1 Chronische Wunden: Definition und...

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    1 Chronische Wunden: Definition und Bedeutung

    Die Zahl der an einer chronischen Wunde leidenden Menschen nimmt stetig zu. Das liegt auch mit an der immer hheren Lebenserwartung und der damit verbundenen Multimorbiditt.Eine Person mit einer chronischen Wunde leidet darunter und sollte nach neuesten Kenntnissen behandelt und in ihrer Gesun-dung untersttzt werden.

    Definition

    Jede Wunde, die nicht innerhalb der physiologischen Abheilzeit von 8 Wochen abgeheilt ist, ist eine chronische Wunde.

    Eine gute Wundheilung erfordert eine regelmige Wundbeur-teilung und phasengerechte Wundversorgung.

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    2 Physiologische Wundheilungsstadien

    Hmostase (Blutstillung)

    Die Hmostase wird direkt und wird unmittelbar als Reaktion auf eine Verletzung eingeleitet.Whrend dieser Phase erfolgt durch den Austritt von Blut und Plasma aus den verletzten Gefen eine Aktivierung der Blutge-rinnung und ein Verkleben der Wunde mit Fibrin.Zuerst verengen sich die Kapillaren, anschlieend kommt es zu einer Vasokonstriktion (Verengung von Gefen), wodurch der Blutfluss im Wundgebiet nachlsst. Durch ein Zusammenballen und Verkleben von Erythrozyten und Thrombozyten bildet sich ein Pfropf, der die verletzte Stelle verschliet, sodass es zu einer Blutstillung kommt.

    Exsudationsphase (Reinigungsphase)

    In der Exsudationsphase kommt es durch eine lokale Entzn-dungsreaktion zu einer verstrkten Exsudation.Die im Exsudat enthaltenen und aus der Wundumgebung einge-wanderten Makrophagen und Granulozyten beginnen mit der Wundreinigung.Die Reinigungsphase sekundr heilender Wunden ist aufgrund der lokalen Entzndung durch eine starke Exsudation von ei-weireichem Wundexsudat gekennzeichnet.Gleichzeitig kommt es zu einem ersten Einwandern von Fibro-blasten aus der Wundumgebung in das Wundgebiet.

    Granulationsphase (Proliferationsphase)

    Makrophagen und Granulozyten im Wundgebiet setzen Fakto-ren frei, die eine verstrkte Einwanderung von Fibroblasten in das Wundgebiet anregen.

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    Die Fibroblasten beginnen mit der Bildung von Kollagen, das die Wunde nach und nach in Form von Granulationsgewebe auffllt. Das whrend dieser Phase gebildete Granulationsgewebe ist ge-f-, zell und kollagenreich und rot-glnzend. Die Exsudation lsst deutlich nach.Endothelzellen wandern an die Spitzen der verletzten Gefe und bilden dort neue Kapillarschleifen. Auerdem kommt es zu einer Neubildung von Gefen im Wundgebiet, der sog. Neo-angiogenese.Durch eine Wundkontraktion, ausgehend vom Wundrand und ausgelst durch Myofibroblasten, kommt es zu einer Verringe-rung der Wundoberflche.Gleichzeitig beginnt von den Wundrndern aus die Epithelisie-rung durch Wanderung und Teilung von Epithelzellen.

    Regenerationsphase (Epithelisierungsphase)

    In dieser Phase verarmt das in der Wunde vorhandene Granula-tionsgewebe an Gewebswasser, und durch Ausreifung der Kol-lagenfasern entsteht das erste Narbengewebe.Gleichzeitig fhrt eine anhaltende Wundkontraktion zu einer weiteren Verkleinerung der Wunde.Die Epithelisierung ist abgeschlossen, sobald die gesamte Wund-oberflche mit Epithel bedeckt ist.

    Reifungsphase (Remodulierungsphase)

    Diese Phase ist wichtig fr die Entwicklung der Reifestigkeit und somit fr die Stabilitt des Gewebes. Das Kollagen wird reorganisiert, und dessen Fasern richten sich verstrkt nach den Spannungslinien auf das frische Narbenge-webe aus, wodurch das Gewebe belastungsstabiler wird. Dabei wird das Narbengewebe dort am dichtesten und stabilsten an-gelegt, wo der meiste Zug auf das Gewebe stattfindet.Erst nach Abschluss der Reorganisation des Kollagens ist das Narbengebiet voll belastbar und reifest.Dieser Umbauprozess dauert bis zu mehreren Monaten.

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    Heilungsmechanismen des Krpers

    Der menschliche Krper verfgt ber Heilungsmechanismen:

    Reparatur: Verletztes Gewebe wird durch unspezifisches Binde-gewebe ersetzt. Dies geschieht berwiegend bei einem Gewebe-defekt. Es kommt zur Vernarbung.

    Regeneration: Verletzte Zellen werden durch identische Zellen ersetzt. Dies ist nur im Bereich der Epidermis (wenn die Basal-zel len erhalten sind), Schleimhute des Magen-Darm-Trakts und dem weiblichen Genitale mglich.

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    3 Hufig auftretende chronische Wunden

    3.1 Dekubitus

    Ein Dekubitus wird als Schdigung der Haut durch anhaltende lokale Druckeinwirkung definiert.

    Abb. 1: Entstehung eines Dekubitus

    lokale Minderdurchblutung

    Sauerstoffmangel/Anhufung toxischer Stoffwechselprodukte

    Erhhung der Kapillarpermeabilitt, Geferweiterung, zellulre Infiltration,dembildung

    Blasenbildung

    komplette Ischmie,irreversibles Absterben der Hautzellen

    Druck/Druckverweildauer

    Ulkus/Nekrose

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    Stadieneinteilung des Dekubitus (modifiziert nach Seiler)

    Stadium I: Scharf begrenzte Hautrtung bei intakter Haut, die sich nicht wegdrcken lsst. Bei konsequen-ter Druckentlastung verblasst die Rtung nach einigen Stunden bis Tagen, je nach Ausprgung der vo rangegangenen Minderdurchblutung.

    Stadium II: Teilverlust der Epidermis bis hin zur Dermis. Es han delt sich hierbei um oberflchliche Hautde-fekte, die sich als Abrasion, Blase oder flaches Ulkus zeigen.

    Stadium III: Schdigung aller Hautschichten (Epidermis, Dermis, Subkutis), die bis auf die Faszie reichen kann. Sie zeigt sich als tiefes, offenes Ulkus mit oder ohne Unterminierung des Gewebes.

    Stadium IV: Hautverlust ber die gesamte Hautdicke mit ausgedehnten Gewebsnekrosen und Schdigung von Muskeln, Sehnen und Knochen. Unterminie-rungen in Form von Wundtaschen und Fisteln sind dabei hufig.

    Klassifizierung nach EPUAP (European Pressure Ulcer Advisory Panel)

    Stadium 1: Nicht wegdrckbares Erythem der intakten Haut; Verfrbung, berwrmung, Induration oder Ver-hrtung der Haut knnen als Indikatoren gelten, insbesondere bei Menschen mit dunkler Haut.

    Stadium 2: Beeintrchtigung der Epidermis und/oder Der-mis.

    Der Dekubitus ist oberflchlich und stellt kli-nisch eine Blase, eine Abschrfung oder ein fla-ches Geschwr dar.

    Stadium 3: Schaden und mitunter auch Nekrosenbildung des Unterhautfettgewebes. Das Geschwr er-streckt sich bis zur darunter liegenden Faszie, durchdringt sie aber nicht.

    Klinisch stellt das Geschwr einen tiefen Krater mit (oder auch ohne) Unterminierung des an-grenzenden Gewebes dar.

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    Abb. 2: Dekubitus-Kategorieeinteilung: Bei der Klassifizierung der Schwere eines Dekubitus orientiert sich man da-ran, welche Gewebeschichten durch die Drucksch-digung bereits zerstrt wurden (Mit freundlicher Ge-nehmigung Paul Hartmann AG, Heidenheim, Die phasengerechte Wundbehandlung des Dekubitalulcus, S. 15, 2. Aufl. 2001, PAUL HARTMANN AG, Heiden-heim)

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    Stadium 4: Ausgedehnte Zerstrung, Gewebenekrose und Schaden an Muskel, Knochen und anderen un-tersttzenden Strukturen (Sehnen, Gelenkkap-seln).

    Das Geschwr stellt klinisch einen tiefen Krater mit sichtbaren Knochen, Sehnen oder Gelenk-kapseln dar. Unterminierungen und Wundta-schenbildungen sind in diesem Stadium mg-lich.

    Begnstigende Faktoren fr die Dekubitusentstehung

    Immobilitt unterteilt in:

    vollstndige Immobilitt: keine Spontanbewegung, z. B. durch Bewusstlosigkeit, Koma, Narkose, vollstndige Lh-mung. Das Alter des Patienten spielt dabei keine Rolle

    relative Immobilitt: Spontanbewegungen sind mehr oder weniger eingeschrnkt, z. B. durch Sedierung, bei Fraktu-ren, starken Schmerzzustnden, neurologische Erkrankun-gen besonders mit Sensibilittsstrungen bzw. -verlusten

    Mangeldurchblutung der Haut, z. B. durch Schock, Hypoto-nie, Dehydration, Herzinsuffizienz, Arteriosklerose

    reduzierter Allgemeinzustand, z. B. durch schwere und/oder chronische Erkrankungen, maligne Prozesse, Malnutrition, Exsikose, usw.

    StoffwechselstrungenDurchblutungsstrungen allgemeine Faktoren wie Flssigkeitsmangel, Infektionen (be-

    sonders mit Fieber), vorgeschdigte bzw. erkrankte Haut Inkontinenz physiologische Hautalterung mit Schwund von Zell- und

    Faser elementen und damit verbundenem Dnnerwerden der Haut sowie Elastizittsverlust des Bindegewebes.

    Operationen mit langer Liegezeit, extremen Scherkrften (z. B. durch Extension), Unterkhlung des Patienten, lange Gefabklemmzeiten oder zu lange Blutleerzeiten, falsche Anwendung von Desinfektionsmitteln

    Anlage von Sonden und Kathetern und deren Fixierung

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    Die Behandlung eines Dekubitus erweist sich, besonders im Sakralbereich, oft als schwierig. Durch die relative Nhe zum Analbereich kommt es hier hufig zu Infektionen bzw. Re-In-fektionen durch Darmkeime. Ein adquates Infektionsmanagement ist deshalb unerlsslich.

    Ohne konsequente Druckentlastung kommt es zu keiner Abhei-lung des Dekubitus!

    3.2 Ulcus cruris

    Die hufigsten Ursachen fr ein Ulcus cruris sind Vernderun-gen der vensen oder arteriellen Durchblutung bzw. eine Kom-bination aus beidem, wie beim Ulcus cruris mixtum.Weitere mgliche Ursachen fr ein Ulcus cruris sind z. B. Mali-gnome der Haut, Mykosen, Autoimmunerkrankungen.

    3.2.1 Ulcus cruris venosum

    Hierbei handelt es sich um das schwerste Symptom der chro-nisch vensen Insuffizienz (CVI), bei der es zu einer Stoffwech-selstrung der Kutis und Subkutis kommt.

    Durch die Schdigung der Kapillaren tritt vermehrt Eiwei in das Gewebe aus. Perikapillre Fibrinmanschetten behindern die Diffusion von Sauerstoff, wodurch es zur Hypoxie im Gewebe und schlielich zum Zelltod kommt.Bei nicht behandelter CVI, z. B. durch adquate Kompressions-therapie, kommt es zu einer fortschreitenden Schdigung des Venensystems, das auch das Lymphsystem in Mitleidenschaft zieht.Die hufigste Lokalisation eines Ulcus cruris venosum ist ober-halb der Knchel, kann jedoch auch an anderen Stellen am Un-terschenkel auftreten.

    Bei einem zirkulren Ulkus, das den gesamten Unterschenkel betreffen kann, wird von einem Gamaschenulkus gesprochen.

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    Stadieneinteilung der chronisch vensen Insuffizienz nach Widmer

    Stadium 1: Stauungsflecken, dem, Venenerweiterung an den Seiten der Fe (Corona phlebectatica pa-raplantaris = Besenreiser im Knchelbereich)

    Stadium 2: Hyperpigmentierung der Haut ( Purpura jaune docre = brunlich/ockerfarben pigmentierte Haut), Dermatoliposklerose (verhrtete Haut/Unterhautgewebe), Zeichen der Haut atrophie (=Atrophie blanche weie, atrophische mnz- bis handtellergroe Herde)

    Stadium 3: Forides oder abgeheiltes Ulkus

    Stauungsdermatitis

    Eine Stauungsdermatitis ist eine Entzndungsreaktion der Haut, wenn diese ber lngere Zeit starker Spannung, verur-sacht durch deme, ausgesetzt ist. Dies tritt hufig bei Patienten mit einer Chronisch Vensen Insuffizienz (CVI) auf, deren Beine nicht ausreichend bzw. gar nicht komprimiert werden, wodurch es im Rahmen des man-gelhaften vensen Rckflusses zu einer dembildung in den Unterschenkeln kommt. Die Stauungsdermatitis zeigt sich als glnzend-gespannte, ge-rtete, berwrmte und schuppige Haut an einem oder beiden Unterschenkeln.Diese Entzndungsreaktion lsst sich durch das Aufbringen von schwach cortisonhaltigen Cremes (z. B. Dermoxin-Creme, VolonA-Creme) nach Anordnung des Arztes und gleichzei-tiger Entstauung durch eine adquate Kompression innerhalb kurzer Zeit zum Abklingen bringen.Nach Abklingen der Stauungsdermatitis sollte eine regelmige Hautpflege mit ureahaltigen (harnstoffhaltigen) Pflegeproduk-ten, vorzugsweise W/O-Emulsionen, erfolgen.Die Anwendung von feuchten Umschlgen zur Behandlung ei-ner Stauungsdermatitis ist nicht sinnvoll, da dies zur deutlichen Verschlechterung des Hautzustandes fhren kann.

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