Anforderungs- und einsatzgerechte Auslegung von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen...

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Anforderungs- und einsatzgerechte Auslegung von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen Von der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Dipl.-Ing. Steffen Häberle aus Heidenheim a. d. Brenz Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger Mitberichter: Prof. Dr. sc. agr. Ludger Frerichs Tag der mündlichen Prüfung: 23.07.2019 Institut für Agrartechnik Stuttgart 2019

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  • Anforderungs- und einsatzgerechte Auslegung

    von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen

    Von der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik

    der Universität Stuttgart

    zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte

    Abhandlung

    Vorgelegt von

    Dipl.-Ing. Steffen Häberle

    aus Heidenheim a. d. Brenz

    Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger

    Mitberichter: Prof. Dr. sc. agr. Ludger Frerichs

    Tag der mündlichen Prüfung: 23.07.2019

    Institut für Agrartechnik

    Stuttgart 2019

  • VORWORT

    Die vorliegende Arbeit entstand im Wesentlichen während meiner Tätigkeit als wis-

    senschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrartechnik der Universität Hohenheim.

    Initiiert, gefördert und fachlich unterstützt wurde dieses Kooperationsprojekt von der

    Bosch Rexroth AG in Elchingen. Hierfür möchte ich herzlich danken.

    Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr.-Ing. S. Böttinger für die Betreuung der Arbeit

    und die konstruktive Unterstützung, auch in Bezug auf Publikationen. Außerdem

    möchte ich mich für das entgegengebrachte Vertrauen und den daraus resultieren-

    den Freiraum bei der Bearbeitung von Forschungsprojekten bedanken.

    Herrn Prof. Dr. sc. agr. L. Frerichs danke ich für die Übernahme des Mitberichts

    sowie für die konstruktiven und fachlich fundierten Anmerkungen.

    Prof. Dr.-Ing. T. Maier gilt mein herzlicher Dank für die Übernahme des Prüfungs-

    vorsitzes.

    Allen Kolleginnen und Kollegen des Fachgebiets Grundlagen der Agrartechnik

    danke ich für die ständige Hilfsbereitschaft, die tatkräftige Unterstützung, das posi-

    tive Arbeitsklima sowie für manch fachliche Diskussion und Anregung. Ebenfalls

    möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Werkstatt und Mess-

    technik für die technische Umsetzung meiner Ideen bedanken. Gleiches gilt für die

    zahlreichen wissenschaftlichen Hilfskräfte, Studentinnen und Studenten, welche

    mich mit der Bearbeitung wichtiger Teilaufgaben unterstützt haben. Stellvertretend

    für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bosch Rexroth AG in Elchingen, die

    mich im Rahmen dieser Arbeit unterstützt haben, danke ich Dr.-Ing. S. Mutschler

    für die Leitung des Forschungsprojekts.

    Ganz besonderer Dank gilt vor allem meiner Frau Daniela. Sie hat mich immer wie-

    der motiviert, sich in der Entstehungszeit dieser Dissertation aufopferungs- und lie-

    bevoll um unsere beiden Kinder gekümmert und mir damit den Freiraum für einen

    erfolgreichen Abschluss dieser Arbeit gegeben.

    Herbrechtingen, im September 2019 Steffen Häberle

  • Inhaltsverzeichnis I

    INHALTSVERZEICHNIS

    FORMELZEICHEN ...................................................................................................... III

    INDIZES ................................................................................................................. VIII

    ABKÜRZUNGEN ......................................................................................................... X

    KURZFASSUNG ....................................................................................................... XII

    ABSTRACT ............................................................................................................ XIII

    1 EINLEITUNG ........................................................................................................... 1

    2 STAND DER FORSCHUNG UND DER TECHNIK ............................................................. 4

    2.1 Fahrantriebe mobiler Arbeitsmaschinen ....................................................... 4

    2.1.1 Aufbau und Struktur von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen ...... 6

    2.1.2 Der hydrostatische Fahrantrieb ......................................................... 10

    2.1.3 Anforderungen an Fahrantriebe mobiler Erntemaschinen ................ 12

    2.1.4 Funktionen aktueller Fahrantriebe .................................................... 13

    2.2 Last- und Leistungskollektive ..................................................................... 15

    2.2.1 Klassierverfahren .............................................................................. 16

    2.2.2 Lastkollektive von Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen ............ 21

    2.3 Effizienzbewertung von Antrieben .............................................................. 29

    2.4 Zusammenfassung und Präzisierung der Aufgabenstellung ...................... 42

    3 LAST- UND LEISTUNGSANALYSE BEIM MÄHDRESCHER ............................................. 44

    3.1 Versuchsträger und Messtechnik ............................................................... 44

    3.2 Versuchsdurchführung und Messziele ....................................................... 52

    3.3 Einsatzprofile von Mähdreschern ............................................................... 54

    3.4 Leistungsverteilung innerhalb des Mähdreschers ...................................... 59

    3.5 Lastanalyse im Fahrantrieb des Mähdreschers .......................................... 63

    3.5.1 Methode zur Lastanalyse und Übertragbarkeit der Ergebnisse ........ 64

    3.5.2 Messungen auf Komponentenebene ................................................ 69

    3.5.3 Simulation von Lastkollektiven auf Fahrzeugebene .......................... 79

    3.5.4 Diskussion von Lastkollektiven einzelner Teilaufgaben .................... 83

    3.6 Zusammenfassung zur Last- und Leistungsanalyse .................................. 86

  • Inhaltsverzeichnis II

    4 BEWERTUNG UND OPTIMIERUNG VON FAHRANTRIEBEN ........................................... 87

    4.1 Alternative Fahrantriebe für Mähdrescher .................................................. 87

    4.1.1 Anforderungsgerechte Auslegung .................................................... 89

    4.1.2 Antriebskonzept für eine Referenzmaschine .................................... 92

    4.2 Simulation von hydrostatischen Fahrantrieben .......................................... 95

    4.2.1 Modellaufbau für Mähdrescherfahrantriebe ...................................... 97

    4.2.2 Modellvalidierung ............................................................................ 103

    4.2.3 Implementierung eines alternativen Antriebssystems ..................... 110

    4.3 Effizienzbewertung des Mähdrescherfahrantriebs ................................... 115

    4.3.1 Methodenauswahl für die Effizienzbewertung ................................ 115

    4.3.2 Bewertung am Beispiel des Versuchsmähdreschers ...................... 118

    4.3.3 Bewertung und Optimierung des Summierungsantriebs ................ 120

    4.3.4 Diskussion der Ergebnisse ............................................................. 124

    5 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK .................................................................... 127

    6 LITERATURVERZEICHNIS ..................................................................................... 130

    7 ANHANG ............................................................................................................ 154

  • Formelzeichen III

    FORMELZEICHEN

    Formelzeichen Einheit Bezeichnung

    𝑎𝐹 m/s2

    translatorische Fahrzeugbeschleunigung in Fahrtrichtung

    𝐵ℎ l/h absoluter Kraftstoffverbrauch

    𝑏𝑒 g/kWh spezifischer Kraftstoffverbrauch

    𝑏𝑚 l/t erntemengenbezogener Kraftstoffverbrauch

    𝐸𝐺 − Erfüllungsgrad

    𝐷 − Schädigungssumme

    𝐹𝑎 N Massenträgheitskraft

    𝐹𝐿 N Luftwiderstandskraft

    𝐹𝑅 N Rollwiderstandskraft

    𝐹𝑆𝑡 N Steigungswiderstandskraft

    𝐹𝑇 N Triebkraft

    �̅�𝑇 N arithmetischer Mittelwert der Triebkraft

    𝐹𝑈 N Radumfangskraft

    𝐹𝑈,𝑛𝑜𝑟𝑚 − auf Einsatzgewichtskraft normierte Radumfangskraft

    �̅�𝑈,𝜏 N zeitlich gewichteter Mittelwert der Radumfangskraft

    𝑔 m/s2 Fallbeschleunigung (Ortsfaktor)

    𝑔𝐻𝐾 − Gewichtungsfaktor Hauptkriterium

    𝑔𝑈𝐾 − Gewichtungsfaktor Unterkriterium

    𝑖 − Laufindex, Klasse

    𝑖𝐺 − Getriebeübersetzung

    𝐽𝑟𝑒𝑑 kg ∙ m2

    auf die Raddrehzahl reduziertes Massenträgheitsmoment

  • Formelzeichen IV

    𝑗 − Laufindex, Klasse

    𝑘𝑚 − Auslegungsfaktor für Fahrantriebe

    𝐿10 h Lebensdauer, die von mindestens 90 % der Prüflinge erreicht wird

    𝑀 Nm Drehmoment, allgemein

    𝑀2,𝑚𝑎𝑥 Nm maximales Abtriebsdrehmoment bei höchstem Förderdruck

    𝑀2,𝑛𝑚𝑎𝑥 Nm maximales Abtriebsdrehmoment bei maximaler Abtriebsdrehzahl

    𝑚 − Anzahl an Klassen in einem Kollektiv

    𝑚𝐹 kg Masse Fahrzeug

    𝑚𝐹,𝐸 kg Einsatzmasse Fahrzeug (Leermasse nach DIN 70020 zzgl. vollständige Arbeitsausrüstung)

    𝑚𝐹,𝐿 kg Leermasse Fahrzeug nach DIN 70020

    �̇�𝐾𝑜𝑟𝑛 t/h Korndurchsatz (Massenstrom)

    𝑛 − Stichprobenumfang, Anzahl

    𝑛𝐷𝑖𝑒𝑠𝑒𝑙 1/min Abtriebsdrehzahl Dieselmotor

    �̅�𝐷𝑖𝑒𝑠𝑒𝑙 1/min arithmetischer Mittelwert der Abtriebsdrehzahl des Dieselmotors

    𝑛𝑖𝑠𝑡 1/min Ist-Drehzahl, tatsächliche Drehzahl

    𝑛𝑀𝑜𝑡𝑜𝑟 1/min Abtriebsdrehzahl Hydraulikmotor

    �̅�𝑀𝑜𝑡𝑜𝑟 1/min arithmetischer Mittelwert der Abtriebsdrehzahl des Hydraulikmotors

    𝑛𝑃𝑢𝑚𝑝𝑒 1/min Antriebsdrehzahl Hydraulikpumpe

    𝑃 kW Leistung, allgemein

    𝑃𝑎𝑢𝑠 kW abgegebene Leistung

    𝑃𝐸𝑐𝑘 kW Eckleistung

    𝑃𝑒𝑖𝑛 kW zugeführte Leistung, Eingangsleistung

    𝑃ℎ𝑦𝑑 kW hydraulische Leistung

  • Formelzeichen V

    𝑃𝑁𝑒𝑛𝑛 kW Nennleistung

    𝑃𝑁𝑢𝑡𝑧 kW nicht-korrigierte Nutzleistung

    𝑃𝑉 kW Verlustleistung

    �̅�𝜏 kW zeitlich gewichteter Mittelwert der Leistung

    𝑝 bar Druck, allgemein

    �̅� bar arithmetischer Mittelwert des Drucks

    𝑝𝐴 bar Druck in Arbeitsleitung/Anschluss A (Hochdruck bei Vorwärtsfahrt)

    𝑝𝐵 bar Druck in Arbeitsleitung/Anschluss B (Hochdruck bei Rückwärtsfahrt)

    𝑝𝑆𝑝 bar Speisedruck

    �̅�𝜏 bar zeitlich gewichteter Mittelwert des Drucks

    𝑄 l/min Volumenstrom, allgemein

    �̅� l/min arithmetischer Mittelwert des Volumenstroms

    𝑞 % Steigung

    𝑅 − Wandlungsbereich hydrostatischer Rotationsan-triebe mit Verstellmöglichkeit

    𝑟𝑑𝑦𝑛 m dynamischer Radhalbmesser (berechnet aus dem Abrollumfang des Reifens)

    𝑆 − empirische Standardabweichung

    𝑇 K Temperatur, allgemein

    𝑇𝑎𝑚𝑏 K Umgebungstemperatur

    𝑇𝐿 K Temperatur des Leckageöls

    𝑡 s Zeit, allgemein

    𝑡0 s Zeitpunkt zum Beginn einer Messung

    𝑡𝐸 s Zeitpunkt zum Ende einer Messung

    𝑡𝑔𝑒𝑠 s Gesamtzeit

  • Formelzeichen VI

    𝑡𝑖 s Verweildauer innerhalb der Klasse 𝑖

    𝑡𝑀𝑒𝑠𝑠 s Messzeit

    𝑡𝑁𝑢𝑡𝑧 s Nutzungszeit

    𝑡𝑣,𝑖 s Zeit für eine einzelne Geschwindigkeitsstufe in einem Histogramm

    𝑈𝐵 V Brückenspeisespannung

    𝑈𝑀 V Messspannung

    𝑉𝑔 cm3 Verdrängungsvolumen, Schluckvolumen

    𝑉𝐾 − Variationskoeffizient

    𝑣 km/h Geschwindigkeit, allgemein

    �̅� km/h arithmetischer Mittelwert der Geschwindigkeit

    𝑣𝐹 km/h Fahrgeschwindigkeit

    𝑣𝑡ℎ km/h theoretische (schlupffreie) Fahrgeschwindigkeit

    �̅�𝑡ℎ,𝜏 km/h zeitlich gewichteter Mittelwert der theoretischen (schlupffreien) Fahrgeschwindigkeit

    𝑊𝑁𝑢𝑡𝑧 J Nutzarbeit

    𝑊𝑉 J Verlustarbeit

    𝑊𝑧𝑢 J zugeführte Arbeit

    𝑤𝑈𝐾 − Bewertung des Unterkriteriums für ein Antriebssystem

    𝑥𝑖 − Stichprobenwert

    �̅� − arithmetischer Mittelwert der Stichprobenwerte 𝑥𝑖

    �̃� − Median der Stichprobenwerte 𝑥𝑖

    𝛼𝑆𝑡 ° Steigungswinkel

    ∆ − Differenz

  • Formelzeichen VII

    𝜖 ̅ − relative mittlere absolute Abweichung

    𝜖�̅�𝑀𝑊 − relative mittlere quadratische Abweichung

    𝜀 − Energienutzungsgrad

    𝜂 − Wirkungsgrad, allgemein

    𝜂𝑘𝑢𝑚 − kumulierter Wirkungsgrad

    𝜂𝑚 − mittlerer Wirkungsgrad

    𝜂𝑚ℎ − mechanisch-hydraulischer Wirkungsgrad

    𝜂𝑇 − Wirkungsgrad gesamter Antriebsstrang (Antriebsstrangwirkungsgrad)

    𝜂𝑣𝑜𝑙 − volumetrischer Wirkungsgrad

    𝜗𝐴𝑐ℎ𝑠𝑒 °C Temperatur des Getriebeöls in der Achse

    𝜗Ö𝑙 °C Temperatur des Hydrauliköls

    𝜆 − Nutzbarkeitsbeiwert

    𝜆𝑚 − Drehmassenzuschlagsfaktor

    𝜌𝑅 − Rollwiderstandsbeiwert

    𝜌𝑆 kg/m³ Schüttdichte

    𝜏 s Verweildauer

    𝜏𝑟𝑒𝑙 − relative Verweildauer

    𝜑𝑁𝑢𝑡𝑧 − nutzbares Verlustleistungsreduktionspotential

    𝜑𝑡ℎ − theoretisches Verlustleistungsreduktionspotential

    𝜒 − allgemeine Messgröße

    �̅� − arithmetischer Mittelwert einer allgemeinen Messgröße

    �̅�𝜏 − zeitlich gewichteter Mittelwert einer allgemeinen Messgröße

    𝜔 1/s Winkelgeschwindigkeit

  • Indizes VIII

    INDIZES

    Index Bezeichnung

    A A-Seite (Hochdruck bei Vorwärtsfahrt)

    Achse Antriebsachse, die Antriebsachse betreffend

    AF Arbeitsfahrt

    ab Abtrieb, abtreibend

    abs absolut, tatsächlich

    an Antrieb, angetrieben

    B B-Seite (Hochdruck bei Rückwärtsfahrt)

    Diesel Dieselmotor

    DW Dreschwerk

    F Funktion, funktional

    FA Fahrantrieb

    ges gesamt

    hr hinten rechts

    Last Lastfahrt

    LL Leerlast, Leerlastanteil

    i Laufindex, Klasse

    j Laufindex, Klasse

    kum kumuliert

    Motor Hydraulikmotor, den Hydraulikmotor betreffend

    max maximal, Maximum

    mes Messgröße, Messung, gemessen

    Nabe Radnabe

  • Indizes IX

    Pumpe Hydraulikpumpe, die Hydraulikpumpe betreffend

    Rad am Rad, an der Radnabe wirkend

    RS Referenzsystem

    rel relativ

    SG Schaltgetriebe

    Soll Sollgröße, Führungsgröße bei Reglern

    sim simulierte Größe, Simulation

    Tank Hydrauliköltank

    th theoretisch

    Volllast Volllastkennlinie, die Volllast betreffend

    η Wirkungsgrad, den Wirkungsgrad betreffend

    + positiv

    - negativ

  • Abkürzungen X

    ABKÜRZUNGEN

    1D eindimensional

    3D dreidimensional

    ABS Antiblockiersystem (automatischer Blockierverhinderer)

    A/D analog/digital

    ASR Anti-Schlupf-Regelung

    BSL Best Straight Line (Kleinstwerteinstellung)

    BZF Belastungs-Zeit-Funktion

    CAE Computer-Aided Engineering

    CAN Controller Area Network (serieller Feldbus für Kraftfahrzeuge)

    CAPL Communication Access Programming Language

    CFD Computational Fluid Dynamics (numerische Strömungssimulation)

    CO Kohlenstoffmonoxid

    CVR Constant Variabler Ropa-Antrieb

    DBU Deutsche Bundesstiftung Umwelt

    DIN Deutsches Institut für Normung

    DMS Dehnungsmessstreifen

    ECU Engine Control Unit (Motorsteuergerät)

    EU Europäische Union

    FEM Finite Elemente Methode

    FFT Fast Fourier Transform (schnelle Fourier-Transformation)

    FS Full Scale (Endwert)

    FVA Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V.

    HC unverbrannte Kohlenwasserstoffe

  • Abkürzungen XI

    HCU Hydraulic Control Unit (Hydrauliksteuergerät)

    HK Hauptkriterium

    HUN Ungarn

    HVT Hydromechanical Variable Transmission

    KTBL Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V.

    MV Mecklenburg-Vorpommern

    NMHC Non-Methane Hydrocarbons (Nichtmethan-Kohlenwasserstoffe)

    NOx Stickoxide (nitrose Gase mit verschiedenen Oxidationsstufen)

    PKW Personenkraftwagen

    QFD Quality Function Deployment

    ROI Return on Investment (Kapitalrentabilität)

    RS Referenzsystem

    SAE SAE International (früher: Society of Automotive Engineers)

    TCU Transmission Control Unit (Getriebesteuergerät)

    UK Unterkriterium

  • Kurzfassung XII

    KURZFASSUNG

    Fahrantriebe mobiler Erntemaschinen werden im Rahmen einer fortschreitenden

    Automatisierung zunehmend zum integralen Bestandteil der Prozessführung. Kom-

    plexe Anforderungen, die sich aus deren Einsatz ergeben, haben zu einer Etablie-

    rung hydrostatischer Fahrantriebe geführt. Der zunehmende legislative Druck und

    die steigenden Vermarktungschancen kraftstoffsparender Technologien rücken die

    Effizienzbewertung von Antriebssystemen stärker in den Fokus der Forschung und

    Entwicklung. Standardisierte Bewertungssysteme lassen sich bei mobilen Arbeits-

    maschinen, wegen deren Heterogenität und Vielfältigkeit ihrer Aufgaben, allerdings

    nur schwer umsetzen.

    Die vorliegende Arbeit zeigt einen allgemeingültigen methodischen Ansatz zur Effi-

    zienzbewertung anhand von Lastkollektiven und eines Simulationsmodells auf. Die-

    ser lässt sich auf alle mobilen Arbeitsmaschinen mit quasistationären Lastanteilen

    anwenden. Am Beispiel eines Mähdreschers werden typische Einsatzbedingungen

    mit gemessenen Einsatzprofilen und Lastkollektiven ermittelt und in den Gesamt-

    kontext möglicher Nutzungsszenarien kategorisiert. Mittels eines Antriebsstrangmo-

    dells wird damit die Energieausnutzung des Fahrantriebs, entsprechend den Ein-

    satzbedingungen, berechnet. Basierend auf diesen Ergebnissen und einer detail-

    lierten Anforderungsanalyse sind neue Antriebslösungen erarbeitet und entspre-

    chenden Leistungsklassen zugeordnet worden.

    Für einen Referenzmähdrescher wird ein methodisch ausgewähltes Fahrantriebs-

    konzept, ein sogenannter Summierungsantrieb, ausgelegt und modellbasiert be-

    wertet. Die berechneten Ergebnisse der optimierten Antriebsvariante zeigen deutli-

    che Verbesserungen der Energieausnutzung bei einem erhöhten Kundennutzen.

    Optimierungslösungen zielen, wegen der hohen Zeitanteile im Betrieb, idealerweise

    auf den Teillastbereich ab. Mit einer Erhöhung des Mitteldruckniveaus lassen sich

    Effizienzverbesserungen in diesem Bereich erreichen. Allerdings führt dies zu einer

    Reduzierung der zu erwartenden Lebensdauer, weshalb die Ausfallwahrscheinlich-

    keit von Komponenten, im Sinne einer nachhaltigen Lösung, stets mitbetrachtet

    werden muss. Insgesamt bieten anforderungs- und einsatzgerechte Fahrantriebe

    bei Erntemaschinen noch Potential für Effizienzsteigerungen und höheren Bedien-

    komfort. Werden diese Potentiale konsequent ausgeschöpft, sind hydrostatische

    Fahrantriebe auch zukünftig konkurrenzfähig.

  • Abstract XIII

    ABSTRACT

    With the advancement of automation systems, traction drives of mobile harvesting

    machines are increasingly becoming an integral part of process management. Com-

    plex demands arising from the use of these machines have led to the establishment

    of hydrostatic drives. The increasing legislative requirements and the better market-

    ing opportunities of fuel-saving technologies are focussing research and develop-

    ment on the efficiency evaluation of drive systems. Standardized assessment sys-

    tems are difficult to implement for mobile machinery due to their heterogeneity and

    diversity of tasks.

    This thesis shows a general methodical approach for efficiency evaluation based on

    load spectra and a simulation model. This approach can be applied to all mobile

    machines with quasi-stationary load points. Using a combine harvester as an exam-

    ple, typical use cases with measured operational profiles and load spectra are de-

    termined and classified in the overall context of possible use case scenarios. By

    means of a drive train model, the energy efficiency of the traction drive is calculated

    in accordance with the conditions of use. Based on these results and a detailed

    requirement analysis, new drive solutions are developed and assigned to corre-

    sponding performance classes.

    For a reference combine, a methodically selected traction drive concept, a so-called

    summation drive, has been designed and evaluated model-based. The calculated

    results of the optimized drive variant show significant improvements in energy utili-

    sation with increased customer benefit. Ideally, optimizing solutions aim at the par-

    tial load range because of the high time proportions during operation. Increasing the

    mean pressure level can improve efficiency in this range. However, this leads to a

    reduction in the expected service life, which is why failure probability of components,

    in the sense of a sustainable solution, must always be taken into account.

    Overall, requirement- and application-specific traction drives for harvesting ma-

    chines still offer potential for increased efficiency and greater ease of use. If these

    potentials are consistently exploited, hydrostatic traction drives will continue to be

    competitive in the future.

  • Einleitung 1

    1 EINLEITUNG

    Effiziente Maschinen, die für effektiv gestaltete Arbeitsprozesse eingesetzt werden,

    nutzen die bereitgestellte Energie in hohem Maße intelligent. Die optimale Strategie

    zur Bedarfsminimierung des Produktionsfaktors Energie setzt somit sowohl bei der

    Steigerung der Maschinen- als auch bei der Prozesseffizienz an. Logistiksysteme

    in der landwirtschaftlichen Produktion, zur Koordination von prozessbeteiligten Ma-

    schinen im Feld und außerhalb des Feldes, gewinnen deshalb immer mehr an Be-

    deutung [1; 2]. Mit zunehmendem Einsatz intelligenter Assistenzsysteme werden

    außerdem die Leistungspotentiale moderner Erntemaschinen besser ausgeschöpft

    [3]. Gleichzeitig zeichnet sich bei mobilen Arbeitsmaschinen ein Trend hin zu ener-

    gieeffizienten Antrieben ab [4]. Speziell für den Maschineneinsatz ausgelegte An-

    triebsstränge bedürfen einer optimierten Betriebsstrategie mit bereits optimierten

    Einzelkomponenten [5]. Um eine solche einsatzgerechte Auslegung durchführen zu

    können, ist eine möglichst exakte Kenntnis der im Betrieb von mobilen Arbeitsma-

    schinen auftretenden Betriebspunkte sowie deren Häufigkeit notwendig. Idealer-

    weise werden für solche Betriebspunktanalysen Lastkollektive verwendet, da sich

    damit sehr lange Belastungs-Zeit-Funktionen übersichtlich darstellen lassen.

    Last- und Leistungskollektive werden klassischerweise für eine betriebsfeste Aus-

    legung von Antrieben und Tragstrukturen eingesetzt. Eine exakte Kenntnis der im

    Nutzungszeitraum von Maschinen auftretenden Belastungen führt, bei sachgemä-

    ßer Auslegung, zu bedarfsgerechten Sicherheitsfaktoren [6] und somit zu einem

    idealen Ressourceneinsatz bei hoher Einsatzsicherheit. Gerade bei Erntemaschi-

    nen ist eine hohe Verfügbarkeit der Maschine im Ernteeinsatz wichtig für deren wirt-

    schaftlichen Betrieb. Ein weiteres Einsatzgebiet für Lastkollektive ist die Effizienz-

    bewertung von Maschinen, Baugruppen und Komponenten. Für Erntemaschinen

    mit hohen Zeitanteilen quasistationärer Einsatzbedingungen eignen sie sich hervor-

    ragend für die Beschreibung relevanter Betriebspunkte für Optimierungsmaßnah-

    men. Durch die Identifikation von Leistungsbereichen mit hohen Zeitanteilen und

    gleichzeitig hohen Verlustleistungen ist eine zielgerichtete und einsatzgerechte

    Auslegung des Fahrantriebs möglich. Standardisierte Prüfzyklen zur Bewertung von

    Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen sind derzeit nicht bekannt.

  • Einleitung 2

    Bei Erntemaschinen wie Mähdreschern, Feldhäckslern, Rübenrodern und selbst-

    fahrenden Mähaufbereitern sind die Fahrantriebe üblicherweise hydrostatisch aus-

    geführt. Sie haben sich in diesem Bereich durchgesetzt, da sie die hohen gestellten

    Anforderungen wirtschaftlich und mit etablierter Technik erfüllen. Die Möglichkeiten

    zur Einbindung in moderne Fahrzeugkommunikationsumgebungen machen diese

    Antriebe nach wie vor attraktiv und bieten ein hohes Automatisierungspotential.

    Neben der kontinuierlichen Verbesserung bestehender Antriebskonzepte ist es

    wichtig, über neue Lösungen nachzudenken. Eine detaillierte Funktions- und Anfor-

    derungsanalyse sowie die Kenntnis repräsentativer Einsatzbedingungen und Last-

    fälle ermöglichen die technisch-wirtschaftliche Auswahl geeigneter Varianten. Die

    Quantifizierung des Energieeinsparpotentials lässt sich im virtuellen Fahr- und Feld-

    versuch kostengünstig realisieren. Vor allem bei der finalen Variantenauswahl bietet

    die Simulation virtueller Prototypen eine fundierte und belastbare Entscheidungsba-

    sis. Wichtig dabei ist die Verwendung von reproduzierbaren Vergleichsgrößen, wel-

    che die Nutzungsbedingungen der zu bewertenden Maschine möglichst exakt wi-

    derspiegeln [7].

    Die vorliegende Arbeit befasst sich im Wesentlichen mit der modellbasierten Effi-

    zienzbewertung von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen. Am Beispiel eines Ver-

    suchsmähdreschers wird das methodische Vorgehen von der Einsatzprofil- und

    Lastkollektiverfassung über die Erstellung und Validierung von Simulationsmodellen

    bis hin zur Auswahl, Bewertung und Optimierung einer neuen Antriebslösung auf-

    gezeigt. Hierfür wird zunächst der Stand der Forschung und Technik im Bereich der

    Fahrantriebe, der Last- und Leistungsanalyse und deren Effizienzbewertung umris-

    sen.

    Die darauf aufbauenden Untersuchungen an einem Versuchsmähdrescher beinhal-

    ten die Versuchsbeschreibung, die Erfassung von Einsatzprofilen und die Analyse

    der Leistungsverteilung innerhalb eines Mähdreschers. Basierend auf gemessenen

    Lastkollektiven und einem Simulationsmodell wird darüber hinaus eine allgemein-

    gültige, teilaufgabenspezifische und übertragbare Methode zur Last- und Leistungs-

    analyse beschrieben und exemplarisch auf den Versuchsmähdrescher angewen-

    det.

  • Einleitung 3

    Aus den gewonnenen Ergebnissen werden im Rahmen einer Bewertung und Opti-

    mierung mögliche Fahrantriebslösungen diskutiert. Ein modular aufgebautes und

    validiertes Simulationsmodell ermöglicht den direkten Vergleich einzelner Varian-

    ten. Die damit durchgeführte Effizienzbewertung nutzt sowohl den Wirkungsgrad als

    auch den Zeitanteil eines simulierten Lastpunkts als Bewertungsgröße. Damit wird

    der Lasthäufigkeit eines typischen Einsatzes Rechnung getragen. Abschließend

    wird die erarbeitete Methode anhand des Vergleichs eines Summierungsantriebs

    mit dem Referenzantrieb des Versuchsmähdreschers diskutiert und exemplarisch

    dargelegt.

  • Stand der Forschung und der Technik 4

    2 STAND DER FORSCHUNG UND DER TECHNIK

    Innerhalb dieses Kapitels wird zunächst der aktuelle Stand der Technik im Bereich

    von Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen als Kurzübersicht aufgearbeitet. Als

    spezielle Untergruppe werden anschließend die Fahrantriebe mobiler Erntemaschi-

    nen detailliert beschrieben. Hauptthemengebiete der vorliegenden Arbeit sind unter

    anderem Last- und Leistungskollektive sowie die Effizienzbewertung von Mähdre-

    scher-Fahrantrieben. Hierzu wird in eigenen Unterkapiteln der aktuelle Stand der

    Wissenschaft aufgezeigt.

    2.1 Fahrantriebe mobiler Arbeitsmaschinen

    Stufenlose Fahrantriebe haben sich bei vielen mobilen Arbeitsmaschinen etabliert.

    Sie bieten einen hohen Fahrkomfort sowie das Potential zur Produktivitätssteige-

    rung durch eine stufenlose Geschwindigkeitsanpassung an die Umgebungsbedin-

    gungen des Arbeitsprozesses und die Möglichkeit zur Prozessautomatisierung. Ist

    als Hauptfunktion einer mobilen Arbeitsmaschine die Erzeugung hoher Zug- und

    Schubkräfte zu identifizieren, sind rein hydrostatische Antriebslösungen seltener

    anzutreffen [8]. In diesem Bereich haben sich bei Traktoren Lastschaltgetriebe und

    hydrostatisch-mechanisch leistungsverzweigte Getriebe [9–11] durchgesetzt. Typi-

    sche Beispiele leistungsverzweigter Getriebe in Traktoren sind die ausgangsgekop-

    pelten Vario-Getriebe (ML70-ML260 und TA400) [9], welche mit dem Modell ML200

    von Fendt 1996 in Serie gebracht wurden [12; 13], sowie die eingangsgekoppelten

    Baureihen Eccom, S-Matic und Terramatic von ZF. Diese werden unter anderem

    von den Herstellern John Deere, Same Deutz-Fahr und Claas verbaut. John Deere

    und Claas bieten zudem selbst entwickelte leistungsverzweigte Getriebe in Com-

    pound-Bauweise an [9; 14].

    Bei Radladern sind häufig rein hydrostatische Antriebe, Lastschaltgetriebe mit hyd-

    rodynamischen Wandlern, hydrostatisch leistungsverzweigte Getriebe und hydro-

    statische Summierungsantriebe vorzufinden [15–19]. Wobei die Fahrantriebe mit

    hydrodynamischen Wandlern, wegen des besseren Betriebsverhaltens und der hö-

    heren Leistungsdichte, zunehmend durch die beiden letztgenannten Antriebslösun-

    gen substituiert werden [20]. Typische leistungsverzweigte Getriebe für Radlader

  • Stand der Forschung und der Technik 5

    sind das ausgangsgekoppelte Getriebe cPower von ZF [21], das eingangsgekop-

    pelte Getriebe von Caterpillar [19] und das HVT (Hydro-mechanical Variable Trans-

    mission) von Dana Rexroth mit einem rein hydrostatischen Fahrbereich bei niedri-

    gen Geschwindigkeiten und zwei leistungsverzweigten Fahrbereichen, welche ein-

    gangsgekoppelt sind [22; 23]. Die Entwicklung eines weiteren eingangsgekoppelten

    Getriebes mit rein hydrostatischem ersten Fahrbereich wird in [24] vorgestellt. Hyd-

    rostatische Summierungsantriebe sind unter anderem bei Radladern des Herstel-

    lers Liebherr vorzufinden. Durch zwei Hydroverstellmotoren in Schrägachsenbau-

    weise und drei Kupplungen lassen sich insgesamt drei Fahrbereiche realisieren.

    Dabei wird im ersten Fahrbereich die Leistung der beiden Verstellmotoren summiert

    [15; 25]. Eine weitere Lösung mit zwei Radialkolbenmaschinen wird in [26] und [27]

    vorgestellt.

    Mobile Arbeitsmaschinen ohne hohe Dauerzugkräfte übertragen im Durchschnitt

    nur einen Teil der Leistung des Verbrennungsmotors an den Fahrantrieb [8; 28].

    Der Leistungsbedarf für den Fahrantrieb nimmt bezogen auf den Gesamtleistungs-

    bedarf nicht den höchsten Stellenwert ein, da ein Großteil der Energie unter ande-

    rem für die Verarbeitung von Material aufgewendet wird [28; 29]. Typische Beispiele

    sind Erntemaschinen wie Feldhäcksler, Mähdrescher, Rübenroder und selbstfah-

    rende Mähaufbereiter. Gleiches gilt auch für Stapler, Teleskoplader und Maschinen-

    träger [8]. Beim Mähdrescher werden beispielsweise im Mittel nur 16-40 % der An-

    triebsleistung für das Fahren benötigt [28; 30–32]. Der tatsächliche Anteil hängt ne-

    ben den Umgebungsbedingungen, wie der Bodenbeschaffenheit und der Topogra-

    fie, auch vom spezifischen Leistungsbedarf des verbauten Dresch- und Trennsys-

    tems ab. Bei Feldhäckslern liegt der mittlere Leistungsanteil das Fahrantriebs für

    die Maisernte bei ca. 10 % [33]. Deshalb fallen bei diesen Maschinen die Energie-

    verluste im Bereich des Fahrantriebs bezogen auf die Gesamtverluste nicht so stark

    ins Gewicht [8]. Zudem muss der höheren Verlustleistung eine gesteigerte Prozess-

    leistung durch eine bestmögliche Anpassung der Fahrgeschwindigkeit gegenüber-

    gestellt werden [34]. Insgesamt überwiegen die Vorteile hydrostatischer Fahran-

    triebe, sodass sie häufig für Fahrantriebe, die primär der Fortbewegung und Pro-

    zesssteuerung dienen, eingesetzt werden. Speziell der Aufbau und die Struktur von

    Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen sollen im Folgenden detailliert betrachtet

    werden.

  • Stand der Forschung und der Technik 6

    2.1.1 Aufbau und Struktur von Fahrantrieben mobiler Erntemaschinen

    Fahrantriebe selbstfahrender landwirtschaftlicher Erntemaschinen stellen beson-

    dere Anforderungen an deren Aufbau und Funktion. So ist eine Hauptanforderung

    die stufenlose Anpassung der Fahrgeschwindigkeit im Erntebetrieb. Ebenso sind

    Zugkraftunterbrechungen aus Komfort- und Akzeptanzgründen zu vermeiden [35].

    Bei hohem Fahrwiderstand im Feld hätten diese einen sofortigen Stillstand der Ern-

    temaschine [18] und somit eine Unterbrechung oder Störung des Ernteprozesses

    zur Folge. Die bisher dominierenden rein hydrostatischen Fahrantriebe werden zu-

    nehmend durch einsatzgerechte Antriebe, also Antriebe, die sehr spezifisch an die

    Einsatzbedingungen der jeweiligen Maschine angepasst sind, ersetzt. Für diesen

    hohen Grad der Spezialisierung ist eine genaue Kenntnis der Einsatz- und Nut-

    zungsbedingungen sowie der auftretenden Belastungen im Betrieb unabdingbar

    [36]. Auf der Suche nach innovativen und zukunftsweisenden Fahrantrieben wurden

    bereits erste Untersuchungen zu elektrischen und teilelektrischen Antrieben bei

    Erntemaschinen durchgeführt [35; 37–39]. Nach aktuellem technischen Stand sind

    dieselelektrische Applikationen für große Erntemaschinen mit langen Volllastzyklen

    praktikabel. Batterieelektrische Antriebe hingegen sind derzeit wegen ihrer geringen

    Leistungsdichte für aktuell am Markt verfügbare Erntemaschinengrößen nicht sinn-

    voll [40]. Beim Einsatz kleiner autonomer Feldroboter, die im Schwarm arbeiten,

    scheint ein batterieelektrischer Antrieb geeignet zu sein. [41; 42]

    Je nach Antriebsart sind unterschiedliche Topologien denkbar. Die optimale Fahr-

    antriebstopologie richtet sich nach den stark variierenden Anforderungen und Ein-

    satzbedingungen der einzelnen Erntemaschinen. Drehzahlvariabilität, Übertra-

    gungsweg, Antriebsanordnung, Leistungsvermögen und Kosten sind entschei-

    dende Faktoren für deren Auswahl [43]. Typische Ausführungen mit einer gelenkten

    Achse sind in Bild 1 und mit mehreren gelenkten Achsen in Bild 2 dargestellt.

    Fahrantriebe von Rübenrodern sind üblicherweise rein hydrostatisch, mit nachgela-

    gertem mechanischen Schaltgetriebe als Zentralantrieb ausgeführt. Typischerweise

    werden wegen der hohen Zugkraftanforderungen alle Achsen angetrieben und zu-

    sätzlich zur Reduzierung des Wendekreises gelenkt [37; 44; 45]. Ein im vorderen

    Bereich der Maschine verbautes Knickgelenk erlaubt zudem die Fahrt im Hunde-

    gang zur Bodenschonung durch die Reduzierung des Multipass-Effekts.

  • Stand der Forschung und der Technik 7

    Bild 1: Schematische Darstellung typischer Antriebskonzepte mobiler Erntema-schinen mit einer Lenkachse (erweitert nach [43])

    Bild 2: Schematische Darstellung typischer Antriebskonzepte mobiler Erntema-schinen mit mehreren Lenkachsen (erweitert nach [43])

    Neuere Antriebskonzepte für Rübenroder sind sogenannte Shift on Fly-Lösungen,

    welche durch eigene Achsantriebe ein Schalten der Fahrbereiche ohne Zugkraftun-

    terbrechung ermöglichen. Die Schaltzeitpunkte zwischen Vorder- und Hinterachse

    AchsantriebAchs- und Einzelradantrieb

    Einzelrad-

    antriebeine Achse zwei Achsen

    Mähdrescher

    Feldhäcksler

    Fahrt-

    richtungDifferential

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    ZentralantriebAchsantrieb an

    mehreren AchsenEinzelradantrieb

    Rübenroderje nach Maschinengröße mit 2 oder 3 Achsen

    selbstfahrender

    Mähaufbereiter

    Fahrt-

    richtung

    Differential

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

    An-

    trieb

  • Stand der Forschung und der Technik 8

    liegen bei minimal unterschiedlichen Fahrgeschwindigkeiten, sodass es beim

    Wechsel zwischen den zwei Fahrbereichen lediglich zu einer Zugkraftreduzierung,

    nicht aber zu einer Zugkraftunterbrechung kommt [14; 44]. Zudem ermöglicht das

    Konzept des Achsantriebs eine variable Einstellung der Voreilung. Dies erhöht be-

    sonders bei Hanglagen die Traktion und führt im Transferbetrieb zu einem reduzier-

    ten Verschleiß [14]. Das Shift on Fly-Getriebe ist ein modifiziertes Stillstandsschalt-

    getriebe, welches durch ein hydraulisches Abkuppeln einen synchronisierten

    Schaltvorgang während der Fahrt mit sehr kurzen Schaltzeiten erlaubt [46]. Ein wei-

    teres, innovatives Antriebskonzept für Rübenroder ist das CVR-Getriebe von

    ROPA. Es handelt sich um einen Summierungsantrieb mit insgesamt zwei null-

    schwenkbaren Hydroverstellmotoren und einem Konstantmotor. Dieser ist als

    Zentralantrieb ausgeführt und erlaubt ein stufenloses Durchfahren des Geschwin-

    digkeitsbereichs von 0-17,5 km/h im Acker- und 0-40 km/h im Straßenmodus bei

    einer Verbrennungsmotorendrehzahl von 1.195 1/min. Aus Sicherheitsgründen wird

    Motor 3 im Straßenmodus gegen das Getriebegehäuse blockiert. [45; 47] Bild 3

    zeigt den schematischen Aufbau des Getriebes. Der Übersichtlichkeit halber sind

    die Ansteuerung der Hydrostaten inklusive deren Druckabschneidung, die Sensorik,

    der Kühler, die Filter und die Spülventile nicht dargestellt.

    Bild 3: Schematische Darstellung des CVR-Getriebes von ROPA (nach [45])

    K1K2

    Moto

    r 2

    160 c

    Moto

    r 1

    0-2

    15 c

    Motor 3

    0-215 cm³

    Abtrieb

  • Stand der Forschung und der Technik 9

    Feldhäcksler hingegen sind nahezu ausnahmslos allradgetrieben und mit hydrosta-

    tischen Fahrantrieben ausgestattet. Es werden Achsantriebe mit zwei bis vier me-

    chanischen, im Stillstand schaltbaren Stufen oder Einzelradantriebe mit schaltbaren

    Radnabenmotoren bzw. Axialkolben-Verstellmotoren mit Planetenendantrieben

    verbaut [48–56]. Neben den bei hydrostatischen Achsantrieben üblicherweise ver-

    wendeten Axialkolbenmaschinen in Schrägachsen-Bauart wird in [57] ein „Face-to-

    Face“ Doppelmotor in Schrägscheiben-Bauart vorgestellt, welcher bereits bei Feld-

    häckslern in Serie verbaut ist [54].

    Moderne Hochleistungsmähdrescher werden ausschließlich mit hydrostatisch an-

    getriebenen Achsantrieben ausgestattet. Zur Erweiterung des Wandlungsbe-

    reichs 𝑅 (Gl. (1) [58]) werden zwei- bis vierstufige Stillstandsschaltgetriebe verbaut.

    Der Kunde kann bei allen namhaften Herstellern zwischen Rad- und Bandlaufwer-

    ken wählen. Optional werden Allradantriebe angeboten. Diese können als Achs-

    oder Einzelradantrieb ausgeführt sein [59–63]. John Deere bietet für Mähdrescher

    und Feldhäcksler optional einen hydrostatischen Fahrantrieb in Kombination mit ei-

    nem zweistufigen Lastschaltgetriebe an [52; 62; 64].

    𝑅 =𝑀2,𝑚𝑎𝑥𝑀2,𝑛𝑚𝑎𝑥

    (1)

    𝑀2,𝑚𝑎𝑥: größtmögliches Abtriebsmoment bei höchstem Förderdruck

    𝑀2,𝑛𝑚𝑎𝑥 : maximales Drehmoment bei maximaler Abtriebsdrehzahl

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der hydrostatische Fahrantrieb die domi-

    nierende Technologie im Bereich der Erntemaschinen ist [65]. Er wurde für europä-

    ische Mähdrescher 1965 erstmals von Ködel und Böhm vorgestellt und hat die ab

    den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts üblichen Keilriemen-Verstell-

    getriebe [66; 67] in den Industrieländern, trotz deren Wirkungsgradvorteil [68], voll-

    ständig abgelöst. Gründe dafür sind der höhere Bedienkomfort und die gesteigerte

    Produktivität durch verschleißfreies Reversieren, Anfahren ohne Fahrkupplung und

    durch den etwa dreimal so großen Wandlungsbereich. Zudem ist der Raumbedarf

    der Komponenten deutlich geringer [68; 69].

  • Stand der Forschung und der Technik 10

    2.1.2 Der hydrostatische Fahrantrieb

    Hydrostatische Fahrantriebe von modernen Erntemaschinen werden ausschließlich

    im geschlossenen Kreis betrieben. Die Anpassung der Abtriebsdrehzahl und somit

    der Fahrgeschwindigkeit erfolgt durch Veränderung der Verdrängungs- und

    Schluckvolumina der eingesetzten Pumpen und Motoren. In der Grundform (Bild 4)

    wird lediglich die Pumpe verstellt (Primärverstellung). Zur Erweiterung des Wand-

    lungsbereichs 𝑅 werden Verstellpumpen und -motoren verbaut (Primär- und Sekun-

    därverstellung). Hydrostatische Fahrantriebe ermöglichen eine stufenlose Drehmo-

    ment-/Drehzahlwandlung aus dem Stillstand (𝑖𝐺 = ∞, Gl. (2)). Der Wandlungsbe-

    reich 𝑅 von primär- und sekundärverstellbaren hydrostatischen Getrieben ist ver-

    gleichsweise groß (üblicherweise bis 𝑅 = 15). [69]

    𝑖𝐺 =𝑛𝑎𝑛𝑛𝑎𝑏

    (2)

    Bild 4: Grundschaltplan eines hydrostatischen Fahrantriebs nach [25]

    Bild 4 zeigt den Grundschaltplan eines hydrostatischen Getriebes. Der von der Ver-

    stellpumpe (1) erzeugte Volumenstrom wird zum Hydromotor (2) geleitet und von

    dort aus wieder zurück zur Pumpe (geschlossener Kreislauf). Dadurch ist ein An-

    fahren aus dem Stand möglich. Lässt sich die Pumpe durch die Nulllage durch-

    schwenken, ist zusätzlich ein verschleißfreies Reversieren möglich. Der Hydromo-

    tor kann als Konstant- oder Verstellmotor ausgeführt sein. Das Ölvolumen, welches

    durch interne Leckagen und die kontrollierte Entnahme aus dem geschlossenen

    (1) (2)(3) (4)

    (5)

    (6)

    (6)

    (7)

    (8)

    (9)

    (10)

    (10)

    (11)

    (11)

    (12)

  • Stand der Forschung und der Technik 11

    Kreis über das Spülventil (7) zur Kühlung (9) und anschließenden Filterung (5) ab-

    fließt, wird durch die Speisepumpe (3) über die Speiseventile (6) hin zur Nieder-

    druckseite wieder aufgefüllt. Zusätzlich wird die Speisepumpe (3) häufig als

    Hilfsenergieversorger für Niederdruckhydrauliksysteme (12) wie beispielsweise die

    Verstelleinrichtung der Pumpe oder Schaltventile am Getriebe verwendet. Der

    saugseitige Vordruck an der Pumpe (1) wird über die Druckbegrenzungsventile (4)

    und (8) eingestellt. Bei einem Defekt am Speisesystem ermöglichen die Ventile (11)

    ein Notansaugen. Die Hochdruckbegrenzungsventile (10) sichern den geschlosse-

    nen Kreis gegen Überdruck ab. [25; 69; 58]

    Hydrostatische Getriebe im geschlossenen Kreis, welche in modernen mobilen Ern-

    temaschinen ausnahmslos zum Einsatz kommen, bieten folgende systembedingte

    Vorteile [70; 17; 20; 25; 69; 58; 71; 72]:

    keine prinzipbedingten Drossel- oder Volumenstromverluste im Leistungsteil,

    großer Wandlungsbereich durch Primär- und Sekundärverstellung,

    4-Quadrantenbetrieb mit stetigem Übergang, kein verschleißbehaftetes

    Reversiergetriebe notwendig,

    stufenlose und feinfühlige Geschwindigkeitsanpassung und -regelung,

    hohes Automatisierungspotential,

    freizügige Anordnung der Getriebekomponenten,

    Möglichkeit zur Rekuperation durch zusätzliche Hydrospeicher,

    kleines Öltankvolumen ausreichend,

    nur ein Medium für Leistungsübertragung, Kühlung und Schmierung,

    sehr günstiges Leistungsgewicht,

    geringe Lastabhängigkeit der Übersetzung,

    integrierter Überlastschutz durch Druckbegrenzungsventile,

    Vielseitigkeit in der Anwendung durch hohe Komponentenvielfalt,

    vielfältige Steuer- und Regelmöglichkeiten sowie

    gute Bremswirkung durch Schleppen des Dieselmotors.

    Ein Nachteil des hydrostatischen Getriebes ist der mäßige Wirkungsgrad verglichen

    mit mechanischen Getrieben. Die Bestwerte liegen bei 78-84 % für hydrostatische

    Getriebe und bei etwa 90-95 % für vergleichbare Vielstufen-Zahnradgetriebe. Nicht

  • Stand der Forschung und der Technik 12

    betrachtet sind hierbei Verlustleistungen in den Achsen und anderen festen Über-

    setzungen. [25; 73]

    2.1.3 Anforderungen an Fahrantriebe mobiler Erntemaschinen

    Die Fahrantriebe aktueller Erntemaschinen sind keinesfalls nur für die Fortbewe-

    gung der Maschine zuständig, sie sind vielmehr integraler Bestandteil der Prozess-

    führung. Deshalb werden hohe Anforderungen an die Steuer- und Regelbarkeit so-

    wie an die Einbindung in aktuell verfügbare Bussysteme gestellt. Ein Beispiel sind

    Fahrassistenzsysteme, wie automatische Vorfahrtsregler bei Feldhäckslern und

    Mähdreschern. Hier kann der Fahrer verschiedene Fahrstrategien nutzen, um die

    Maschine optimal auszulasten [54; 60]. Neben den Vorteilen, die ein hydrostatischer

    Fahrantrieb systembedingt mit sich bringt (vgl. Abschnitt 2.1.2) und welche ihn für

    selbstfahrende Erntemaschinen prädestinieren, können weitere spezifische Anfor-

    derungen an ihn gestellt werden. Diese unterteilen sich in Markt-, Kunden-, Sicher-

    heits- und Homologationsanforderungen. Die Markt- und Kundenanforderungen

    sind nicht immer scharf trennbar und werden häufig über Recherchen und Befra-

    gungen ermittelt. Marktanforderungen ergeben sich hingegen aus dem Wettbewerb

    und der auf dem Markt verfügbaren Technik. Sie können aber auch aus legislativen

    Anpassungen oder Marktlücken resultieren [74]. Generell sollten sich die Entwick-

    lungsschwerpunkte an den Kundenwünschen orientieren. Eine etablierte Methode

    zur Schwerpunktfestlegung in der Produktentwicklung ist die des Quality Function

    Deployments (QFD) [75]. Sicherheits- und Homologationsanforderungen hingegen

    leiten sich aus nationalen und internationalen Richtlinien und Gesetzen ab.

    Im Folgenden sollen nur die technischen Anforderungen weiter betrachtet werden.

    Nicht-technische wie Kosten und Zuverlässigkeit, welche im Rahmen eines Pro-

    duktentstehungsprozesses ebenfalls zu berücksichtigen sind, werden nicht disku-

    tiert. Tabelle 1 listet exemplarisch für leistungsstarke Mähdrescher der oberen Leis-

    tungsklasse Anforderungen an Fahrantriebe auf.

    Weitere Markt- und Kundenanforderungen lassen sich aus den Funktionen aktuell

    im Markt befindlicher hydrostatischer Fahrantriebe ableiten. Diese sollen im folgen-

    den Unterkapitel gesondert betrachtet und analysiert werden.

  • Stand der Forschung und der Technik 13

    Tabelle 1: Ausgewählte Anforderungen an Mähdrescher-Fahrantriebe

    Anforderung Wert Quelle

    Maximalgeschwindigkeit bei Transferfahrten 40 km/h [60–62; 76]

    Volllasttriebstrangwirkungsgrad im Hauptar-beitsbereich zwischen 4 und 8 km/h

    ≥74 % [35]

    Gesamtverzögerung der Betriebsbremse ≥5,0 m/s² [77]

    hydrostatische Verzögerung, falls Fahrantrieb als Hilfsbremsanlage genutzt wird

    ≥2,2 m/s² [77; 78]

    geforderte Mindestlebensdauer ≥3.000 h [79]

    geforderte nutzbare Maximalleistung 0,4∙PNenn,Diesel [30]

    2.1.4 Funktionen aktueller Fahrantriebe

    Hydrostatische Fahrantriebe bieten wegen ihrer hervorragenden Steuer- und Re-

    gelbarkeit ein hohes Potential für die Umsetzung neuer Antriebsfunktionen und Re-

    gelungssysteme [17]. Dabei zählt die aktive Druckabschneidung seit vielen Jahren

    zum Stand der Technik. Die als Maximaldruckregelung ausgeführte Funktion redu-

    ziert bei steigender Last das Fördervolumen der Pumpe und verhindert somit eine

    Überlastung des Fahrantriebs. Der Druckabbau über die Hochdruckbegrenzungs-

    ventile und somit eine Überhitzung des hydrostatischen Kreises wird dadurch wir-

    kungsvoll vermieden [25; 69]. Wird im Betrieb einer mobilen Arbeitsmaschine die

    verfügbare Leistung des Verbrennungsmotors voll genutzt, empfiehlt sich der Ein-

    satz einer sogenannten Grenzlastregelung. Diese reduziert bei steigender Last und

    zu starker Drückung des Dieselmotors durch ein Rückschwenken der Fahrpumpe

    die Leistungsaufnahme des Fahrantriebs. Dadurch ist eine Priorisierung anderer

    Funktionen wie beispielsweise die der Lenkung oder die der Arbeitsprozessantriebe

    möglich [40; 69; 80]. Eine weitere Art der Leistungsregelung ist die automotive Fahr-

    funktion, bei der abhängig vom Fahrerwunsch und dem Fahrzustand das Wand-

    lungsverhältnis angepasst wird. Der Dieselmotor ist dabei integraler Bestandteil der

    Regelung. Durch die lastdruckabhängige Anpassung der Drehzahl und dadurch

    auch der verfügbaren Leistung ist eine verbrauchsoptimierte Fahrweise bei redu-

    zierten Geräuschemissionen möglich [50; 65; 69; 80–82]. Die automotive Fahrfunk-

    tion ist bei Mähdreschern im Transfermodus teilweise schon Stand der Technik [60].

  • Stand der Forschung und der Technik 14

    Für ein sehr feinfühliges Positionieren, wie es beispielsweise bei Radladern oder

    Staplern notwendig ist, lässt sich mit einer Inchfunktion der Fahrregler übersteuern.

    Dadurch sind hohe Drehzahlen des Dieselmotors für die teilweise leistungsintensive

    Betätigung der Arbeitshydraulik bei gleichzeitig niedrigen Fahrgeschwindigkeiten

    möglich [81; 82].

    Zur Erhöhung der Traktion im Feldeinsatz werden häufig hydrostatische Allradan-

    triebe verbaut. Bei Achs- und/oder Einzelradantrieben ist eine Sperrung des hyd-

    raulischen Längsdifferentials über Stromventile möglich [69]. Mit einem Zweipum-

    pensystem und entsprechender Ventiltechnik lassen sich die Vorder- und die Hin-

    terachse getrennt ansteuern. Dadurch werden zahlreiche Fahrbereiche, aber auch

    eine variable Voreilung realisiert [48; 83]. Das Querdifferential lässt sich bei Achs-

    antrieben mechanisch und bei Einzelradantrieben hydraulisch sperren. Einzelrad-

    antriebe bieten darüber hinaus die Möglichkeit einer elektronischen Anti-Schlupf-

    Regelung (ASR). Hierfür ist je angetriebenem Rad ein nullschwenkbarer elektro-

    proportional verstellbarer Hydromotor mit Drehzahlsensor erforderlich. Sobald ein

    einzelnes Rad zu stark beschleunigt, wird das Antriebsmoment und damit der

    Schlupf reduziert [80; 84]. Eine Reduzierung des Schlupfes führt zur Bodenscho-

    nung, Verschleißreduzierung und Verbesserung des Laufwerkwirkungsgrads [80;

    85–88].

    Aus Sicherheits-, Komfort- und Verschleißgründen wird häufig ein rein hydrostati-

    sches Bremsen ohne den Einsatz der Betriebsbremse verlangt. Trotz steigender

    Fahrzeugmassen und höherer Fahrgeschwindigkeiten soll ein Überdrehzahlschutz

    des Dieselmotors zu jeder Zeit gewährleistet sein. Allerdings haben das Downsizing

    und Optimierungsmaßnahmen moderner Dieselmotoren zu einer Reduzierung des

    Reibmitteldrucks und somit zu einem reduzierten Schleppmoment geführt. Da sich

    beim Bremsvorgang die Fahrpumpe am Dieselmotor abstützt, muss über spezielle

    Bremsventile ein Überdrehen verhindert und gleichzeitig die maximal mögliche Ver-

    zögerung erreicht werden. Zusätzlich ist bei Einzelradantrieben die Implementie-

    rung einer ABS-Funktion denkbar. [89–92]

    Neben den Fahr- und Sicherheitsfunktionen lassen sich mit hydrostatischen Fahr-

    antrieben Zusatzfunktionen generieren. Die Tempomatfunktion, automatische Vor-

    fahrtregler und eine vom Fahrer einstellbare Maximalzugkraft zählen mittlerweile

  • Stand der Forschung und der Technik 15

    zum Stand der Technik [93; 94]. Ebenso lassen sich bei elektrohydraulischen Fahr-

    antrieben die Beschleunigungs- und Verzögerungsrampen über die Steuersoftware

    konfigurieren [65].

    Zusammenfassend bietet der hydrostatische Fahrantrieb alle für Erntemaschinen

    notwendigen Funktionen und erfüllt die an ihn gestellten Anforderungen. Dadurch

    ist er für den Wettbewerb mit anderen Technologien gut gerüstet. Weitere Effizienz-

    steigerungen lassen sich durch eine einsatzgerechte Auslegung sowie Optimierun-

    gen an Komponenten und Peripheriesystemen erreichen. [17; 91]

    2.2 Last- und Leistungskollektive

    Die Entwicklung von ressourceneffizienten und wirtschaftlichen Maschinen erfordert

    eine belastungsgerechte Dimensionierung der einzelnen Bauteile und übergeord-

    neten Baugruppen [95]. Die Erfahrung des Ingenieurs wird zunehmend durch nu-

    merische Berechnungsverfahren, welche sich unter dem Überbegriff CAE (Compu-

    ter-Aided Engineering) zusammenfassen lassen, ergänzt. Grundlage für eine be-

    triebsfeste Auslegung ist in beiden Fällen die exakte Kenntnis der im Lebenszyklus

    von Maschinen auftretenden Belastungen und den daraus resultierenden Bean-

    spruchungen [96]. Die Notwendigkeit einer betriebsfesten Auslegung von Bauteilen,

    Komponenten und Maschinen ergibt sich meist aus den technischen, wirtschaftli-

    chen und haftungsrechtlichen Anforderungen des Lastenhefts. Bereits im Pro-

    duktentstehungsprozess müssen geeignete Methoden, Verfahren und Werkzeuge

    angewandt werden, um Schwingbruchschäden im Betrieb zu vermeiden [97]. Hier-

    von sind vor allem sicherheitsrelevante Bauteile besonders betroffen [98]. Die

    Schwingungsbeanspruchung, welche die Grundlage der Lebensdauerberechnung

    von dynamisch belasteten Bauteilen und Maschinen darstellt, ist in der Regel ge-

    kennzeichnet durch ein zufälliges (stochastisches) Auftreten von Amplitude und

    Häufigkeit [97].

    Eine Besonderheit bei hydraulischen Antriebssystemen ist, dass standardisierte

    Komponenten für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Anwendungen eingesetzt

    werden. Für eine optimale Auslegung hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und Effizienz

    müssen die Belastungen für jede Anwendung separat analysiert werden [99]. Als

    Zuverlässigkeit wird hierbei per Definition die Wahrscheinlichkeit dafür verstanden,

    dass ein Produkt während einer definierten Zeitdauer unter gegebenen Funktions-

  • Stand der Forschung und der Technik 16

    und Umgebungsbedingungen nicht ausfällt (VDI4001). Der Wahrscheinlichkeitsbe-

    griff sagt hierbei aus, dass Ausfälle stochastisch verteilte Ursachen haben und somit

    nur mittels Wahrscheinlichkeiten quantitativ beschreibbar sind [100]. Die Belas-

    tungs-Zeit-Funktionen (BZF) sind im Falle von mobilen Arbeitsmaschinen ebenfalls

    meist stochastisch und somit wegen ihrer Regellosigkeit mathematisch nicht mit

    Funktionen oder Reihen beschreibbar, sondern nur durch statistische Methoden

    [96]. Für deren Darstellung haben sich Last- und Leistungskollektive etabliert, wel-

    che die Häufigkeitsverteilung der im Betrieb auftretenden Lasten darstellen. Deter-

    ministische Belastungs-Zeit-Funktionen treten bei sich kontinuierlich wiederholen-

    den Arbeitsprozessen unter konstanten Randbedingungen auf und lassen sich des-

    halb mit Fourier-Reihen annähern [6; 96]. Die Beanspruchungsgröße und deren

    Zeitpunkt können eindeutig angegeben werden. Typische Prozesse mit determinis-

    tischem Belastungsverlauf sind das Gesenkschmieden und das Walzen von Bram-

    men. Neben der reinen Kenntnis über die Belastungshöhe spielt auch deren Häu-

    figkeit eine entscheidende Rolle. Deshalb müssen beispielsweise Zahnräder bei

    identischer Belastung aber höherer Drehzahl wegen der höheren Anzahl an Zahn-

    lastspielen robuster ausgelegt sein [95].

    Im Folgenden werden zunächst die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Klassier-

    verfahren zur Berechnung von Lastkollektiven beschrieben, da sie sich zur Darstel-

    lung stochastischer Belastungs-Zeit-Funktionen sehr gut eignen. Unter realistischen

    Betriebsbedingungen aufgenommene Lastkollektive ermöglichen eine übersichtli-

    che Darstellung von Zeit-, Strecken-, Betätigungs-, Last- und Leistungsanteilen

    [100]. Im weiteren Verlauf werden dann konkrete Beispiele aus der Literatur zu

    Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen diskutiert.

    2.2.1 Klassierverfahren

    Mittels standardisierter Klassierverfahren werden aus beliebig komplexen Belas-

    tungs-Zeit-Funktionen Häufigkeitsverteilungen der Amplituden berechnet. Zwar

    stellt die Klassierung eine Datenreduktion und teilweise auch eine Reduktion des

    Informationsgehalts dar, dennoch ermöglicht sie eine anschauliche und übersichtli-

    che Darstellung der Messdaten. Bei der Verwendung der Zählverfahren ist stets im

    Vorfeld zu prüfen, ob im spezifischen Anwendungsfall eine Datenreduktion zulässig

  • Stand der Forschung und der Technik 17

    ist. Im Bereich der Betriebsfestigkeit hat sich die zweiparametrische Rainflow-Klas-

    sierung etabliert. Allerdings bieten – je nach Einsatzzweck – andere Klassierverfah-

    ren wegen der besseren Anschaulichkeit der grafischen Darstellung Vorteile [96;

    101].

    Um eine Klassierung durchführen zu können, muss zunächst der Messbereich vor-

    zugsweise in Klassen gleicher Größe unterteilt werden [102]. Üblicherweise werden

    diese fortlaufend mit steigendem Messwert nummeriert [96]. Eine Einteilung positi-

    ver und negativer Klassen, ausgehend von einer Bezugslinie (Nulllinie), ist ebenfalls

    möglich [102]. Liegt bei der Klassierung ein Wert direkt auf der Klassengrenze wird

    dieser der nächst größeren Klasse zugeordnet. Diese Regelung ist zwingend not-

    wendig um die Vergleichbarkeit verschiedener Klassierungen sicherzustellen [96;

    101]. Die Festlegung der Klassenbreite sollte zudem in einem sinnvollen Verhältnis

    zur Messgenauigkeit stehen [96].

    Bei ereignisbasierten Klassierverfahren, welche beispielsweise beim Überschreiten

    einer Klassengrenze eine Zählung auslösen, werden Schwingungen innerhalb einer

    Klasse nicht detektiert. Schwingt ein Messsignal um eine Klassengrenze, wird hin-

    gegen bei jedem Überschreiten der Klassengrenze eine Zählung ausgelöst. Da

    kleine Schwingungen häufig von Messrauschen hervorgerufen werden oder nicht

    schädigungsrelevant sind, werden sie mit der Einführung einer Hysterese unter-

    drückt. Diese Hysterese, auch Rückstellbreite genannt, sorgt dafür, dass eine Zäh-

    lung erst ab einem festgelegten Amplitudenausschlag ausgelöst wird. Je nach Klas-

    siermethode muss die Rückstellbreite klassengrenzenorientiert (Bild 5, links) oder

    extremwertorientiert (Bild 5, rechts) festgelegt werden.

    Bei der Festlegung der Rückstellbreite muss exakt festgelegt werden, wie groß un-

    terdrückte Schwingungen sein dürfen, um das Klassierergebnis nicht zu verfälschen

    [97]. Gudehus und Zenner [103] empfehlen eine Rückstellbreite von 2,5 % der ma-

    ximalen Schwingbreite oder kleiner.

  • Stand der Forschung und der Technik 18

    Bild 5: Exemplarische Darstellung einer klassengrenzenorientierten (links) und einer extremwertorientierten (rechts) Rückstellbreite, nach [96]

    Im Folgenden werden die Verweildauer- und die Rainflow-Klassierung detailliert

    vorgestellt, da diese für die Analyse des Mähdrescherfahrantriebs im Rahmen der

    vorliegenden Arbeit verwendet werden. Andere Klassierverfahren sollen an dieser

    Stelle nicht behandelt werden. Es sei hierbei auf die einschlägigen Werke von Köh-

    ler [96], Haibach [97], Buxbaum [104], Gudehus und Zenner [103] sowie die Richt-

    linie FVA 131 IV der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. [101] und die ver-

    altete Norm DIN 45667 [102] verwiesen.

    Verweildauer-Klassierung

    Die einparametrische Verweildauer-Klassierung ermittelt die Zeiten, die ein Mess-

    signal innerhalb der einzelnen Klassengrenzen verweilt. Die Gesamtsumme aller

    Verweildauern 𝑡𝑖 entspricht der Messdauer 𝑡𝑀𝑒𝑠𝑠. Als relative Verweildauer 𝜏𝑟𝑒𝑙

    (Gl. (3)) wird die Verweildauer je Klasse 𝑖 bezogen auf die Messdauer bezeichnet.

    Bild 6 verdeutlicht die Vorgehensweise exemplarisch anhand der Klasse 4. [96;

    101]

    𝜏𝑟𝑒𝑙,𝑖 =𝑡𝑖

    𝑡𝑀𝑒𝑠𝑠=∑ ∆𝑡𝑖,𝑗𝑛𝑗=1

    ∑ 𝑡𝑖𝑚𝑖=1

    (3)

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    Kla

    sse

    i

    Zeit t

    7

    8

    Zeit t

    klassengrenzenorientierte Rückstellbreite extremwertorientierte Rückstellbreite

  • Stand der Forschung und der Technik 19

    Bild 6: Exemplarische Darstellung der einparametrischen Verweildauer-Klassierung anhand der Klasse 4, nach [96]

    Die statistische Auswertung, die mittels der Verweildauer-Klassierung durchgeführt

    worden ist, enthält keine Informationen mehr über die Häufigkeit der Extrema und

    somit auch nicht über die Größe und Häufigkeit von Schwingspielen. Die Einführung

    einer Rückstellbreite ist nicht sinnvoll, da die Unterdrückung überlagerter Schwin-

    gungen mit kleiner Amplitude nicht notwendig ist. Die Verweildauer-Klassierung fin-

    det vor allem bei der Erstellung von Betriebsbereichsstatistiken für Drehzahlen,

    Drehmomente, Leistungen, Drücke, Geschwindigkeiten und Temperaturen Anwen-

    dung. [96; 101]

    Analog zur einparametrischen Verweildauer-Klassierung wird die zweiparametri-

    sche durchgeführt. Allerdings sind die idealerweise äquidistanten Klassen nicht

    mehr eindimensional, sondern zweidimensional. Das Ergebnis der zweiparametri-

    schen Verweildauer-Klassierung ist somit eine Matrix. Jeder Eintrag der Matrix

    (Klasse) enthält die Verweildauer 𝑡𝑖𝑗, in der zwei Parameter die jeweiligen Klassen-

    bedingungen erfüllen. Für die zweidimensionale grafische Darstellung eignen sich

    Isohypsen, dreidimensional ist auch eine perspektivische Darstellung möglich. [96]

    Die zweiparametrische Verweildauer-Klassierung eignet sich besonders gut für die

    Darstellung der Häufigkeitsverteilung von Betriebspunkten. Typische Beispiele sind

    die Drehmoment/Drehzahl- oder die Druck/Volumenstrom-Klassierung.

    1

    2

    3

    4

    5

    6K

    lasse

    i

    Zeit t

    7

    8

    Δt4,1 Δt4,2 … Δt4,nrelative Verweildauer τrel

    0 5 10 15 20 30%

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    8

  • Stand der Forschung und der Technik 20

    Rainflow-Klassierung

    Der Algorithmus der Rainflow-Zählung erfasst jeweils geschlossene Hysteresen.

    Nicht geschlossene Hysteresen werden als Residuum abgelegt [96]. Jede einzelne

    Hysteresenschleife wird durch ihre Umkehrpunkte (lokale Minima und Maxima) ge-

    kennzeichnet. Das Ergebnis, die sogenannte Rainflow-Matrix, beinhaltet die Anzahl

    der geschlossenen Hysteresenschleifen. Diese Schleifen beginnen in der Start-

    klasse, kehren in der Zielklasse um und enden wieder in der Startklasse. Dadurch

    ist eine Unterscheidung zwischen hängenden und stehenden Hysteresen möglich.

    Dies bedeutet, die Information in welcher Reihenfolge die Belastung auftritt, geht

    durch die Klassierung nicht verloren. Bild 7 verdeutlicht das Vorgehen bei der Rain-

    flow-Zählung. Die gekennzeichneten und nummerierten Dreiecke stellen soge-

    nannte geschlossene Hysteresen dar. Nach der Klassierung verbleibt das Resi-

    duum, also alle nicht geschlossenen Hysteresen. Je nach verwendetem Zählalgo-

    rithmus ändert sich die Behandlung des Residuums und die Bewertung der Extrema

    hinsichtlich der Festlegung geschlossener Hysteresen. [96; 97]

    Bild 7: Veranschaulichung des Rainflow-Zählverfahrens (nach [96; 105; 106])

    1 2 3 4 5 6

    1 1 1

    2 2

    3 1

    4 1

    5 1

    6

    Sta

    rtkla

    sse

    Zielklasse

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    a

    b

    c

    d

    evorderes

    Residuum

    hinteres

    Residuum

    Zeit t

    Kla

    sse

    i

    Die Residuen (a-b-c und c-d-e) werden je

    nach Zählalgorithmus vernachlässigt,

    mitgezählt oder separat abgelegt:

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    1

    2 3 4

    5

    67

    Kla

    sse

    i

    a

    b

    c

    d

    e

    Zeit t

    Belastungs-

    Zeit-Funktion

    (BZF)

    geschlossene

    Hysterese-

    schleife

  • Stand der Forschung und der Technik 21

    Die Rainflow-Klassierung gilt als Zählverfahren, welches den Schädigungsinhalt

    von Belastungs-Zeit-Funktionen am besten wiedergibt. Zudem lassen sich die Er-

    gebnisse einparametrischer Klassierungen aus der Rainflow-Matrix ableiten [96].

    Aus diesem Grund sind zweiparametrische Zählverfahren zu bevorzugen [103].

    2.2.2 Lastkollektive von Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen

    Bereits 1936 beschreiben W. Kloth und Th. Stroppel [107] die Problematik der Deu-

    tung und Vergleichbarkeit von Belastungs-Zeit-Funktionen am Beispiel der Zugkraft

    eines Pfluges. Stark schwankende Messwerte durch heterogene Bedingungen wer-

    fen die Frage auf, ob die Zugkraft durch einen einzigen Zahlenwert beschrieben

    werden kann. Wird der Mittelwert verwendet, liegt die Schwierigkeit bei der Ausle-

    gung von Bauteilen in der Festlegung eines adäquaten Sicherheitsbeiwertes. Die

    Verwendung des Grenzwertes hingegen führt zu einer überdimensionierten Ausle-

    gung. Deshalb schlagen sie bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Lastanalysen

    von Landmaschinen die Verwendung einer Häufigkeitsverteilung unter Festlegung

    fixer Klassenbreiten vor [107]. Der „Pioniercharakter“ dieses Artikels ist daran zu

    erkennen, dass die Zweckmäßigkeit der Gegenüberstellung von Lasthäufigkeit und

    Wöhler-Kurve beschrieben ist [95]. Unterstützt wird diese Einschätzung außerdem

    durch die damals fortschrittliche Unterteilung des Belastungs-Zeit-Verlaufs der Pa-

    ckerwelle eines Mähbinders in einzelne Teilaufgaben [107]. Diese differenzierte Be-

    trachtungsweise der einzelnen Häufigkeitsverteilungen erlaubt weitreichende Er-

    kenntnisse über auftretende Einzelereignisse. Üblicherweise gehen bei der Klassie-

    rung von Lastkollektiven die Informationen der zeitlichen Abfolge verloren. Bei einer

    deterministischen Belastung können mittels der Unterteilung nach Teilaufgaben im

    Verfahrensablauf einzelne Teilsequenzen dennoch gesondert betrachtet werden.

    Bereits 1971 beschäftigt sich Müller [108] mit den Getriebebelastungen an mecha-

    nischen und hydrostatischen Mähdrescher-Fahrantrieben. In einem theoretischen

    Ansatz berechnet er die erforderlichen Abtriebsdrehmomente sowie die auftreten-

    den Stoßbelastungen. Lastkollektive werden hier noch nicht verwendet. [108]

    Renius [95] beschreibt 1976 den damaligen Forschungsstand im Bereich Lastkol-

    lektive und deren Berechnungsgrundlagen zur Auslegung von Traktorgetrieben. Kri-

    tisiert wird hierbei besonders, dass trotz vieler Lastkollektivmessungen keine ver-

  • Stand der Forschung und der Technik 22

    wendbaren normierten Last- und Geschwindigkeitskollektive für eine praxistaugli-

    che Berechnung vorliegen. Für eine betriebsfeste Auslegung von Getrieben wird die

    Verwendung von repräsentativen motorseitigen und triebradseitigen Gesamtlastkol-

    lektiven sowie eines Geschwindigkeitskollektivs vorgeschlagen. Für eine detaillier-

    tere Betrachtungsweise können Einzelkollektive für typische Arbeitsgruppen und

    Fahrgeschwindigkeitsbereiche betrachtet werden. Zudem erweitert die mehrpara-

    metrische Darstellung den Informationsgehalt von Lastkollektiven. Als besonders

    wichtig wird die Verwendung von Klassierverfahren eingeschätzt, welche die Zeit-

    anteile beibehalten [95]. 25 Jahre später beschreibt Renius [109], wie sich Lastkol-

    lektive bei der Auslegung von Traktorgetrieben etabliert haben. Weiter wird die Me-

    thode der Betriebsfestigkeit als „wirtschaftlich und zukunftsträchtig“ beschrieben.

    [109]

    Im Jahr 1991 hat die Firma CLAAS das vierjährige Projekt Hydrauliköl auf Rapsölba-

    sis gestartet. Ziel war die Freigabe von Hydraulikölen auf Rapsölbasis in Mähdre-

    schern und Feldhäckslern. In diesem Rahmen sind insgesamt 24 Maschinen mit

    Rapsöl befüllt und deutschlandweit getestet worden. Neben den Projektträgern,

    dem damaligen Bundesministerium für Landwirtschaft und der Union zur Förderung

    von Öl- und Proteinpflanzen, waren Komponenten-, Öl- und Filterhersteller mit am

    Projekt beteiligt. Regelmäßige Viskositätsuntersuchungen, die kontinuierliche Über-

    wachung der Drücke und Temperaturen sowie die abschließende Demontage und

    Untersuchung aller Komponenten, aber vor allem die große Anzahl an Versuchsträ-

    gern erlauben weitreichende Rückschlüsse auf die Eignung von Rapsöl in Erntema-

    schinen [110]. Wendorff [111] publiziert in einer Ergebnispräsentation exemplari-

    sche Lastdruckkollektive eines hydrostatischen Fahrantriebs der A-seitigen Arbeits-

    leitung. Als A-Seite wird beim hydrostatischen Fahrantrieb im geschlossenen Kreis

    üblicherweise die mit Hochdruck beaufschlagte Leitung bei der Vorwärtsfahrt be-

    zeichnet. Grundlage der publizierten Daten sind Messungen an einem CLAAS

    Dominator 88 SL, welcher über drei Ernten hinweg insgesamt 1120 Stunden im Ver-

    suchseinsatz mit Rapsöl betrieben wurde, Bild 8. Insgesamt wird der Fahrantrieb

    bei einem sehr moderaten Druckniveau betrieben. Die längste Verweildauer mit

    39,8 % der Gesamtmesszeit liegt im Bereich zwischen 100 und 150 bar [111].

    Renius [8] beschreibt den Hochlastanteil des primär verstellten hydrostatischen

    Fahrantriebs als „etwas überdurchschnittlich“.

  • Stand der Forschung und der Technik 23

    Bild 8: Lastdruckkollektiv des hydrostatischen Fahrantriebs eines Mähdreschers Messzeit: 1120 h, CLAAS Dominator 88 SL nach [111]

    Huber [6] hat für seine Lastanalysen am Fahrantrieb eines Teleskopladers eine Ver-

    suchsmaschine mit Messtechnik ausgestattet. Erfasst wurden die Drehmomente an

    den Kardanwellen des Allradantriebs zur Vorder- und Hinterachse mittels DMS-Ap-

    plikationen und einem Sensortelemetriesystem als Übertragungseinheit zwischen

    Rotor und Stator. Außerdem sind die Drücke und Volumenströme beider Hydromo-

    toren des Fahrantriebs, einem Konstant- und einem Verstellmotor, gemessen wor-

    den. Zusätzlich zu den Messstellen konnten die Bediensignale mitgeloggt werden.

    Die Randbedingungen, wie Arbeitstätigkeit und Anbaugerät, stellt der Fahrer manu-

    ell über ein separates Bedienterminal als zusätzliche Eingangsgrößen bereit. Last-

    kollektive und Einsatzprofile konnten auf drei Testbetrieben gemessen werden. Ins-

    gesamt fokussiert diese Arbeit sehr stark die Betriebsfestigkeit von Bauteilen und

    Baugruppen. Als Auswertemethode wird deshalb die Rainflow-Klassierung verwen-

    det. Aus den erstellten Rainflow-Matrizen werden dann in einem zweiten Schritt

    Amplitudenkollektive abgeleitet und zu Bemessungskollektiven verrechnet. Bemes-

    sungskollektive decken die komplette Nutzungsdauer von Bauteilen ab und werden

    meist aus kurzen, repräsentativen Messungen mittels Schätzung eines Einsatzpro-

    fils extrapoliert [96]. Die publizierten Lastkollektive zeigen insgesamt einen hohen

    Zeitanteil im Bereich der unteren Teillast sowie hohe Stillstandszeiten. [6]

    0

    100

    200

    300

    400

    500

    0,01 0,1 1 10 100

    Summenhäufigkeit

    relative Verweildauer rel

    Fa

    hra

    ntr

    ieb

    Dru

    ck p

    A

    %

    bar

  • Stand der Forschung und der Technik 24

    Für Radlader-Fahrantriebe stellt Pfab [15] Last- und Drehzahlkollektive für typische

    Einsatzfälle vor. Aus den gemessenen Einzelkollektiven werden unter Berücksich-

    tigung des Einsatzprofils Gesamtlastkollektive berechnet [15]. In [112] schlägt

    Kunze eine Methode zur Erstellung von Normlastkollektiven für Baumaschinen zur

    Verbesserung der Lebensdauerabschätzung vor. Ebenfalls Teil der Methode ist es,

    durch Superposition einzelner Rainflow-Matrizen entsprechend eines Einsatzprofils

    eine Gesamtmatrix zu berechnen [112].

    Lindner et al. beschreiben in [37] die Implementierung eines dieselelektrischen

    Fahrantriebs in einen Rübenroder. Für dessen Auslegung wurde eine Verweildau-

    erklassierung der hydraulischen Fahrantriebsleistung durchgeführt. Die erfasste Be-

    triebszeit liegt bei 200 h und umfasst sowohl Transferfahrten als auch den Erntebe-

    trieb zweier Versuchsmaschinen. Die exakten Randbedingungen werden, ebenso

    wie der Auswerteumfang des Leistungskollektivs, nicht weiter spezifiziert. Bild 9

    zeigt das gemessene Leistungskollektiv für den Rübenroder mit rund 31 t Leer-

    masse und ca. 60 t Gesamtmasse.

    Bild 9: Leistungskollektiv der hydraulischen Motorleistung im Fahrantrieb eines Rübenroders mit ca. 31 t Leermasse (nach [37])

    Speziell im Bereich des Mähdreschers beschäftigte sich Müller [113] intensiv mit

    Lastkollektiven sowie der Leistungsverteilung im Mähdrescher. Ziel des For-

    50

    100

    150

    200

    250

    300

    00,01 0,1 1 10 100

    Summenhäufigkeit

    relative Verweildauer rel

    hyd

    rau

    lisch

    e L

    eis

    tun

    g a

    m F

    ah

    r-

    an

    trie

    b e

    ine

    s R

    üb

    en

    rod

    ers

    Ph

    yd

    ,FA

    %

    kW

  • Stand der Forschung und der Technik 25

    schungsprojektes ist die Bewertung alternativer Antriebssysteme zur Drehzahlent-

    kopplung des Dieselmotors vom Antrieb der Arbeitsprozesselemente. Eine Ent-

    kopplung der Antriebsdrehzahl bietet im Idealfall die Möglichkeit den Verbrennungs-

    motor stets im verbrauchsoptimalen Betriebspunkt zu betreiben [114]. Um eine hohe

    Prozessgüte zu erreichen, müssen drehzahlsensitive Arbeitsorgane wie die Rest-

    kornabscheidung oder die Reinigungsanlage mit einer möglichst konstanten, den

    Randbedingungen angepassten Erregerfrequenz betrieben werden [115–118]. Dies

    stellt bei heterogenen Erntebedingungen hohe Anforderungen an das Entkopp-

    lungselement bezüglich dessen Regelgüte. Die erforderliche Regelgüte beschreibt

    dabei die Anforderungen hinsichtlich Stabilität, Störkompensation, Dynamik und Ro-

    bustheit des dafür notwendigen Drehzahlreglers [119]. Zur Systemauswahl und Di-

    mensionierung der Drehzahlentkopplung sind Lastkollektive möglichst aller Antriebe

    im Mähdrescher erforderlich [120]. Müller [114] hat hierfür einen Versuchsmähdre-

    scher des Typs CLAAS Lexion 470 Montana mit Leistungsmessstellen am Dresch-

    werk, der Restkornabscheidung, dem Strohhäcksler, dem Fahrantrieb und dem Vor-

    gelege des Antriebs für die Vorsatzgeräte ausgestattet. Unter repräsentativen Be-

    dingungen konnten dabei Messdaten aus den Ernten 2011 und 2012 aufgezeichnet

    und analysiert werden [113; 114]. Die in [113] publizierten Lastkollektive eines Wei-

    zenfeldes mit einer Fläche von 3,3 ha weisen im Bereich der Arbeitsantriebe einen

    signifikant hohen Anteil an Leerlast auf. Dieser liegt bei über 30 % der Einsatzzeit.

    Die von Müller und Häberle in [36] publizierten Lastkollektive sind auf einem Wei-

    zenschlag mit 3 ha und einem Durchschnittsertrag von 7,1 t/ha aufgezeichnet wor-

    den und weisen ebenfalls einen ähnlichen Leerlastanteil auf. Auffallend ist der hohe

    Teillastanteil mit über 70 % der Einsatzzeit.

    Im Bereich des Fahrantriebs (Bild 10) liegen die Anteile für den Stillstand deutlich

    über 10 % [36]. Wird unterstellt, dass das hydrostatische Bremsen auf einem ebe-

    nen Feld und das Rückwärtsfahren vernachlässigt werden können, ist er am

    Zeitanteil zu erkennen, welcher im Bereich des Speisedruckniveaus (ca. 0,1 bis

    0,15∙ 𝑝𝐴,𝑚𝑎𝑥) liegt. Insgesamt liegen ca. 99 % der Lastpunkte unter 60 % Auslastung

    [36]. Dies ist typisch für Mähdrescher-Fahrantriebe, da Leistungsreserven für

    schwierige Erntebedingungen und Steigungen vorgehalten werden müssen. Jedoch

    muss berücksichtigt werden, dass es sich beim verwendeten Versuchsmähdrescher

  • Stand der Forschung und der Technik 26

    um eine Maschine handelt, welche speziell für Hanglagen konzipiert ist. Die leis-

    tungsfähigeren Fahrantriebe dieser Mähdrescher weisen deshalb beim Einsatz in

    der Ebene höhere Teillastanteile als Standardmaschinen auf.

    Bild 10: Gesamtdruckkollektiv am Fahrantrieb für einen 3 ha Weizenschlag (nach [36])

    Neben den in [36] publizierten Lastkollektiven wird dort auch ein erster Ansatz zur

    Erstellung virtueller Lastkollektive vorgestellt. Hierbei wird das Gesamtkollektiv in

    Teilkollektive zerlegt und entsprechend eines neu erstellten Einsatzprofils rekombi-

    niert.

    Für einen Feldhäcksler des Typs KRONE Big X 1000 hat Heckmann [34; 121] sehr

    umfangreiche Last- und Leistungsanalysen im Fahrantrieb durchgeführt. Ziel des

    durch die DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) geförderten Projektes [122] war

    der Vergleich eines hydraulischen mit einem elektrischen Fahrantrieb. Die durchge-

    führten Feldmessungen an der hydrostatisch angetriebenen Hinterachse zeigen

    eine überproportionale Häufung der Betriebspunkte im ersten Quadranten des

    Drehmoment-Drehzahlkennfeldes mit 87-88 % der Zeitanteile, Bild 11 und Bild 12.

    Zudem konzentriert sich der Hauptarbeitsbereich auf ein schmales Betriebskennfeld

    im Bereich der unteren Teillast. Die nach dem Klassendurchgangsverfahren

    (DIN 45667 [102]) klassierten Lastkollektive sind über die zwei Parameter, dem the-

    0,2

    0,4

    0,6

    0,8

    1,0

    00,01 0,1 1 10 100

    Summenhäufigkeit

    relative Klassenhäufigkeit

    no

    rmie

    rte

    r L

    astd

    ruck im

    Fa

    hra

    ntr

    ieb

    pA /

    pA

    ,ma

    x

    %

    -

  • Stand der Forschung und der Technik 27

    oretischen Raddrehmoment und der -drehzahl, dargestellt. Das theoretische Rad-

    drehmoment 𝑀𝑡ℎ,𝑅𝑎𝑑 errechnet sich dabei aus der gemessenen Druckdifferenz ∆𝑝

    und dem eingestellten Schluckvolumen des Radialkolbenmotors 𝑉𝑔, Gl. (4).

    𝑀𝑡ℎ,𝑅𝑎𝑑 =𝑉𝑔 ∙ ∆𝑝

    2𝜋 (4)

    Der Gesamtwirkungsgrad findet dabei keine Berücksichtigung, sodass die darge-

    stellten Werte nicht den tatsächlichen Antriebsmomenten entsprechen. Zur Berück-

    sichtigung des Gesamtwirkungsgrads sind dreidimensionale Kennfelder erforder-

    lich, welche den Differenzdruck, die Drehzahl und das Schluckvolumen berücksich-

    tigen. Als Klassenbreite sind 1 kNm für die Raddrehmomente und 2 1/min für die

    Raddrehzahlen verwendet worden. [34]

    Bild 11: Lastkollektiv Krone Big X 1000 (Serienstand) des rechten Hinterrades für hügeliges Gelände nach [34]

    Bild 12: Lastkollektiv Krone Big X 1000 (Serienstand) des rechten Hinterrades für flaches Gelände nach [34]

    rela

    tive H

    äufigkeit

    10−4,5

    10−4,0

    10−3,5

    10−3,0

    10−2,5

    10−2,0

    10−1,5

    Abbildung 5.1: Lastkollektiv in Form einer Drehmoment-Drehzahl-Verteilung für den rech-

    ten Hinterradmotor bei Feldversuchen am 28.09.2009 im tertiären Hügelland

    westlich von Freising; verändert auf Basis von [HB10a]

    Raddrehzahl nRad

    -40 -30 -20 -10 0 10 20 401/min

    Raddre

    hm

    om

    ent

    Mth

    ,Rad

    0

    kNm

    4

    -4

    -8

    12

    -12

    Abbildung 5.2: Lastkollektiv in Form einer Drehmoment-Drehzahl-Verteilung für den rech-

    ten Hinterradmotor bei Feldversuchen am 30.09.2009 im komplett flachen

    Gelände auf Flächen der Versuchsstation Hirschau der Technischen Univer-

    sität München östlich von Freising im Erdinger Moos; verändert auf Basis

    von [HB10a]

    rela

    tive H

    äufigkeit

    10−4,0

    10−3,5

    10−3,0

    10−2,5

    10−2,0

    10−1,5

    Raddrehzahl nRad

    -40 -30 -20 -10 0 10 20 401/min

    Raddre

    hm

    om

    ent

    Mth

    ,Rad

    0

    kNm

    4

    -4

    -8

    12

    -12

  • Stand der Forschung und der Technik 28

    Neben den Feldversuchen unter verschiedenen Einsatzbedingungen sind auch

    Prüfstandsuntersuchungen als reproduzierbare Vergleichsbasis des elektrischen

    und hydrostatischen Antriebssystems durchgeführt worden. Damit sind präzise Aus-

    sagen zu den Gesamt- und Teilsystemwirkungsgraden der Feldhäcksler-Hinter-

    achse möglich. Zur Durchführung dieser Messungen ist am Lehrstuhl für Agrarsys-

    temtechnik der TU München eigens ein Antriebsstrangprüfstand aufgebaut worden.

    [34; 123; 124]

    Im Vorgängerprojekt [125] vergleicht Gallmeier [28] elektrische mit hydrostatischen

    Baugruppenantrieben am Beispiel des Feldhäckslers KRONE Big X 1000. Mittels

    der Monte-Carlo-Methode werden dabei aus Feldmessungen Prüfzyklen für einen

    reproduzierbaren Vergleich beider Systeme berechnet. Im Vordergrund steht hier-

    bei, neben einer technischen und wirtschaftlichen Bewertung, die energetische Ana-

    lyse der Antriebe. [28; 126]

    Weitaus intensiver wurden in der Vergangenheit die Fahrantriebe von Traktoren un-

    tersucht. Da Traktoren nicht Bestandteil der vorliegenden Arbeit sind, jedoch wich-

    tige Parallelen zu Fahrantrieben mobiler Arbeitsmaschinen gezogen werden kön-

    nen, soll eine nicht erschöpfende Auswahl wichtiger Literaturstellen kurz angerissen

    werden. Eine bedeutende Zusammenfassung wichtiger Literaturstellen zur Ausle-

    gung dynamisch beanspruchter Traktorgetriebe gibt Renius in [95]. Biller [127] hat

    im Rahmen seiner Arbeit repräsentative Lastkollektive für einen Traktor, an den un-

    terschiedliche Anbaugeräte angebaut wurden, erstellt. Bemerkenswert ist, dass die

    Arbeitsgänge nach Hauptarbeit, Leerfahrt sowie Anfahren und Schalten unterteilt

    wurden. Zudem sind die Einflussfaktoren Arbeitsverfahren, Fahrgeschwindigkeit,

    Bearbeitungsart, Bodenfeuchtigkeit, Fahrbahnart und Betätigungsart der Kupplung

    auf das Lastkollektiv untersucht worden [127]. Parallel dazu hat Meiners [128] den

    Einfluss einer hydrodynamischen Kupplung beim Traktor anhand von Lastkol-

    lektiven untersucht. Vahlensieck [129] hat für die Auslegung eines Getriebes mit

    Zugkettenwandler Lastkollektive mit dem sogenannten Münchner Forschungstrak-

    tor aufgenommen und analysiert. Zudem wurde eine Lebensdauerschätzung nach

    gängigen Schadensakkumulationshypothesen durchgeführt [129]. In einem späte-

    ren Artikel merkt Vahlensieck [130] an, dass insgesamt nur wenig Veröffentlichun-

  • Stand der Forschung und der Technik 29

    gen zu Standard-Lastkollektiven verfügbar seien und die einzig verfügbaren im Be-

    reich der mobilen Arbeitsmaschinen von Traktoren stammen. Dieser Umstand hat

    sich nach aktuellem Stand nicht wesentlich verbessert.

    2.3 Effizienzbewertung von Antrieben

    Bei mobilen Arbeitsmaschinen übersteigen oftmals die variablen Kosten, welche zu

    großen Teilen aus den Kraftstoffkosten resultieren, die Anschaffungskosten um ein

    Vielfaches, weshalb sich Investitionen in energieeffiziente Antriebe amortisieren [5;

    131]. Eine Ausnahme stellt der Mähdrescher dar. Wegen den sehr kurzen jährlichen

    Einsatzzeiten übersteigen die nutzungsunabhängigen Fixkosten mit einem Anteil

    von ungefähr 66 % die variablen Kosten [132]. Dies ist durch die sehr begrenzten

    Erntefenster für Getreide von 3 bis 402 Stunden in Deutschland, je nach Klimagebiet

    und Zielfeuchte des Ernteguts [79; 133], begründet. Insgesamt betrachtet hat jedoch

    die Energieeffizienz von mobilen Arbeitsmaschinen einen hohen Stellenwert [4]. Vor

    allem durch die politische Forderung nach einer höheren Energieeffizienz und somit

    der Senkung verbrennungsmotorischer CO2-Emissionen [134], sehen sich die

    Landtechnikhersteller mit neuen Herausforderungen konfrontiert [135; 136]. Aller-

    dings wird die Umsetzung der Ökodesignrichtlinie [137] für mobile Arbeitsmaschi-

    nen sehr kritisch gesehen, da landwirtschaftliche Prozesse sehr heterogen sind und

    sich nicht mit einer einzigen Kennzahl, wie bei Energielabeln üblich, abbilden las-

    sen. Zudem wird durch den produktzentrierten Ansatz ein sehr viel niedrigeres Ener-

    gieeinsparpotential gesehen als bei einem ganzheitlichen prozessorientierten An-

    satz [138].

    Die bisher geltenden europäischen Abgasstufen I bis IV haben mit der Einführung

    der Europäischen Richtlinie 97/68/EG [139], sowie deren Überarbeitung vom

    21.04.2004 (2004/26/EG [140]), sukzessive zu einer Verschärfung der Emissions-

    grenzwerte im Bereich mobiler Maschinen und Geräte geführt. Aktuell ist jedoch

    deren CO2-Ausstoß nicht reglementiert. Tabelle 16 im Anhang listet die Emissions-

    grenzwerte der einzelnen Abgasstufen für mobile Maschinen seit deren Einführung

    auf. Diese Regulierung der Abgasemissionen (Stufe I bis V) hat in der Leistungs-

    klasse von 130 bis 560 kW zu einer Reduzierung der Stickoxidgrenzwerte um

    95,7 % und bei den Partikeln um 97,2 % geführt. Zusätzlich wird im dargestellten

    file:///C:/Users/has7ec/Documents/Laufwerk%20H/Diss/teilstufenloses%23_CTVL001618e0341a03a4120ad5461adde051f50

  • Stand der Forschung und der Technik 30

    Bereich mit Einführung der Stufe V die Partikelanzahl auf 1012 Partikel/kWh be-

    grenzt. Außerdem werden Dieselmotoren für mobile Maschinen mit einer Nutzleis-

    tung PNutz größer 560 kW erstmals innerhalb der europäischen Abgasgesetzgebung

    reglementiert [141].

    Der Rahmen für die Klima- und Energiepolitik im Zeitraum 2020-2030 der Europäi-

    schen Kommission sieht die Reduzierung der CO2-Emissionen vor. Nach kommis-

    sionseigenen Analysen bedeutet das Treibhausgasemissionsminderungsziel von

    40 % eine Energieeinsparung von rund 25 % bis ins Jahr 2030, bezogen auf das

    Basisjahr