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1 1 Allgemeine und theoretische Grundlagen 1.1 Analytische Chemie heute Inhalt Die historischen Anfänge. Definitionen der Analytischen Chemie. Stellenwert in Wissenschaft und Gesellschaft. Bedeu- tung der Spurenanalytik. Eurocurriculum, Studiengruppe Education in Analytical Chemistry der Working Party of Analyti- cal Chemistry von 1992. Analytik in Ge- setzen, Verordnungen und Normen. Lite- ratursuche: Fachzeitschriften, Abstracts, Computerrecherchen und elektronische Bibliotheken. Die historischen Anfänge Zu Beginn seiner „Geschichte der Analy- tischen Chemie“ (1966) schreibt der Che- miehistoriker Ferenc Szabadváry dass, die ältesten analytischen Kenntnisse, die Ver- fahren der Goldprüfung auf „trockenem Wege“ (durch Schmelzen im Ofen), be- reits im Alten Testament der Bibel an mehreren Stellen nachzulesen seien. Die Erarbeitung der Analyse habe stets am Anfang jeder Entwicklung in der Che- mie gestanden. Zuerst hätten die Stof- fe untersucht werden müssen, bevor ir- gendwelche Gesetzmäßigkeiten gefunden werden konnten. Erst ab einem gewis- sen Stand der analytischen Kenntnisse hätten auch Fortschritte in der Chemie erzielt werden können. Reinheitsprüfun- gen, z. B. von Grünspan auf Verfälschung durch Eisen(II)-sulfat, sind bei dem rö- mischen Schriftsteller Plinius dem Älte- ren (23–79n. Chr.) in dessen dem Kaiser Titus gewidmeter Naturgeschichte Natu- ralis Historia nachzulesen. Im Zeitalter der Alchemie bzw. der frühen Chemie bis etwa in das 17. Jahrhundert stand die Analyse von Metallen bzw. Mineralen im Rahmen des Berg- und Hüttenwesens im Vordergrund. Im 14. und 15. Jahrhun- dert beschrieben die sogenannten „Pro- bierbüchlein“ außer Gold-, Silber-, Blei-, Kupfer- und anderen „Proben“ auch Ver- fahren zur Güteprüfung des Schwefels für die Schwarzpulverherstellung. In den Beginn der Neuzeit, charak- terisiert durch das Wirken des Arztes und Naturforschers Paracelsus, eigent- lich eophrast Bombast von Hohenheim (1493–1541), fällt auch der Anfang der Wasseranalytik. Leonhard urneysser (1530–1596), ein sogenannter Paracelsist, lieferte erste ausführliche Beschreibungen zur chemischen Analyse von Heil- und Mineralwässern auf nassem Wege. Von Robert Boyle (1627–1691) wurde erstmals der Begriff „chemische Analyse“ verwen- det, ebenso die Bezeichnungen Reaktion und Reagenz. Eine neue Entwicklungsstufe begann mit der Entdeckung zahlreicher Gase, vor allem des Sauerstoffs, im 19. Jahr- hundert, als der französische Chemiker Analytische Chemie, 3. Auflage. G. Schwedt, T.C. Schmidt und O.J. Schmitz. © 2017 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Published 2017 by WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.

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    1Allgemeine und theoretische Grundlagen

    1.1Analytische Chemie heute

    Inhalt

    Die historischen Anfänge. Definitionender Analytischen Chemie. Stellenwert inWissenschaft und Gesellschaft. Bedeu-tung der Spurenanalytik. Eurocurriculum,Studiengruppe Education in AnalyticalChemistry der Working Party of Analyti-cal Chemistry von 1992. Analytik in Ge-setzen, Verordnungen und Normen. Lite-ratursuche: Fachzeitschriften, Abstracts,Computerrecherchen und elektronischeBibliotheken.

    Die historischen Anfänge

    Zu Beginn seiner „Geschichte der Analy-tischen Chemie“ (1966) schreibt der Che-miehistoriker Ferenc Szabadváry dass, dieältesten analytischen Kenntnisse, die Ver-fahren der Goldprüfung auf „trockenemWege“ (durch Schmelzen im Ofen), be-reits im Alten Testament der Bibel anmehreren Stellen nachzulesen seien. DieErarbeitung der Analyse habe stets amAnfang jeder Entwicklung in der Che-mie gestanden. Zuerst hätten die Stof-fe untersucht werden müssen, bevor ir-gendwelche Gesetzmäßigkeiten gefundenwerden konnten. Erst ab einem gewis-sen Stand der analytischen Kenntnissehätten auch Fortschritte in der Chemie

    erzielt werden können. Reinheitsprüfun-gen, z. B. von Grünspan auf Verfälschungdurch Eisen(II)-sulfat, sind bei dem rö-mischen Schriftsteller Plinius dem Älte-ren (23–79n. Chr.) in dessen dem KaiserTitus gewidmeter Naturgeschichte Natu-ralis Historia nachzulesen. Im Zeitalterder Alchemie bzw. der frühen Chemiebis etwa in das 17. Jahrhundert stand dieAnalyse von Metallen bzw. Mineralen imRahmen des Berg- und Hüttenwesens imVordergrund. Im 14. und 15. Jahrhun-dert beschrieben die sogenannten „Pro-bierbüchlein“ außer Gold-, Silber-, Blei-,Kupfer- und anderen „Proben“ auch Ver-fahren zur Güteprüfung des Schwefels fürdie Schwarzpulverherstellung.In den Beginn der Neuzeit, charak-

    terisiert durch das Wirken des Arztesund Naturforschers Paracelsus, eigent-lich Theophrast Bombast von Hohenheim(1493–1541), fällt auch der Anfang derWasseranalytik. Leonhard Thurneysser(1530–1596), ein sogenannter Paracelsist,lieferte erste ausführliche Beschreibungenzur chemischen Analyse von Heil- undMineralwässern auf nassem Wege. VonRobert Boyle (1627–1691) wurde erstmalsder Begriff „chemische Analyse“ verwen-det, ebenso die Bezeichnungen Reaktionund Reagenz.Eine neue Entwicklungsstufe begann

    mit der Entdeckung zahlreicher Gase,vor allem des Sauerstoffs, im 19. Jahr-hundert, als der französische Chemiker

    Analytische Chemie, 3. Auflage. G. Schwedt, T.C. Schmidt und O.J. Schmitz.© 2017 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. Published 2017 by WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA.

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    A.L. Lavoisier (1743–1794) experimen-tell eine „messende Gaschemie“ entwi-ckelte. Das erste Hochschullehrbuch derAnalytischen Chemie erschien 1790 vonJ.F. Göttling (Jena, 1755–1809) unter demTitel „Vollständiges chemisches Probir-Cabinett“ (in der 2. Auflage 1802 als„Praktische Anleitung zur prüfenden undzerlegenden Chemie“). Der Name desFachgebietes Analytische Chemie wur-de in einem Lehrbuch zum ersten Mal1801 von dem Freiberger W.A. Lampa-dius (1772–1842) verwendet – in sei-nem „Handbuch der chemischen Analy-se der Mineralkörper“. Besonders erfolg-reich waren die Lehrbücher von C.R. Fre-senius (1818–1897), dessen „Anleitungzur qualitativen chemischen Analyse“ in16 Auflagen von 1841–1895 erschien.Fresenius’ „Anleitung zur quantitativenchemischen Analyse“ (1. Auflage 1845)führte schließlich zur Begründung derAnalytischen Chemie als selbstständigemWissenschaftsgebiet. SeineMethodik undDidaktik blieben bis heute in den Grund-praktika der qualitativen und quanti-tativen anorganisch-chemischen Analyseerhalten. „Die wissenschaftlichen Grund-lagen der Analytischen Chemie“ wurden1894 von dem Physikochemiker W. Ost-wald (1853–1932) in einem eigenständi-gen Lehrbuch behandelt. In der Mitte des19. Jahrhunderts begann auch die Ent-wicklung physikalischer Methoden in derAnalytischen Chemie – z. B. der Spektral-analyse durchR.W. BunsenundG.R. Kirch-hoff (1859).In den meisten Kapiteln und Abschnit-

    ten dieses Lehrbuches werden jeweils zuBeginn kurze chemiehistorische Anmer-kungen zur Entwicklung der im Einzelnenvorgestellten Analysenmethoden – auchals Orientierungshilfe zur Einschätzungihres Stellenwertes – zu finden sein.

    Definitionen und Stellenwert

    Die Analytische Chemie heute ist durcheine schnelle Entwicklung in der Geräte-technologie und durch sich noch immerausweitendeAufgabenstellungen aus allenBereichen der technischen Wissenschaf-ten, Natur- und auch Kulturwissenschaf-ten (z. B. Archäologie, Kunstgeschichteund Buchkunde) gekennzeichnet. In ei-nem „Memorandum der Vertreter deut-scher Hochschulen zur Eingliederung derAnalytischen Chemie als Wahlpflichtfachim Studiengang Chemie“ (Fresenius’ J.Anal. Chem., 216, M 46 (1993) – Mit-teilungsblatt 1’ 93 der Gesellschaft Deut-scher Chemiker, Fachgruppe AnalytischeChemie) ist die Entwicklung der jüngstenZeit wie folgt skizziert:„Die Aufgaben der Analytischen Che-

    mie haben sich im letzten Jahrzehnt starkverändert und erweitert. So ist die Ana-lytische Chemie von einer lediglich retro-spektiv betrachtenden zu einer diagnosti-zierend gestaltendenWissenschaft gewor-den und spielt eine immer wichtigere Rol-le bei derCharakterisierung undBeschrei-bung sich ändernder chemischer und bio-logischer Systeme. Durch diese Aufgabenist die Analytische Chemie ein gleichbe-rechtigter Partner der Synthetischen Che-mie. Die Gesellschaft und die ihr dienen-de Technik benötigt analytische Aussagenin allen Bereichen der Naturwissenschaf-ten, im Umweltschutz, in der Biologie,Medizin, Pharmazie, Pharmakokinetik, inden Geowissenschaften, in der chemi-schen und biologischen Prozesskontrolle,den Nahrungswissenschaften, der Foren-sik und den Materialwissenschaften. Dasganze Gebiet, vor allem das der instru-mentellen Analytik, hat sich seit Mitte der50er Jahre dramatisch verändert. So lös-ten sich in den letzten ca. 30 Jahren dieInstrumentengenerationen in Zyklen vonnur 3–4 Jahren ab, und die Fortschritte inder analytischen Forschung, insbesonde-

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    31.1 Analytische Chemie heute

    re Senkung derNachweisgrenzen,Verkür-zung der Analysenzeiten z. B. durch Au-tomation,VerbesserungderAnalysenqua-lität, Vereinfachung undMiniaturisierungder Instrumentation brachten technischeVerbesserungen im Ausmaß von mindes-tens einer Größenordnung pro Jahrzehnt.“Eine Definition des Fachgebietes Ana-

    lytische Chemie in knapper Form wurdevon der Fachgruppe Analytische Chemiein der Gesellschaft Deutscher Chemikerin den 1970er-Jahren wie folgt formuliert:„Chemische Analytik ist die Wissen-

    schaft von der Gewinnung und verwer-tungsbezogenen Interpretation von Infor-mationen über stoffliche Systeme mit Hil-fe naturwissenschaftlicher Methoden.“Einen besonders herausragenden Stel-

    lenwert hat in den 1960er- und 1970er-Jahren die Spurenanalytik erhalten, de-ren Bedeutung sich wie folgt umschreibenlässt:„Heute sind spurenanalytische Daten

    die Grundlage für politische, juristischeund medizinische Entscheidungen, dienicht nur die Wiedergewinnung und Er-haltung der Qualität von Luft,Wasser undvonLebensmitteln, sondern insgesamt diemit Recht so häufig zitierte „Qualität desLebens“ betreffen. Hier ist vor allem dieAnalytik im Umweltschutz mit den Be-reichen Luftreinhaltung, Wasseranalytikeinschließlich der Meeresforschung so-wie der Lebensmittelchemie zu nennen.Auf medizinischen Gebieten sind beson-ders die biochemische Analytik und dieArzneimittelforschung auf spurenanalyti-scheMethoden angewiesen. In der Reinst-stoff-Forschung und in den technischenFächern, etwa in den Werkstoffwissen-schaften, ist die Kenntnis über den Gehaltvon Elementspuren eine wichtige Vor-aussetzung zur Ermittlung physikalischerStoffeigenschaften. Auch so verschiedeneWissenschaften wie die Geologie und dieArchäologie bedienen sich spurenanalyti-scher Methoden, um Probleme ihres Fa-

    ches aufzuklären. – Tatsächlich gibt esheute kaum ein Gebiet der experimentel-len Naturwissenschaften, das nicht in ir-gendeiner Weise mit spurenanalytischenFragen befasst ist.“ (H.Monien, E. Hohaus,G. Schwedt: Aspekte der modernen Spu-renanalytik, in: „Entwicklungen der 70erJahre – Studien aus der Gesamthochschu-le Siegen“ 1978, S. 476–488.)Hinzuzufügen sind die Kulturwissen-

    schaften, angefangen bei der Archäome-trie bis hin zum Einsatz der möglichstzerstörungsfreien Analytik zu Fragen derRestaurierung alter Handschriften, Inku-nabeln und früher Drucke.Im Rahmen einer internationalen Aus-

    schreibung wurden 1992 Definitionen derAnalytischen Chemie in Fresenius’ Jour-nal of Analytical Chemistry veröffentlicht(Vol. 343, S. 812ff), von denen die aufPlatz 1 gesetzte Definition (K. Cammann)in z. T. freier Übersetzung aus dem engli-schen Originaltext wie folgt lautet:„Die Analytische Chemie ist definiert

    als eine eigenständige chemische Teildis-ziplin, welche Methoden und das Instru-mentarium zur Gewinnung von Informa-tionen über die Zusammensetzung unddie Struktur von stofflichen Systemen ent-wickelt und zur Verfügung stellt, spezi-ell in Bezug auf Art, Zahl, energetischenZustand und geometrische Anordnungvon Atomen und Molekülen insgesamtoder innerhalb eines gegebenen Proben-volumens. Die moderne Analytische Che-mie kann auch als angewandte Chemiebezeichnet werden. In der AnalytischenChemie werden spezielle Techniken ver-wendet, um die gemessenen chemischenSignale, gewonnen meist aus der spezifi-schen Wechselwirkung zwischen Materieund Energie, in Informationen und neuesWissen umzuwandeln, das dem Bekann-ten zugeordnet werden kann. Deshalb ge-lingt es dieser Disziplin auch immer wie-der, interessante Neuigkeiten und einma-lige Möglichkeiten aufzuzeigen, welche

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    Abb. 1.1 Zum Stellenwert der Analytischen Chemie heute: Aktionsfelder, Problemstellungen, For-schung und Entwicklung sowie Verknüpfungenmit der Gesellschaft.

    ganz wesentlich unsere Kenntnisse überdie materielle Welt durch die Schaffungdreidimensionaler Bilder von dem wah-ren qualitativen und quantitativen chemi-schenZustand einerMaterialprobe erwei-tern. Ihre hohe Leistungsfähigkeit findetauch im Prozess der Kenntniserweiterungund Theorienbildung durch eine Vielzahlvon Naturwissenschaftlern anderer Fach-richtungen eine breite Anwendung.“Andere Definitionen, wie die von M.

    Valcarcel (o. g. Literaturstelle, S. 814), wei-sen darüber hinaus auf die Zusammen-hänge zwischen Analytischer Chemie, an-derenWissenschaften und vor allem auchderGesellschaft hin: Proben undAnalyten

    sind heute nicht mehr allein die Aufgabender Analytischen Chemie, sondern es sindvielmehr die zugrunde liegenden Proble-me innerhalb eines Bereiches aus sozialenBeziehungen und Forschungs- sowie Ent-wicklungsbeziehungen (Abb. 1.1).

    Das EurocurriculumAnalytische Chemie

    Über die Ausbildung in der AnalytischenChemie (s. auch Vorwort zur 1. und 2.Auflage) wurde 1991 ein ausführlicher Be-richt von R. Kellner (Wien) et al. gegeben(Mikrochim. Acta 1991 II, 543–565). DieStudiengruppe Education in AnalyticalChemistry derWorking Party of Analytical

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    51.1 Analytische Chemie heute

    Chemistry stellte 1992 auf der Grundla-ge dieser Veröffentlichung ein Eurocurri-culum „Analytische Chemie“ zusammen,das in diesem Lehrbuch weitgehend be-rücksichtigt wurde (Tab. 1.1).

    Analytik in Gesetzen, Verordnungenund Normen

    Aus Abb. 1.1 wird bereits die Bedeutungder Analytischen Chemie für die heutigeGesellschaft deutlich. Sie zeigt sichweiter-hin durch den noch immer zunehmendenEingang in Gesetze und Verordnungen,in denen nicht nur Richt- und Grenzwer-te, sondern auch Analysenmethoden bzw.-verfahren vorgeschrieben werden. Diefolgende Tab. 1.2 vermittelt einen Über-blick über die Bereiche, in denen Analy-senvorschriften als anerkannte Verfahrengesetzlichen Eingang gefunden haben.Am 7. Mai 1985 schuf die „Entschlie-

    ßung des Europäischen Rates zur Harmo-nisierung und Normung“ die Grundlagezur Entwicklung einheitlicher Normung.Die Richtlinien des Rates haben die Auf-gabe, die grundlegenden Anforderungenfestzulegen. Die Erarbeitung technischerDetails wird perMandat der europäischenNormenorganisation CEN/CENELECübertragen. Seit 1990 existiert im CEN(s. Tab. 1.2) das Technische Komitee TC230 „Wasseranalytik“. Bereits 1971 wurdedas ISO TC 147 „Wasserbeschaffenheit“gegründet; beide Gremien arbeiten zurinhaltlichen Abstimmung der Normen-werke zusammen. Der NormenausschussWasserwesen im Deutschen Institut fürNormung (DIN NA 119) hat die Aufga-be, nationale Normen zu erarbeiten undin den europäischen und internationa-len Normenkommissionen mitzuwirken.Die inhaltliche Erarbeitung neuer und dieÜberarbeitung bestehender Normen wirddabei durch den Hauptausschuss I „Ana-lyseverfahren“ der WasserchemischenGesellschaft geleistet.

    Die amerikanische Umweltbehörde USEPA (Environmental Protection Agency)entwickelt (im Unterschied zum Umwelt-bundesamt in der BRD) auch normier-te Standardverfahren für die Umwelt-analytik – auf der Grundlage der US-Umweltgesetze. Die US EPA verfügt überentsprechende Weisungsbefugnisse undauch über die erforderlichen finanziellenMittel, um Messprogramme zur Validie-rung von Analysenverfahren durchzufüh-ren. Die Normenserien erfassen die Um-weltanalytik in Böden, Wasser und Luft.Im Bereich der Arbeitssicherheit, der

    Gefahrstoffanalytik am Arbeitsplatz, gel-ten zunächst einmal Chemikaliengesetz,Gefahrstoffverordnung und die techni-schen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS),die wiederum auf VDI-Richtlinien Be-zug nehmen. Aufgrund der EG-Grenz-wertrichtlinie 88/642/EWG entstand imCEN das Technische Komitee TC 137„Bewertung der Belastungen am Arbeits-platz“. In der BRD sind für diese Bereicheder „Ausschuss für Gefahrstoffe“ (AGS)und der „Arbeitsausschuss Gefahrstof-fe/Arbeitsschutz“ im DIN (DIN AGSA)zuständig. Für die Messverfahren im Be-reich der Luftschadstoffe sind die „Kom-mission Reinhaltung der Luft im VDIund DIN“ sowie das ISO TC 146 AirQuality zu nennen. Umfangreiche Me-thodensammlungen, die auch für Europavon Bedeutung sind, stammen von denUS-Behörden OSHA (Occupational Safe-ty andHealth), NIOSH (National Institutefor Occupational Safety andHealth) sowieder US EPA mit ihren TOC-Serien (ToxicOrganic compounds).Für den Analytiker in der Praxis sind

    diese Analysenvorschriften zwar hilfreich,sollten ihn aber nicht dazu verleiten, siekritiklos anzuwenden. Sie sind nur dannwirklich sinnvoll, wenn auch homoge-ne Analysenproben genau derjenigen Artvorliegen, für welche die Verfahren ent-wickelt und erprobt wurden. Normier-

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    6 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Tab. 1.1 Eurocurriculum „Analytische Chemie“.

    Grundlagen ∙ Ziele der analytischen Chemie und ihre Bedeutung für die Gesell-schaft (Gesetze und Verordnungen)

    ∙ Der analytische Prozess (GLP)∙ Probennahme∙ Probenaufbereitung∙ Bestimmung∙ Ergebnisauswertung

    Methoden und ihreAnwendungen

    ∙ Titrimetrie∙ Gravimetrie∙ Elektroanalyse∙ Trennungsverfahren∙ Thermische Analyse∙ Organische Elementaranalyse∙ Chemische Sensoren und Biosensoren∙ Biochemische Analyse∙ Immunoassay

    Chemische Analyse ∙ Einzelschritte (vom Grundprinzip bis zum analytischen Signal)∙ Säure-Base-Reaktion∙ Redox-Systeme∙ Komplexierungsreaktionen∙ Niederschlag und Auflösung∙ Chromatografie∙ Katalyse∙ Kinetik

    Physikalische Analyse1. Elementanalyse ∙ Fotometrie

    ∙ UV/VIS-Spektrometrie freier Atome∙ Atomabsorptions-Spektrometrie∙ Optische Emissions-Spektrometrie∙ Röntgenfluoreszenz-Analyse∙ Aktivierungsanalyse

    2. Verbindungs- undmolekülspezifischeAnalyse

    ∙ UV/VIS-Spektrometrie∙ IR- und Raman-Spektrometrie∙ Massenspektrometrie∙ Kernmagnetische Resonanz-Spektrometrie

    3. Mikrostrahl- undOberflächenanalyse

    ∙ Elektronensonden-Mikroanalyse (ESMA/PMA)∙ Sekundärionen-Massenspektrometrie (SIMS)∙ Auger-Elektronen-Spektroskopie (AES)∙ Röntgenstrahl-Fotoelektronen-Spektroskopie (XPSS)

    4. Strukturanalyse ∙ Röntgenbeugung∙ Kombinierte Anwendung physikalischer Methoden

    ComputergestützteAnalytische Chemie(COBAC)

    ∙ Chemometrie∙ Statistik und Leistungstests∙ Signalverarbeitung∙ Optimierung und Experimentaufbau∙ Multivariate Methoden∙ Pattern recognition (Mustererkennung)∙ Clusteranalyse∙ Faktorenanalyse∙ Qualitätssicherung und Qualitätskontrolle

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    71.1 Analytische Chemie heute

    Tab. 1.2 Quellen für anerkannte bzw. empfohlene Analysenverfahren.

    Gesetz/Verordnung/Norm/Empfehlung/Einrichtung

    Anwendungsbereich(Matrix)

    Quelle/Veröffentlichungen

    Normenausschuss Wasserwesen im Deut-schen Institut für Normung (DIN NA 119)

    Wasser Deutsche Einheitsverfahrenzur Wasser-, Abwasser- undSchlammuntersuchung (Wi-ley-VCH Verlag, Weinheim)DIN-Vorschriften (Beuth-Verlag, Berlin)

    Abwasserabgabengesetz Abwässer Bundesgesetzblatt 1990, Nr.61, Teil 1, S. 2433–2438

    CEN (Comité Européen de Normalition,Brüssel): ISO (International Organizationfor Standardization/Genf) 1961 gegründet

    Wasser ISO-Catalogue (jährlich)ISO TC 230 „Wasseranaly-tik“

    US EPA (Environmental ProtectionAgency)

    Boden/Wasser/Luft

    Kommission Reinhaltung der Luft VDI(Verein Deutscher Ingenieure/Düsseldorf)

    Luft VDI-Richtlinien

    ISO TC 146 Air Quality LuftOSHA (Occupational Safety and Health,USA) US-Arbeitsschutzbehörde seit 1970

    Arbeitsschutz Permissible Exposure Li-mits (PEL) vergleichbar mitMAK-Werten

    NIOSH (National Institute for Occupa-tional Safety and Health/USA) unterstehtdem US Department of Health and Hu-man ServicesUS EPA TOC-Serien (Toxic Organic Com-pounds)

    Industrieller Ar-beitsschutz

    Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- undFuttermittelgesetzbuch (LFBG) – BRD –§64

    Lebensmittel- undBedarfsgegenstände

    AOAC (Association of Official AnalyticalChemists, Arlington/Virginia, USA)

    alle Matrices Official Methods of Analysis,15. Aufl., 1993, Part 1 und 2

    Verband Deutscher LandwirtschaftlicherUntersuchungs- und Forschungsanstalten(LUFA) – Methodenbücher

    z. B. für Böden,Düngemittel u. a.

    Verlag J. Neumann-Neu-damm, Melsungen/Berlin

    DFG-Einheitsmethoden zur Untersuchungvon Fetten, Fettprodukten, Tensiden undverwandten StoffenDFG/Deutsche Ges. für Fettwiss. e. V.,(Bearb. Ch. Gertz), Wiss. Verlagsges.,StuttgartHandbuch Forstliche Analytik – ei-ne Loseblatt-Sammlung der Bundes-ministerium Analysenmethoden imForstbereich (Grundwerk Juli 2005)für Verbraucherschutz, (Ergänzungenund Korrekturen über die Internet-Seite Ernährung und Landwirtschaftwww.verbraucherministerium.de)

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    8 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    te (standardisierte) Analysenvorschriftenleisten zwar einen wesentlichen Beitragzur Vergleichbarkeit von Analysenergeb-nissen, gewährleisten jedoch nicht gleich-zeitig auch die Richtigkeit. Bei der An-wendung der standardisierten Analysen-vorschriften, der Normen, ist immer wie-der zu prüfen, ob sie auch tatsächlich inGesetzestexte eingebunden und damit fürspezielle Untersuchungen (z. B. im Rah-men des Abwasserabgabengesetzes) auchzwingend (zur Erzielung „gerichtsfester“Daten) vorgeschrieben sind. Normen sindzunächst einmal freiwillige Vereinbarun-gen, an denen sich Hersteller und Ver-braucher – und hier die Analytiker – ori-entieren können.In den letzten Jahren haben die Samm-

    lungen von „anerkannten“ Analysenvor-schriften erheblich an Umfang zugenom-men. Auch haben sie an Bedeutung ge-wonnen, da oftmals Analysenergebnis-se nur bei Anwendung dieser Verfah-ren – mit entsprechender statistischerAbsicherung – allgemein anerkannt wer-den. Vor allem die Arbeitsgruppe „Analy-tischeChemie“ der Senatskommission zurPrüfung gesundheitsschädlicher Arbeits-stoffe hat umfangreiche Ringbuch-Samm-lungen vorgelegt, die hier exemplarischnäher vorgestellt werden sollen. Die Bil-dung dieser Arbeitsgruppe wurde am 10.Oktober 1969 beschlossen, und diese glie-dert sich in die Arbeitskreise Luftanalysenund Analysen in biologischem Material.Der Bereich Luftanalysen umfasst Ana-

    lysenverfahren zur Bestimmung gesund-heitsschädlicher Arbeitsstoffe in der Luftdes Arbeitsplatzes. Zur Auswahl der Ver-fahren heißt es in der Vorrede zur 13.Lieferung (2003) u. a.: „Der Arbeitskreis,Luftanalysen‘ verfolgt das Ziel, eine um-fassende Aktualisierung der Ringbuch-sammlung ,Analytische Methoden zurPrüfung gesundheitsschädlicher Arbeits-stoffe‘ durchzuführen. Unter Berücksich-tigung der technischen Bedeutung, der

    durch die TRGS 402 und der DIN EN 482vorgegebenen Anforderungen der Qua-litätssicherung und des messtechnischenFortschritts wurde nach eingehender Dis-kussion und Prüfung eine Liste überholterLuftanalysenverfahren erstellt . . . “ Zu den„überholten“Analysenverfahrenwird aus-geführt:„Bedingt durch die Entwicklung des

    technischen Fortschritts in der Analysen-und Probennahmetechnik und neue ar-beitsmedizinische Erkenntnisse mit dar-aus ggf. resultierenden Neufestsetzungender Luftgrenzwerte kommt es dazu, dassfür einzelne Stoffe mehrere Analysenme-thoden vorliegen. (. . . ) Analysenmetho-den, die (. . . ) als überholt gekennzeich-netwerden, können natürlich auchweiter-hin angewendet werden. Es ist dann abervom Anwender in der Regel eine erneuteValidierung durchzuführen, um insbeson-dere sicherzustellen, dass eine Überwa-chung des Luftgrenzwertes entsprechendden Anforderungen des technischen Re-gelwerkes und der europäischen Nor-mung gesichert ist.“Der Bereich Analysen in biologischem

    Material umfasst „Methoden zur Bestim-mung von Metaboliten, deren Reaktions-produkte[n] mit Körperbausteinen underfasst somit auchdadurchbedingteFunk-tionsänderungen (z. B. Veränderungenvon Enzymaktivitäten) sowie unveränder-te Arbeitsstoffe in Urin und Blut“ (Vorre-de zur 3. Lieferung). Weiter heißt es imVorwort zur 1. bis 9. Lieferung: „Bei derAuswahl der Methoden zur Schadstoff-bestimmung am Arbeitsplatz wurde demPrinzip der repräsentativen Erfassung desEinwirkungsprofils am Arbeitsplatz Vor-rang vor Gesichtspunkten der Einfachheitund Wirtschaftlichkeit gegeben; dies inkonsequenterVerfolgungdesArbeitsprin-zips der Kommission, den Arbeitsschutzmehr durch wissenschaftliche Begrün-dung denn durch administrative Verein-fachung zu optimieren. Bei der Auswahl

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    91.1 Analytische Chemie heute

    der Analysenmethoden von biologischemMaterial wurde besonderer Wert auf de-ren arbeitsmedizinischen Aussagewertgelegt.“ Die Sammlung ist sowohl nachStoffen (alphabetisch) gegliedert als auchmit einem Methodenverzeichnis (von derFotometrie über AAS, ICP, Voltammetriebis zur GC-MS) versehen.Eine weitere Ringbuchsammlung zur

    Gefahrstoffanalytik trägt den Unterti-tel „Messtechnische Überwachung vonMAK- und TRK-Werten. Emissionskon-trolle. Prozessgasanalyse“. Berücksichtigtwerden hier auch berufsgenossenschaftli-che Analysenverfahren, Analysenverfah-ren der NIOSH, Kriterien der Organisa-tion Internationale de Métrologie Légale(OIML), der OSHA (Occupational Safetyand Health Administration), DIN-ISO-Analysenverfahren (einschließlich CEN-TC 264, Europäische Normen zur „Luft-beschaffenheit“), VDI-Richtlinien und diePrüfröhrchen-Messtechnik. Die Verfah-ren erstrecken sich von der Probennahmeüber Emissions-Untersuchungsverfahren,spezielle Messplanungen für Bodenluft-Untersuchungsverfahren bis zur Luftqua-lität in Innenräumen (indoor air quali-ty). Außerdem werden auch „RechtlicheGrundlagen für die Messung und Beur-teilung von Gefahrstoffen in der Luft“und „Technische Regeln für Gefahrstoffe“(TRGS) in Band 4 veröffentlicht. Band 5enthält u. a. „Stellungnahmen offiziellerinternationaler Organisationen“.

    Literatursuche

    Die älteste analytische Fachzeitschrift –Fresenius’ Zeitschrift für analytische Che-mie (seit 2002 Analytical and Bioanalyti-cal Chemistrymit Publikationen nur nochin englischer Sprache – s. Tab. 1.3) –erschien erstmalig 1862. Unter dem Ti-tel Industrial and engineering chemis-try. Analytical edition begann die Ge-schichte der renommiertesten englisch-

    sprachigen ZeitschriftAnalytical Chemis-try im Jahre 1929. Seit 1954 wurden vonder Royal Society of Chemistry in Eng-land die Analytical Abstracts als Supple-ment zur Zeitschrift Analyst herausgege-ben, seit 2013 sind diese nur noch on-line unter http://www.rsc.org/Publishing/CurrentAwareness/AA/ verfügbar.Eine Suche nach Analysenmethoden

    und -verfahren ist selbstverständlich auchüber die Chemical Abstracts (abgekürztC. A. oder Chem. Abstr.), Web of Sci-ence oder Scopus möglich. Überschauba-rer und auch selektiver sind jedoch dieRegister der Analytical Abstracts, obwohlauch hier den verwendeten Keywords kei-ne einheitliche Nomenklatur zugrundeliegt. Trotz vieler Versuche einer Verein-heitlichung in den Begriffen, z. B. durchdie IUPAC (International Union of Pu-re and Applied Chemistry, Oxford), derenwesentliche Aufgabe in der Erarbeitunginternational gültiger Nomenklatur undTerminologie besteht, sind die Erfolge bis-her eher gering. 1978 erschien ein IUPACCompendium of Analytical Nomenclature(2. Aufl. 1987), auf welches, soweit sinn-voll, zurückgegriffen wird. Neuere No-menklaturvorschläge werden regelmäßigin der Zeitschrift Pure and Applied Che-mistry veröffentlicht. Weitere verbreite-te Zeitschriften zum Gesamtgebiet derAnalytischen Chemie (Spezialzeitschrif-ten werden in den entsprechenden Kapi-teln ebenso wie Hinweise zur Literatursu-che aufgeführt) sind in Tab. 1.3 genannt.In der Zeitschrift Analytical Chemis-

    try erscheinen alle zwei Jahre Fundamen-tal Reviews zu den wichtigsten Analysen-methoden sowie Applications Reviews (inden Jahren mit ungeraden Zahlen) zu An-wendungsgebieten wie der Wasseranaly-tik, der Klinischen Chemie, der Umwelt-analytik und anderen Bereichen (s. auchKap. 10).Für den Analytiker interessante Mo-

    nografienreihen werden von den Verla-

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    10 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Tab. 1.3 Internationale analytisch-chemische Fachzeitschriften und deutschsprachige Labor-Zeit-schriften.

    Name der Zeitschrift Erscheinungsort

    Analyst Cambridge (seit 1875)Analytical Chemistry Washington (seit 1929)Analytica Chimica Acta Amsterdam (seit 1947)Fresenius’ Journal of Analytical Chemistry Berlin/Heidelberg (seit 1862)(ab Vol. 372/2002: Analytical and Bioanalytical che-mistry – A Merger of Fresenius’ Journal of AnalyticalChemistry, Analusis and Quimica Analitica)Microchemical Journal New York (seit 1957)Mikrochimica Acta Wien (seit 1938, 1938–1953 in

    Mikrochemie)Chromatographia WiesbadenJournal of Chromatographic Science Niles/Il. (USA)Journal of Chromatography Amsterdam u. a.

    ∙ A: Including electrophoresis, mass spectrometryand other separation and detection methods (withBibliography Section)

    ∙ B: Analytical technologies in the biomedical andlife sciences

    Amsterdam

    Journal of Electroanalytical Chemistry AmsterdamPure and Applied Chemistry. Official Journal of theInternational Union of Pure and Applied Chemistry

    Research Triangle, Park, NC(USA)

    Labor-Zeitschriften in DeutschlandCLB Chemie in Labor und Biotechnik Gaiberg bei HeidelbergGIT Labor-Fachzeitschrift DarmstadtLABO Magazin für Labortechnik + Life Science DarmstadtLaborPraxis – Journal für Labor, Analytik und LifeSciences

    Würzburg

    gen Ellis Horwood/Chichester (Series inAnalytical Chemistry), John Wiley/NewYork (Chemical Analysis. A series ofmono-graphs on analytical chemistry and its ap-plication), Elsevier/Amsterdam (Studiesin analytical chemistry) und M. Dek-ker/New York herausgegeben. Seit 1980erscheint (fast) jährlich das Analytiker-Taschenbuch im Springer-Verlag, Berlin,Heidelberg, New York mit Übersichts-beiträgen zu den Grundlagen-Methoden-Anwendungen und seit Band 7 (1988) miteinem Verzeichnis von Monografien im

    sogenannten Basisteil (Anhang) – geglie-dert nach Sachgebieten (Methoden undAnalyse bestimmter Matrices).Zunehmend werden Literaturrecher-

    chen auch als Online-Recherchen in demSTN- (Scientific-Technical-Information-Network-)System über Satellit in Colum-bus/Ohio durchgeführt. Das STN-Systementhält mehrere Datenbanken und auchden Chemical Abstracts File oder denAnalytical Abstracts File. Recherchen inDatenbanken ermöglichen einen Dialogdes Benutzers mit dem Computer, so-

  • Georg Schwedt, Torsten C. Schmidt und Oliver J. Schmitz: Analytische Chemie —2016/9/16 — page 11 — le-tex

    111.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    dass Eingrenzungen der Fragestellung,Überprüfungen des Rechercheprofils u. ä.möglich sind. Aber auch hier werden dieGrenzen aufgrund oft fehlender Verein-heitlichung in den analytischen Begriffenimmer wieder sichtbar (Beispiele für Auf-schlussverfahren – decomposition, diges-tion; für Anreicherungsverfahren – pre-concentration, enrichment, trace-concen-tration).

    Elektronische Bibliotheken

    Unter dem Begriff Elektronische Biblio-theken werden alle von wissenschaftli-chen Bibliotheken angebotenen Online-Serviceleistungen zusammengefasst. Aufihren Internet-Seiten bieten Universi-tätsbibliotheken u. a. „Online Disserta-tionen“, den Katalog der elektronischenVolltexte im GBV (Gemeinsamer Biblio-theksverbund), elektronische Lehrbü-cher, Nachschlagewerke (z. B. Landolt-Börnstein – Zahlen und Funktionen ausNaturwissenschaften und Technik) undLinks z. B. zu „virtuellen Fachbibliothe-ken“ sowie Literaturrecherchen (Auf-tragsrecherchen in Fachdatenbanken –bibliografischen, numerischen, Patent-,Volltext-, Spektren- oder Struktur-Daten-banken) an. Die Möglichkeiten der ein-zelnen Bibliotheken sind jeweils am Ortzu recherchieren.Im Internet besteht seit November 1997

    das Portal Analytik-News (www.analytik-news.de). Von dort werden monatlichauch kostenlos Analytik-Newsletter ver-schickt. Die Homepage www.analytik.deenthält neben der Vorstellung interessan-ter Webseiten auch Produktinformatio-nen. Im Analytiker-Forum können FragenzuAnalysenmethoden, Laborgeräten oderauch Anwendererfahrungen geklärt wer-den (s. LABO Oktober 2002, S. 82–84).Eine Produktdatenbank ist unter www.laborprodukte.de zugänglich. In der Ru-brik SOPs können Muster-Arbeitsanlei-

    tungen als PDF-Datei zum Download ab-gerufen werden.

    1.2Von der Problemstellung zurAnalysenstrategie

    Inhalt

    Aufgaben der chemischen Analytik:Gehalts-, Elementspezies-, Verteilungs-,Prozess- und Strukturanalyse sowie Bio-analytik. Klassifikation von Methodenund Verfahren. Prinzip, Methode, Verfah-ren. Test, Alternativverfahren, Teststäb-chen, Gasprüfröhrchen. Screening, Nach-weis, Bestimmung. Systematik der Ana-lysenmethoden. Arbeitsbereiche. Ver-gleich von Methoden, Selektivität. Di-rekt-/Verbundverfahren, Kopplungstech-niken. Analysenstrategien.

    Aufgaben der chemischen Analytik

    In der klassischen Chemie hatte dieAnalytik (Analytische Chemie) lediglichdie Aufgabe, die Zusammensetzung vonStoffen und Stoffgemischen zu ermitteln(s. auch Abschn. 1.1). Heute besitzt sie ei-nerseits eine Dienstleistungsfunktion, diesich weit über die Chemie hinaus auf fastalle Gebiete der Naturwissenschaften, derMedizin und Technik bis zu den Kultur-wissenschaften (wie Archäologie, Kunst-geschichte, Buchmalerei u. ä. – s. auchAbschn. 1.1) erstreckt. Andererseits stelltdie chemische Analytik eine eigenständi-ge Teildisziplin der Chemie dar, mit en-gen Beziehungen zur Physik, zur Mess-technik und zu den Informationswissen-schaften. Sinnvoll (d. h. bewertend) ein-gesetzt, bedarf sie einer interdisziplinärenZusammenarbeit zwischen dem analyti-schen Chemiker (Analytiker) und Fach-wissenschaftlern aus den genannten Be-reichen. Ergebnisse chemischer Analy-

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    12 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Abb. 1.2 Gehaltsanalyse. (a) Qualitativ, (b) quantitativ, (c) qualitativ und quantitativ.

    sen führen zu technologischen, medizini-schen und auch juristischen Entscheidun-gen (z. B. im Umweltbereich), wodurchauch die hohe Verantwortung des Analy-tikers charakterisiert ist.

    Gehaltsanalyse

    Die Gehalts- oder Konzentrationsana-lyse beinhaltet die klassische qualitativeund quantitative Analyse. Die qualitativeAnalyse verwendet Fällungs-, Komplex-bildungs-, Redox-, Gasentwicklungs- undNeutralisationsreaktionen: Charakteris-tische Niederschläge, die selektive Auflö-sung von Niederschlägen, Farbänderun-gen oder Gasentwicklungen dienen demErkennen sowohl anorganischer als auchorganischer Stoffe. Nasschemische Ein-zelreaktionen sind Identifizierungsreak-tionen. Die klassische, qualitative anor-ganisch-chemische Analyse beginnt nacheiner Charakterisierung der Analysen-substanz (nach Art, Menge, Aggregatzu-stand, Farbe, Geruch u. ä.) mit Vorpro-ben wie der Flammenfärbung, dem Er-hitzen der Ursubstanz im Glühröhrchen,selektiven Nachweisreaktionen (anstellevon Vorprobe richtiger als Test bezeich-net, s. weiter unten) wie z. B. der Marsh-schen Probe (auf Arsen neben Antimon),Farbreaktionen in der Borax- oder Phos-phorsalzperle, der Ätzprobe zum Nach-weis auf Fluoride, der Oxidationsschmel-

    ze zum Nachweis von Chrom (als Chro-mat) oder Mangan (als Permanganat) undder Leuchtprobe auf Zinn. Die qualitativeAnalyse ermittelt nicht nur die Art einesStoffes (z. B. eines Elementes bzw. Ions),sondern beinhaltet auch eine quantitativeAussage – durch die Angabe von Grenz-konzentration und Erfassungsgrenze füreine Nachweisreaktion: Die Grenzkonzen-tration (GK) gibt an, in wie viel Millilitern(Wasser oder eines anderen Lösungs-mittels) ein Gramm eines Stoffes nochnachweisbar ist. Die Grenzkonzentrati-on als negativer dekadischer Logarith-mus – analog dem pH-Wert – wird alspD-Wert (= − logGK) bezeichnet. Die Er-fassungsgrenze beinhaltet keine Konzen-trations-, sondern eine Mengenangabe.Sie stellt die absolut nachweisbare Mengedar, wobei meist ein Lösungstropfen vonz. B. 0,05mL zugrunde gelegt wird. Bei ei-nem pD-Wert von z. B. 6,0 (1 g in 106 mL;GK = 10−6) beträgt die Erfassungsgrenze0,05 μg.Die quantitative Analyse bestimmt die

    Konzentration, den Gehalt eines Stoffesin einem stofflichen System, auch Ma-trix genannt: Er wird z. B. in mg/L, mol/L(molare Stoffmengenkonzentration) oderin g/kg (mg/g) angegeben. In einer gra-fischen Darstellung bildet die qualitativeAnalyse mit verschiedenen Stoffen (z) ei-ne Dimension, die quantitative Analyseals Gehaltsanalyse kann sowohl ein- als

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    131.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    auch zweidimensional dargestellt werden(Abb. 1.2).Die zweidimensionale Darstellung

    der Stoffmengenkonzentration entsprichtz. B. einem Chromatogramm (s. Ab-schn. 9.2), einem Elektropherogramm(Abschn. 9.3) oder auch einem Po-laro-/Voltammogramm (Abschn. 4.5). Fürdie Auswertung quantitativer Analysengelten die SI-Einheiten (s. Abschn. 3.2).In jüngster Zeit haben sich die Anfor-

    derungen an die Gehaltsanalytik nicht nurim Hinblick auf immer weiter zu verrin-gernde Nachweisgrenzen (s. weiter un-ten), sondern auch mit dem Ziel einerDif ferenzierung der Gesamtgehalte nachphysikalischen und chemischen Zustands-formen, den Einzelgehalten an verschiede-nen Elementspezies (Elementspeziesana-lytik), erhöht.

    Elementspeziesanalytik

    Die Elementspeziesanalytik (im engl.Sprachgebrauch als speciation bezeich-net) beschäftigt sich mit der Analytikder physikalischen und chemischen Zu-standsformen von Elementen, insbeson-dere von Metallen, in ihrer jeweiligenMatrix – Luft, Wasser, Boden und Or-ganismen. Um die Mobilität von z. B.Schwermetallen, die Pflanzenverfügbar-keit, das Resorptionsverhalten im tieri-schen und menschlichen Organismus,die Bioakkumulation ganz allgemein(z. B. in Meeresorganismen) sowie to-xische Wirkungen beurteilen zu kön-nen, sind über den Gesamtgehalt hin-ausgehende, differenzierte Kenntnisseüber die Bindungsformen eines Metallsin einer Matrix erforderlich. Für dieseFragestellungen liefert die Elementspe-ziesanalytik die erforderlichen analy-tischen Daten. Charakteristische Bei-spiele bilden die Analytik des Chromsnach Chrom(III)-Ionen und den to-xischen Chrom(VI)-Ionen (Chromat-

    Ionen) und die Unterteilung von Queck-silber-Gesamtgehalten in die Anteile ananorganischem und organisch gebunde-nem Quecksilber (gilt auch für Blei undZinn). Die Aufteilung von Schwerme-tallgehalten einer Probe auf isolierba-re Einzelbestandteile, z. B. Pflanzenteile,wird als Kompartimentierung bezeich-net.

    Verteilungsanalyse

    Die Verteilungsanalyse (Abb. 1.3a) liefertanalytische Informationen über die Artder Bestandteile (z) und deren Menge (y)in denRaumkoordinaten l y , lx –d. h. in ei-ner bestimmten Fläche lx l y . Je nach Me-thode bzw. Verfahrensweise können zwei(Flächenverteilung) oder drei Raumkoor-dinaten (Volumen) als unabhängigeVaria-ble auftreten.Das geometrische Auflösungsvermögen

    ist die charakteristischeKenngröße für diePraxis von Verteilungsanalysen; sie liegtim Mikrometerbereich. Verteilungsanaly-tische Verfahren tasten die Oberflächen-schichten von Proben „punktförmig“ abund liefern für jeden der definierten Punk-te Informationen über Art und Mengeder erfassten Stoffe. Analysen (Untersu-chungen) von Festkörperoberflächenwer-den zunehmend von Technologen, Werk-stoffwissenschaftlern und Festkörperphy-sikern sowie -chemikern im Hinblick aufdie Eigenschaften neuer Materialien be-nötigt (s. auch Abschn. 10.5). Die Feststel-lung von Inhomogenitäten in der stoffli-chenZusammensetzung– auf und in Fest-körpern – spielt eine entscheidende Rollez. B. bei der Herstellung von Mikrochipsin der Elektronikindustrie.

    Prozessanalytik

    Anstelle der Raumkoordinaten in der Ver-teilungsanalytik tritt hier die Zeit alsvariable Größe auf. Die Ergebnisse für

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    14 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Abb. 1.3 (a) Verteilungsanalyse, (b) Prozessanalyse.

    mehrere Stoffe (z1,2,3) lassen sich sowohlzwei- als auch dreidimensional darstel-len (Abb. 1.3b). Prozessanalysen, auch dy-namische Analysen genannt, dienen zurKontrolle und Steuerung von Verfahrens-abläufen in der chemischen und phar-mazeutischen Industrie (aber z. B. auchbei Verbrennungsverfahren im Rahmender thermischen Verfahrenstechnik alsTeil der Umwelttechnik). Zunehmend anBedeutung gewinnen prozessanalytischeVerfahren in der Lebensmittel- und Bio-technologie. Zur Durchführung von Pro-zessanalysen sind analytische Methodenmit genügend geringer Analysenzeit – biszu etwa zehn Minuten – erforderlich.

    Doerffel, Müller und Uhlmann definierendiesen Aufgabenbereich der Analytik wiefolgt (s. auch Abschn. 10.3):„Die Prozessanalytik dient der Gewin-

    nung von Messwertinformationen überstoffspezifische Größen von Eingangs-,Zwischen- und Endprodukten stoffwan-delnder Prozesse. Dabei kann die Analy-se mit prozessgekoppelten Messeinrich-tungen oder auch prozessfern im La-boratorium erfolgen. Die erhaltenen In-formationen werden zur Steuerung, zurÜberwachung und Sicherung, zur Bi-lanzierung oder zur Optimierung desProzesses genutzt. Im Hinblick auf dieautomatische Prozesssteuerung ist die

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    151.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    Prozesskopplung für die Analysengeräteanzustreben . . .Aus der Kenntnis des Prozesses und der

    Stoffeigenschaften des Produktes mussder Analytiker weiterhin Vorschläge füreine repräsentative Beprobung ausarbei-ten können. Das gilt sowohl für prozess-ferne wie auch für die prozessgekoppelteAnalytik.“On-line- und In-line-Messungen haben

    mit den Fortschritten in der Gerätetech-nologie an Bedeutung gegenüber der pro-zessfernen Analytik im Laboratorium ge-wonnen.„Unter Berücksichtigung von Kosten,

    Geräteverfügbarkeit und Art der vorgese-henenMesswertnutzung müssen Analyti-ker, Verfahrens- und Automatisierungsin-genieure verantwortungsbewusst gemein-sam prüfen, ob die jeweilige Problema-tik durch eine prozessgekoppelte oderdurch eine prozessferne Analytik günsti-ger zu lösen ist. Dem Vorzug einer ver-gleichsweise hohen Präzision und Zu-verlässigkeit der Laboranalytik steht diedurch Probenahme, Probentransport undProbenvorbereitung bedingte Zeitverzö-gerung als Nachteil gegenüber“ (Doerf-fel/Müller/Uhlmann). Dazu kommen diemöglichen Veränderungen in der Probeauf dem Weg bis in das Labor und bei ei-ner Probenvorbereitung mit oft mehrerenVerfahrensschritten.

    Strukturanalytik

    Die Ermittlung von Anordnung und Ver-knüpfung elementarer Bausteine – Ato-me, funktioneller Gruppen oder auch vonElektronen – führt zu einer Strukturauf-klärung. Prinzipiell kann die Struktur-analyse als ein spezieller Fall der Ver-teilungsanalyse – nämlich im atomarenBereich – angesehen werden. Zur Struk-turanalyse werden Beugungsmethoden(Röntgen- und Neutronenbeugung) so-wie molekülspektroskopische Methoden

    (UV-, IR-, NMR-, ESR-Spektroskopie) –vor allem in der Kombination von ver-schiedenen Methoden (auch unter Ein-beziehung der Massenspektrometrie) –eingesetzt. Die Lage spektroskopischerSignale charakterisiert die Größe derumgesetzten Energiebeträge (Aufnahmeoder Abgabe), die wiederum eng mit demstrukturellen Aufbau der Moleküle ver-knüpft ist. Zur Strukturanalytik gehö-ren im weitesten Sinne die Ermittlungder Molmasse, der Elementzusammen-setzung (Elementaranalyse), der Mole-külformel (Summenformel) sowie der In-formationen über Konstitution, Konfigu-ration und Konformation. Die qualitati-ve Strukturanalyse liefert Informationenüber die Konstitution (Anordnung derAtome, Atomgruppen und Valenzelektro-nen in einem Molekül ohne Berücksich-tigung der Stereometrie), die quantitati-ve Strukturanalyse führt zur BestimmungvonKonformation (genaue räumlicheAn-ordnung von Atomen und Atomgruppen,die sich nur durch Drehung um eine Ein-fachbindung unterscheiden) und Kon-figuration (betreffend vor allem Fragender Isomerie, Chiralität, Enantiomere undDiastereomere) sowie auch zur Bestim-mung des Aufbaus von Elementarzellenvon Kristallen (s. auch Abschn. 10.4).

    Isotopenanalytik

    Chemische Elemente können inmehrerenModifikationen, den sogenannten Isoto-pen vorkommen. Isotope eines Elementsunterscheiden sich nur in der Anzahlder Neutronen im Kern und damit inihrer nominalen Masse. Sie können so-wohl stabil als auch radioaktiv sein. Wich-tige Beispiele von Elementen mit meh-reren stabilen Isotopen sind Wasserstoff(1H, 2H), Kohlenstoff (12C, 13C), Stick-stoff (14N, 15N) und Sauerstoff (16O, 17O,18O). Die leichten Isotope kommen beidiesen Elementen viel häufiger vor als

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    16 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    die schweren. Beispiele radioaktiver Iso-tope sind Kohlenstoff (14C), Iod (vor al-lem 123I, 125I, 131I), Radon (226Ra) undUran(vor allem 235U und 238U). Radiometri-sche Analysenmethoden zur Messung ra-dioaktiver Strahlung finden sich in Kap. 8.Die Verteilung stabiler Isotope eines Ele-ments in Proben oder gar einzelnen Ver-bindungen kann vor allem über speziel-le massenspektrometrische Verfahren be-stimmt werden. Für die oben genanntenleichten Elemente wird dazu eine Kon-version in einfache Messgase (H2, CO2,N2, CO), gefolgt von der Detektion miteinem Isotopenmassenspektrometer, ge-nutzt. Für Isotope schwerer Elemente er-folgt die Bestimmung meist über ICP-MS. In beiden Fällen werden zur Analy-se natürlicher Isotopenhäufigkeiten undder dafür erforderlichen hohen Präzisionoft Sektorfeld-MS (Abschn. 7.5) mit si-multaner Erfassung mehrerer Ionenströ-me benötigt. Die Bestimmung der Iso-topenzusammensetzung und ihrer zeitli-chen oder räumlichen Veränderung lie-fert oft komplementäre Informationen zurqualitativen und quantitativen Analyse.So erlaubt z. B. die Kohlenstoffisotopen-zusammensetzung von Biomasse einenRückschluss auf den Fotosyntheseweg derPflanze, oder es lassen sich Trophiestufenvon Organismen, vor allem anhand derStickstoffisotopenzusammensetzung, un-terscheiden.

    Bioanalytik

    Die Bioanalytik beschäftigt sich mit derAnalyse und Charakterisierung sowohlvon niedermolekularen Biomolekülen alsauch besonders von Biopolymeren mitüberwiegend auch klassischen instrumen-tellen Trenn- und Bestimmungsmetho-den der biochemischen Analyse. Als Bio-moleküle werden die in Organismen auf-tretendenMoleküle bezeichnet, die durchgeordnetes und komplexes Zusammen-

    wirken (als molekulare Logik bezeich-net) spezifische Aufgaben für den Orga-nismus erfüllen. Sie sind Produkte einerevolutionären Selektion und bilden dieGrundlage seiner Lebensfunktionen. Zuden Biopolymeren zählen vor allem Nu-cleinsäuren, Polysaccharide und Proteine.Die klassische biochemische Analyse be-schäftigt sich mit Problemen der Bioche-mie und der Klinischen Chemie. Charak-teristische Methoden sind u. a. die enzy-matische Analyse (Abschn. 3.4) und im-munchemische Analyse – speziell auchmit Radio-Immuno-Assays (Abschn. 3.5)sowie auch Elektrophorese (Abschn. 9.3).Für Biopolymere (Proteine und Nuclein-säuren) hat vor allem die MALDI-TOF-Technik (Matrix-assisted Laser Desorpti-on/Ionisation Time of Flight-Mass Spec-trometry) einen hohen Stellenwert erhal-ten (s. Abschn. 7.4). In der DNA-Analytik(Sequenzierung) spielen die PCR-Metho-de (Polymerase Chain Reaction) – s. Ab-schn. 3.6 – und zunehmend auch DNA-Chips – s. Mikro-Analysensysteme in Ab-schn. 10.2 – eine wesentliche Rolle.

    Klassifikation vonMethoden und Verfahren

    Die Basis eines analytischenMessprinzipsliefern die Naturgesetze, wie z. B. die Ab-sorption vonLicht bestimmterWellenlän-ge durch definierte chemische Teilchen.Ein analytischer Prozess (Abb. 1.4) jedochbesteht aus einer Vielzahl, d. h. einer Fol-ge vonTeilschritten, an dessen Ende Infor-mationen über das Untersuchungsobjektund dessen Eigenschaften im Hinblick aufeine vorgegebene bzw. vor der Untersu-chung zu formulierende Fragestellung ste-hen.Das Analysenprinzip beinhaltet Wech-

    selwirkungen, z. B. zwischen Licht be-stimmter Wellenlänge oder bestimmtenElementarteilchen wie Elektronen, Neu-tronen u. a. und der Probe, die zu interpre-tierbaren Messwerten führen. Das Analy-

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    171.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    Abb. 1.4 Zusammenhänge zwischen Analysenprinzip, Analysenmethode und Analysenverfahren.

    senprinzip ist als Teilschritt der Messungdurch die zugrunde liegendenNaturgeset-ze auch quantitativ beschreibbar.Eine Analysenmethode enthält darüber

    hinaus auch Anteile der Teilschritte ei-nes analytischen Gesamtverfahrens, z. B.der Probenvorbereitung und der Auswer-tung – Verfahren und Methode sind so-mit begrifflich zu unterscheiden: Die Ana-lysenmethode stellt bestimmte Anforde-rungen (Voraussetzungen), sie beeinflusstdie „strategische Konzeption“ zur Gewin-nung optimaler Information über das Un-tersuchungs- bzw. Messobjekt bei einemvorgegebenen Analysenprinzip.Ein Analysenverfahren schließlich ist

    durch dieAnalysen-, d. h. auchArbeitsvor-schrift charakterisiert und festgelegt. Die-se enthält Anweisungen über die Proben-nahme, die Probenvorbereitung (mit An-gaben zu den erforderlichen Geräten undChemikalien), zurMessanordnung (Gerä-teeinstellung), über die analytische Kali-brierfunktion, denAnwendungs- bzw. Ar-beitsbereich sowie Angaben zur Selekti-vität, zu den möglichen (systematischen)Fehlern und auch über den Zeitbedarf.

    Tests

    Der aus dem Englischen übernommeneBegriff beinhaltet einen speziellen Bereichder qualitativen und auch „halbquantita-tiven“ Analytik. Historisch sind die Ver-fahren der Tüpfelanalyse (s. Lit. Feigl) be-reits als Test zu bezeichnen. Es handeltsich um die Durchführung von Nachweis-reaktionen (als Verfahren der Mikroana-lyse) durch das Zusammenbringen von je1–2 Tropfen (0,03–0,1mL) Probe- undReagenzlösung in den näpfchenartigenVertiefungen einer weißen Tüpfelplatteaus Porzellan (Entstehung charakteristi-scher Flecken, Lösungen oder Nieder-schläge) oder auf Papier. Auch quali-tative Analysenverfahren zum Nachweisvon Arsen (Marshsche Probe, besser alsMarshscher Test zu bezeichnen), von Ha-logenen in organischen Stoffen – Beil-stein-Probe (-Test) – und ähnliche gehö-ren in diesen Bereich.In den letzten Jahren ist ein umfang-

    reicher Markt für chemische Schnelltest-verfahren – auch als Alternativverfah-ren im Vergleich zu den Laborverfahrenbezeichnet – entstanden: Er beinhaltetTestpapiere (zur „halbquantitativen“ Ana-lyse verschiedener Metall-Ionen), Test-stäbchen (alsWeiterentwicklung der Tüp-

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    18 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Abb. 1.5 (a) Testpapiere, (b) Teststäbchen, (c) Gasprüfröhrchen.

    felanalyse auf Papier) und auch Gasprüf-röhrchen (s. Abb. 1.5).Bei den Teststäbchen sind quadratische

    Reaktionszonen in Form einer sogenann-ten Analytik mit trägergebundenen Re-agenzien aus Papier auf Plastikstreifen auf-gebracht. Sie enthalten in sehr geringenMengen alle für eine spezielle, selekti-ve Nachweisreaktion erforderlichen Re-agenzien (Farbreagenz, Puffer, Komple-xierungsmittel usw.). Vom Papier wirddurch Eintauchen ein bestimmtes Vo-lumen der Probelösung aufgesaugt, dasdann mit den im Papier vorhandenenReagenzien reagiert. Die Intensität derVerfärbung, ausgewertet anhand einerFarbskala, ist ein Maß für den Konzentra-tionsbereich (s. auch Abschn. 7.2.1).In der Analytik gasförmiger Stoffe ha-

    ben, vor allem in der Arbeitsplatzüber-wachung (von MAK-Werten), die Gas-prüfröhrchen einen hohen Stellenwert. Siebestehen aus Glas und sind mit Reagenzi-en gefüllt, die mit bestimmten gasförmi-gen Stoffen selektive Reaktionen, d. h. Ver-färbungen, ergeben. Die Reagenzien sindin der Regel sorptiv an ein Trägermate-rial wie Kieselgel gebunden. Mithilfe ei-ner Balgpumpe wird ein bestimmtes Luft-volumen durch die Prüfröhrchen gesaugt.Die Länge der verfärbten Zone ist einMaß für eine bestimmte Konzentrationin der Luft. Der Anwendungsbereich hat

    sich in letzter Zeit auf Bodenluft (unterVerwendung einer speziellen Bodenson-de) und auf Wasser (durch die Entwick-lung des sogenannten Luft-Extraktions-Verfahrens, d. h. durch Ausblasen flüch-tiger Stoffe aus Wasser mithilfe von Luftund Gaswaschflaschen) erweitert.Der Begriff Screening wird dann ver-

    wendet, wenn entweder Tests unter statis-tischenGesichtspunkten (z.B. für großflä-chige Untersuchungen oder für eine gro-ßeZahl von Proben) durchgeführtwerdensollen oder in komplexen Proben einebestimmte Substanzgruppe (aufgrund ei-ner „Ja-Nein-Entscheidung“) nachgewie-sen werden soll. Zu den Screening-Ver-fahren gehören vor allem auch biochemi-sche und biologische Testverfahren wieEnzymhemmtests (s. Abschn. 3.4 und 3.5).Mit dem Begriff Nachweis wird die

    Identifizierung eines anorganischen oderorganischen Stoffes (oder auch einer Stoff-gruppe bzw. speziell z. B. auch einer funk-tionellen Gruppe) bezeichnet (engl. detec-tion).Der sehr allgemeine Begriff Bestim-

    mung (vergleiche auch Bestimmungsme-thode) beinhaltet in der Regel eine quan-titative Aussage (engl. determination).

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    191.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    Abb. 1.6 Systematik der Analysenmethoden.

    Systematik der Analysenmethoden

    Die quantitative chemische (bzw. phy-sikalisch-chemische) Analytik lässt sichvereinfacht in die klassischen nasschemi-schenund die (modernen) instrumentellenMethoden unterteilen. Von den histori-schen Analysenmethoden haben bis heu-te die Gravimetrie (Gewichtsanalyse) unddie Maßanalyse (auch als Titrimetrie be-zeichnet) ihren Stellenwert als einfache,aber zuverlässige Methoden behalten. Dieinstrumentellen (apparativen) Methodenbenötigen spezielle Messtechniken bzw.Messgeräte über Waage und Bürette hin-

    aus, oft auch den Einsatz von Computern.Sie lassen sich in drei Hauptgruppen un-terteilen (Abb. 1.6).Den optischen Methoden liegen die

    Analysenprinzipien Emission bzw. Ab-sorption zugrunde. Die Wechselwirkun-gen zwischen Atomen, Molekülen oderauch Ionen und elektromagnetischerStrahlung führen zu einer analytisch ver-wertbaren Information. Die Methodenwerden im engeren Sinne als spektro-skopische Methoden, entweder als Emis-sions- oder als Absorptionsspektrosko-pie bzw. -spektrometrie, zusammenge-fasst. Zu den atomspektrometrischenMe-

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    20 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    thoden gehören die Atomabsorptions-Spektrometrie (AAS), die Atomemissi-ons-Spektrometrie (optische Emissions-spektrometrie – OES – genannt), z. B.in Form der Flammenfotometrie, und dieRöntgenfluoreszenzanalyse (RFA). Zu denmolekülspektroskopischen (-spektrome-trischen) Methoden zählen u. a. die Spek-tralfotometrie, die Infrarot-Spektroskopie(IR), die Massenspektrometrie (MS) unddie magnetische Kernresonanz-Spektro-skopie (NMR), wobei es sich bei der Mas-senspektrometrie eigentlich nicht um ei-ne optische Methode handelt. Sie werdenvor allem im Bereich der Strukturanaly-se eingesetzt, oft auch in Verbindung (inKombination bzw. auch direkter Kopp-lung) mit Trennmethoden wie der Gas-und Flüssigkeits-Chromatografie. Die un-terschiedliche Verwendung der BegriffeSpektroskopie und Spektrometrie beruhtdarauf, dass die Methoden sowohl zurGehaltsanalyse (spektrometrisch) als auchzur qualitativen, identifizierenden Analy-se (spektroskopisch)eingesetzt werden. Inbeiden Fällen werden jedoch Messwerteerhalten.Zu den Trennmethoden gehören die

    chromatografischen Trennmethoden, dieals Ergänzung zu einem vollständigenAnalysenverfahren stets eine Detekti-onsmethode, meist aus dem Bereich derspektrometrischen Methoden, benöti-gen. Trennmethoden stellen generell al-le physikalisch-chemischen Verteilungenzwischen zwei unterschiedlichen Phasendar – also auch die Flüssig-Flüssig- oderdie Fest-Flüssig-Extraktion und der Io-nenaustausch. Auch die Elektrophoresemit anderen Trennprinzipien gehört indiesen Methodenbereich.Elektroanalytische (elektrochemische

    oder elektrometrische) Methoden ver-wenden den elektrischen Strom – dieMessgrößen Stromstärke und Spannungbzw. Potenzial – zur Erzeugung einer ana-lytischen Information. Sie schließen oft

    einen Stoffumsatz und damit Trennvor-gänge ein, die sich unter der Beteiligungvon Elektronen an Elektrodenoberflächenabspielen – wie z. B. bei der Polarografie.Andererseits bilden stromlose MethodeneinenTeil der elektrometrischenAnalytik,so z. B. die Potenziometrie – mit dem di-rekten Einsatz von Elektroden als Direkt-potenziometrie oder als Indikationsme-thode innerhalb von Titrationsverfahren(s. Abschn. 3.2). Auch die Elektrophore-se kann aufgrund des Trennprinzips denelektro-analytischen Methoden zugeord-net werden, sie wird abermeist im Bereichder Trennmethoden behandelt, vor allemwegen der Übergänge zu einer Elektro-Chromatografie durch die Möglichkeitender modernen Kapillar-Elektrophorese(s. Abschn. 9.3).

    Arbeitsbereiche

    Begrenzende Faktoren für die optima-le Auswahl einer Analysenmethode sinddie zur Verfügung stehende Probenmen-ge und der zu erwartende Konzentrati-ons- (Gehalts-)bereich des bzw. der Ana-lyten. Für dieArbeitsbereiche in der Analy-tik existiert seit 1979 eine IUPAC-Nomen-klatur, in der drei wesentliche, miteinan-der verknüpfte Größen definiert sind.Der Probenmassenbereich S (S = mx +

    my) gibt den Bereich der Probenmengeder Komponenten x – des sogenanntenAnalyten – in einerMatrix y (demHaupt-bestandteil der Probe bzw. der Summeder übrigen Bestandteile) an, die für ei-ne ausgewählte Analysenmethode erfor-derlich ist. Die am häufigsten eingesetztenProbenmengen liegen im Gramm- bis mi-nimal oberen Mikrogrammbereich. Ent-sprechend der zur Verfügung stehendenProbenmenge werden die Bezeichnun-gen Makro-, Meso- (oder Halbmikro-),Mikro-, Submikro- und Ultramikroprobeverwendet. Mit ρ wird der Exponent derMaßzahl 10p bezeichnet. Außer mit der

  • Georg Schwedt, Torsten C. Schmidt und Oliver J. Schmitz: Analytische Chemie —2016/9/16 — page 21 — le-tex

    211.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    Abb. 1.7 Arbeitsbereiche der chemischen Analytik.

    Maßeinheit Gramm (g) kann sie auch mitMilliliter (mL) oderMolmultipliziert wer-den.Mit dem Begriff Absolutmassenbe-

    reich Q(mx ) wird der Mengenbereich desAnalyten x bezeichnet, zu dessen Quan-tifizierung ein Analysenverfahren einge-setzt werden soll. Der Gehaltsbereich Cergibt sich schließlich als Quotient ausder Masse des Analyten x(mx ) und derSumme aus mx und der Masse der Ma-trix my , d. h. der Probenmenge insgesamt(C =mx∕(mx +my)). Zwei der definiertenGrößen Probenmassenbereich, Absolut-massenbereich und Gehaltsbereich legensomit die dritte in ihren Grenzen fest. Esgilt: Q = S ⋅ C (Absolutmassenbereich =Probenmassenbereich ⋅Gehaltsbereich).Je nach Gehaltsbereich (in g/g) un-

    terscheidet man, auf den Analyten be-zogen, Hauptbestandteile von 100–10%(1–0,1 g/g), Nebenbestandteile von

    10–1% (10−1−10−2 g∕g) und Spuren-bestandteile unter 1% (unter 10−2 g∕g).Der Bereich der Spurenbestandteile wirdnochmals in Mikro-, Nano- und Picospu-ren unterteilt (s. Abb. 1.7). Um die Ge-haltsbereiche C in %, ppm oder ppb zuerhalten, ist der Exponent p mit 102, 106bzw. 109 zumultiplizieren.DieAbkürzungppm bedeutet parts per million (1 : 106)(1 ppm = 10−4 % = 1mg∕kg = 1 μg∕g),ppb parts per billion (amerik. billion,entsprechend der dt. Milliarde; 1 : 109)(1 ppb = 10−7 % = 1 μg∕kg = 1 ng∕g)und ppt parts per trillion (auch hieramerik. trillion, dt. Billion; 1 : 1012)(1 ppt = 10−10 % = 1 ng∕kg = 1 pg∕g). Dieinstrumentelle Spurenanalytik ermög-licht den Vorstoß bis in den ppt-Bereichund in Einzelfällen sogar noch darunter(ppq= 1 pg∕kg= 1 fg∕g – q: Amerik. qua-drillion, dt. Billiarde; pg: Picogramm, fg:Femtogramm) – s. Abb. 1.7.

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    22 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Vergleich vonMethoden

    Die klassischen Methoden Gravimetrie,Elektrogravimetrie und Titrimetrie errei-chen Gehaltsbereiche von 10−2−10−4 g∕L(Tab. 1.4). Da in den meisten Fällen Lö-sungen zur Messung erforderlich sind,wird hier die Gehaltsangabe g/L (undnicht die Absolutmasse) verwendet. Dar-aus kann eine Umrechnung auf den Ge-halt in festen Proben unter Berücksichti-gung der Einwaage erfolgen.Elektrochemische Methoden wie die

    Potenziometrie erlauben Analysen bis zuMikrogrammmengen pro Liter, bzw. rei-chen sie bis in den Mikrospurenbereichwie bei der Voltammetrie. Fotometrie undFluorimetrie ergänzen sich hinsichtlichder Empfindlichkeiten, wobei die Fluori-metrie um drei Zehnerpotenzen niedri-gere Gehalte erfassen kann. Die Atom-spektrometrie besitzt eine mit der Chro-matografie vergleichbare Leistungsfähig-keit, wobei die erstere ihren Stellen-wert in der Element- (Metall-)analytik,die Chromatografie dagegen überwiegendin der Analytik organischer Stoffe be-sitzt. Bei der Chromatografie ist zu be-achten, dass erst durch die Kombinati-on der chromatografischen Trennmetho-de (bzw. Trenntechnik) mit einer Detek-tionsmethode ein vollständiges Analysen-system (-verfahren) für auch quantitati-ve Analysen vorliegt. Voltammetrie, Fluo-rimetrie, Atomspektrometrie und Chro-matografie zeichnen sich darüber hinausdurch dieMöglichkeiten einer simultanenAnalyse vieler Stoffe (anorganischer bzw.organischer) in einemAnalysengang aus –die Atomspektrometrie wird daher auchalsMultielement-Methodik bezeichnet.

    Direkt-/Verbundverfahren undKopplungstechniken

    Die Kombination von Methoden undTechniken zur Probenvorbereitung, zum

    Lösen der Probe (oder zum Aufschluss)oder zur Abtrennung störender Matrix-bestandteile, mit der eigentlichen Bestim-mungsmethode selbst zu einem Analy-sengang bezeichnet man als Verbund-verfahren. Ein Direktverfahren zeichnetsich demgegenüber dadurch aus, dasseine Probe beispielsweise mithilfe einerzerstörungsfreien Methode wie der Rönt-genfluoreszenzanalyse oder der Feststoff-Atomabsorptions-Spektrometrie direktohne Zwischenschritte analysiert werdenkann (s. Abb. 1.8).Instrumentelle Direktbestimmungsme-

    thoden sind in der Regel matrixabhängi-ge Relativmethoden. Eine mathematischeKorrektur ist nur in Einzelfällen möglich.Zur Kompensation systematischer Fehlersind daher Standardreferenzmaterialien(s. in Abschn. 1.3) erforderlich, die in ihrerZusammensetzung der zu untersuchen-den Probe sehr ähnlich sein müssen. Ein

    Abb. 1.8 Gegenüberstellung von Verbund- undDirektverfahren.

  • Georg Schwedt, Torsten C. Schmidt und Oliver J. Schmitz: Analytische Chemie —2016/9/16 — page 23 — le-tex

    231.2 Von der Problemstellung zur Analysenstrategie

    Tab. 1.4 Vergleich von Analysenmethodenmit ihren unterschiedlichenMess- (Arbeits-)bereichen.

    Methode Mess- (Arbeits-)bereich in g/L

    Gravimetrie 10−1 10−2

    Titrimetrie 10−1 10−3

    Elektrogravimetrie 10−1 10−4

    Potenziometrie (Direkt-) 10−1 10−6

    Voltammetrie 10−3 10−10

    Fotometrie 10−3 10−6

    Chromatografie 10−3 10−9

    Atomspektrometrie 10−3 10−9

    Fluorimetrie 10−6 10−9

    Tab. 1.5 Häufig beschriebene Kopplungstechniken.

    Einsatzgebiet Kopplung von

    1. Trennmethoden HPLC-GC, HPLC-GC-MS, HPLC-DC-FTIR, SFC-GC-MS2. Chromatografie/Spektrometrie HPLC, SFC bzw. GC-MS, -FTIR, -OES-AAS, -FTIR-MS,

    -ICP-MS3. Probenvorbereitungstechnik/

    BestimmungsmethodeFIA/AAS, Mikrowellenaufschluss/AAS,FIA-UV-Aufschluss-Fotometrie/Voltammetrie

    HPLC Hochleistungs-Flüssigkeits-Chromatografie FTIR Fourier-Transform-Infrarot-SpektrometrieGC Gas-Chromatografie OES Optische Atomemissions-SpektrometrieDC Dünnschicht-Chromatografie AAS Atomabsorptions-SpektrometrieSFC Super-Fluid-Chromatografie ICP Induktiv gekoppeltes PlasmaMS Massenspektrometrie FIA Fließ-Injektions-Analyse

    optimales Nachweisvermögen und eineoptimale Zuverlässigkeit der Ergebnissekann abermeist nur dann erreichtwerden,wenn die zu bestimmende Elementspurbei der Anregung des Analysensignals inisolierter Form in einem möglichst gerin-gen Volumen vorliegt. Daher sind für Ele-mentspurenanalysen (auch Spurenanaly-sen organischer Stoffe) in den meistenFällen die aufwendigeren Verbund- undMehrschrittverfahren erforderlich.Besonders leistungsfähige Analysenver-

    fahren entstehen dann, wenn Methodenmit unterschiedlichen Messprinzipienund damit auch unterschiedlicher Selek-tivität miteinander apparativ verbunden,

    d. h. gekoppelt werden. Eine Kopplungs-technik beinhaltet in der Regel ein Inter-face zwischen den verschiedenen Ana-lysengeräten, die wiederum oft auch ge-trennt zur Durchführung von Analyseneingesetzt werden können. Die Verbin-dung eines UV/VIS-Spektralfotometersmit einem Flüssigkeits-Chromatogra-fen stellt kein Kopplungsverfahren dar,da einerseits die Flüssigkeits-Chroma-tografie ohne Detektion kein vollstän-diges (vollwertiges) Analysenverfahrenbildet, andererseits auch kein speziellesInterface zur Kombination beider Gerä-te erforderlich ist. Die Verbindung vonFlüssigkeits-Chromatografie (LC) und

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    24 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Massenspektrometrie (MS) dagegen er-fordert gerätetechnisch ein Interface,die LC/MS-Kombination wird somit alsKopplungstechnik bezeichnet. Die heuteam häufigsten beschriebenen Kopplungs-verfahren sind in Tab. 1.5 aufgeführt.

    Analysenstrategien

    Um eine Analysenstrategie, d. h. die Vor-gehensweise von der Probennahme biszur Gewinnung und Verarbeitung deranalytischen Information, planen zu kön-nen, ist zunächst eine Formulierung derProblemstellung erforderlich (Abb. 1.9).Nachdem das Untersuchungsobjekt cha-rakterisiert, die zu analysierenden Stoffein der vorgegebenenMatrix festgelegt undder zu erwartende Konzentrationsbereicheingegrenzt sind, erfolgt je nach Art desUntersuchungsobjektes eine Probennah-me.Probenvorbereitung (s. Kap. 2) und der

    Einsatz von Trennmethoden (s. Kap. 9)führen erst zum eigentlichen Messob-jekt, z. B. zu einer wässrigen Lösung, inwelcher eine Gehalts- (Konzentrations-)oder auch Strukturanalyse bzw. Identifi-zierung eines Stoffes mit selektiven Me-thoden physikalischer oder auch chemi-scher Art vorgenommen werden kann.Zur Analysenstrategie gehören auch diekritische Betrachtung der Messergebnis-se, eine Fehleranalyse (Abschn. 1.3) so-wie die Datenverarbeitung (Abschn. 1.4)und Dokumentation der Ergebnisse (Ab-schn. 1.3). Aus dem so gewonnenen Ana-lysenresultat hat schließlich der Analyti-ker unter Bezug auf die zu Anfang for-mulierte Problem- bzw. AufgabenstellungSchlussfolgerungen zu ziehen. Darin liegtdie besondere Verantwortung des ana-lytischen Chemikers. Wegen der unter-schiedlichstenUntersuchungsobjekte undFragestellungen ergibt sich daraus auchdie Forderung nach einer interdisziplinä-ren Zusammenarbeit.

    Komplexe Matrices bzw. differenzier-te Fragestellungen erfordern in der Re-gel eine Kombination von Methoden, dieVerknüpfung vonVerfahrensschritten: Siebilden den eigentlichen Lehr- und Lern-inhalt der modernen problem- und pra-xisbezogenen chemischen Analytik. Trotzleistungsfähiger Geräte der instrumentel-len Analytik ist ein direkter Weg vomObjekt zum Analysenresultat auch heu-te nur in wenigen (seltenen) Fällen mög-lich. Die Forderung an den Analytiker be-steht demnach in der Entwicklung solcherAnalysenstrategien, wobei sich zwei „Lini-en“ unterscheiden lassen: Die der Anwen-dung eines Analysenverfahrens und dieder Methoden- (Verfahrens-)entwicklung(Abb. 1.10).

    1.3Der analytische Prozess und dieQualitätssicherung der Ergebnisse

    Inhalt

    Der analytische Prozess: Problemanalyse,Analysenplanung, Bewertung. Gute ana-lytische Praxis. Mittelwertbildung. Nor-mal-, Gauß-, Poisson-Verteilung, Stan-dardabweichung. Ausreißertests: Q-Test,Crubbs-Test. Signifikanzniveau. F- undt-Test. Präzision und Richtigkeit. Ge-nauigkeit. Kalibrierung und Empfind-lichkeit. Standard-Additionsverfahren.Fehlerquellen, Fehlerauflösung. Blind-wert, Nachweis- und Bestimmungsgren-ze. System der analytischen Qualitätssi-cherung. Referenzmaterialien. Umwelt-probenbank.

    Der analytische Prozess

    Ausgangspunkt einer jeden chemischenAnalyse ist die Problemanalyse (s. auchAbschn. 1.1), aus der sich die spezi-fisch analytisch-chemische Problemstel-

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    251.3 Der analytische Prozess und die Qualitätssicherungder Ergebnisse

    Abb. 1.9 Problemstellung und Analysenstrategie.

    lung zur Anwendung eines ausgewähltenAnalysenverfahrens auf ein vorgegebenesMaterial oder zur Erarbeitung eines demProblem angepassten Analysenverfahrens

    ergibt. Oft müssen bekannte Analysen-verfahren auch nur der Aufgabenstellungangepasst werden. Eine analytisch-chemi-sche Aufgabenstellung lässt sich in vier

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    26 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Abb. 1.10 Der ANALYTIKER – Aufgaben und Umfeld (in Anlehnung an J.F. Tyson Analytical Viewpoint,Anal. Proc. 26 (1989) 251–254).

    Bereiche unterteilen (nach „Analytikum“):∙ Probenart und analytische Zielsetzung

    beinhalten die Problemcharakteristik.Zur analytischen Zielsetzung gehörenqualitative und quantitative Analyse,die Anforderungen an die Leistungsfä-higkeit (das Nachweisvermögen), zeitli-che Vorgaben und auch die Fragestel-lung Einzel- oder Serienanalyse.

    ∙ Die Probencharakteristik wird durchdie Art der Probennahme und die Pro-benmenge bestimmt. Eine Probenbe-schreibung gehört an den Anfang einerjeden Analyse.

    ∙ Wichtig sind weiterhinZusatzinforma-tionen zur Probe, welche die Vorge-schichte (die Herkunft), die Probenei-genschaften (z. B. zur Frage der Ho-mogenität, ungefährer zu erwartender

    qualitativer und quantitativer Zusam-mensetzung, die z. B.mithilfe einfacherTestverfahren – s. Abschn. 1.2 – zu er-halten sind) und mögliche Strukturen(s. Strukturanalytik in Abschn. 10.4)betreffen.

    ∙ Literaturhinweise und Vergleiche zuähnlichen Aufgabenstellungen liefernschließlich Zusatzinformationen zumProblem.

    An eine möglichst umfassende, d. h. auchpräzise analytisch-chemische Aufgaben-stellung schließt sich dieAnalysenplanung(s. Abschn. 1.2 – Analysenstrategie) an,wobei am Anfang ein Studium der Fach-literatur (s. auch Abschn. 1.1) steht. Diezur Auswahl verfügbaren, prinzipiell ein-setzbaren Bestimmungsmethoden sind

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    271.3 Der analytische Prozess und die Qualitätssicherungder Ergebnisse

    ebenso zu berücksichtigen wie auch„Randbedingungen“ – z. B. der gesetz-te Zeitrahmen und die vorhandene Ge-räteausstattung des Laboratoriums. DieErarbeitung von Lösungsvarianten undschließlich deren kritischeWertung sowieeine Entscheidung über den Analysenwegschließen diesen Bereich der Analysen-planung ab.Die Bewertung des übernommenen

    oder erarbeiteten Analysenverfahrensstellt einen weiteren wichtigen Teilschrittim Rahmen eines analytischen Prozessesdar. Zur Bewertung gehören die Überprü-fung von Einzelschritten (hinsichtlich Se-lektivität, Zeitaufwand und statistischerGütegrößen – s. weiter unten) und dieDurchführung von eventuell möglichenVereinfachungen – das Gleiche gilt fürden Bereich von Trennmethoden (Kap. 9)sowie für alle Teilschritte der Probenvor-bereitung (Kap. 2). Zur Bewertung im en-geren Sinne gehören die Ermittlung vonStandardabweichung, Wiederfindung, dieUntersuchung systematischer Fehler bzw.möglicher Störeinflüsse, die Ermittlungvon Zeitbedarf und Nachweis- bzw. Be-stimmungsgrenzen – alle im Hinblick aufdie vorgegebene Aufgabenstellung.Die vollständige Analysenvorschrift

    enthält schließlich alle Angaben zur Pro-benvorbereitung, Kalibrierung, zum Ar-beitsbereich und Zeitbedarf, zur Nach-weisgrenze und zu anderen wichtigenRandbedingungen ebenso wie zum Kos-tenaufwand bedingt durch Personal undMaterial.

    Gute Analytische Praxis

    1982 wurde von der OECD (Organisa-tion for Economic Cooperation and De-velopment) die Good Laboratory Prac-tice in the Testing of Chemicals (GLP)veröffentlicht. Damit sollte erreicht wer-den, dass für das Inverkehrbringen von

    Chemikalien einheitliche Anforderungenan die Qualität von chemisch-physika-lischen, toxikologischen und ökotoxiko-logischen Prüfungen gewährleistet sind.Das heißt: GLP-Regeln betreffen vorwie-gend den Bereich toxikologischer Prüfun-gen, analytische Prüfungen von Chemika-lien sind nur ein (geringer) Teil des gesam-ten Prüfplanes. Die GLP ist daher auchBestandteil des „Gesetzes zum Schutz vorgefährlichen Stoffen“ – des Chemikali-engesetzes (ChemG) – vom 14. März1990 (Sechster Abschnitt, § 19a. Gute La-borpraxis mit den Grundsätzen im An-hang 1).Der Text im Absatz 1 macht deutlich,

    dass es sich nicht primär um die Anforde-rungen an ein analytisches Labor handelt:„(1) Nichtklinische experimentelle Prü-

    fungen von Stoffen oder Zubereitungen,deren Ergebnisse eine Bewertung ihrermöglichenGefahren fürMenschundUm-welt in einem Zulassungs-, Erlaubnis-,Registrierungs-, Anmelde- oder Mittei-lungsverfahren ermöglichen sollen, sindunter Einhaltung der Grundsätze der Gu-ten Laborpraxis nach dem Anhang 1 zudiesem Gesetz durchzuführen.“Die allgemeinen Regeln der GLP haben

    weltweite Anerkennung gefunden undwerden zunehmend auch in die analyti-sche Praxis umgesetzt. UmMissverständ-nisse zu vermeiden, sollte jedoch nicht derallgemeine Begriff GLP, sondern der Be-griff Gute Analytische Praxis – GAP –nach den Regeln der GLP verwendet wer-den.Die wichtigsten Anforderungen, die

    sich nach den GLP-Regeln ergeben,lassen sich wie folgt zusammenfassen(s. Lit. H. Vogel):1. Kein Arbeitsschritt darf dem Zufall

    überlassen bleiben.2. Die Erarbeitung eines analytischen Er-

    gebnisses muss lückenlos zurückver-folgt werden können.

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    28 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Daraus folgt, dass alle Anweisungenund Unterlagen, die im Zusammenhangmit der Durchführung analytischer Prü-fungen benötigt werden oder anfallen,schriftlich vorliegen müssen. Solch ei-ne umfassende Dokumentation hat denZweck,∙ das Prüfsystem zu beschreiben,∙ das Risiko von Irrtümern, die bei ei-

    ner mündlichen Kommunikation un-vermeidlich sind, zu verringern,

    ∙ sicherzustellen, dass die Mitarbeitermit allen Einzelheiten eines Vorgangesvertraut sind und

    ∙ die Überprüfung und Rückverfolgungvon Ergebnissen zu ermöglichen.

    Zu dieser Dokumentation gehören insbe-sondere∙ Arbeitsanweisungen,∙ Prüfanweisungen sowie∙ Arbeits- und Ergebnisprotokolle.

    Ein wesentlicher Teil (neben den for-mellenAnforderungen von der Festlegungder Verantwortungsbereiche von Mitar-beitern bis hin zur Aufbewahrung vonDokumenten) der GLP-Regeln beinhaltetdie Validierung vonHerstell- und Prüfver-fahren. Hier muss ein wesentlicher Unter-schied zwischen der Validierung von Her-stellverfahren und derjenigen von Analy-senverfahren beachtet werden.Validierung von Herstellverfahren: Sys-

    tematische Überprüfung aller wesentli-chenVerfahrensschritte in der Produktionund Kontrolle pharmazeutischer Erzeug-nisse mit dem Ziel, eine gleichbleibendeQualität des Endproduktes zu gewährleis-ten.Validierung von Analysen (nach Boss-

    hardt und Schorderet in Lit. H. Vogel):„Unter Validierung versteht man die

    Gesamtheit aller sich über Planung, Aus-führung und Dokumentation erstrecken-den Maßnahmen, die die Gültigkeit ei-

    ner analytischen Methode beweisen. DerPrüfaufwand richtet sich nach derMetho-dik, der Apparatur und den Anforderun-gen an die Güte des Resultates.“Als wichtige Begriffe bzw. Teilschritte

    im Rahmen einer Validierung von Analy-senverfahren werden im Folgenden Mit-telwertbildung, Normalverteilung, Aus-reißertests, statistische und systematischeFehler, Blindwert, Nachweis- und Bestim-mungsgrenze, Empfindlichkeit und Ka-librierverfahren, Richtigkeit, Wiederhol-barkeit und Vergleichbarkeit, Selektivitätund Spezifität sowie Robustheit definiertund erläutert. AusführlicheDarstellungendazu sind in der zitierten Literatur zu fin-den.Unter Selektivität einer Methode ver-

    steht man das Ausmaß der Leistungsfä-higkeit, einen Analyten neben anderenin komplexen Mischungen bzw. Matricesstörungsfrei bestimmen zu können. Spezi-fität wird dann erreicht, wenn keine Stö-rungen durch andere Analyten für einenspeziellen Analyten oder auch eine Ana-lytgruppe feststellbar sind.Mit Robustheit bezeichnet man die

    Leistungsfähigkeit eines Analysenverfah-rens, durch unvermeidliche kleine Ände-rungen im Ablauf keine signifikanten Ein-flüsse aufzuweisen. Die Zahl der Faktoren,die einen vernachlässigbar kleinen Ein-fluss haben, bestimmt das Ausmaß derRobustheit (s. dazu in der Lit.: Gesell-schaft Deutscher Chemiker, „Akkreditie-rung für chemische Laboratorien“).

    Mittelwertbildung

    Der Mittelwert x einer Stichprobe (kleineAnzahl von Messungen) vom Umfang nist definiert als arithmetisches Mittel auseiner begrenzten Anzahl von Messun-gen (s. Tab. 1.6). Der Begriff Population(Grundgesamtheit) beinhaltet eine unbe-grenzt große Anzahl von Messungen an

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    291.3 Der analytische Prozess und die Qualitätssicherungder Ergebnisse

    Tab. 1.6 Statistische Grundgrößen und Tests zur Bewertung analytischer Ergebnisse.

    Statistische Grundgrößen und Tests Berechnungen

    Mittelwert xxi Einzelmesswerte,n Zahl der Messwerte

    x =∑ xi

    n

    Standardabweichung s (Schätzwert)s2 Varianz,σ In der Grundgesamtheit

    s =√∑

    (xi − x)n − 1

    2

    relative Standardabweichung srel srel =sx

    Gauß-Verteilung

    μ Mittelwert der Grundgesamtheity = 1

    σ√2π

    e−12

    (x−μσ

    )2mit μ =

    ∑ xin

    Poisson-Verteilung y = μx ⋅ e−μx!

    Q-Test (Ausreißertest)

    Q Prüfwert (s. Tab. 1.7)Q = Q = xn − xn−1

    xn − x1

    Grubbs-Test (Ausreißertest)

    r∗ Prüfwert, (s. Tab. 1.7)x∗ Ausreißerverdächtiger Wert

    r∗ = x∗ − x

    s ⋅√

    nn−1

    t-Test (Vergleich von Mittelwerten)

    τ Prüfwert, (s. Tab. 1.8)n1 + n2 − 2 = f (Freiheitsgrade)

    r = x1 − x2sd

    ⋅√ n1 ⋅ n2

    n1 + n2

    mit sd =

    √∑(xi1 − x1)2 +

    ∑(xi2 − x2)2

    n1 + n2 − 2

    F-Test (Vergleich von Standardabweichungen)

    F Prüfwert

    Unterschied von zwei Standardabweichungengesichert (P: Signifikanzniveau, z. B. 0,95 = 95%– s. Tab. 1.8, s1, s2: Standardabweichungen derMessreihen 1 und 2 mit jeweils f = n − 1)

    F =s21s22

    mit F > F(P, f1 , f2)

    demselben Material. Das Teilmengenmit-tel x stellt eine Abschätzung des Mittels μder Gesamtpopulation dar. Es kommt beiAbwesenheit systematischer Fehler (s. u.)dem wahrenWert sehr nah.

    Normal- oder Gauß-Verteilung undStandardabweichung

    Von den unterschiedlichen mathemati-schen Verteilungsfunktionen (z. B. Bi-nominal- oder Poisson-Verteilung) über-

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    30 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Abb. 1.11 (a) Mittelwertbildung (n = 20), (b) Normalverteilung (Gauß-Kurve).

    wiegt die Normal- oder Gauß-Verteilung(Abb. 1.11 und Tab. 1.6).Aus ihr ergeben sich folgende statisti-

    sche Angaben: Die Varianz einer Stich-probe (s2) sowie die Standardabweichungund der Variationskoeffizient. Die Stan-dardabweichung weist die gleiche Dimen-sion wie der Mittelwert auf. Der Variati-onskoeffizient wird auch als relative Stan-dardabweichung in Prozent angegeben.Die Präzision (engl. precision) beinhal-

    tet das Ausmaß der Übereinstimmung(ausgedrückt durch die Standardabwei-chung) von Ergebnissen bei wiederhol-ter Anwendung einer Analysenmethodebzw. eines Analysenverfahrens. Im Rah-mender Präzision unterscheidetman zwi-schen der Wiederholbarkeit (engl. repeat-ability) als Präzision einer Methode bzw.eines Verfahrens bei Anwendung durchein und denselben Mitarbeiter und Ver-gleichbarkeit bei der Durchführung vonverschiedenen Mitarbeitern oder in un-terschiedlichen Laboratorien. Die Präzisi-on eines Mess- (Analysen-)verfahrens wirddadurch ermittelt, dass eine einmal vor-bereitete Analysenprobe (-lösung) mehr-mals gemessen wird.Aus der Verteilungsfunktion wird deut-

    lich, dass im Bereich der Mittelwerte und

    der einfachen, zweifachen bzw. dreifa-chen Standardabweichung 68,3, 95,5 bzw.99,7% aller mit einem Zufallsfehler behaf-teten Messwerte liegen. Das jeweilige In-tervall wird alsVertrauensbereichbezeich-net.

    Ausreißertests

    UmMessdaten von zwei Stichproben ver-gleichen zu können, werden zunächstmögliche Ausreißer aus einer Datenseriemithilfe von Ausreißertests überprüft. Zuden am häufigsten angewendeten Ausrei-ßertests gehören der Q-Test (z. B. nachDean und Dixon) sowie der Grubbs-Test (Berechnungen s. Tab. 1.6, Prüfdatens. Tab. 1.7).Der Q-Wert wird als Quotient aus

    zwei Differenzen ermittelt. Die Diffe-renz zwischen dem ausreißerverdächti-genWert xn und dem benachbartenWertxn−1 (nächstniedriger oder nächsthöhererWert) wird durch die Gesamtdifferenz al-ler Werte (höchsterWert minus niedrigs-ter Wert) dividiert. Je nach Vertrauensbe-reich und Zahl der Messungen n geltenbestimmte Q-Werte (Prüfwerte: PW ), diebei Vorliegen eines Ausreißers überschrit-ten sein müssen (Tab. 1.7).

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    311.3 Der analytische Prozess und die Qualitätssicherungder Ergebnisse

    Tab. 1.7 Prüfdaten r∗ und Q zu den Ausreißertests.

    Messwertanzahl n Q (Q-Test) r∗ (Grubbs-Test)P 90% 95% 99% 90% 95% 99%

    3 0,89 0,94 0,99 1,148 1,153 1,1554 0,68 0,77 0,89 1,425 1,463 1,4925 0,56 0,64 0,76 1,602 1,672 1,7496 0,48 0,56 0,70 1,729 1,822 1,9447 0,43 0,51 0,64 1,828 1,938 2,097

    Beim Grubbs-Ausreißertest werden zu-nächst der Mittelwert und die Standard-abweichung aller Analysendaten berech-net. Der Analysenwert x∗ mit der größ-ten Differenz zumMittelwert x wird danngetestet. Beim Grubbs-Test geht somit imUnterschied zum Q-Test die Standardab-weichung direkt mit ein.Die relative Sicherheit für eine statisti-

    sche Entscheidung wird als Signifikanzni-veauP bezeichnet: In der Regel liegt bei ei-nemPrüfwert (PW ) unter P= 95% ein zu-fälliger Unterschied, unter P = 99% (abergrößer als P = 95%) ein wahrscheinlicherund bei P größer als 99% ein signifikanterUnterschied vor (gilt auch für die folgen-den t- und F-Tests).

    t- und F-Test

    Um Mittelwerte von zwei Messreihen(z. B. von zwei Laboratorien) miteinan-der vergleichen zu können, werden zu-nächst ausreißerverdächtige Messwerteüberprüft und gegebenenfalls eliminiert,dann wird der t-Test durchgeführt. Da-zu berechnet man die Prüfgröße τ (tau)(s. Tab. 1.6 und 1.8), welche mit denvon f = n1 + n2 − 2 abhängigen statisti-schen t-Faktoren zu vergleichen ist.Zum Vergleich von Varianzen wird

    der F-Test eingesetzt. Dazu benötigt mandie Anzahl der einzelnen Messdaten n1und n2 sowie die dazugehörigen Stan-

    dardabweichungen. Der F-Test dient zurBeurteilung der Absolutwerte von Stan-dardabweichungen zweier Datengruppen,die homogen, d. h. ausreißerfrei, seinmüs-sen.

    Schiefe Verteilung

    Liegen die Messwerte aber nicht normalverteilt vor, dann kann nichtmit demMit-telwert und der Standardabweichung ge-arbeitet werden, sondern es müssen zurBeschreibung der Daten robustere sta-tistische Mittel wie der Median und dieQuartile eingesetzt werden.Der Median ist – wie der arithmetische

    Mittelwert – ein durchschnittlicher, mitt-lerer Wert, der sich wie folgt bestimmenlässt:1. Alle Werte werden der Größe nach

    sortiert.2. Der Wert, der in der Mitte der sortier-

    ten Reihe steht, ist der Median.3. Für den Fall, dass dieAnzahl derMess-

    werte gerade ist, gibt es zwei Werte(a , b), die in der Mitte stehen. In die-sem Fall ist der Median (a + b)∕2.

    Verwendetman denMedian, so kannmannatürlich nicht die Standardabweichungzur Angabe von Reproduzierbarkeit ver-wenden.Diese ist an den Mittelwert gebunden.

    Um die Streuung der Messwerte um den

  • Georg Schwedt, Torsten C. Schmidt und Oliver J. Schmitz: Analytische Chemie —2016/9/16 — page 32 — le-tex

    32 1 Allgemeineund theoretischeGrundlagen

    Tab. 1.8 Prüfdaten zum t-und F-Test.

    t-Test (für P = 0,95: 95%ige statistische Sicherheit)f 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

    t(P, f ) 12,71 4,30 3,18 2,78 2,57 2,45 2,36 2,31 2,26 2,23

    F-Test (für P = 0,95)f2 2 3 4 5 6

    f1

    2 19,00 19,16 19,25 19,30 19,333 9,55 9,28 9,12 9,01 8,944 6,94 6,59 6,39 6,26 6,165 5,79 5,41 5,19 5,05 4,956 5,14 4,76 4,53 4,39 4,287 4,74 4,35 4,12 3,97 3,878 4,46 4,07 3,84 3,69 3,58

    Median zu beschreiben, gibt man dieQuartile oder den interquartilen Abstandan. Dabei ist der Wert, unter dem x% derMesswerte liegen, das x-te Perzentil. Wä-re z. B. 17 das Perzentil mit x = 40, dannliegen 40% der Messwerte unter 17. DieQuartile sind die Perzentile mit x = 25, 50und 75, wobei es sich beim zweiten Quar-til um denMedian handelt. Der interquar-tile Abstand ist derWert zwischen erstemund drittem Quartil und kann somit alsParameter für die Streuung der Messwer-te herangezogen werden, wenn die Wertenicht normalverteilt vorliegen.Wann sind Daten nicht normalverteilt,

    unterliegen also nicht der Gaußfunktion?Nimmt man beispielsweise 999 Per-

    sonen, die völlig mittellos sind und ei-nen Milliardär, dann hat im Durchschnittjeder von ihnen ein Vermögen von ei-ner Million Euro. Aber was sagt das fürden Einzelnen aus? Hier würde man mitdemMittelwert eine falsche Aussage überdenWohlstand dieser 1000 Personen tref-fen. Um eine schiefe Verteilung von Da-ten zu erkennen, kann ein Histogramm

    oder ein Stamm-Blatt-Diagramm angelegtwerden.

    Histogramm

    Die Dioxin-Analyse von Eiern aus 21Bauernhöfen hat folgende Daten ergeben[ng/kg]:0,81; 2,25; 2,89; 3,01; 3,86; 3,87; 4,84; 4,87;4,91; 5,01; 5,03; 5,04; 5,14; 6,76; 6,85; 7,91;8,01; 9,82; 9,86; 9,94; 10,00.Zunächst wird der Datenbereich in

    Gruppen, sogenannte Klassen, eingeteilt.Dabei müssen die Intervalle gleich großsein und es dürfen auch keine Lücken auf-

    0

    2

    4

    6

    8

    1Kla

    ssen

    häufi

    gkei

    t Histogramm

    2 3 4 5

    Abb. 1.12 Histogramm.

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    331.3 Der analytische Prozess und die Qualitätssicherungder Ergebnisse

    treten. Für jeden Wert der Datenmengemuss also genau eine Gruppe existieren,und jeder Datenwert darf nur in genau ei-ner Gruppe aufgelistet werden.In diesem Beispiel könnte man z. B. fol-

    gende fünf Gruppen bilden:0,1–2,0; 2,1–4,0; 4,1–6,0; 6,1–8,0;8,1–10,0.Dann werden die Anzahl der Daten in

    den jeweiligen Gruppen, die sogenannteKlassenhäufigkeit, gezählt.Für die Klasse 1 (0,1–2,0) werden ein,

    für die Klasse 2 (2,1–4,0) fünf, für dieKlasse 3 (4,1–6,0) sieben, für die Klas-se 4 (6,1–8,0) vier und für die Klasse 5(8,1–10,0) vier Werte gefunden.Schließlich zeichnetman ein Balkendia-

    gramm, in dem jede Klasse einem Balkenund die Höhe des Balkens der ermittel-ten Anzahl der Werte in der Gruppe ent-spricht.

    Stamm-Blatt-Diagramm

    Dabei handelt es sich um eine einfacheMöglichkeit, die Verteilung mittlerer Da-tenmengen zu untersuchen.Zuerst werden die Daten nach Größe

    sortiert (ist nicht unbedingt notwendig,wenn man mit dem Computer arbeitet).Dann wird der Datenbereich wie beimHistogramm in Intervalle eingeteilt, alsoz. B. in Intervallgrößen von 2; 1; 0,25 oderauch kleiner. Die erste Ziffer des Intervallsw