10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f=...

6
¨ Ubungen zur T1: Theoretische Mechanik, SoSe2013 Prof. Dr. Dieter L¨ ust Theresienstr. 37, Zi. 425 Dr. James Gray [email protected] 10. Lagrange-Formalismus ¨ Ubung 10.1: Pendel an Federn Eine Punktmasse m 1 ist wie in die Abbildung durch zwei Federn an zwei W¨ anden befestigt. Die Ruhel¨ange der Federn entspricht gerade dem Fall, dass m 1 sich in der Mitte zwischen den anden befindet. Beide Federn haben die gleiche Federkonstante k, d. h. die R¨ uckstellkraft ist dem Betrage nach |F | = k|x|. Die Punktmasse m 1 darf sich nur waagerecht (entlang der x-Achse) bewegen. Es ist eine weitere Punktmasse m 2 mit einem masselosen Stab der L¨ ange l an m 1 befestigt. Die zweite Punktmasse kann in der x - z -Ebene unter dem Einfluss der homogenen Schwerkraft F G = -m 2 g ˆ e z schwingen. Der Auslenkungswinkel des Pendels ist ϕ. k k ϕ l F G z x m 1 m 2 Die Massen m 1 und m 2 sind durch einen Stab der L¨ ange l verbunden. W¨ ahrend m 1 ¨ uber zwei Federn mit Federkostanten k an den W¨ anden befestigt ist, kann m 2 an m 1 unter dem Einfluss der Gravitationskraft F G schwingen. a) W¨ahlen Sie geeignete verallgemeinerte Koordinaten und stellen Sie die Lagrange-Funktion auf. b) Leiten Sie die Bewegungsgleichungen ab. c) Nehmen Sie nun an, dass der Auslenkungswinkel ϕ klein ist. Zeigen Sie, dass sich beide Bewegungsgleichungen jeweils in der Form a ¨ q + bq = f (q 0 , ˙ q 0 , ¨ q 0 ) (1) schreiben lassen. Hier sind a und b konstante Koeffizienten, q ist die eine und q 0 die andere verallgemeinerte Koordinate. Beide Bewegungsgleichungen beschreiben eine getriebene Schwingung. L¨osungvon ¨ Ubung 10.1 1

Transcript of 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f=...

Page 1: 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f= ’ ’ 0 = 0 und die kr aftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion L= T= m 2 (_r2 +

Ubungen zur T1: Theoretische Mechanik, SoSe2013Prof. Dr. Dieter LustTheresienstr. 37, Zi. 425

Dr. James [email protected]

10. Lagrange-Formalismus

Ubung 10.1: Pendel an Federn

Eine Punktmasse m1 ist wie in die Abbildung durch zwei Federn an zwei Wanden befestigt.

Die Ruhelange der Federn entspricht gerade dem Fall, dass m1 sich in der Mitte zwischen denWanden befindet. Beide Federn haben die gleiche Federkonstante k, d. h. die Ruckstellkraftist dem Betrage nach |F | = k|x|. Die Punktmasse m1 darf sich nur waagerecht (entlang derx-Achse) bewegen. Es ist eine weitere Punktmasse m2 mit einem masselosen Stab der Langel an m1 befestigt. Die zweite Punktmasse kann in der x − z-Ebene unter dem Einfluss derhomogenen Schwerkraft FG = −m2gez schwingen. Der Auslenkungswinkel des Pendels ist ϕ.

Aufgaben 185

Mes

sung

...sind. Die Perle wird sich langfristig immer nach außen bewe-

gen, wenn nicht gerade ρ+ = 0 gilt.Die Zwangskraft lautet

Z = λ∇ f = 2mρωeϕ. (6.228)

Dies ist die Kraft, welche die Perle auf dem Stab hält undentspricht nicht der Zentrifugalkraft. Da sich die Perle freiin radialer Richtung bewegen kann, wird die Zentrifugalkraftdurch keine Zwangskraft kompensiert.Die Energiegleichung (6.36) führt wegen V = 0 auf

dTdt= −λ∂ f

∂t= 2mρρϕω = 2mρρω2. (6.229)

Die Energie nimmt daher stark zu, wenn sich die Perle radialnach außen bewegt.

2. Die Lagrange-Funktion lautet wegen V = 0 in Zylinderko-ordinaten

L = T =m2

�ρ2 + ρ2ω2

�. (6.230)

Es gibt nur einen Freiheitsgrad und mit ρ nur eine verallge-meinerte Koordinate. Die Bewegungsgleichung kann direkthingeschrieben werden:

mρ = mρω2. (6.231)

Dies entspricht bereits (6.226) aus dem ersten Aufgabenteil.Die Lösung der Bewegungsgleichung muss selbstverständ-lich nicht wiederholt werden.Wie sieht es aber mit der Energieerhaltung im Formalis-mus der Lagrange-Gleichungen zweiter Art aus? Hier sollan (6.102) erinnert werden. Da die Zwangsbedingung f =ϕ − ωt = 0 nicht skleronom ist,

∂ f∂t= −ω � 0, (6.232)

entspricht die Hamilton-Funktion nicht der Energie. Dennochist die Hamilton-Funktion (6.102) eine Erhaltungsgröße, dadie Lagrange-Funktion nicht explizit von der Zeit t abhängt.Wir haben im ersten Aufgabenteil schon gesehen, dass dieEnergie nicht erhalten wird, da die Zwangskraft Arbeit amSystem leistet.

6.2 •• Pendel an Federn Eine Punktmasse m1 ist wie inAbbildung 6.10 durch zwei Federn an zwei Wänden befestigt.Die Ruhelänge der Federn entspricht gerade dem Fall, dass m1

sich in der Mitte zwischen den Wänden befindet. Beide Federnhaben die gleiche Federkonstante k, d. h. die Rückstellkraft istdem Betrage nach |F| = k|x|. Die Punktmasse m1 darf sich nurwaagerecht (entlang der x-Achse) bewegen. Es ist eine weiterePunktmasse m2 mit einem masselosen Stab der Länge l an m1

befestigt. Die zweite Punktmasse kann in der x-z-Ebene unterdem Einfluss der homogenen Schwerkraft FG = −m2gez schwin-gen. Der Auslenkungswinkel des Pendels ist ϕ.

k kϕ

lF G

z

xm1

m2

Abbildung 6.10 Die Massen m1 und m2 sind durch einen Stab der Längel verbunden. Während m1 über zwei Federn mit Federkostanten k anden Wänden befestigt ist, kann m2 an m1 unter dem Einfluss der Gra-vitationskraft FG schwingen.

1. Wählen Sie geeignete verallgemeinerte Koordinaten und stel-len Sie die Lagrange-Funktion auf.

2. Leiten Sie die Bewegungsgleichungen ab.3. Nehmen Sie nun an, dass der Auslenkungswinkel ϕ klein ist.

Zeigen Sie, dass sich beide Bewegungsgleichungen jeweilsin der Form

aq + bq = f (q�, q�, q�) (6.233)

schreiben lassen. Hier sind a und b konstante Koeffizienten,q ist die eine und q� die andere verallgemeinerte Koordinate.Beide Bewegungsgleichungen beschreiben eine getriebeneSchwingung. Dies wird in Kapitel 7 genauer diskutiert.

Hinweis:

Resultat:

ausführliche Lösung:

1. Wir wählen die Koordinaten so, dass die Punktmasse m1 imGleichgewicht x = 0 und z = 0 erfüllt. Die y-Koordinatespielt hier keine Rolle. Es gibt mit x und ϕ zwei Freiheits-grade. Die Koordinaten der beiden Punktmassen lauten

x1 =

�x0

�, x2 =

�x + lsin ϕ−lcos ϕ

�. (6.234)

Daraus ergeben sich die Geschwindigkeiten

x1 =

�x0

�, x2 =

�x + lϕcos ϕ

lϕsin ϕ

�. (6.235)

Die kinetische Energie lautet

T =m1

2x2 +

m2

2

�x2 + l2ϕ2 + 2lxϕcos ϕ

�. (6.236)

Die Auslenkung x der ersten Punktmasse hängt mit der inden Federn gespeicherten potentiellen Enregie zusammen:

V1 =k2

x2 +k2

x2 = kx2. (6.237)

Theoretische Physik

Die Massen m1 und m2 sind durch einen Stab der Lange l verbunden. Wahrendm1 uber zwei Federn mit Federkostanten k an den Wanden befestigt ist, kannm2 an m1 unter dem Einfluss der Gravitationskraft FG schwingen.

a) Wahlen Sie geeignete verallgemeinerte Koordinaten und stellen Sie die Lagrange-Funktionauf.

b) Leiten Sie die Bewegungsgleichungen ab.

c) Nehmen Sie nun an, dass der Auslenkungswinkel ϕ klein ist. Zeigen Sie, dass sich beideBewegungsgleichungen jeweils in der Form

aq + bq = f(q′, q′, q′) (1)

schreiben lassen. Hier sind a und b konstante Koeffizienten, q ist die eine und q′ die andereverallgemeinerte Koordinate. Beide Bewegungsgleichungen beschreiben eine getriebeneSchwingung.

Losung von Ubung 10.1

1

Page 2: 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f= ’ ’ 0 = 0 und die kr aftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion L= T= m 2 (_r2 +

a) Wir wahlen die Koordinaten so, dass die Punktmasse m1 im Gleichgewicht x = 0 und z = 0erfullt. Die y-Koordinate spielt hier keine Rolle. Es gibt mit x und ϕ zwei Freiheitsgrade.Die Koordinaten der beiden Punktmassen lauten

x1 =

(x0

)und x2 =

(x+ l sinϕ−l cosϕ

).

Daraus ergeben sich die Geschwindigkeiten

x1 =

(x0

)und x2 =

(x+ lϕ cosϕlϕ sinϕ

).

Die kinetische Energie lautet

T =m1

2x2 +

m2

2

(x2 + l2ϕ2 + 2lxϕ cosϕ

).

Die Auslenkung x der ersten Punktmasse hangt mit der in den Federn gespeicherten po-tentiellen Enregie zusammen:

V1 =k

2x2 +

k

2x2 = kx2 .

Die zweite Punktmasse bewegt sich im homogenen Schwerefeld und hat die potentielleEnergie

V2 = −m2gl cosϕ .

Es ergibt sich die Lagrange-Funktion

L =m1 +m2

2x2 +

m2

2l2ϕ2 +m2l(xϕ+ g) cosϕ− kx2 . (2)

b) Aus der Lagrange-Funktion (2) folgen die Bewegungsgleichungen

d

dt[(m1 +m2)x+m2lϕ cosϕ] + 2kx = 0

und

d

dt

[m2l

2ϕ+m2lx cosϕ]

+m2l(xϕ+ g) sinϕ = 0 .

Nach Ausfuhrung der Zeitableitung verbleiben die Gleichungen

(m1 +m2)x+m2lϕ cosϕ−m2lϕ2 sinϕ+ 2kx = 0

und

lϕ+ x cosϕ+ g sinϕ = 0 .

c) Kleine Winkel bedeuten, dass die trigonometrischen Funktionen entwickelt werden konnen:

sinϕ ≈ ϕ und cosϕ ≈ 1 .

2

Page 3: 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f= ’ ’ 0 = 0 und die kr aftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion L= T= m 2 (_r2 +

Die Bewegungsgleichung fur x nimmt dann die folgende Form an:

(m1 +m2)x+ 2kx = m2l(ϕ2ϕ− ϕ) . (3)

Entsprechend erhalt man fur ϕ

lϕ+ gϕ = −x . (4)

Beide Gleichungen haben die Form (1). Die Bewegungsgleichungen sind nicht einfach zulosen, da sie eng miteinander gekoppelt sind: Die Argumente auf den rechten Seiten von(3) und (4) erhalten jeweils die andere Koordinate, (3) sogar den nicht-linearen Term ϕ2ϕ.

Ubung 10.2: Bewegungsgleichungen in Kugelkoordinaten aus dem Lagrange-Formalismus

a) Stellen Sie die Bewegungsgleichungen einer Punktmasse in Kugelkoordinaten auf. NutzenSie dazu den Lagrange-Formalismus. Das Potenzial soll dabei eine allgemeine FunktionV (r, θ, φ) sein.

b) Eine Punktmasse bewege sich in einem radialsymmetrischen Potenzial V (r). Allerd-ings ist ihre Bewegung durch eine Zwangsbedingung nur auf einer Kegeloberflache mitOffnungswinkel θ = θ0 moglich. Stellen Sie die Bewegungsgleichungen fur dieses Problemauf. Zeigen Sie, dass die Radialgleichung in der Form

mr = −∂Veff

∂r

geschrieben werden kann. Wie lautet das effektive Potenzial Veff?

c) Uberlegen Sie sich den Fall,dass die Zwangsbedingung nicht zu einer Bewegung auf einemKegel fuhrt, sondern zu einer Bewegung auf einer Ebene mit φ = φ0. Stellen Sie dieBewegungsgleichungen auf und losen Sie sie fur die kraftefreie Bewegung in der Form r(θ).Welche Gestalt hat die resultierende Bahnkurve? (Diese letzte Frage lasst sich auch direktdurch Nachdenken beantworten.)

Losung von Ubung 10.2

a) Die Koordinaten der Punktmasse in Kugelkoordinaten lauten

x1 = r sin θ cosϕ , x2 = r sin θ sinϕ und x3 = r cos θ .

Es gibt keine Zwangsbedingungen; es mussen also alle drei Koordinaten (r, θ, ϕ) berucksichtigtwerden. Um die kinetische Energie T in Kugelkoordinaten zu erhalten, mussen die erstenZeitableitungen bestimmt werden. Dabei hangen sowohl r, θ, als auch ϕ von der Zeit ab.Das Ergebnis ist

x1 = r sin θ cosϕ+ rθ cos θ cosϕ− rϕ sin θ sinϕ ,

x2 = r sin θ sinϕ+ rθ cos θ sinϕ+ rϕ sin θ cosϕ ,

x3 = r cos θ − rθ sin θ .

3

Page 4: 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f= ’ ’ 0 = 0 und die kr aftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion L= T= m 2 (_r2 +

Die kinetische Energie lautet

T =m

2(x2

1 + x22 + x2

3)

=m

2

[r2 + r2(θ2 + ϕ2 sin2 θ)

].

Der Umformungsschritt besteht vor allem aus Fleissarbeit und mehrfacher Anwendungder Identitat sin 2x+ cos 2x = 1, bereitet aber keine konzeptionellen Schwierigkeiten. Manerkennt, dass keine gemischten Terme wie rθ oder θϕ auftreten. Die Lagrange-Gleichungenfur r, θ und ϕ sind

d

dt(mr)−mr(θ2 + ϕ2 sin2 θ) = −∂V

∂r,

d

dt(mr2θ)−mr2ϕ2 sin θ cos θ = −∂V

∂θ,

d

dt(mr2ϕ sin2 θ) = −∂V

∂ϕ.

b) Die Zwangsbedingung ist holonom und lautet

f = θ − θ0 = 0

Glucklicherweise ist sie mit den Kugelkoordinaten vertraglich. Allerdings gibt es nur nochzwei unabhangige Parameter: den Radius r und den Azimutwinkel ϕ. Da θ nicht mehrzu den generalisierten Koordinaten gehort, sind einfach alle Terme θ aus der Lagrange-Funktion zu streichen, und θ ist durch die Konstante θ0 zu ersetzen. Dies fuhrt auf

L =m

2(r2 + r2ϕ2 sin2 θ0)− V (r) .

Die Bewegungsgleichungen lauten demnach

d

dt(mr)−mr(ϕ2 sin2 θ0) = −∂V

∂rund

d

dt(mr2ϕ sin2 θ0) = 0 .

Der konjugierte Impuls pϕ = mr2ϕ sin2 θ0 ist erhalten und kann verwendet werden, um ϕaus der Bewegungsgleichung fur r zu eliminieren:

mr −p2ϕ

mr3 sin2 θ0

= −∂V∂r

.

Wir schreiben diese Gleichung als

mr = −∂Veff

∂r

mit dem effektiven Potenzial

Veff = V (r) +p2ϕ

2mr2 sin2 θ0

.

4

Page 5: 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f= ’ ’ 0 = 0 und die kr aftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion L= T= m 2 (_r2 +

c) Fur die Zwangsbedingung

f = ϕ− ϕ0 = 0

und die kraftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion

L = T =m

2(r2 + r2θ2) .

Hier sind r und θ die beiden unabhangigen Koordinaten. Entsprechend findet man schnelldie Bewegungsgleichungen

d

dt(mr)−mrθ2 = 0 ,

d

dt(mr2θ) = 0 .

Hier ist θ zyklisch und der konjugierte Impuls pθ = mr2θ erhalten. Die Radialgleichungvereinfacht sich zu

mr = − d

dr

p2θ

2mr2.

Nach Multiplikation mit r = dr/dt lasst sich dies zu

m

2r2 = − p2

θ

2mr2+ C

aufintegrieren. Wie diese Gleichung zu losen ist, zeigt der Abschnitt 3.3 im Skripthttp://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose 13/T1/mechanikskript.pdfund es ergibt sich

θ − θ′0 = − arcsinpθ/r√2mC

.

Hier ist θ′0, neben C, eine weitere Integrationskonstante. Leicht umgeformt lautet dieallgemeine Losung somit

r cos(θ − θp) =pθ√2mC

, (5)

wobei θp der Winkel ist, bei dem die Punktmasse den kleinsten Abstand vom Ursprungbesitzt. Anhand von Abbildung (2.15) inhttp://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose 13/T1/mechanikskript.pdfsieht man, dass (5) eine Gerade in Kugelkoordinaten beschreibt. Sie liegt in der Ebene,die durch ϕ = ϕ0 festgelegt ist und lauft im Abstand pθ/

√2mC am Ursprung vorbei.

Dass es sich um eine Gerade handelt, liegt auf der Hand: Die kraftefreie Bewegung einerPunktmasse in einer Ebene kann nur entlang einer Gerade erfolgen.

Ubung 10.3: Pendel mit variabler Fadenlange

Stellen Sie sich zunachst eine spharisches Pendel vor (diese Art von Pendel wird im Skript

http://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose 13/T1/mechanikskript.pdfausfuhrlich vorgestellt.

5

Page 6: 10. Lagrange-Formalismus Ubung 10.1: Pendel an Federn · PDF filec)Fur die Zwangsbedingung f= ’ ’ 0 = 0 und die kr aftefreie Bewegung ist die Lagrange-Funktion L= T= m 2 (_r2 +

Messung

...

156 6 Lagrange-Formalismus und Variationsrechnung

verallgemeinerten Koordinaten werden noch eine wichtige Rollespielen.

Bewegung auf Kugeloberfläche

Für die Bewegung auf einer Kugeloberfläche mit Radius Rlauten die drei kartesischen Koordinaten einer Punktmasse

x1 = Rsin ϑcos ϕ, x2 = Rsin ϑsin ϕ, x3 = Rcos ϑ.(6.9)

Da R konstant ist, gilt xi = xi(ϑ,ϕ), und die beiden unabhän-gigen Parameter können als q1 = ϑ ∈ [0, π) und q2 = ϕ ∈[0, 2π) repräsentiert werden. Offensichtlich werden q1 undq2 nicht durch die Zwangsbedingung beeinflusst. Sie eignensich daher als generalisierte Koordinaten für das Problem.

Achtung: Man spricht hier von verallgemeinerten Koordina-ten, da die q j nicht auf kartesische Koordinaten beschränkt seinmüssen. So kann es sich bei den q j beispielsweise um Winkelhandeln. In der Regel lassen sich die generalisierten Koordinatennicht zu Vektoren wie xi zusammenfassen. Es wird stattdessenbevorzugt, die 3N − r generalisierten Koordinaten als skalareGrößen zu behandeln.

Das sphärische Pendel

Anhand des sphärischen Pendels lässt sich die Problematik derZwangsbedingungen und Zwangskräfte sowie eines Lösungsver-fahrens anschaulich darstellen. Beim sphärischen Pendel handeltes sich um eine Punktmasse m, die sich unter dem Einfluss derSchwerkraft FG = mg = −mge3 auf der Oberfläche einer Kugelmit Radius R bewegt (siehe Abbildung 6.2). Man kann sich bei-spielsweise vorstellen, dass die Punktmasse an einem masselo-sen Faden der Länge R befestigt ist. Der Ursprung O liege imMittelpunkt der Kugel, daher lautet die holonome Zwangsbe-dingung

f (x(t)) = x2(t) − R2 = 0. (6.10)

Hier wurde berücksichtigt, dass die Bahnkurve x(t) eine Funk-tion der Zeit ist. Da die Zeitabhängigkeit nur implizit über dieBahnkurve x(t) in (6.10) eingeht, handelt es sich um eine skle-ronome Zwangsbedingung. Eine rheonome Zwangsbedingungläge beispielsweise vor, wenn der Kugelradius selbst eine Funk-tion der Zeit wäre, also R = R(t). Dies wird in Aufgabe 6.4aufgegriffen.

Im Folgenden schreiben wir die Zeitabhängigkeiten nicht mehrexplizit an. Die ersten beiden Zeitableitungen der Zwangsbedin-gung lauten

f (x) = 2x · x = 0, f (x) = 2x2 + 2x · x = 0. (6.11)

�e3

R

F G = −mg�e3

O

Abbildung 6.2 Das sphärische Pendel kann man sich als eine Punkt-masse vorstellen, die zu einem Aufhängepunkt (Ursprung O) den kon-stanten Abstand R besitzt. Das Pendel kann unter dem Einfluss derSchwerkraft schwingen.

Da die Zwangsbedingungen zu allen Zeiten gelten, erfüllen dieAnfangsbedingungen

x20 − R2 = 0, x0 · v0 = 0, (6.12)

wobei v = x die Geschwindigkeit ist. Wir wissen, dass die Bewe-gung einer freien Punktmasse durch drei Differenzialgleichun-gen zweiter Ordnung beschrieben wird, deren vollständige Inte-gration sechs Parameter (z. B. in Form von Anfangsbedingun-gen) benötigt. Wegen (6.12) bleiben davon allerdings nur vierunabhängige übrig.

?Überlegen Sie sich anhand von (6.12), dass die Anfangsge-schwindigkeit v0 tangential zur Kugeloberfläche verläuft.

Offensichtlich steht die Zwangsbedingung (6.10) im Wider-spruch zur Lösung der Newton’schen Bewegungsgleichung einerPunktmasse im Schwerefeld,

x(t) =12

gt2 + v0t + x0. (6.13)

Wir müssen daher eine Zwangskraft Z einführen, um dieBewegungsgleichung mit der Zwangsbedingung kompatibel zumachen; wir schreiben

mx = mg + Z. (6.14)

Diese Zwangskraft kann nur von dem Faden auf die Punktmasseausgeübt werden und muss entlang des Fadens wirken. Da wirallerdings noch nicht wissen, welchen Betrag die Zwangskrafthat, notieren wir

Z = 2λx. (6.15)

Man nennt den Proportionalitätsfaktor λ einen Lagrange-Multiplikator. Der Grund für den zusätzlichen Faktor 2 wird

Theoretische Physik

Das spharische Pendel kann man sich als eine Punktmasse vorstellen, die zueinem Aufhangepunkt (Ursprung O) den konstanten Abstand R besitzt. DasPendel kann unter dem Einfluss der Schwerkraft schwingen.

Nun sei die Fadenlange nicht mehr konstant (wie in der Abbildung dargestellt), sondern sie istdurch die Funktion R = R(t) vorgegeben und somit zeitabhangig.

a) Bestimmen Sie die Lagrange-Funktion in Kugelkoordinaten. Nutzen Sie dazu die Ergeb-nisse aus der vorangegangenen Aufgabe.

b) Geben Sie die Bewegungsgleichungen an. Was ist beim Aufstellen der Bewegungsgleichun-gen zu beachten (denken Sie dabei an die Anzahl der Freiheitsgrade)?

Losung von Ubung 10.3

Es kann zunachst direkt die Lagrange-Funktion in Kugelkoordinaten aufgeschrieben werden:

L = T − V =m

2[r2 + r2(θ2 + ϕ2 sin2 θ)]−mgr cos θ .

Bei der Aufstellung der Bewegungsgleichung ist zu beachten, dass nur θ und ϕ Freiheitsgradesind. Es gibt daher nur zwei Lagrange-Gleichungen. Obwohl der Radius und seine Zeitableitungin der Lagrange-Funktion auftritt, handelt es sich dabei um eine vorgegebene Funktion ohneFreiheit. Die Bewegungsgleichungen lauten

mr2θ + 2mrrθ = mr2ϕ2 sin θ cos θ +mgr sin θ

und

mr2ϕ sin2 θ + 2mr2ϕθ sin θ cos θ + 2mrrϕ sin2 θ = 0 .

6