppelt IV 179 ff. 185. Kolmer 148 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.805 Deschner Bd. 8, 457Anmerkungen zum achten Band

28 LMA VII 2131 f. VIII 1559 ff. LThK V3 560.HKG III/2, 400, 421. dtv Atlas Weltgeschichte I 181.Hauck V/I, 48, 64. V/2, 617 f. 623 ff. Seppelt IV172, 178 ff. 183. Kolmer 147 f.

29 LMA II 2144. VII 754. LThK II3 1222. Kühner,Lexikon 125. Ders. Das Imperium 221. Kelly 238.Hauck V/2, 615. Ranke 32. Seppelt IV 134 f. 159,171 ff. 185. Kolmer 146. Scherzer 42. Vgl. auchDeschner, Abermals 410 ff.

30 Lea II 495. Vgl. auch Patze, Politische Geschichte108, wo Clemens einem Elfjährigen eine Domherren-stelle in Mainz verleiht, die dieser aber nie eingenom-men hat. Sechzehnjährig wird er Bischof von Halber-stadt.

31 LMA III 107 f. V 294. VI 1945. LThK X3 318.dtv-Lexikon 16, 174. Gregorovius II/2, 662 f. 720 f.Hoensbroek I 93. Nohl 142 ff. 162 f. 170. Seppelt IV136, 149. Seppelt/Schwaiger 229. Kühner, Das Impe-rium 229. Tuchmann 99, 109, 122. Cawthorne 140 f.Zur Pest allgemein vgl. Stoob 60 ff. Vgl. auch diefolg. Anm.

32 Wetzer/Welte II 599. LMA II 2144. IV 2024.Kelly 247 ff. LThK IV3 1325. Seppelt IV 141. Sep-pelt/Schwaiger 229. Bernhart 189. Gontard 310, 314.Kühner, Das Imperium 223. Schimmelpfennig, Die

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.806 Deschner Bd. 8, 457Anmerkungen zum achten Band

Anfänge 285 ff. Ders. Römische Ablaßfälschungen637 ff.

33 Wetzer/Welte II 598. LMA II 2144. VI 332. Her-genröther II 616 f. Hauck V/1 570 ff. Heiler, Alt-kirchliche Autonomie 289. Guillemain 141 f. SeppeltIV 136 ff. Tuchmann 34, 48. Beutin, Zur Problematikdes Antiklerikalismus 85 f. Scherzer 41

34 Vgl. außer den im Text genannten Hinweisen aufBand VII Tuchmann 114 f. 118

35 Kelly 238. Kühner, Das Imperium 224

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.807 Deschner Bd. 8, 457Anmerkungen zum achten Band

2. KapitelInnozenz VI. (1352–1362) und der Beginn des

Hundertjährigen Krieges (1338–1453)

1 Tuchmann 191

2 Zit, nach Chamberlin 10, Vgl. Gregorovius II/2 781

3 LMA II 215 ff, LThK I3 1316, V3 520, Keller 74.Fichtinger 78, Kelly 238 f. HKG III/2 403 f. Hergen-röther II 623, Seppelt IV 148. Kühner, Das Imperium225

4 LMA I 509, 1798. IV 851. LThK II3 988. V3 520.Fichtinger 177. HKG III/2, 404. Lea III 188. Ders.(1997) II 446, Seppelt IV 147 f. Cohn 163 ff. 181 ff.

5 Hoensbroech I 26, 659. Lea (1997) I 441 f. II 436f. 518, III 188 f. 193, Cohn 183

6 LMA II 1639, IV 225 f. V 2190, VI 192 f. Lea(1997) 230 f.

7 LMA I 310, VI 538 f. VII 1281. LThK I3 177,Gregorovius II/2, 726, Kühner, Das Imperium 225(hier das Gregorovius-Zitat), Seppelt IV 150. Stoob77

8 LMA I 310, LThK V3 438. Kelly 240, Seppelt IV148, 150, Stoob 58 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.808 Deschner Bd. 8, 458Anmerkungen zum achten Band

9 Kelly 241, HKG III/2, 405. Hergenröther II 620

10 LMA VIII 1626. Gregorovius II/1, 300. II/2, 696,724 f. 736

11 Dante, In f. XXVII, 44. LMA IV 636, VI 791 f.1429 f. Gregorovius II/2, 499, 505, 750, 754

12 LMA VIII 1717 ff. (Vaglienti). Kelly 241 f. HEGII 656 ff, Gregorovius II/2, 754

13 LMA III 26 ff. LThK II3 1253 f. V3 438 f. HEGII 646, 656. HKG III/2 401 f. 405. Hergenröther II620, Seppelt IV 142 ff. 150 ff. Kühner, Das Imperi-um 223

14 LMA V 439. Kelly 240. Tuchmann 191

15 LMA I 831, III 1588 f. IV 762, V 215 ff. VI2060, 2064. dtv-Lexikon 6, 293

16 LMA II 1387, III 1589, IV 763, V 216, VI 2064,VII 2010 f. Tuchmann 77 f. 85 ff. 91 ff. Stoob 44,48. Ehlers 215 ff. 218 ff. Seibt, Karl IV. 144 ff.

17 LMA II 621 ff. V 988 f. Tuchmann 80 ff. Ehlers216 ff.

18 LMA V 988 (Leguay). Tuchmann 81 ff. 133

19 LMA V 328 f. VIII 449. Tuchmann 126 f. 130 f.139.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.809 Deschner Bd. 8, 458Anmerkungen zum achten Band

20 LMA III 1592 f. V 328 f. VII 44 f. VIII 449.Tuchmann 128 f. 134 ff. 140 ff. 144 ff. Ehlers 223 ff.235

21 LMA V 329. Tuchmann 133 f. 146 ff.

22 Fuhrmann, Deutsche Geschichte 21. Rösener,Bauern im Mittelalter 13

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.810 Deschner Bd. 8, 458Anmerkungen zum achten Band

3. KapitelChristliches Bauernelend und mönchisches Glück

1 Müller-Mertens, Karl der Große 144

2 Angenendt 197

3 Stern/Bartmuss 124

4 Dannenbauer-Zitat nach Epperlein, Herrschaft undVolk 17. Dannenbauer, Adel, Burg und Herrschaft 66f. Neuss 156. Bosl, Frühformen 161. Rösener, Bau-ern im Mittelalter 14 f. Segl, 34 f.

5 Amm. Marc., Res gestae 30,5,4 ff. August. Enarr.in Ps. 51,14; vgl. Enarr. in Ps. 72,26. August, ep.130 f. Caspar II 337, Pirenne 16 f. Schilling, Reich-tum 188 ff. f.G. Maier, Die Verwandlung 197, 218,315 f. Epperlein, Herrschaft und Volk 124, Tellen-bach 400, 414. Lautemann 711 f. Ullmann, GelasiusI, 140. Ders, Individuum 17, R. Klein, Die frühe Kir-che 259 ff. Dassmann 489 f. Angenendt 240 f. Desch-ner, Abermals 420 ff. Ders. Opus Diaboli 49 ff.

6 LMA I 1574 ff. V 125, 1846 f. VII 1977 ff. HauckII 805, Pirenne 8 ff. 15 f. Stroheker 108 f. Dannen-bauer, Grundlagen 19 ff. 122 f. 156 f. Heer, Mittelal-ter 47 ff. Njeussych 352 ff. 392 ff. 473 ff. bes. 516 ff.530 ff. Tellenbach 400, 414. Claude 106 ff. Bosl,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.811 Deschner Bd. 8, 459Anmerkungen zum achten Band

Frühformen 48, 197, Ders. Europa im Mittelalter 76,Stern/Bartmuß 5. Müller-Mertens, Karl der Große 96f.

6a LMA I 1571 ff. 1575 ff. 1606, II 13, 946 ff. bes.949. f. IV 989, V 1233, VII 1799 (Hägermann),LThK II3 799, Jäck I 22, Grupp V 136, vgl. IV 166.Davidsohn I 311. Schubart, Christentum und Abend-land 119. Fresacher I 56 f. Heer, Mittelalter 50 ff. 68,Bosl, Frühformen 44. Kosminski/Skaskin I 125 f.Fuhrmann, Deutsche Geschichte, 21 ff. 50. Geremek34, 39 f. Vgl. auch 59 ff. 66 f. Rösener 19, 27 f. Fich-tenau, Lebensordnung 472 ff.

7 LMA I 1565 ff. IV 865, 989, V 1845 ff. VI 185 f.VII 1977 ff. Bader 109 ff. Fresacher I 52 ff. 59 ff.Pfaff-Giesberg 53, 56, Pirenne 8 ff. 15 f. Bosl, Früh-formen 197, Ders. Der »Adelsheilige« 168. Heer Mit-telalter 125. Slicher 189. Schulze, Grundstrukturen I150 f. Vgl. auch 113 ff. 140 ff. II 71. S. auch Cipol-la/Borchardt 111 ff. bes. 117, Claude 106 ff. Dollin-ger, Der bayerische Bauernstand 196 ff. Fichtenau,Das karolingische Imperium 154 ff. Zu Friedrich II.vgl. etwa v. Hippel 11, 47

8 LMA I 32 f. IV 1419 f. VI 2047. IX 499 ff. Bauer,Das Geschlechtsleben 51 f. Grupp II 377, Stolz, Bau-ern und Landesfürst 191. Nylander 233 f. Andreas471. Slicher 189. Pirenne 68, Segl 33. Vgl. auch Eu-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.812 Deschner Bd. 8, 459Anmerkungen zum achten Band

ricins Cordus, Bauernnot (um 1520) bei Mout 235

9 LMA IV 986 ff. VII 290 f. Grupp II 125, V 92. Pi-renne 67 f. Lonhard 88 ff. 108 ff. bes. 153 ff. Ange-nendt 413, Kuchenbuch 124 ff. Guth 22 f. Rösener,Bauern im Mittelalter 218 f. Vgl. auch MIÖG 80, Bd.1972 mit Bez. auf E.v. Guttenberg, Urbare

10 Grupp V 91

11 LMA III 2107, IV 865 f. V 1931 f. Grupp IV166. Rösener, Bauern im Mittelalter, 218, Deschner,Das Kreuz 205 ff. 221 ff. 228 ff. Dort die Belege

12 LMA IV 865 f. IV 1811. Grupp II 58. Heß 6. Ir-sigler 488 f. Deschner, Das Kreuz 228 f.

13 Ann. Lauresh. 793. Ann. Mosell. 793. Ann. Fuld.868. Ann. Xant. 869. Ann. Quedlinb. 868. LMA I1573, V 221, VI 1201. Sommerlad II 185 ff. Dümm-ler II 231, Dannenbauer 66 f. Fichtenau, Das karolin-gische Imperium I 164. Epperlein, Herrschaft undVolk 253 f. Maier, F.G. Die Verwandlung 356. Prei-del II 65. Müller-Mertens, Karl der Große 97 f. Röse-ner, Bauern im Mittelalter 12 ff. Vgl. auch 18 ff.Bentzien 9 ff. Goetz 137 ff. Zum Thema Kannibalis-mus vgl. auch Geremek 66

14 Mollat 59

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.813 Deschner Bd. 8, 460Anmerkungen zum achten Band

15 LMA VI 1963, Mollat 101

16 Fichtenau, Das karolingische Imperium 188 f.Mollat 38 ff.

17 LMA VI 1792 f. Kelly 114. Caspar II 324. H.v.Schubert I 192, 249. Haller II 24, 26. Finley 200 f.205

18 Julian. Pomer., De vita contempl. 1,21,3. Caesar.Arel. serm. 33 f. Boni f. ep. 70. Vita Bennon. 10.Syn. Mac (585) c. 5. Syn. Pavia (850) c. 17. (876) c.11. Syn. Val. (855) c. 10. Syn. Valladol. (1322) c.12. Syn. Tol. (1323) c. 13. Syn. Salaman. (1335) c.LMA V 954 f. IX 499 ff. LThK X3 1394 ff. Kober,Deposition und Degradation 701. Schmitz, Die Buß-bücher und die Bußdisciplin 338 f. Sommerlad I 281ff. bes. 294 ff. 317 ff. II 12 ff. 274 f. Hofmann, DieStellungnahme 421 ff. Lea I 30 Grupp II 87, V 282.Stamer 145 f. v. Schubert I 156, 260, 345, 366. Cl.Bauer, Die Epochen 463, Widera 61, 33. Mehnert107. Hartmann, C.M. III 1. H. 12, 23, 27. Hóman I197. Kuujo 11, 95 ff. 121 ff. 173 f. 189 f. 267 f. Da-niel Rops 525. Nylander 205. Stolz, Zur Entwicklungdes Zollwesens I 8. Pirenne 16 f. Ganshof 15, 17, 39.Maier, Die Verwandlung 303. Lütge, Geschichte derdeutschen Agrarverfassung 49 f. Merzbacher, Die Le-prosen 43. Ders. Bischof und Stadt 32. Kosminski/Skaskin I 77, 129 f. 139. Feine 193 f. Kießling 240.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.814 Deschner Bd. 8, 460Anmerkungen zum achten Band

Sprandel 35 ff. 45 ff. Stern/Bartmuß 115. Hartmann,Die Synoden der Karolingerzeit 442 f.

19 Syn. Metz (888) c. 2. Syn. Köln (1266) c. 5Thom. Summa theol. 2, II, q. 87 a. 2 ad 1 LThK II3

292. LThK X3 1394 ff., bes. 1397 f. Sackur 285 ff.Sommerlad II 57 f. Hoffmann, Die Stellungnahme436. Lea I 30. Grupp II 87, V 63. Hügli 65. Widera5, 53, 77. v. Schubert I 345, 366, II 616. Linhardt 14f. 208 ff. mit zahlreichen Quellenbelegen. Kuujo 86 f.103 ff. 152 f. 203, 226, 238, 249, 255 f. Nowak 255.Heidacher 79 f. Kahl 68 f. Voigt 333. Hellinger 44 ff.Epperlein, Herrschaft und Volk 20 ff. Franz 27, 47.Endres 161 ff. bes. 176 ff. Feine 194. Appelt 6 ff.Struve (1969) 44 ff. Taddey 1161 Gurjewitsch 274 ff.

20 LThK II3 1209, III3 309 f. X1 1078, Grupp III373. Lea I 284 f. Kalischer 9 f. Tüchle I 102 f.Zoepfl, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe imMittelalter 43. Büttner/Werner 40. Franzen 191

21 7. Syn. Tol. (642) c. 4. LMA Vl 34, IX 127. Böh-mer 140. Sommerlad I 307, 329 f. II 39 ff. 274 f.Starke 32 f. Kalischer 29, 89 f. 96. Grupp IV 417. v.Schubert II 542. Schnürer II 198. Vincke, Staat undKirche 1. Weller 55 ff. R. Herrmann, ThüringischeKirchengeschichte I 43. Pirenne 52 f. 62, 82 ff. 118 f.219. Hauck III 9. Tüchle I 105. Behn 131 f. Ott 78 ff.Schlesinger II 198 f. Lütge, Geschichte der deutschenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.815 Deschner Bd. 8, 460Anmerkungen zum achten Band

Agrarverfassung 46. Culican 193. Herrmann, E., Sla-wisch-germanische Beziehungen 111 ff. Hubatsch,Geschichte der evangelischen Kirche I 3. Slicher 42.Diederich 345 ff. Brankfack 305. Struve 60 ff. Kuhn1, 45. Friedenthal 33

22 Gesta Alber, 24. LMA V 2117, VII 1680 (Kroe-schell). Kober, Deposition 705. Lecky II 174 f. Bei-ssel 29, 424. Sommerlad II 46 f. Kalischer 10 f. Stef-fen 35 ff. 40, 46 ff. 50 ff. v. Schubert II 542 ff. Lon-hard 92 f., 116 ff. Reincke 54. Schmid, Personenfor-schung 251. Falck 41. Lassmann 241 ff. Winter 8.Epperlein, Bauernbedrückung 13

23 Schairer 24, v. Schubert II 543. Stern/Bartmuss259. Graus 339 f.

24 Cap. 23,32; 44,15 f. 46,9; 62,12; 72,5; 73,3;138,7; 154,1; It. 105,21; 141,1; 201,7 u.a. Sommer-lad II 49 f. Grupp II 40. Fichtenau, Das karolingischeImperium 160 ff. 188 f. Epperlein, Bauernbedrük-kung 13 f. Njeussychin 561. Müller-Mertens, Karlder Große 71, 84, 99 ff. Stern/Bartmuss 124 ff. Prinz95

25 Sommerlad II 49 f. 145, 215, Schnürer II 20, Mül-ler-Mertens, Karl der Große 100 f.

26 LMA I 15, 93, VI 1351 f. Coulton 233, Bosl,Frühformen der Gesellschaft 197. Mollat 68 f. 71, 98Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.816 Deschner Bd. 8, 461Anmerkungen zum achten Band

f.

27 Adam v. Brem. Gesta Hammab, 2,67. LMA I1571 f. II 34. V 856 f. IX 240. Grupp V 58 f. Gerdes52, Schöffel I 201 f.

28 LMA VIII 711 ff. LThK IX3 1526, Grupp V 62 f.mit allen Belegen, Epperlein, Herrschaft und Volk124 ff. Steins 202, 208 ff. 230 ff.

29 LThK V3 618, Keller 295. Donin III 100 ff. Vgl.auch Auer 260 f.

30 LMA I 874. LThK I3 918 f. Kober, Deposition701. Grupp II 86, Steinbach 29. Pirenne 43, Njeussy-chin 336, Franz 28. Angenendt 413

31 LMA V 1218 ff. (Parisse). Kober, Die körperlicheZüchtigung 422. Kalischer 21, 45 f. 58. Noggler 9.Davidsohn I 700 f. IV 3. Teil 15. Grupp II 251, IV301 f. Scheuten 62 ff. Gerdes 15. Krausen 138 ff.Heer, Mittelalter 121 f. Maier, Die Verwandlung 61 f.221, 318. Haller II 193. Kawerau 172 f. Schremmer7. Epperlein, Herrschaft und Volk 138.

32 LMA V 1423 f. (Rüther), Sommerlad I 203, 274,277, 295. Grupp III 371 f. Mettler 201, 219 ff. 234,245 ff. Weller 102. Hóman I 310. Kawerau 158. G.Zimmermann, Ordensleben 152

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.817 Deschner Bd. 8, 461Anmerkungen zum achten Band

33 LMA VI 1985 ff. LThK VIII3 142, Grupp II 257,III 344 f. Mettler 248 f. Struve 61

34 Vita Eigil, c. 5. LMA VII 455. Scheuten 47 f. 60ff. Grupp II 257, III 339. Werner 34 f. Büttner/Wer-ner 40, Schlesinger II 183 f. 216, Schmid, DieMönchsgemeinschaft 182. Zimmermann G., Ordens-leben 134 ff. 211 ff.

35 Vehse, Geschichte der kleinen deutschen Höfe I 9.Schulte 3 ff. 107, 369. Grupp III 145. Fichtenau, As-kese und Laster 68, Gontard 246 f.

36 S. Hildeg, ep. 116 (PL 197, 338). LMA V 13 f.LThK V3 105 f. Grupp III 340, Weller 82 f. Vgl.auch DA 22. Jg. H. 1. 1966, 327

37 Gerhoh v. Reich, de aedific. Dei 36, LMA IV1320 f. V 1848. LThK IV3 513 f. Jäck I 63, Hei-dingsfelder 54. Schulte 94 f. Doelle 9, 22, 27 ff.Hauck IV 423 f. Davidsohn I 576 ff. Weller 105.Lekai 67, 315. Schlesinger II 275 f. 292, 324 ff. 330f. Andreas 127. Taddey, Das Kloster Heiningen 58 ff.72 ff. 90 f.

38 August. De doct. Christ. 2, 25, 39, Leander, Lib.de instit. virg. 12, LMA III 1802 f. Buchholz 19, 37f. Brown 170, Angenendt 416

39 Vita Bennon. 8, Grupp III 164 f. Fresacher I 70,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.818 Deschner Bd. 8, 462Anmerkungen zum achten Band

Zoepfl, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe imMittelalter 77, 109 ff. Franz 24, 28, 41. Kallfelz 365

40 Schlesinger II 241. Lonhard 52, 57, 116 ff. 122

41 3. Syn. Toi. (589) can. 20. Grupp V 136. Gerdes25. Fichtenau, Das karolingische Imperium 158.Njeussychin 336

42 LMA IX 632 ff. 640, 646, 649. LThK X3 1466 ff.Hauck IV 340, Scheuten 16, Lekai 54 f.

43 Hölscher 25 f. Lekai 45 f. 54 f.

44 LMA IV 1653 f. VII 149. Hauck IV 351 f. Weller274, Lekai 60 f. Pirenne 71 f.

45 LMA II 1410, VIII 1976, LThK I3 499, II3 285,III3 279, 889, VI3 1013, X3 960. Kawerau 161

46 Pierer II 654. LMA I 1619 f. VIII 1414, 1780, IX647. LThK I3 475, II3 1095, VI3 259, VIII3 345,IX3 365. Hölscher 25 f. Weller 272 ff. Epperlein,Bauernbedrückung 30 ff. 57, 147, Engel/Epperlein345, 353. Schlesinger II 213, 221 f. Weiß 34 mitweiteren Literaturhinweisen. Slicher 154, Novy 52,Mollat 65. Hauck IV 352 f.: »Zahlreiche Dörfer sinddadurch vernichtet worden«. Vgl. auch H. Grüger,Kölner Zisterzienser, in AHVN Heft 174, S. 35. InEngland suchten die Zisterzienser ihre adligen An-grenzer durch Wucher förmlich auszuschlachten:Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.819 Deschner Bd. 8, 462Anmerkungen zum achten Band

Zöckler 414. Zum Bauernlegen der Zisterzienser imOsten (südlich von Breslau) vgl. auch Kossmann 263ff.

47 LMA VIII 1414, 1780, IX 647. Epperlein, Bau-ernbedrückung 30 ff. Engel/Epperlein 353

48 LMA I 1619, IX 633 f. 641 ff. Ritsert 9. Bosl,Geschichte Bayerns I 77. Rehfuß 148

49 LMA IV 901. Pfaff-Giesberg 52 f. Epperlein, Diesogenannte Freilassung 92 f.

50 Lex Alam. 1,1. Lex Baiuv, 1,1. LMA IV 901, V1927 f. Müller-Mertens, Karl der Große 69 f.

51 LMA IV 901 f. Voigt 274 f. Epperlein, Die soge-nannte Freilassung 92 f. 96 ff. 102. Ders, Herrschaftund Volk 151 f.

52 Grupp IV 164 f. Epperlein, Die sogenannte Frei-lassung 96 ff. mit den Quellenbelegen

53 Dopsch II 28, 33 ff. Kosminski/Skaskin 310 f. Ep-perlein, Die sogenannte Freilassung 92 f. 100 f. Ders.Herrschaft und Volk 29 ff. 102 ff. 252, Korsunskij205

54 Bonifat, ep 10. LMA I 2064 ff. Sommerlad I 325ff. Paulus I 55 f. Wrackmeyer 43 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 762: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.820 Deschner Bd. 8, 462Anmerkungen zum achten Band

55 LMA I 93 f. II 295 f. 306. IV 1566 (mit andererErklärung für Finanzbedarf). V 207 f. 1399, 1873. VI1232, 1559 ff. VII 1153. LThK I3 126. IV3 844, VI3

79, VII3 1216, X3 1052. HKG III/1, 137, 240, 287.Janner I 514 f. Dresdner 140 f. Simson II 263. Lea I40. Davidsohn IV 3. Teil 5, 15. Grupp II 298 f. V282. Vehse, Das Privileg Clemens' 218 ff. bes. 328ff. Mehnert 109. Andreas 74. Anton 330 f. Thompson308 (bezogen auf die westgotischen Bischöfe des 7.Jahrhunderts, aber auch auf die römischen). Schlem-mer 170. Störmer 173 f. O. Meyer, In der Harmonie219, 225 f. Borst 36 ff. bes. 45

56 Capit, Paderb. a. 785. Paen. Cumm. 4,2. Paen,Valic. 118. Syn. v. Tribur (895) c. 7: »Geraubtes Kir-chengut ist dreifach zu ersetzen«. Lex Alamann. 1,2.Lex Rib. 58,7. Vgl. auch Lex Baiuv, 1,2. LThK II3

822 ff. Sommerlad I 266. Grupp V 282. Noethlichs136 ff. 153

57 LMA IV 170, V 1421; VIII 1286 ff. 1621. Nylan-der 33. Epperlein, Bauernbedrückung 61, 94 ff.

58 Löhr 11 f.

59 LMA I 34, 1569 f. Rösener, Bauern im Mittelalter240 ff. 246 ff.

60 LMA I 417. LThK I3 397. Heer, Mittelalter 47 ff.Epperlein. Herrschaft und Volk 42 ff. 46 ff. 55 ff. 253Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 763: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.821 Deschner Bd. 8, 463Anmerkungen zum achten Band

f. Njeussychin 587. Franz 21

61 Das Zitat nach Kosminski/Skaskin I 116 f.

62 LMA II 224. III 528, IV 193 f. VI 98, VIII 345.dtv-Lexikon 2, 113. dtv-Atlas Weltgeschichte I 287,Kosminski/Skaskin I 396 f. 406 f.

63 Kosminski/Skaskin I 424 f. 440

64 Petr. Venerab. ep. 1,28, zit. nach Kosminski/Ska-skin 116. LMA I 1577 f. Kosminski/Skaskin 116.Mollat 78

65 LMA I 1567 ff. 1576 ff. 1605 f. VII 773 ff. Röse-ner, Grundherrschaft 373 ff. 565 f. Ders. Bauern 275f. 254. Zu den verschiedenen Pfluggeräten im Hoch-mittelalter (Deutschland) vgl. Bentzien 65 ff. Desch-ner, Opus Diaboli 57

66 Nach Ehlers 210 f.

67 LMA IV 521, 1240 f. V 2196. VII 775, Pirenne189. Ehlers 211 ff. Rösener, Bauern in Mittelalter253. Geremek 70

68 LMA I 1577, 1579. IV 16, 763. V 265 f. 328,981. Ehlers 230 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 764: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.822 Deschner Bd. 8, 463Anmerkungen zum achten Band

4. KapitelDie Päpste Urban V. (1362–1370), Gregor XI.

(1370–1378) und das Ende des avignonischen Exils

1 Hergenröther II 624

2 Kelly 242

3 Gregorovius II/2, 786

4 LMA VIII 1284. LThK X3 457 f. Wetzer/Welte XI472. Keller 74 f. Fichtinger 78. HKG III/2, 406, 408.Georges 2536, Hergenröther II 623, Hoensbroech I28 f. (hier das Wilmans-Zitat), 167 ff. GregoroviusII/2, 757, 776. Lea (1997) I 406, II 140, 170, 321,438 f. III 184 f. Seppelt IV 158, 185 f. Grundmann II60. Tuchman 232. Chamberlin 159. Cohn 184 f.

5 Chron. Mogunt, 1370. LMA V 973 f. (Moraw),1581 ff. Taddey 614 f. Kelly 238 ff. Der KleinePloetz 99. HEG II 424 ff. Seppelt IV 154 ff. (hierHampe-Zitat), Stoob 74 ff. Vgl. auch die folg. Anm.

6 LMA I 310, IV 2194 ff. V 534, VI 938, LTHK X3

457. Kühner, Lexikon 128, Kelly 241 f. HEG II 658.HKG III/2, 408 f. Hergenröther II 623 f. GregoroviusII/2, 773 ff. Norden 704 f. 708 ff. Seppelt IV 158 ff.161 ff. de Vries 56 ff. 63 f. Kühner, Gezeiten 217,Ders, Das Imperium 227 f. Schuchert/Schütte 328 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 765: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.823 Deschner Bd. 8, 463Anmerkungen zum achten Band

Tuchman 232 ff.

7 LMA V 439. VIII 449, 1284. LThK X3 457. HKGIII/2, 404. Seppelt IV 162 f. Kühner, Das Imperium227, Schuchert/Schütte 328

8 LMA VI 1932, LThK X3 457. Kelly 241 f. HKGIII/2, 407 f.

9 LMA VI 1932, Kelly 241 f. Kretschmayr II 224.Atiya 92 f. Heer, Kreuzzüge 154

10 LMA VIII 449. LThK VIII3 141, 236, Hergenrö-ther II 621, 624. Atiya 92 f. Heer, Kreuzzüge 155 f.Kühner, Das Imperium 227

11 LMA VI 1932. VIII 1284 f. LThK X3 457 f.Kühner, Lexikon 88, 128. Kelly 177, 242. HKG III/2, 406 ff. Hergenröther II 622. Kretschmayr II 224.Seppelt IV 163 f. Atiya 93 f. Heer, Kreuzzüge 156

12 Chron. Mogunt. 1371. LMA IV 1673. LThK IV3

1020. Kelly 242. HKG III/2, 409 f. Hergenröther II625. Gregorovius II/2, 777. Hoensbroech I 28 ff. 93,178, 659. Lea II 174. Seppelt IV 164, 155

13 John Wiclif, De Christo et suo advers. Antichr.LMA V 230 f. IX 391 ff, LThK X3 1337 ff. HKGIII/2, 540 ff. Seppelt IV 164, Guillemain 152. Wöh-rer 80 ff. 86 ff. 90 ff. Lambert 64 f. Hilsch 45 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 766: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.824 Deschner Bd. 8, 463Anmerkungen zum achten Band

14 LMA V 1072 f. HEG II 655 ff. HKG III/2, 410 f.Gregorovius II/2 778 f. 788, 792, 802. Seppelt IV165 ff. Gontard 311. Deschner, Das Kreuz 123

15 HEG II 659. HKG III/2, 410 f. Seppelt IV 167.Besonders gefolgt bin ich hier und im nächsten Ab-schnitt Gregorovius II/2, 780 ff. 786

16 LMA II 1640 f. IV 225 f. Kühner, Lexikon 129.Kelly 243. HEG II 659. HKG III/2, 411. GregoroviusII/2, 787, 792. Seppelt IV 169 f. Ott 116 f. Gontard315. Friedenthal 75

17 Chron. Mogunt. 1378. Gregorovius II/2, 788 ff.Seppelt IV 169 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 767: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.825 Deschner Bd. 8, 464Anmerkungen zum achten Band

5. KapitelDas Große Abendländische Schisma (1378–1417

bzw. 1423) Krieg der Päpste gegeneinaner

1 Tüchle in LMA I 20

2 Krebs in LThK IX1 259

3 H. Müller in LThK I3 28

4 LMA I 19 ff. VII 1469. Kelly 185, Kühner, Lexi-kon 130. Ders. Das Imperium 230 (hier spricht K.von »sechs Gegenpäpsten«), Seppelt IV 193, Segl 28

5 Chron. Mogunt. 1378 LMA VIII 1285, LThK X3

458 f. Kühner 130. Kelly 244. Gregorovius II/2, 795ff. Seppelt IV 188 ff. Guillemain 148

6 Chron. Mogunt. 1378, LMA I 20, II 2145, VIII1285 f. LThK X3 458 f. Kühner, Lexikon 130, Kelly244 ff. Hergenröther II 630 f. Gregorovius II/2, 797ff. Seppelt IV 191 ff. Guillemain 149

7 LMA I 19 ff. II 499, 2144 f. Kelly 246. HKG III/2,499. Gregorovius II/2, 802 f. Seppelt IV 194 f.Guillemain 149

8 LMA I 20, VIII 1286. LThK VII3 848. Kelly 245f. Gregorovius II/2, 801, 804. Hergenröther II 631.Seppelt IV 194, 197 ff. 202, 214. Guillemain 149Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 768: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.826 Deschner Bd. 8, 464Anmerkungen zum achten Band

9 Chron. Mogunt. 1378 ff. LMA I 20, 321 f. IV 395ff. V 1072 ff. 1902. VII 1742. Kühner, Lexikon 146ff. HKG III/2, 498, Hergenröther II 631 f. Gregorovi-us II/2, 802 f. 808. Hauck V/2, 712 f. Seppelt IV 195ff. 201. Kühner, Das Imperium 231. Gerlich 25 ff.Kawerau 75. Segl 30, Deschner, Das Kreuz 98, 110,123

10 Chron. Mogunt. 1379, 1380. Der Kleine Pauly II910 f. LMA I 20, 1442, II 2144 f. III 1921 f. Grego-rovius II/2 804 ff. Seppelt IV 195, 200 ff.

11 LMA V 985 f. VIII 1286. LThK X3 458. HEG II660, 662. Kelly 245. Gregorovius II/2, 806 f. 809 ff.814. Seppelt IV 201 ff. Friedenthal 82 f. 113 ff.

12 LMA III 1037, V 986, VIII 1286. LThK III3 224,X3 458 f. Kelly 245. HKG III/2, 500. Hergenröther II634 f. Gregorovius II/2, 812 ff. Vgl. auch ders. VI520 f. bes. Anm. 1. Schnürer III 147. Seppelt IV 204ff. Gontard 317. Friedenthal 113 ff.

13 LMA II 416 f. LThK II3 581. Kelly 247 f. Grego-rovius II/2, 816. Hauck V/2, 749 f. Seppelt IV 206 f.Kühner, Das Imperium 232

14 LMA II 417, VII 1217, 2055. Kelly, 249. Grego-rovius II/2, 816, 822. Seppelt IV 209. Friedenthal120 f. Esch 341. Ausführlich zum Nepotismus ebd.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 769: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.827 Deschner Bd. 8, 465Anmerkungen zum achten Band

Anhang I 575 ff.

15 Hergenröther II 636. Kühner, Das Imperium 232.Esch 7 f.

16 Kelly 249. Gregorovius II/2, 816 f. Seppelt IV209 ff. Kühner, Das Imperium 232 f. Esch 138, 190

17 Kelly 248. Seppelt IV 206. Esch 338 ff.

18 LMA II 416, V 1609 f. 2192, VI 1075 ff. Hergen-röther II 626, 630, 634, Gregorovius II/2, 816, 822,Lea II 322, 457. Esch 9 f. 42, 73 f. 209. Zu den krie-gerischen Aktionen von Bonifaz IX. vgl. auch Gold-brunner 411 ff. 423 ff.

19 Vgl. Esch 62, 80 ff. 138, 226 f. 290 f. 353, 363 f.398 ff.

20 LMA II 1369, Hergenröther II 636. GregoroviusII/2, 817 ff. 822. Seppelt IV 208 f. Esch 267, 289 ff.

21 Gregorovius II/2 823, 825 f.

22 LMA I 1862 f. LThK II3 208. Kelly 249 f. HKGIII/2, 500 ff. Hergenröther II 643 f. Seppelt IV 220 ff.Guillemain 150. Kühner, Das Imperium 233

23 LMA IV 1674 f. V 439, 2197 f. LThK V3 521,VIII3 315. HKG III/2, 559. Kelly 250 ff. 259, Her-genröther 649. Gregorovius II/2, 826 ff. 830 ff. Sep-pelt IV 223 ff. 231 f. Kühner, Das Imperium 235Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 770: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.828 Deschner Bd. 8, 465Anmerkungen zum achten Band

24 LMA I 21, IV 1675, VI 1897, 2182 f. LThKVIII3 315. HKG III/2, 548. Kelly 250, 253 f. Her-genröther II 659 ff. Gregorovius II/2, 842 f. SeppeltIV 236 ff. 240. Jedin, Kleine Konzilsgeschichte 64.Kühner, Das Imperium 236. Segl 31. Brandmüller,Das Konzil von Konstanz I 6 f. Elze/Repgen 592

25 LMA I 373 f. VIII 1723 f. LThK I3 370. Kelly253 ff. HKG III/2, 513, Gregorovius II/2, 843 ff.Seppelt IV 240 ff. Brandmüller, Papst und Konzil 71ff. 181 ff., 218 ff.

26 LMA V 546. LThK V3 951 f. Kelly 255. Grego-rovius II/2, 846. Mehnert 134. Kawerau 75

27 Kelly 255. Hergenröther II 667. Gregorovius II/2,846 ff. Hauck V/2, 958 f. Brandmüller, Papst undKonzil 71 ff. hier das Zitat von Souchon. Vgl. auchden (eher apologetischen) Versuch Brandmüllers, In-feliciter electus fuit in Papam 309 ff.

28 LMA VI 166. Kelly 255. Gregorovius II/2, 850 ff.856 f. Seppelt IV 243 f. Brandmüller, Das Konzilvon Konstanz I 79 f.

29 LMA III 852 f. VII 1868 ff. VIII 2190 f. LThKIX3 578 f. X3 1090 f. Taddey 1042, 1125 f. 1279.HEG II 437. HKG III/2, 550. Seppelt IV 244 f.Hoyer, Sigmund 342. Koller, Sigismund 288 f. Dotz-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.829 Deschner Bd. 8, 465Anmerkungen zum achten Band

auer, Quellenkunde 85 ff. Brandmüller, Das Konzilvon Konstanz I 83

30 LMA IV 1675. V 546 f. 1402. Kelly 255. HEG II441 f. HKG III/2, 548 ff. Gregorovius II/2, 858.Hauck V/2, 961 ff. 967 ff. 975. Seppelt IV 244. Rie-der 61

31 LMA V 546 f. 1402. HEG II 441. HKG III/2, 550f. Seppelt IV 247. Grigulevič I 254 f. Riemeck 88 f.Koller, Sigismund 290. Deschner, Opus Diaboli 93

32 Dietr. v. Niehm, Vita Joh. 2, 2. LMA III 853. V547, 1402 f. LThK V3 952. Kelly 256. HEG II 442.HKG III/2, 551. Gregorovius II/2, 860. Hauck V/2,985 ff. Seppelt IV 246 ff. Hoyer, Sigmund 342.Brandmüller. Das Konzil von Konstanz I 10.

33 Dietr. v. Niehm, Vit. Joh. 2,3, LMA IV 954, V547. 1403 f. 1431 f. HEG II 442. HKG III/2, 551 f.Gregorovius II/2, 860. Hauck V/2, 986 ff. 1026 f.Seppelt IV 249 ff. Falco 316. Friedenthal 240, 320 ff.Zimmermann, Papstabsetzungen 282 ff. Riemeck 97f. 100. Hilsch 159 f.

34 LMA I 1862 ff. IV 396 f. 1675. LThK V3 952.Kelly 250 f. 253, 256. HKG III/2, 553. GregoroviusII/2, 861. Hauck V/2, 997 ff. Seppelt IV 252 ff. Zim-mermann, Papstabsetzungen 282 ff. Kühner, Das Im-perium 237. Friedenthal 327. Hilsch 257Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 772: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.830 Deschner Bd. 8, 465Anmerkungen zum achten Band

35 LMA I 1863, II 2145 f. V 1404. HKG III/2, 551,561 ff. bestreitet das geringe reformatorische Engage-ment des Konzils.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.831 Deschner Bd. 8, 466Anmerkungen zum achten Band

6. KapitelJan Hus und die Hussitenkriege

1 Zit. bei Lochman 122

2 Lochman 125

3 Zit. bei Hilsch 286

4 Rieder 210

5 LMA V 1366. LThK VI3 286, HEG II 526. Hilsch22 f. 29

6 LMA VI 625 f. LThK V3 936 f. VI3 1487 f. HEGII 526. Seibt, Jan Hus – zwischen Zeiten 17 f. Herold46. Nechutová 75. Gerwing 55. Hilsch 23 ff.

7 HEG II 526 f. Schrupp 277, Seibt, Jan Hus – zwi-schen Zeiten 18

8 LMA V 230, VIII 2190 f. LThK V3 340, HauckV/2, 907 ff. 911 ff. 920. Wass 85. Riemeck 11, 14,23, 27, 31 f. 53. Schrupp 277 f. Seibt, Jan Hus – zwi-schen Zeiten 15 f. 19 f. Maly 227 ff. bes. 233. Töpfer157 ff. bes. 162 ff. Kejr 216 f. Molnar 173 ff. Smahel204, Polivka 415 ff. Rieder 36 f. 40 ff. Hilsch 9, 16,28 f. 39, 42, 45 ff. 58, 61, 64 f. 67 ff. 101 ff. 125 f.178 ff. Deschner, Opus Diaboli 42. Lochman, VomVersuch 98 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.832 Deschner Bd. 8, 466Anmerkungen zum achten Band

9 Kupisch II 112. Brandmüller, Hus vor dem Konzil242, Rieder 40 f.

10 LMA V 230 f. LThK V3 340 f. Hauck V/2, 913ff. 916 ff. 923 ff. Riemeck 48 ff. Töpfer 164 f. Poliv-ka 85 f. Hlediková 96, 99. Hilsch 83 f. 92 f. 111 f.114 f. 118, 120, 126. Lochman, Vom Versuch 98 ff.

11 Hauck V/2, 932 f. Riemeck 15, 54 ff. Liguš 137.Rieder 39. Hilsch 160, 162 ff. 167 ff. Zu Hieronymusvon Prag vgl. Svatoš, 69 f. Vgl. ferner Holeček 187ff.

12 LMA I 302, V 231. VII 160. LThK V3 341, X3

912 f. Hauck V/2, 934 ff. 938 ff. Riemeck 60 f.Brandmüller, Das Konzil von Konstanz I 348.Hilsch, 32, 164 ff. 171 ff. 184, 191, 194, 201. Vgl.auch die Zeittafel von M. Polivka in: Seibt (Hg.), JanHus 416

13 Riemeck 62 f. Hilsch 185

14 LThK V3 341. Riemeck 68 ff. Polivka 87 f.Hilsch 194 f. 207 ff. 235 ff.

15 HEG II 447. Riemeck 80, 87. Rieder 58 f. 61 f.65. Hilsch 238 ff. 247, 249, 252, 263, 267. Brand-müller, Das Konzil von Konstanz I 328. Zur Reisevon Hus durch Deutschland vgl. auch Machilek 167ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.833 Deschner Bd. 8, 467Anmerkungen zum achten Band

16 Grigulevič I 256. Riemeck 43, 91 ff. 97. Rieder 62ff. 70. Hilsch 251 f. 258, 260

17 LMA VI 1635. Riemeck 82, 90, 98, 113 f. Rieder62, 81. Hilsch 199, 244, 249 ff. 255 ff. Vgl. dazuauch Hrdlička 103 ff.

18 Riemeck 79 ff. 93, 96, 100, 107, 110 f. Rieder 60f. 63 ff. 66, 70 f. 80. Hilsch 249 ff. 253 f. 262 f. 270ff. 276. Smolik 253

19 Grigulevič I 258 f. Riemeck 94 ff. 103 ff. 112,115. Rieder 72, 74 ff. 78 ff. 83. Hilsch 251 f. 257 ff.264, 270, 273, 277

20 Šmahel 203. Hilsch 255 f. 262, 271, 275, 279

21 Grigulevič I 260 ff. Riemeck 117 ff., der ich hier,wie schon vordem, besonders verpflichtet bin. Molnar182. Brandmüller, Das Konzil von Konstanz I 362.Hilsch 277 ff.

22 HEG II 527. Hauck V/2, 1017 ff. Grigulevič I 264ff. Riemeck 83 ff. 101, 121 ff. »Die drei Reden, dieHus in Konstanz nicht halten durfte«, sind ganz abge-druckt im Anhang 125 ff. Hilsch 260, 280 f. Rieder88. Brandmüller, Das Konzil von Konstanz I 362, II119 ff. 129 ff. Misiurck 251. Lochman, Vom Versuch102. Vor allem zur literarischen Nachwirkung vonHus im 19. u. 20. Jahrhundert ausführlich P. Hörner,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.834 Deschner Bd. 8, 467Anmerkungen zum achten Band

bes. 33 f. u. 111 ff.

23 LMA VIII 1348 f. IX 520, LThK X3 501. HEG II527 f. Hauck V/2, 1050 f. 1053 f. Knöpfler 522. Ku-pisch II 114. Rieder 88 ff. 96 ff. 127 f. 134 f. 326.Brandmüller, Das Konzil von Konstanz II 117. ZuHussens Eucharistiebegriff vgl. den gleichlautend be-titelten Vortrag von A. Kolesnyk 193 ff.

24 LMA I 117, V 232, VI 2144, VIII 1907, 2190 ff.IX 659 f. LThK X3 1479. HEG II 528. Hauck V/2,1066 ff. 1101. Rieder 92 ff. 98 f. 102 ff. 107 f. 120ff. 127 f. 209

25 Spruyt 285. Rieder 101 ff. 106, 110 ff. 115 ff. 124ff. 189

26 HEG II 448. Seppelt IV 259. Rieder 113, 131 ff.143 ff. 150 ff.

27 LMA I 313 f. HEG II 454. Rieder 145, 153, 157ff. 202

28 LMA V 234. Rieder 128, 131, 138 f. 159 ff. 171,174, 176 f. 182 f. 185 ff. 207, 220 f. Wendehorst 2,144 ff. Deschner, Opus Diaboli 30 f. Zu Schlesien,wo der Breslauer Bischof Konrad IV., Fürst von Oels,eine führende Rolle spielte, vgl. Drabina 163 ff.

29 LMA IV 947 f. Hoyer, Sigmund 350. Rieder 161f. 166 ff. 327. Vgl. 178Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.835 Deschner Bd. 8, 467Anmerkungen zum achten Band

30 LMA I 1517. II 1639 f. LThK II3 53. HEG II 448f. (Koller), Hauck V/2, 1067, 1070. Seppelt IV 264,267 ff. Rieder 94, 113 ff. 130, 188 ff. 192 ff. 199 ff.326

31 LMA V 234, 2004. VII 948, 1868. HEG II 455 f.Eibl 358 f. Rieder 227 ff. 328

32 LMA I 1542 f. IV 1275 f. HEG II 529. Ausführ-lich Hauck V/2, 1112 ff. 1124 ff. Knöpfler 522 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.836 Deschner Bd. 8, 467Anmerkungen zum achten Band

7. KapitelDas christliche Europa gegen Mitte des 15.

Jahrhunderts unter besonderer BerücksichtigungPapst Eugens IV., weiterer Judenpogrome und des

Deutschen Ritterordens

1 Neuss 268

2 Zit. bei Gregorovius III/1, 29. Vgl. LMA VII 38

3 Gregorovius III/1, 29; 41 f.

4 Thom. de Aquin. Opera omnia, Ed. Pasis. 1880 ta-bula 1 a-o, Bd. 33, 543. Zit. nach Pinay 717

5 Zit. bei Schopen 54 f.

6 Heer, Kreuzzüge 148 f.

7 LMA V 1404. VT 1683, 2183. LThK II3 53. Sep-pelt IV 235 f. 250 f. 256 ff.

8 LMA I 1517 ff. IV 1094 f. V 1431 f. VI 1683.LThK II3 53 ff. VI3 349 ff. X3 346. HKG III/2, 514ff. Pastor I 299 ff. Schnürer III 290 f.

9 LMA I 1518, IV 80 f. VII 166 f. LThK II3 53 f.III3 981 f. VIII3 498 f. Kelly 259 ff. Der kleinePloetz 101. Gregorovius III/1, 12 f. 19 f. Schnürer III288 ff. Seppelt IV 276, 280, 283, 294. Kühner, Das

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.837 Deschner Bd. 8, 468Anmerkungen zum achten Band

Imperium 243. Ehlers 330 ff. Cawthorne 168

10 LMA I 1518 f. IV 341. LThK III3 1219 f. Knöpf-ler 501. Pastor I 335 f. Seppelt IV 312. Schuchert/Schütte 335

11 LMA III 122 f. IV 81. HEG II 675. GregoroviusIII/1, 13 ff. 17 ff. Kelly 259 f. Kretschmayr II 340 ff.Kühner, Das Imperium 240 ff. Pastor I 305 f. SeppeltIV 275, 286, Schuchert/Schütte 335

12 LMA IV 81, VII 1411. VIII 1009, 1627, 1768 f.LThK X1 655. Vgl. LThK X3 828. Kelly 260, HEGII 675 ff. Gregorovius III/1, 14 f. 24 ff. 28, 35 ff. Pa-stor I 306 ff. Seppelt IV 286, Kühner, Das Imperium242

13 LThK III3 841. III3 981 f. Kelly 259., Gregorovi-us III/1, 26, 40. Neuss 268, Pastor I 311 f. Schnitzer278. Schnürer 288. Seppelt IV 275. Kühner, Das Im-perium 242. Schuchert/Schütte 334

14 LMA IV 390 f. V 535 f. LThK II3 54. V3 922.HKG III/2, 593, 598

15 LMA IV 391 f. LThK III3 1279 f. V3 922. HKGIII/2, 598 f. Gregorovius III/1, 31 ff. Norden 712 ff.Knöpfler 501 f. Seppelt IV 290 berichtet von 43 grie-chischen Unterzeichnern. Vgl. auch 292. Schuchert/Schütte 335 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.838 Deschner Bd. 8, 468Anmerkungen zum achten Band

16 LMA IV 392 f. V 1378 f. LThK V3 922. HEG II1164. HKG III/2, 599 f. Norden 718 ff. Seppelt IV292 f.

17 Norden 730 ff. Seppelt IV 292. Schuchert/Schütte336

18 LMA IV 80, 1534. V 300, 1461, 1534. VI 153,592 f. 1191. VII 1780 f. 1869, VIII 1106, 1645.HKG III/2, 592 f. 596 (Runciman). HEG II 1162 f.Heer, Kreuzzüge 151. Ativa 132 f. Deschner/Petrović42 ff.

19 Paulus III 195 ff. 372

20 LMA V 226, 1514. VIII 1106, 1413. Pastor I334. Zöllner Geschichte der Kreuzzüge 216 f.

21 LMA I 1842, V 226, 561, 1378, 1461, 1514. VIII1106 f. 1413. Wetzer/Welte II 324. Donin V 548 f.Schnürer III 305. Kretschmayr II 360 f. Seppelt IV318 f. Heer, Kreuzzüge 152. Atiya 131, 136 ff. Zöll-ner, Geschichte der Kreuzzüge 216 f.

22 LMA I 209, 895 f. 963. IV 1937. V 216 f. VII811 f. VIII 1562 f. HEG II 847. Ehlers 303. Elze/Repgen 598

23 LMA V 215 ff. Schnürer III 217

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 781: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.839 Deschner Bd. 8, 468Anmerkungen zum achten Band

24 LMA I 1382 f. III 732, 1953. VIII 281. 1991 f.LThK IX3 1538. HEG II 841 f. mit vielen Literatur-hinweisen Anm. 15. Grupp V 66. Kosminski I 312.Büttner, Die sozialen Kämpfe 138 f. Slicher 190.Gerlach 15 ff. 56 ff. 91 ff. 98, 112, 141. Friedenthal85 ff. Rösener, Bauern 252 f.

25 Pierer V 722 f. LMA III 1972 f. V 2091 ff. VI1389. LThK VI3 1042. HEG II 434 f. 841

26 Pierer I 789, V 723, VIII 184. LMA III 1952 ff.IV 2052 f. V 284 f. VII 811 f. 1655 f. HEG II 841 f.846, 868

27 LMA IV 2053 f. VII 1035 f. VIII 290, 595. HEGII 849, Elze/Repgen 598

28 LMA I 962 f. II 1070 f. 1084 f. V 334 f. 510, 977f. VI 795, 1943 (Autrand). HEG II 848. Ehlers 300ff. 296 ff.

29 dtv Lex. 9, 253. LMA II 1578 f. V 342 ff. 979.LThK V3 763 f. Lea III 386 ff. 406, 412. Schirmer-Imhoff 28 ff. 39,41,49,95 u.a. Grigulevič I 272 ff.279 ff. Beuys, Johanna von Orléans 93 ff.

30 Pinay 712 f. Vgl. Hirsch/Schuder 196 f.

31 Browe, Die Judenmission 35 ff. Baer II 263. Roth278. A. Müller 42 ff. Schopen 54

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 782: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.840 Deschner Bd. 8, 469Anmerkungen zum achten Band

32 Ann. v. Melk, MGH Script. IX 517. LMA VI 499,1523. A. Müller, Geschichte der Juden 69. Hruby 298f. Hirsch/Schuder 198 f. Zum Vorwurf des Hostien-frevels vgl. Graus, Judenpogrome im 14. Jahrhundert69 f.

33 Liebe 259. Stein 37. Looshorn IV 179. Browe,Die Judenbekämpfung 208. Ders. Die Hostienschän-dung 172, 174 f. A. Müller, Geschichte der Juden.37, 73. Patze, Politische Geschichte 140

34 LThK VI3 1413 f. Roth 282 ff. Schulin 91 ff.

35 LMA IV 395 ff. LThK X1 630 f. Baer II 271 f.Schopen 35 f. Roth 284

36 Wetzer/Welte II 322 ff. LMA V 560 f. Donin V546. Theiner III 81. Lea II 623 ff. Schnürer III 304 f.Pastor I 482 ff. Boockmann, Das Mittelalter 257

37 Wetzer/Welte II 322 ff. LThK V1 485 f. V3 887f. HKG III/2, 727. Lea II 623 ff. III 199. Schnürer III304 f. Pastor I 484 Anm. 2. Heer, Kreuzzüge 36,Lambert, Ketzerei im Mittelalter 297. Breuer/Graetz55 f.

38 LThK V1 485. Pastor I 482 f. Roth 278. Boock-mann, Das Mittelalter 268

39 LMA V 560. HEG II 158, Heer, Kreuzzüge 36,Pinay 716 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.841 Deschner Bd. 8, 469Anmerkungen zum achten Band

40 LMA VII 197 (Paravicini), Taddey 1209. KühnerLexikon 106. Heer, Kreuzzüge 147 ff. Boockmann,Das Mittelalter 332, 343 f.

41 Helm. Chron. Slav. 1, 21; 1, 68. LMA V 2013, VI1101 f. VII 56. VIII 1197. LThK III3 132 f. Taddey666, 1185, 1225. Heer, Kreuzzüge 148. Zimmerling238 ff.

42 LMA V 274 f. 2013, VIII 458 f. 733, 1197.LThK V3 710. Taddey 1185, 1225. HEG II 1092 f.1096 f. Zimmerling 247 ff. Deschner, Das Kreuz mitder Kirche 130

43 LMA III 774, IV 2081, V 275, VII 1449, VIII459, 733 f. LThK III3 132. Taddey 514, HEG II1098. Zimmerling 254 ff. 260 f.

44 LMA III 567 f. IV 2081, VI 502. LThK III3 133.HEG II 1099 Zimmerling 261 ff.

45 LMA IV 2081, VII 197 f. Taddey 98, 514, 682,963. Menzel II 183. Zimmerling 263 ff. 267 ff. 279ff. 282 ff. 288 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.842 Deschner Bd. 8, 469Anmerkungen zum achten Band

8. KapitelDas Renaissance-Papsttum beginnt. Nikolaus V.,Kalixt III., Pius II., Paul II., Sixtus IV., Innozenz

VIII.

1 Battista Spagnoli v. Mantua zit. bei Seppelt IV 366

2 HKG III/2, 639. Vgl. bes. auch Pastor I 677 ff.

3 Zit. bei Gregorovius III/1, 79

4 Cawthorne 171

5 Kühner, Das Imperium 255 f.

6 Cawthorne 176 f.

7 LMA VII 710 ff. LThK VIII3 1099 ff. 1104 ff.Burckhardt 465. Münkler 7 ff. Burke 7, 13. Mout 9ff. Reinhardt, Die Renaissance 10 ff. 13. Muhlack 27ff. Vgl. auch die folg. Anm.

8 Seppelt IV 307 f. Deschner, Abermals 292 f.

9 LMA I 292 f. 403, 618, VI 1171 f. VII 38, 710 ff.VIII 1392 f. LThK VII3 865 f. VIII3 1099 ff. 1103ff. Kelly 261 ff. Kühner, Lexikon 140, 143 f. Münk-ler 7 ff. 11 ff. 21, 343 ff. 348. HEG II 678. Gregoro-vius III/1, 49 ff. Kühner, Das Imperium 247. Mout245, 286 f. Vgl. 136 ff. 292 ff. Deschner, Abermals

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.843 Deschner Bd. 8, 470Anmerkungen zum achten Band

292 ff.

10 LMA IV 940 ff. VI 1171 f. VII 103, IX 88 f.Kelly 262 f. Kühner, Lexikon 140. HEG II 459 f.Gregorovius III/1 54, 58 f. Pastor I 650; Seppelt IV309 ff. 324, 326. A. Meyer, Das Wiener Konkordat108 ff. Ders. Bischofswahl 124 ff. R. Schmidt, Fried-rich III 304, 311 f. 314, 316 ff.

11 LMA VII 102 f. Kühner. Lexikon 141 f. Münkler144. Gregorovius III/1 61 ff. Pastor I 574 ff. ausführ-lich über den »Verbrecher«. Vgl. auch 832 ff. Küh-ner, Das Imperium 247

12 Gregorovius III/1 61 ff.

13 LMA I 405 f. V 979. VI 1172. LThK VIII3 323.Kelly 262 f. Kühner, Lexikon 142. Münkler 320.Neuss 276, Seppelt IV 319 f. 326, Kühner, Das Im-perium 246 f.

14 LMA II, 1398. V 2069. LThK VIII3 827 f. Kelly263 f. Kühner, Lexikon 144 ff. Gregorovius III/1, 69ff. Knöpfler 484. Pastor I 677 ff. 686 ff. II 3. SeppeltIV 326 ff. Seidlmayer 288. Kühner, Das Imperium248

15 LMA VII 1425 f. Kelly 263 f. Kühner 145 f. Gre-gorovius III/1 70 f. Knöpfler 484. Kretschmayr II363, 369. Pastor I 691 f. 695 ff. 702 ff. Seppelt IV

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.844 Deschner Bd. 8, 470Anmerkungen zum achten Band

326 ff.

16 Kelly 264. Kühner 146. Gregorovius III/1, 71 ff.Pastor I 757 ff. 766 ff. 771 ff. 782 ff. II 3. Seppelt IV330 f. Cawthorne 183, 186

17 v. Wilpert III 1049. Kühner, Lexikon 150 f. LThKVIII3 323. Gregorovius III/1 74 ff. vgl. auch 101 f.Seppelt IV 333 f. Cawthorne 168. Burke 196. S. fer-ner Muhlack 202 ff.

18 LMA II 1488, VI 2190. VII 1489 f. LThK VIII3

322 f. Kelly 260 f. 264 f. Kühner, Lexikon 146 ff.Münkler 174 f. Gregorovius III/1 75 ff. 81 f. Knöpf-ler 484, Pastor I 348 ff. Seppelt IV 332 ff. Kühner,Das Imperium 250. Cawthorne 163, 167. Burke 200.Tönnesmann 15 ff. 21 ff. 25 ff.

19 Kelly 264. Gregorovius III/1, 74 f. Seppelt IV333. Cawthorne 162 ff.

20 LMA VI 2190 f. Kelly 265. Gregorovius III/1, 76,78 f. 82, 85 f. Knöpfler 485. Seppelt IV 346, 361.Kühner, Das Imperium 249 f.

21 Theiner III 85. Vgl. auch Mehnert 141. Marcuse18

22 Kühner, Lexikon 150 f. Gregorovius III/1 80, 90f. 101

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.845 Deschner Bd. 8, 471Anmerkungen zum achten Band

23 LMA IV 365. Kelly 266. HEG III 854. Münkler57, 59. Gregorovius III/1, 80 ff. 92 f. Pastor II 92 ff.99. Seppelt IV 347 f. Kühner, Das Imperium 250 ff.Tönnesmann 16

24 LThK VIII3 323. Kelly 265 f. Kühner, Lexikon148 f. Münkler 253. HEG III 1173 f. GregoroviusIII/1, 79 ff. 88 ff. 94. Seidlmayer 288. Seppelt IV331, 335 ff. 339 f. Pastor II 85 ff.

25 LMA I 2070 f. VI 1182, 2191. LThK VIII3 323.Gregorovius III/1, 84 f. Seppelt IV 340 f.

26 Kelly 266. Gregorovius III/1 95 ff. IV/1, 103 f.Knöpfler 485. Pastor II 241 ff. 273 ff. Seppelt IV 339f. Burke 218. Vgl. die vielen Kopfreliquien bei H.Herrmann, Lexikon der kuriosesten Reliquien 114 ff.

27 Kelly 266, Gregorovius IV/1 103 f. Knöpfler 485.Pastor II 306 ff. Cawthorne 171. Seppelt IV 349

28 Kelly 266 f. Theiner III 85. Gregorovius III/1, 104f. 231, 275 f., 291, 302. Knöpfler 486, Pastor II 300ff. 309, 314 f. 320 ff. 385. Seppelt IV 349 ff. Kühner,Das Imperium 252 f. Cawthorne 171. Burke 71.Münkler 345 f.

29 LMA VII 89. Kelly 267, Gregorovius III/1, 273ff. Knöpfler 486. Pastor II 322 ff. 327. Seppelt IV350 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.846 Deschner Bd. 8, 471Anmerkungen zum achten Band

30 LMA I 640 f. IV 66 ff. 1275 f. VI 402, VII 1944.Kelly 267, LThK X3 501. HEG III 222 ff. 861,1076, 1122. Gregorovius III/1, 108 f. 111. Pastor II411 ff. Seppelt IV 341 ff. 352. Kühner, Das Imperi-um 254. Heymann 320 ff. Cawthorne 171

31 LMA VII 802, 1944. LThK IX3 644 f. Kelly 266.Kühner, Lexikon 153. Gregorovius III/1, 112 f. IV281 f. Pastor II 462. Seppelt IV 353. Cawthorne 176

32 LMA VII 1944. LThK IX3 645. HKG III/2. 653,657. Kühner, Lexikon 155 f. Theiner III 123. Grego-rovius III/1, 113. Lea III 717. Pastor II 614 ff. 689 ff.Seppelt IV 354, 368. Hertling 224. Gontard 329.Cawthorne 171 f. Deschner, Opus Diaboli 55, 93

33 Wetzer/Welte X 206. LMA VII 1944. LThK IX3

645. Kühner, Lexikon 155, Kelly 268. HKG III/2,559. Ranke 245, Grisar, Päpstliche Finanzen 236.Kühner, Das Imperium 257. Seppelt IV 354, 365 ff.Seppelt/Schwaiger 262

34 LThK IX3 465. Kühner, Lexikon 153. Kelly 268.HKG III/2, 653, Kühner, Das 255. Cawthorne 171

35 LThK IX3 645. Kelly 268. HEG III 862. HKGIII/2, 656. Gregorovius III/1, 113, 123 f. Paulus III192 ff. Pastor II 471 ff. 558 ff. 563 ff. Seppelt IV 354f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 789: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.847 Deschner Bd. 8, 471Anmerkungen zum achten Band

36 Wetzer/Welte X 205. LMA VII 802, 1944. LThKVIII3 1334, IX3 645. Kühner, Lexikon 153 f. Kelly268. HKG III/2, 653. Gregorovius III/1, 114 ff. 121,124 f. Knöpfler 486 Anm. 2. Pastor II 477 ff. 482 ff.494. Seppelt IV 355 f. 359. Bernhart 208 f. Kühner,Das Imperium 255. Cawthorne 172. Reinhardt, DieMedici 85. Ders. Die Renaissance 30

37 LMA VII 802, 1822 f. LThK VIII3 1334 (Jait-ner), Kelly 268. Kühner, Lexikon 154. HEG III 861.Gregorovius III/1, 113 f. 118 ff. 125, 140. Seppelt IV356, 360. Kühner, Das Imperium 255 f. Reinhardt,Die Medici 85

38 LMA VI 1840 f. LThK IX3 645. Kühner, Lexikon154 f. Kelly 268. Münkler 120. HEG III 862. HKGIII/2, 654. Gregorovius III/1, 119 ff. 123 f. Young148 ff. Pastor II 532 ff. 542. Seidlmayer I 287, Bern-hart 209. Seppelt IV 357 ff. Kühner, Das Imperium255 f. Reinhardt, Die Medici 78 ff. 82 ff. Ders., DieRenaissance 31. Vgl. auch Schunicht-Rawe/Lüpkes21

39 dtv Lexikon 14, 222. LMA I 403. Kelly 268.HEG III 862 f. HKG III/2, 654 f. Gregorovius III/1,119, 125 ff. Kretschmayr II 384 ff. Pastor II 572 ff.579, 586 ff. Seppelt IV 360 f. Burke 264

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 790: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.848 Deschner Bd. 8, 472Anmerkungen zum achten Band

40 LThK IX3 645. Kelly 269. HEG III 863. Grego-rovius III/1, 129 ff. Pastor II 599 ff. 603 ff.

41 LMA VII 1944. VIII 877. Duden, Das GroßeFremdwörterbuch 503. Grigulevič II 341 ff. 346 f.350, 356 f. Matz 57

42 LMA V 609. VIII 877. Pastor II 624. GrigulevičII 349, 352

43 LMA VIII 877. LThK X1 211. IX3 1537. Grigu-levič II 352 ff. Matz 57. Deschner, Opus Diaboli42, – Das Lexikon für Theologie und Kirche erwähntden Starverbrecher auffallend kurz; in der ersten Auf-lage 1938 (acht Halbzeilen) im wesentlichen bloßmitteilend, daß er als Generalinquisitor »der spani-schen Inquisition ihre endgültige Organisation« gab;in der dritten Auflage im Jahr 2000, daß er »die recht-lichen Grundlagen der Inquisition« schu f. Dabei rangman sich hier, ein halbes Jahrhundert nach Hitler,noch den Zusatz ab, Torquemada habe »zu der könig-lichen Entscheidung beigetragen, die Juden 1492 ausSpanien zu vertreiben«, worauf, nach verschiedenenÜberlieferungen, 150000 bis 800000 Juden von Hausund Hof verjagt worden sind, etwa 50000 das Chri-stentum annahmen. Über Tausende veraschter Men-schen schweigt das Lexikon für Theologie und Kircheganz.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 791: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.849 Deschner Bd. 8, 472Anmerkungen zum achten Band

44 Kelly 268. HKG III/2, 655 f. Seppelt IV 362 ff.Grigulevič II 367 f.

45 LMA II 954 f. V 439. LThK V 521. Kelly 269.Kühner, Lexikon 158. HKG III/2, 658. GregoroviusIII/1, 134. Pastor III 212 ff. Seppelt IV 369. Fuhr-mann, Die Päpste 157. Chamberlin 200

46 LMA V 439. LThK V3 521. Kühner, Lexikon158. Kelly 269. HKG III/2. 659. Seppelt IV 371 f.Chamberlin 200. Cawthorne 176 f.

47 LMA V 440. LThK V3 521. Kelly 269. Kühner,Lexikon 158 f. Gregorovius III/1, 148. Ranke 245 f.Lea III 722. Seidlmayer 290. Gontard 347. SeppeltIV 370 ff. Pastor III 319 f. Kühner, Das Imperium159. Chamberlin 201. Cawthorne 178

48 LMA I 1187, V 440. LThK V3 521. Kelly 269 f.HKG III/2, 659. Gregorovius III/1, 141 ff. 147. Pa-stor III 278 f. Seppelt IV 372 f. Kühner, Das Imperi-um 260

49 LMA I 1485. V 439 f. Kelly 269. Kühner, Lexi-kon 158, HEG III 863 f. Pastor III 221 ff. 228 ff.235, 251. Seppelt IV 370 f. Kühner, Das Imperium258 f.

50 Pierer IX 310. LMA II 1069 ff. 1073 ff. V 980(Labande-Mailfert), VII 1759. Matz 59

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 792: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.850 Deschner Bd. 8, 472Anmerkungen zum achten Band

51 So schreibt von Pastor und nennt diesen Tod auch»erbaulich« und »ein würdiges« Ende: III 281 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 793: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.851 Deschner Bd. 8, 473Anmerkungen zum achten Band

9. KapitelDie Anfänge des langen christlichen Hexenwahns

1 Russell 102

2 Daxelmüller in LMA IV 2203

3 Behringer, Hexen, Glaube, Verfolgung 43

4 S. Anm. 23

5 Der Kleine Pauly V 1460 ff. LThK X3 1387. Rietz-ler 11

6 5. Mos. 18,10. 1. Sam. 15,23. LMA IV 2201, VIII2199 ff. IX 483 f. LThK III3 1 ff. X3 1387. Russell144

7 Tert. de coron. mil. 3; ad uxor 2,5. Athan. c. gent. 1(PG 25,5 A). Theodor, h.e. 3,3,4. in ps. 22,4; 109, 2.Kyrill, Jerus. Myst. Cat. 13,3,36. Joh. Chrysost. inMatth. hom. 54,4. RAC IX 782 f. 786 f. 789. LMAIII 476 f. IV 2201. VIII 578 ff. IX 483. LThK III3 1ff. Hoensbroech I 212 ff. Heiler, Erscheinungsformen476 ff. mit weiteren Literaturhinweisen. Vgl. auchebd. 316 f. Dannenbauer I 55 ff. Reicke/Rost 1003 f.Dölger, Beiträge (1963) 10 ff. 30 ff. ebd. (1964) 8 f.Ahlheim 18 f. Schweizer 698. van der Natt 718, 750f. Russell 45 ff. Vgl. auch 104 ff. 108 ff. Kallis 710,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 794: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.852 Deschner Bd. 8, 473Anmerkungen zum achten Band

713. Behringer, Hexen und Hexenprozesse 27. Vgl.auch Zacharias 15 ff. 19 ff.

8 Vgl. August. civ. dei 2, 4; 2, 24; 2, 29; 4, 1; 4, 19;7, 33; 8, 14 ff. 9, 2 f. 9, 7 ff. 11, 11 ff. 12, 1 f. 15, 23.Gen ad litt. 2, 17, 37; 3, 10, 14 f. 11, 2, 4 f. 11, 16,21; 11, 19, 26; 11, 26, 33; en. in ps. 103; 113; 135,3. div. daem. 3, 7; 4, 8; c. Jul. 3, 26, 63. Hexenham-mer I 35. LMA IV 2201. Riezler 42. Heiler, Erschei-nungsformen 294, 479. Funke 802. van der Natt 718,730 ff. Russell 56 f. 65, 109 f. 134, 143. Behringer,Hexen 9, 24. Vgl. auch Patschovsky 318 f.

9 LMA I 780. IX 483. Russell 65

10 Alle Quellenhinweise bei Hoensbroech I 275 ff.Vgl. Behringer, Hexon 25

11 LMA IV 2203. Riezler 27. Baschwitz 55. Behrin-ger, Hexen und Hexen-Prozesse 59 ff. Die zwei Ver-sionen des »Canon episcopi« bei Russell 291 ff. S.ferner ebd. 64 ff. 76 f. und Register

12 Caes. v. Heisterb. Wunderbare und denkwürdigeGeschichten 7, 11 f. 15 f. 46; 50 f. 58 f. 67; 78; 93;95 ff. 115, 120, 193 f. 199. LMA II 1363 ff. (Wag-ner) IV 2203, LThK II3 879 f. Riezler 9. Behringer,Hexen 9

13 LMA VIII 710. Riezler 36, 41 f. Hoensbroech IKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 795: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.853 Deschner Bd. 8, 473Anmerkungen zum achten Band

215 f. 221 f. Dort der Quellenhinweis, Grigulevič I207 f. 316. Russell 146 f. Behringer, Hexen. Glaube.Verfolgung 33. Decker 41 ff. Patschovsky 325 f.Deschner Abermals 486

14 Wetzer/Welte V 155. LMA IV 2203. Riezler 84 f.Hoensbroech I 217 ff. Schillebeeckx 61 f.

15 Grigulevič I 213 f. Russell 71 f. 94 f. 99 f. R. vanDühren, Kultur 78 ff. bes. 88 ff. Patschovsky 328 ff.Zur Grausamkeit vgl. etwa Sebald, Der Hexenjunge10 ff. Mynarek, Die Neue Inquisition 45 ff.

16 LMA IV 2201, Behringer, Hexen. Glaube. Verfol-gung 23 f.

17 LMA VII 1240 ff. 1603 f. Behringer, Hexen.Glaube. Verfolgung 32 ff. Hexen und Hexenprozesse64, 66 ff.

18 LMA IV 2201 ff. (Trusen). Behringer, Hexe.Glaube. Verfolgung 32, 37 ff. 44

19 Hexenhammer XX f. LThK V3 543 f.

20 Hexenhammer XXI ff. LThK V3 47. Riezler 82 ff.Neuss 290. Hertling 226

21 Hexenhammer XIII. Riezler 90 ff. Baschwitz 91,Behringer, Hexen. Glaube. Verfolgung 42.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 796: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.854 Deschner Bd. 8, 473Anmerkungen zum achten Band

22 Vgl. Hexenhammer passim, bes. XII ff. XXIV. II.Teil 44 s. auch Decker 47 ff.

23 Hexenhammer I 29 ff. 42 ff. 101. II 46 ff. 52 ff.

24 Ebd. I 68 ff. 76 ff. 93 u.a.

25 Ebd. 70 ff.

26 Ebd. I 73

27 Ebd. I 68, 116 f. II 25, 87 ff.

28 Heinsohn/Steiger passim, bes. 11 ff. 101 ff. 225ff. 369 ff. Vgl. auch Kammeier-Nebel 65 ff., K. Ar-nold, Die Einstellung 53 ff., Heinsohn, Lexikon derVölkermorde 166

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 797: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.855 Deschner Bd. 8, 474Anmerkungen zum achten Band

10. KapitelVon Alexander VI. (1492–1503) bis zu Leo X.

(1515–1521)

1 Francesco Guicciardini zit. bei Chamberlin 207

2 Gregorovius zit. bei Pastor III/2, 671

3 Ebd. III/2, 773

4 Ebd. IV/1, 353

5 Kühner, Lexikon 163. Gregorovius III/1, 309 f.Zander 117 ff. 125 ff.

6 LMA VII 1444 f. Kelly 270. HKG III/2, 660 f.Gregorovius III/1, 149 ff. 154, 158. Pastor III 340 ff.347 ff. 354 ff. 361, 409. Vgl. auch III/2, 1053 Nr.13, Hertling 227. Seppelt, Papsttum im Spätmittelal-ter 370 f. Chamberlin 198, 203 ff. Kühner, Das Impe-rium 261. de Rosa 129 f. Cawthorne 183 ff. 191

7 HKG III/2, 661. Chamberlin 208 f. Cawthorne 188f. Vgl. Gregorovius III/1, 152

8 Münkler 44. HKG III/2, 661. Gregorovius III/1,155, 161 f. Pastor III 360 f. 524. s. auch das Perso-nenregister bei Pastor III/2, 1148

9 Pastor III 328, 442 f. 448. Chamberlin 222 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 798: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.856 Deschner Bd. 8, 474Anmerkungen zum achten Band

10 LMA V 2164. Kelly 271. Kühner, Lexikon 161 f.Münkler 43 f. Gregorovius III/1, 213, 222, 228, 233.Ranke 42. Pastor abweichend III 537 ff. Ferner: 542,583, 585, 588. Hertling 227. Seppelt, Papsttum imSpätmittelalter 373. Gontard 340. Andreas 606. Küh-ner, Das Imperium 262. Chamberlin 237 f.

11 Ranke 42. Gregorovius III/1, 212. de Rosa 135

12 LMA V 2164 (Batllori). LThK II3 597 f. Münkler43, 45. Gregorovius III/1, 155, 158, 188, 200, 217 f.Vgl. auch 213. Pastor III 361 ff. 364 f. 372, 464 f.522, 565 ff. v. Boehn 237, Chamberlin 211. de Rosa135. Zander 125. Cawthorne 191 ff. 210 f. 224 f.

13 LMA I 403. Gregorovius III/1, 155 ff. 160 ff.Knöpfler 488. Pastor III 361, 371 f. 383 ff. Seppelt,Papsttum im Spätmittelalter 374 f.

14 Kelly 271. Kühner, Lexikon 161. Hergenröther II748, Gregorovius III/1, 158, 167 ff. 174 ff. 178 ff.184 Pastor III 367, 385 ff. 391 f. 394 ff. 400, 402 ff.407, 412 ff. 417, 422, 426. III/2, 1062 Nr. 34. Sep-pelt, Papsttum im Spätmittelalter 376 f. Chamberlin218 ff. Kühner, Das Imperium 262 ff. Cawthorne205, Burke 276 f.

15 Pastor III 429, 546 ff. 556 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 799: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.857 Deschner Bd. 8, 475Anmerkungen zum achten Band

16 HEG III 279. Gregorovius III/1, 212. Pastor III540, 546, 555 ff. 561

17 LMA VII 1414 f. LThK IX3 92 ff. Münkler 43 f.47. Pastor III 158 ff. 164 f. 185, Durant 152 ff. 169.Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 379 f. Caw-thorne 207

18 LThK IX3 94. Münkler 46 f. Gregorovius III/1,196. Pastor III 159 ff. 168 ff. 179, 182 ff. Durant 173f. Burke, 145, 277.

19 LMA VII 1414. LThK IX3 94 f. HKG III/2, 664.Pastor III 167 ff. 186 ff. 192, 472, 498. Durant 157ff. 161 ff. 168 f. Seppelt, Papsttum in Spätmittelalter380 f. Gontard 336. Kühner, Das Imperium 262.Chamberlin 286. Cawthorne 207. Burke 193 f. 277.Reinhardt, Die Medici 101 f. 104

20 LMA I 656. V 521, 2188 f. LThK V3 860. Kelly271. Gregorovius III/1, 200 ff. Pastor III 521 ff. 528f. Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 377 f. Cham-berlin 232

21 Gregorovius III/1, 203 ff. 231. Pastor III 528 ff.532 ff. Kühner, Das Imperium 263. Chamberlin 230f. 235

22 Gregorovius III/1, 206 ff. Pastor III 534 f. 610.Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 378. Chamber-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.858 Deschner Bd. 8, 475Anmerkungen zum achten Band

lin 237

23 Kelly 271. Gregorovius III/1, 213 ff. Knöpfler489. Pastor III 541 ff. Seppelt, Papsttum im Spätmit-telalter 378 f. Chamberlin 238 f. Kühner, Das Imperi-um 263

24 Gregorovius III/1, 162, 217 ff. Pastor III 378 f.562 ff. 578. Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter378, Chamberlin 209, 235, Cawthorne 196 f. Zapperi76 ff.

25 LMA II 1639. Münkler 44. Gregorovius III/1 195,213, 222 ff. Pastor III 365, 577 ff. Seidlmayer 291.

26 Gregorovius III/1, 222 f. 228. Pastor III 579 ff.Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 379, 389

27 Gregorovius III/1, 227 ff. Knöpfler 489, Pastor III344 f. 582 ff. Chamberlin 242, Cawthorne 228

28 Pastor III 566, 587 ff. 597 u.a.

29 Ranke 43. Gregorovius III/1, 234 f. Pastor III 588ff. Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 379, 386.Seppelt/Schwaiger 267. Bernhart 212. Kühner, DasImperium 263

30 Kelly 772. Kühner, Lexikon 165. GregoroviusIII/2, 360 f. Pastor III/2, 668 ff. 671 ff. 677. Seppelt,Papsttum im Spätmittelalter 386 f. Gelmi, Das Re-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.859 Deschner Bd. 8, 475Anmerkungen zum achten Band

naissance-Papsttum 112

31 LMA III 676. LThK V3 1083 f. Kelly 273. Küh-ner, Lexikon 166. Gregorovius III/2, 362. Seppelt,Papsttum im Spätmittelalter 387. Gontard 342

32 LMA III 675. LThK VIII3 1335. Kelly 272. Küh-ner, Lexikon 167. Ranke 44. Theiner III 126, Grego-rovius III/1 206. III/2, 363, 372 ff. 388. Pastor III/2,688 ff. 723, 798 f. Hertling 225. Pölnitz 211. Sep-pelt, Papsttum im Spätmittelalter 388. Gontard 342,Cawthorne 233 ff.

33 LMA II 1639. Kelly 273. Gregorovius III/2, 363ff. 368. Pastor III/2, 678 f. 685 f. 702 ff. 705 ff. 710ff. Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 389

34 LMA III 676. Kelly 272 f. HKG III/2, 668, 671.Münkler 308. Kühner, Lexikon 166 ff. v. Wilpert I76. Gregorovius II/2, 403 f. Eppelsheimer I 204, Pa-stor III/2, 684, 713, 808, 860, 875. Hertling 233.Gontard 340 ff. 348. Seppelt, Papsttum im Spätmit-telalter 388, 398. Cawthorne 234. – Vgl. zur HaltungJesu und den Ausflüchten der Kirche: Deschner,Abermals 493 ff.

35 LMA I 1347 f. Kelly 273. Kühner, Lexikon 169.Gregorovius III/2, 374 ff. 387. Pastor III/2, 687, 696,725 ff. 730 ff. 738 ff. 743 f. 774. Gontard 345 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.860 Deschner Bd. 8, 476Anmerkungen zum achten Band

36 Kelly 273. Kühner, Lexikon 167 f. HKG III/2,669. Gregorovius III/2, 378 ff. Pastor III/2, 713 f.717 ff. 746 ff. 761, 764 ff. Seppelt, Papsttum imSpätmittelalter 390

37 Kelly 273. Gregorovius III/2, 381 ff. 386 ff. Pa-stor III/2, 758 f., 770, 777, 783, 786 f. 798 f. Sep-pelt, Papsttum im Spätmittelalter 391 f.

38 Kelly 273. HKG III/2, 669. Gregorovius III/2,395 ff. schildert ausführlich die Schlacht. 400 ff. 406.Pastor III/2, 818 f. 840 ff. 846 ff. 853 f. 860 ff. 874.Pölnitz I 272. Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter392 ff. 401

39 LMA V 1881. LThK VI3 825 f. Kelly 274. Küh-ner, Lexikon 172 f. HEG III 185. Gregorovius III/1,145 f. III/2, 434 ff. Pastor IV/1, 353 f. 356 f. 406.Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 400 f. 410.Chamberlin 248 ff. 276

40 Kühner, Lexikon 177. Ranke 53. Gregorovius III/2, 435. Pastor IV/1, 350 ff. 403, 407 ff. 411 ff. Sep-pelt, Papsttum im Spätmittelalter 411. Chamberlin258 ff. Nach der Kirchenordnung des römischen Bi-schofs Hippolyt im 3. Jahrhundert mußten allerdingsauch die Jäger das Jagen aufgeben oder sie konntennicht Bischof werden. Vgl. Deschner, Abermals 506

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.861 Deschner Bd. 8, 476Anmerkungen zum achten Band

41 Gregorovius III/2, 436 f. Pastor IV/1, 363, 415 ff.Seppelt, Papsttum im Spätmittelalter 410, Chamber-lin 258, 260 f.

42 Kühner, Lexikon 173 f. Gregorovius III/2, 443 f.446 f. 452, 454, 461, 465. Pastor IV/1, 55, 61 ff. 73ff. 77, 91, 101, 103, 352, 357, 360 f., 363, 368 f.IV/1 375 f. Chamberlin 256, 269 f.

43 Kühner, Lexikon 177. Pastor IV/1, 356, 366 ff.370 f.

44 HEG III 185. Gregorovius III/2, 441 f.

45 LMA III 1698. VI 291 f. VII 1467. GregoroviusIII/2, 441 ff. 445 ff. 452, 454 f. Pastor IV/1, 31 ff. 78ff. 82 ff. 91 ff. 98, 101 ff. Chamberlin 269

46 Gregorovius III/2, 454 ff. Pastor IV/1, 101 ff. 113ff. Chamberlin 271 ff.

47 LThK VI3 1129. Gregorovius III/2, 458 ff. PastorIV/1, 117 ff. Luther, Vorbereitung 3 ff. Zusammen-fassung 40 f. Iserloh 303 ff. Honselmann 71 ff. Born-kamm, Thesen und Thesenanschlag 1 ff. 40, 41 ff.Oberman, Werden und Wertung 189 ff. Bäumer, DieDiskussion 53 ff. Ders. Die Fortsetzung der Diskussi-on 96 ff. H. Herrmann, Martin Luther 151. Hubatsch,Luther und die Reformation 7 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.862 Deschner Bd. 8, 476Anmerkungen zum achten Band

11. KapitelDer Ablaß

Vom katholischen zum protestantischen Luther

1 H. Herrmann, Martin Luther 139

2 LMA I 43 ff. LThK I3 51 ff. Beringer I 2, 27 f.Jone 636. Schlesinger II 452. Bornkamm, Thesen undThesenanschlag 60. Leist 221 f. H. Herrmann, MartinLuther 139 ff. 145

3 Paulus III 448 f. 457. Schlesinger II 452

4 Pierer III 648. LMA IV 1011, 1203. LThK IV3

214 f. VIII 25 f. Paulus III 464 f. Andreas 249. Pöl-nitz II 61 ff. 80, 93 f. 120, 211. Dauphin 38 ff.Plöse/Vogler 77 f.

5 LMA IV 1011. HEG III 433. Geiss II 225. PölnitzI 251, 650. II 62 ff. 80 f. 91 ff. 94 f. 122, 129. H.Herrmann, Martin Luther 142 ff. Moeller, Deutsch-land im Zeitalter der Reformation 71 ff. Zorn 203 ff.Vgl. Köpf, Deutsche Geschichte 46 ff. North 25, 39 f.Schunicht-Rawe/Lüpke 48 ff.

6 Pölnitz I 121 ff. II 91 f. 94 f. 121 f. 129. Moeller,Deutschland im Zeitalter der Reformation 71. Zorn203 ff. Zum Begriff des »Monopols« (das damals»meistgebrauchte wirtschaftliche Schlagwort«) vgl.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.863 Deschner Bd. 8, 477Anmerkungen zum achten Band

Prien 43 f. s. auch 58 ff.

7 Pölnitz I 79 f. 146, 251, 264, 331. II 57, 65, 80, 92ff. 120, 129, 131, 178, 203 ff.

8 LMA IV 1011. LThK IV3 215. Pölnitz II 63, 130f.

9 LThK V3 1252 ff. Paulus I 146. II 73, 82, 233 ff.238. III 434, 436, 439, 443, 446, 448. Arnold, Be-merkungen zu den Quellen der Baugeschichte in HVB1970, hier besonders bezogen auf Ablässe für denBamberger und Würzburger Dom 1235 und 1237

10 Little 98 f. Paulus III 378 ff. 445, 447. Grupp III180. Vgl. zum »Fegfeuer« Holböcks kurioses, mitkirchlicher Druckerlaubnis 1992 in der 5. A. erschie-nenes Buch passim; zu Thomas v.A. 57 ff.

11 WA 31/1, 226. Paulus III 278, 374 ff. 389, 470 ff.Beringer I 163. Jone 637. Leist 218 ff. 228 f. Bäu-mer, Martin Luther und der Papst 10

12 Paulus II 22 f. III 234 ff. 276 ff. 296, 301, 431,470 ff.

13 Ebd. III 233, 272 f. 474 ff.

14 LThK I3 59. III3 637. Paulus III 276, 301 f. 472,479 f. 481 ff. 489

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.864 Deschner Bd. 8, 477Anmerkungen zum achten Band

15 Paulus III 471. Pölnitz I 151. Dauphin 38 ff.Zoepfl, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe imReformationsjahrhundert 16. Kießling 308. Plöse/Vogler 150 ff.

16 LThK VI3 1129. Dauphin 38 ff. Borth 19 ff. Mo-eller, Deutschland im Zeitalter der Reformation 73

17 WA 1,573. 39,1,6 f.; 50, 379: 54, 179 ff. LW I 3ff. Grisar, Luther I 272. Schott 70 ff. Bäumer, MartinLuther und der Papst 7 f. 10 f. 14, 19. Borth 19 ff.(mit den Quellenbelegen). Plöse/Vogler 154 f. EineGegenüberstellung der Urfassung der Thesen undihrer Dezemberfassung gibt Honselmann 135 ff.

18 WA 1,582. WA Br 2,48. f. Grisar, Luther I 269 ff.Bäumer, Martin Luther und der Papst mit Bezug aufK. Bornkamm, Luthers Auslegung des Galaterbriefsvon 1519 und 1531, 1963. Vgl. auch Bäuner ebd. 55,98 ff.

19 Grisar, Luther I 339. II 104, 613. III 361, 785,815, 818. Mühlpfordt 341 f. Vgl. auch Plöse/Vogler17 f. u. Edwards, 265 ff. Schildt, Zum deutschenSprachschaffen 103 f. Deschner, Oben ohne 274

20 WA 7, 186. HEG III 496 f. 502 ff. 507. Taddey752 f. LThK VI3 1129 f. H. Bornkamm, Luthers gei-stige Welt 299 ff. H. Herrmann, Martin Luther 267 ff.Mühlpfordt, 325. Arndt 221 ff. Bäumer, Martin Lu-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.865 Deschner Bd. 8, 477Anmerkungen zum achten Band

ther und der Papst 9 ff. 27 ff. 62, 64 ff. Schildt, Zumdeutschen Sprachschaffen 101 ff. Ders. Die SpracheLuthers 307 ff. 324. Erben 33 ff. 45 ff. Besch 51 ff.Schlaich 77 f. Brecht 118 ff. Plöse/Vogler 14 ff. 205ff. 221 ff. 234 ff. 285 ff. Stupperich 19. Vgl. auchSchunicht-Rawe/Lüpkes 176 ff.

21 LThK X3 1515 ff. bes. 1519. Steck 35 ff. Born-kamm, Luthers Lehre von den zwei Reichen, passimbes. 9 ff. 14 ff. Görnitz 27 f. H. Herrmann, MartinLuther 318 f. Vgl. auch: Martin Luther Kolloquium,G. Brendler, Luthers theologische Leistung 20 ff.Sehr ausführlich: Gänssler, vgl. bes. 52 ff. 99, 105 ff.Tödt 101 f. Brecht, Luther und die Wittenberger Re-formation 74 f. Pannenberg 154

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.866 Deschner Bd. 8, 478Anmerkungen zum achten Band

12. KapitelMan nennt es Reformation

1 Deschner, Ärgernisse 74

2 LThK III3 735 f. HEG III 1084. Gerdes 67. Lütge,Luthers Eingreifen 370 f. Andreas 487. Franz 135.Rapp 29 ff. Boockmann, Die geistigen und religiösenVoraussetzungen 9. Oberman, Die Reformation 144ff. 154 ff. 160 f. Waas 81 ff. 116 f. 210. SchulzeDeutsche Geschichte 89 ff. 92 ff. Schilling, H., Auf-bruch und Krise 140 ff. 145 ff. Rabe, Reich 130, 192f. 195. Plöse/Vogler 53, 55 f. 100 f. 108 f. 115 ff.Moeller, Deutschland im Zeitalter der Reformation 90f. Mout 235. Deschner, Opus Diaboli 57 ff. Vgl. vorallem das 3. Kapitel dieses Bandes

3 LMA V 1845 ff. Andreas 465, 489, 496. Gerlach30. Waas 14, 16, 60, 116 ff. 170, 242, 258, 268.Oberman, Die Kirche 127 ff. Ders. Die Reformation157. Schulze, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhun-dert. H. Schilling, Aufbruch und Krise 140. Rabe,Reich und Glaubensspaltung 192, 194. Plöse/Vogler127. H. Mayer »Stich, schlag, würg hier« 13 ff. ZumZusammenhang von Reformation und Bauernkriegvgl. etwa auch G. Zimmermann, Die Antwort der Re-formatoren 7 ff., 147 ff. u. Burkhardt 68 ff. Vgl. fer-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.867 Deschner Bd. 8, 478Anmerkungen zum achten Band

ner die vorherg. Anm.

4 LMA I 1570. II 335. HEG III 516 f. Waas 62, 73,113, 122, 176, 212, 232. Schilling, Aufbruch undKrise 146 f. Plöse/Vogler 100 f. 356 ff. Kolb/KrenigII 115, 129 f. Köpf, Reformationszeit 254 ff. Desch-ner, Opus Diaboli 59

5 Franz 135, Waas 93, 103, 123. Schulze, DeutscheGeschichte im 16. Jahrhundert 103. Rabe, Reich 198ff. bes. 202 HEG III 516 ff.

6 Bücking/Rublack 54 f. Waas 39 f. 43, 111, 122,152 ff. Schulze, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhun-dert 101. Schilling, Aufbruch und Krise 149 f. Desch-ner, Opus Diaboli 59

7 LW III 48 ff. 53 f. LMA V 1847. Grisar, Luther I489. Herrmann, H. Martin Luther 326 ff. Lütge, Lu-thers Eingreifen in den Bauernkrieg 371. A. van Dül-men 120 f. Schulze, Deutsche Geschichte im 16. Jahr-hundert 96. Oberman, Die Reformation 156 ff. H.Mayer, »Stich, schlag, würg hier« 13 ff. 23 ff.

8 LMA II 335. Beutin, Luther und der zeitgenössi-sche Humanismus 31 ff. Schulze, Deutsche Geschich-te im 16. Jahrhundert 98. Schilling, Aufbruch undKrise 146 ff. Plöse/Vogler 16, 58 ff. 147 ff. 255 ff.300. Moeller, Deutschland im Zeitalter der Reforma-tion 92 f. Tödt 94. Vgl. auch Köpf, Deutsche Ge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.868 Deschner Bd. 8, 479Anmerkungen zum achten Band

schichte 60 ff. Burkhardt, Das Reformationsjahrhun-dert 64 ff. 74 ff.

9 LW III 69 ff. Nach dem einstigen EvangelischenMilitärbischof Kunst, Evangelischer Glaube 108,geht das (gesonderte) Erscheinen der widerlichstenLutherschrift »auf die buchhändlerische Gewinnsuchtund nicht auf Luther zurück«.

10 WABr III 874 S. 507; 877 S. 515 f.; 878 S. 517 f.896 S. 536 f.

11 LW III 75 ff.

12 Jäck I 127. Looshorn IV 622, Gerdes 71 ff. Franz,Aus der Kanzlei 83. Ritter 111 f. Bosl, GeschichteBayerns II 18. Lekai 98, Kist 81 f. Zoepfl, Das Bis-tum Augsburg im Reformationsjahrhundert 60, 68. H.Gerlach 198. Waas 72 ff.

13 WA 18, 358 ff. WA T 2 2505 b. WA B 3 480 f.Franz, Geschichte 144. Moeller, Deutschland im Zeit-alter der Reformation 101. Zu Luthers Obrigkeitsauf-fassung vgl. Looß 105 ff. u. Hübner 41 ff. Hoyer, Lu-ther und die Obrigkeit 126 ff.

14 WA B 3, 516. Bezold 509. Gerdes 74 f. Ludwig29. Bosl, Geschichte Bayerns II 18. Petter, Zurdeutsch-spanischen Begegnung 143 f. Heine zit. beiBeutin, Der radikale Doktor Martin Luther 83. Waas

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.869 Deschner Bd. 8, 479Anmerkungen zum achten Band

246. Moeller, Deutschland im Zeitalter der Reforma-tion 98 ff.

15 v. Bezold 508 ff. Looshorn IV 576 ff. 640 f. 654ff. Krieg, Die Landkapitel 1923, 42. Klein, Politikund Verfassung 211 f. Heimpel 361. H. Gerlach, Derenglische Bauernaufstand 187 f. Franz, Geschichte144. Waas 236 ff. 243

16 WA TR 2911 a/b. Die übrigen Zitate nach Schul-ze, Deutsche Geschichte 89. Ferner: Moeller,Deutschland im Zeitalter der Reformation 101. Vgl.auch Deschner, Opus Diaboli 58 ff.

17 Vgl. WA 1, 624. Grisar, Luther I 389, II 548,578. III 503, 720 f. Hoyer, Luther und die Häresien89 ff. 95 ff. 101. Bornkamm, Das Jahrhundert der Re-formation 349 ff. Beuys, Und wenn die Welt vollTeufel wär 248

18 EA 53, 272. Grisar, Luther I 434 f. III 746. Gör-nitz 42 f. Oberman, Die Reformation 209 f. Müller-Streisand 149. Zu Müntzer vgl. auch H. HerrmannThomas Müntzer 121 ff.

19 LThK V3 1249 f. Geiss II 229 f. Grisar, Luther III729 ff. 733, 744, 746. Wappler zit. ebd. Zeeden,Martin Luther und die Reformation II 244, 274 f.417. Trüdinger 123 ff. Reinhard, Reichsreform 296

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.870 Deschner Bd. 8, 479Anmerkungen zum achten Band

20 LThK IX3 1298 ff. Geiss IV 469. v. Bezold 707ff. Grisar, Luther III 201 ff. ausführlich über LuthersErwartung des nahen Weltendes (mit den Belegen).Zu den Hutterern vgl. LThK V3 347. R. Ludwig,Jakob Hutter 140 ff. – Knox 119 ff. Klaasen 396 ff.mit allen Quellenhinweisen. Schilling, Aufbruch undKrise 107 f. Beuys, Und wenn die Welt 246. Kirchner65 ff. 70 ff. (hier Kirchhoff zitiert). Oberman, Die Re-formation 167 ff. Rabe, Reich 231 ff. Moeller,Deutschland im Zeitalter der Reformation 102 ff.Reinhardt, Reichsreform 321 ff. Ausführlich über dieTäuferherrschaft in Münster: Laubach 145 ff. bes.174 ff. 188 ff. 202 ff.

21 WA 38, 347. Pierer VIII 441. LThK II3 771.Geiss IV 469 v. Bezold 701 ff. Grisar, Luther I 627 f.632, II 340, III 735 f. Bornkamm, Das Jahrhundertder Reformation 349, 354. Moltmann, 218. Vogler,Martin Luther und das Täuferreich 235 ff. Kirchner65 ff. Beuys, Und wenn die Welt 237 ff. 253. Goertz290. Reinhard, Reichsreform 321 ff.

22 Geiss II 227. Bezold 702. Steck 8 ff. Bornkamm,Das Jahrhundert der Reformation 346 ff. Rabe, Reich233 f. Goertz, 289 f. Kirchner 71. Reinhardt, Reichs-reform 321 ff.

23 WA 30/2, 637. Alle Belege bei Grisar, Luther I585 ff. 590 ff. 721. Mühlpfordt 325 ff. 329 ff. 344Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.871 Deschner Bd. 8, 480Anmerkungen zum achten Band

24 Grisar, Luther I 121 ff. 592 ff. 598 ff. II 802 ff. III722. Trüdinger 41 ff. bes. 45 ff. mit allen Quellenhin-weisen. Kirchner 52 f. Brecht, Luther und die Witten-berger Reformation 75, 86

25 WA 50,6 ff. (Schrift gegen die »Wiedertäufer«).Alle weiteren Quellenbelege bei Grisar, Luther III726 ff. 324. S. auch Kirchner 51

26 WA 32, 120. EA 18,76. Grisar, Luther III 234.Oberman, Luther 87 ff. Rogge, Anfänge 57 f. A. vanDülmen 8. Haustein 130. Zur sozialen Umgebungvon Luthers Elternhaus vgl. Held 13 ff. R. van Dül-men 78 ff. Delumeau zit. bei Minois 310

27 WA 18, 547. 29, 401. EA 11, 136, 53, 342. 60,22. Erikson 64 f.

28 WA 40, 1, 314 ff. 47, 612. EA 58, 129. 59, 138;287; 324; 340. 60, 64 ff. Grisar, Luther III 231, 233ff. 240 ff. 619. Obendiek 53 ff. Zur Fortwirkung desTeufelsglaubens in der Zeit der sogenannten lutheri-schen Orthodoxie vgl. S. Holtz »Der Fürst dieserWelt« 29 ff.

29 EA 57, 65. 58, 301. 59, 321. LThK V3 852. Gri-sar, Luther III 232 ff. 250 ff. 616 ff. 623

30 WA 15, 420. Haustein 32 ff. 52. Vgl. auch Desch-ner, Das Kreuz 214 f. 226. 253Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 814: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.872 Deschner Bd. 8, 480Anmerkungen zum achten Band

31 WA 1,403. Baschwitz 57 f. Frank 295 mit denBeleghinweisen. Türcke 72

32 WA 1, 398 ff.; 406 ff. EA 60, 57; 79. Grisar, Lu-ther III 244 ff. Frank 294 ff. mit Beleghinweisen.Haustein 34 ff. 39, 50 ff. 65 ff.

33 WA 1,406. 16,551. 29,520. 37,261. 40,1, 314.41,683. 47,654. 53,594. Dazu Haustein 51 f. 82 f.

34 WA 1, 410. 42, 269. WA TR 4, 44. Grisar, Lu-ther III 247. Haustein 55 ff. 78 ff.

35 WA 16, 500. 29, 682, 51, 609. EA 60, 79. Frank295 f. mit Belegstellen

36 WA 16, 551. 29, 539. Grisar, Luther III 247, 249.Haustein 132

37 LThK II1 767. II3 959. Grisar, Luther III 248 f.Haustein 35 ff. 116, 123

38 Bienert 26, 155, 176 f. Degani 37. Ehrlich 72 ff.Stöhr 90

39 WA 3, 19 f. 50, 513, 583, 589. 5, 535. Luther,Die gantze Heilige Schrifft Bd. 2, 1035. Lewin 2 ff.14, 20. Bienert 22 ff. Osten-Sacken 47 ff. 63 ff. 88 ff.

40 WA 11, 315. Bienert 30 ff. 33 ff. 39 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.873 Deschner Bd. 8, 480Anmerkungen zum achten Band

41 WA 11, 314 f. 336. Lewin 26 ff. Brosseder, Lu-ther und der Leidensweg der Juden 123. Osten-Sak-ken 90 ff. Tilly 397 f.

42 WA 11,315. 15,447. EA 65, 125 f. Lewin 31 ff.Ehrlich 75, 85. Osten-Sacken 92, Tilly 397 f. 402

43 Pauls II 25 ff. Zu Pauls vgl. Brosseder, LuthersStellung zu den Juden 135 ff. Lewin 37 ff. 44 f.Schreiner 65, 71. Oberman, Die Juden in LuthersSicht 153 ff. Vgl. auch Osten-Sacken 96 ff. 103 ff.115 ff.

44 WA 50, 312 ff. EA 31, 416 ff. Pauls II 53 ff. Gri-sar, Luther III 340. Lewin 62 ff. Osten-Sacken 121 ff.

45 WA 53, 529. EA 32, 141. Pauls III 65. Lewin 73f. Bienert 141. Osten-Sacken 128.

46 WA 53, 522 ff. 53, 541. LThK IX3 612. Bienert149 ff. Osten-Sacken 129

47 Bienert 132, 136, 139, 141, 145 f. 153 f. 189 f.u.a.

48 Ebd. 149, 151

49 Grisar, Luther II 596. Pauls III 61. Bienert 151 ff.

50 Nach Friedlander 289

51 Bienert 145 ff. Späth 110 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.874 Deschner Bd. 8, 480Anmerkungen zum achten Band

52 Weyer 163 ff. 168 ff. Osten-Sacken 154 ff.

53 Lortz 12. Dazu etwa die kurze Bemerkung Pan-nenbergs 143

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 817: 08 - Das 15. und 16. Jahrhundert.pdf

7.875 Deschner Bd. 8, 481Anmerkungen zum achten Band

13. KapitelVom »Sacco di Roma« zum Augsburger

Religionsfrieden

1 Ranke 85

2 Ebd. 76

3 Pastor V 29

4 LThK V3 1243 f. Der Kleine Ploetz 118. Geiss II223 f. Stein, Kulturfahrplan 724, Bosl, GeschichteBayerns I 142. Rabe, Reich 147 ff. Zorn 223 ff. Bran-di 32 ff. 79 ff. North 39 f. Schorn-Schütte 10 ff. 32,49

5 LThK IV3 1384. V3 1244. HEG III 266 f. Grego-rovius III/2 565. Seidlmayer 305. Petter, Problemeder deutsch-spanischen Begegnung 137

6 Kelly 277. Taddey 341, 415. Geiss I 186, 188.HKG IV 248. Gregorovius III/2, 562 ff. 575. Bezold529 ff. Pastor IV/2, 192 f. 197, 207 ff. Stein, Kultur-fahrplan 722. Seppelt IV 440 erklärt die formelle Ent-bindung des Königs vom Eid »nicht sicher«. Kühner,Das Imperium 278. Schorn-Schütte 33 ff.

7 Kelly 277. Kühner, Lexikon 186. HKG IV 247 f.Ranke 69 f. 76. Gregorovius III/2, 554 ff. Pastor

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7.876 Deschner Bd. 8, 481Anmerkungen zum achten Band

IV/2, 163 ff. bes. 170. 359 ff. 368 ff. bes. 389 ff.Kühner, Das Imperium 277 ff. Gontard 389

8 Pierer IV 255. Kühner, Lexikon 181 ff. HKG IV247. Ranke 68 f. Gregorovius III/2, 544, 579 ff. 587.Pastor IV/2 173 f. 214 f. 227 ff. 231, 235. Seppelt IV441. Kühner Tabus 106. Das Imperium 280. Gontard387

9 Taddey 404. Kelly 277. Bezold 542, 544 f. PastorIV/2, 248 ff. 258 f. 268 ff. Gregorovius III/2, 583 ff.,auf dem ich im folgenden vor allem fuße. Ritter 101.Seppelt IV 438 ff. 441

10 Kühner, Lexikon 183. Bezold 545 f. GregoroviusIII/2, 606 ff. Pastor IV/2 265, 268 ff. 285, 288. Sep-pelt IV 442. Gontard 387

11 Kühner, Lexikon 183 f. v. Bezold 545 f. Gregoro-vius III/2, 608, 611 ff. 617, 639. Pastor IV/2, 275 f.279 ff., 283, 287, 315 ff. bes. 317, 331. Gontard 387.Seppelt IV 442 f. Brandi 266 ff. übergeht den Saccodi Roma so gut wie ganz

12 Kühner, Lexikon 183 ff. HKG IV 250. Bezold544, 547 f. Ranke 81. Gregorovius III/2, 603 f. 607ff. 619 ff. 628 ff. 631 ff. 636 ff. 644 ff. 650 ff. PastorIV/2, 266 f. 307 f. 323 ff. Seppelt IV 443 f.

13 LMA II 1416. V 888. LThK VII3 1520 f. Kühner,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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7.877 Deschner Bd. 8, 481Anmerkungen zum achten Band

Lexikon 187 ff. Kelly 278 f. HKG IV 496. Pastor V7 ff. 13 ff. 22 f. 25, 99 ff. 214, 221 ff. 251 f. 513,527, 727. Kühner, Das Imperium 283 f. Seppelt V 12ff.

14 Kelly 278. Pastor V 27 ff. 176 ff. 184 ff. 247 ff.bes. 252. Seppelt V 13 ff. 25, 35, 38 f. Kühner, DasImperium 283

15 Pastor V 154 ff. 160 ff. 166 ff. 194 ff. 207 f. 244.Seppelt V 39, 52 ff. Brandes 128 ff. Brandi 304 f.

16 Pastor V 164 ff. 231 ff. 238 ff. 587 ff.

17 HEG III 269 f. Pastor V 95, 253 ff. 267 ff. Sep-pelt V 35 ff. Hroch/Skýbová, Die Inquisition 55 f.

18 Bezold 639, 773, 776, 784. Pastor V 327. SeppeltV 39, 41, 43 f. A. van Dülmen, Luther-Chronik 187,198 f. 250 f. 290. Schorn-Schütte 64 f.

19 Sehr ausführlich schildert den schmalkaldischenKrieg v. Bezold 772–797. Vgl. hier bes. 787, 796.Taddey 826. Pastor V 589 ff. bes. 594 ff. 612 f. Sep-pelt V 44 ff. Schorn-Schütte 66

20 Pastor V 67, 598, 611 f. Seppelt V 25, 27, 30 f.33 f. 46

21 Kühner, Lexikon 195. Ranke 171. Pastor VI 53 ff.

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7.878 Deschner Bd. 8, 482Anmerkungen zum achten Band

22 Ranke 169 ff. Pastor VI 97 ff. 116 f. Kühner, DasImperium 288

23 LThk I3 1230 f. II3 1357. V3 700. HEG III 544ff. HKG IV 308 ff. Geiss IV 483 f. Pastor VI 566 ff.Seppelt V 74. Sehr übersichtlich: Heckel 45 ff. –Deschner, Opus Diaboli 60 f.

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