Blatt 06.3: Lagrange-Formalismus { Zwangsbedingungen · Fakult at f ur Physik T1: Klassische...

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Fakult¨ at f¨ ur Physik T1: Klassische Mechanik, SoSe 2016 Dozent: Jan von Delft ¨ Ubungen: Benedikt Bruognolo, Sebastian Huber, Katharina Stadler, Lukas Weidinger http://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose_16/T1_theor_mechanik/ Blatt 06.3: Lagrange-Formalismus – Zwangsbedingungen Ausgabe: Freitag, 13.05.16; Abgabe: Freitag, 20.05.16, 13:00; Aufgrund des verl¨ angerten Pfingstwochenendes ist die Universit¨ at am Mo., den 16.05, und Di., den 17.05, geschlossen. Somit f¨ allt der ¨ Ubungsbetrieb (d.h. 90% der Tutorien) an diesen Tagen aus; deswegen wird es auch Mittwoch, den 18.05, keine Tutorien geben. Am Wochenende wird ein Video online gestellt werden, das die Beispielaufgaben f¨ ur Blatt 06 bespricht, und die entsprechenden Folien auf der ¨ Ubungsseite hinterlegt werden. (b)[2](E/M/A) bedeutet: Aufgabe (b) z¨ ahlt 2 Punkte und ist einfach/mittelschwer/anspruchsvoll Beispielaufgabe 1: Fallendes Scharnier [9] Punkte: (a)[3](E); (b)[3](E); (c)[2](M); (d)[1](E). Zwei masselose St¨ abe der L¨ ange l 1 = l 2 = l, in deren Mitte zwei Massepunkte der Masse m 1 = m 2 = m befestigt sind, seien mit einem reibunglosen, masselosen Scharnier verbunden und sind zun¨ acht auf einem Tisch so fixiert, dass jeder Stab einen Winkel θ = 30 mit der Tischoberfl¨ ache bildet. Zur Zeit t =0 wird die Fixierung der St¨ abe gel¨ ost, so dass die Stabenden reibungslos und in spiegelsymmetrischer Weise [d.h. mit gleichen Winkeln θ(t)] auf der Tischoberfl¨ ache auseinaner rutschen k¨ onnen. (a) ahlen Sie den Winkel θ als verallgemeinerte Koordinate und stellen Sie die Lagrangefunktion des Systems auf. (b) Stellen Sie die Lagrange-Gleichung zweiter Art f¨ ur den Winkel θ auf. Finden Sie durch einmalige Integration dieser Gleichung einen Ausdruck, der der erhaltenen Energie entspricht. (c) Finden Sie die Geschwindigkeit, mit der das Scharnier auf den Tisch auftrifft. (d) Geben Sie einen Integralausdruck f¨ ur die Zeit an, nach der das Scharnier auf den Tisch auftrifft. (Das Integral braucht nicht gel¨ ost zu werden.) Beispielaufgabe 2: Pendel mit frei beweglicher Aufh¨ angung [11] Punkte: (a)[2](E); (b)[2](M); (c)[2](M); (d)[2](E); (e)[1](E); (f)[1](E); (g)[1](E). 1

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Fakultat fur Physik

T1: Klassische Mechanik, SoSe 2016

Dozent: Jan von Delft

Ubungen: Benedikt Bruognolo, Sebastian Huber,

Katharina Stadler, Lukas Weidinger

http://www.physik.uni-muenchen.de/lehre/vorlesungen/sose_16/T1_theor_mechanik/

Blatt 06.3: Lagrange-Formalismus – Zwangsbedingungen

Ausgabe: Freitag, 13.05.16; Abgabe: Freitag, 20.05.16, 13:00;

Aufgrund des verlangerten Pfingstwochenendes ist die Universitat am Mo., den 16.05, und Di., den17.05, geschlossen. Somit fallt der Ubungsbetrieb (d.h. 90% der Tutorien) an diesen Tagen aus;deswegen wird es auch Mittwoch, den 18.05, keine Tutorien geben. Am Wochenende wird ein Videoonline gestellt werden, das die Beispielaufgaben fur Blatt 06 bespricht, und die entsprechendenFolien auf der Ubungsseite hinterlegt werden.

(b)[2](E/M/A) bedeutet: Aufgabe (b) zahlt 2 Punkte und ist einfach/mittelschwer/anspruchsvoll

Beispielaufgabe 1: Fallendes Scharnier [9]Punkte: (a)[3](E); (b)[3](E); (c)[2](M); (d)[1](E).

Zwei masselose Stabe der Lange l1 = l2 = l, in derenMitte zwei Massepunkte der Masse m1 = m2 = mbefestigt sind, seien mit einem reibunglosen, masselosenScharnier verbunden und sind zunacht auf einem Tischso fixiert, dass jeder Stab einen Winkel θ = 30◦ mit derTischoberflache bildet. Zur Zeit t = 0 wird die Fixierungder Stabe gelost, so dass die Stabenden reibungslos undin spiegelsymmetrischer Weise [d.h. mit gleichen Winkelnθ(t)] auf der Tischoberflache auseinaner rutschen konnen.

(a) Wahlen Sie den Winkel θ als verallgemeinerte Koordinate und stellen Sie die Lagrangefunktiondes Systems auf.

(b) Stellen Sie die Lagrange-Gleichung zweiter Art fur den Winkel θ auf. Finden Sie durcheinmalige Integration dieser Gleichung einen Ausdruck, der der erhaltenen Energie entspricht.

(c) Finden Sie die Geschwindigkeit, mit der das Scharnier auf den Tisch auftrifft.

(d) Geben Sie einen Integralausdruck fur die Zeit an, nach der das Scharnier auf den Tisch auftrifft.(Das Integral braucht nicht gelost zu werden.)

Beispielaufgabe 2: Pendel mit frei beweglicher Aufhangung [11]Punkte: (a)[2](E); (b)[2](M); (c)[2](M); (d)[2](E); (e)[1](E); (f)[1](E); (g)[1](E).

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Im Schwerefeld der Erde sei an einer Masse m1, die sichreibungsfrei entlang der x-Achse bewegen kann, ein ebenesmathematisches Pendel mit Lange l und Pendelmasse m2

befestigt. In Teilaufgaben (a)-(d) wird dieses Problemin kartesischen Koordinaten mittels Lagrange-Gleichungen1. Art behandelt; das ist zwar umstandlich, illustriertaber sehr explizit, wie die konsequente Anwendung desFormalismus der Zwangsbedingungen zum Ziel fuhrt. InTeilaufgaben (e)-(g) wir dasselbe Problem viel elegantermittels verallgemeinerten Koordinaten und Lagrange-Gleichungen 2. Art gelost.

~g

y

m1

m2

ϕ

x

l

(a) Geben Sie die Zwangsbedingungen fur die beiden Massen an und stellen Sie die Lagrange-Gleichungen 1. Art in kartesischen Koordinaten auf. Dabei empfiehlt es sich, die Notationδx = x1 − x2 und δy = y1 − y2 (“Relativkoordinaten”) zu nutzen.

(b) Eliminieren Sie die Lagrange-Multiplikatoren und zeigen Sie, dass die Relativkoordinatenfolgende Differentialgleichungen erfullen:

δx = − 1

α

δx√l2 − δ2x

(g − δy

), δy = −

l2

l2−δ2xδ2x + δxδx√l2 − δ2x

, mit α =m1

m1 +m2

. (1)

(c) Entwickeln Sie (1) fur δx in kleinen Auslenkungen des Pendels (δx � l) in fuhrender Ordnungund finden Sie dessen Frequenz. Bestimmen Sie zudem die Zwangskrafte bei kleinen Auslenkungen.Nutzen Sie diese um die Bewegung des oberen Massenpunktes m1 zu finden.

(d) Nun zuruck zum allgemeinen Fall: Schreiben Sie δx = l sinϕ und δy = l cosϕ, mit beliebigemAuslenkwinkel ϕ. Zeigen Sie aus (1), dass ϕ folgende Bewegungsgleichung erfullt:

[1− (1− α) cos2 ϕ]ϕ+ (1− α) sinϕ cosϕϕ2) = −(g/l) sinϕ . (2)

(Gl. (2) wird in Teilaufgabe ((f)) nochmal hergeleitet, mittels Lagrange-Gleichungen 2. Art.)

(e) Behandlen Sie das Problem nun alterativ mit den Lagrange-Gleichungen 2. Art. Wahlen Siezunachst x1 und ϕ als verallgemeinerte Koordinaten. Wie lautet die Lagrange-Funktion?

(f) Stellen Sie die Lagrange-Gleichungen 2. Art auf. Eliminieren Sie daraus x1, und reproduzierenSie so Gl. (2) aus Teilaufgabe ((d)).

(g) Betrachten Sie nun den Fall m1 � m2 und diskutieren Sie die Bewegung des Pendelsphysikalisch.

Beispielaufgabe 3: Testfragen [2]Punkte: (a)[0.5](E); (b)[1](E); (c)[0.5](E).

Diese Fragen prufen, ob Sie einfache, grundlegende Konzepte der Vorlesung verstanden haben. Siesollten sie ohne langeres nachdenken oder nachschlagen in ein paar Minuten beantworten konnen.

(a) Wie lauten die Lagrangegleichungen zweiter Art?

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(b) Geben Sie fur einen ungedampften, ungetriebenen harmonischen Oszillator an:

(i) die Lagrangefunktion und Lagrangegleichung zweiter Art.

(ii) die Newtonsche Bewegungsgleichung.

(c) Was ist eine zyklische Variable?

[Gesamtpunktzahl Beispielaufgaben: 22]

Hausaufgabe 1: Beschleunigte schiefe Ebene [5]Punkte: (a)[2.5](E); (b)[2.5](E).

Ein Massenpunkt gleitet reibungsfrei auf einerschiefen Ebene, die in x-Richtung beschleunigtwird mit einer zeitabhangigen Beschleunigung,a(t) = bt2/2. Die Neigung α der schiefenEbene ist konstant.

(a) Sei xE der x-Wert des Fußpunkts der Ebene (bei z = 0). Finden Sie xE(t) und stellen Sie dieZwangsbedingung und die Lagrangegleichung 1. Art auf.

(b) Losen Sie die Bewegungsgleichungen und bestimmen Sie die Zwangskrafte.

Hausaufgabe 2: Das ebene Doppelpendel [8]Punkte: (a)[2](E); (b)[2](E); (c)[1](E); (d)[3](E).

Betrachten Sie eine ebenes Doppelpendel, bestehendaus zwei unterschiedlichen Punktmassen m1, m2, diemiteinander und mit einem Aufhangepunkt durch zweimassenlose Stabe der Lange l verbunden sind (sieheSkizze). Die Massen konnen sich nur in der x-y Ebenebewegen. In einem kartesischen Koordinatensystem mitUrsprung am Aufhangepunkt seien (x1, y1) und (x2, y2)die Positionen der beiden Massen. Als verallgemeinerteKoordinaten wahlen wir die Winkel φ1 und φ2.

(a) Drucken Sie (x1, y1) und (x2, y2) durch φ1 und φ2 aus und geben geben Sie kinetische EnergieT und potentielle Energie V als Funktionen von φ1, φ1, φ2 und φ2 an.

(b) Zeigen Sie, dass die Lagrange-Gleichungen zweiter Art wie folgt lauten, mit α = m1

m1+m2:

φ1 + (1− α)[φ22 sin (φ1 − φ2) + φ2 cos (φ1 − φ2)

]+g

lsinφ1 = 0 , (3)

φ2 +[−φ2

1 sin (φ1 − φ2) + φ1 cos (φ1 − φ2)]+g

lsinφ2 = 0 . (4)

(c) Fur kleine Schwingungen, φ1 � 1, φ2 � 1, lassen sich diese Gleichungen durch Linearisierungin φ1, φ1 und φ2, φ2 vereinfachen. Zeigen Sie, dass dies Folgendes liefert:

φ1 + (1− α)φ2 +g

lφ1 = 0 , (5)

φ2 + φ1 +g

lφ2 = 0 . (6)

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(d) Losen Sie diese linearen Differentialgleichungen mittels einem Exponentialansatz und findenSie die entsprechenden Eigenvektoren und Eigenwerte. Diskutieren Sie das Verhalten desSystems fur die Grenzfalle m1 � m2 sowie m1 � m2.

Hausaufgabe 3: Rollende Zylinder [7]Punkte: (a)[3](M); (b)[2](E); (c)[2](E).

Ein homogener, massiver Zylinder von RadiusR und Masse M ruhe auf einer ebenenTischoberflache. Ein zweiter identischerZylinder sitze auf dem hochsten Punkt desersten Zylinders (siehe Skizze). Der obereZylinder werde nun infinitesimal ausgelenkt,so dass beide Zylinder zu rollen beginnen. Inder Skizze sind die Stellen, an denen sich dieZylinder zur Zeit t = 0 beruhrten, mit kleinenKreisen markiert.

��������������������������������������������������������

��������������������������������������������������������

��������������������������������������������������������

��������������������������������������������������������

t>0

θ

θ

θ2

θ1

x

yR

R

t=0

Hinweis: Nehmen Sie an, dass die Zylinder perfekt (d.h. ohne zu gleiten) rollen. Fur die kinetischeEnergie eines mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden homogenen, massiven Zylinders vonRadius R und der Masse M konnen Sie ohne Beweis den Ausdruck 1

4MR2ω2 annehmen.

(a) Wahlen Sie als verallgemeinerte Koordinaten den Winkel θ1, der angibt wie weit sich deruntere Zylinder gedreht hat, sowie den Winkel θ, der den Beruhrungspunkt der beiden Zylindercharakterisiert (siehe Skizze). Zeigen sie, dass die Lagrangefunktion des Systems gegeben istdurch

L =1

2MR2

[3θ21 + 2θ1θ(1− 2 cos θ) + 6θ2

]− 2MRg(1 + cos θ) ,

wobei die Tischplatte als Nullpunkt der potentiellen Energie benutzt wurde. Beachten Sie, dasses zusatzlich zur kinetischen Energie 1

4MR2ω2 noch die kinetische Energie aus der Bewegung

der Schwerpunkte gibt.

(b) Finden Sie zwei unabhangige Erhaltungsgroßen des Systems.

(c) Nutzen Sie diese Erhaltungsgroßen um folgende Gleichung

θ2 =12g(1− cos θ)

R(17 + 4 cos θ − 4 cos2 θ)

herzuleiten. Skizzieren Sie θ als Funktion von θ (mit Hilfe von Mathematica o.a.). MarkierenSie den ungefahren Winkelbereich, in dem die Formel gultig ist, und begrunden Sie Ihre Wahl.

[Gesamtpunktzahl Hausaufgaben: 20]

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