100 Minuten für Anforderungs - management || Werkzeuge

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5 Werkzeuge Ich habe mich auch hier bewusst dazu entschieden, schon in diesem frühen Kapitel das Thema Werkzeuge für AM anzugehen, da die Frage nach der Dokumentation und Speicherung der Anforderungen im Verlauf von AM auch sehr früh gestellt wird. Spätestens dann, wenn Gespräche geführt wurden und die Ergebnisse festgehalten werden müssen, kommt die Frage nach dem „Wie denn genau?“. Um das AM mit Erfassen und Dokumentieren, Versionieren und Ver- walten sowie die Nachverfolgbarkeit von Anforderungen sinnvoll umsetzen zu können, sind spezialisierte AM-Werkzeuge sehr hilfreich. Ab bestimmten Projektgrößen und Produktumfängen, was oft gleich- bedeutend ist mit vielen Anforderungen, sind sie sogar unerlässlich. 5.1 Einfach-Werkzeuge Mit Einfach-Werkzeugen sind Programme gemeint, die keine expliziten AM Werkzeuge sind, sondern Standardprogramme wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation. Vorteile der Einfach-Werkzeuge Ein Vorteil der Einfach-Werkzeuge ist, dass sie als Programminstallation zu einem Großteil schon auf den Arbeitsrechnern installiert und damit sofort verfügbar sind. Der Umgang mit diesen Programmen wird zudem im Berufsleben vorausgesetzt und soll damit als Anwenderwissen bekannt sein. Mit einfachen Vorlagen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation) können Sie sofort Anforderungen und die Nachverfolgbarkeit der Anfor- derungen dokumentieren. Im Kapitel zur Nachverfolgbarkeit werden Sie die beiden Vorlagen näher kennen lernen. Nachverfolgbarkeit bedeutet, Verknüpfungen von Ihren Anforderungen zu den Quellen (z.B. Spezifikationen) und zu den Zielen (entstehende Artefakte) herzustellen. Einen weiteren sehr großen Vorteil mit den Einfach-Werkzeugen haben Sie im Bereich der Akzeptanz und des Erlernens der Methoden zum AM. Mit diesen Einfach-Werkzeugen können Sie Personen und Teams sehr schnell an das AM heranführen und das AM leben lassen, da längere und M. Grande, 100 Minuten für Anforderungsmanagement, DOI 10.1007/978-3-8348-8135-9_5, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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5 Werkzeuge

Ich habe mich auch hier bewusst dazu entschieden, schon in diesem frühen Kapitel das Thema Werkzeuge für AM anzugehen, da die Frage nach der Dokumentation und Speicherung der Anforderungen im Verlauf von AM auch sehr früh gestellt wird. Spätestens dann, wenn Gespräche geführt wurden und die Ergebnisse festgehalten werden müssen, kommt die Frage nach dem „Wie denn genau?“.

Um das AM mit Erfassen und Dokumentieren, Versionieren und Ver-walten sowie die Nachverfolgbarkeit von Anforderungen sinnvoll umsetzen zu können, sind spezialisierte AM-Werkzeuge sehr hilfreich. Ab bestimmten Projektgrößen und Produktumfängen, was oft gleich-bedeutend ist mit vielen Anforderungen, sind sie sogar unerlässlich.

5.1 Einfach-Werkzeuge Mit Einfach-Werkzeugen sind Programme gemeint, die keine expliziten AM Werkzeuge sind, sondern Standardprogramme wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation.

Vorteile der Einfach-Werkzeuge Ein Vorteil der Einfach-Werkzeuge ist, dass sie als Programminstallation zu einem Großteil schon auf den Arbeitsrechnern installiert und damit sofort verfügbar sind. Der Umgang mit diesen Programmen wird zudem im Berufsleben vorausgesetzt und soll damit als Anwenderwissen bekannt sein.

Mit einfachen Vorlagen (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation) können Sie sofort Anforderungen und die Nachverfolgbarkeit der Anfor-derungen dokumentieren. Im Kapitel zur Nachverfolgbarkeit werden Sie die beiden Vorlagen näher kennen lernen. Nachverfolgbarkeit bedeutet, Verknüpfungen von Ihren Anforderungen zu den Quellen (z.B. Spezifikationen) und zu den Zielen (entstehende Artefakte) herzustellen. Einen weiteren sehr großen Vorteil mit den Einfach-Werkzeugen haben Sie im Bereich der Akzeptanz und des Erlernens der Methoden zum AM. Mit diesen Einfach-Werkzeugen können Sie Personen und Teams sehr schnell an das AM heranführen und das AM leben lassen, da längere und

M. Grande, 100 Minuten für Anforderungsmanagement, DOI 10.1007/978-3-8348-8135-9_5,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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umfangreiche Mitarbeiterschulungen zum Werkzeug in aller Regel ganz entfallen können.

Merksatz 5-1

Einfach-Werkzeuge wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation sind fast überall Standardinstallation und können für die Basis-AM Notwendigkeiten sofort eingesetzt werden.

Merksatz 5-2

Mit Einfach-Werkzeugen können Sie Personen sehr schnell an das AM heranführen. Die Schulungen für den Umgang mit diesen Programmen können in aller Regel entfallen, da das Wissen meist schon vorhanden ist.

Sie können dieses Erleben initial mit einem kleineren Projekt oder durch Delegation der Umsetzung einer bestimmten Funktionalität für Ihr Produkt anstoßen. Im Kapitel Praxisbeispiel Spannungsüberwachung finden Sie dazu ein mögliches Beispiel.

Bei größeren Projekten mit einer Vielzahl an Anforderungen kommen diese Werkzeuge an Ihre Grenzen: Die Verwaltung der Anforderungen und die Umsetzung der Nachverfolgbarkeit können nicht mehr vernünftig und effizient gemacht werden.

Neben den gerade genannten Einfach-Programmen haben Sie noch die Option, für die Dokumentation von Anforderungen Datenbank-Programme zu verwenden. Damit können Sie einfach Sichten auf Anforderungen und Filteroperationen (z.B. alle Anforderungen, die schon umgesetzt sind) realisieren. Sie können selbst geschriebene Oberflächen verwenden, die Ihnen den Zugriff auf die dahinter liegende Datenbank und die Anforderungen ermöglichen.

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5.2 Spezialisierte Anforderungswerkzeuge Mit spezialisierten AM Werkzeugen sind Progamme gemeint, die für das AM entwickelt wurden. Sie bieten grundlegende Unterstützung zur Verwaltung der Anforderungen und zu Analysen.

Vorteile der spezialisierten Werkzeuge Sie bieten eine automatische Vergabe der Identifikationsnummern für Anforderungen und unterstützen Sie bei Erstellung der Nachverfolgbarkeit, indem Sie damit Links zu anderen Anforderungen, Anforderungsgruppen und Testfällen erstellen können. Dadurch bekommen Sie verschiedene Sichten auf die Anforderungen. Im Bereich der Nachverfolgbarkeit können Sie mit der sogenannten Nach-verfolgbarkeits-Matrix eine Sicht innerhalb des Werkzeugs auf die Verbindungen zwischen den Anforderungen erzeugen.

Sie können eine Einfluss-Analyse (Impact Analyse) durchführen. Durch die Einfluss-Analyse werden die Einflüsse von Änderungen an einer Anforderung auf andere davon abhängigen Anforderungen angezeigt. Die damit zu überarbeitenden Anforderungen lassen die notwendigen Umsetzungsaufwände besser erkennen. Die Zeitumfänge für die Änderungen sind so leichter abzuschätzen.

Merksatz 5-3

Spezialisierte Werkzeuge unterstützen Sie mit Standardfunktionalitäten bei der Verwaltung von Anforderungen: Automatische Vergabe der Identifikation, Darstellung unterschiedlicher Sichten auf die Anforderungen, Filteroperationen und Analysen (z.B. der Einfluss-Analyse).

Was können die Werkzeuge nicht? Die Werkzeuge haben Ihre Stärken in den gerade beschriebenen Funktionalitäten. In den Bereichen Ermitteln, Prüfen, Abstimmen und Validieren können Sie die Werkzeuge nicht direkt unterstützen. Für diese Tätigkeiten brauchen Sie gute „menschliche“ Fähigkeiten. Die Werk-zeuge haben das in dieser ausgeprägten Form noch nicht.

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5.3 Hinweise zur Auswahl eines spezialisierten Werkzeugs

Wenn Sie in Ihrer Firma ein Werkzeug auswählen, sollten Sie bei der Auswahl dabei bitte folgende Fragen beantworten:

– Welche Anforderungen haben Sie und Ihre Organisation an das Werkzeug?

– Wer genau soll mit dem Werkzeug arbeiten? – Wie weit und wie tief ist schon AM-Wissen in der Organsiation

und bei den Mitarbeitern vorhanden? – Wer kann und wer soll das Werkzeug administrieren und

konfigurieren? – Wie genau soll die Nachverfolgbarkeit von Anforderungen

umgesetzt werden? – Wie genau sollen die Testfälle aussehen, wie sollen sie verwaltet

werden? – Wie sollen Tätigkeiten des Konfigurationsmanagements mit dem

Werzeug in Einklang gebracht werden? – Wie genau soll das Werkzeug ausprobiert werden, d.h. wie soll es

evaluiert werden? – Welche Planungsschritte sind zur Auswahl und Einführung

notwendig? – Welche Ressourcen für die Pilotierung und wie viele Ressourcen

haben Sie später zur Verfügung? – Wie sehen die Kundenlastenhefte aus, d.h. wieviel Aufwand

werden Sie haben, um die Lastenhefte in Ihr Werkzeug zu bringen? Wie können die Austauschformate aussehen?

– Welchen Invest will und kann Ihre Organisation tätigen? – Wie bekannt ist der Hersteller des Werkzeugs? Welche

Unterstützung bei der Arbeit mit dem Werkzeug können Sie erwarten?

– Wie gut ist die generelle Unterstützung für das Werkzeug? – Ist das Supportteam für das Werkzeug gut zu erreichen oder sitzt

es vielleicht im Ausland? Gibt es Sprachbarrieren? – Wie sieht das Lizenzmodell aus. Wie hoch sind die genauen

Kosten dafür?

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Vor der Einführung eines Werkzeuges sollten Sie eine Evaluierung (welche Werkzeuge gibt es überhaupt?) mit anschliessender Pilotierung durchführen. Die Planung der Abläufe, Tätigkeiten, Ressourcen und der Zeitaufwände dafür sind gut investiert. Sie werden damit Ihre Ziele und Bedürfnisse genau definiert haben und somit das optimale Werkzeug für sich und Ihre Organisation finden.

Bei der Pilotierung „Testen” Sie in kleinerem Rahmen in Ihrer Orga-nisation das oder die auserwählten Werkzeuge, bevor Sie diese in Ihrer Organisation großflächig ausbreiten.

Merksatz 5-4

Die Planung der Zeiten und Ressourcen für die Evaluierung möglicher Werkzeuge und die Durchführung der Pilotierung werden eine gute Investition sein.