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1 Prof. Dr. H. R. Skopp, Wirtschaftsprüfer Wirtschaftsmediation Teil 1: Grundlagen der Wirtschaftsmediation Teil 2: Mediation als kommunikative Aufgabe: Gesprächsführung, Kommunikations- und Moderationstechniken Teil 3: Phasen und Schritte eines Mediationsverfahrens Teil 4: Rechtlicher Rahmen, Rolle und Selbstverständnis des Mediators

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Wirtschaftsmediation

Teil 1: Grundlagen der WirtschaftsmediationTeil 2: Mediation als kommunikative Aufgabe: Gesprächsführung, Kommunikations- und ModerationstechnikenTeil 3: Phasen und Schritte eines MediationsverfahrensTeil 4: Rechtlicher Rahmen, Rolle und Selbstverständnis des Mediators

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1. Grundlagen der Mediation Geschichte der Mediation

Europa: Vermittlung durch Dritte seit antikem Griechenland belegt Durch Hilfe des Staatsmanns Solon konnte am Ende des 6. Jahrhunderts

Bürgerkrieg verhindert werden Zeitraum von Zerfall d. röm. Reiches bis Gründung Nationalstaaten ist

Konfliktregelung stark durch Verhandlungen geprägt Bedeutendes Vermittlungsverfahren unter Leitung von Mediatoren führte 1648

zum Westfälischen Friedensschluss: neben 148 Gesandten waren zwei Diplomaten als neutrale Vermittler beiteiligt. Diesen gelang es zwischen den Streitparteien zu vermitteln.

Professionalisierung der Mediaton fand vor allem im letzen Jahrhundert in den USA statt und Ende der 1980er Jahre auch in Europa Einsatz v. a. bei Konflikten in Politik, Gesellschaft, Wirtschaftsleben und zwischenmenschlichen Bereich

USA: Heimatland der Mediation im modernen Sinne Folgend sind Stationen der Entwicklung der Wirschaftsmediation in den USA:

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1898 genehmigte der US-Kongress den Einsatz von Mediation bei Arbeitskonflikten

1913 Board of Mediation and Conciliation als nationale Einrichtung in den USA zur Regelung von Arbeitskonflikten bei den Eisenbahnen

1913 Newlands Act und weitere Gesetze zum Einsatz von Mediation bei „sozialen Konflikten in der Industrie“ (nicht als Alternative zum Rechtsstreit, sondern zu Streik und Konflikten).

Federal Mediation and Conciliation Service zur Regelung privater Arbeitskonflikte

Ende der 1970er/80er Superfund der Bundesregierung mit mehreren Mrd. US-Dollar zur Dekontaminierung industriell verseuchter Böden, voraussichtlich würden 50 % der Geldmittel an die Rechtsanwälte fließen; als Alternative zum Rechtsstreit wird die Einführung von Mediation und verwandten Verfahren durch entsprechende Gesetzgebung auf der Bundesebene unterstützt

1981 Harvard Negotiation Project: Systematische Entwicklung eines strukturierten Verhandlungsverfahrens zur Konfliktlösung an der Harvard-Law-School, das später auch zum zentralen Leitbild für Mediation wird.

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Deutschland:

• nach vermehrten Forderungen nach „Alternativen in der Ziviljustiz“ in den 1980er Jahren fand 1990 das erste „klassische“ Umweltmediationsverfahren statt, und zwar zur Sonderabfalldeponie Münchehagen.

• in 1990er Jahren begann Professionalisierung der Mediation in Familien- und Umweltkonflikten, 1992 erster großer Verband Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation, auch Bundesverband Mediation e. V. wurde gegründet. Erste Büros, die Mediation als professionelle Dienstleistung anbieten, entstehen. 1993 spricht sich Dt. Bundestag für verstärkten Einsatz von Mediation aus.

• 1990er Jahre: Modellprojekte zur Ausbildung von Konfliktlotsen an Schulen, Arbeitsgemeinschaften, Vereine und Verbände bilden sich. 1999 beginnen Universitäten wie Oldenburg und die FernUni Hagen mit Mediationsausbildungen. Weitere Universitäten und Fachhochschulen folgten.

• Ausbildungen für Mediation hatten großen Zulauf. Zuerst waren Mediationsfälle sehr gering, dies änderte sich aber stetig. Anwendungsbereiche der Mediation sind mittlerweile auch in Deutschland vielfältig. Elemente der Mediation werden mittlerweile in folgenden Feldern eingesetzt: Familie/Trennung/Scheidung (Familienmediation), Nachbarschaftskonflikte (Community Mediation), Täter-Opfer-Ausgleich, Probleme und Gewalt an Schulen (Schulmediation), interkulturelle Konflikte sowie Auseinandersetzungen bei der Planung und Umsetzung größerer Projekte oder Konzepte im Öffentlichen Bereich (Mediation im öffentlichen Bereich).

• Wirtschaftsmediation nimmt zunehmend an Bedeutung. Anwendungsbereich: Vermeidung oder Regelung organisationsinterner Konflikte, Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen mit Kunden und anderen Vertragspartnern, konstruktiver Umgang mit unternehmensexternen Anspruchsgruppen. Zunehmend auch Erbstreitigkeiten und Unternehmensnachfolgen.

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Grundprinzipien der Mediation

1. Allparteilichkeit

Mediatoren

- sind nicht am Konfliktgeschehen beteiligt

- fühlen sich allen Konfliktparteien gleich verpflichtet

- haben keine eigenen Interessen bezogen auf den Konfliktgegenstand und Lösungen

- sind für die Struktur und den Prozessverlauf der Mediation verantwortlich.

Es geht v. a. um die innere Haltung, mit der Mediatoren in ein Vermittlungsgespräch gehen und mit der sie den Menschen in der Mediation begegnen. Allparteilichkeit ist nicht gleich Neutralität, denn Mediatoren bemühen sich um Verständnis für die jeweilige Sichtweise des Konfliktbeteiligten. Allparteilichkeit wird getragen von einer Haltung grundsätzlicher Wertschätzung anderen Menschen gegenüber, auch wenn diese sich anders verhalten, als der Mediator das für richtig hält. Hinzu kommt Empathie, das Bemühen und die Fähigkeit, sich in andere Menschen wirklich einzufühlen.

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2. Eigenverantwortlichkeit

- zentrales Prinzip in der Mediation

- Mediator unterstützt Konfliktbeteiligte bei der Suche nach eigenen, tragfähigen Lösungen

- hat nicht die Rolle des Experten in der Sache, Experten sind Beteiligte selbst

- Prinzip der Eigenverantwortlichkeit unterscheidet Mediation fundamental von meisten anderen Konfliktregelungssätzen

- gefragt ist die Haltung v. Mediatoren, die sich nicht selbst sondern die Konfliktbeteiligen in den Mittelpunkt stellt.

3. Freiwilligkeit

Teilnahme an Mediation ist freiwillig; Konfliktparteien müssen innere Freiwilligkeit haben und sich inhaltlich einbringen; wenn Voraussetzungen für eine Mediation o. konstruktive Arbeit nicht mehr gegeben sind, kann der o. die Betreffende die Mediation beenden; Beteiligte sind für das Ergeb- nis der Mediation verantwortlich; Beteiligte müssen vorher klären, welche Alternativen sie haben: Was können sie ohne Verhandlung erreichen (BATNA = Best Alternative To a Negotiated Agreement)? Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn sie nicht verhandeln (WATNA = Worst Alternative To a Negotiated Agreement)? Die BATNA kann in der Verhandlung als ein Indifferenzpunkt betrachtet werden, ab dem sich kein Vorteil mehr für eine Verhandlungslösung ergibt.

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4. Informiertheit- Konfliktbeteiligte müssen über eigene Situation (z. B. ihre rechtliche Lage,

steuerliche Auswirkungen, betriebliche Daten bzw. allgemein ihre BATNA) sowie über Prinzipien d. Mediation und Rolle d. Mediatorin informiert sein.

- Alle konfliktrelevanten Infos müssen in der Mediation offen gelegt werden- Informiertheit ist Voraussetzung dafür, dass Parteien selbst tragfähige

Lösungen in ihrem eigenen Interesse entwickeln können

5. Ergebnisoffenheit Damit Mediation als Verfahren nicht instrumentalisiert wird, z. B. um Zeit zu

gewinnen oder Parteien ruhig zu stellen, ist eine wichtige Voraussetzung ein Mindestmaß an Ergebnisoffenheit. In dem betreffenden Konflikt dürfen nicht außerhalb des Mediationsverfahrens (im Vorfeld oder parallel) die Entscheidungen getroffen werden. Es muss geklärt werden, welchen Stellenwert ein Ergebnis haben wird und dass gemeinsam gefundene Lösungen auch umgesetzt werden. Ob notwendige Ergebnisoffenheit für eine Mediation gegeben ist entscheiden die Beteiligten.

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6. Vertraulichkeit- die in Mediation besprochenen Inhalte werden auf Wunsch d. Parteien von

Konfliktbeteiligten u. Mediator vertraulich behandelt- Sie verpflichten sich dazu im Rahmen des Mediationsvertrages, die

Informationen aus den Mediationsverfahren nicht in anderen Zusammenhängen gegen die andere Seite zu verwenden

- In größeren u. komplexen Verfahren, z. B. im öffentlichen und politischen Raum, entscheiden Konfliktbeteiligten einvernehmlich zu Beginn d. Mediation, wie sie mit der Öffentlichkeit umgehen wollen.

7. Teilnahme der Konfliktbeteiligten Mediation bezieht alle von einem Problem Betroffenen ein. Maßgeblich ist dabei,

wer sich subjektiv von einem Konflikt betroffen fühlt. Sie erarbeiten gemeinsam eine Lösung, in die alle ihr Wissen einbringen und die von allen akzeptiert wird.

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Interessenorientierung als Kern der Mediation

Unterscheidung von Positionen und Interessen in der Mediation In Konflikten verhandeln die Streitparteien meistens über Forderungen, (Rechts-)

Ansprüche, die eigenen Ideallösungen, Vorwürfe usw. Das nennen wir in der Mediation „Positionen“. Beispiele für Positionen sind:

A1: Überstundenabbau <-> B1: Überstunden akzeptieren A2: Selbst entscheiden dürfen <-> B2: Vorher Genehmigung einholen Verhandlungen über Positionen, die sich gegenseitig ausschließen, können nur zu

Gewinner-Verlierer-Lösungen oder zu Kompromissen führen, die oft als „faul“ erlebt werden. Häufig blockiert positionsorientiertes Verhandeln eine Lösung vollständig. Hinter Positionen liegen aber bestimmte Ziele und Wünsche der Beteiligten. Es sind tiefer liegende Beweggründe. Streitparteien glauben im Laufe der Auseinandersetzung, dass ihre Position der beste und einzige Weg ist ihre Ziele zu erreichen. Wünsche, Motive und Beweggründe werden in der Mediation „Interessen“ genannt. In der Mediation werden die Interessen herausgearbeitet. Die Konfliktparteien erkennen trotz widersprüchlicher Forderungen, dass jede Seite legitime Bedürfnisse hat, die zu diesen Forderungen geführt haben. Diese Interessen und Bedürfnisse schließen sich nicht mehr zwangsläufig gegenseitig aus. Anders als bei der Verhandlung über Positionen, bei denen sich eine Seite nur auf Kosten der anderen Seite durchsetzen kann, werden so unterschiedliche Lösungen möglich, die den eigentlichen Interessen gerecht werden. Dadurch entsteht die Bereitschaft zur Kooperation.

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Der Ablauf einer Mediation in sechs Phasen

1. Vorbereitung und Mediationsvertrag: Konfliktbeteiligte schließen einen Vertrag mit den Mediatoren, in dem Ziel, Regeln, Aufgaben und Kosten vereinbart werden. Die Prinzipien der Mediation werden vom Mediator erläutert, die Regeln des Umgangs miteinander sind zu besprechen, es ist zu klären, ob Mediation ein geeigneter Weg für die Regelung des Konflikts ist und ein Mediationsvertrag mit der Einverständniserklärung der Konfliktbeteiligten, eine Regelung mittels Mediation und mit Unterstützung der/s Mediators/In anzustreben wird verabschiedet.

2. Themensammlung: Themen werden formuliert, die zur Lösung des Konflikts besprochen werden sollen. In die Diskussion wird noch nicht eingestiegen. Die Zusammenstellung bewertungsneutraler Themen verschafft einen Überblick.

3. Interessenerklärung: Herzstück der Mediation, tiefer liegende Motive, Wünsche und Bedürfnisse der Beteiligten werden herausgearbeitet -> Bereitschaft zur Kooperation entsteht, unterschiedliche Lösungen werden möglich.

4. Kreative Ideensuche: Konfliktbeteiligte entwickeln eine Vielzahl von Ideen, die für das zu lösende Problem hilfreich sein können. Kernfrage: „Was wäre jetzt alles denkbar?“ Neue Optionen entstehen. Phase sollte nicht zu früh abgebrochen werden.

5. Auswahl und Bewertung von Lösungsoptionen: -> erfolgt auf der Basis der jeweiligen Interessen und Bedürfnisse, aber auch Kriterien, auf die sich die Beteiligten einigen. Am Ende stehen realisierbare Vorschläge, mit denen alle Parteien leben können.

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6. Vereinbarung und Umsetzung: Am Ende der Mediation steht schließlich eine tragfähige Vereinbarung und deren Umsetzung. Dient als Absicherung der zuvor getroffenen Entscheidungen, erfolgt meistens schriftlich um den Grad der Verbindlichkeit faktisch und symbolisch zu erhöhen. In dieser Phase geht es vordergründig um die Beilegung eines Konflikts durch eine für alle Beteiligten akzeptable Vereinbarung. Darüber hinaus ergeben sich aus der Einigung und deren erfolgreicher Umsetzung oft Impulse für den zukünftigen Umgang miteinander und für die Bewältigung anderer Konflikte. Aus beiden Gründen sollte die Mediation einen angemessenen und würdevollen Abschluss finden.

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Mediation im Kontext anderer

Konfliktregelungsverfahren

1. Allgemeine Abgrenzung der Mediation zu rechtlichen, beratenden und therapeutischen Verfahren

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Machtorientierung Rechteorientierung Interessenorientierung

Kampf Hierarchie Staatl. Macht

SchiedsverfahrenGerichtsverfahren Schlichtung

Verhandlung Mediation

Hoch Entscheidungsbefugnis des Dritten niedrig

Richter/in Schiedsfrau/mann (bindend) Schlicher/in (nicht bindend) Mediatiorin

Persönlichkeitsentwicklung Prozessbegleitung Konfliktregelung

Therapie Coaching Supervision Moderation Mediation

Mediation kann unter verschiedenen Blickwinkeln von anderen Konfliktregelungsansätzen abgegrenzt werden:

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Mediation unterscheidet sich also in einzigen zentralen Punkten von anderen Konfliktlösungsverfahren. Eine systematische Unterscheidung der einzelnen Instrumente kann nicht bei den Begriffen stehen bleiben, denn die Begriffe sind oft unklar. Eine Moderation konfliktreicher Sitzungen kann je nach Qualifikation der Moderatorin sehr mediativ ablaufen. Ein als Schlichtung bezeichnetes Verfahren kann – je nach Ausgestaltung der vereinbarten Verfahrensordnung – durchaus den Charakter einer Mediation haben. Systematisch muss daher unterschieden werden, ob die Parteien ein Verfahren wählen wollen (oder sollten), das vom gemeinsamen Bemühen um eine Einigung geprägt ist. Dann handelt es sich um ein autonomieorientiertes Verfahren. Dies ist beispielsweise bei Wirtschaftskonflikten in aller Regel die Mediation. (Daneben kann man noch die Konfliktmoderation erwähnen.) Der autonomieorientierten Mediation stehen alle anderen Verfahren gegenüber, die auf das Votum des Dritten (in Form eines Schiedsgutachtens oder Schlichtungsspruches oder einer Adjudicationentscheidung) konzentriert sind. Es handelt sich also um entscheidungsorientierte Verfahren. Innerhalb der entscheidungsorientierten Verfahren muss sinnvollerweise danach unterschieden werden, welche Bindungswirkung das Votum des Dritten haben soll: Bindend oder nicht bindend oder vorläufig bindend. Alle dies Varianten kommen in der Praxis vor und haben ihren Sinn.

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Konkrete Abgrenzung zu anderen

Konfliktregelungsverfahren1. Verhandlung Ursprüngliche und häufigste Form d. Konfliktregelung ist Argumentieren und

Verhandeln Bei Konflikten wird zunächst verhandelt, in Konfliktfällen ist es sinnvoll,

zunächst miteinander zu sprechen. In den letzten 10 bis 20 Jahren hat sich gezeigt, dass Vertragsparteien immer

häufiger auf dem Verhandlungsweg keine Lösung finden, deshalb Einsatz eines Dritten (z. B. Mediator)

2. Schlichtung Die Schlichtung ist darauf gerichtet, einen Schlichtungsspruch (als Grundlage

für eine dann hoffentlich möglich gewordene Einigung) zu erhalten. Unterschied zur Mediation: Bei Mediation behalten die Parteien die

Verantwortung für das Ergebnis u. können sinnvollerweise nicht anstreben, den Mediator von der Qualität der eigenen Position und Argumente zu überzeugen; bei Schlichtung geht es darum, einen günstige Schlichtungsspruch zu erreichen, also den Schlichter für eigene Argumentation zu gewinnen. Die Verantwortung für das Ergebnis wird an den Schlichter abgegeben.

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3. Schiedsgutachten Dienen dazu, den Inhalt eines vertraglichen Anspruchs oder einzelner

Anspruchsvoraussetzungen zwischen den Parteien verbindlich festzulegen, um nach Möglichkeit einen Rechtsstreit zu vermeiden

In klassischer Ausprägung grundsätzlich bindend Können von Gerichten nur auf grobe Unbilligkeit geprüft werden Parteien können Vereinbaren, dass Gutachten nicht bindend ist, z. B. bei Gutachten

zu Rechtsfragen – auch dann, wenn Verfahren fair gestaltet war, hohe faktische Bindungswirkung

4. Adjudication/Dispute Board Vorläufige Bindungswirkung Votum des Adjudicator zunächst bindend u. muss von Parteien beachtet werden Verliert seine Bindungswirkung erst, wenn unterlegene Partei Klage vor einem

Gericht oder Schiedsgericht erhebt Solche vorläufige Bindungswirkung liegt meistens auch modernem Dispute Board-

Verfahren zu Grunde, bei denen üblicherweise drei Experten über Streitigkeiten vorläufig entscheiden.

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5. Moderation

• eine Gruppe durchläuft einen gemeinsamen Meinungs- und Willensbildungsprozess und sucht gemeinsam nach Wegen zur Aufgabenbewältigung

•Aufgabe d. Moderators: mit zielgerichteten Fragen und Methoden die Sitzung strukturieren.

•Herausforderung: die Berücksichtigung der Komplexität der vielen Informationen u. gleichzeitig eine Übersichtlichkeit zu gewährleisten.

•Hauptinstrument: Visualisierung an Flipcharts, Pinnwänden und m. Pinnwandkarten

Mediation und Moderation haben in Ablauf u. Rolle der Verfahrensleitung einige Ähnlichkeiten. Im Vergleich zur Mediation findet in der Moderation bei der Bearbeitung der jeweiligen Themen jedoch keine vertiefende Interessenklärung statt. Bei der Moderation geht es um eine sachbezogene Lösungssuche in einer arbeitsfähigen Gruppe. Der Moderator unterstützt und dokumentiert den Arbeitsprozess durch die Visualisierung. Im Vergleich zur Mediation ist sein Auftrag nicht primär die Klärung eines Konfliktes und die Vermittlung zwischen Streitparteien. Der Moderator arbeitet weniger mit Fragen, Aktivem Zuhören, Paraphrasieren und ähnlichen Kommunikationstechniken, mit deren Hilfe in der Mediation Interessen und Bedürfnisse herausgearbeitet werden und Kooperationsbereitschaft gefördert wird. Dennoch treten im Rahmen einer Moderation mitunter Konflikte zu Tage. Der Moderator muss dann entscheiden, ob eine Kurzintervention mit mediativen Elementen ausreicht, damit die Gruppe effektiv weiterarbeiten kann. Wenn es sich um schwerwiegende Konflikte handelt, sollte er den Konflikt benennen und eine gesonderte Bearbeitung z. B. durch Mediation vorschlagen. Als Baustein eines KMS kann Moderation als frühes Interventionsinstrument genutzt werden. Gleichzeitig kann sie eine Einstiegshilfe in eine Mediation sein, wenn Konflikte stark tabuisiert werden.

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6. Coaching

•Personennahe Prozessberatung f. Menschen m. Managementaufgaben, fördert Selbstreflexion und Selbstmanagementfähigkeiten um Führungskräfte eigene Wege u. Lösungen in schwierigen Situationen und zur Erreichung der Ziele erarbeiten, kann berufliche u. private Inhalte umfassen, Vordergrund ist berufliche Rolle u. persönlichkeits- u. leistungsbezogene Weiterentwicklung im Arbetisumfeld

•Findet vermehrt als Einzel-Coaching statt, kann aber auch für Teams oder Projektgruppen als Gruppen-Coaching genutzt werden

•Organisationsexterne Berater werden als Coach engagiert

•Einzel-Coaching = gutes Verfahren um über eigene Ziele und mögl. Wege klar zu werden

7. Supervision

•Ist Beratung für Berufstätige, die zur Sicherung und Verbesserung der Arbeitsqualität eingesetzt wird.

•Ziel: berufliches Handeln professionalisieren, berufliche Rolle optimal gestalten u. bei der Bewältigung von Belastungen Hilfestellung geben.

•Findet besonders häufig zur Begleitung der Zusammenarbeit v. Teams im Berufsleben statt.

•Fragen, Problemfelder, Konflikte u. Fallbeispiele aus dem berufl. Alltag werden thematisiert

•Unter Anleitung eines Supervisors reflektieren die Teilnehmer personale, interaktive u. organisationale Aspekte ihrer Arbeit und die damit verbundenen Probleme

•Im Vergleich zur Mediation weniger punktuell für konkrete Konflikte eingesetzt, sondern als längerfristige begleitende Maßnahme

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8. Therapie

Bei der Therapie ist ein Konflikt Ausgangspunkt und Wegweiser zu tiefer liegenden interpersonalen Problemen. In der Mediation werden innerpsychische Hintergründe nur soweit berücksichtigt, wie dies für die Lösung konkreter interpersoneller Streitigkeiten notwendig ist. Bei der Mediation haben Gefühle ihren Platz, der allerdings nicht so zentral ist wie bei der Therapie. In der Mediation ist der Auftrag nicht primär die Heilung und Aufarbeitung tiefer liegender seelischer Hintergründe eines Konfliktes, sondern das Aushandeln von zukunftsorientierten Vereinbarungen.

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Typische Anwendungsfelder der

Mediation1. Trennung/ScheidungWenn Ehepartner sich trennen, drohen häufig schwere Auseinandersetzungen, die

zum einen viel Geld und Nerven kosten und zum anderen eine gemeinsame Perspektive als Eltern unmöglich machen. Die Mediation ist ein strukturiertes und zielorientiertes Verfahren, das trotz der starken Betroffenheit eine Lösung ermöglicht, die sowohl den Partnern als auch den Kindern entgegenkommt.

2. ErbangelegenheitenUnter Streitigkeiten zwischen den Erben sowie zwischen den Erben und Erblassern

leiden häufig ganze Familien. Eine rein rechtliche oder auch rein wirtschaftliche Regelung wird den Bedürfnissen und Gefühlen der Beteiligten häufig nicht gerecht. Im Mediationsverfahren werden Lösungen erarbeitet, die neben den materiellen Dingen auch die persönliche Ebene mit einbeziehen. So kann an Stelle der einseitigen Verfügung des Vererbenden ein Testament stehen, das auch die Interessen der Erben berücksichtigt. Erbengemeinschaften werden darüber hinaus in die Lage versetzt, die Erbmasse wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen.

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3. Regelung der UnternehmensnachfolgeMit der Regelung der Unternehmensnachfolge werden die Weichen für die Zukunft

gestellt. Obwohl es sich aus wirtschaftlicher und persönliche Sicht um eine der wesentlichsten Entscheidungen in der Firmengeschichte handelt, wird die Nachfolgeregelung häufig lange hinausgezögert. Die Klärung wird aus Sorge vor möglichen Auseinandersetzungen vermieden.

Die Mediation setzt genau an diesem Punkt an. Unter Berücksichtigung sowohl persönlicher Interessen als auch betrieblicher Zielsetzungen werden maßgeschneiderte Konzepte entwickelt. Das Unternehmen stärkt so seine Handlungsfähigkeit und gibt Führungskräften, Mitarbeitern und Banken die notwendige Zukunftssicherheit.

4. Konflikte zwischen Gesellschaftern/PartnernDer Erfolg eines Unternehmens hängt in hohem Maße von dem Zusammenspiel

innerhalb der Führungsmannschaft ab. Neben Konflikten in der alltäglichen Zusammenarbeit stellen dabei insbesondere die Gründung einer Gesellschaft, die Erweiterung sowie ggf. auch der Ausstieg Einzelner eine große Belastungsprobe dar. Werden diese Auseinandersetzungen nicht konstruktiv geführt, drohen große Schäden für das Unternehmen und evtl. langwierige, aufreibende Gerichtsverfahren.

Die Mediation stellt demgegenüber den geeigneten Rahmen für eine aktive, schnelle und vertrauliche Konfliktbearbeitung zur Verfügung. Die unterschiedlichen Meinungen und Interessen werden offen ausgetauscht und Lösungen erarbeitet, die von allen getragen werden.

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5. Veränderungsprozesse im UnternehmenVeränderung ist der Alltag für Unternehmen in nahezu allen Branchen. Und Veränderungen

sind immer mit Konflikten verbunden, egal ob es um Krankenhäuser, Stahlwerke oder Stadtverwaltungen geht. Die Unternehmen müssen mit Umstrukturierungen bis hin zu Fusionen die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Diese Veränderungen lösen bei der Mitarbeiterschaft häufig Unsicherheit und Ängste aus, die sich negativ auf Motivation und damit auch auf Produktivität auswirken. Im Rahmen der Mediation werden die Betroffenen frühzeitig miteinbezogen, mögliche Streitpunkte erkannt und bearbeitet. Die notwendigen Maßnahmen werden dadurch auf eine breitere Basis gestellt und von den Mitarbeitern mitgetragen.

6. Konflikte in TeamsWenn Menschen zusammenarbeiten, entstehen Konflikte. Diese ziehen schnell weitere

Kreise und können das Klima und die Arbeitsfähigkeit ganzer Abteilungen in Mitleidenschaft ziehen. In der Mediation bekommen die Mitarbeiter in einem geschützten Rahmen die Gelegenheit, ihre Standpunkte auszutauschen. Missverständnisse werden auf diese Art beseitigt und Lösungen für eine gute Zusammenarbeit erarbeitet. Die Mediation leistet dadurch einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Atmosphäre.

7. Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und BetriebsratKonflikte zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in Unternehmen sind strukturell

angelegt und haben eine wichtige Funktion für das Unternehmen. Wenn diese Konflikte allerdings zu Blockaden führen, werden sie zum Problem. Teil Eine gute Beziehung zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Natürlicherweise entstehen vor allem im Rahmen von Veränderungsprozessen immer wieder Konflikte zwischen den Interessenvertretern, die sich häufig auch auf der Beziehungsebene abspielen. Die Mediation bietet den Raum, zu einer konstruktiven Kommunikation zurückzukehren und Lösungen im Interesse aller Beteiligter zu erarbeiten.

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8. Vertragsbeziehungen zwischen UnternehmernWirtschaftsmediation zwischen Unternehmen findet in allen Bereichen statt, in denen es

zu Vertragsstörungen kommt. Klassisch sind Kunden- und Lieferanten-Beziehungen, aber auch bei Konflikten im Zuge von Joint Ventures, Fusionen und bei der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensteilen innerhalb eines Konzernverbundes (wo der Rechtsweg meistens ausscheidet) wird Mediation eingesetzt. Die Konflikte sind häufig sehr rechtsnah, so dass in der Regel die Rechtsabteilungen bzw. begleitende Rechtsanwälte am Mediationsverfahren teilnehmen. Mediation kommt als Zeit sparende und kostengünstige Konfliktregelungsform vor allem deshalb zum Zuge, weil nach gescheiterten direkten Verhandlungen ohne externen Dritten häufig nur noch der sehr unwirtschaftliche und die Geschäftsbeziehungen belastende Rechtsweg über Gerichte oder Schiedsgerichte bleibt. Hier bietet Mediation eine wirtschaftlich attraktive Alternative, bei der die Unternehmen den Konflikt in der eigenen Hand behalten.

9. BauprojekteIn keinem anderen Bereich werden so viele Gerichtsprozesse geführt wie im Bauwesen.

Die Gerichtsverfahren dauern häufig sehr lange, sind teuer und in ihrem Ausgang nicht vorhersagbar. Die Mediation eröffnet den Streitparteien die Möglichkeit, Ihre Meinungsverschiedenheiten schnell und für beide Seiten akzeptabel beizulegen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn das gemeinsame Bauvorhaben noch zu Ende geführt werden muss oder auch weitere Projekte geplant sind.

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10. Täter-Opfer-AusgleichIm Bereich des Strafrechts, insbesondere des Jugendstrafrechts, gibt es seit vielen

Jahren die Institution des Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA). In Österreich spricht man vom außergerichtlichen Tatausgleich (ATA). Vor Aufnahme der Gerichtsverhandlung werden geeignete Fälle an den TOA verwiesen. Der TOA in einer Stadt ist zum Beispiel ein gemeinnütziger, eingetragener Verein, in dem Mediatoren arbeiten und der hauptsächlich durch Landesmittel finanziert wird. In der Regel wird zunächst einzeln mit dem Täter und dem Opfer ein Vorgespräch geführt. Sind beide zu einem Ausgleichsgespräch bereit, findet dieses unter der Leitung einer/s Mediators/in statt. Der Täter hat die Möglichkeit, sein Handeln zu erklären, zu reflektieren und seine Schuld zu sehen und zu bereuen. Das Opfer hat die Chance, die Tat zu verstehen und durch Auseinandersetzung mit dem Täter abstrakte eigene Ängste, die sich aus der Tat ergeben haben, zu bearbeiten. Findet ein Ausgleichsgespräch statt und ist der TOA „erfolgreich“, kann diese für den Täter strafmindernd sein oder sogar zu einer Einstellung des Verfahrens führen.

11. SchulmediationAn immer mehr Schulen wird Mediation zur Regelung von Konflikten zwischen Schülern

sowie zwischen Schülern, Lehrern und Eltern eingesetzt. Auch innerhalb des Lehrerkollegiums werden Konflikte übe Mediation geregelt. Hierbei handelt es sich aber nicht um Schulmediation im engeren Sinne, sondern von Mediation in Organisationen, nur dass die Organisation eben die Schule ist. Neben dem Einsatz externer Mediatoren zur Regelung einzelner, eskalierter Konflikte, besteht ein Hauptansatz an Schulen darin, Schülerinnen und Schüler, die als gleichrangig und gleichaltrig auf eine höhere Akzeptanz stoßen, zu Konfliktlotsen und Mediatoren auszubilden. Ziel ist nicht nur die Regelung von Streitigkeiten, sondern vor allem die Vermeidung von Konflikteskalation durch frühzeitige und niederschwellige Intervention.

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12. Nachbarschaft und GemeinwesenAuseinandersetzungen zwischen Nachbarn beeinträchtigen die Lebensqualität der

Betroffenen nachhaltig. Die Konflikte eskalieren sehr schnell. Andere Nachbarn werden mit eingebunden und irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem die Beteiligten alleine den Streit nicht mehr in den Griff bekommen. In der Mediation besteht die Möglichkeit, die Ereignisse aus der Vergangenheit aus den unterschiedlichen Perspektiven anzusehen und so die Basis für einvernehmliche zukunftsorientierte Regelungen zu legen.

13. Internationale KonflikteIm internationalen Bereich finden zahlreiche Vermittlungsverfahren zwischen streitenden

und kriegsführenden Volksgruppen, Regionen und Staaten statt. Die Berichterstattung in den Medien über Friedensgespräche und Vereinbarungen schildert in der Regel nur das Ende oder der offizielle teil langer Mediationsprozesse, bei denen Vermittler zum Teil in direkten Gesprächen zum Teil in getrennten Einzelgesprächen die möglichen Konsense vorbereiten. Diplomaten werden in dem Verfahren und den Techniken der Mediation geschult (u. a. in der Schweiz für die UNO), um dies bei internationalen Konflikten z. B. im Balkan, im nahen Osten, in Südamerika einzusetzen.

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2. Mediation als kommunikative Aufgabe: Gesprächsführung, Kommunikations- und

ModerationstechnikenGrundlagen der Kommunikation

1. KommunikationsmodelleKonflikte sind oft Ergebnis misslungener Kommunikation; das Feedback des Empfängers

entspricht nicht den Erwartungen oder der Intention des Senders. Konfliktregelung ist immer davon abhängig, ob die Kommunikation gelingt. Für den Mediator gehören daher die Grundlagen kommunikativen Handelns zu den wichtigsten Kenntnissen.

Das Alltagsverständnis von Kommunikation sieht oft folgendermaßen aus:

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Sender EmpfängerInformation

Reaktion

Ein solches Kommunikationsverständnis unterstellt, dass ein Sender eine Nachricht unmittelbar „kommunizieren“ kann. Seine Informationen kommen direkt beim Empfänger an,

und zwar mit den Bedeutungen, die der Sender den Informationen durch Sprache, Ton und Gestus gegeben hat. Das suggeriert, dass der Sender die Informationen gleichermaßen direkt in das Gehirn des Empfängers legen kann, inklusive seiner Vorstellung über die

Bedeutung.

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Tatsächlich geht das einfache Grundmodell der Kommunikationswissenschaft mittlerweile aber von einer anderen Vorstellung aus, die schematisiert so aussieht:

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Sender Empfänger

Nachricht

Ein Sender kann eine Nachricht abgeben, die aus einer bestimmten Motivation heraus entsteht, die für ihn eine bestimmte Bedeutung hat und mit der er Erwartungen und

Intentionen verknüpft. Der Empfänger muss diese Nachricht nun aber seinerseits wahrnehmen, er muss sie entschlüsseln. Dies kann er nur entsprechend seiner eigenen

kognitiven Schemata und mentalen Modelle. Er weist den sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichen der Nachricht diejenigen Bedeutungen zu, die nach seinen Erfahrungen „richtig“ sind;

richtig in dem Sinne, dass sich die entsprechende Interpretation einer solchen Nachricht bewährt hat und funktioniert.

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Ausgehend von dem einfachen Grundmodell der Kommunikationswissenschaft ist es nicht verwunderlich, dass die Kommunikation zwischen Menschen bisweilen nicht funktioniert. Ganz im Gegenteil könnte man eher vom Wunder der Kommunikation reden, denn tatsächlich hat die Kommunikationswissenschaft herausgefunden, dass Sender und Empfänger ihre Umwelt und sich gegenseitig nicht direkt wahrnehmen können, auch nicht vermittels der kommunizierten Nachrichten und somit auch keinen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung des anderen haben. Die Menschen konstruieren sich vielmehr ihre eigene Wirklichkeit im Kopf. Das Gehirn verarbeitet die Sinneswahrnehmungen entsprechend den eigenen Erfahrungen, den Grundvorstellungen und vieler individueller Merkmale. Auf diese Weise macht sich der Mensch ein Bild von der Welt und von seinen Mitmenschen, aber eben sein eigenes Bild, ensprechend seinen eigenen (Wert-) Vorstellungen. Kein Wunder also, dass es zu Missverständnissen kommt, aber auch, dass die unterschiedlichen Vorstellungen der Menschen häufig im Streit aufeinander treffen. Allerdings besteht die Möglichkeit, durch die Kommunikation selbst die subjektiven Wirklichkeitsbilder miteinander abzugleichen und so ein gemeinsames Verständnis einer umstrittenen Sache und möglicher Lösungswege zu erreichen.

Ein Mediationsverfahren will die Bedingungen für diesen kommunikativen Annäherungsprozess verbessern.

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Die vier Botschaften einer Nachricht

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Eine Nachricht wird häufig nicht verstanden oder ruft unangemessene Reaktionen hervor, weil sie von Sender und Empfänger unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert wird. Beide konstruieren sich ihre Wirklichkeit. Um ein tieferes Verständnis von dem zu bekommen, was der andere uns sagen will, haben wir aber ein wichtiges Hilfsmittel. Wir können uns bewusst machen, dass ein und dieselbe Nachricht fast immer mehrere Botschaften gleichzeitig enthält. Jede Nachricht enthält in der Regel vier Botschaften, von denen oft nur eine explizit ausgesprochen wird, die anderen schwingen aber immer mit und werden vom Empfänger auch wahr genommen.

Beziehung

Nachricht

SachinhaltSelbsoffenbarung

App

ell

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1. Sachinhalt

• = das, worum es in der Sache geht

•Im betrieblichem Umfeld ist Sache im Vordergrund und Auslöser von Konflikten

•Konflikte auf Sachebene äußern sich in Verständnisproblemen oder Unsachlichkeit

•Wird Kommunikation auf Sachebene beschränkt, beeinflusst nichtsachliche Teil das Geschehen aus dem Hintergrund

2. Selbstoffenbarung

•Jede Nachricht enthält nicht nur Infos über mitgeteilte Sache sondern auch über Sender

•Sender gibt immer auch etwas von sich selbst kund

•Menschen versuchen dadurch immer sich von einer guten Seite zu zeigen, was aber nicht immer klappt

•Bei Mediation spielt Selbstoffenbarungsseite entscheidende Rolle für die Konfliktlösung auf emotionaler Ebene

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3. Beziehung

•Nachricht zeigt, welche Beziehung zwischen Sender & Empfänger herrscht und was der Sender vom Gegenüber hält

•Mit Kommunikation wird Beziehung aufgebaut, Empfänger ist nicht Diagnostiker sondern selbst betroffen

•Auch durch Tonfall, Gesten u. Gesichtsausdruck werden Beziehungsbotschaften ausgetauscht

•Im Berufsleben Beziehungsseite durch Stress, Hierarchie u. ä. stark belastet -> Kommunikation gestört, von Sender und Empfänger unterschiedlich interpretiert u. Sachinhalt nicht mehr richtig aufgenommen

•Um bei Konfliktlösung voranzukommen, muss sachlicher Lösungsversuch gestoppt und Beziehungsseite d. Kommunikation geklärt werden -> Arbeitsgrundlage für Fortschritte in der Sache

4. Appell

•Hinter Kommunikation steht meist Absicht -> Sender will etwas bei Empfänger bewirken, Einfluss auf Denken und Handeln nehmen

•Je versteckter der Appell einer Nachricht, desto mehr wird sie zur Manipulation

•Empfänger soll nicht mitbekommen wie an Verstand und Gefühl appelliert wird, um das „Richtige“ zu machen

•Durch Scheu der Führungskräfte vor Anordnen oder Befehlen bleibt Appell in der beruflichen Kommunikation oft unklar, was zu Missverständnissen, Vermutungen und Spannungen führt

•Wenn sensibel, kann man Missverständnisse vermeiden, Verhalten besser beurteilen und effektiv verhandeln, denn man weiß besser worauf es dem Vertragspartner ankommt und worauf wir uns einstellen müssen

•Bei Mediation kommt es entscheidend darauf an, bei Streitgesprächen die jeweils nicht explizit angesprochenen Seiten der Kommunikation zu klären und Wahrnehmungsverzerrungen aufzudecken

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Nonverbale Kommunikation

Wir kommunizieren nicht nur mit Worten, also verbal, sondern auch mit unserem Körper, also nonverbal. Die Körpersprache ist dabei überaus vielfältig. Wir können die Augen umherschweifen lassen, die Stirn runzeln, lächeln, usw. All dies gehört zur Mimik. Die Gestik beinhaltet beispielsweise die Kopfbewegungen, das Gestikulieren mit Armen und Händen, die Positionierung der Beine, die Bewegung der Füße, die Wendungen des gesamten Körpers usw. Unsere Körpersprache gibt dabei häufig noch viel deutlicher Auskunft über unsere wahren Gefühle als das gesprochene Wort. Wir können zwar den Mund halten, die Signale unserer Körpersprache senden wir aber immer aus. Wir kommunizieren also immer, ob wir wollen oder nicht. Wir können nicht nicht-kommunizieren. Einigen Studien zufolge läuft sogar über die Hälfte der menschlichen Kommunikation über Körpersprache.

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Mediatoren müssen sich bewusst sein, wie sie übe ihre eigene Körpersprache mit den Konfliktparteien kommunizieren. Sie müssen ebenfalls die nonverbale Kommunikation der Konfliktparteien beobachten und erkennen, um die Bedeutung von Themen, die emotionalen Knackpunkte und Reaktionen auf mögliche Lösungen zu verstehen.

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Körpersprache ist wichtig, um ein aktives Zuhören zu signalisieren. Wenn wir mit dem Körper sagen wollen „ich höre zu“, dann sollten wir

•den Augenkontakt suchen, ohne den anderen zu sehr zu fixieren und ins Visier zu nehmen,

•den Körper der anderen Person zuwenden,

•durch aufmerksame Gesten (z. B. nicken) das Zuhören bekräftigen,

•einen wachen und interessierten Gesichtsausdruck zeigen

•u. v. m.

Es gibt keine festen Regeln für die Interpretation der Körpersprache. Bestimmte Haltungen wirken auf die Mehrzahl der Menschen zwar auf ähnliche Weise so dass bekannte Regeln (Überschlagen der Beine, Arme verschränken…) eine Tendenz angeben können. Dennoch kommt es eher darauf an, sensibel für die Signale des Körpers zu werden und beim Gegenüber nachzufragen, um die Botschaft hinter der Körpersprache mit der eigenen Interpretation abzugleichen.

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Grundhaltungen der mediativen

GesprächsführungGrundhaltungen der Gesprächsführung beschreiben nicht einzelne Methoden und Techniken,

sondern Grundhaltungen die prinzipielle Einstellung und ethischen Prinzipien von Mediatoren beim Führen von Konfliktgesprächen. Haltungen lassen sich zwar zum Teil durch kommunikative Techniken umsetzen und sind in diesem Maße auch erlernbar, allerdings äußert sich eine Grundhaltung auch im gesamten Auftreten des Mediators. Techniken bleiben unglaubwürdig und können ihre Wirkung nicht entfalten, wenn sie nicht auf einer umfassenden Werthaltung beruhen. Diese Haltung kann eine Mediatorin, deren Aufgabe das Führen u. Moderieren von Gesprächen ist, nur durch die Bereitschaft zur Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit erlangen.

Die folgenden Grundhaltungen der Gesprächsführung beruhen in wichtigen Teilen auf psychologischen Forschungsergebnissen über die Wirkung der Arbeit von Berater und Therapeuten auf ihre Kunden bzw. Klienten. Der prägendste Ansatz ist die „klientenzentrierte Gesprächsführung von Carl Rogers, der im nichttherapeutischen Zusammenhang besser als „personenzentrierte Gesprächsführung“ bezeichnet werden kann.

Professionelle Grundhaltungen von Mediatoren und Moderatoren im Sinne der personenzentrierten Gesprächsführung:

Einfühlendes Verstehen (Empathie) Wertschätzung Echtheit u. Klarheit Systematisches Denken

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Einfühlendes Verstehen (Empathie)

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Haltung:

Wichtigste Grundhaltung in der Mediation; Versuch sich in das Erleben und Empfinden de Konfliktparteien einzufühlen; Mediatorin bemüht sich Dinge aus der Sicht der Konfliktparteien wahrzunehmen; berücksichtigt deren Emotionen u. angedeutete Sachverhalte; Mediatorin konzentriert sich auf Vorstellungen und Werte einer Konfliktpartei u. versucht, möglichst genau v. Bezugspunkt der Partei aus das Verstandene wiederzugeben; das geschieht am besten in einem fragenden Ton um Konfliktpartei zu verdeutlichen, dass es sich um Angebot handelt, ihre Sichtweise zu vertehen.

Wirkung:

Konfliktpartei fühlt sich verstanden u. hört eigene Vorstellung aus Mund d. Mediatorin; erleichtert Partei bestimmt Einstellungen in Frage zu stellen; im Gespräch mit Mediatorin wird Konfliktpartei angeregt sich mit eigener Perspektive auseinander zu setzen u. durch Abwägen, Differenzieren u. Konkretisieren v. Wünschen u. Zielen schrittweise zur Konfliktklärung beizutragen; Verzicht auf Belehrung, Bewertung u. Kritik d. Mediatorin ermöglicht den Konfliktparteien, angstfrei u. ohne Abwehrmechanismen über Konflikt zu sprechen u. sich um Klärung bemühen; Mediatorin wird aktiv zugewandt u. Anteil nehmend erfahren; Konfliktparteien können Mediatorin als Modell benutzen um von Wortgefechten wegzukommen = erster Schritt zur gegenseitigen Akzeptanz u. kooperativen Lösungssuche.

Grenzen: Mediatorin muss streitbar sein u. Konfliktparteien mit Position u. Verhalten konfrontieren, damit diese ihr Vorgehen evtl. in Frage stellen; einfühlendes Verhalten darf nicht als Wert alleine stehen.

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Anders als in der Therapie darf einfühlendes Verstehen als Wert nicht alleine stehen, sondern muss in Balance mit dem Wert „Mut zur Konfrontation“ stehen. Folgende Grafik verdeutlicht diesen Zusammenhang:

Einfühlendes Verstehen Zuhören Bemühen um Verständnis Angst- und aggressionsfreie Kommunikation Übergang zu Perspektivenwechsel

Mut zur Konfrontation Destruktives Verhalten wird deutlich abgelehnt Konfliktvermeidung führt zu ungelösten Problemen Streit ermöglicht Klärung Streit verbindet

Wertebalance zwischen zwei Tugenden

„friedhöfliche“ Pseudo-Harmonie„Mundtot-Macherei“,

egozentrische Kommunikation und Intoleranz

Erwartungsformen, wenn nur eine Tugendhälfte verwirklicht wird

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Wertschätzung

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Haltung:

Grundsätzliche Wertschätzung = Mediator akzeptiert Konfliktparteien u. nimmt sie als Person an, egal was sie sagen und wie sie sich geben; er muss nicht allem zustimmen muss aber Menschen mit ihre Persönlichkeit akzeptieren mit allen Schwächen u. Eigenheiten; diese Haltung muss für die Parteien spürbar sein; positive Wertschätzung erfordert nicht nur professionelle Zuwendung, sondern echtes Interesse an Menschen und Engagement aufseiten d. Mediators.

Wirkung:

Stärkt die Selbstachtung der Konfliktparteien, die großen Einfluss auf deren Sozialverhalten hat; Angst wird geringer u. damit die Notwendigkeit einer Verteidigungshaltung; das fördert ruhiges, selbstverantwortliches Konfliktverhalten und Offenheit für andere Sichtweisen und neue Lösungen.

Grenzen:

Mediator darf keine Wertschätzung für Einstellungen und Sichtweisen einer Konfliktpartei ausdrücken, mit denen Partei das Verfahren grundsätzlich ablehnt. Dann gilt es, die Gründe herauszufinden u. zu klären, ob die Voraussetzungen für Verhandlungen gewährleistet sind u. ob eine Mediation weiter Sinn hat. Auch Äußerungen, die andere Konfliktparteien oder den Mediator derart massiv angreifen, dass diesen das weitere Gespräch unmöglich wird, müssen geklärt werden. Grenzen der Wertschätzung sind erreicht, wenn die gemeinsam vereinbarten Spielregeln massiv und wiederholt gebrochen werden.

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Echtheit & Klarheit

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Haltung: Mediatorin muss „sie selbst“ sein und nicht verstecken und ihre grundsätzliche Haltung klar machen, d. h. sie sagt nicht ihre eigene Meinung, sondern wie sie die Aussagen der Konfliktparteien empfindet; Infos über eigene Situation muss nur bis zur eigenen Greifbarkeit und Transparenz gehen; ein wirkliches Interesse an den Konfliktparteien ist Voraussetzung; Mediatorin muss selbstsicher und gefestigt sein, mit den Konfliktparteien in gewissem Maße ihre eigene Empfindung teilen, damit Parteien den Menschen in ihr erkennen, zu dem das Vorgehen passt und der damit glaubwürdig ist.

Wirkung: Konfliktparteien können Vertrauen zur Mediatorin fassen, sie einschätzen und erkennen, dass zum Umgang miteinander ein Mindestmaß an Offenheit über eigene Persönlichkeit gehört. Privates kann außen vor bleiben, Persönliches ist i. d. R. in Konflikten relevant, weil es um eine Sach- u. Beziehungsebene geht. Es wird deutlich, dass die Mediatorin kein Vermittlungsroboter ist sondern auch nur ein Mensch.

Grenzen: Eine Mediatorin muss sich auf ihre Rolle im Verfahren zurückziehen und ihre Funktion betonen, wenn die Konfliktparteien versuchen, sie in den Streit hineinzuziehen, etwa in dem sie bewusst oder unbewusst zu Entscheidungen bezüglich der Sache oder zur Aufgabe ihrer Allparteilichkeit zwingen wollen. Die Empfindungen der Mediatorin sollten nur insoweit thematisiert werden, wie es zur Vermeidung von Störungen des Prozesses und Irritationen nötig ist. Solange sich bspw. alle Konfliktparteien fragen, wie sich die Mediatorin nach einer aggresiven Kritik fühlt und wie die Beziehung zwischen ihr und dem „Angreifer“ jetzt ist, kann nicht weiter an dem Konflikt gearbeitet weren. Dann muss die Mediatorin ihre Situation klar machen.

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Systematisches Denken

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Haltung:

Systematisches Denken ist Voraussetzung für eine an der Person orientierte Gesprächsführung; lenkt das Augenmerk d. Mediators nämlich darauf, dass Konfliktparteien stets in ein oder mehrere komplexe Systeme wie Familie, Unternehmen, Organisation, Verein, usw. eingebunden sind -> Handlungen bauen auf unterschiedlichen Bewertungs- u. Sinnkategorien auf, z. B. materielle Entlohnung, Zeit, Hierarchie, Autorität, Freundschaft etc.; systematisches Denken berücksichtigt komplexen Wechselwirkungen d. Gesprächs im Mediationsverfahren mit den Lebens- u. Berufsbedingungen der Akteure außerhalb des Verfahrens; bedeutet weiterhin, dass Mediator keine monokausalen o. moralischen Erklärungen für den Konflikt benutzt; bei Mediation im beruflichen Umfeld geht e immer auch um Klärung organisatorischer, hierarchischer, strategischer u. struktureller Probleme u. Konflikte.

Wirkung:

Systematisches Denken bewahrt Mediator davor, wichtige Zusammenhänge wie Rollen u. Abhängigkeitsbeziehungen der Konfliktparteien aus dem Auge zu verlieren, die für das Verständnis des Konfliktverhaltens zentral sind und in Lösungsansätzen berücksichtigt werden müssen. Konfliktparteien fühlen sich in ihrer Situation, die durch vielfältige Anforderungen geprägt ist, verstanden und ernst genommen. Sie können mit Rücksicht auf die systematischen Zusammenhänge Lösungen erarbeiten, die flexibel genug sind, um sich im dynamischen Alltagsgeschehen zu bewähren. Das systematische Denken kann sich auch auf die Konfliktparteien übertragen und verhindert so ein Verhalten, dass von Schwarz-Weiß-Denken und einfachen, nur noch durchzusetzenden Lösungen geprägt ist.

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Grenzen:

Systemgedanke u. Fragen d. Steuerungskapazitäten von u. in Systemen sollte nicht so stark in Vordergrund treten, dass der Einzelne als handelndes Subjekt keine Rolle mehr spielt. Gefahr ist, dass Subjekt mit individuellen Geltungsansprüchen auf Strecke bleibt. Komplexität bei Konfliktanalyse kann zwar unendlich weit aufgebaut werden, ist aber im Rahmen eines konkreten Verfahrens nur begrenzt wieder zu reduzieren u. zu bewältigen. Arbeitet Mediator mit Konfliktparteien viele Zusammenhänge heraus, die unmöglich in ihrer Komplexität wieder reduziert und im Folgenden nicht systematisch bearbeitet werden können, so kann dies zur Unübersichtlichkeit und einer Überforderung der Beteiligten führen.

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Fehler im Gesprächsverhalten von

Mediatoren

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Die dargestellten Grundhaltungen der Gesprächsführung sollen unter anderem einige typische unangemessene Kommunikationsweisen im Gesprächsverhalten externer Vermittler und Gesprächshelfer verhindern:

Bagatellisieren

Bsp.: „Das ist glaube ich nicht so schlimm. Hauptsache Sie verstehen sich mit anderen Kollegen weiterhin gut. Jeder hat eben seine Eigenheiten.“

•Probleme einer Konfliktpartei werden heruntergespielt.

•Partei wird evtl. getröstet u. beruhigt, fühlt sich wahrscheinlich unverstanden u. nicht ernst genommen.

•Weitere Auseinandersetzung mit Problem wird blockiert.

Diagnostizieren

Bsp.: „Sie haben wahrscheinlich genügend Selbstbewusstsein und versuchen, das durch autoritäres Verhalten zu kompensieren.“

•Mediator spielt sich zum Fachmann auf u. ordnet Konfliktpartei einer best. Kategorie ein.

•Statt zur wirklichen Auseinandersetzung m. Problemen zu kommen, ist Mediator zufrieden, den Typ klar erkannt zu haben -> vertrauensvolle Beziehung kann so nicht entstehen!

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DirigierenBsp.: „Beim nächsten mal sollten Sie sich einfach einen Plan machen und nur das sagen,

was Sie sich vorher überlegt haben.“ Mediatorin verlässt Rolle, wenn sie als Beraterin inhaltliche Ratschläge gibt u. eigene

Lösungen entwirft, die oft nicht zur Konfliktpartei passen Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Parteien verletzt, werden in passive Rolle

gedrängt, während Lösungen von Mediatorin erwartet werden -> solche Lösungen sind niemals so verbindlich wie selbst erarbeitete Entscheidungen

ExaminierenBsp.: „Ist ja interessant. Geht Ihnen das mit Bekannten auch so, haben Sie da auch

solche Hemmungen? Horchen Sie mal in sich hinein – womit könnte das zusammenhängen?“

Mediator lenkt Gespräch in die von ihm gewünschte Richtung, Hinweise der Konfliktpartei bleiben evtl ungehört

Konfliktpartei fühlt sich ausgefragt Wie bei Diagnostizieren erlebt Konfliktpartei den Mediator wie einen Therapeuten, der

ihr Verhalten kurieren möchte

Sich identifizierenBsp.: „Das kenne ich, so etwas habe ich auch schon erlebt. Da war ich auch so frustriert

und wütend. Danach habe ich immer Folgendes gemacht: …“ Mediatorin versucht Vertrauen durch eigene Erfahrungen zu erreichen Will Verständnis f. Situation signalisieren, was Konfliktpartei kurzfristig gut tun mag,

allerdings ist in Mediation nicht Zeit für Probleme d. Mediatorin Probleme u. Lösungsvorstellungen v. Mediatorin u. Konfliktpartei nicht vermischen,

denn dann ist Lösung für Partei nicht dauerhaft tragfähig

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Interpretieren

Bsp.: „Sie kommen letztlich mit Ihrer Rolle wohl doch nicht klar, wenn Sie nicht immer die Zügel in der Hand haben.“

•Mediator kann hier schnell falsche o. nur zum Teil zutreffende Dinge in Probleme d. Konfliktpartei hineininterpretieren

•Sollte es zufällig stimmen, ist Konfliktpartei evtl brüskiert o. überfordert mit Interpretation ihres Verhaltens -> fühlt sich nicht verstanden

•Mediator macht sich zum Fachmann

Moralisieren

Bsp.: „Sie verhalten sich da aber schon ziemlich verantwortungslos. Als erwachsener Mensch müssten Sie doch in so einer Situation etwas sagen.“

•Mediation verstößt hier gegen Grundsatz, Wertungen zu vermeiden

•Statt individuelles Problem d. Konfliktpartei ernst zu nehmen, wird es an moralischen Normen gemessen

•Wertmaßstäbe entstehen nicht als Gemeinsamkeit durch Diskurs zwischen Konfliktparteien, Mediatorin macht ihre Vorstellungen zum moralischen Maßstab -> Reaktion: Schuldgefühle o. aggressive Gegenangriffe

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IntellektualisierenBsp.: „ Das liegt wahrscheinlich daran, dass Sie nicht gelernt haben, mit klaren

Vorgaben zu arbeiten. Damit hängt wahrscheinlich auch eine in Ihrer Kindheit erworbene Unfähigkeit zusammen, mit Autoritäten umzugehen.“

Abgesehen v. therapeutischen Tonfall u. falschen Rollenverständnis d. Mediators als Fachmann, liegt Problem darin, dass intellektueller Ansatz i. d. R. einem Problem und der Person nicht gerecht wird.

Emotionale Ebene wird vernachlässigt -> Beitrag geht vollkommen an Wirklichkeit d. Konfliktpartei vorbei

Partei hat evtl. auch schon über Problem nachgedacht, nur kann eine als rational erkannte Lösung nicht immer umgesetzt werden, weil Verhalten auch emotional geprägt ist.

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Grundgedanken der Kommunikation in der

Mediation

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Die Grundregeln menschlicher Kommunikation („Axiome“ nach Watzlawick)

1. Man kann nicht nicht kommunizieren.

2. Jede Kommunikation hat eine Inhalts- und Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersten bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.

3. Menschliche Kommunikation bedient sich entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, do die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichgewicht oder Unterschiedlichkeit beruht.

(Quelle: Watzlawick 1990)

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Kommunikative Aufgaben auf den drei Ebenen der Mediation

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Die kommunikativen Aufgaben des Mediators spielen sich grundsätzlich auf drei Ebenen ab: auf der Beziehungsebene, der Sachebene und der Prozessebene. Denn jedes Mediationsverfahren beinhaltet und ist gekennzeichnet durch

•Personen, die in einer bestimmten Beziehung zu einander stehen, die unterschiedliche Persönlichkeiten sind, die sich verschieden verhalten und sich hinsichtlich ihrer Emotionen, Sprache, Fähigkeiten u. v. m. unterscheiden;

•einen Prozess, der durch bestimmte Systematiken und Strukturen den Ablauf der Interaktion zwischen Konfliktbeteiligten festlegt und gleichzeitig den verschiedenen Interaktionsstilen und Interessen Raum gibt;

•ein Problem, welches durch Fakten, Positionen, Interessen und Wahrnehmungen geprägt ist und welches nach Möglichkeit durch die Konfliktbeteiligten gelöst oder geregelt werden soll.

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Alle drei Ebenen sind in jeder Phase der Mediation präsent und müssen durch die Mediatoren im Auge behalten werden. In einzelnen Momenten der Mediation steht jeweils die eine oder andere Ebene im Vordergrund. Bspw. steht die Person im Vordergrund, wenn einer Konfliktpartei durch Formen des aktiven Zuhörens signalisiert wird, dass sie für ihr jeweiliges Problem Gehör findet. In diesem Moment ist die Lösung des Problems selbst für die betroffene Person zweitrangig. In schwierigen Gesprächssituationen oder wenn der rote Faden verloren geht, steht für die Mediatorin die Prozessebene im Vordergrund. Vorrangig um das Problem geht es dann, wenn die eigentlichen Interessen der Konfliktparteien herausgefunden werden sollen. Aber auch in diesem Fall ist es für den Mediator wichtig, die persönliche Ebene im Auge zu behalten, damit der Prozess der Interessenaufdeckung nicht durch diese Ebene behindert wird.

Das Erkennen des Wechselspiels zwischen den verschiedenen Ebenen ist eine wichtige Aufgabe des Mediators: bei einer Übermoderation (Konzentration auf die Prozessebene) kann der Mediator das Problem aus den Augen verlieren; ein übertrieben emphatisches Eingehen gefährdet hingegen möglicherweise den Gesamtprozess.

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Ansätze zur Veränderung von Perspektiven

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•Von Positionen zu Interessen:

Partei: „Ich weigere mich, weiter hier zu arbeiten, wenn die Fenster nicht regelmäßig geöffnet werden.“

Mediatorin: „Sie brauchen – wenn ich das richtig verstehe – bessere Luft als bisher, um gut arbeiten zu können.“

•Von Urteilen (über Personen und Sachverhalte) zu Problemschreibungen:

Partei: „Er ist ein Lügner. Er verdient nicht unser Vertrauen. Das Einzige was wir bisher gesehen haben, ist eine ganze Reihe gebrochener Versprechen.“

Mediator: „Sie wünschen also zusätzliche Sicherheiten, um mit Herrn X eine Einigung eingehen zu wollen, die Bestand haben soll.“

•Von einer Schuldzuweisung zu einem Bedürfnis (durch Ich-Botschaften):

Partei: „Sie kümmert sich nie um die Kinder; sie trinkt, aber schaut nie nach ihnen, wenn sie sollte, was für eine schlechte Mutter.“

Mediatorin: „Ich höre Ihren Ärger und die Sorge um die Kinder. Sie wollen sich darauf verlassen können, dass die Kinder beaufsichtigt werden. Ihrer Meinung nach müssen die Kinder auch das Gefühl haben, dass sich die Mutter um sie kümmert. Habe ich Sie so richtig verstanden?“

•Von der Vergangenheit in die Zukunft:

Partei: „Die Zusammenarbeit mit ihm ist furchtbar. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er in den letzten fünf Jahren zu einer Sitzung pünktlich gekommen wäre.“

Mediator: „Sie sind darüber verägert, auf ihn warten zu müssen, wenn Sie eine gemeinsame Sitzung haben und Sie wollen, dass diese pünktlich beginnen. Sollen wir einen gemeinsamen Zeitplan aufstellen, der allen gerecht wird und es ihm ermöglicht pünktlich zu erscheinen?“

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•Von einem individuellen Problem zu einem gemeinsamen Problem:

Partei: „Ich stolpere im Hausflur ständig über die abgestellten Fahrräder meiner Mieter. Manchmal komme ich kaum in meine eigene Wohnung. Irgendwann breche ich mir noch mal den Hals.

Mediatorin: „Sie sind als Vermieter gemeinsam mit den anderen auch Bewohner dieses Hauses. Sie fühlen sich durch die Räder aber ernsthaft behindert und halten diesen Zustand sogar für unfallgefährdend, wenn ich Sie richtig verstehe. Gleichzeitig handelt es sich um ein Anliegen Ihrer Mieter, ihre Räder abstellen zu können. Die Fragen der Nutzung des Hausflurs, das Abstellen der Räder Ihrer Mieter und Ihre eigene Sicherheit hängen also eng miteinander zusammen, wenn ich Sie richtig verstehe?“

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Kommunikationstechniken

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1. Aktives Zuhören und Paraphrasieren

Paraphrasieren = das Gesagte einer Person m. eigenen Worten wiederholen u. dabei die mitgehörten Interessen u. Bedürfnisse hervorzuheben

Die Fähigkeit, Aussagen der Konfliktparteien umzuformulieren, ist essentiell für einen Mediator. Das Paraphrasieren ist dazu da, eine Aussage der Konfliktpartei so zu reformulieren, dass das Gesagte für den Sprecher selbst, den Mediator und insbesondere für die anderen Beteiligten transparent wird und gleichzeitig der Konflikt ein eine konstruktive Richtung gelenkt wird.

Non-verbal bedeutet aktives Zuhören v. a. folgende Verhaltensweisen der Mediatorin:

•Augenkontakt

•Aufmerksame Gesten

•Wacher, interessanter Gesichtsausdruck

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Hinsichtlich des gesamten Verfahrens muss der Mediator wie folgt sein:

•Aufmerksam: auf non-verbale Hinweise, Bedeutung u. Auswirkung achten

•Konzentriert: auf Prozess u. Konfliktparteien konzentrieren u. nicht ablenken lassen

•Geduldig: Konflikt/Streit aushalten, auf wichtige Infos achten, mehrmals nachfragen wenn nötig

•Offen: keine vorschnellen Schlüsse treffen, alle Geschichten v. allen Seiten anhören

•Zurückhaltend: die Konfliktpartei die Geschichte erzählen lassen

•Allparteilich: alle Beteiligten aufmerksam u. fair behandeln

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Das Paraphrasieren ist die wahrscheinlich wichtigste und am meisten eingesetzte Kommunikationstechnik in der Mediation. Paraphrasieren heißt, das von einer anderen Person Gesagte mit den eigenen Worten wiederholen. Die folgenden Funktionen des Paraphrasierens verdeutlichen, warum es eine der wichtigsten Kommunikationstechniken des Mediators und oft sogar die Hauptfunktion des Mediators bei der Bearbeitung von Konflikten ist.

Funktionen

•Das Tempo eines Konfliktgesprächs wird reguliert, so dass ein Schlagsabtausch, der nichts klärt verhindert wird.

•Da nur das Wesentliche paraphrasiert wird, konzentriert sich die Diskussion auf die wichtigen Fragen und nicht auf ablenkendes Beiwerk.

•Durch Konkretisierungen werden Pauschalurteile und unterschiedliche Interpretationen des eigentlich Gemeinten verhindert; es wird nicht um den heißen Brei herum geredet, sondern die Dinge werden beim Namen genannt, damit sie geklärt werden können.

•Der Mediator muss sich so auf das konzentrieren, was den Konfliktparteien selbst wichtig ist, so dass die Probleme immer deutlicher werden, auch für die Person selbst (Selbsterklärung).

•Der Ärger und die Frustration einer Konfliktpartei sinkt, wenn sie spürt, dass ihr zugehört und sie verstanden wird.

•Die Probleme und Sichtweisen werden auch den anderen Konfliktparteien deutlicher; ein Schritt zur Förderung gegenseitigem Verstehen ist getan.

•Der Kommunikationsstil wird kooperativer, indem der Mediator (oder andere Teilnehmer) die Aggression in und die Emotionsgeladenheit von Beiträgen entschärft.

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Regeln des Paraphrasierens

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•Ihre Körpersprache sollte interessiertes Zuhören signalisieren (Blickkontakt, zugewandte Körperhaltung…);

•Sprechen Sie sowohl sachlich wie emotionale Aussagen, Bedürfnisse und Interessen an;

•Achten Sie beim Paraphrasieren auf die Seiten einer Nachricht (Sachebene, Beziehungsebene, Selbstoffenbarung, Appell), die nicht explizit zum Ausdruck kommen (Klarheit über das tatsächlich Gemeinte schaffen);

•Betonen Sie die positiven Botschaften und die als lösbar genannten Probleme, soweit damit nicht die Intention des Sprechers verfälscht wird;

•Konzentrieren Sie sich auf den Sprecher;

•Zeigen Sie mit Ihre Wortwahl, dass Sie zuhören und verstehen, nicht dass Sie zustimmen oder widersprechen („Wenn ich Sie richtig verstehe, fühlen Sie sich (…), weil (…)“ / „Ich höre , dass Sie (…)“ / „Für Sie sieht es so aus, dass (…)“, usw.)

•Sprechen Sie nicht in Form von „Man (…)“, „Wir (…)“, „Jeder (…), „Der normale Mensch (…)“, sondern beziehen Sie die Aussagen auf den Sprecher: „Sie/Du (…)“ bzw. Ihre Beiträge auf sich: „Ich habe nicht verstanden, wie (…)“ / „Für mich klang an, dass (…);

•Vermeiden Sie Bewertungen des Gesagten oder Urteile; wiederholen Sie statt dessen beschreibend;

•Formulieren Sie Ihre Paraphrase als Angebot, dem ein Konfliktbeteiligter zustimmen oder sie auch ablehnen kann.

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Beispiele für Einleitungen des Paraphrasierens:

•„Lassen Sie mich sichergehen, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie sagten, dass…“

•„Was ich hier heraushöre ist, …“

•„Verstehe ich Sie richtig? Sie …“

•„Ich sehe, dass Sie wütend / verärgert / … darüber sind, dass …“

•„Ich höre heraus, dass Sie froh / enttäuscht / … darüber sind, dass …“

•„Ist mein Eindruck richtig, dass Sie … „

•Ich erkenne da zwei Dinge, die Ihnen wichtig sind. Das eine ist… und das andere …“

Beachten Sie beim Paraphrasieren:

•Nicht stereotyp jede Paraphrasierung mit den gleichen Worten beginnen.

•Nicht alles paraphrasieren; konzentrieren Sie sich auf wichtige Punkte und Aspekte.

•Nicht einfach das Gesagte mit den gleichen Worten wiederholen; übersetzen Sie es in Ihre eigenen Worte und versuchen Sie zu kürzen.

•Vermeiden Sie zu sagen: Ich verstehe, wie Sie sich fühlen. Das irritiert den Betreffenden nur, da Sie natürlich nicht genau seine Gefühle verstehen können – Sie sind selber nicht in der gleichen Situation. Außerdem klingt das für die anderen Beteiligten nach Parteinahme.

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2. Paraphrasieren mit beidseitiger Situationsdefinition

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Paraphrasieren mit beidseitiger Situationsdefinition verläuft in drei Schritten (wenn idealtypisch von einem Zwei-Parteien-Konflikt ausgegangen wird, bei Mehr-Parteien-Konflikt muss das Werkzeug entsprechend ausgedehnt werden).

1. Schritt: Mediatorin hilft Mediant 1 durch Paraphrasieren einen eigenen Standpunkt zu entwickeln – Mediant 2 hört zu.

2. Schritt: Mediatorin hilft Mediant 2 durch Paraphrasieren einen eigenen Standpunkt zu entwickeln – Mediant 1 hört zu.

3. Schritt: Der Vorgang wird durch eine beidseitige Situationsdefinition seitens de Mediatorin abgeschlossen.Warum ist dieses Muter hilfreich in der Mediation?

Der Dreierschritt hilft bei der Rolle als allparteiliche (auf die Beteiligten bezogen) und neutrale (auf den Inhalt bezogene) Dritte. Wenn die Mediatorin in den beiden ersten Schritten den Medianten Gelegenheit gibt, ihre Sichtweise darzustellen und das Gehörte durch aktives Zuhören in ihren eigenen Worten wiedergibt, wird dadurch automatisch ihre eigene Wertvorstellung in den Hintergrund geraten. Durch die beidseitige Situationsdefinition kann sie wieder Distanz herstellen zum Inhalt und das Problem bei den Medianten lassen.

Ziel des Paraphrasierens

Paraphrasieren beinhaltet drei Phasen:

1. Aktives Zuhören

2. Reformulieren in eigenen Worten

3. Vergewissern, ob richtig wiedergegeben wurde

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Ich-Botschaften

In konfliktträchtigen Diskussionen sagen wir mit unseren Beiträgen nicht nur etwas über das Thema oder eine andere Person aus. Hinter unseren Aussagen stehen immer auch Botschaften über unsere eigene Person: wie wir die Dinge erfahren und was das für uns bedeutet, wie wir uns von einer Person behandelt fühlen. Um richtig miteinander umgehen zu können und nicht aneinander vorbeizureden, ist es wichtig, dass die anderen diese Botschaften über unser Ich verstehen. Dennoch haben wir oft Angst, uns zu offenbaren, und es ist schon zur Gewohnheit geworden, unsere Aussagen hinter „man“-Sätzen zu verstecken.

Eine komplette Ich-Botschaft umfasst demnach vier Teile (Dulabaum 1998):

1. Ich fühle mich…

2. Wenn er/sie/Du/jemand/…

3. weil…

4. Und ich möchte, brauche oder will…

In Mediationsverfahren muss sich der Mediator z.B. durch die Übersetzung von Vorwürfen in Ich-Botschaften beim Paraphrasieren oder durch gezieltes Nachfragen („Was heißt das denn für Ihre Situation?“, oder: „Wie sieht das Problem den aus Ihrer Sicht aus?“) darum bemühen, dass die einzelnen Parteien ihre Sichtweisen als Ich-Botschaft formulieren, denn:

•Ich-Botschaften liefern Informationen über Sichtweisen und Gefühle der berichtenden Partei.

•Ich-Botschaften verhindern, dass die andere Partei angegriffen und beschimpft wird.

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Fragetechniken

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Respektvoll und neugierig zu fragen ist neben dem Paraphrasieren die zweite zentrale Technik des Mediators. Da jede Frage bereits eine Intervention ist, kann der Mediator mit seinen Fragen den Gang der Konfliktmittlung entscheidend beeinflussen. Schlecht formulierte Fragen, die den Parteien uninteressant, sinnlos oder gar manipulativ erscheinen, verschlechtern nicht nur insgesamt die Stimmung des Verfahrens, sondern verhindern zudem, dass der Mediator zu wichtigen Informationen vordringen kann. Hingegen sind gute Fragen generell als verständlich, als offen und als interessant zu charakterisieren.

Fragen lassen sich grundsätzlich in zwei Typen einteilen: offene und geschlossene Fragen.

Mit Hilfe offener Fragen (die nicht mit „Ja“ oder Nein“ zu beantworten sind) versucht der Mediator, so viel wie möglich an Informationen über den Konflikt, über die jeweilige Wahrnehmung der einzelnen Konfliktparteien und deren Interessen zu sammeln. Da diese Informationen aus Gründen des Misstrauens, der Vorsicht, der Unkenntnis über ihren Bedeutungsgehalt für die Verhandlung oder aus anderen Gründen zumeist nicht offen artikuliert werden, bemüht sich der Mediator mit Hilfe offener Fragen diese Blockaden zu überwinden. Den Konfliktparteien muss dabei ausreichend Raum gegeben werden, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Diese Vorgehensweise verlangt ein aktives Zuhören des Mediators ohne selbst voreilige Schlüsse zu ziehen.

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Fragen können die unterschiedlichsten Funktionen in der Mediation haben:

•Fragen zur Leitung durch die Phasen der Mediation

•Fragen zur Unterstützung der Beteiligten, die eigene Sichtweise zu klären

•Fragen zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit

•Fragen zur Unterstützung eines Perspektivenwechsels

•Fragen zur Überwindung von Blockaden

•Fragen zum Hinterfragen von Wahrnehmungen und Annahmen

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Es lassen sich u. a. folgende Fragearten unterscheiden:

•Öffnende Fragen: um einen Vermittlungsprozess zu beginnen

•Informationsfragen: um Fakten u. Meinungen festzustellen

•Klärungsfragen: um Generelles zu spezifizieren

•Beurteilungsfragen: um Gründe für eine Position zu klären

•Teilnehmende Fragen: um Eindrücke von Einstellungen und Wünschen zu bekommen

•Zukunftsorientierte Fragen

•Wunderfragen (z. B. Stellen Sie sich vor, über Nacht wäre ein Wunder geschehen und das Problem wäre verschwunden, Sie wissen zwar nicht wie, aber alles wäre gelöst. Was wäre das erste Zeichen dafür, dass solch ein Wunder geschehen wäre?)

•Hypothesefragen: um Ideen in eine Diskussion einzubringen

•Leitende Fragen: um eine Idee zu suggerieren

•Operationalisierungsfragen: um Optionen weiter auszuarbeiten

•Konzentrierende Fragen: um eine Diskussion auf die wesentlichen Aspekte zurückzuführen

•Alternativfragen: um Alternativen zu vergleichen

•Schlussfragen: um einen Punkt abzuschließen

•Evaluationsfragen: um den weiteren Prozess und die Zukunft abzufragen

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•Skalenfragen: um die subjektive Bewertung bestimmter Situationen abzufragen u. um zu fragen, was Konfliktparteien selbst zu einer positiven Veränderung beitragen können•Tragfähigkeitsfragen: um die rechtlichen, technischen, wirtschaftlichen, sozialen etc. Realisierungschancen und die Realitätstauglichkeit der Lösungsoptionen zu prüfen•Zirkuläre Fragen: um einen Perspektivenwechsel anzuregen

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5. Zusammenfassen

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In allen Phasen der Mediation fasst der Mediator immer wieder das Gesagte und das Geschehen zusammen, um auf diese Weise den Prozess zu steuern, aber auch um die bisher erreichten Klärungen auf der Sach- und Beziehungsebene zu verdeutlichen. Kleinere Zusammenfassungen über das Paraphrasieren finden immer wieder zwischendurch statt. Wenn die Parteien ihre jeweiligen Sichtweisen des Konflikts geschildert haben, erleichtert es das weitere Vorgehen, wenn der Mediator die zentralen Infos zusammengefasst und ggf. bereits generelle Kategorien zur Diskussion stellt. Wenn inhaltlich ein Abschnitt geschlossen ist, fasst der Mediator ebenfalls die wichtigsten Ergebnisse zusammen. Der Mediator ordnet in seinen Zusammenfassungen die Beiträge der Konfliktparteien. Wenn die Diskussion abschweift, kann er in der Zusammenfassung das Wesentliche herausstreichen und den roten Faden wieder aufnehmen. Insbesondere am Ende einer Mediationssitzung sollte das Erreichte nochmals rekapituliert werden.

Zusammenfassungen erleichtern den Parteien den Überblick. Sie fühlen sich nicht so schnell von den Informationen erschlagen und überfordert und erhalten ein Hilfsmittel, um sich die verschiedenen Aspekte besser merken zu können. Zusammenfassungen erleichtern den Konfliktparteien so das Verständnis des Geschehens, verdeutlichen Bezüge und machen die nächsten Schritte deutlich.

Um diese Ziele zu erreichen, müssen sich Zusammenfassungen vor allem durch eine klare Struktur auszeichnen. Das wichtigste Hilfsmittel dafür ist die Gliederung. Der Mediator kann zunächst die Grobstruktur nennen, und dann Unterpunkte zusammenfassen.

Nach jeder Zusammenfassung sollte sich der Mediator auf jeden Fall rückversichern, ob er die Sache aus Sicht der Beteiligten richtig getroffen hat, ob sie der Zusammenfassung zustimmen. Danach kann dies als gemeinsames Ergebnis bewertet und vom Mediator auch als positiver Schritt deutlich gemacht werden.

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Visualisierungstechniken in der Mediation

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1. Ziele und Möglichkeiten der Visualisierung

Visualisierungstechniken gehören zum Handwerkszeug in der Mediation und Moderation. Sie sollen die Struktur einer Diskussion wiedergeben und die wichtigsten Ergebnisse festhalten. In Anlehnung an die Regeln für eine verständliche Sprache können vier Charakteristika der Visualisierung hilfreich für den Einigungsprozess in der Mediation sein.

•Einfachheit: Eine klare und einfache Darstellung sorgt für ein Mindestmaß an Einfachheit der Info.

•Ordnung: Die wesentlichen Aspekte können geordnet und gegliedert dargestellt werden. Zwischen den Einzelpunkten können Verbindungen aufgezeichnent werden. Symbole wie Kreise, Pfeile und Punkte zeigen Bezüge und Prioritäten an.

•Kürze und Prägnanz: Die Visualisierung beschränkt sich auf die kurzen, wesentlichen Aussagen und auf Stichworte und Kernaussagen, der Rest bleibt der Diskussion vorbehalten, wobei die Stichworte die Diskussion in Erinnerung rufen.

•Abwechslung und Stimulanz: Die Teilnehmer werden aktiv in die Informationserhebung und –bewertung einbezogen. Die grafischen Darstellungen sprechen besonders die kreativen Fähigkeiten an und fördern Denkprozesse.

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Aus diesen wesentlichen Merkmalen ergeben sich die Ziele der Visualisierung in der Mediation. Was kann Visualisierung hier leisten?

1. Dokumentation und Präsenz der Information

2. Strukturiertes Vorgehen

3. Konzentration auf die Sache

4. Meinungsvielfalt und Relativierung der Perspektiven

5. Ausgleich von Ungleichgewichten im Kommunikationsverhalten

6. Förderung der Interaktion

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2. Materialien und Regeln der Visualisierung

Instrumente d. Visualisierung: Tafel, Flipchart, Tageslichtprojektor, Pinnwand

Materialien d. Visualisierung: Nadeln, Klebestreifen, Packpapier, Filzschreiber in unterschiedlichen Farben, Schere, Klebestift, Korrekturstreifen, Karten

Grundregeln d. Visualisierung:

•Pinnwand gut sichtbar für alle

•Visualisierung ankündigen und erläutern

•Nur ein Argument

•Druckschrift mit Groß- u. Kleinbuchstaben

•Halbsätze bilden

•Max. 7 Worte

•Zwei bis drei Zeilen

•Auf das Wesentliche beschränken

•Freiflächen zur Ergänzung

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3. Darstellungsformen

1. Liste

•Argumente unter Überschrift sammeln -> bei Bedarf späteres Ergänzen und Weiterverarbeiten

•Karten lassen sich einbauen, Platz f. Ergänzungen soll bleiben

•Neben Karten können Teilnehmer Bewertungspunkte kleben

2. Vier-Felder-Tafel

•Teilt Wandzeitung in vier gleich große Felder ein

•Gibt Diskussion klare Struktur, engt Beiträge aber auch auf vorgegebene Aspekte ein

•Überschriften sollten neutral gehalten werden

3. Netz

•Karten werden von innen nach außen aufgelistet -> Gesamtübersicht entsteht, Bezüge u. Kategorien werden deutlich

•Weglassen von Einzelheiten ist für Übersicht wichtig

•Zur Verdeutlichung v. Kategorien und Beziehungen können unterschiedliche Farben genutzt werden

4. Tabelle

•Schnellstes u. übersichtlichstes Instrument um Überblick zwischen zwei Kategorien zu geben

•Ausprägungen werden in Spalten u. Zeilen abgetragen

•In Schnittfeldern können Bewertungspunkte oder Kurzbeschreibungen stehen

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Spezielle Instrumente

Zu Grundformen kommen zahlreiche Modifikationen, die für bestimmte Zwecke eingesetzt werden können, z. B. Wertbäume oder Koordinatensysteme, die die Issues inklusive der Prioritäten und Bewertungen seitens der einzelnen Teilnehmer veranschaulichen.

Mind-Mapping

•Nutzt Netz als Darstellungsform u. lässt sich gut im Zusammenhang mit Brainstorming einsetzen.

•Beim Schreiben oder bei vertikalen Listen wird das Denken in lineare Muster gezwängt

•Nutzt die Erkenntnis, dass Gehirn mehrdimensional arbeitet, bildhaft denkt u. Strukturen bildet

•Verbindet sprachliches u. bildhaftes Denken miteinander

•Kann angewandt werden um Gedanken stichwortartig aber vollständig festzuhalten u. in einer Gliederung zu führen

Die Ausgangsfrage bzw. das Thema wird in die Mitte der Seite bzw. Wandzeitung geschrieben und umrahmt. Der Mediator kann die Methode erklären und die Teilnehmer dazu auffordern, einige Hauptaspekte zu nennen. Sie werden an Äste geschrieben, die von der Mitte ausgehen. An jedem dicken Ast können weitere Zweige angebracht werden, an denen Unterpunkte oder Einzelheiten stehen. Die Teilnehmer versuchen gemeinsam, die Aspekte auf der Themenkarte räumlich zu verorten. Sie können Verbindungslinien und weitere Verzweigungen einzeichnen. Neben Stichworten sollten Symbole und Bilder aufgezeichnet werden, um durch die bildhafte Darstellung Assoziationen zu stimulieren. Ordnungsstrukturen lassen sich farbig kennzeichnen, oder indem Problemkomplexe umrahmt und Ziffern eingefügt werden.

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3. Phasen und Schritte eines Mediationsverfahrens

1. Vorbereitung u. Mediationsvertrag. Die Mediation kann nur stattfinden, wenn sich alle Beteiligten darauf einlassen wollen und die jeweiligen Erwartungen an das Verfahren geklärt sind. Die Konfliktbeteiligten schließen untereinander und mit den Mediatoren einen Vertrag, in dem Ziel, Beteiligte, Spielregeln und Kosten der Mediation vereinbart werden.

2. Informations- u. Themensammlung. Die Beteiligten formulieren, worum es ihnen geht und welche Themen sie im Mediationsverfahren besprechen möchten. Der Mediator strukturiert den Konflikt durch die Benennung der Themenbereiche.

3. Interessenklärung. Die entscheidende Phase in der Mediation ist dann die Interessenklärung. Die vielen unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse, die hinter den Positionen stehen, eröffnen den Raum für neue Lösungsmöglichkeiten und bilden die Grundlage für zukunftsmäßige Regelungen, die von allen Beteiligten getragen werden können.

4. Kreative Suche nach Lösungsoptionen. Gemeinsam entwickeln die Konfliktbeteiligten eine Vielzahl von Ideen, die für das zu lösende Problem hilfreich sein können. Dabei kommen regelmäßig auch ganz neue und für alle Seiten vorteilhafte Optionen heraus.

5. Bewertung und Auswahl der Optionen. Die unterschiedlichen Ideen werden nun gemeinsam bewertet. Am Ende stehen realisierbare Vorschläge, mit denen alle leben können und die den Interessen möglichst weitgehend gerecht werden.

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6. Vereinbarung und Umsetzung. Die Lösungen werden in einem Abschlusspapier oder Vertrag zusammengefasst. Häufig ist das Ergebnis eines Mediationsverfahrens nicht nur ein konkreter Lösungsvorschlag, das Verfahren trägt oft zur Verbesserung der Beziehung zwischen den Beteiligten bei.

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Vorbereitung u. Mediationsvertrag

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1. Falleignung

In allen Bereichen geht es zunächst darum zu prüfen, ob Mediation überhaupt das geeignete Verfahren für den vorliegenden Konflikt ist.

Nicht empfehlenswert ist ein Mediationsverfahren z. B.:

•in Streitigkeiten, bei denen es um grundlegende rechtliche Fragen geht und es für die Beteiligten und/oder die Allgemeinheit wichtig wäre, eine höchstrichterliche Entscheidung zu erhalten,

•bei Sachverhalten, in denen ein extremes Machtgleichgewicht zwischen den Parteien herrscht, so dass eine oder mehrere der Beteiligten keine selbstverantworteten Entscheidungen treffen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Unterschiede zwischen formaler und faktischer (Verhandlungs-) Macht bestehen. Die „Macht der Ohnmächtigen“ ist häufig nicht zu unterschätzen (z. B. in Trennungs- u. Scheidungsmediationen),

•wenn Entscheidungen zu dem Thema der Mediation eigentlich schon feststehen und die Konfliktparteien durch die Mediation möglicherweise nur „ruhig gestellt“ werden sollen,

•i. d. R.1 ferner in Situationen, in denen es bereits zu physischer Gewaltanwendung gekommen ist.1 Ausnahmen ggf. im Täter-Opfer-Ausgleich; einzelne Mediatoren wenden Mediationen auch in Konflikten mit vorheriger Gewaltanwendung an.

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Besonders geeignet ist Mediation

•bei Streitigkeiten in langfristigen Beziehungen, z. B. Auseinandersetzung über einen Zulieferervertrag; Sorgerechts- und Umgangsregelungen; Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen Hauseigentümern etc.

•bei emotionalen Themen: Scheidung, Trennung von Geschäftspartner; Ausstieg aus Gesellschaften; Konflikte am Arbeitsplatz; Konflikte um die Veränderung des Lebensumfeldes durch Baumaßnahmen u. ä. etc.,

•bei nicht rein finanziellen Angelegenheiten; in den USA ist Mediation mittlerweile aber auch für reine Dollarkonflikte, wie z. B. Unfallstreitigkeiten mit Versicherern, Klägern und Beklagten, Forderungen aus Vertragsstörungen (Claim Management) etc. üblich,

•wenn ein Konflikt schneller als auf dem Rechtswege üblich gelöst werden soll,

•wenn Themen vertraulich behandelt werden sollen,

•wenn ein Sieg vor Gericht zu viele Nachteile mit sich bringen würde (z. B. Imageverlust einer Firma)

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2. Die erste gemeinsame Mediationssitzung

•Hauptaufgabe d. Mediators: gute u. von einer positiven Grundstimmung geprägte Atmosphäre schaffen

•Konfliktbeteiligte für ihren Entschluss wertschätzen

•Mediator muss durch Körpersprache u. Worte vermitteln, dass er an Erwartungen interessiert ist u. deren Bedenken versteht u. beachtet

•Mediator soll über kommunikative Kompetenz verfügen

•Prinzipien der Mediation vom Mediator erläutern, Regeln des Umgangs sind miteinander zu besprechen, klären ob Mediation geeigneter Weg für Regelung d. Konflikts ist u. Mediationsvertrag m. d. Einverständniserklärung der Konfliktbeteiligten, eine Regelung mittels Mediation und mit Unterstützung der Mediatorin, des Mediators oder des Mediationsteams anzustreben, wird verabschiedet

•Für Beteiligten ist es erforderlich o. zumindest empfehlenswert eine parteiliche Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, um für eigenverantwortliche Konfliktlösung erforderliche Informiertheit herzustellen

•Für Konfliktbeteiligte steht ihr Konflikt im Vordergrund, für den es bisher keine Lösung gibt -> haben oftmals schon Glauben an solche verloren

•Mediation beginnt mit erster Sekunde der Kontaktaufnahme von Mediator und Konfliktbeteiligten

•Im Vordergrund d. ersten gemeinsamen Gesprächs stehen Erwartungen u. Befürchtungen m. Blick auf d. Mediationsverfahren, gemeinsam werden Rahmenbedingungen u. Spielregeln ausgehandelt, wird besprochen, was es für sie bringen könnte und wie die Rolle des Mediators aussieht -> Beteiligte möchten das Gefühl haben, gut aufgehoben zu sein und mit ihren Anliegen ernst genommen zu werden.

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•Durch Aufgreifen d. Erwartungen d. Beteiligten u. positives Umformulieren v. Vorwürfen u. Bedenken kann Mediator d. vorherrschenden u. vergangenheitsorientierten Problemperspektive eine zukunftsorientierte Lösungsperspektive entgegenstellen -> Übereinstimmungen i. d. Erwartungen d. Beteiligten werden festgestellt

•Hervorheben u. Betonung dieser Gemeinsamkeiten hat positiven Einfluss auf d. Gesprächsklima

•Um wachsende Bereitschaft z. konstruktiven Mitarbeit der Parteien zu fördern, konzentriert Mediator Beteiligte in dieser Phase in hohem Maße auf sich selbst u. schränkt gegenseitige Angriffe u. Vorwürfe dadurch ein

•Für Herstellen v. Sicherheit u. einer geschützten Atmosphäre sind permanenter Blickkontakt, eine Aufmerksamkeit signalisierende Körpersprache u. ausgewogene Zuwendung zu einzelnen Konfliktpartnern wesentlich

•Anhand Erwartungen u. ersten Schilderungen d. Konfliktbeteiligten kann Mediator am Bsp. eines konkreten Falles sowohl das Verfahren d. Mediation wie deren wichtige Prinzipien erläutern, sowie nach Bedarf den Beteiligten gemeinsame Verhaltensregeln für Umgang miteinander entwickeln lassen.

•Erste Phase endet meist mit gemeinsamer Unterzeichnung des Mediationsvertrages

•Kann bereits während der ersten Sitzung geschehen oder zu Beginn der zweiten, nachdem Beteiligte Vertragsentwurf zuhause studiert u. unterschrieben zur nächsten Sitzung mitgebracht haben.

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3. Vorbereitung von Mediationsverfahren mit Interessengruppen

Bei komplexen Verfahren mit einer Vielzahl von Konfliktbeteiligten basiert eine erfolgreiche Mediation auf einer guten Vorbereitung, die vor der ersten gemeinsamen Sitzung stattfindet. Dazu gehört eine gründliche Analyse der zu beteiligenden Personen und Gruppen, der jeweiligen Erwartungen, des Konfliktstaus und eines geeigneten Prozessverlaufs. In zahlreichen Einzelgesprächen mit den Konfliktbeteiligten sammelt das Mediationsteam Infos über die jeweilige Sichtweise der Situation, welche Themen als relevant genannt werden, welche anderen Personen oder Gruppen in den Konflikt involviert sind (und entsprechend berücksichtigt werden sollten), mit wem das Team noch sprechen sollte, welchen Verlauf der Konflikt bisher genommen hat und welche Wege bisher beschritten worden sind. Anhand dieser Informationen können die Mediatoren eine erste Einschätzung darüber vornehmen, ob der vorliegende Konflikt überhaupt durch Mediation geregelt werden kann, oder ob andere Konfliktregelungsansätze viel versprechender erscheinen oder mehr den Wünschen der Beteiligten entsprechen.

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4. Typische Fragen zur Auftragsklärung in Vorgesprächen

1. Worum geht es grob, ohne Details und Meinungen?

2. Wer sind die Beteiligten?

3. Gibt es weitere Verbündete oder andere Beteiligte?

4. Wo sehen Sie Ihre Rolle in dem Konflikt?

5. Was ist im Rahmen des Konflikts bisher geschehen, z. B. zur Klärung? (daraus ergibt sich oft, wie eskaliert der Konflikt ist)

6. Warum Anfrage gerade jetzt?

7. Welche Erwartungen haben Sie an das Mediationsverfahren?

8. Welche zeitlichen und anderen Rahmenbedingungen sind aus Ihrer Sicht zu beachten für die Durchführung des Mediationsverfahrens?

Bei Interessengruppen

9. Wer wird von Ihrer Gruppe/Organisation regelmäßig an den Sitzungen teilnehmen?

10. Wie sieht Ihre Organisationsstruktur aus? Wie findet bei Ihnen die Rückmeldung der Ergebnisse der Mediationssitzungen an Ihrer Basis statt?

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11. Organisatorisches, z. B.

•Wann (konkrete Termine und Tageszeiten)

•Wo (Haben Sie evtl. geeignete Räumlichkeiten?)

•Wie oft (Zeitbudget für Forum- und Arbeitskreissitzungen) können die Sitzungen aus Ihrer Sicht stattfinden?

•Kosten

•Moderationsmaterial und Raumgestaltung vor Ort

•Etc.

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Themensammlung (Phase 3)

1. Umformulieren in neutrale Themen

In dieser Phase der Mediation stellen die Beteiligten dar, welche Aspekte geregelt werden müssen. Eine Herausforderung für die Mediatorin besteht darin, die Sichtweise einer Konfliktpartei nicht als Rahmen für die Darstellung der anderen Konfliktpartei zu verwenden („Was sagen Sie denn dazu?“ oder „Wie sehen Sie das?“). Sie muss vielmehr im Geiste wieder einen Schritt zurückgehen und sich von dem gleichen Ausgangspunkt wie bei der ersten Partei nun einer zweiten Schilderung zuwenden. Dabei kann sie auch diese Person darin zu unterstützen, den Konflikt ihrer ursprünglichen, eigenen Sicht zu schildern und eben nicht als Antwort auf die Darstellung zuvor („Schildern Sie doch bitte mal von Anfang an, was für Sie das Problem ist!“).

Mitunter ist es hilfreich, den Parteien als Vorbereitung für diese Phase nach der ersten Sitzung die Hausaufgabe mitzugeben, jene Aspekte und Themen aufzulisten, die sie in der Mediation besprechen wollen.

Die Hauptaufgabe der Mediatiorin besteht jetzt darin, die unterschiedlichen Positionen, Sichtweisen und Anliegen der Beteiligten zu bewertungsneutralen Themen umzuformulieren und sie nach Rücksprache mit den Konfliktbeteiligten zu visualisieren. Die Mediatorin kann die einzelnen Themen entweder direkt den Konfliktbeteiligten zuordnen (was den Vorteil hat, dass diese sich mit ihren Anliegen unmittelbar auf der Pinnwand oder dem Flipchart wieder finden) oder eine gemeinsame Themenliste erstellen (was den Vorteil hat, dass jedem vor Augen geführt wird, dass auch die nicht von ihm selbst eingebrachten und als weniger wichtig eingestuften Themen relevant für eine gemeinsame Konfliktregelung sind).

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Position: „Ich bin nicht bereit, dass ich ständig Überstunden machen muss, wenn mir XY kurz vor Feierabend plötzlich wieder irgendwelche Aufgaben auf den Tisch legt. Da gibt es auch noch andere Kollegen.“

Mögliche Themen, die an der Flipchart notiert werden: „Umgang mit kurzfristig anfallenden Arbeiten in der Abteilung“ und/oder „Aufteilung der Arbeiten zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ und/oder „Überstundenregelung“.

Die Erstellung einer Themenliste sowie die Einigung über die Reihenfolge der Bearbeitung ist ein weiteres sichtbares Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen den Konfliktbeteiligten.

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2. Visualisierung in der Mediation

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Wie auch in den weiteren Phasen werden die Ergebnisse während des Gesprächs für alle Beteiligten sichtbar auf Flipchart oder/und Pinnwänden visualisiert. In dieser Phase sind das die Themen. Als Material benötigt der Mediator dafür Moderationsmaterialien wie Flipchartstifte, Moderationskarten, Flipchart, Pinnwände, Nadeln, usw.

Der Ablauf bei der Visualisierung sieht wie folgt aus:

1. Jede Flipchartseite beginnt mit einer Überschrift zur Orientierung der Parteien und zur Unterstützung bei der Steuerung des Prozesses. In dieser Phase kann die Überschrift z. B. lauten: „Themen“. In den weiteren Phasen steht als Überschrift das Thema, zu dem Interessen (Phase 4) bzw. Lösungen (Phase 5 und 6) erarbeitet werden.

2. Zusammenfassen des Gesagten und Umformulierung in ein Thema.

3. Formulierung von der Konfliktpartei bestätigen lassen oder anpassen.

4. Thema auf der Flipchart notieren.

Zur Visualisierung gehört eine für alle lesbare, große Schrift. Visualisierung gehört zum Handwerkszeug und es empfiehlt sich, die Moderationsschrift an einer Flipchart zu üben, um im Mediationsverfahren zügig und lesbar visualisieren zu können.

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Interessenklärung

1. Fragetechniken für die Interessenklärung

Wichtige Kommunikationstechniken für den Mediator in dieser Phase sind Aktives Zuhören und Paraphrasieren sowie unterschiedliche Fragen. Fragen, die zu den Interessen der Beteiligten führen, sind z. B.:

•Was genau ist Ihnen so wichtig an … (Forderung/Position)?

•Warum ist Ihnen … (Forderung/Position) so wichtig?

•Wenn das so wäre (Forderung/Position), warum wäre das gut für Sie?

•Was bedeutet … für Sie?

•…

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2. Die Bedeutung von Emotionen

•Emotionen sind Hinweis auf wichtige Interessen, Sichtweisen und Überzeugungen

•Nicht Gefühle sind Auslöser für Konflikte, sondern Konflikte lösen Gefühle aus

•Mediatoren unterdrücken Gefühle nicht, um Konflikte zu vermeiden, sondern benennen sie, um Konflikte zu klären -> mit Hilfe des Mediators können die Interessen und Bedürfnisse deutlich gemacht werden

•Konfliktbeteiligte werden sich selbst klarer über eigene Bedürfnisse u. die des anderen nachvollziehbarer -> streitende Personen können wieder Kontakt aufnehmen u. Kooperationsbereitschaft entwickeln

•Emotionen spielen in allen Anwendungsfeldern d. Mediation eine wichtige Rolle, beziehen sich nur auf verschiedene Inhalte, z. B. berufliche o. private Beziehungen, Auswirkungen best. Forderungen auf eigene Situation, Bewertung eines Areals, Erleben anderer Interessenvertreter, usw.

•Gefühle erhellen Konflikt u. führt zu kooperativer Kommunikation, Streitparteien können das aber am Anfang nicht u. äußern statt Gefühle Meinungen u. Bewertungen

•Klarer Unterschied: was wir fühlen und was wir denken!!! Wort „fühlen drückt nicht unbedingt das aus, was wir wirklich fühlen. Bsp.: „Ich fühle mich nicht ernst genommen, wertgeschätzt…“ -> kein Gefühl sondern Bewertung, Mediator müsste nach Empfindung fragen, Gefühl könnte lauten: „Ich bin verunsichert / entmutigt / fühle mich alleine …“. „Ich fühle mich als Führungskraft mit so viel Verantwortung überfordert…“ -> Auch hier Gefühl nicht genau benannt, Gefühle beziehen sich auf sich selbst und nicht auf den anderen. Gefühl könnte sein: „Ich bin enttäuscht, ungeduldig, frustriert über mich/mit mir…“.

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Mediatoren können den Konfliktparteien helfen, Emotionen zu benennen, um so konstruktiv mit Gefühlen umzugehen und zu den Interessen gelangen. Dafür brauchen Mediatoren einen Wortschatz, der Gefühle benennt:

Gefühle, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt sind

Gefühle, wenn Bedürfnisse erfüllt sind

Angst Ohnmacht Resignation Ärger, Wut Empörung Verachtung, Ekel Enttäuschung Belastung, Niedergeschlagenheit Einsamkeit Verletzung

Engagement, Motivation Erleichterung Motivation Erleichterung Hochgefühl, Euphorie Freude, Glück Neugierde Hoffnung …

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Diese Gefühle sind Ausdruck dafür, dass in einem Konflikt wichtige Grundbedürfnisse berührt sind und bei einer Klärung berücksichtigt werden müssen.

Grundbedürfnisse in Konflikten, die hinter Emotionen stecken

Sicherheit, Planbarkeit

Autonomie, Handlungsmöglichkeiten

Zugehörigkeit und Beziehung

Status, Selbstwert

Sinn, erfüllende Tätigkeit

Integrität, Stimmigkeit, mit sich selbst im Einklang sein

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Kreative Ideensuche (Phase 4)

1. Regeln in der Ideensuche, die der Mediator durchsetzt

Konsequenterweise verhindert der Mediator, dass die einzelnen Ideen schon bewertet oder kommentiert werden. Die Kreativität und das Denken über den bisherigen Rahmen hinaus soll dadurch gefördert werden. Außerdem wird so sichergestellt, dass sich die Beteiligten nicht durch ständige Diskussion möglicher Umsetzungsprobleme schon bei den ersten Lösungsideen wieder festfahren oder die erstbeste plausibel klingende Lösung als Verhandlungsergebnis annehmen.

Hauptaufgabe in dieser Phase ist neben der Visualisierung der Ideen die Durchsetzung folgender Regeln durch den Mediator:

•Ideen nicht bewerten oder kommentieren (Killerphrasen unterbinden wie „Wie soll das denn gehen?“; „Das ist doch viel zu aufwendig/teuer/…“; „Das haben wir doch schon oft genug versucht“; „Das möchte ich mal sehen, wie Sie xy dazu bringen wollen, …“ usw.!)

•Ideen freien Raum lassen

•Quantität geht vor Qualität

•Ideen aufgreifen und weiterentwickeln (Ideenklau ausdrücklich erwünscht)

•Ideen nicht Personen zuordnen

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2. Kreativitätstechniken

Meist reicht ein Brainstorming nach den genannten Regeln, um Ideen zu nennen, die der Mediator alles notiert. Doch auch andere Kreativitätstechniken können oft hilfreich sein, um eine größere Bandbreite an Lösungsideen zu erzeugen. Kreativitätstechniken sollen die unterschiedlichsten Denkprozesse aktivieren sowie Denkblockaden und gewohnte Denkmuster überwinden helfen. Für einen kreativen Prozess und für die Wahl der jeweiligen Kreativitätstechnik sind insbesondere das kreative Umfeld sowie die Einstellungen der Beteiligten zu beachten.

Kreativitätstechniken lassen sich grob unterteilen in:

•Intuitive Methoden

•Systematisch-analytische Methoden.

Diese Methoden lassen sich noch weiter unterteilen, je nachdem, ob Assoziationen, Analogiebildungen oder die Suche in problemfremden Bereichen im Vordergrund der einzelnen Methoden stehen.

Zu den intuitiven Methoden gehören: Brainstorming, Brainwriting, Kartenabfrage, Bionik, Synetik.

Leitgedanke der systematisch-analytischen Methoden ist es, ein Problem in eine Vielzahl unabhängiger Teilprobleme zu zerlegen, um diese jeweils für sich zu bearbeiten. Durch Kombination unterschiedlicher Teillösungen bzw. durch neue Strukturierungen, Variationen und Verknüpfungen wird eine Gesamtlösung zusammengefügt. Im Vordergrund steht hier eine systematische Erarbeitung von Ideen. Hierzu gehören: Morphologische Kasten (mehrdimensionales Verfahren z. strukturellen und funktionalen Bearbeitung v. Problemen; hierbei wird Problem in seine Komponente zerlegt, um alle möglichen Lösungen in geordneter Form zu erhalten; Ziel ist systematische Gesamterfassung eines Problems; sehr aufwendige u. komplexe Methode), Sequentielle Morphologie (quasi eine Weiterentwicklung d. morphologischen Kastens, welche die Entscheidungsphase mit in den kreativen Prozess einbaut), Morphologische Matrix (mit Beschränkung auf zwei Parameter; etwas übersichtlicher als morphologischer Kasten; zeigt relativ schnell bereits bekannte Ideen u. Rahen f. etwaige neue auf), Relevanzbaum, u. v. m. Diese Methoden sind hier vor allem der Vollständigkeit halber aufgeführt. In der Mediation sind sie auf Grund ihre Komplexität und Projektbezogenheit nur eingeschränkt anwendbar.

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2.1 Kartenabfrage

•Beliebte Moderationstechnik u. in d. Mediation besonders bei Vielparteienkonflikten anwendbar

•Kann auch bei Themensammlung verwendet werden -> ohne Anonymisierung

•An Pinnwand wird Frage visualisiert, Teilnehmer bekommen Karten u. Stifte und schreiben Antworten darauf -> sinnvoll, Karten pro Person begrenzen

•Mediator mischt, liest vor, ohne dass man weiß, von wem die Karte stammt, bei Klärungsbedarf sollte Schreiber sich „outen“ oder es wird in die Runde gefragt, was gemeint sein könnte

•Mediator bereitet Pinnwand vor mit ovale Karten, nimmt erste Karte u. hängt sie unter Oval. Bei zweiter Karte wird gefragt, ob sie zur 1. passt. Wenn ja, unter gleiches Oval, wenn nein unter nächstes = Clustern. So wird mit allen Karten verfahren

•Mediator hält sich weitgehend raus, überlässt Teilnehmern Strukturieren -> Gruppe muss sich einig sein

•Wenn alle Karten angepinnt, müssen für Cluster Oberbegriffe gefunden werden

•Methode relativ zeitaufwendig, aber bei Vielparteienkonflikten gut am Anfang, dass Beteiligte sich als Gruppe finden

•Variante d. Kartenabfrage ist Zurufabfrage: Antworten auf Frage werden Mediator zugeworfen, wird auf Pinnwand oder Flipchart geschrieben, schneller aber nicht anonym, Strukturieren ist schwieriger, aber alle Beteiligten können sich gegenseitig anregen, Variante ist spontaner weil kaum Zeit für gründliches Nachdenken.

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2.2 Brainstorming

•Bekannteste Kreativtechnik u. gut anwendbar, allerdings braucht man dazu eine sehr gut funktionierende Gruppe im Sinne eines aufeinander eingespielten Teams erfordert, in welchem sich die einzelnen Teilnehmer tatsächlich gegenseitig inspirieren und anregen können u. lassen

•Mediator fordert Beteiligte auf, möglichst viele Ideen für Lösungsmöglichkeiten d. einzelnen Problems zu produzieren

•Mediator schreibt Ideen ohne Sortierung schnell auf Wandzeitung o. Flipchartblätter -> es eignen sich keine Pinnwandkarten, da Beschriftung zu lange dauern würde

Es sind zahlreiche Varianten des Brainstorming denkbar, je nachdem, auf welche Vorgaben sich die Teilnehmer einigen oder welche Vorgehensweise der Mediator wählt. Hinzu kommen verwandte Methoden, die das Brainstorming in anderer Form umsetzen:

Brainwriting

•Konfliktparteien schreiben je 3 Lösungen auf Blatt

•Blatt wird zur Linken weiter gereicht, zusätzlich werden 3 Lösungen notiert

•Am Ende hat jeder Teilnehmer so oft drei Ideen aufgeschrieben, wie Personen beteiligt sind, haben sich z. Teil von anderen Lösungsideen anregen lassen u. Anknüpfungspunkte gefunden

•Bei anderer Variante schreiben Teilnehmer einfach Wunsch auf Zettel, reichen an linken Nachbarn weiter u. erhalten selbst Zettel d. Nachbarn zur Rechten, nun wird zweiter Wunsch aufgeschrieben, Zettel laufen solange um, bis sie voll sind bzw. keine weitere Ideen mehr hinzukommen.

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Decision Center

•Anonymisierte Version d. Brainstormings

•Mögliche Form ist bei vernetzten Computern möglich

•Über gewissen Zeitraum können Ideen u. Vorschläge zu einem Problem in einer für allen zugänglichen Datei abgelegt werden

•Am Ende werden Vorschläge zusammengestellt u. können ohne Kenntnis d. Autoren diskutiert werden

Assoziationen

Die vielfachen Varianten dieser Techniken zielen auf die Veränderung von Denkmustern und sind auf Grund ihrer leichten Umsetzung und Nachvollziehbarkeit gut in der Mediation einzusetzen.

Beispiel für Assoziationen: Um zu einer bestimmten Fragestellung Optionen zu bilden, lassen sich die Beteiligten von willkürlich gefundenen Worten (z. B. aus einem Buch) oder von einem Bild an der Wand oder vom dem Blick aus dem Fenster leiten und inspirieren. Ziel dieser Technik ist es, durch einen vorgegebenen Bezugspunkt das „weiße Blatt Papier“ zu überwinden und neue Anregungen zu schaffen.

Konfrontation/Umkehrmethode

•Fragestellung wird umgedreht u. in ihr Gegenteil verkehrt „Was müssen Sie tun, um das gewünschte xy garantiert zu verfehlen / nicht zu erreichen?“ -> so entstehen viel mehr Ideen, durch Umkehrung lassen sich Anregungen entnehmen, wie tatsächlich mit Problem umgegangen werden kann

•Fragestellung o. Problem wird in anderen Bereich verlagert (z. B. Natur, Technik, Sport o. Ä.) -> analoge Fragestellung -> Lösungsoptionen sammeln -> Übertragung d. gefundenen Lösungen auf ursprüngliche Frage

•Technik wird in Industrie v. Ingenieuren bei Entwicklung von Dingen angewandt

•Lösungssuche f. wirtschaftliche u. soziale Probleme

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Rollenspiel/Simulation

So wie die Kartenabfrage können auch Rollenspiele sowohl in der Idensuche als auch bereits in der Themensammlung (Phase 2) eingesetzt werden. In der Themensammlung geht es darum, erlebtes Konfliktverhalten nachzuspielen und dadurch besser zu verstehen. In der Phase der Lösungsideen ist das Ziel hingegen, zukünftige Handlungsmöglichkeiten spielerisch zu testen und einzuüben.

Eine Spielsituation ermöglicht es, zu kreativen und unorthodoxen Lösungsansätzen vorzudringen, die ohne eine solche Vorbereitung in einer realen Situation wahrscheinlich nicht diskutiert worden wären. Das informelle Setting eines Rollenspiels erlaubt zudem den besseren und intensiveren Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen: über das Spiel den anderen als (Konflikt-)Partner akzeptieren zu lernen.

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Auswahl und Bewertung von Lösungsoptionen (Phase 5)

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1. Verhandeln und Argumentieren in der Lösungsphase

Bei der Bewertung und der Auswahl von Lösungsoptionen stehen die grundlegenden Ansätze des Verhandelns und Argumentierens im Zentrum der Mediation. Unter entscheidungstheoretischen Aspekten sind zwei Verhandlungsansätze bei Konflikten zu unterscheiden: distributives und integratives Verhandeln.

Distributives Verhandeln

•Konzentriert sich auf Verteilung einzelner Mittel u. Ressourcen

•Konfliktparteien sehen Aushandeln als Nullsummenspiel: Was der eine gewinnt, verliert der andere

•Folge: Basar-Verhandeln um größten Anteil v. Kuchen -> kein Platz für kooperative Strategien zur gemeinsamen Nutzenerweiterung

•Obwohl sich die meisten Konflikte wesentlich komplexer darstellen, ist ein distributives Verhandeln typisch für eine Gesellschaft, die Straus treffend als „based on winlose decision making“ bezeichnet -> viele Menschen gehen irrtümlicherweise auch in jenen Fällen v. Win-Lose-Situation aus, die nicht zwangsläufig eine sein muss.

•Auffinden von kreativen Problemlösungen für kooperative Win-Win-Lösungen ist häufig deshalb so schwer, weil Lösungsansätze oft außerhalb eines angenommenen Verhandlungsrahmen liegen.

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Ansätze integrativen Verhandelns zielen darauf ab, die verschieden beteiligten Interessen der Parteien durch kreative Lösungen auf neue Weise zufrieden zu stellen. Mögliche Strategien integrativen Verhandelns in dieser Phase der Mediation sind:

Erweiterung des „Kuchens“: Einbringen zusätzl. Verhandlungsgegenstände vergrößert „Kuchen“ u. damit Verhandlungsspielraum u. die Anzahl möglicher Optionen.

Unspezifische Kompensationen: sehen vor, dass eine Partei Interessen durchsetzt u. andere dafür Ersatzleistung erhält, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Konfliktfall steht.

„Logrolling“: bedeutet, dass in komplexen Verhandlungssituationen, bei denen verschiedene Themen abzuhandeln sind, die Parteien jeweils bei einem für sie nachrangigen Thema zu Gunsten eines besseren Ergebnisses bei einem für sie wichtigeren Thema nachgeben.

Finanzielle Kompensationen: Dadurch können Kosten (oder allgemeiner: Nachteile) eines Kompromisses, den eine Partei eingeht, reduziert werden.

Verbinden von Themen („Bridging“): beinhaltet Entwicklung völlig neuer Optionen, die allen Beteiligten neue Möglichkeiten eröffnen, ihre eigentlichen Interessen zufrieden zu stellen. Dazu werden die relevanten Konfliktthemen anhand d. zu Grunde liegenden Interessen umformuliert u. in einem anderen, gemeinsamen Rahmen gestellt.

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Die Grenzen von Verhandlungslösungen liegen in einigen praktischen Umsetzungsproblemen sowie einer grundsätzlichen Schwäche. Diese liegt in der Verteilungsproblematik von Win-Win-Ergebnissen. So kann eine Lösung zu absoluten Gewinnen für beide Konfliktbeteiligten führen, aber der relative Gewinn kann sehr unterschiedlich sein. Das Dilemma besteht darin, dass die Parteien zwar zu einer kooperativen Lösungssuche gelangen können, der Streit um die Lokalisierung einer Lösung ist damit aber nicht gelöst, sondern trägt weiterhin Züge eines Nullsummenspiels. Die Verteilung zusätzlicher Gewinne und Nutzen kann zu einem Problem für die Verhandlung zusätzlicher Gewinne und Nutzen kann zu einem Problem für die Verhandlung werden, wenn der relative Gewinn Auswirkungen auf weitere Verhandlungen hat (bspw. wenn die Einigung Ausgangspunkt für weiter Verhandlungen ist) und damit die strukturelle Position der relativ benachteiligten Partei geschwächt wird. Der Kuchen ist zwar erweitert worden, aber nun muss dennoch geteilt werden; allerdings auf einer höheren Ebene, was eine Einigung auf Grund des gemeinsamen Kommunikationshintergrunds und der bereits erzielten Kooperationserfolge wahrscheinlicher werden lässt. Darüber hinaus ist die Verteilung von Gewinnen leichter als eine Umverteilung bei reinen Nullsummenspielen. Dennoch zeigt die Unterscheidung von absoluten und relativen Gewinnen, dass mit Blick auf die strukturellen Positionen der Akteure Fragen einer gerechten Verteilung auch bei der Etablierung eines kooperativen Verhandlungsstils ein Problem bleiben. Die Lösung solcher Verteilungsfragen erfordert offensichtlich einen Diskurs über das, was als fair bzw. gerecht verstanden wird. Darüber hinaus sind Win-Win-Lösungen letztlich oft keine Verhandlungslösungen, sondern werden nur im Nachhinein als solche gedeutet. Der kommunikative Koordinationsmechanismus beruht möglicherweise viel stärker auf argumentativen Diskurs als auf reinem Verhandeln.

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Die Diskurstheorie geht im Unterschied zum verhandlungstheoretischen Ansatz davon aus, dass durch Kommunikation moralische Argumente das Eigennutzkalkül erweitern und dass zweitens ein diskursiv angelegtes Entscheidungsverfahren auch die Präferenzen und Interessen der Beteiligten selbst ändert. Die Kraft von Argumenten ist erfahrbar und Grundlage für soziale Lernprozesse. Der Mechanismus, der zu dieser Veränderung und Neubewertung von Zielen und Interessen führt, ist der kommunikative Gebrauch der Sprache. Neben die ökonomische Rationalität der Verhandlung tritt die kommunikative Rationalität des argumentativen Diskurses.

Möglich wird damit ein Konsens im Sinne bewusster Zustimmung aus Überzeugung, weil Geltungsansprüche verständlich werden, Argumente wirken können und weil sich Interessen verändern und Situationen neu bewertet werden. Eine größere Stabilität und Nachhaltigkeit versprechen somit Lösungsoptionen, die durch die Kraft des Arguments gefunden worden sind und sich nicht auf Grund mathematischer Berechnungsschemata ergeben haben.

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2. Prüfung der Realisierbarkeit

•Mediator unterstützt mit Fragen die Beteiligten darin, Folgewirkungen v. Entscheidungen ausreichend zu reflektieren, damit diese nicht nur so lange tragen wie Euphorie über gefundenen Konsens anhält

•„Wie sehen Sie das Ergebnis in einem halben Jahr, wenn der Alltag wieder eingekehrt ist?“, „Sie erklären sich bereit, dass Frau M jeden Montag … Was machen Sie in dieser Zeit?“ „Welche finanziellen / steuerlichen / rechtlichen Konsequenzen hat diese Lösung für Sie?“ …)

•Phase ist geprägt durch viele Tragfähigkeitsfragen um rechtliche, technische, wirtschaftliche, ökologische u. soziale Realisierungschancen u. Realitätstauglichkeit d. Lösungsoptionen zu prüfen (z. B. „Ist eine solche Lösung arbeitsrechtlich erlaubt und im Sinne des Betriebsrates; können Sie das der Belegschaft vermitteln? …“)

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Vereinbarung und Umsetzung (Phase 6)

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1. Form der Vereinbarung

•Grundsätzlich kann Übereinkunft Form eines rechtlich verbindl. Vertrages o. gemeinsamen Erklärung haben

•Rechtlich verbindlicher Vertrag ist gebräuchlicher (wenn es um justiziable Rechte u. Verantwortlichkeiten der Parteien geht), da in stärkerem Maße die Umsetzung durch diesen Rechtsbezug garantiert ist.

•Diese Form muss notariell beurkundet bzw. in rechtsüblicher Form sein

•Nähe zum üblichen außergerichtlichen Vergleich ist deutlich, beschränkt sich aber auf letzte Phase des Verfahrens

•Informellere gemeinsame Erklärung ist angebracht, wenn es um nicht justiziable Vereinbarungen wie die Ausgestaltung v. persönlichen Beziehungen geht o. Parteien eine formlosere Einigung anstreben.

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2. Wer formuliert die Vereinbarung?

•Entwurf des Mediators:

am verbreitetsten in Mediationspraxis, Mediator fasst die von Konfliktparteien gefundenen Ergebnisse zusammen. Nachteile: berufsrechtliche Grunde aufseiten d. Mediators können dagegen sprechen; Parteien identifizieren sich weniger stark mit Dokument, Sprach kann zu verschiedenen Interpretationen führen; Mediator lässt möglicherweise eigene o. falsche Interpretationen einfließen; Beteiligte werten Punkte, mit denen sie nicht einverstanden sind, vielleicht als Parteinahme d. Mediators. Vorteile: Mediator muss mit Blick auf Risiken darauf achten, dass Entwurf auf Zwischenergebnisse u. Protokollen d. Sitzungen beruht, die wichtigen Interessen u. Bedürfnisse d. Parteien zur Grundlage hat u. die von ihnen gefundenen Lösungen festhält. Mediator kann ggf. Textentwurf zunächst mit einzelnen Parteien separat besprechen u. dann mit modifizierter Fassung in Abschlussverhandlungen über Übereinkunft gehen.

•Gemeinsam in der oder den letzten Sitzung(en):

Vorgehen kostet etwas mehr Zeit, wird aber von Beteiligten eher angenommen, weil Vereinbarung dann in eigener Sprache ist und formellen Kriterien entspricht. Identifikation ist damit höher. Falls Rechtsfragen eine wichtige Rolle in einem solchen Vertrag spielen, ist es zwingend, ihn juristisch bearbeiten zu lassen, um ihn rechtlich wasserdicht zu machen.

•Vorschlag/Entwurf einer Partei

Gelingt nur, wenn Lösungen in vorangegangener Phase konkret genug ausgearbeitet worden sind; in Vielparteienkonflikten können sich kleinere Untergruppen bilden, die zu einzelnen Punkten einen Entwurf formulieren, der dann von allen Beteiligten diskutiert u. ggf. verändert wird.

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3. Inhalt einer Vereinbarung

•Informationen zu den Konfliktbeteiligten: Name und je nach Mediationsfeld Adresse, Familienstand, Angaben zu Kindern, Einkommen, Organisation, Funktion im Unternehmen, …

•Informationen über die Mediation: Namen der Mediatoren, zeitliche und inhaltliche Struktur der Mediation, bearbeitete Themen, Hintergründe der Mediation, Grundlagen der Entscheidung, Rahmenbedingungen, Darstellung der wesentlichen Interessen, …

•Ergebnis der Mediation

•Offen gebliebene und ungelöste Fragen (ggf.)

•Rechtliche Rahmenbedingungen und nächste Schritte: Rechtlicher Status der Vereinbarung, Beschreibung der nächsten juristischen Schritte (z. B. Notar, Anwalt, Gericht), Aktionsplan (Wer macht was, wie, bis wann?), Termine / Fristen, ggf. Vertragsstrafen, …

•Abschließende Bemerkungen: Einigung auf Regeln, wie vorzugehen ist, wenn sich die Rahmenbedingungen für die gefundenen Lösung ändern (Nicht nur dann, sondern generell und grundsätzlich können in er Schlussübereinkunft Nachfolgetreffen mit oder ohne die Mediatorin vereinbart werden, in denen die bisherige Umsetzung besprochen, bewertet und evtl. nachverhandelt wird); Wertschätzung für die Leistung der Beteiligten seitens der Mediatorin,…

•Datum und Unterschriften

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4. Wie sollte eine Übereinkunft formuliert werden?

In der Mediationsvereinbarung geht es in erster Linie darum, die gefundene Lösung konkret festzuschreiben. Die beiden Mediatorinnen Barbara Filner und Liz O‘Brien haben deshalb vorgeschlagen, eine Vereinbarung SMART zu formulieren:

S pecific

M easurable

A chivable

R ealistic

T imed.Specific (spezifisch): Vereinbarung sollte klare Aufgabenbeschreibung für Beteiligte beinhalten; Übereinkunft sollte so formuliert sein, dass unterschiedliche Interpretationen u. Missverständnisse verhindert werden.

Measurable (messbar): Vereinbarung sollte nachprüfbar u. handlungsorientiert formuliert sein, genaue Zeitangaben, Daten u. Deadlines beinhalten. Messbare Zielindikatoren dienen Überprüfung d. Umsetzung; Quantifizierbares sollte beziffert werden.

Achievable (erreichbar, annehmbar u. ausgewogen): Vereinbarung muss für alle annehmbar u. in allen Punkte umsetzbar sein; Handlungen einer Person sollen nicht von denen einer anderen abhängig gemacht werden; Konfliktparteien sollen kritisch prüfen, ob sie im Alltag u. auf Dauer i. d. Lage sein werden, die Anforderungen auch tatsächlich zu erfüllen.

Realistic (realitätsnah): Vereinbarung sollte alle Hindernisse f. Umsetzung angemessen berücksichtigen; Übereinkunft sollte nur auf Konfliktparteien bezogen sein u. Handlungen bezeichnen, die diese kontrollieren u. garantieren können; Kriterien können zeitlicher, finanzieller, rechtlicher, technischer u. Psychologischer Natur sei.

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Timed (terminiert): Vereinbarung sollte einzelne Zeitspannen zur Erfüllung bestimmter Vertragsbestimmungen genau benennen, damit klar zu erkennen ist, wann eine solche Vereinbarung als umgesetzt angesehen werden kann.

Generell sollte der sprachliche Ton der Vereinbarung positiv sein. Die Übereinkunft ist schließlich eine Bestätigung dafür, dass die Konfliktparteien willens und in der Lage waren, kooperativ zusammen zu arbeiten. Die Beteiligten formulieren positiv, was sie in Zukunft tun werden (nicht: „A wird nicht weiter (…)“, sondern: „A wird (…) tun“; nicht: „B wird verpflichtet, (…) und muss (…)“, sondern: „B erklärt ich bereit, (…) und will außerdem (…)“).

Weiterhin sollte eine Vereinbarung Juristensprache (abgesehen von juristisch notwendigen Festlegungen), Bürokratendeutsch oder wissenschaftlich-technischen Jargon vermeiden. Die Übereinkunft sollt die Sprach der Konfliktparteien benutzen und für alle leicht verständlich sein.

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5. Würdiger Abschluss einer Mediation

Nach der Verabschiedung einer Übereinkunft gratuliert der Mediator den Konfliktbeteiligten dazu, dass sie selbst ihre eigene Lösung für den Konflikt gefunden haben. Er weist diese auf den Fortschritt in ihren sachlichen und emotionalen Beziehungen hin, die sie im Zuge der Mediation erreicht haben und wünscht ihnen – mit Blick auf die gemachte Erfahrung konstruktiver Zusammenarbeit – alles Gute für die Umsetzung. Schließlich sollte auch noch Zeit für einen angemessenen Abschluss als Anerkennung der gemeinsamen Leistungen sein. Die Beteiligten können aufgefordert werden, im Rückblick die für sie besonders wichtigen Erfahrungen in der Mediation zu schildern. Je nach Fall kann ein besiegelnder Handschlag, das Anstoßen mit einem Glas Sekt, ein klare oder große Feier oder auch eine würdevolle Verabschiedung am Ende der gemeinsamen Sitzung stehen.

In dieser Phase der Mediation geht es nicht nur um die Beilegung eines Konflikts durch eine für alle akzeptable Vereinbarung. Darüber hinaus ergeben sich aus der Einigung und deren erfolgreicher Umsetzung oft Impulse für den zukünftigen Umgang miteinander und für die Bewältigung andere Konflikte. Aus beiden Gründen sollte die Mediation einen angemessenen und würdevollen Abschluss finden.

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Teil 4: Rechtlicher Rahmen, Rolle und Selbstverständnis des

Mediators

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Berufsrechtliche Rahmenbedingungen für Steuerberater

•Für Steuerberater bietet sich die Wirtschaftsmediation als zusätzliches Tätigkeits- und Geschäftsfeld an

-> genießen häufig ein enges Vertrauensverhältnis zum Unternehmen u. erfahren frühzeitig von Konflikten oder können ihr Entstehen absehen

•Steuerberater können vermittelnd tätig werden, wenn sie von Konfliktparteien als allparteilich angesehen werden u. keine eigene Interessen auf Konfliktgegenstand haben

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Bisher sind Steuerberater in folgenden Funktionen in Verfahren der Wirtschaftsmediation tätig:

Steuerberater / Wirtschaftsprüfer in der Wirtschaftsmediation

Beratung im betrieblichen Konfliktmanagement

Konflikte bei Mandanten erkennen und Mediation als Lösungswege empfehlen

Mandanten in Mediationsverfahren als Berater begleiten

Mediation in eigenen Mandaten?

•Innerbetrieblich, wenn Allparteilichkeit und inhaltliche Zurückhaltung möglich

•Im Außenverhältnis nicht wegen Interessenkonflikt

Mediation außerhalb der eigenen Mandantschaft

z. B. über gegenseitige Empfehlung

Co-Mediation mit Mediatoren anderer Berufsgruppen

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•Mediation liegt im Grenzbereich d. Tätigkeitsfelder der rechts- u. steuerberatenden sowie der psychosozialen Berufe -> derzeit existiert keine eigene, umfassende rechtliche Regelung dieses Bereiches, entsprechende Änderungen bzw. Ergänzungen sowohl d. Rechtsberatungsgesetzes als auch des Steuerberatungsgesetzes u. der Berufsordnung sind abzuwarten

•Auch jetzt ist StB schon befugt zur Mediation -> Grenzen: wo Vorschriften d. Rechtsberatungsgesetzes o. des Steuerberatungsgesetzes bzw. BOStB verletzt werden

•Klarer Unterschied muss zwischen Mediation und Rechtsberatung gemacht werden

•Mit Rechtsdienstleistungsgesetz wird sich bisherige Rechtslage ändern u. nichtanwaltlichen Mediatoren die Ausübung dieser Tätigkeit noch weitergehend als bisher ermöglicht -> anders als bisher wird nicht mehr jede rechtsbezogene Tätigkeit unter Erlaubnisvorbehalt gestellt

•Nach aktuell geltenden Rechtslagen besteht Bedenken dafür, dass auch StB als Wirtschaftsmediatoren tätig werden, nur dann, wenn diese Tätigkeit gegen Grundsatz d. gewissenhaften Berufsausübung verstößt

•Ein Steuerberater darf eine Mediation lediglich dann einleiten, wenn er eine fundierte und anerkannte Mediationsausbildung absolviert hat -> seit 2004 bietet Bundessteuerberaterkammer mit DATEV eine solche Ausbildung in Wirtschaftsmediation speziell f. Steuerberater an, die sehr erfolgreich läuft u. ein ausgesprochen positives Echo gefunden hat.

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Rechtlich relevante Aspekte der

Wirtschaftsmediation

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1. Beachtung betrieblicher Mitbestimmungsrechte in der Mediation

•Konfliktpotenzial ist auf unternehmens- und betrieblicher Ebene sehr vielschichtig

•Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten -> Einbeziehung d. Betriebsrats spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses der Mediationsvereinbarung, sonst kann Vereinbarung nicht in Praxis umgesetzt werden.

Kurze Übersicht über unterschiedliche Beteiligungsrechte d. Betriebsrats

Informationsrecht:

•Schwächste Form d. Beteiligungsrechte

•Gewährleistet frühzeitige Information über Pläne d. Arbeitgebers u. ermöglicht so dem Betriebsrat erst, weitere Rechte geltend zu machen -> Arbeitgeber ist verpflichtet, Betriebsrat umfassend u. rechtzeitig zu informieren, allerdings ergibt sich daraus für Arbeitgeber keine Beratungspflicht

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Vorschlags-, Anhörungs- und Beratungsrechte

•Sind in Wirkung gegenüber Arbeitgeber weit reichender

•Arbeitgeber muss Vorschläge des Betriebsrats lediglich zur Kenntnis nehmen und prüfen

•Anhörungsrechte können Entscheidungen d. Arbeitgebers bzw. Vereinbarungen d. Konfliktparteien blockieren, wenn Meinung d. Betriebsrats vorher nicht eingeholt wird -> Betriebsrat erhält Möglichkeit, auf Entscheidungen d. Arbeitgebers bzw. d. Konfliktparteien einzuwirken

•Bei Beratungsrechten muss Arbeitgeber von sich aus Meinung d. Betriebsrats einholen u. mit diesem über die Sache diskutieren -> Beratungsrechte d. Betriebsrats bei: Arbeitsplatzgestaltung, Personalplanung, Fragen d. Berufsbildung, geplanten Betriebsänderungen u. bei Einführung neuer Techniken im Betrieb

•Vereinbaren Konfliktparteien im Rahmen d. Mediation Maßnahmen, welche direkt o. indirekt eine Mehrzahl v. Personen betreffen, die nicht Parteien d. Mediationsverfahrens sind, so kann dies bei Nichteinhaltung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats zur Unwirksamkeit d. Vereinbarung führen.

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Bestimmungsrechte – volle Mitbestimmung

•Bedarf die Entscheidung d. Arbeitgebers der Zustimmung des Betriebsrats -> liegt alleine in seinem Ermessen u. kann nicht gerichtlich ersetzt werden

•Weder Arbeitgeber noch andere Parteien als Betriebsparteien können hier alleine entscheiden, sondern sind von Zustimmung des Betriebsrats abhängig.

•Mitbestimmungsrechte hat Betriebsrat vor allem im sozialen Bereich, z. B. bei Fragen d. Ordnung des Betriebs, der Lage der tägl. Arbeitszeit, der Einführung u. Anwendung technischer Kontrollgeräte, der Aufstellung d. Urlaubsplans, den Grundsätzen über die Durchführung der Gruppenarbeit sowie der Ausgestaltung u. Verwaltung von Sozialeinrichtungen. Im personellen Bereich beschränken sich Reche auf Ausgestaltung der Personalfragebögen, Formulararbeitsverträge, Beurteilungsgrundsätze und personelle Auswahlrichtlinien.

•Betriebsrat hat bei der Einführung von Maßnahmen d. betriebl. Berufsbildung mitzubestimmen.

•Aufstellung v. Sozialplänen bei Betriebsänderungen unterliegt voller Mitbestimmung

•Da Vertragsparteien in diesem Fall notwendigerweise die Betriebsparteien sind, besteht nur dann die Gefahr, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht beachtet werden, wenn Betriebsänderungen i. S. d. § 111 BetrVG ohne Beteiligung des Betriebsrates vereinbart werden, was in derPraxis eher unwahrscheinlich ist

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Bei Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung eines Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu dieser personellen Maßnahme verweigert, gezwungen sein, seine Entscheidung vor dem Arbeitsgericht durchsetzen zu müssen. Auch bei diesen Maßnahmen ist der Betriebsrat vor Abschluss einer entsprechenden Mediationsvereinbarung zwingend zu beteiligen und dessen Zustimmung einzuholen.

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2. Schutz vor Verjährung

Vor Beginn des Mediationsverfahrens sollten sich alle Beteiligten über die neuen Verjährungsfristen im Klaren sein. Dazu ist es zunächst notwendig, die durch die Schuldrechtsreform geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen im Grundsatz zu kennen. Auch der Mediator sollte diese kennen.

Überblick über das neue Verjährungsrecht

Regelmäßige Verjährungsfrist

•In § 195 BGB von 30 Jahren auf 3 Jahre verkürzt, bisherige Verjährungsfristen aufgehobenbesondere 30-jährige Verjährungsfrist

•Ist in § 197 für bestimmte Ansprüche vorgesehen

•Bedeutsam in Praxis u. a. rechtskräftig festgestellte Ansprüche, Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden und Ansprüche, die durch im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind

•Wenn Ansprüche fällig werden u. regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben, dann unterliegen sie d. regelmäßigen Verjährung

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Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist

•Es müssen kumulativ eine objektive und subjektive Voraussetzung vorliegen, zuerst muss Anspruch entstanden sein

•Für Verjährungsbeginn ist erforderlich, dass Gläubiger von Anspruch begründeten Umständen u. der d. Person d. Schuldners Kenntnis erlangt o. ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste

•Neues Verjährungsrecht sieht vor, dass Verjährung erst mit Schluss des Jahres beginnt, in dem beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen

•Schadensersatzansprüche, die auf d. Verletzung d. Lebens, d. Körpers, d. Gesundheit o. d. Freiheit beruhen, verjähren kenntnisunabhängig in dreißig Jahren von der Begehung d. Handlung, d. Pflichtverletzung o. dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

•Übrige Schadensersatzansprüche verjähren kenntnisunabhängig in zehn Jahren von ihrer Entstehung an u. unabhängig von ihrer Entstehung u. der Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an

•Entscheidend ist, welche Frist früher endet -> andere als Schadensersatzansprüche, die regelmäßiger Verjährung unterliegen, verjähren kenntnisunabhängig in 10 Jahren seit Entstehung, Beginn anderer Verjährungsfristen bestimmt sich rein objektiv

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Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn der Verjährung

•Neubeginn d. Verjährung ersetzt die bisherige Unterbrechung d. Verjährung

•Von Bedeutung in Praxis ist der neue Hemmungstatbestand der Verhandlungen, zu dem auch die Aufnahme eines Mediationsverfahrens zählt -> schweben zwischen Konfliktparteien Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründeten Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, indem er z. B. die Mediation für gescheitert erklärt und weitere Verhandlungen ablehnt; Verjährung tritt dann frühestens drei Monate nach Ende der Hemmung ein.

Vertragliche Vereinbarungen

•… über die Verjährung.

•Verjährung kann nicht über eine Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus erschwert werden, also nicht vollständig ausgeschlossen werden

•Unterhalb d. Grenze v. 30 Jahren stehen Verjährungsfristen zur Disposition d. Parteien

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Die Reform hat zusätzlich eine Reihe von besonderen Verjährungsfristen geschaffen oder doch verändert. Zu nennen sind die folgenden:

•Rechte an einem Grundstück: 10 Jahre

•Herausgabeansprüche aus dinglichen Rechten, familien- und erbrechtliche Ansprüche, rechtskräftig festegestellte Ansprüche, Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen und vollstreckbaren Urkunden, Ansprüche, die durch die in Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar sind: 30 Jahre

•Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und Unterhaltsansprüche einschließlich der Ansprüche auf einmaligen Sonderbedarf: Regelverjährung

•Kaufrechtliche Mängelansprüche: 30,5 oder 2 Jahre

•Rückgriffsansprüche beim Verbrauchsgüterverkauf: 2 Jahre

•Werkvertragliche Mängelansprüche: 5 oder 2 Jahre oder Regelverjährung

•Reisevertragliche Mängelansprüche: 2 Jahre

•Deliktischer Bereicherungsanspruch: 10 oder 30 Jahre

•Anspruch auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung: 30 Jahre

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3. Sicherung der Vertraulichkeit

•In Deutschland ist Vertraulichkeit d. Mediation nicht gesetzlich geregelt, deshalb nehmen Parteien Mediator, der Kraft Gesetzes zur Geheimhaltung vertraulicher Information verpflichtet ist (z. B. Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater u. Wirtschaftsprüfer)

•Vertraulichkeit sollte durch eine Vereinbarung im Mediationsvertrag sichergestellt werden, da Mediation entscheidend von einer offenen u. vertrauensvollen Kommunikation der Beteiligten untereinander u. mit dem Mediator abhängt

Der Inhalt solcher Vertraulichkeitsvereinbarungen zielt darauf ab, den Sachvortrag und die Beweismittel für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren zu beschränken. Es folgt ein kurzer Überblick, inwieweit dies prozessrechtlich zulässig ist.

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Im Zivilprozess

•Beteiligte können sich durch Prozessverträge gegenseitig verpflichten, Prozesshandlungen vorzunehmen oder zu unterlassen -> Vorbringen von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, Beweisführung durch Beweisantritt

•Gestaltungsfreiheit beschränkt durch gesetzliche Verbote, prozessuale Wahrheitspflicht, gute Sitten, Treu und Glauben sowie nicht disponible Interessen der Rechtspflege -> Vertraulichkeitsvereinbarungen haben Grenzen wo Einhaltung den Versuch eines Prozessbetrugs darstellen würde

•Im Rahmen dieser Grenzen hat Prozessvertrag keine gestaltende Wirkung auf Prozessrechtslage

•Zum Unterlassen bestimmter Handlungen verpflichtende Vertraulichkeitserklärungen geben dem jeweils Benachteiligten lediglich das Recht der Einrede -> jeweiliger Sachvortrag oder Beweisangebot unzulässig, sind nun unerheblich und bei etwaigen Gerichtsentscheidungen nicht zu berücksichtigen

In Verwaltungs- und Strafprozessen

•Herrscht Amtsermittlungsgrundsatz -> Vertraulichkeitsvereinbarungen d. Parteien auch unter Einschluss d. Mediators, sind unbeachtlich

•Daher können Verwaltungs- und Strafgerichte Zugriff auf in d. Mediation vorgelegte Urkunden nehmen und die Beteiligten d. Mediation als Zeugen vernehmen

•Zeugenvernehmung ist nur dort eingeschränkt wo gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte bestehen

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Umgang mit Experten und Gutachten in der

Mediation

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Umgang mit Gutachten

Schuldfrage – Zukunftsorientierung:

•Thema und Funktion d. Gutachtens muss in die Mediation integriert werden und mediativen Prozess durchlaufen

•Beteiligte können dem Gutachten völlig neue Funktion geben, geht dann nicht mehr darum, einen externen Experten urteilen und entscheiden zu lassen

•Gutachten soll Ansatzpunkte für zukunftsorientierte Lösungen und Regelungen erkennen lassen, die von Beteiligten gefunden werden müssen

Fragen an Gutachter:

•Fragen kommen zentrale Bedeutung für Mediationsprozess zu

•In Fragen muss bereits zukunftsorientierte Nutzung d. Gutachtens für den anstehenden Konflikt sichtbar werden

Konsequenzen/Umgang mit Gutachtenergebnis:

•bei Konfliktbeteiligte sollte Einheit darüber herrschen, wie mit Ergebnissen des Gutachtens umgegangen werden soll

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Wer soll bestellt werden?:

•Alle Konfliktbeteiligte müssen sich auf einen oder mehrere Gutachter bzw. Experten einigen

•Einigungsprozess ist unabdingbar, wenn nachher Ergebnisse d. Gutachtens von allen vorgetragen werden sollen

Zeitrahmen:

•Gutachten nimmt immer gewisse Zeit in Anspruch, Mediator muss sich Gedanken machen, wie dies sinnvoll zu nutzen ist und wie er es erreichen kann, dass in dieser Zeit Beteiligte nicht in alte Positionskämpfe zurückfallen

•Gutachten soll nicht Stellenwert eines klärenden Papiers bekommen -> Konfliktparteien muss klar sein, dass es in erster Linie um ihre Interessen und Bedürfnisse für ein zukünftige Regelung geht

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Selbstverständnis, Haltung und Ethik in der Mediation

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Perspektivenwechsel und Rolle der Mediatorin

Es müssen zwei Ansätze unterschieden werden:

1. Bei verhandlungsorientierten Ansatz: Rahmen d. Spiels verändern

2. Bei Transformationsansatz: Rahmen der Perspektive und Bewertung verändern

Rahmen des Spiels verändern:

•Prallen in Auseinandersetzung nur Positionen aufeinander, muss Mediator um Spiel zu ändern, Rahmen ändern

•Mediator muss Fragen so formulieren, dass auf gemeinsames Problemlösen hinwirken

•Nützlich, Parteien zu Fragen, wie sie das Problem d. anderen sehen und wie sie reagieren würden

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Taktiken des Reframing für die jeweiligen Konfliktpartner im Falle unkooperativen Verhandelns:

•Blockierungen umgehen:

-Blockierungen ignorieren

-Blockierungen als Inspiration uminterpretieren

-Blockierungen ernst nehmen aber testen.

•Attacken ausweichen:

-Attacken ignorieren

-Attacken auf die eigene Person als Attacke auf das gemeinsame Problem uminterpretieren

-Attacken auf die eigene Person als freundlich uminterpretieren

-Von Vorwürfen über eigene Fehler in der Vergangenheit zu zukünftigen Vorgehen überleiten

In diesem Zusammenhang bedeutet Reframing, egal was die andere Konfliktpartei sagt oder tut, dieses auf das gemeinsame Problem zu beziehen. Damit ändert man den Verhandlungsstil vom Aushandeln von Positionen zum problemlösenden Verhandeln.

Der Mediator stellt die Themen in einen veränderten Rahmen, so dass neue Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen ihnen sichtbar werden. Dieses ist insbesondere dann notwendig, wenn die Verhandlung an einem toten Punkt angekommen ist.

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Rahmen der Perspektive und der Bewertung verändern:

• Stellt weniger Verhandlung oder Aushandeln best. Positionen u. Interessen in Mittelpunkt, sondern vielmehr Perspektiven d. Beteiligten

• Bewertungsmaßstäbe der Konfliktparteien verändern sich teilweise

• Mediator versucht damit, Konfliktparteien Raum zu geben, in welchen sie Verständnis über die sozialen Kontexte, in denen sie sich bewegen, lernen können -> zielt in erster Linie auf langfristige Entwicklung v. Beziehungen u. weniger auf kurzfristige Lösungen aktueller Probleme

Die Rolle der Mediatorin

• bei Transformationsansatz deutlich passiver als bei verhandlungsorientiertem Ansatz

• Ermutigt Konfliktbeteiligte, ihre Handlungs- und Wahlmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Optionen, Ziele u. Ressourcen reflexiv zu erkennen und unterstützt sie, ihre Interessen u. Bedürfnisse selbst zu definieren u. andere Konfliktparteien anzuerkennen

• Form d. Perspektivenwechsels geht in Tragweite deutlich über integrative Verhandlungsoptionen d. problemlösungsorientierten Ansatz hinaus

• Vollkommener Sichtwechsel d. Beteiligten

• Gemeinsame Regelungen können gefunden werden, die alle Seiten als Gewinn betrachten, während dieser in der Ausgangssituation keinen solchen dargestellt hätte

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•Transformationsansatz in Mediation eröffnet gegenüber verhandlungs- u. lösungsorientierten Ansatz die beteiligten Parteien in ihrem Konfliktverhalten zu verändern u. Prozesse des gemeinsamen Lernens hin zu grundlegenden Veränderungen zu initiieren

•Ziel des Aufbaus kooperativer Beziehungen kann sich besser mit Transformationsansatz nähern

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Allgemeine Standards der Mediation

I. Selbstbestimmung/Eigenverantwortlichkeit der Konflikparteien

•Fundamentales Prinzip

•Voraussetzung: Parteien können prinzipiell eine freiwillige, nicht erzwungene Vereinbarung erreichen; jede Konfliktpartei kann sich jederzeit aus dem Mediationsverfahren zurückziehen

•Mediatoren können:

-Informationen zum Mediationsprozess zur Verfügung stellen,

-Themen vorschlagen

-bei der Untersuchung von Optionen helfen

-entsprechend guter Praxis die Parteien auf die Möglichkeit und Notwendigkeit hinweisen, professionellen Rat in Anspruch zu nehmen, um informierte Entscheidungen zu treffen

II. Unparteilichkeit

•Mediatorinnen sollten nur solche Fälle annehmen, in denen sie unparteiisch und ausgewogen sein können. Sollte sich der Mediator an irgendeiner Stelle im Prozess dazu nicht in der Lage sehen, so ist er verpflichtet, den Fall abzugeben.

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III. Keine Interessenkonflikte zwischen der Tätigkeit als Mediator und persönlichen Zielen

•Ein Mediator sollte alle möglichen Interessenkonflikte im Zusammenhang seiner Tätigkeit aufdecken

•Ein Interessenkonflikt kann den Eindruck von Parteilichkeit erwecken

•Der Umgang mit möglichen Interessenkonflikten entspricht dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Parteien: Nachdem der Mediator einen möglichen Konflikt offen gelegt hat, soll es den Konfliktparteien überlassen bleiben, ob sie den Mediator behalten wollen. Das gilt auch für Interessenkonflikte aufseiten des Mediators, die während des Verfahrens auftreten.

•Der Eindruck einer Interessenkollision sollte während und nach einem Mediationsverfahren vermieden werden. Der Mediator sollte auch im Anschluss an eine Mediation eine berufliche oder andere Art der Verbindung mit einer der Konfliktparteien vermeiden, die begründete Zweifel an der Integrität der Mediationsprozesses aufwirft.

•Ein Mediator sollte Interessenkonflikte z. B. bei der Empfehlung von Gutachtern und Beratern vermeiden, indem auf öffentlich zugängliche Verteiler, Informationsdienste und Netzwerke verwiesen wird

•Mediatoren können von Auftraggebern oder anderen Verantwortlichen unter Druck gesetzt werden, um einen bestimmten Fall zu regeln. Mediatoren dürfen immer nur den Parteien und dem Prozess verpflichtet sein. Druck von außen sollte Mediatoren niemals so beeinflussen, dass sie eine Einigung erzwingen.

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IV. Kompetenz: Eine Mediatorin sollte nur in dieser Funktion tätig werden, wenn sie die notwendigen Qualifikationen hat, um die angemessenen Erwartungen der Konfliktparteien zu erfüllen

•Jede Person kann als Mediatorin ausgewählt werden, vorausgesetzt die Konfliktparteien sind mit den Qualifikationen der Mediatorin zufrieden.

•Eine Ausbildung und Erfahrung in der Mediation sind aber in der Regel Voraussetzung für effektive Mediation.

•Eine Person, die sich als Mediatorin anbietet, vermittelt den Konfliktparteien und der Öffentlichkeit den Eindruck, dass sie die Kompetenz hat, effektiv zu vermitteln.

•Mediatorinnen sollten den Parteien Informationen über ihre Ausbildung und Erfahrung zur Verfügung stellen können.

•Die Kriterien für die Aufnahme in einem Verzeichnis von Mediatorinnen müssen öffentlich zugänglich gemacht werden.

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V. Vertraulichkeit

•Ein Mediator sollte die angemessenen Erwartungen der Parteien an Vertraulichkeit einhalten. Diese Erwartungen hängen von dem Umständen des Mediationsverfahrens und den Vereinbarungen ab, die sie möglicherweise eingehen. Ein Mediator sollte keine Dinge offen legen, die nach den Erwartungen einer Partei vertraulich sind, es sei denn, alle Konfliktparteien haben ihr Einverständnis erklärt oder falls der Mediator gesetzlich oder durch politische Entscheidungen dazu gezwungen ist.

•Die Konfliktparteien können ihre eigenen Spielregeln zur Vertraulichkeit entwickeln oder ihre Erwartungen nach der akzeptierten Praxis des ausgewählten Mediators richten.

•Wenn der Mediator Einzelgespräche mit einer Partei durchführt, sollte die Diskussion über den Hintergrund dieser Gespräche Priorität vor dem eigentlichen Caucus haben.

•Um die Integrität der Mediation zu gewährleisten, sollte der Mediator möglichst nicht darüber informieren, wie sich die Parteien in der Mediation verhalten haben oder welche Angebote für eine Einigung sie gemacht haben. Der Mediator kann nötigenfalls berichten, ob die Parteien zu einer angesetzten Mediationssitzung erschienen sind oder nicht.

•Der Mediator sollte respektieren, wenn sich die Parteien darauf einigen, bestimmte, in der Mediation aufgedeckte Informationen vertraulich zu behandeln.

•Vertraulichkeit sollte nicht vorgeschützt werden, um effektives Monitoring, Begleitforschung oder Auswertung von Mediationsprozessen durch verantwortungsvolle Personen zu verhindern. Unter angemessenen Umständen sollten Forscher Zugang zu statistischen Daten erhalten und nach Zustimmung durch die Konfliktparteien Mediationssitzungen beobachten und Teilnehmerinnen und Teilnehmer interviewen können.

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VI. Qualität des Prozesses: Fairness, Sorgfalt, Eigenverantwortlichkeit

•Mediatorin sollte mit Ziel d. Qualitätssicherung d. Prozesses arbeiten u. den gegenseitigen Respekt zwischen Konfliktparteien fördern. Prozessqualität erfordert, dass sich Mediator fleißiger Sorgfalt u. prozeduraler Fairness verpflichtet fühlt. Jede Konfliktpartei sollte angemessen Gelegenheit haben, sich an Diskussion in Mediation zu beteiligen. Konfliktparteien entscheiden, wann und unter welchen Bedingungen sie eine Vereinbarung erreichen o. Mediation beenden.

•Eine Mediatorin sollte einen Fall nur übernehmen, wenn sie in der Lage ist, dem Ganzen die Aufmerksamkeit zu widmen, die für eine effektive Mediation notwendig ist.

•Ein Mediationsfall sollte nur angenommen werden, wenn die Mediatorin die Erwartungen der Konfliktparteien an ein angemessenes „Timing“ erfüllen kann. Eine Mediatorin sollte nicht zulassen, dass das Verfahren durch die Konfliktparteien oder ihre Repräsentanten unangemessen verzögert wird.

•Die vorrangige Rolle der Mediatorin besteht darin, die freiwillige Einigung der Parteien zu erleichtern. Diese Rolle unterscheidet sich deutlich von anderen professionellen Klientenbeziehungen. Mediatorinnen müssen die Rolle einer Mediatorin und die einer professionellen Beraterin deutlich unterscheiden und dürfen diese nicht mischen. Eine Mediatorin sollte daher keinen beruflichen Rat geben.

•Wenn dies angemessen ist, sollte die Mediatorin den Parteien empfehlen, außerhalb des Verfahrens professionelle Beratung einzuholen oder ihren Konflikt ggf. durch ein Schiedsverfahren, Beratung oder andere Prozesse zu regeln. Eine Mediatorin, die auf Anfrage der Parteien hin eine zusätzliche Rolle zur Konfliktklärung in der selben Sache übernimmt, nimmt zusätzliche Verantwortungen und Verpflichtungen an, die von den Standards andere Professionen geregelt werden.

•Eine Mediatorin sollte einen Fall abgeben, wenn sie nicht zur Erfüllung der Aufgabe in der Lage ist und nicht allparteilich sein kann.

•Eine Mediatorin sollte eine Mediation beenden oder eine Sitzung vertagen, wenn das Verfahren zur Fortführung illegaler Praktiken benutzt wird oder eine Partei auf Grund von Drogen oder anderen physischen oder mentalen Problemen nicht teilnehmen kann.

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•Mediatorinnen sollten nicht zulassen, dass ihr Verhalten im Mediationsprozess von dem Wunsch nach einer hohen Einigungsrate geleitet wird.

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VII. Ehrlichkeit in Werbung und Öffentlichkeitsarbeit

•Werbung oder andere Arten der Öffentlichkeitsarbeit, die das Angebot, die Ausbildung und Erfahrung eines Mediators betreffen, sollen wahrheitsgemäß sein. Mediatoren sollten keine Versprechungen oder Ergebnisgarantien machen.

•Es ist notwendig, dass Öffentlichkeitsarbeit aufklärt, Mediation nahe bringt und das Vertrauen in den Prozess fördert.

•Ein Mediator sollte in Werbung und Öffentlichkeitsarbeit nur Bezug auf Qualifikationen nach Standards bestimmter Regionen, des Staates oder privater Organisationen nehmen, wenn diese Institutionen klare Ausbildungs- und Qualifikationsprogramme für Mediatoren haben und der Mediator diese auch erfüllt.

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VIII. Gebühren: Ein Mediator sollte den Parteien die Grundlagen für Entschädigungen und Gebühren vollständig offen legen und erklären

•Den Parteien sollten ausreichend Informationen über Gebühren und Rahmenbedingungen der Mediation zur Verfügung stehen, damit sie über die Beauftragung eines Mediators entscheiden können. Wenn ein Mediator Gebühren erhebt, sollten diese angemessen sein u. a. bezogen auf die Mediationsleistung selbst, die Art und Komplexität des Falles, die Erfahrung des Mediators, den notwendigen Zeitaufwand und die in dem Umfeld üblichen Raten. Die bessere Praxis für Klarheit über Gebühren besteht darin, die Einigung schriftlich festzuhalten.

•Wenn ein Mediator ein Verfahren beendet, sollte er alle nicht verdienten Gebühren an die Parteien zurückzahlen.

•Mediatoren sollten sich nicht auf Gebührenverträge einlassen, die vom Ergebnis der Mediation oder der Höhe einer in der Vereinbarung erzielten Summe abhängen.

•Co-Mediatoren, die sich die Gebühren teilen, sollten sich bei der Festlegung der Gebührenaufteilung an Standards der Angemessenheit halten

•Ein Mediator sollte keine Provision akzeptieren für die Überweisung eines Falles an einen anderen Mediator oder eine andere Person.

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IX. Verpflichtungen gegenüber dem Mediationsprozess

•Mediatorinnen sind der Verbesserung der Mediationspraxis verpflichtet.

•Von Mediatorinnen wird erwartet, dass sie kompetent hinsichtlich des Mediationsprozesses sind. Sie sind verpflichtet, ihr Wissen für die Aufklärung der Öffentlichkeit über Mediation einzusetzen, Mediation für diejenigen zugänglich zu machen, die sie nutzen wollen, gegen Missbrauch vorzugehen und ihre professionellen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern.

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Standards deutscher Mediationsverbände

•In Deutschland existieren noch keine allgemein anerkannten Standards

•Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM), Bundesverband für Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt (BMWA), Förderverein Umweltmediation e. V., Gesellschaft für Wirtschaftsmediation (GWMK), Deutsche Gesellschaft für Mediation (DGM), Deutsche Gesellschaft für Wirtschaftsmediation (DGWM), Bundesverband Mediation e. V. (BM), usw. haben Standard u. z. T. auch Ausbildungsrichtlinien abgeschlossen -> orientieren sich an amerikanischen Leitlinien

•Unterschied: Ausbildungsrichtlinien u. Anerkennung v. Ausbildungsinstitutionen -> ist in USA sehr viel weniger reguliert als in Deutschland gefordert

•Es ist umstritten wie umfangreich die Grundbildung sein soll, um kompetente Mediatoren qualifizieren zu können

•Umfang von Mediationsfortbildungen variiert von 3 Tagen bis zu mehr als 360 Stunden

•Überlegenswert wäre es derzeit, ob die in letzten Jahren gesprossenen Verbände nicht fusionieren könnten, um Interessen und Anliegen sowie Finanzkraft zu bündeln u. einheitlich Standards und Fortbildungskriterien zu entwickeln.

•Positives Vorbild: Kooperation zwischen American Bar Association (ABA) und SPIDR, dem Mediatoren-Berufsverband, dem viele Nicht-Juristische Mediatoren angehören.

Stand heute:

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