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ANFORDERUNGS- UND AKZEPTANZ- ANALYSE DES ALTERSGERECHTEN AUTOMATISIERTEN FAHRENS benefit Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung Peter Fröhlich Andreas Sackl Lisa Diamond Julia Himmelsbach Markus Garschall Daniela Wurhofer 31.03.2020

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Inhaltsverzeichnis 1 Kurzfassung ................................................................................................................................................ 2

2 Executive Summary.................................................................................................................................... 3

3 Einführung .................................................................................................................................................. 4

4 Methodik ..................................................................................................................................................... 7

5 Anwendungsfälle ...................................................................................................................................... 14

5.1 Priorisierte Anwendungsfälle ........................................................................................................... 14

5.2 Gesamtübersicht über alle Anwendungsfälle .................................................................................. 19

6 Akzeptanz ................................................................................................................................................. 25

6.1 Einstellungen älterer Menschen zu automatisierter Mobilität .......................................................... 25

6.2 Vergleich der priorisierten Anwendungsfälle ................................................................................... 28

7 Bedürfnisse älterer Menschen für die automatisierte Mobilität ................................................................ 29

8 Schlussfolgerungen .................................................................................................................................. 32

Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................................................... 35

Tabellenverzeichnis ......................................................................................................................................... 35

Literatur ............................................................................................................................................................ 36

Beteiligte ExpertInnen...................................................................................................................................... 40

Anhang ............................................................................................................................................................ 41

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1 KURZFASSUNG Der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft nimmt aufgrund des demografischen Wandels kontinuierlich zu und auch ihre Teilnahme am Verkehr erhöht sich. Gleichzeitig werden sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten automatisierte Fahrtechnologien auf dem Markt etabliert haben. Studien weisen darauf hin, dass besonders ältere Personen von automatisierten Fahrtechnologien und darauf aufbauenden Diensten profitie-ren könnten, sodass ihre Mobilität, Autonomie und Lebensqualität gestärkt werden. Allerdings fehlt bisher eine systematische Aufarbeitung der Möglichkeiten, Barrieren und Auswirkungen von automatisierter Mobilität aus Sicht von älteren Menschen in ihren verschiedenen Nutzungsrollen als FahrerInnen, PassagierInnen, anderen VerkehrsteilnehmerInnen, sowie den relevanten Kontextfaktoren. Der vorliegende Bericht fasst die Ergebnisse der benefit Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung „A4F – Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens“ zusammen. Der erste Untersuchungsbeitrag besteht in der Definition und Priorisierung von Anwendungsfällen des altersgerechten automatisierten Fahrens. Diese basiert auf einer Analyse, Bewertung und Synthese von Ansätzen und Pro-jekten im Bereich des Active bzw. Ambient Assisted Living (AAL) von Mobilitätsdiensten und Mensch-Compu-ter Interaktion. Die folgenden Anwendungsfälle, die für die Untersuchung priorisiert wurden, werden im Bericht detailliert beschrieben: (1) teilautomatisierter Individualverkehr, (2) hoch- bis vollautomatisierter Individualver-kehr, (3) automatisierte on-Demand Shuttles, (4) automatisierte Unterstützung im öffentlichen Nahverkehr und (5) Begegnung automatisierter Fahrzeuge mit FußgängerInnen. Alle Anwendungsfälle werden in einer Ge-samtübersicht dargestellt und in Bezug zu Taxonomien im Bereich automatisiertes Fahren und AAL gesetzt (siehe Tabelle 8 und Tabelle 9). Der zweite Untersuchungsbeitrag ist eine qualitative Akzeptanzanalyse, bei der in zwei Workshops mit älteren Personen Potentiale und Bedenken der altersgerechten automatisierten Mobilität analysiert wurden. Die Er-gebnisse dieser Akzeptanzanalyse legen nahe, dass der größte Wert der Automatisierung für ältere Personen in der Entlastung liegt. Entsprechend sollte die Kommunikation und technische Handhabung des Systems nicht zu einer Zusatzbelastung oder gar Überforderung führen. Dies ist unter Berücksichtigung der Lebensre-alität älterer Personen im Systemdesign durchgängig zu bedenken. Der hochautomatisierte Individualverkehr, in dem das eigene Auto zum Chauffeur wird und Fahrten mit hohem Komfort und ohne die Notwendigkeit von Fahrtüchtigkeit erlaubt, weist in diesem Sinne die größte Attraktivität für ältere Personen auf. Besondere Un-sicherheit besteht unter älteren Menschen im Hinblick auf ihre zukünftige Rolle als FußgängerInnen in einer Verkehrssituation mit automatisierten Fahrzeugen. Hier empfiehlt es sich, Lösungsansätze gemeinsam mit älteren Personen (und anderen VerkehrsteilnehmerInnen mit speziellen Bedürfnissen wie Kindern, anders-sprachigen Personen oder RadfahrerInnen) zu erarbeiten, zu evaluieren und die Ergebnisse in entsprechende Regulierungen einfließen zu lassen. Das Ziel sollte dabei eine Standardisierung der Kommunikation automa-tisierter Fahrzeuge mit verletzlichen VerkehrsteilnehmerInnen sein. Auf Basis der durchgeführten Akzeptanzanalyse sowie einer begleitenden ExpertInnenkonsultation wurden Bedürfnisse abgeleitet (siehe Abschnitt 7). Daraus ergeben sich zusammenfassend folgende Herausforderun-gen: (1) die niederschwellige Einführung teilautomatisierter Mobilität, (2) eine reale Entlastung durch hochau-tomatisiertes Fahren, (3) das Erreichen einer breiten Verfügbarkeit von automatisierten Mobilitätsdiensten, (4) die Einbindung von Ansätzen aus AAL und Design for All, (5) die Nutzung der Potentiale von Mensch-Com-puter Interaktionsforschung und (6) eine vorausschauende Wissensvermittlung.

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2 EXECUTIVE SUMMARY Due to demographic change, the proportion of older people is constantly increasing, and as a consequence their participation in transport is rising. At the same time, automated driving technologies will have established themselves on the market in the coming years and decades. Studies indicate that older people in particular could benefit from automated driving technologies and the services based on them, thus strengthening their mobility, autonomy and quality of life. However, a systematic analysis of the possibilities, barriers and effects of automated mobility from the perspective of older people in their various roles as drivers, passengers and other road users, as well as the relevant contextual factors, is still lacking. This report summarizes the results of the benefit study "A4F - Requirements and acceptance analysis of au-tomated driving for the aging population". The first contribution consists in the definition and prioritisation of use cases for ageing-appropriate automated driving. This is based on an analysis, evaluation and synthesis of approaches and projects in the field of Active and Ambient Assisted Living (AAL), mobility services and human-computer interaction. The following use cases prioritized for the investigation are being described in detail in the report: (1) partially automated individual transport, (2) highly to fully automated individual transport, (3) automated on-demand shuttles, (4) automated support in public transport, and (5) encountering automated vehicles as pedestrians. All use cases are presented in a general overview and related to taxonomies in the field of automated driving and AAL. The second research contribution is a qualitative acceptance analysis study, in which potentials and concerns of age-appropriate automated mobility were analysed in two workshops with older people. The core results of this acceptance analysis are that the greatest perceived value of automation for older people was a relief from workload and driving demands. Accordingly, the communication and technical handling of the system should not lead to an additional burden or even excessive demands. This insight has to be taken into account in the system design, taking into account the reality of life for older people. In this sense, highly automated individual transport that foresees the own car as a chauffeur and allows journeys with a high level of comfort and without the need for driving ability, is the most attractive option for older people. The study identified particular uneas-iness among older people with regard to their future role as pedestrians in a traffic situation with automated vehicles. The resulting recommendation is to develop and evaluate solutions together with older people (and other road users with special needs such as children, people speaking different languages, or cyclists), and to incorporate the results into appropriate regulations. The aim should be to standardise the communication of automated vehicles with vulnerable road users. Based on the conducted acceptance analysis and an accompanying expert consultation, needs were derived. This results in the following challenges: (1) the low-threshold introduction of semi-automated mobility, (2) a true relief through highly automated driving, (3) the achievement of broad availability of automated mobility services, (4) the integration of approaches from Active Assisted Living and Design for All , (5) the use of the potentials of human-computer interaction research and (6) strategies for proactive knowledge transfer.

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3 EINFÜHRUNG Der Anteil älterer Menschen nimmt aufgrund des demografischen Wandels kontinuierlich zu – die Statistik Austria1 geht beispielsweise von einem Anstieg der über 60-jährigen von derzeit ca. 25% auf 36% im Jahr 2050 aus. Diese stetige aber radikale Veränderung wird das Gefüge von Familien, sozialen Strukturen, Wirtschaft sowie auch die Infrastruktur und individuelle Mobilität verändern. Es wird erwartet, dass sich der Anteil älterer VerkehrsteilnehmerInnen weiter erhöhen wird (Haverkamp und Rüdiger, 2016). Gleich-zeitig werden sich in dieser Zeit nach allgemeinen Einschätzungen von ExpertInnen automatisierte Fahr-zeuge auf dem Markt etabliert haben. Zuerst werden in den nächsten Jahren „bedingt automatisierte Fahrzeuge“ (SAE level 32, siehe Abbildung 1) auf dem Markt eingeführt. Besonders ältere Personen könn-ten von automatisierter Fahrtechnologie profitieren. Beispielsweise können technologische Entwicklun-gen dabei helfen, die Mobilität älterer Menschen sowie Selbständigkeit, Lebensqualität und Autonomie zu fördern. Das Bedürfnis älterer Menschen nach Autonomie, aber auch nach einem abwechslungsreichen, aktiven Leben, zeigt sich auch im Mobilitätsverhalten: So steigt die Anzahl von FahrerInnen zwischen 65 und 85 stark an3. In den Vereinigten Staaten wird erwartet, dass dank automatisierter Mobilität ältere Menschen so viel unterwegs sein werden wie die allgemeine jüngere Bevölkerung (Harper et al, 2016). Neben steigender gesellschaftlicher Relevanz der Gruppe älterer Personen ist diese aufgrund ihrer oft ausreichend vorhandenen finanziellen Ressourcen eine zunehmend wichtige Abnehmerin der Industrie. Ältere Menschen werden daher zunehmend auch als Zielgruppe von technologischen Entwicklun-gen anerkannt (Rosales & Fernández-Ardèvol, 2016), beziehungsweise wird nicht mehr nur auf jüngere Erwachsene fokussiert. Bis vor kurzem wurde von der Forschung und Industrie vornehmlich die verän-derte Rolle von FahrerInnen betrachtet. Jedoch werden automatisierte Mobilitätsangebote übergreifende Wechselbeziehungen mit dem Gesamt-Verkehrssystem haben, und somit sollten die Bedürfnisse ei-ner Reihe von weiteren direkten und indirekten NutzerInnengruppen beachtet werden (Millonig, 2019). So sind hierzu bspw. Personen aller Altersgruppen zu zählen, die bisher schon vornehmlich als PassagierIn-nen manuell gesteuerter Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs unterwegs waren und nun auch an die Nutzung fahrerInnenloser Busse (auf SAE Level 5, vgl. Millonig und Fröhlich, 2018) herangeführt werden müssen.

Abbildung 1: Automatisierungslevels und FahrerInnen-/Systemrollen; Millonig (2019), ausgehend von SAE-Levels

Standard J3016; SAE International)

Auch ändert sich das Berufsbild von ArbeitnehmerInnen in der Personenbeförderung oder Logistik in ei-nem Maße, welches insbesondere für Personen mittleren Alters einer signifikanten Umstellung bedarf. Hierzu zählen zum Beispiel LKW-FahrerInnen, die auf längeren Autobahnstrecken bei vollautomatisiertem

1 https://www.bmfj.gv.at/dam/jcr:9fac9431-a9af-4c5c-8d9c-1b170412b741/Der%20Wandel%20der%20Bev%C3%B6lker-ungsstruktur%20in%20%C3%96sterreich.pdf 2 SAE. 2013. Surface Vehicle Recommended Practice. (2013). 3 Generali Deutschland AG (Ed.). 2017. Generali Altersstudie 2017 - Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Springer-Verlag Berlin Heidelberg.

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Fahren (SAE Level 4) nicht mehr selber steuern müssen und anderen, noch zu definierenden Tätigkeiten nachgehen können (Fröhlich et al, 2018). Ein weiterer Bereich, der zunehmend in das Blickfeld der Be-trachtung gerät, ist eine verbesserte Interaktion automatisierter Fahrzeuge mit anderen Verkehrsteilneh-merInnen (FußgängerInnen, RadfahrerInnen oder RollstuhlfahrerInnen; Mirnig et al, 2018).

Aus dem AAL-Bereich sind technische Lösungen zur zielgerichteten Unterstützung älterer Menschen im Mo-bilitäts-Alltag in den letzten Jahren vorgeschlagen worden4. Dabei haben bisherige AAL Projekte im Bereich Mobilität und Transport großteils auf die Unterstützung der Navigation und Orientierung älterer Personen zu Fuß oder auch bei der Nutzung spezifischer Transportmittel adressiert. Um Technologien für ältere Personen erfolgreich zu entwickeln, wurden im Projekt „mobi.senior.A“5 gezielt genderspezifische Anforderungen, Moti-vationen, Aneignungsstrategien, Hindernisse und Zugänge für ältere Menschen im Zusammenhang mit deren Mobilgeräten und Applikationen untersucht. Eine solch grundlegende Erforschung der Zielgruppe ermöglicht es, die heterogene Zielgruppe „ältere Personen“ differenziert zu erfassen und zu beschreiben. Durch die Stu-die TAALXONOMY wurde eine Taxonomie zur effektiven Einordnung dieser Produkte und Dienstleistungen bereitgestellt. Alle allgemeinen Anwendungsfälle automatisierter Fahrtechnologien sind auch für ältere NutzerInnen relevant, aber in den wenigsten Fällen wurden diese speziell für diese Gruppe analysiert und evaluiert. Der österreichische Aktionsplan Automatisiertes Fahren 2016 -20186 und das Folgeprogramm, das Akti-onspaket Automatisierte Mobilität 2019 - 20227 stellen drei dieser Anwendungsfälle in den Vordergrund. Zur „Sicherheit durch Rundumblick“ soll durch eingebaute Sensorik und Fahrzeug-Infrastruktur Kom-munikation bei Bedarf ermöglicht werden. Ältere Menschen, die nicht mehr aktiv am Verkehr teilnehmen können oder möchten, könnten durch das automatisierte Fahren bzw. durch ZubringerInnen am Stadtrand oder am Land auch zu einer höheren Mobilität befähigt werden (siehe Anwendungsfall „Neue Flexibili-tät“). Weiters verspricht das Paradigma der „Shared Mobility“ älteren Menschen einen besseren Zugang zu Transportmitteln8. Auch bei der Versorgung könnten spezielle automatisierte Fahrzeuge unterstützen (vgl. Anwendungsfall „Gut versorgt“). Gerade im Logistikbereich muss bedacht werden, dass hier die direkt betroffene Gruppe der menschlichen NutzerInnen automatisierter Mobilität die ArbeitnehmerInnen sind. Für FahrerInnen be-deutet die steigende Automatisierung von LKWs eine beträchtliche Änderung des Berufsbildes. Bei Dis-ponentInnen und LagermitarbeiterInnen in Logistikzentren verschiebt sich hingegen die Rolle vom direk-ten Steuern vor Ort zu einer Überwachung „aus der Ferne“, was wiederum qualitativ andere Anforderun-gen bedeutet. Neben diesen drei priorisierten Anwendungsfällen wurden vier weitere definiert, von denen eine die Zielgruppe der älteren Menschen durch automatisierte und barrierefreie Mobilitätslösungen an-visiert (Anwendungsfall „Mobil sein, mobil bleiben“). Folgende weitere dieser zusätzlichen Anwendungs-fälle sind auch relevant für ältere Menschen: die Nutzung für Nebentätigkeiten bei der kompletten Über-gabe der Fahraufgabe („Gewinne Zeit“), und Sondermaschinen, die in speziellen Umgebungen verwendet werden („Spezielle HelferInnen“).

4 http://www.aal-europe.eu/ 5 Projekt mobi.senior.A: https://www.mobiseniora.at/ 6 Aktionsplan Automatisiertes Fahren 2016-2018: https://www.bmvit.gv.at/service/publikationen/verkehr/automatisiert/downloads/auto-matisiert2016.pdf 7 Aktionspaket Automatisierte Mobilität 2019-2022: https://www.bmvit.gv.at/service/publikationen/verkehr/automatisiert/downloads/au-tomatisiert2019_ua.pdf 8 https://sharedusemobilitycenter.org/news/7-new-services-expanding-mobility-for-aging-americans/

Ältere Menschen können, wie auch andere Zielgruppen, von automatisierter Mobilität profitieren – die Einsatzmöglichkeiten sind dabei vielfältig. Allerdings fehlt bisher eine systematische Aufarbeitung der Möglichkeiten, Barrieren und Auswirkungen von automatisierter Mobilität auf ältere Menschen in ihren verschiedenen Lebensbereichen. Die vorliegende Studie gibt einen Überblick über diesen Themen-kreis.

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Akzeptanz ist eine Grundvorrausetzung für die erfolgreiche Etablierung neuer Produkte oder Services. Ver-schiedene wissenschaftliche Methoden und Modelle sind verfügbar, um relevante Akzeptanzfaktoren – je nach Kontext, Technologie und relevanten StakeholderInnen – zu bestimmen und zu evaluieren. Erst durch eine genaue, empirische Analyse dieser Faktoren ist es möglich, diese anhand ihrer Relevanz zu adaptieren, um eine möglichst hohe Akzeptanz und damit NutzerInnenzufriedenheit zu erreichen. Eine differenzierte Erhe-bung und Wahrnehmung von Wünschen und Bedürfnissen ist notwendig, wenn man ältere Menschen als heterogene Zielgruppe betrachtet. Beispielsweise finden Wünsche älterer Menschen, abseits von generellen Wünschen nach Gesundheit und Autonomie, bislang zu wenig Berücksichtigung, da die Technologie im Vor-dergrund steht und die NutzerInnen sich eher an die Technik anpassen müssen als umgekehrt (Künemund et al, 2015). Technikentwicklungen sollten nach Endter (2016) mehr Alterssensibilität aufweisen. Das beinhaltet neben einer differenzierten Anforderungs- und Akzeptanzanalyse auch das fortwährende Aushandeln von Altersbildern im Laufe eines Projektes. Bei der Entwicklung von Technologien für ältere BenutzerInnen sollten diese als eine aktive und agile Ziel-gruppe gesehen werden. Dabei sollte eine defizitorientierte Sichtweise vermieden werden. Bei der Betrach-tung älterer Menschen werden diese hingegen oft als „passiv, widerständig bzw. gesundheitlich eingeschränkt“ beschrieben und bei der Charakterisierung stehen Krankheit, Abhängigkeit oder Inkompetenz im Umgang mit neuen Technologien im Vordergrund (Peine et al, 2014). Auch werden oftmals Themen wie Rückzug, Ruhe-stand, gesundheitliche Einschränkungen und Pflegebedürftigkeit in den Vordergrund gestellt (Neven, 2011). Überdies ist es von Bedeutung, ältere Menschen als heterogene Zielgruppe zu verstehen, die unter anderem unterschiedliche Lebensphasen (Lalett, 1991), Lebenslagen (Amann, 2000) oder Generationen (Sackmann und Winkler, 2013) umfassen kann. Es gibt unterschiedliche Hinweise darauf, dass Akzeptanz und Erwartun-gen an das automatisierte Fahren bei älteren Menschen positiver als bei jüngeren Menschen sind (Ward et al, 2017; Pavre et al, 2014; Gold et al, 2015; Hartwich et al, 2018). So fanden Rödel et al (2014) in einer online durchgeführten Technologieakzeptanzstudie heraus, dass sich ältere TeilnehmerInnen vom automati-sierten Fahren eine erhöhte Mobilität und damit verbundene Unabhängigkeit erwarteten, allerdings auch Be-denken hinsichtlich Privatsphäre und Sicherheit hatten. Frison et al (2018) suchten in ihrem Paper „Who is Generation A?“ explizit nach einer Charakterisierung der speziellen Anforderungen von Menschen über 65 Jahren an automatisierte Mobilität. Die AutorInnen konnten aber keine grundsätzlichen Unterschiede in der Akzeptanz in Bezug auf das autonome Fahren zwischen Al-tersgruppen entdecken. Allerdings fanden sie in ihrer qualitativen Analyse von simulierten Fahrsituationen subtilere Unterschiede zwischen den untersuchten Personengruppen. So äußerten ältere Menschen Beden-ken, die auf altersbedingte Limitierungen zurückführbar waren. Bei zukünftigen älteren NutzerInnen schienen höheres Misstrauen und Unsicherheit zu herrschen, weil es ihnen schwerer fällt, die Richtigkeit der automati-sierten Fahrfunktionen zu überprüfen. Abseits dieser physisch bedingten Veränderungen im Lebensverlauf war aber das „Mindset“ ähnlich zwischen den jüngeren und älteren TeilnehmerInnen. Für beide Gruppen war ein erhöhter Komfort wichtig, allerdings mit subtileren Unterschieden. Während ältere TeilnehmerInnen hierbei eher eine bessere Unterstützung durch diverses Fahrzeugfeedback ansahen, nahmen jüngere FahrerInnen die Sicherheit eher als selbstverständlich an und stellten die zusätzliche Zeit für Unterhaltungsaktivitäten in den Vordergrund.

Es gibt schon eine große Anzahl von Ansätzen aus den Bereichen AAL, Mobilitätsdiensten, sowie der Fahrzeuginteraktion, die für die Entwicklung von Anwendungsfällen und Systemideen von automati-sierten Fahrtechnologien für ältere Menschen übertragbar und verwendbar sind. Diese sind aber bisher weder systematisch zusammengeführt worden, noch sind diese für ältere Menschen spezifiziert worden. Weiteres lagen bisher keine leicht greifbaren Beispiele von altersgerechter automatisierter Mobili-tät vor, welche unterschiedlichen StakeholderInnen-Gruppen zur Diskussion oder Planung weiterer Ent-wicklungsschritte bereitgestellt werden können. Ein erster Beitrag zur Schließung dieser Lücke wird durch den vorliegenden Bericht ermöglicht.

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Ziel der F&E-Dienstleistung von A4F Um den Wissensstand zu den oben beschriebenen Themen zu konsolidieren, hatte die vorliegende For-schungs- und Entwicklungsdienstleistung „A4F – Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens“ zwei übergeordnete Aufgabenfelder. Erstens wurden bisherige vorgeschlagene An-wendungsfälle in den Bereichen AAL, Mobilitätsdienste und automatisierte Fahrzeugtechnologie gesammelt und ein Transfer auf spezifische altersgerechte automatisierte Mobilität vorgenommen. Dabei wurde ein Ver-gleich dieser Anwendungsfälle hinsichtlich verschiedener Anforderungskriterien unternommen. Die entspre-chenden Ergebnisse sind in Abschnitt 5 zusammengefasst. Die zweite Aufgabe war es, eine Analyse zur Akzeptanz von altersgerechter automatisierter Mobilität anhand der priorisierten Szenarien und Nutzungssituationen durchzuführen. Hierbei sollten die Chancen und Potenti-ale, aber auch Bedenken und Barrieren beleuchtet werden. Die Ergebnisse der Akzeptanzanalyse sind in Abschnitt 6 dargestellt. Die Bearbeitung dieser zwei Aufgabenfelder erfolgte unter intensiver Einbeziehung von RepräsentantInnen zukünftiger NutzerInnen sowie ExpertInnen aus den Bereichen AAL, HCI und Mobilitäts-Wissenschaften. Aus diesen verschiedenen Daten- und Erkenntnisquellen wurden dann grundlegende Bedürfnisse aus der Sicht älterer Menschen sowie Empfehlungen zu ersten Maßnahmen zu deren Adressierung vorgeschlagen.

4 METHODIK Die grundlegende Herangehensweise bestand, wie in Abbildung 2 dargestellt (1) aus einer systematischen Erstellung und Kategorisierung von Anwendungsfällen, die auf einem breiten interdisziplinären Korpus basie-ren und auf die speziellen Anforderungen älterer Menschen zugeschnitten sind, sowie (2) aus einer Analyse der zu erwartenden Akzeptanz konkreter, vielversprechender Anwendungsszenarien in definierten Nutzungs-situationen. Ein weiterer zentraler Bestandteil war die Kommunikation mit StakeholderInnen. Dies erfolgte ei-nerseits iterativ als direkter Austausch mit ExpertInnen während der Definition und Bewertung der Anwen-dungsfälle.

Akzeptanzbasierte Untersuchungen benötigen kontext- und zielgruppenspezifische Anpassungen be-stehender Akzeptanzmodelle inklusive differenzierter Konzeptionen von Alter(n), um fundierte Schlüsse bzgl. der zukünftigen Nutzung ziehen zu können. Im Bereich der automatisierten Mobilität wurden bereits einzelne Szenarien mit der Zielgruppe hinsichtlich der Akzeptanz evaluiert - eine übergreifende systema-tische Akzeptanz-Untersuchung von altersgerechter automatisierter Mobilität war jedoch noch aus-ständig und sollte somit von A4F geliefert werden.

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Abbildung 2: Allgemeiner Ansatz zur Erarbeitung der Ergebnisse

Methodik der Anwendungsfall-Analyse Der erste Schritt in der Anwendungsfall-Analyse bestand in der Sammlung von Projekten und Publikationen zum Thema automatisiertes Fahren und Alter. Basierend auf theoretischen Annäherungen (z.B. Forschungs-prinzipien der Lebensverlaufsperspektive (Elder, Kirkpatrick Johnson, & Crosnoe, 2003)) oder der Relevanz des Einbezugs sozialer Strukturen sowie dem Forschungsstand zur Berücksichtigung von Alter(n) in AAL Ent-wicklungen (insbesondere aus der benefit F&E Dienstleistung AALtersbilder) wurde erhoben, welche Gruppen bereits bei Lösungen adressiert werden. Der gewählte Ansatz war bewusst breit gewählt, indem Strategiedokumente von internationalen oder nationa-len Gremien und Studienergebnisse sowie Überblickspublikationen in wissenschaftlichen Journalen analysiert und kategorisiert wurden. Es wurden hier auch die Potentiale bisheriger Konzepte und Demonstrationsprojekte analysiert, die noch nicht auf automatisierte Mobilität bezogen waren, die aber aufgrund ihres Bezuges zu Mobilität, AAL oder allgemeinen Assistenzdiensten wichtige Implikationen liefern konnten. Auch wurden AAL-Lösungen der vergangenen Jahre und verwendbare Mobilitätslösungen hinsichtlich ihres Potentials berück-sichtigt sowie international präsentierte Ideen und Services des automatisierten Fahrens integriert. Die Auswahl der Kategorien erfolgte unter Einbeziehung relevanter für AAL entwickelte Indikatoren (insbeson-dere aus dem Projekt EvAALuation, Himmelsbach et al., 2017) und adressierter Needs (Assistenz, Spaß, Sicherheit, Komfort, etc.). Außerdem wurden Lebensbereiche und Technologiearten, unter Berücksichtigung der AAL Vision 2025 (Bertel et al, 2018) berücksichtigt. Für jeden der definierten Anwendungsfälle lag somit eine Qualifizierung anhand des entwickelten Kriteriensystems vor. Weiters wurden spezifische Anwendungs-fälle ausgewählt, welche für die dann folgende detaillierte Analyse von Erwartungen, Akzeptanz und Bedenken herangezogen wurden. Während dieser Phase wurden die Zielgruppen möglichst breit adressiert (orientiert an der AAL Vision 2025). Verschiedene Ausprägungen der Kategorie Alter waren dabei zentral und folgten der Überzeugung, dass Al-tern ein multidimensionaler Prozess ist (Bango, 2016; Hooyman & Kiyak, 2008). Es wurde dabei davon abge-

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sehen, Alter(n) nur anhand des kalendarischen Alters festzumachen. Auch sollte vermieden werden, das Al-tern rein auf Defizite in der Fahrfähigkeit zu reduzieren. Meyer (2004; siehe auch Millonig, 2019) schlug mit Hinsicht auf den Transportsektor vier verschiedene Kategorien von Determinanten für Unterschiede zwischen Altersgruppen vor: (1) Kohorteneffekte (Generationscharakteristiken, wie beispielsweise die Vertrautheit mit bestimmten Technologien oder Geschlechtsrollen, (2) sich ändernde Lebensstile, oft auch in Verbindung mit biografischen Umbrüchen wie der Pensionierung, (3) Krankheit und deren Behandlung sowie (4) altersbe-dingte Veränderungen (durch den physiologischen Alternsprozess selber bedingt). Es wurden auch spezifi-sche Erfahrungen und Gewohnheiten im Kontext von Verkehr berücksichtigt. Dabei wurden verschiedene Nut-zungs-Rollen des autonomen Fahrens berücksichtigt (z.B. aktives Fahren, Nutzung öffentlicher Verkehrsmit-tel, RadfahrerInnen, FußgängerInnen etc.). Auch verschiedene Anforderungen basierend auf Fähigkeiten, die sich auf das Mobilitätshandeln auswirken, fanden Berücksichtigung. Für diese Analyse wurde ein Materialkorpus erstellt, welcher neben den üblichen Metadaten wie Titel, Quelle oder Speicherungsort der gesammelten Einträge auch Informationen zu dem eingesetzten Anwendungsfall und ad hoc vergebene Schlagwörter enthielt. Vermerkt wurde pro Eintrag auch, ob und inwiefern ältere Men-schen als explizite Zielgruppe adressiert werden und wie die entsprechende Zielgruppe beschrieben ist. Wei-ters wurde zu jedem Eintrag vermerkt, ob und welche Anforderungen in Bezug auf den untersuchten Anwen-dungsfall ermittelt wurden. Es wurde dann iterativ die Zuordnung jedes Falls zu einer Anwendungsfall-Gruppe vorgenommen. Ein wichtiger Ausgangspunkt dabei waren vorausgehende Anwendungsfall-Kategorisierungen aus den AAL-Bereichen sowie der automatisierten Mobilität. Ein Fokus wurde dabei auf der systematischen Einbindung der TAALXONOMY (Leitner et al., 2015) gesetzt, weil diese sehr systematisch und mit breiter Perspektive bishe-rige Kategorisierungssysteme und Produkttypen vorstrukturiert. Dies beinhaltet die Bewertung und Integration von Vorarbeiten durch Institutionen wie NACE, ISO9999, WHO, BRAID, OECD sowie etwa auch die ETNA Klassifikation (European Thematic Network on Assistive Information and Communication Technologies). In den Tabellen 1 bis 6 werden diejenigen Bestandteile von TAALXONOMY angeführt, welche einen besonders starken Bezug zur altersgerechten automatisierten Mobilität haben. Dazu zählt insbesondere der Bereich Mo-bilität und Transport, somit also „Produkte und Dienstleistungen, die Mobilitätshilfen sind oder die Beförderun-gen von Personen im öffentlichen und im Individualverkehr und die Nutzung von Verkehrsmitteln unterstützen“ (Leitner et al, 2015). Ausgehend von dieser breiten Perspektive „über den Tellerrand“ von reinem automatisiertem Fahren hinaus wurden auch allgemeine, altersbezogene Erfahrungen mit Mobilitätsmitteln ohne besondere Automatisie-rungsaspekte aus der Mobilitäts- und AAL Forschung betrachtet. Hierzu zählen v.a. Anwendungsfälle zu PKWs und E-Autos, Fahrrädern (inkl. E-Fahrräder, Segway und E-Scooter), als auch Rollstühle und Rollatoren sowie Wohninfrastrukturen, siehe AAL Vision Austria (AAL Austria, 2015) für eine übersichtliche Darstellung der Analyse der Anforderungen älterer Menschen und entsprechenden Lösungsansätzen in diesem Bereich.

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Tabelle 1: Anwendungsbereich Mobilität und Transport (T04)

Tabelle 2: Anwendungsbereich Sicherheit und Schutz (T03)

Tabelle 3: Anwendungsbereich Arbeit und Schulung (T05)

Tabelle 4: Anwendungsbereich Vitalität und Fähigkeit (T06)

Anwendungsbereich Mobilität und Transport (T04)

Bezug zu älteren Menschen

Personenbeförderung: Mobilitätshilfen (T04-01-01)

Produkte und Dienstleistungen, die zur Erhöhung der persönlichen Mo-bilität im eigenen Zuhause, am Arbeitsplatz oder im Freien beitragen (z.B. Rollstühle).

Personenbeförderung: Öffentlicher Personenverkehr (T04-01-02)

Produkte und Dienstleistungen, die die Beförderungen von Personen im öffentlichen Verkehr und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel un-terstützen.

Personenbeförderung: Privater Personenverkehr (T04-01-03)

Produkte und Dienstleistungen, die die Beförderungen von Personen im Individualverkehr und die Nutzung privater Verkehrsmittel unterstüt-zen.

Gütertransport und Versorgung (T04-02)

Produkte und Dienstleistungen, die die Beförderungen von Gütern au-ßerhalb der eigenen Wohnung oder des Arbeitsplatzes unterstützen (z.B. Zustellung von Zeitungen, Einkäufen, Lebensmitteln etc.).

Reiseinformationen (T04-03-02) Produkte und Dienstleistungen, die relevante Informationen für Reisen beinhalten (z.B. Fahrpläne von öffentlichen Verkehrsmitteln)

Navigation (T04-03-03) Produkte und Dienstleistungen, die der Navigation im öffentlichen und Individualverkehr dienen.

Orientierung (T04-04) Designelemente, Signale und Interaktionen über verschiedene Sinnes-kanäle zur sicheren Orientierung innerhalb der eigenen Wohnung und am Arbeitsplatz sowie im Freien.

Anwendungsbereich Sicher-heit und Schutz (T03)

Bezug zu älteren Menschen

Personenlokalisierung im Freien (T03-04-02)

Produkte und Dienstleistungen, die der Personenlokalisation im Freien dienen.

Notfallmanagement und Alar-mierung (T03-05)

Alarmierungen können an die Personen im Haus und auch an Dritte außerhalb gerichtet sein. Notrufe können sowohl durch Kommunikation zwischen Menschen als auch durch rein technische Realisierung abge-setzt werden.

Anwendungsbereich Arbeit und Schulung (T05)

Bezug zu älteren Menschen

Arbeitsunterstützung (T05-01) Produkte und Dienstleistungen, die speziell den Arbeitsalltag unterstüt-zen.

Lernen und Weiterbildung (T05-02)

Produkte und Dienstleistungen, die dem persönlichen Lernen und Er-lernen von Fähigkeiten und Tätigkeiten sowie der beruflichen und pri-vaten Weiterbildung dienen.

Anwendungsbereich Vitalität und Fähigkeit (T06)

Bezug zu älteren Menschen

Heben und Greifen von Objek-ten (T06-01-03)

Produkte und Dienstleistungen, die das Heben und Greifen von Objek-ten unterstützen

Soziale Fähigkeiten (T06-03) Produkte und Dienstleistungen, die bei der sozialen Teilhabe unterstüt-zen. Hierzu sind in diesem Kontext insbesondere Möglichkeiten zu ei-nem verstärkten sozialen Austausch mit Freunden und Familienange-hörigen zu zählen, die durch automatisierte Fahrdienste ermöglicht werden können.

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Tabelle 5: Anwendungsbereich Freizeit und Kultur (T07)

Tabelle 6: Anwendungsbereich Information und Kommunikation (T08)

Methodik der Anwendungsfall-Priorisierung Anhand der Analyse des Anwendungsfallkorpus sowie mittels ExpertInneninterviews wurden Kriterien für die Anwendungsfall-Priorisierung definiert. Tabelle 7 gibt eine Übersicht über diese für die Priorisierung ange-wandten Kriterien. Zum einen spiegeln diese Kriterien das Ausmaß wider, in dem ein Anwendungsfall folgen-den grundsätzlichen Bedürfnissen älterer Menschen entgegenkommt: Erhaltung von Mobilität, erlebte Auto-nomie, Verkehrssicherheit, Inklusion von beeinträchtigten Personen und breite Abdeckung der alternden Be-völkerung. Zum anderen wurden auch spezifisch für die A4F Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung relevante Kriterien berücksichtigt. Dies umfasste insbesondere den Horizont der technischen Machbarkeit (bis zu 10 Jahre in der Zukunft), die Relevanz für eine große Anzahl von NutzerInnen bzw. eine breite Anwend-barkeit, einen noch notwendigen Forschungs- und Entwicklungsbedarf (also keine schon jetzt fertigen Pro-dukte), einen demonstrierbaren Mehrwert sowie die Untersuchbarkeit mittels Akzeptanzanalysen.

Tabelle 7: Kriterien für die Priorisierung der Anwendungsfälle

Grundsätzliche Bedürfnisse älterer Men-schen

Projektspezifische Kriterien aus Sicht von A4F

Erhaltung von Mobilität Technische Machbarkeit (10 Jahre) Erlebte Autonomie Relevanz für eine große Anzahl von

NutzerInnen bzw. breite Anwendbar-keit

Verkehrssicherheit Entwicklungsbedarf (keine fertigen Produkte)

Inklusion von beeinträchtigten Personen Demonstrierbarer Mehrwert Breite Abdeckung der alternden Bevölke-rung

Untersuchbarkeit mittels Akzep-tanzanalyse

Methodik der Akzeptanzanalyse Für die Akzeptanzanalyse wurden zwei Workshops mit insgesamt 16 TeilnehmerInnen durchgeführt. Die Aus-wahl der TeilnehmerInnen folgte einer komparativen Strategie und zielte darauf ab, die Heterogenität der un-tersuchten Fälle hervor zu streichen (Corbin & Strauss, 1990). Dabei wurde auf eine Abdeckung unterschied-licher Alters- sowie auch Aktivitätslevels geachtet. Das Durchschnittsalter betrug 73 Jahre (Alters-Range von

Anwendungsbereich Freizeit und Kultur (T07)

Bezug zu älteren Menschen

Entertainment und Mediennut-zung (T07-02), Kultur T07-03), Reisen (T07-04), Spiele (T07-06)

Entertainment und Mediennutzung bezeichnet vor allem den Konsum von Unterhaltungsmedien und die Verwendung des Internets.

Anwendungsbereich Informa-tion und Kommunikation (T08)

Bezug zu älteren Menschen

Information und Wissen (T08-01)

Produkte und Dienstleistungen, die es erlauben, Information und Wis-sen angepasst an die eigenen Bedürfnisse abzufragen und darzustel-len.

Kommunikation (T08-03) Produkte und Dienstleistung, die technisch unterstützt der Kommunika-tion zwischen Menschen auch über weitere Strecken dienen.

Organisation (T08.-04) Organisation bedeutet das planmäßige Ordnen, Gestalten, Einrichten, etc. des Alltags und damit verbundener Tätigkeiten und Gegenstän-den.

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 12

62 – 80 Jahre). Die Personen wurden mithilfe von Instituten und Vereinigungen rekrutiert, die auf die Arbeit mit älteren Personen spezialisiert sind. Etwa 75% der TeilnehmerInnen verwendeten regelmäßig ein Smart-phone; die selbstbeschriebene Offenheit gegenüber neuen Technologien war hoch bis sehr hoch. Beim ersten Workshop reisten die Personen selbständig an, beim zweiten Workshop wurden PensionistInnen in einem SeniorInnenclub besucht. Das Bildungsniveau der TeilnehmerInnen war breit gestreut: wobei die Hälfte der TeilnehmerInnen einen Maturaabschluss bzw. ein Viertel einen Hochschulabschluss hatte. Pflegebedürftige und stark beeinträchtigte Personen wurden nicht für die Teilnahme adressiert, weil von ihnen weniger Diskus-sionsimpulse zu den präsentierten Szenarien erwartet wurden. Das Kernstück der Akzeptanzanalyse war eine Reihe von Workshops mit verschiedenen StakeholderInnen-Gruppen. Als Vorbereitung für diese Akzeptanzanalyse-Workshops wurden für die ausgewählten Anwen-dungsfälle Storytelling-Szenarien entwickelt (vgl. Madsen & Nielsen, 2009). Das Ziel dieser Szenarien war es nicht, als solche mit optimaler Treffsicherheit eine zukünftige automatisierte Mobilität vorherzusagen. Viel-mehr sollten Sie diese den Workshop-TeilnehmerInnen die priorisierten Anwendungsfälle möglichst anschau-lich vermitteln und aus einer bestimmten Lebenssituation älterer Menschen heraus motivieren. Auf diese Weise sollte einerseits sichergestellt werden, dass die TeilnehmerInnen ohne fachlichen Hintergrund oder Vorbereitung die Besonderheiten des bestimmten Anwendungsfalls sowie deren potentielle Auswirkung auf EndnutzerInnen erfassen und diskutieren konnten. Demgemäß wurde jedes Szenario in Form einer illustrierten Geschichtenerzählung realisiert. Es wurde dabei innerhalb von 5-10 Minuten in jedem der Szenarien eine Alltagsreise einer älteren Person mit Name, Alter, sozialem Umfeld und Lebenssituation beschrieben. Bei der Formulierung der Szenarien wurden mögliche Vor-teile der priorisierten Anwendungsfälle plakativ und bildhaft dargestellt. Entsprechend wurden mögliche Funk-tionseinschränkungen bei der Szenarienbeschreibung nicht in den Vordergrund gerückt – es wurde vielmehr von einer Situation ausgegangen, dass die technischen Probleme gelöst sein werden und die beschriebenen Fahrzeuge und Dienste korrekt zugelassen sind und somit die vorgeschriebene Sicherheit und Vertrauens-würdigkeit leisten. In diesem Sinne wurden auch keine Security-Problemszenarien (wie z.B. gehackte Fahr-zeugsysteme) beschrieben. Allerdings wurde deutlich gemacht, welche Art von Daten dem jeweils skizzierten System bekannt waren, um Personen die Möglichkeit der Reflexion zu Themen wie Datenschutz zu geben. Diese Szenarien wurden, nach einer kurzen Einführung in den jeweiligen Workshop, der Reihe nach den Teil-nehmerInnen präsentiert.

Abbildung 3: Akzeptanz-Workshop: links: Gruppendiskussion; rechts: Sammlung

von Kommentaren zu Bedenken und Potentialen pro Anwendungsfall

Zu der Präsentation jedes Szenarios wurden Kommentare hinsichtlich Bedenken und Potentialen gesam-melt und notiert. Nachdem die Diskussion in Bezug auf jedes einzelne dieser fünf Szenarien abgeschlossen war, wurden die TeilnehmerInnen dazu aufgerufen, Vergleiche zwischen diesen Szenarien anzustellen, indem jeweils der Favorit und das am wenigsten attraktive Szenario zu nennen und diese Entscheidung zu begrün-den war. Durch die jeweilige Ermutigung zu Kommentaren und Stellungnahmen anderer entwickelte sich je-weils eine lebendige Diskussion, in denen das Für und Wider von automatisierter Mobilität bzw. einzelner Umsetzungsformen ausverhandelt wurden. Abschließend wurden die TeilnehmerInnen gebeten zu reflektie-ren, inwiefern sich ihre Einstellungen möglicherweise von denen jüngerer Personen in ihrem Umfeld unter-schieden.

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Die Datengrundlage für die Analyse der Einstellungen und Akzeptanz gegenüber automatisierter Mobilität wa-ren die mitprotokollierten und mitgeschnittenen Äußerungen in den Workshops. Diese Daten wurden sodann einer qualitativen Analyse unterzogen. Das Ziel bei der Untersuchung war die theoretische Sättigung, wobei die Repräsentativität von Konzepten, nicht Individuen, entscheidend ist (vgl. Corbin & Strauss, 1990). Hierbei wurden die Aussagen und Gesprächsverläufe der jeweiligen TeilnehmerInnen in verschiedene semantisch verwandte Themenbereiche gruppiert und es wurden zu jedem Themenbereich jeweils einzelne Meinungsäu-ßerungen zu größeren Einheiten zusammengefasst, kontrastierende Meinungen hervorgehoben und dann entsprechende Zitate für eine plastischere Darstellung in der Berichtsbeschreibung angeführt (siehe Abschnitt 6.1). Ausgehend von dieser Datenanalyse wurde sodann auch ein Vergleich der fünf priorisierten Anwen-dungsfälle vorgenommen (siehe Abschnitt 6.2). Methodik der Bedürfnisanalyse und Empfehlungsgenerierung Wie beschrieben, wurden ExpertInnen während des gesamten Projekts miteinbezogen. Dies stellte sicher, dass jahrzehntelanges Wissen und Erfahrungswerte aus verschiedenen Forschungs- und Anwendungsberei-chen nicht übersehen werden konnten. Der Kern der ExpertInnen-Konsultation war ein Workshop, welcher am 12.12.2019 in den Räumlichkeiten der FFG durchgeführt wurde. In diesem Workshop wurden die Exper-tInnen zuerst mit denselben fünf Anwendungsfallbeschreibungen wie bei der Akzeptanzanalyse konfrontiert. Auch waren sie dazu angehalten, zu jeder Beschreibung Kommentare zu Potentialen und Bedenken in münd-licher oder schriftlicher Form zu geben. Darüber hinaus wurden die ExpertInnen gebeten, Bedürfnisse und notwendige Features zu benennen, die in den Szenarien noch nicht stark abgebildet waren bzw. die hinzugefügt werden sollten. Die entsprechenden Ergebnisse wurden, analog zu der oben beschriebenen Akzeptanzanalyse, qualitativ analysiert. Die Erkennt-nisse aus diesen Diskussionen wurden dann mit den Ergebnissen der Akzeptanzanalyse und auch mit den Ergebnissen aus der bisherigen Forschung abgeglichen und aggregiert. Die entsprechenden Ergebnisse wur-den dann in Abschnitt 7 präsentiert. Als Referenzfeld für die Einordnung und langfristige Einbettung wurden die Systemszenarien für automatisier-tes Fahren in der Personenmobilität berücksichtigt (siehe das Projekt SAFiP (Soteropoulos et al, 2019)). Diese beschreiben potentielle Zukunftsbilder der Realisierung automatisierter Mobilität in Bezug auf ihre verkehrs-politischen Auswirkungen. Ausgehend von diesen Szenarien ist es möglich, Anforderungen für eine Vorberei-tung auf politischer Ebene zu definieren. Das erste SAFiP-Szenario „Markt-getriebene AV-Euphorie“ geht von starken Fortschritten der Automatisierungstechnologie aus und skizziert eine schnelle Ausbreitung von Sha-ring und Leasing Angeboten mit eher schwachen Schnittstellen zum öffentlichen Verkehr. Das zweite SAFiP-Szenario „Politik-getriebene AV-Steuerung" illustriert die Auswirkungen einer auf ökologische Nachhaltigkeit und soziale Inklusion ausgerichteten Mobilitäts- und Verkehrspolitik, welche hochautomatisiertes Fahren in einfachen Anwendungskontexten (wie z.B. Shuttles für die letzte Meile auf eigenen Spuren) realisiert und dieses in das öffentliche Verkehrssystem systematisch einbindet. Das dritte SAFiP-Szenario „Individualisierte Mobilität und langsame AV-Entwicklung" geht von einer durch wirtschaftliche Entwicklung und Wettbewerbs-fähigkeit motivierte Mobilitäts- und Verkehrspolitik aus, und es wird im Gegensatz zum SAFiP-Szenario 1 an-genommen, dass die Entwicklung von Automatisierungstechnologien nur geringe Fortschritte macht. Vor die-sem Hintergrund wird der motorisierte Individualverkehr verbreitet sein bzw. werden sich öffentliche Verkehrs-mittel oder Ride Sharing-Angebote kaum durchsetzen.

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5 ANWENDUNGSFÄLLE Entsprechend der oben dargestellten Methodik wurde eine Kategorisierung von Anwendungsfällen vorgenom-men und es wurden priorisierte Anwendungsfälle herausgegriffen, die näher beschrieben und für die Akzep-tanzanalyse vorbereitet wurden. Der folgende Abschnitt behandelt diese priorisierten fünf Anwendungsfälle im Detail. Abschnitt 5.2 führt in weitere Anwendungsfälle ein und gibt eine Gesamtübersicht über die Kategori-sierung. 5.1 Priorisierte Anwendungsfälle Wie in Tabelle 8 ersichtlich, wurde bei den ersten beiden priorisierten Anwendungsfällen ein Hauptaugenmerk auf Lösungen für den Individualverkehr gelegt, weil hier einige Vorteile für ältere Menschen erwartet werden, die es somit näher zu analysieren galt. AF1 fokussiert hierbei auf Teilautomatisierung durch Assistenzsysteme, wobei das Fahrzeug noch weitgehend kontrolliert werden muss. In AF2 geht es um weiter in der Zukunft liegende Varianten der Hoch- bzw. Vollautomatisierung, bei der die FahrerInnen an längeren Abschnitten oder gar nicht mehr aktiv steuern müssen. Zwei weitere Anwendungsfälle thematisieren den öffentlichen Verkehr, welcher allen Erwartungen nach auch stark von automatisierten Lösungen profitieren wird. AF3 zielt dabei auf den Einsatz automatisierter On-Demand Shuttles ab und AF4 thematisiert eine personalisierte Orientierungs-Unterstützung von Personen mit individuellen Einschränkungen.

Tabelle 8: Priorisierte Anwendungsfälle

Anwendungsfall (AF) Kurzbeschreibung Alltagsrele-vant ab ca.

1. Teilautomatisierter Individual-verkehr

Unterstützung älterer FahrerInnen; Berück-sichtigung von Anforderungen sowie Ein-schränkungen bei dieser NutzerInnengruppe

2020-2025

2. Hoch- und vollautomatisierter Individualverkehr

Hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge für den Individualverkehr, die phasenweise auto-nom Fahren können

2025-2050

3. Automatisierte On-Demand Shuttles

Automatisierte Kleinbusse, die NutzerInnen zeitlich und örtlich flexibel von individuellen Haltestellen abholen und an solche bringen können

2023-2028

4. Automatisierte Unterstützung im öffentlichen Verkehr

Personalisierbare Orientierungs- und Routen-planungssysteme, die individuelle Einschrän-kungen von älteren NutzerInnen berücksichti-gen und auf diese eingehen

2020-2025

5. Begegnung als FußgängerIn Situationen, in denen ältere Personen als FußgängerInnen im Straßenverkehr mit auto-matisierten Fahrzeugen in Kontakt kommen

2025-2030

Für jeden dieser vier Anwendungsfälle wurden die Priorisierungs-Kriterien ‚Erhaltung von Mobilität‘, ‚erlebte Autonomie‘ sowie die ‚Inklusion von beeinträchtigten Personen‘ erfüllt. Auch haben diese Anwendungsfälle, insbesondere aber AF3 und AF4 für den öffentlichen Verkehr, das Potential für eine breite Verwendbarkeit in der Bevölkerung. AF5 schließlich umschreibt die Rolle von älteren VerkehrsteilnehmerInnen als FußgängerIn-nen, die mit automatisierten Fahrzeugen konfrontiert sind und sollte die Bedenken und Anforderungen für diese eher passive Art der Beteiligung ermöglichen. Dieses Thema wurde insbesondere ausgewählt, um den wichtigen Akzeptanz- und Sicherheitsaspekt zu untersuchen. Im Folgenden werden diese fünf Anwendungs-fälle näher beschrieben.

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1. Teilautomatisierter Individualverkehr Im Anwendungsfall „Teilautomatisierter Individualverkehr“ wird von einem Fahrzeug ausgegangen, das neben einer Ausstattung mit Fahrassistenzsystemen, wie einem Abstandregeltempomat und automatisierten Funkti-onen, wie automatisiertem Einparken, phasenweise die vollständige Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen kann. Sobald die Notwendigkeit einer Übernahme der Fahrverantwortung vom Fahrzeug durch eine/n Lenke-rIn eintritt, wird der/die FahrerIn (unter Einhaltung einer Vorwarnzeit) dazu aufgefordert, die Lenkung des Fahr-zeuges zu übernehmen. Im Individualverkehr ermöglicht diese Automatisierungsform eine personalisierte Unterstützung von älteren FahrerInnen, die es neben einer allgemeinen Entlastung in Bezug auf Anforderungen an Aufmerksamkeit und Reaktionszeit erlaubt, auf besondere Schwächen wie eingeschränktes Gehör oder Bewegungseinschränkun-gen die z.B. den Schulterblick behindern, einzugehen. Im Gegensatz zu vollautomatisiertem Individualverkehr bieten Lösungen des teilautomatisierten Individualverkehrs jedoch den FahrerInnen weiterhin die Möglichkeit, selbst die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen, wodurch ein Gefühl von Kontrollverlust vermieden und ein Erhalt von Selbständigkeit und Kompetenzgefühl unterstützt werden können. Der Anwendungsfall entspricht der Autonomiestufe 39 „Bedingungsautomatisierung“. Überblick zu Features / Merkmalen • Fahrassistenzsysteme (Automatisierungsstufe 1) wie Bremsassistent, Abstandsregelautomat, automati-

sche Notbremse und Berganfahrhilfe sind vorhanden • Teilautomatisierte Funktionen (Automatisierungsstufe 2) wie Spurhalteassistenz, Überholungsassistenz,

Abbiegeassistenz, Einparkassistenz, Multikollisionsbremse, Intelligent Speed Adaption, Fahrmüdigkeits-erkennung und Aufmerksamkeitsüberwachung sind vorhanden

• Automatisiertes Fahren ohne Notwendigkeit von FahrerInneneingriffen ist phasenweise möglich Potentiale im Kontext der Lebensrealität älterer Personen: • Durch umfangreiche automatisierte Unterstützung in der Fahrtätigkeit wird das Stressempfinden im Stra-

ßenverkehr reduziert. • Teilautomatisierte Individualfahrzeuge ermöglichen das Abfangen möglicher altersbedingter Schwächen

wie einer reduzierten Reaktionsfähigkeit. • Ein teilautomatisiertes Individualfahrzeug reduziert das Unfallsrisiko im Falle von Selbstüberschätzung,

bei der die eigene Fahrtüchtigkeit von älteren LenkerInnen falsch eingeschätzt wird. • Ein Anpassen des Systems auf individuelle Einschränkungen wie Schwerhörigkeit und persönliche Präfe-

renzen, wie die Länge der Vorwarnzeit, ist möglich. Mögliche Herausforderungen und Bedenken: • Die Übergabesituation der Lenkverantwortung von Fahrzeug an FahrerIn beinhaltet für ältere FahrerIn-

nen ein besonderes Stresspotential durch die verringerte Reaktionsgeschwindigkeit und das allgemein höhere Risiko der Überforderung.

• Die Situation der notwendigen Aufmerksamkeitserhaltung trotz fortwährender Kontrollabgabe erfordert ein hohes Vertrauen in die dahinterliegende Technologie, da die Fahrzeuglenkung quasi „gemeinsam“ umgesetzt wird. Dies kann gerade für ältere Menschen mit einem größeren Sicherheitsbedürfnis eine Herausforderung darstellen.

• Ein wahrgenommener Kontrollverlust kann Verunsicherung und Ablehnung auslösen. • Es können Bedenken hinsichtlich Privatsphäre und Datensicherheit bei teilautomatisierten Individualfahr-

zeugen auftreten. • Das Erlernen der Bedienung und neuer Signale kann insbesondere für ältere Personen eine Herausfor-

derung darstellen. • Es besteht das Risiko einer Überreizung durch zu viele gleichzeitige Informationen, die über BenutzerIn-

nenschnittstellen vermittelt werden.

9 Rechtsfolgen zunehmender Fahrzeugautomatisierung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft F 83, 2020; https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Publikationen/Foko/2013-2012/2012-11.html

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2. Hochautomatisierter Individualverkehr Der Anwendungsfall „Hochautomatisierter Individualverkehr“ beschreibt eine Situation, bei der die Führung des Fahrzeuges fast vollständig vom System übernommen wird und die FahrerInnenrolle praktisch nicht mehr eingenommen wird. Das Fahrzeug bietet FahrerInnen bei dieser Automatisierungsstufe nur noch sehr einge-schränkte Eingriffsmöglichkeiten an. Diese werden nahezu zu reinen PassagierInnen, welche nur noch das Fahrziel festlegen und das Fahrsystem starten. Das System bietet jedoch die Möglichkeit der Kontrollüber-nahme, wenn diese vom Fahrer bzw. der Fahrerin aktiv initiiert wird. Im Individualverkehr ermöglicht dieser Anwendungsfall eine vollständige Entlastung älterer Personen. Diese können das Fahrzeug nahezu wie ein Taxi nutzen und müssen sich nicht um sicheres Fahren, die Gesamt-verkehrssituation, Routenplanung oder Parkplatzsuche kümmern. Die Zeit kann zur Entspannung, Unterhal-tung, zum Telefonieren oder Ähnlichem genutzt werden. Nur auf den gezielten Wunsch der FahrerInnen ist die Kontrollübernahme in bestimmten Situationen möglich. Der Anwendungsfall entspricht Autonomiestufe 4-5 „Hochautomatisierung/Vollautomatisierung.“ Überblick zu Features / Merkmalen • Vollständige Übernahme der sicheren Steuerung des Fahrzeuges durch das Automatisierungssystem • Selbstständige Routenplanung durch das Automatisierungssystem • Selbstständige Parkplatzsuche durch das Automatisierungssystem • Abholen zu gewünschter Zeit von gewünschtem Standort • Möglichkeit des Austausches mit dem System – Teilnahme an der Routenplanung, Planänderungen, etc. • Vertrauensmaßnahmen durch das System durch die Darstellung von Umgebungswahrnehmung und ge-

plantem Fahrzeugverhalten • Möglichkeit der Kontrollübernahme unter gewissen Umständen und mit Unterstützung durch Assistenz-

und Automatisierungsfunktionen • Überwachung der Fahrtüchtigkeit bei Kontrollübernahme (Fahrmüdigkeitserkennung, Aufmerksamkeits-

überwachung, Atemalkoholspiegel) • Möglichkeit von NutzerInnenprofilen bei geteilter Nutzung Potentiale im Kontext der Lebensrealität älterer Personen • Stressreduktion, da keine Verantwortungsübernahme für das sichere Fahren mehr notwendig ist. • Notwendigkeit des Aufmerksamkeitserhalts fällt weg. • Stresssituation durch Übernahmeaufforderung der Lenkung wird vermieden. • Hoch- und vollautomatisierte Fahrzeuge ermöglichen die Nutzung von Individualfahrzeugen über das

Ende der persönlichen Fahrtüchtigkeit hinaus. • Deutlich reduziertes Unfallrisiko • Kein vollständiger Kontrollverlust, da die Übernahme der Fahrzeugkontrolle unter bestimmten Umstän-

den und unter Einsatz von Fahrassistenzsystemen und automatisierten Funktionen möglich ist Aus bisheriger Forschung abgeleitete Herausforderungen und Bedenken • Ein wahrgenommener Kontrollverlust kann Verunsicherung und Ablehnung auslösen. • Es können Bedenken hinsichtlich Privatsphäre und Datensicherheit auftreten. • Selbstinitiierte Kontrollübernahme bei Überschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit • Unsicherheit bezüglich der Interpretation von Information und Signalen, die das automatisierte System

vermittelt • Unsicherheit bzgl. der Systemverlässlichkeit • Verringerung der Fahrtüchtigkeit da FahrerInnen „aus der Übung“ kommen

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3. Automatisierte On-Demand Shuttles Der Anwendungsfall „Automatisierte On-Demand Shuttles“ beschreibt automatisiert fahrende, öffentliche Shuttles ohne Vorort anwesende FahrerInnen, die hinsichtlich ihrer Route und ihres Fahrplans flexibel sind. Über eine entsprechende Applikation wird das individuelle Bestellen eines Shuttles inklusive der Angabe eines persönlichen „Abholortes“ ermöglicht. Zudem ist auch die Spezifikation besonderer Bedürfnisse (wie der Be-darf eines Rollstuhlplatzes) möglich. Auch beim Anwendungsfall „Automatisierte On-Demand Shuttles“ wird von Autonomiestufe 4-5 („Hochautomatisierung“/„Vollautomatisierung“) ausgegangen, wobei hier nun jedoch nicht mehr Individualfahrzeuge, sondern ein öffentliches Verkehrsmittel im Fokus steht. Überblick zu Features / Merkmalen • Shuttle fährt fahrerInnenlos • Individuelle Abholzeiten und Abholorte sind möglich • Die Angabe persönlicher Einschränkungen und besonderer Bedürfnisse ist möglich (Rollstuhlplatz, Ein-

stiegshilfe wird benötigt, Sehbehinderung, etc.). • Eine mit der Shuttleflotte verknüpfte Applikation ermöglicht eine persönliche Statusinformation zu bestell-

ten Shuttles inklusive einer Erinnerungsfunktion zum Bereitmachen zu Ein- und Ausstieg (Zeitspanne individuell einstellbar).

Potentiale im Kontext der Lebensrealität älterer Personen • Durch die Möglichkeit flexibler Haltestellen muss kein Weg zur nächsten Haltestelle für die entspre-

chende Verbindung zurückgelegt werden. • Wartezeiten können vermieden werden. • Durch die Möglichkeit der Angabe besonderer Bedürfnisse kann im Voraus sichergestellt werden, dass

das entsprechende Shuttle diese auch erfüllt. • Die Voraus-Information zu bevorstehendem Abholen oder Aussteigen ermöglicht ein rechtzeitiges Be-

reitmachen bei kognitiven Einschränkungen • Automatisierung ermöglicht ein on-demand Service, das durch seine Flexibilität eine realistische Alterna-

tive zu einem Individualfahrzeug bieten kann. Aus bisheriger Forschung abgeleitete Herausforderungen und Bedenken • Unsicherheit bzgl. der Verlässlichkeit der Technik • Unsicherheit durch das Fehlen eines/einer FahrerIn, an die man sich mit Fragen wenden könnte 4. Automatisierte Unterstützung im öffentlichen Verkehr Der Anwendungsfall „Automatisierte Unterstützung im öffentlichen Verkehr“ beschreibt Orientierungs- und Routenplanungssysteme, die bei der Routenfindung und Bewältigung von öffentlichen Wegen individualisiert und automatisiert unterstützen. Das System bietet die Möglichkeit einer Personalisierung, sowohl was die Berücksichtigung von Einschränkungen (wie einer Gehbehinderung) und besonderen Bedürfnissen, als auch die sonstigen persönlichen Präferenzen betrifft. Es begleitet nicht nur den/die NutzerIn, sondern informiert im Rahmen eines Weges genutzte öffentliche Verkehrsmittel zu den bekannten Einschränkungen und Bedürfnis-sen, so dass diese bereits im Voraus auf diese eingestellt sind (und z.B. einen Rollstuhlplatz als reserviert markieren). Aus dem AAL-Bereich sind technische Lösungen zur zielgerichteten Unterstützung älterer Menschen im Mo-bilitäts-Alltag in den letzten Jahren vorgeschlagen worden (siehe für eine Übersicht die AAL Programme Website). Dabei haben sich bisherige AAL Projekte im Bereich Mobilität und Transport großteils auf die Un-terstützung der Navigation und Orientierung älterer Personen konzentriert. So wurde beispielsweise im Projekt ALICE ein Assistenzsystem zur Unterstützung der Navigation und der kognitiven Wahrnehmung älterer Per-sonen entwickelt. Ähnlich intendiert das Projekt ALMA die Erhaltung von Mobilität und Orientierung älterer Menschen durch Module die beispielsweise Tracking, Routenplanung oder Navigation ermöglichen. Speziell im Outdoor Bereich ist das Projekt FreeWalker angesiedelt, bei dem es sowohl um das Leiten der Person, als auch um Information zu deren Aufenthaltsort geht. Eine Routenplanung für ältere Personen, die sowohl Gehen

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als auch öffentliche Verkehrsmittel umfasst und Probleme wie Informationszugang, Sichteinschränkungen o-der motorische Einschränkungen adressiert, wird im Projekt WayFiS angestrebt. Rein auf öffentlichen Trans-port konzentriert sich beispielsweise das Projekt ASSISTANT. Hier werden ältere NutzerInnen zum Beispiel durch die Technologie daran erinnert, wann sie umsteigen müssen. Überblick zu Features / Merkmalen • Automatisierte Routenplanung • Automatisierte Navigationsunterstützung mit Erinnerungen • Personalisierungsmöglichkeit entsprechend persönlichen Einschränkungen (z.B. Gehbehinderung), be-

sonderen Bedürfnissen (Kommunikation mit System ausschließlich auditiv) und individuellen Präferen-zen (z.B. zeitlicher Abstand zwischen Erinnerung und Ereigniseintritt)

• Automatisiertes Erwerben von Fahrkarten • Möglichkeit der automatisierten Meldung von Verspätungen an Ziel (z.B. Arztpraxis) Potentiale im Kontext der Lebensrealität älterer Personen • Bedenken von besonderen Bedürfnissen und entsprechende Berücksichtigung derselben in Echtzeit

(wird ein kaputter Lift bei einer U-Bahnstation gemeldet, so wird einE RollstuhlfahrerIn über eine andere Route umgeleitet)

• Automatisiertes Mitverfolgen des Weges und Unterstützung in der Wegfindung Aus bisheriger Forschung abgeleitete Herausforderungen und Bedenken • Probleme im Erlernen des Umgangs mit der notwendigen Technologie • Informationsüberforderung • Probleme in der Kommunikation durch persönliche Einschränkungen wie Schwerhörigkeit oder Sehbe-

hinderung, wenn die Kommunikationslösungen nicht gut umgesetzt sind 5. Begegnung als FußgängerIn Der Anwendungsfall „Begegnung als FußgängerIn“ setzt sich mit dem Erleben von und den Bedürfnissen in Bezug auf Automatisierung im Verkehr aus Sicht von FußgängerInnen auseinander. Dabei spielen insbeson-dere die Kommunikation von automatisierten Fahrzeugen mit FußgängerInnen, als auch sicheres Verhalten solcher Fahrzeuge zum Schutz von FußgängerInnen im öffentlichen Verkehr eine Rolle. Überblick zu Features / Merkmalen • Verlässliches Erkennen und schützen von FußgängerInnen im Straßenverkehr durch automatisierte Fahr-

zeuge • Leicht verständliche und standardisierte Signale, welche die Absichten automatisierter Fahrzeuge an Fuß-

gängerInnen kommunizieren Potentiale im Kontext der Lebensrealität älterer Personen • Geringeres Unfallrisiko bei automatisierten Fahrzeugen • Standardisiertes Verhalten von Fahrzeugen, durch das der Lösungsweg in Konfliktsituationen eindeutig

wird Aus bisheriger Forschung abgeleitete Herausforderungen und Bedenken • Neue Kommunikationssignale müssen gelernt werden • Unsicherheit bzgl. Verlässlichkeit der Automatisierung • Wenn ein Unfall nicht zu vermeiden ist, wird die Sicherheit der Fahrzeuginsassen in der Programmierung

bewusst priorisiert

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5.2 Gesamtübersicht über alle Anwendungsfälle Insgesamt sind in der Anwendungsfeldanalyse acht verschiedene Felder identifiziert worden, welche für ältere Personen relevant sein können (siehe einen Überblick in Tabelle 9). Hierbei sind, wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, der Bereich des Individualverkehrs, des öffentlichen Verkehrs sowie der Navigati-ons- und Orientierungsunterstützung besonders relevant für ältere Personen (siehe die Punkte 1.1, 1.2, 2.2, 3.3 und 8.3 in Tabelle 9). Über diese schon oben beschriebenen priorisierten Anwendungsfälle hinaus, stellt das Sharen oder Mieten automatisierter Fahrzeuge eine attraktive Mobilitätsalternative (vgl. auch KFV 2019) dar und es gibt einen Trend hin zu einer „Abo-Kultur“, die sich nicht über Besitz, sondern Erlebnisse definiert (Bettel et al, 2018). Ebenso kann Mobility-as-a-Service (MaaS) auch für ältere BenutzerInnen interessant sein, weil diese perso-nalisierte, einfache und flexible Tür-zu-Tür Beförderungen unter Einsatz verschiedener Transportmodalitäten bieten (Kamargianni et al, 2018). Gerade ältere Menschen können von den Potentialen aus entfallenden An-schaffungskosten, hoher Flexibilität und Anpassbarkeit profitieren. Auch kann hiermit eine Zieldestination kom-fortabler erreicht werden, etwa wenn ansonsten ein Umstieg auf ein Nahverkehrsmittel an einem Bahnhof oder Flughafen notwendig wäre. Mobile Assistenzsysteme durch Roboter sind ein weiterer Typ von Systemen, der als eine relevante Kompo-nente automatisierter Fahrfunktionen angesehen werden sollte. In diesem Bereich hat die AAL Forschung eine große Anzahl von Innovationen erarbeitet. So entwickelten Payr et al (2015) Roboter-Trolleys, die verschie-dene Personengruppen beim Transportieren von Waren innerhalb eines Hotels oder auch einer Betreuungs-einrichtung unterstützen können. Auch Systeme wie der Transport Buddy10 können ältere Menschen bei Punkt-zu-Punkt-Transport unterstützen, indem sie das Tragen von Einkäufen übernehmen. Automatisierte Lieferservices könnten eine weitere Hilfe für ältere Personen darstellen. Diese müssten aller-dings die „letzten Meter“ zu deren Wohnung möglichst alleine bewerkstelligen können. Einige Forschungspro-jekte haben kürzlich entsprechende Versuche gestartet, wie z.B. Digibus in Salzburg (Zankl & Rehrl, 2018) oder auch das Testfeld DigiTrans (Schwieger et al, 2018) für automatisierte Lieferservices im kommunalen Bereich. Startups und Logistikunternehmen haben in diesem Bereich erste Versuche unternommen, aber sie scheitern noch an den komplexen Anforderungen des Logistiksystems. Abseits vom Personentransport gibt es Anwendungsfälle, die für andere Benutzungsarten und Rollenmodelle relevant sind. Dies betrifft einerseits das automatisierte Be- und Entladen und andererseits automatisierten Gütertransport, beispielsweise in LKW-Platoons. Die Entwicklungen der Automatisierung betreffen Mitarbeite-rInnen von Logistikzentren, LKW-FahrerInnen und auch Koordinationskräfte. Neue Arbeitsbilder entstehen (Markvica et al, 2018), welche insbesondere für Personen mittleren Alters eine signifikante Umstellung bedeu-ten. Hierzu zählen zum Beispiel LKW-FahrerInnen, die auf längeren Autobahnstrecken bei vollautomatisiertem Fahren (SAE Level 4) nicht mehr selber steuern müssen und anderen, noch zu definierenden Tätigkeiten, nachgehen können (Fröhlich et al, 2018). Darüber hinaus sind automatisierte Hilfsmittel zur Mobilitätsunterstützung zu nennen. Diese können Rollstühle oder Rollatoren umfassen, die durch spezielle Navigationsassistenz die alltäglichen Bewegungen und Wege unterstützen können. Eine solche Navigationsassistenz für spezielle Vorrichtungen (wie Gehhilfe, Rollstuhl oder Dreirad) wird im Projekt ASSAM umgesetzt. In Kombination mit automatisierten Fahrzeugen könnten auch Exoskelette zur Anwendung kommen, die auch außerhalb des Fahrzeugs zu einer flexibleren Mobilität von körperlich eingeschränkten älteren Personen führen können.

10 https://www.ait.ac.at/fileadmin/cmc/downloads/PAs/2015/AIT_2015_TransitBuddy.pdf

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Tabelle 9: Übersicht über die Anwendungsfallkategorien

Anwendungsfall Beschreibung Bezug zu anderen Anwendungsfall-Taxonomien

1 Automatisierter Individualverkehr

• Angebote, die auf automatisierten Privatfahrzeugen beruhen und altersspezifi-sche Angebote liefern.

• NutzerInnen können Zeiten und Wege frei wählen.

Kein Bezug zu anderen Anwendungs-fall - Taxonomien

1.1 Teilautomatisier-ter Individualver-kehr

(Priorisierter An-wendungsfall 1)

• Fortgeschrittene altersspezifische Fahrassistenzsysteme, die neben Stan-dard-Assistenz auch ganze Fahrfunktionen übernehmen.

• Altersspezifische Bedürfnisse und Anforderungen können bedient werden, wie die Vermeidung eines Schulterblicks oder den ständigen Überblick über den Weg und Verkehr.

• FahrerInnen übernehmen aber oft die Kontrolle über das Fahrzeug, um ihr Selbständigkeits- und Kompetenzgefühl bewahren zu können.

(siehe Details auf Seite 15)

TAALXONOMY: direkt: T04-01-03; in-direkt: T05, T06, T07, T08

SAE-Automatisierungslevel 2 – 3

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“, „Sicherheit+ durch Rundumblick“

1.2 Hoch- und vollau-tomatisierter Indi-vidualverkehr

(Priorisierter An-wendungsfall 2)

• Vollständige Entlastung älterer Personen. • NutzerInnen müssen sich nicht um sicheres Fahren, die Gesamtverkehrssitu-

ation, Routenplanung oder Parkplatzsuche kümmern. • Zeit kann zur Entspannung, Unterhaltung, zum Telefonieren oder Ähnlichem

genutzt werden.

(siehe Details auf Seite 16)

TAALXONOMY: direkt: T04-01-03; in-direkt: T05, T06, T07, T08

SAE-Automatisierungslevel 4– 5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“, Sicherheit+ durch Rundumblick“

2 Automatisierter öffentlicher Ver-kehr

• Automatisierte Shuttles im öffentlichen Verkehr Kein Bezug zu anderen Anwendungs-fall - Taxonomien

2.1 Hoch- und vollau-tomatisierter öf-fentlicher Verkehr mit fixen Halte-stellen und Fahr-plänen:

• Automatisierte Shuttles ohne vor Ort anwesende FahrerInnen im öffentlichen Mischverkehr, die noch nicht ihre Route selbst bestimmen und fixe Routen und Haltestellen anfahren.

• Busse sind Teil des öffentlichen Verkehrssystems.

TAALXONOMY: T04-01-02

SAE-Automatisierungslevel 5 (aller-dings keine eigene Routenfindung)

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“,: „Neue Flexibilität“

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 21

Anwendungsfall Beschreibung Bezug zu anderen Anwendungsfall-Taxonomien

2.2 Hoch- und vollau-tomatisierter öf-fentlicher On-de-mand Verkehr

(Priorisierter An-wendungsfall 3)

• Automatisierte Shuttles im öffentlichen Mischverkehr ohne vor Ort anwesende FahrerInnen mit flexiblen Haltestellen und/oder flexiblen Fahrplänen.

• Über eine entsprechende Applikation wird das individuelle Bestellen eines Shuttles inklusive der Angabe eines persönlichen „Abholortes“ ermöglicht.

• Zudem ist auch die Spezifikation besonderer Bedürfnisse, wie der Bedarf ei-nes Rollstuhlplatzes, möglich.

(siehe Details auf Seite 17)

TAALXONOMY: T04-01-02

SAE-Automatisierungslevel 4– 5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“, „Neue Flexibilität“

3 Navigationsassis-tenzsysteme für Personen mit be-sonderen Bedürf-nissen

• Navigations- und Orientierungsunterstützung, die automatisiert die Menschen unterstützen.

• In einer ersten Ausbaustufe müssen die eigentlichen Fahrzeuge noch nicht automatisiert fahren.

Kein Bezug zu anderen Anwendungs-fall - Taxonomien

3.1 Navigationsassis-tenzsystem für Personen mit be-sonderen Bedürf-nissen für den Au-ßenbereich

• Orientierungs- und Routenplanungssystem, das bei der Routenfindung und Bewältigung von öffentlichen Wegen automatisiert unterstützt.

• Das System bietet die Möglichkeit einer Personalisierung, sowohl was die Be-rücksichtigung von Einschränkungen (wie einer Gehbehinderung) und beson-deren Bedürfnissen, als auch die sonstigen persönlichen Präferenzen betrifft.

• Informiert für entlang des Weges genutzte öffentliche Verkehrsmittel zu den bekannten Einschränkungen und Bedürfnissen so, dass die Personen bereits im Voraus auf diese eingestellt sind.

TAALXONOMY: T04-03, T04-04

SAE-Automatisierungslevel 0 – 5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“,

3.2 Navigationsassis-tenzsystem für Personen mit be-sonderen Bedürf-nissen für den In-nenbereich

• Wie Anwendungsfall 3.1, aber mit Navigationsfunktionen für den Innenbereich von Gebäuden.

TAALXONOMY: T04-03, T04-04

SAE-Automatisierungslevel 0–5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 22

Anwendungsfall Beschreibung Bezug zu anderen Anwendungsfall-Taxonomien

3.3 Navigationsassis-tenzsystem für Personen mit be-sonderen Bedürf-nissen von Tür zu Tür

(Priorisierter An-wendungsfall 4)

• Kombination aus den Anwendungsfällen 3.1 (Außenbereich) und 3.2 (Innen-bereich)

• Personalisierte Informationen und begleitende Unterstützung von Tür zu Tür.

(siehe Details auf Seite 17)

TAALXONOMY: T04-03, T04-04

SAE-Automatisierungslevel 0– 5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“,

4 Sharing automati-sierter Fahrzeuge

• Verfügbarkeit von Sharing-Fahrzeugen, die verschiedene Stufen der Automa-tisierung anbieten.

• Möglichkeit für ältere Menschen, Autonomie zu erleben und gleichzeitig ein flexibles sowie anpassbares Angebot zu verwenden.

TAALXONOMY: T04-01-02, T04-01-03

SAE-Automatisierungslevel 1-5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“,

5 Mobile Assistenz durch Roboter

• Mobile autonome Kleinstfahrzeuge als Begleitung von älteren FußgängerIn-nen.

• Einsatzmöglichkeiten für den Transport persönlicher Gegenstände in Um-stiegsbereichen oder in der Nahversorgung.

• Einsatz für zusätzliche Betreuung in Hotels oder Betreuungseinrichtungen.

TAALXONOMY: T04-01-01

SAE-Automatisierungslevel: n.a

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“,

6 Lieferservices mit automatisierten Fahrzeugen

• Automatisierte Lieferservices zur Nahversorgung (in ländlichen Regionen) • Sonderfahrzeuge für die Zustellung in städtischen Gebieten • Lösungen für die Überwindung „der letzten Meter“ zur Wohnung

SAE-Automatisierungslevel:4- 5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“,

7 Automatisierter Gütertransport

• Neue Rollenmodelle durch den automatisierten Gütertransport • Herausforderungen und neue Möglichkeiten für alternde ArbeitnehmerInnen

SAE-Automatisierungslevel:2- 5

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Gewinne Zeit“, „Spezi-elle Helfer“

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 23

Anwendungsfall Beschreibung Bezug zu anderen Anwendungsfall-Taxonomien

7.1 Automatisiertes Be- und Entladen

• Das automatisierte Be- und Entladen kann als Beispiel dafür dienen, wie sich Berufsbilder ändern werden. Statt direkter Steuerung eines Ladevorgangs nun die Überwachung vieler Vorgänge.

• Lösungen zur automatisierten Beladung sind erst in der Entwicklung und die zukünftige Rolle von ArbeitnehmerInnen muss mit Hinsicht auf Autonomie zu-nächst definiert werden.

TAALXONOMY: T04-02

SAE-Automatisierungslevel n.a.

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Spezielle Helfer“

7.2 Automatisierter LKW-Transport

• Neue Rolle von FahrerInnen beim Mitfahren bzw. Überwachen von LKW- Pla-toons

• Ersatztätigkeiten für FahrerInnen in hochautomatisierten Trucks

TAALXONOMY: T04-02

SAE-Automatisierungslevel: 4-

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Gewinne Zeit“

8 Automatisierte Hilfsmittel zur Mo-bilitätsunterstüt-zung

• Spezielle Hilfsmittel aus dem Active Assisted Living Bereich • Erweitert um automatisierte Mobilitätsfunktionen

Kein Bezug zu anderen Anwendungs-fall - Taxonomien

8.1 Rollstühle mit As-sistenzsystemen

• Intelligente Rollstühle • Erweitert um automatisierte Mobilitätsfunktionen (z.B. Notfallassistenz)

TAALXONOMY: T04-03, T04-04

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“

8.2 Rollatoren mit As-sistenzsystemen

• Intelligente Rollatoren • Erweitert um automatisierte Mobilitätsfunktionen (z.B. Navigationsassistenz)

TAALXONOMY: T04-01

SAE-Automatisierungslevel n.a.

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: „Mobil sein, mobil blei-ben“

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 24

Anwendungsfall Beschreibung Bezug zu anderen Anwendungsfall-Taxonomien

8.3 Exo-Skelette • Spezielle Exo-Skelette • Intelligent vernetzt mit automatisierten Mobilitätsfunktionen (z.B. Wissen über

die verwendete Route)

TAALXONOMY: T04-03, T04-04

SAE-Automatisierungslevel n.a.

Anwendungsfall Aktionsplan automati-siertes Fahren: Mobil sein, mobil blei-ben“,

9 Begegnung mit automatisiertem Fahren als Ver-kehrsteilnehmerIn

• Kommunikation von automatisierten Fahrzeugen mit FußgängerInnen • Sicheres Verhalten solcher Fahrzeuge zum Schutz von FußgängerInnen im

öffentlichen Verkehr

SAE-Automatisierungslevel: 4-5

9.1 Begegnung als AutofahrerIn

• Kommunikation gegenüber anderen Fahrzeugen • Anpassung an Bedürfnisse älterer AutofahrerInnen

SAE-Automatisierungslevel: 4-5

9.2 Begegnung als RadfahrerIn

• Kommunikation gegenüber anderen Fahrzeugen • Anpassung an Bedürfnisse älterer RadfahrerInnen

SAE-Automatisierungslevel: 4-5

9.3 Begegnung als FußgängerIn

(Priorisierter An-wendungsfall 5)

• Kommunikation gegenüber anderen Fahrzeugen • Anpassung an Bedürfnisse älterer RadfahrerInnen

(siehe Details auf Seite 18)

SAE-Automatisierungslevel: 4-5

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 25

6 AKZEPTANZ Ausgehend von den Workshops werden im folgenden Abschnitt die Reaktionen der teilnehmenden älteren Menschen zusammengefasst, die aus ihrer Sicht für die allgemeine Akzeptanz automatisierten Fahrens be-sonders relevant sind. Abschnitt 6.2. vergleicht dann die verschiedenen Anwendungsfälle. 6.1 Einstellungen älterer Menschen zu automatisierter Mobilität Die in Abschnitt 4 beschriebenen Workshops mit zukünftigen NutzerInnen und ExpertInnen ergaben ein sehr vielschichtiges Bild zu den verschiedenen Motivationen und Erwartungen von älteren Menschen. Im Folgen-den werden die wichtigsten Aspekte zusammengefasst. Vertrauen in die Fahrzeugsicherheit: Ein Aspekt, der von einem großen Teil der TeilnehmerInnen aufge-bracht wurde und der in der Diskussion stets sehr präsent war, war das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der automatisierten Fahrtechnik. So wurde beispielsweise angemerkt: „Das hier beschriebene Szenario wäre the-oretisch der Idealzustand – wenn alles funktioniert!“ In dieser Hinsicht wurden oft Fragen an die ModeratorIn-nen gestellt wie: „Ist die Verlässlichkeit und Sicherheit der technischen Lösung ausreichend gegeben?“ Die Meinungen zur Sicherheit waren geteilt. Äußerungen zeigten oft, dass sich TeilnehmerInnen nicht auf eine komplette Übernahme aller Fahrzeugfunktionen verlassen wollten: „ich will sehen, was draußen passiert, also will nicht dann schlafen/lesen/etc..; „Lesen kann ich mir nicht vorstellen. Ich muss sehen, wo das Auto hinfährt, schauen, ob das Auto richtig fährt.“ Tendenziell wurde der Überlandverkehr als realistischeres Umfeld für den Einsatz automatisierter Fahrzeuge gesehen und die Offenheit für einen Einsatz in diesem Kontext ist größer; Stadtverkehr wird im Vergleich als zu kompliziert erachtet und als zu unsicher gesehen. „Am besten gefällt mir das vollautomatisierte Fahren, als Überland-Fahrt verstanden, da ist am Meisten automatisiert, da muss ich am wenigsten tun“. In diesem Zu-sammenhang wurde auch der Mischverkehr in einer Übergangsphase skeptisch betrachtet, bei noch nicht voller Durchdringung durch automatisierte Fahrzeuge: „am wenigsten gefällt mir das Szenario mit der Per-spektive Stadtverkehr (aus der Fußgänger[Innen]perspektive), weil ich glaube, da sind zu viele Unsicherheits-faktoren.“ Auch wurde dabei darauf hingewiesen, dass die Reaktion der Menschen (als FußgängerIn) unbe-rechenbar ist und somit eine besondere Herausforderung darstelle: „Und die Fußgänger[Innen] werden wir immer haben und die machen was sie wollen.“ Allerdings überwog nach gemeinsamer Diskussion letztlich die Ansicht, dass automatisierte Fahrzeuge nur dann zugelassen werden, wenn sie schon sicher sind. Unter dieser Annahme gingen die TeilnehmerInnen von einer Verringerung der Unfallraten aus, weil erlaubte Fahrgeschwindigkeiten und sonstige Vorschriften wahr-scheinlicher eingehalten werden könnten: „Ich glaube, dass durch solche Systeme auf jeden Fall Unfälle ver-mieden werden, dass sich das sofort rechnet.“ Einige Kommentare gaben auch Hinweise darauf, wie das Sicherheitsgefühl erhöht werden könnte. So erwähnte eine Teilnehmerin, dass „das Auto eher auf der rechten Spur auf der Autobahn fahren sollte, da fühlt man sich sicher.“ Entlastung von der Fahraufgabe: Trotz der Bedenken zu Fahrfunktionen kommentierten TeilnehmerInnen das vollautomatisierte Fahren als entlastend („stressfreies Fahren“). So wurde auch hervorgehoben, dass die Nutzung von Fahrzeugen dann unabhängig von der eigenen Fahrtüchtigkeit ist: „Ich hoffe auch, dass es das [Anm.: den Hoch- und vollautomatisierter Individualverkehr] gibt, weil es erlaubt mir auch Auto zu fahren, wenn ich es nicht mehr kann.“ Allerdings gibt es Vorbehalte gegenüber Anwendungsfällen, in denen eine manuelle Übernahme gar nicht mehr möglich ist, weil beispielsweise kein Lenkrad vorhanden ist. Damit zusammenhängende Einwände wurden hinsichtlich des empfundenen Unabhängigkeitsgefühls geäu-ßert: „Wenn alles automatisiert ist, fühle ich mich entmündigt […] dann wird mir alles weggenommen.“ Ein weiterer Einwand bezog sich auf das potentielle Schwinden von Kompetenzen durch weniger Übung: „Da wird man ja dümmer, wenn man nichts mehr machen muss“

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 26

Überforderung bei Teilautomatisierung: Im Gegensatz zum als entlastend angesehenen hoch- und vollau-tomatisierten Fahren gab es viele Vorbehalte gegenüber teilautomatisiertem Fahren. Es wurden insbesondere Probleme durch Ablenkung bei der Übernahmeaufforderung gesehen. Als spezielles Problem für ältere Per-sonen wurden Gefahren durch die langsamere Reaktionsfähigkeit gesehen: „Wenn die Reaktion Älterer eh länger dauert, dann reagier ich ja noch mehr falsch.“ In Zusammenhang hiermit standen auch Unsicherheiten zur exakten Bedienung von neuen teilautomatisierten Fahrfunktionen. Eine Teilnehmerin drückte ihre diesbe-züglichen Ängste so aus: „Wie aktiviert man das? Was muss ich da einstellen?“ Auch wurde es nicht als ausreichende Erleichterung angesehen, wenn die Aufmerksamkeit trotzdem erhalten bleiben muss. Bewusstsein und Kommunikation eines automatisierten Fahrzeugs: Ein Diskussionspunkt war auch, wie viel ein automatisiertes Auto wirklich „mitdenkt“ und die PassagierInnen miteinbezieht. Hier geht es z.B. um die Frage, ob das jeweilige automatisierte Fahrzeug die gesamten Kontext- und Umweltinformationen zur Verfügung haben wird, und wie deren NutzerInnen darüber informiert werden können. Ein Teilnehmer war sich in dieser Hinsicht nicht sicher, „ob man dem Auto sagen muss, dass man nun z.B. über die deutsche Grenze gefahren ist und nun die Geschwindigkeitsbegrenzungen händisch editieren muss.“ Auch die Kommunikation zur Bewusstheit und Intentionen war ein wichtiges Thema, dass auch bei hoch- und vollautomatisiertem Fah-ren Signale und Feedback hilfreich wären: „Ich kann mir nicht vorstellen, auch wenn ich mich voll verlassen kann, dass ich nicht irgendwie auch ein Sicherheitsgefühl vermittelt bekomme, irgendein Feedback zwischen-durch.“ Dies galt auch für die Kommunikation zu anderen VerkehrsteilnehmerInnen, ob das „Vertrauen für Fahrer [bzw. FahrerInnen] auf anderen Spuren“ gegeben ist. Bezüglich der Kommunikation zur Bewusstheit und In-tentionen des Fahrzeugs wurde angemerkt, dass eine Standardisierung der Kommunikationsart des Fahr-zeugs sehr wichtig sein wird: „normierte Signale der automatisierten Autos wären wirklich von Vorteil für Fuß-gänger[Innen] - internationale Symbole“ sollten verwendet werden. Bedenken zur Kommunikation mit auto-matisierten Fahrzeugen wurde auch dadurch geäußert, dass man diese nicht immer sofort erfassen kann. So gab eine Teilnehmerin an, dass akustische Signale von hinten ein Problem darstellen würden. In ähnlicher Weise äußerte sich ein Teilnehmer: „Ältere Leute mit Stock, wenn man die von hinten anspricht, muss man sie halten, damit sie nicht umfallen“ Präferenzen zu Interaktionsmöglichkeiten: Die Art der Interaktion mit automatisierten Fahrfunktionen wurde in vielfältiger Weise diskutiert, ausgehend von den vorgestellten Nutzungsszenarien. Ein zentrales Thema war dabei die Verwendung des Smartphones als zentralem Zugangspunkt zu verschiedenen Mobilitätsfunktionen. Unterstützungsfunktionen für multimodale Fahrten wie die Erinnerung an Termine aus dem Handykalender, die Sitzplatzreservierung im öffentlichen Verkehrsmittel, als auch Informationen über Wartezeiten wurden als hilfreich angesehen. Die zentrale Rolle des Smartphones in zukünftigen Nutzungsszenarien wurde aber nicht von allen TeilnehmerInnen als zwingend angesehen. Es wurden auch andere Plattformen als Zugang zu digi-talen Informationen vorgeschlagen: „Muss das Smartphone sein? Ich finde eine Brille mit Augmented Reality viel besser, weil ich Informationen über den Bügel bekommen kann.“ Allerdings bestand der Zweifel, ob bei der Mehrzahl der höheren Alterskohorten teilweise noch nicht genügend Erfahrung vorliegt: „Das Negative für mich ist, dass bereits heute sich ältere Leute schwer tun da hineinzu-wachsen, weil man so viel Rundherum braucht – Smartphones, Smartwatches – das ist eine Hürde“. Aber andererseits wurde gesehen, dass jüngere Alterskohorten dies schon leichter bewerkstelligen können. Dieser Umstand wurde folgendermaßen beschrieben: „meine 55-jährige Tochter wächst da rein!“, bzw. „bis autono-mes Fahren da ist, wachsen die Jungen eh rein. Also die werden ähnlich entscheiden, da gibt es dann keine Unterschiede. Ich glaube, ich bin vielleicht ein bisschen mehr skeptisch als meine Söhne.“ Ein weiterer relevanter Aspekt war die Verwendung von Sprachdialogfunktionen, die auch als Beispiel in den Szenarien vorgestellt worden waren. Hierzu gab es positive Kommentare, insbesondere auch für sehschwa-che Personen. Andererseits wurden teilweise Zweifel an der technischen Umsetzbarkeit gehegt: „Sprachaus-gabe auf öffentlicher Straße in Wien wird schwierig – da ist die Umgebung zu laut.“ Anhand der Beispiele wurden Unklarheiten hinsichtlich der Interaktion ausgedrückt, wie bspw. „wenn man Sprachsteuerung nicht versteht, wer wiederholt dann das?“ Es wurde dabei aber auch angesprochen, dass es verschiedene Anfor-derungen je nach EmpfängerIn (z.B. ältere Leute, Kinder, TouristInnen) gibt. In diesem Sinne wurde gefordert,

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 27

dass mehrere und anpassbare Interaktionsmöglichkeiten angeboten werden sollten, um Menschen mit ver-schiedenen Einschränkungen zu unterstützen. Kompensation von persönlicher Ansprache und Betreuung: Ein grundlegender kritischer Aspekt war, das mit der Automatisierung einhergehende geringere Ausmaß an persönlicher Ansprache und Betreuung. In die-sem Sinne wurde die klare Anforderung formuliert, dass „ältere Menschen hierzu persönliche Unterstützung benötigen.“ Dabei wurde auch gefordert, dass es Vorrichtungen oder Services geben sollte, die es älteren Personen ermöglichen, z.B. ihren Rollator ohne Barriere, mit automatisierter Hilfe oder auch mit Unterstützung anderer PassagierInnen mitnehmen zu können. Bezeichnend war als Ausgangspunkt folgende Reaktion eines Teilnehmers zu einer besprochenen automatisierten Funktion: „In der Straßenbahn macht der Fahrer [bzw. die Fahrerin] das heute schon für Rollstuhlfahrer[Innen]!“ Mehrwert durch innovative Mobilitätslösungen: Weitergehende Lösungen des Mobilitätssystems, die über das automatisierte Fahrzeug hinausgehen - etwa die Möglichkeit der Übermittlung personalisierter Anforde-rungen (z.B. Platz für Rollstuhl) – wurden als sehr interessant angesehen: „Das wäre für mich ein Anstoß, so einen Shuttlebus zu bestellen, der auf meine Bedürfnisse eingeht und weiß, das brauch ich.“ Alle Teilnehme-rInnen der Workshops konnten sich vorstellen, einen solchen Service zu nutzen. Für solche Bereiche besteht auch eine gewisse Zahlungsbereitschaft: „eine Extragebühr für individuelle Haltestelle wäre ok“. Ein weiteres Feature, welches als positiv erwähnt wurde, war, dass das automatisierte Fahrzeug das schnelle Durchfahren einer Pfütze vermeidet, um FußgängerInnen vor Unannehmlichkeiten zu bewahren: „es wäre gut, wenn auto-matisierte Autos auf einen aufpassen.“ Assistenz im Alltag: Bei der Diskussion von Szenarien, bei denen NutzerInnen unterschiedliche körperliche Fähigkeiten haben, zeigte sich, wie wichtig die Ausfallsicherheit von Assistenzfunktionen ist. Es wurde ange-merkt, dass bei automatisierten Fahrzeugen „menschliche Hilfe nicht mehr verlässlich verfügbar“ ist und dass es bei der Anforderung von Assistenz „Kommunikationsprobleme mit dem System“ geben könnte. Angespro-chen auf den automatisierten Shuttle-Bus wurde angemerkt: „Der Bus muss eine Rampe haben, aber oft geht es auch trotzdem nicht ohne Hilfe.“ Auch wurde angemerkt, dass man „den Bus auch mit dem Telefon (und nicht nur per App)“ rufen können sollte. Eingewöhnung in neue Technologien: Der Neuheitseffekt war auch ein Aspekt, der immer wieder themati-siert wurde. TeilnehmerInnen waren sich teilweise unsicher, mit wieviel Vertrauen man in ein (teil-)automati-siertes Auto einsteigen würde („ist ein komisches Gefühl“). Hinzu kam auch die immer noch geringe Vertraut-heit mit Elektroautos: Diese sind „seltsam, da hört man nur die Räder und keinen Motor.“ Dies bezieht sich aber auch auf neuartige, „menschenähnliche“ Kommunikation mit automatisierten Assistenzfunktionen: „Wenn das Auto ständig mit mir redet, wäre es ein komisches Gefühl.“ Auch wurde der Einwand bezüglich ungewohnter Interaktionsgeräte, die bisher noch nicht ausreichend genutzt werden, gebracht. Eine Teilnehmerin kommentierte zu praktischen Problemen einer Smartwatch für die Un-terstützung im öffentlichen Verkehr: „Wie und wie oft wird die Smartwatch geladen? Für ältere Personen kaum handhabbar“. Ein anderer Teilnehmer bemerkte: „Der Umgang mit elektronischen Geräten muss vertraut sein. Menschen, die heute bereits älter sind, werden damit wahrscheinlich nicht umgehen können.“ In diesem Sinne wurde auch angeregt, dass für das Verhalten im Straßenverkehr gegenüber automatisierten Fahrzeugen eine Art Ausbildung für ältere Leute angeboten werden sollte. Datenschutz: Ein Aspekt der Überwachung betraf grundsätzlich die Datenspeicherung. In den meisten der vorgestellten Szenarien war offenkundig, dass zukünftige automatisierte Mobilitätsservices über sehr viele Daten zu den persönlichen Vorlieben, der Historie und auch über den jeweiligen Kontext verfügen werden. In der weiteren Diskussion stellte sich eine übermäßige Datenspeicherung für die Mehrheit der TeilnehmerInnen aber nicht als ein Problem dar, welches speziell auf die automatisierte Mobilität zu beziehen ist, sondern eher als ein allgemeines Phänomen digitaler Dienste. Ein Konsens bestand unter den TeilnehmerInnen, dass die Informationsübermittlung und lokale Verarbeitung auf die betroffene Person beschränkt bleiben müsse.

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A4F: Anforderungs- und Akzeptanzanalyse des Altersgerechten Automatisierten Fahrens | 28

Unterschiede zwischen Typen von VerkehrsteilnehmerInnen: Je nach der Beobachtungsperspektive wurde der Aspekt der Fahrzeugsicherheit bei hochautomatisiertem Fahren unterschiedlich betrachtet. So be-richtete eine Teilnehmerin beispielsweise: „Am wenigsten gefällt mir das Szenario mit der Perspektive Stadt-verkehr (aus der Fußgänger[Innen]perspektive), weil ich glaube, da sind zu viele Unsicherheitsfaktoren.“ Auch wurde angesprochen, dass verschiedene Gruppen von VerkehrsteilnehmerInnen (bspw. ältere Leute, Men-schen mit Behinderungen, Kinder und Touristen) unterschiedliche Anforderungen an die Kommunikation ha-ben. 6.2 Vergleich der priorisierten Anwendungsfälle Teilautomatisierter Individualverkehr und hochautomatisierter Individualverkehr unterscheiden sich durch den unterschiedlichen Grad des automatisierten Fahrens. Eine geringe Automatisierung kann sich – in Relation zur Vollautomatisierung – auch vorteilhaft auf ältere FahrerInnen auswirken, da hier der Vorteil der erhaltenen Mobilität mit dem Vorteil des aktiven, selbstbestimmten Handelns, des „sich lebendig Fühlens“ kombiniert wird. Nichtsdestotrotz erscheinen vollautonom fahrende Autos hilfreich, um älteren Personen – welche aufgrund veränderter körperlicher oder kognitiver Fähigkeiten oder aus anderen Gründen (teilauto-nome) Autos nicht mehr steuern können oder wollen – eine Möglichkeit zu bieten, selbstbestimmte Mobilität in Anspruch zu nehmen. Vollautonome Fahrzeuge können allerdings auch negative Gefühle hervorrufen, wie etwa erlebter Kontrollverlust, Angst vor Überwachung und Datenpreisgabe, und Ausgeliefertsein. Diese negativen Assoziationen können im Vergleich zu vollautomatisierten Fahrzeugen bei teilautonomen Fahrzeugen vermieden werden, da hier mehr mit der Umwelt, anderen VerkehrsteilnehmerInnen und dem Auto interagiert werden muss bzw. kann. Im Gegensatz zu hochautonomen Fahrzeugen müssen bei teilauto-nomen Fahrzeugen mehrere Aspekte bei der Gestaltung berücksichtigt werden. So muss eine etwaige Über-forderung der FahrerInnen bei der Übernahme der Fahrzeugkontrolle verhindert werden, ebenso müssen In-teraktionen mit dem Fahrzeug – um etwa eine bestimmte Funktion zu aktivieren – einfach und klar sein und vor allem geschult werden. Sollte es in Fahrsituationen zu einer – wie auch immer gearteten Überforderung kommen – so würde ein teilautonomer Fahrmodus nicht als Erleichterung wahrgenommen werden (Anmer-kung: bei hochautonomen Fahrzeugen wären diese Probleme nicht gegeben). Unabhängig vom Grad der Automatisierung befürchten ältere Personen eine Stigmatisierung durch (teil-)autonome Fahrzeuge, sollten diese speziell und hauptsächlich für eine ältere Zielgruppe angeboten werden. Dies trifft vermutlich insbeson-dere zu, wenn negativ-konnotierte Altersbilder, wie Einschränkungen von körperlichen oder kognitiven Fähig-keiten, durch Nutzung des Angebots hervorgehoben werden. Zukünftige Entwicklungen müssen dieser Anfor-derung besondere Aufmerksamkeit schenken. Obwohl sich diese beiden Anwendungsfälle des automatisierten Individualverkehrs vom Anwendungsfall „Au-tomatisierte On-demand Shuttles“ inhaltlich stark unterscheiden, gibt es altersbezogene Aspekte, die in allen drei Anwendungsfeldern mitberücksichtigt werden müssen. So muss – im Gegensatz zu jüngeren Nut-zerInnen – das gesamte Nutzungsszenario hinsichtlich individueller Mobilität berücksichtigt werden. Es muss bedacht werden, dass es einer Gruppe von älteren NutzerInnen aufgrund veränderter körperlicher Fähigkeiten beispielsweise nicht möglich ist, selbstständig und ohne fremde Hilfe aus ihrer Wohnung über mehrere Stock-werke in ein bereitstehendes Fahrzeug – sei es nun das eigene Auto oder ein angefordertes Shuttle – zu gelangen. Derzeit können beispielsweise Fahrtendienste diese Personen direkt von der Wohnung abholen und mittels Tragevorrichtungen in das Transportfahrzeug befördern. Autonome Autos und autonome Shuttle-Systeme müssen ebenfalls so gestaltet werden, dass diese Hürde überwunden werden kann. Im Gegensatz zu individuellen Autos werden autonome Shuttles von mehreren Fahrgästen gleichzeitig be-nutzt. Dies kann durchaus auch als Vorteil gesehen werden, da NutzerInnen somit nicht alleine mit einem autonomen Fahrzeug unterwegs sind; das Gefühl der empfundenen Sicherheit wird erhöht. Werden (teil-)au-tonome Autos nur von wenigen NutzerInnen verwendet, können individuelle Anpassungen unter Umständen leichter durchgeführt werden als bei öffentlichen, autonomen Shuttle-Systemen. Nichtsdestotrotz müssen auch Shuttles auf die individuellen Bedürfnisse der (älteren) NutzerInnen eingehen. So müssen Personen, welche einen Rollstuhl nutzen, bei der Bereitstellung von Shuttles dezidiert berücksichtigt werden, ebenso muss die Interaktion mit dem Shuttle bzw. mit dem Bestellservice so gestaltet sein, dass Personen mit unter-

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schiedlichen Fähigkeiten das Service nutzen können (z.B. ist die Benutzbarkeit von Sprachinteraktionssyste-men auch abhängig von Hörfähigkeiten; feinmotorische Fähigkeiten stehen im Zusammenhang mit der Be-nutzbarkeit von Touch-Interfaces). Ebenso sollte das Shuttle auf weitere Anforderungen, die im Lebensverlauf Veränderung erfahren, eingehen, etwa berücksichtigen, wenn gebrechliche Personen noch nicht Platz genom-men haben bzw. sich während der Fahrt vom Sitzplatz erheben. Im Gegensatz zu den anderen Anwendungsfällen wird im Anwendungsfall „Automatisierte Unterstützung im öffentlichen Verkehr“ darauf hingewiesen, dass nicht alle verfügbaren Informationen unmittelbar für Nut-zerInnen angezeigt werden sollen. So kann es etwa ausreichend sein, wenn ihnen mitgeteilt wird, dass eine neue Fußweg-Route genommen werden soll. Der Grund für diese (z.B. defekter U-Bahn Lift) muss jedoch nicht automatisch immer mitkommuniziert werden, sondern nur, wenn von NutzerInnen explizit nachgefragt wird. Im Gegensatz zu diesen vier Szenarien wird im fünften Anwendungsfall „Begegnung als FußgängerIn“ der involvierte Mensch an sich als größte Herausforderung gesehen, da dieser außerhalb des autonomen, ver-netzten Systems agiert und dadurch auch unvorhersehbar und fehleranfällig ist. Zusätzlich wird es als Problem gesehen, dass neue Interaktionsformen bzw. neue Technologien und Signalisierungen erst (mühsam) erlernt werden müssten, um sich als FußgängerIn im vollautonomen Verkehr zurecht zu finden. Eine altersgerechte und individuelle Einschulung ist daher besonders wichtig. Aber auch in diesem Anwendungsfall lassen sich positive Aspekte finden. Dies betrifft die Möglichkeit, dass autonome Fahrzeuge besser auf FußgängerInnen Rücksicht nehmen können, indem sie beispielsweise bewusst langsam durch Wasserlacken fahren. Ebenso könnten durch autonome Fahrzeuge Verkehrsregeln genauer eingehalten werden, und es könnte zu weniger Unfällen zwischen Fahrzeugen kommen. 7 BEDÜRFNISSE ÄLTERER MENSCHEN FÜR DIE AUTOMATI-

SIERTE MOBILITÄT Ausgehend von der Analyse bisheriger Arbeiten, der oben beschriebenen qualitativen Akzeptanzanalyse so-wie den Ergebnissen des ExpertInnenworkshops werden in diesem Abschnitt Bedürfnisse älterer Menschen für automatisierte Mobilität zusammengefasst. Reale Entlastung: Das wichtigste Bedürfnis älterer Menschen, dem durch automatisierte Mobilität entspro-chen werden kann, ist die Entlastung vom aktiven Steuern eines Fahrzeugs. Entsprechend darf die Kommu-nikation und technische Handhabung des Systems keinesfalls zu einer Zusatzbelastung oder gar Überforde-rungen führen. Dies ist bei der Entwicklung von Assistenzfunktionen für ältere Menschen unter Berücksichti-gung der Lebensrealität älterer Personen im Systemdesign durchgängig zu bedenken. Dies ist der Haupt-grund, warum hoch- und vollautomatisiertes Fahren (bei Garantie der Fahrsicherheit) von vielen älteren Men-schen vorgezogen wird. Wahrung von Autonomie: Im Gespräch mit ExpertInnen wurde die Beibehaltung von Autonomie als zentrale zugrundeliegende Motivation der Zielgruppe betont. Diese Grundmotivation kann als einer der Hauptfaktoren für die doch hohe anzunehmende Akzeptanz des (voll)automatisierten Fahrens angesehen werden. Es spielen aber auch weitere Faktoren mit, die bei der detaillierten Entwicklung von automatisierten Mobilitätsdiensten relevant sein werden. Dazu zählt die Tendenz, dass ungerne um Hilfe gebeten wird, insbesondere bei The-men, die Verunsicherung hervorrufen. Services und Features, die Situationen vermeiden, bei denen ältere Menschen mit negativ-konnotierten Alter(n)sstereotypen, wie Hilfsbedürftigkeit, konfrontiert werden, können somit mit einer hohen Akzeptanz bei dieser Zielgruppe rechnen. Autonomie spielt auch beim Selbstbild und der Selbstdarstellung eine große Rolle. Ein Auto ist in diesem Sinne nicht nur ein neutrales Transportmittel, oder wie es während des ExpertInnenworkshops ausgedrückt wurde: „Wenn ältere Menschen selbst fahren, dann fühlen sie sich lebendig“. Autos werden in diesem Sinne mit Mo-bilität, Freiheit, Autonomie etc. assoziiert und dienen auch als Statussymbol. Es muss in diesem Sinne bei der

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Einführung automatisierter Fahrzeuge darauf geachtet werden, dass nach wie vor eine aktive Rolle eingenom-men werden kann und die Personen noch immer die soziale Rolle als FahrerIn einnehmen können, auch wenn diese nicht mehr die direkte Kontrolle am Lenkrad beinhaltet. Ferner ist es wichtig, Stigmatisierung zu vermei-den. Wenn beispielsweise vornehmlich ältere Menschen automatisierte Fahrzeuge verwenden, sollte nicht der Eindruck entstehen, dass eine Person ein automatisiertes Auto nur zum Ausgleich spezifischer, gegebenen-falls altersbedingter, Defizite nutzt. Ermöglichung von Kommunikation und Assistenz: Ältere Menschen haben im Mobilitätsbereich aus ver-schiedenen Gründen ein höheres Bedürfnis nach Unterstützung und Ansprache. So könnte diese BenutzerIn-nengruppe besonders interessiert sein an der Bestellung von individuellen Konfigurationen des Fahrzeugs (wie bspw. die Unterstützung beim Tragen von Einkäufen oder die Beförderung von Gehhilfen), der persona-lisierten Abholung vor Ort und Sitzplatzreservierungen. Auch haben viele ältere Menschen ein höheres Be-dürfnis zur Kommunikation und Einbindung, um Vereinsamung entgegenzuwirken. Aus diesen Bedürfnissen ergeben sich hohe Anforderungen an die Informations- und Kommunikationssysteme, die möglichst verständ-lich, zuverlässig und personalisiert funktionieren sollten. Besonders im ExpertInnenworkshop wurde auf die Wichtigkeit von Diensten rund um den eigentlichen Transport verwiesen. Es ist in dieser Hinsicht zwar gut, wenn, wie in einem der diskutierten Beispiele, ein Sitz aus einem Auto herausfährt, damit ältere Personen mit eingeschränkter Mobilität leichter ein- und aussteigen können. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass in diesen Fällen auch für den Weg zwischen der Wohnung und dem Fahrzeug ggf. Unterstützung angeboten werden sollte. Vermeidung von situationsbezogener Überforderung: Sowohl aus Einschätzungen der befragten älteren Menschen als auch den Statements der ExpertInnen ist es insbesondere bei älteren Personen wichtig, über-fordernde Situationen zu vermeiden. Aufgrund von einer altersbedingt verringerten Verarbeitungs- und Reak-tionsfähigkeit kann Schreckhaftigkeit stärker ausgeprägt sein und somit können ungewohnte Anforderungen schwerer bewältigt werden. Solche veränderten Fähigkeiten können wiederum mit einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten einhergehen. Dies ist vorwiegend auf Ängste zurückzuführen, sich möglicherweise Blö-ßen zu geben bzw. sich selbst Schwächen einzugestehen, insbesondere wenn es sich um Aspekte, die auch Gegenstand altersbezogener Stereotypen sind, handelt oder subjektiv wichtige, die Lebensrealität stark be-einflussende Bereiche, wie Autonomie, betroffen sind. In dem ExpertInnenworkshop wurde auch diskutiert, dass im Sinne einer kognitiven Entlastung älterer Nutze-rInnen Systeme nicht immer alle verfügbaren Informationen („Umleitung zu anderem Lift, da Lift defekt“) sofort mitteilen müssen, sondern dies auch erst auf Nachfrage tun können (zuerst nur „Nimm Lift XY“, und dann auf Nachfrage die weiteren Details). Es sind für die Subgruppe älterer Menschen, die Unterstützung in Bezug auf Mobilität aufgrund ihrer körperlichen Fähigkeiten benötigen, auch zusätzliche Echtzeitdaten notwendig, wie insbesondere Rollstuhlplätze und die Verfügbarkeit von Liften. Um gefährliche Situationen im Straßenverkehr zu vermeiden, ist es auch notwendig, älteren VerkehrsteilnehmerInnen klar zu kommunizieren, was das Fahr-zeug erkennt und welche nächsten (Fahr-)Aktionen geplant sind. Ausgehend von bisherigen Arbeiten und der Diskussion mit NutzerInnen zu diesem Thema ist auch die Standardisierung der Kommunikationsform mit anderen VerkehrsteilnehmerInnen und FußgängerInnen und somit eine klarere und konsistentere Darstellung wichtig.

Flexibilität der Mensch-Maschine Interaktion: Eine wichtige Voraussetzung für Lösungen für altersgerechte automatisierte Mobilität, sowohl aus Sicht der befragten NutzerInnen als auch der ExpertInnen, ist die Mög-lichkeit von Anpassung an die eigenen bestehenden Bedürfnisse. So sollte der gewünschte Automatisierungs-level des Fahrzeugs für ältere Menschen einfach einstellbar sein. Auch eine flexible Handhabung der Art der Interaktion mit automatisierten Mobilitätsdiensten ist notwendig. Dies betrifft vor allem die Barrierefreiheit. Es sollten immer mehrere Möglichkeiten der Interaktion angeboten werden, damit nicht nur eine Sinnesmodalität angesprochen wird. Sprachinteraktion wird beispielsweise von einer wachsenden Anzahl von NutzerInnen akzeptiert, dank sich verbessernder Erkennung und Dialogqualität bei Sprachassistenten und Navigationsan-wendungen und der zunehmenden Verwendung von Kopfhörern und Headsets in der Öffentlichkeit. Sehge-schädigte verwenden schon seit langer Zeit sprachbasierte Interfaces.

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Selbstverständlich gibt es aber auch NutzerInnengruppen (beispielsweise Personengruppen mit verschiede-nen Hörfähigkeiten), für die eine Darbietung rein auf einem Audiokanal nicht ausreichend wäre. Dies erfordert die visuelle Präsentation von Informationen auf Smartphones und Terminals sowie entsprechende, auch hand-schriftliche NutzerInneneingaben per Touchscreen. Eine Personalisierung der Interaktionsmodalitäten ist zu-sätzlich mit Hinblick auf spezifische (sich auch altersbedingt verändernde) Fähigkeiten notwendig. Beispiels-weise sollten Interaktionsmodalitäten anpassbar sein, etwa bei der Adaptierung von Touchscreens im Falle einer zitternden Hand. Verständlichkeit und Effizienz: Ein Thema von hoher Priorität ist nach wie vor die Usability von Assistenz-systemen. So bringen Bremsassistenzsysteme FahrerInnen unterschiedlichen Alters in irritierende und auch gefährliche Situationen, wenn bspw. bei einer Berganfahrt plötzlich gebremst wird. Vor dem Hintergrund von Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten im Lebensverlauf müssen die entsprechenden Anforderungen bei Entwicklungen für die Zielgruppe der älteren Menschen adressiert werden, und die Technologie sollte hin-sichtlich Verständlichkeit und Effizienz optimiert werden. So ist es empfehlenswert, Informationen mehrmalig abspielen zu können, wenn diese schlecht verstanden oder vergessen wurden. Breite Verfügbarkeit: Während des ExpertInnenworkshops wurde auch darauf hingewiesen, dass automati-siertes Fahren über verschiedene Typen von Besiedelung und Topographie hinweg betrachtet werden muss. So ist insbesondere der ländliche Einsatz von automatisierten Fahrzeugen besonders hilfreich, weil es sonst wenige Alternativen zum herkömmlichen selbstgesteuerten Fahrzeug gibt, um z.B. in Anbetracht mangelnder Nahversorgung die Grundbedürfnisse zu decken. Dies betrifft zwar eine gesamtgesellschaftliche Herausfor-derung, aber ältere Menschen sind auch hier besonders betroffen, weil ihre Verteilung in ländlichen Regionen stetig wächst. Auch stellt sich die Frage, wie weit der Einsatzbereich von automatisierten Fahrzeugen in be-sonders dünn besiedelten oder bei schlechter Witterung (wie bspw. Schnee) nicht leicht erreichbaren Gebieten im Sinne der Gesamtversorgung abzudecken ist. Wissensbedarf: Ein grundsätzliches Bedürfnis aus Sicht von älteren Menschen ist ein Wissensaufbau zur Verwendung von neuen Technologien. Dies betrifft einerseits das automatisierte Fahren im engeren Sinn, andererseits aber auch Interaktionstechniken und Services, die für die Verwendung von automatisierten Mo-bilitätsservices im weiteren Sinne notwendig sind. In diesem Sinne wären spezielle Schulungen & personali-sierte Trainings durchaus überlegenswert, um Unsicherheiten und Ängste zu nehmen. In gewisser Weise kann die Benutzung eines automatisierten Fahrzeugs als Übergang vom Steuern zum Überwachen des Fahrzeugs betrachtet werden. In Analogie zu anderen automatisierten sicherheitsrelevanten Systemen, wie bei der Flug-sicherung oder PilotInnen, könnten auch hier Trainings mit zielgruppenspezifischen Informationen angeboten werden. Auch in solchen Bereichen sind Trainingsszenarien, in denen eine bestimmte Technik versagt und man einspringen muss, üblich. Auch in diesem Fall sollte angedacht werden, Fähigkeiten zu schulen, um im Falle eines Systemausfalls beispielsweise wieder konsequent Schulterblicke zu machen, obwohl diese bei einem zukünftigen voll funktionierenden Assistenzsystem möglicherweise nicht notwendig wären. Leistbarkeit: Trotz aller Diskussionen über die vielen grundsätzlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse von automatisierter Mobilität kann leicht in Vergessenheit geraten, dass die Entwicklung und Bereitstellung dieser neuen Technologien und Dienste finanziert werden müssen. Obwohl die entsprechenden Geschäftsmodelle noch nicht vorliegen, muss davon ausgegangen werden, dass sich Fahrzeuge für den Individualverkehr ver-teuern könnten. Auch der flächendeckende Einsatz von Sharing-Diensten und öffentlichen Verkehrsnetzen wird zu einem Teil direkt und zu einem weiteren Teil von der öffentlichen Hand zu tragen sein. In der öffentli-chen Debatte wird auch typischerweise von 50+ Generation, die einer höheren sozialen Schicht angehört und daher über ausreichend Kaufkraft verfügt, gesprochen, aber es sollte bedacht werden, dass gleichzeitig auch das Phänomen der Altersarmut besteht. Bestehende Diskriminierungen und soziale Hierarchien über die Ka-tegorie Alter hinweg können sich bei Nicht-Beachtung noch weiter verschärfen. So sind beispielsweise auch häufiger Frauen von Altersarmut betroffen. Als allgemeines Bedürfnis sollte in diesem Sinne auf jeden Fall festgehalten werden, dass möglichst die gesamte Gruppe älterer Menschen von automatisierter Mobilität pro-fitieren können sollte. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlicher, dass es im Alltag eher funktionieren kann, wenn Personen auf ein Shuttle zurückgreifen, als dass sich einzelne Leute ein eigenes Fahrzeug leisten.

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8 SCHLUSSFOLGERUNGEN Um die im vorangegangenen Abschnitt vorgestellten Bedürfnisse zu erfüllen, sollten eine Vielzahl von Bedin-gungen erfüllt und Maßnahmen getätigt werden. Die folgenden Schlussfolgerungen konnten aus der Akzep-tanzanalyse, den ExpertInnenmeinungen sowie Erkenntnissen aus bisherigen Arbeiten gezogen werden. Diese können bei der Entwicklung von Empfehlungen für nächste Schritte zu altersgerechter automatisierter Mobilität verwendet werden. 1. Niederschwellige Einführung mit bekannten Technologien

Ausgehend von Erfahrungen aus dem Design von altersgerechten Technologien sollten insbesondere für diese Zielgruppe zuerst technologisch niederschwellige Lösungen eingeführt werden, um die NutzerInnen „möglichst dort abzuholen, wo sie sind.“ Für ältere Personen ist es oftmals schwer, die Benutzung neuer Ge-räte und Interaktionsparadigmen zu lernen und sich neue Routinen zu erarbeiten. In diesem Sinne sollten geringe Anforderungen hinsichtlich des Lernens einer neuen Technologie gestellt werden, um eine Nutzung überhaupt zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund sind Fahrerassistenzsysteme empfehlenswert, die schon eine gewisse Durchdrin-gung am Markt und damit technologische Reife erreicht haben sowie möglichst wenig Lernen von zusätzlichen Fertigkeiten erfordern. Ausgehend von Tempomaten, Abstandsregelassistenten und Spurhalteassistenten kann somit auch mit vermehrter Verwendung von Totwinkelassistenten ausgegangen werden. Eine gute Ein-führung in neue Assistenzfunktionen können auch Systeme bieten, die nicht gleichzeitig zur Aktivität des Steu-erns bedient werden müssen. So könnten FahrerInnen vor Beginn einer Fahrt genauere Informationen und Hinweise zu relevanten routenbezogenen Informationen erhalten oder sie könnten nach der Fahrt Feedback über ihr Fahrverhalten sowie eine optimale Nutzung ihrer Assistenzsysteme erhalten. 2. Reale Entlastung durch hochautomatisiertes Fahren Aus der Akzeptanzanalyse geht klar hervor, dass das Erreichen von Entlastung der wichtigste langfristige Mehrwert für ältere Personen im Individualverkehr ist. Insbesondere bei Menschen, die in ihren Fähigkeiten eingeschränkt sind, kann vollautomatisiertes Fahren eine gute Lösung sein, um mobil zu bleiben. Wichtig ist hierbei die Einhaltung einer positiven Ressourcenbalance: EntwicklerInnen sollten also immer im Auge behalten, dass Personen nicht mit Zusatzinformationen und -diensten rund um das automatisierte Fah-ren mehr (kognitiv oder physisch) gefordert als entlastet werden. Beispielsweise sollte nach Möglichkeit ver-mieden werden, dass ein Fahrzeug einer älteren Person zu viele Vorschläge (wie beispielsweise für Spur-wechsel) gibt und um Bestätigung für deren Realisierung bittet. Im Sinne der Entlastung können diese Ent-scheidungen den BenutzerInnen vom Fahrzeug abgenommen werden, wenn genügend Kontextwissen vor-liegt. In der Diskussion von Szenarien zur Vollautomatisierung wird freilich oft von einer Idealsituation ausgegangen, bei der diese Entlastung durch eine lückenlos funktionierende Fahrtechnik unterstützt wird, die keine plötzli-chen Eingriffe in Echtzeit erfordert und somit keinen Anlass zu Verunsicherung liefert. Dies steht noch in star-kem Gegensatz zum heutigen, noch limitierten Stand der automatisierten Fahrtechnik. In weiterführenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sollte analysiert werden, welche Entwicklungs-pfade es entlang eines fehlerfreien, hoch automatisierten Fahrzeuges geben kann. Ein solcher Entwicklungs-pfad beinhaltet vermutlich die Fahrt auf vordefinierten Strecken, mit niedriger Geschwindigkeit, wenig Misch-verkehr und wenigen Entscheidungszweigen. Es muss hier noch abgeglichen werden, in welchen Fällen eine solche Limitierung der Reichweite und Flexibilität einen Mehrwert darstellen kann. 3. Erreichen einer breiten Verfügbarkeit von automatisierten Mobilitätsdiensten

Um dem Bedürfnis nach breiter Verfügbarkeit von automatisierten Mobilitätsdiensten entgegenkommen zu können, sollten ausgehend von unserer Akzeptanzanalyse leistbare Lösungen für automatisierte On-Demand Busse weiterentwickelt werden. Dies betrifft insbesondere Dienste für die letzte Meile in städtischen Gebieten, wo automatisierte Fahrzeuge als Zubringer zu öffentlichen Verkehrsmitteln eingesetzt werden. Gerade bei On-Demand Angeboten mittels hochautomatisierter Fahrzeuge, bei denen ältere Menschen punktgenau vor der

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Haustüre abgeholt werden können, wird die individuelle Nutzung eines Fahrzeugs nicht mehr die sinnvollste Variante darstellen, sondern es sollten Flotten- und Sharingkonzepte in den Vordergrund rücken. Besonders herausfordernd wird die Verfügbarmachung von Mobilitätslösungen für ältere Menschen im ländli-chen Bereich sein. Hier sollte weiterhin überprüft werden, inwiefern die Verwendung von automatisierten Fahr-zeugen die Abdeckung erhöhen können. Erste Erfahrungen aus Demonstrationsprojekten im ländlichen Be-reich sind erfolgversprechend (siehe z. B. das Projekt Zankl & Rehrl, 2018). Derzeitige automatisierte Shuttles sollten aber dahingehend erweitert werden, dass sie alltägliche Abläufe älterer Menschen besser unterstützen, wie z.B. die Mitnahme oder Lieferung von Einkäufen und den sicheren und effizienten Zustieg. Mittels stärkerer Vernetzung sollten auch aussagekräftige Informationen über den Zustand des Fahrzeugs und der Strecke verfügbar gemacht werden (bspw. ob der Gehweg vereist ist oder ob es ausreichend Platz für einen Rollstuhl in einem Fahrzeug gibt) und somit ältere Menschen bei ihren Mobilitätsentscheidungen unter-stützen. Die Nutzung von Smartphones oder anderen vernetzten Geräten für die Effizienz von automatisierten Mobilitätsdiensten könnte sich allerdings auch als Faktor für den Ausschluss von Personengruppen erweisen, die solche Hilfsmittel nicht zur Verfügung haben. Im Sinne der Erreichung einer breiten Abdeckung sollten für solche Personengruppen auch andere Zugriffsmöglichkeiten bereitgestellt werden. Zur Einführung von Lösun-gen, die über den Individualverkehr hinaus gehen, ist in diesem Sinne auch eine gesamtheitliche, politikge-triebene Steuerung notwendig11. 4. Einbindung von Ansätzen aus AAL und Design for All

Eine weitere klare Notwendigkeit für altersgerechte automatisierte Mobilität ist es, dass Assistenz und Anspra-che nicht auf den Aufenthalt in einem automatisierten Fahrzeug begrenzt sein sollten, sondern Menschen auf ihren gesamten Wegen zwischen Wohnung und sozialen Kontakten, öffentlichen Orten etc. begleitet werden sollten. Hierbei sollten schon vorhandene Systeme und Ansätze eingebunden werden, wie etwa integrierte Navigationshilfen. Beispielprojekte und Anwendungsfälle können unter anderem in den Berichten von der AAL Vision Austria (AAL Austria, 2015) und der AAL Vision 2025 (Bertel et al, 2018, siehe auch Abschnitt 5.2) gefunden werden. Hierbei wird auch auf Anwendungsfall-Sammlungen und -kategorisierungen aus dem AAL-Bereich (wie TAALXONOMY, siehe auch Tabellen 1-6) sowie der barrierefreien Mobilität hingewiesen (siehe auch die Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung „AM Inklusive!“; AM Inklusive!, 2020). Die vielen schon erarbeiteten Ansätze für eine intermodale und barrierefreie Routenplanung für ältere Men-schen oder für andere spezifischen Zielgruppen können mit den rasanten Entwicklungen im Bereich der Da-tenverfügbarkeit und Vernetzung nun bald umgesetzt werden. Zu bedenken ist allerdings, dass der Reifegrad von mobilen Supportdiensten für ältere Menschen sowie von Personen mit körperlichen und geistigen Ein-schränkungen schon sehr hoch ist. So kann beispielsweise ein/eine RollstuhlfahrerIn, der bzw. die einen Fahr-tenservice bestellen möchte, dies schon jetzt komfortabel tun. Fahrzeug und BetreuerIn kommen bis nach Hause, es wird vorher angerufen und es kann somit soziale Interaktion und kontextsensitive Hilfe geleistet werden. Der Mehrwert des Aufbaus eines neuen, auf automatisierten, möglicherweise unbemannten Fahrten-dienstes muss vor diesem Hintergrund erst einmal motiviert werden und der „Service Level“ – auch hinsichtlich der Ansprachemöglichkeiten und der Adressierung individueller Herausforderungen – muss bereits bei der Markteinführung vergleichbar mit dem herkömmlichen Dienst sein. Eine realistische Möglichkeit der Verbes-serung der Dienstleistungsqualität könnte es in dieser Hinsicht sein, dass durch die Entbindung vom Steuern des Fahrzeuges das Personal für zusätzliche Services eingesetzt werden kann, beispielsweise für die Siche-rung von Rollstühlen oder die Kommunikation mit PassagierInnen. 5. Nutzung der Potentiale von Mensch-Computer Interaktion

Eine zentrale Herausforderung für innovative automatisierte Mobilität besteht in der konsequenten Gestaltung der NutzerInnen-Interaktion auf verschiedenen Ebenen. Mit dem Thema der AAL und Automotive Interfaces geht einher, dass sich Angebote zwar einerseits der Informationen eines Smartphones bedienen werden, diese aber keinesfalls darauf beschränkt bleiben. Entwicklungen im Ubiquitous Computing und Ambient Intel-ligence Bereich werden auch immer relevanter für den Lebensbereich älterer Menschen. In diesem Sinne

11 Die Forschungs- und Entwicklungsdienstleistung „AM Inklusive!“ entwickelt weiterführende Politikempfehlungen zu inklusiver Mobilität, siehe ab Herbst 2020 unter der folgenden Website: https://projekte.ffg.at/projekt/3300252

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sollte das immer größere Arsenal von Interaktionsmethoden bestmöglich ausgenutzt werden, wie beispiels-weise Augmented Reality und Gesteninteraktion. Eine wichtige Anforderung ist es dabei, flexibel für verschiedene Bedürfnisse angepasste Möglichkeiten an-zubieten. Eine häufig geäußerte Empfehlung ist die Verwendung multimodaler BenutzerInnen-Schnittstellen: Es sollte nicht nur eine Sinnesmodalität angesprochen werden, damit ältere Personen mit verschiedenen Fä-higkeiten angesprochen werden können. Ebenso sollten Interfaces adaptiv auf mögliche Einschränkungen reagieren, bspw. auf längere Reaktionszeiten oder Ungenauigkeiten bei der Eingabe. Eine Ausschöpfung der verfügbaren Daten sollte möglichst umfangreich genutzt werden. Beispielsweise könnte es die Verfügbarkeit der Echtzeit-Bewegungsdaten von Personen ohne die Notwendigkeit eines wei-teren Nachfragens über die Ankunftszeit ihrer Angehörigen informiert werden. Um dies gut zu gewährleisten, sind aber auch verantwortungsvolles Design und spezielle Features zur unaufwändigen Zustimmung zur Über-mittlung personenbezogener Daten notwendig. 6. Vorausschauende Wissensvermittlung

Wissen und Fertigkeiten müssen für jede Art der Verwendung von Mobilitätsdiensten und -technologien in adäquatem Maße erworben und gefestigt werden, ungeachtet der Rolle von FahrerInnen oder PassagierIn-nen. IKT kann hierbei einerseits als Trainings-Hilfsmittel als auch als Gegenstand für den Wissensaufbau oder -erhalt dienen. Wenn es um den Erhalt der Autonomie beim Fahren eines selbst gesteuerten Fahrzeugs geht, können auf ältere Menschen zugeschnittene Dienste eingesetzt werden. In diesem Sinne entwickelt beispiels-weise das Projekt CARA-II (CARA-II, 2020) Analyseprogramme, die älteren Menschen nach jeder Fahrt Feed-back zum eigenen Fahrverhalten und darauf speziell abgestimmte Routenempfehlungen und Trainingseinhei-ten anbieten. Für die Automatisierungslevels 3-4 ist ein spezielles, besonders umfangreiches Training notwendig, weil sich die Rolle von steuernden FahrerInnen zu überwachenden OperatorInnen verändert. Wie oben schon erwähnt, sollte diese Beanspruchung durch Kontroll-Übergaben für die breite Masse älterer Menschen vermieden wer-den, weil diese keine Entlastung bietet. Für diese große Mehrheit der NutzerInnen ist hochautomatisiertes Fahren ohne die Notwendigkeit von Eingriffen empfehlenswert. Wissensvermittlungs-Strategien in Bezug auf diese Zielgruppe sollten sich darauf konzentrieren, die Einführung von automatisierten Shuttles zu begleiten, um das Vertrauen zu erhöhen und mögliche Akzeptanzprobleme frühzeitig auszuräumen. Wie in den oben angeführten Schlussfolgerungen dargestellt, gibt es eine Reihe von vielversprechenden Ent-wicklungspfaden für altersgerechtes automatisiertes Fahren, die nach unserer Empfehlung in jedem Fall wei-terverfolgt werden sollten. Auf der Forschungsseite sollten, ausgehend von den Erkenntnissen der vorliegen-den Studie, weiterführende empirische Untersuchungen durchgeführt werden. So könnte der hier verfolgte qualitative Forschungsansatz als Basis für quantitative, flächendeckende Erhebungen dienen. Besonders in-teressant wäre es hierbei, die oben dargestellten Bedürfnisse nach Faktoren wie ländliche oder städtische Umgebung, sozialem Status (insbesondere finanzielle Lage), sowie körperlichen und kognitiven Fähigkeiten zu untersuchen.

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Automatisierungslevels und FahrerInnen-/Systemrollen; Millonig (2019), ausgehend von SAE-Levels Standard J3016; SAE International) ..................................................................................................... 4 Abbildung 2: Allgemeiner Ansatz zur Erarbeitung der Ergebnisse ................................................................... 8 Abbildung 3: Akzeptanz-Workshop: links: Gruppendiskussion; rechts: Sammlung von Kommentaren zu Bedenken und Potentialen pro Anwendungsfall .............................................................................................. 12 TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Anwendungsbereich Mobilität und Transport (T04) ....................................................................... 10 Tabelle 2: Anwendungsbereich Sicherheit und Schutz (T03) ......................................................................... 10 Tabelle 3: Anwendungsbereich Arbeit und Schulung (T05) ............................................................................ 10 Tabelle 4: Anwendungsbereich Vitalität und Fähigkeit (T06) .......................................................................... 10 Tabelle 5: Anwendungsbereich Freizeit und Kultur (T07) ............................................................................... 11 Tabelle 6: Anwendungsbereich Information und Kommunikation (T08) ......................................................... 11 Tabelle 7: Kriterien für die Priorisierung der Anwendungsfälle ....................................................................... 11 Tabelle 8: Priorisierte Anwendungsfälle .......................................................................................................... 14 Tabelle 9: Übersicht über die Anwendungsfallkategorien ............................................................................... 20

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BETEILIGTE EXPERTINNEN Wir möchten uns sehr herzlich bei den TeilnehmerInnen der NutzerInnenworkshops und -interviews bedanken. Die folgenden Personen nahmen an der ExpertInnen-Konsultation teil: Uli Waibel, AAL Austria Cornelia Schneider, FH Wiener Neustadt Christian Vogelauer, Hilfsgemeinschaft der Blinden Eva Reithner, EURAG Cornelia Göttinger, Wirtschaftsagentur Wien Lena Reiser, Wirtschaftsagentur Wien Rebecca Rohner, Universität Wien Miroslav Sili, AIT Austrian Institute of Technology Olivia Kada, Fachhochschule Kärnten Hanna Braun, Universität Salzburg Bente Knoll, Büro für nachhaltige Kompetenz Auch gilt unser Dank Eva Reithner von EURAG, die uns bei der Rekrutierung von TeilnehmerInnen für einen der Workshops unterstützt hat.

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ANHANG Szenarien für die Akzeptanzanalyse Studie Die folgenden Szenarien wurden für die Diskussion der Anwendungsfälle entwickelt. Diese Szenarien sollten nicht als das finale Ergebnis der Studie im Sinne von empfohlenen Merkmalen des altersgerechten automati-sierten Fahrens missverstanden werden. Vielmehr dienten sie aus einer methodischen Perspektive der Dis-kussion mit TeilnehmerInnen, um neue Ideen und Kritikpunkte zu provozieren. Eine zusammenfassende De-finition der Anwendungsfälle ist in Abschnitt 5.1 zu finden. Die vergleichende Bewertung der Anwendungsfälle durch die TeilnehmerInnen der Akzeptanzstudie wird in Abschnitt 6.2 präsentiert. Szenario 1: Teilautomatisierter Individualverkehr Susanne, 65 Jahre alt, wohnt im 4. Bezirk und hat sich zum Pensionsantritt ein neues Auto gegönnt, welches mit unterschiedlichen Assistenzsystemen ausgestattet ist. Diese Assistenzsysteme unterstützen Susanne in komplexen Verkehrssituationen. Susanne hat nach vielen Jahren Arbeit als Bürokraft häufig Probleme mit einem steifen Nacken und schätzt darum die erhöhte Sicherheit, die ihr die Assistenzsysteme bieten, wenn ihr der Schulterblick gerade wieder besondere Probleme bereitet. Nachdem sie sich auf das Drängen Ihres Bru-ders für Fahrzeug mit Elektro-Antrieb entschieden hat, schätzt sie die Teilautomatisierung, die im Blick behält wann das Auto wieder „aufgeladen“ werden muss und Sie rechtzeitig auf entsprechende Möglichkeiten im Umkreis hinweist, besonders. Heute plant Susanne einen Ausflug ins Grüne mit ihrem Hund Rolf, um ein bisschen zu wandern – daheim im 4. Bezirk bekommt der Arme ja so wenig Auslauf. Die gewählte Route führt Susanne zuerst in dir Stoßzeit am Wiener Gürtel, der Verkehr ist nicht flüssig. Susanne muss öfters die Spur wechseln, was ihr nicht immer leichtfällt, da es sich um eine unübersichtliche und stressige Situation handelt und ihr Nacken ihr heute be-sonders Schwierigkeiten macht. Mittels Spracheingabe gibt sie ihrem Auto zu verstehen, dass sie nun Spur wechseln möchte. Die Assistenzsysteme im Auto scannen nun die unmittelbare Umgebung um das Auto, erheben Geschwindigkeit und bewerten das Verhalten der anderen VerkehrsteilnehmerInnen. Währenddes-sen kann sich Susanne auf den Verkehr vor ihr konzentrieren. Mittels Sprachausgabe gibt das Assistenzsys-tem Susanne Bescheid, dass ein Spurwechsel möglichst ist: „Susanne, nachdem der rote Kombi rechts an dir vorbeigefahren ist, kannst du gefahrlos die Spur nach rechts wechseln. Während du wechselst, behalte ich den umliegenden Verkehr im Blick.“ Susanne setzt den Blinker und fährt wie vorgeschlagen nach dem roten Kombi auf die nebenliegende Spur. Sie vertraut ihrem Auto, vermeidet einen Schulterblick und fährt auf die andere Spur. Nachdem Susanne endlich den Stadtverkehr hinter sich gelassen hat, fährt sie auf die Autobahn auf. Ihr neues Auto kann in bestimmten Situationen die komplette Steuerung übernehmen und vollautonom fahren – die Autobahn ist eine solche Situation. Nun kann Susanne sich eine Weile ausruhen, entspannt tele-fonieren, ein Buch lesen oder im Internet surfen. Nach rund 30 Minuten nähert Susanne sich ihrem Ziel und muss die Autobahn verlassen, das gibt das Auto mittels Sprachausgabe bekannt. Das Auto erkennt, dass Susanne noch etwas Zeit braucht um ein Telefonat zu beenden, bevor sie die Kontrolle übernehmen kann und gibt ihr dementsprechend etwas früher Bescheid. Indem Susanne das Lenkradumfasst und ihren Fuß auf das Gaspedal stellt, signalisiert sie dem Auto ihre Bereitschaft. Mittels Sprachbefehl („Ok, ich übernehme“) gibt sie dem Assistenzsystem das Zeichen, dass sie nun die Kontrolle hat und das Fahrzeug steuert. Im Ort ange-kommen weist das Auto Susanne darauf hin, dass es für die Rückfahrt aufgeladen gehört und zeigt eine E-Tankstelle vor einem kleinen Café an. Susanne beschließt, sich dort vor der Rückfahrt noch einen Kaffee mit Kuchen zu gönnen – aber jetzt will sie frische Luft und Sonne.

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Szenario 2: Hochautomatisiertes Fahren Petra, 68 Jahre alt, lebt alleine in einer Genossenschaftswohnung im 14. Bezirk in Wien. Sie hat früher als Verkaufsleiterin in einem großen Möbelhaus gearbeitet, seit 3 Jahren genießt sie ihre Pension. Ihr Sohn lebt mit seiner Familie außerhalb von Wien in einem Haus in Gablitz. Sie besucht ihn mehrmals im Monat, sie nutzt hierfür meist ihr selbstfahrendes Auto. Im Folgenden begleiten wir sie auf ihrem Weg zu ihrem Sohn. Petra möchte ihren Sohn besuchen fahren und gibt ihrem selbstfahrenden Auto Bescheid, damit dieses sie vor ihrer Wohnung abholt. Selbstfahrende Autos können nämlich selbstständig einen Parkplatz suchen und bei Bedarf ihren Besitzer direkt vor der Haustür abholen. Petra nutzt ihr Smartphone, um ihr Auto anzufordern [Oder: Sprachassistent/Lautsprecher, Smartwatch]. Das Auto meldet zurück, dass es in 6 Minuten unten vor der Haustür ist. Petra macht sich fertig und verlässt die Wohnung. Vor der Haustür wartet bereits ihr Auto. Da Petra seit einigen Jahren Probleme mit der Hüfte hat, erleichtern verschiedene Maßnahmen das Einsteigen in das Auto z.B. Erhöhung und Herausdrehen des Sitzes, extra weit öffnende Türen, etc. Nachdem Petra Platz genommen hat, fragt das Auto mittels computer-generierter Stimme, wo es hingehen soll. Petra antwortet „zu meinem Sohn“. Das Auto fragt nach, ob es über die Autobahn fahren soll oder eine alternative Route nehmen soll, da mit Stau zu rechnen ist. Petra sagt, dass das Auto entscheiden soll. Das Auto meldet zurück, dass es über eine Ausweichroute fahren wird. Während der Fahrt kann Petra verschiedenen Tätigkeiten nachgehen, selbst fahren und lenken muss sie ja nicht. Sie hat ihr Tablet dabei und liest ein paar Artikel ihrer bevorzugten Tageszeitung. Während Petra liest, teilt ihr selbstfahrendes Auto mit, dass ihr Sohn anrufe. Petra sagt ihrem Auto, dass sie den Anruf annimmt. Mittels integrierten Lautsprechern und Mikros kann Petra nun mit ihrem Sohn sprechen. Ihr Sohn fragt, wann sie ankommen wird. Petra fragt diese Frage ihr Auto, welches antwortet, dass Petra in ca. 20 Minuten eintreffen wird. Ihr Sohn bedankt sich für die Auskunft und verabschiedet sich. Da Petra am nächsten Tag einen Ausflug mit ihrer Freundin unternehmen will, ruft sie auf ihrem Tablet den Wetterbericht für morgen ab. Die Prognose sagt gutes Wetter voraus, Petra ist zufrieden. Petra beschließt, die restliche Fahrt lang Musik zu hören. Sie bittet ihr Auto, ihre Lieblingsplayliste abzuspielen. Während die Musik spielt, schaut Petra entweder aus dem Fenster oder beobachtet über einen Monitor, was ihr Auto in der Umgebung wahrnimmt und wie es darauf reagiert. Es werden beispielsweise andere VerkehrsteilnehmerInnen (Autos, Fahrräder, Fußgänger, etc.) angezeigt, wie schnell sie unterwegs sind, in welcher Richtung sie unter-wegs sind etc.. Außerdem wird angezeigt, wie Petras Auto reagieren wird, beispielsweise erkennt ihr Auto, dass die nächste Querstraße Nachrang hat, und das dort auftauchende Auto höchstwahrscheinlich stehen bleiben wird. Am Ziel angekommen, lässt ihr Auto Petra direkt vor der Haustür ihres Sohnes aussteigen, und sucht sich anschließend selbstständig einen Parkplatz in der Nähe. Währenddessen ist Petra schon im Wohn-zimmer ihres Sohnes und genießt das Zusammensein.

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Szenario 3: Automatisierte On-Demand Shuttles Hermine, 84, lebt am Rande des 23. Bezirks in einer kleinen Genossenschaftswohnung in Inzersdorf. Sie hat vor 7 Jahren Ihren Mann verloren und lebt seither alleine. Ihr Enkelsohn Philipp lebt mit seiner Frau Aischa und Ihren beiden Söhnen in Favoriten und sie besucht die Familie gerne und häufig. Nachdem sie nicht mehr so gut sieht, fühlt sie sich im öffentlichen Verkehr unsicher und benutzt lieber automatisierte On-Demand Shuttles, die sie direkt von der Haustür abholen und bei ihrem Enkelsohn abliefern. Auch für andere Dinge benutzt Hermine die Shuttles gerne. Heute begleiten wir Hermine auf ihrem Weg zum Augenarzt. Hermine ist schon den ganzen Vormittag nervös – hat sich ihr grauer Star weiter verschlechtert? Gottseidank hat ihr smarter Handy-Assistent den Termin im Auge und erinnert sie rechtzeitig daran, ein Shuttle zu bestel-len. Mit nur einem Klick bestätigt sie die vorgeschlagene Bestellung. Fünfzehn Minuten vor der Ankunft des Shuttles erhält sie eine weitere Erinnerung, sich bereit zu machen, da ihr Assistent weiß, dass sie typischer-weise in etwa so lange braucht. Unten vor der Tür erhält sie eine Nachricht, dass das Shuttle in etwa 3min verzögert ist. Hermine setzt sich auf einen Stuhl des Cafés nebenan, sie hat mit dem Besitzer eine diesbezüg-liche Vereinbarung; ein Nachteil der individuellen Haltestellen ist eben, dass es eben keine Sitzmöglichkeiten gibt. Das Shuttle trifft ein; es hat Hermine als „Fahrgast mit besonderen Bedürfnissen“ einen Sitzplatz direkt neben der Tür reserviert und wartet mit der Abfahrt, bis es registriert hat, dass sie sitzt. Hermine ist froh, da sie heute zusätzlich auch noch etwas schwindlig ist. Durch Ihren Behinderungsgrad muss sie das Zusatzser-vice der flexiblen Haltestellen auch nicht bezahlen, wofür sie auch dankbar ist – sie weiß, dass dieses hier im Stadtgebiet doch einen deutlichen Aufpreis erfordert. Ihr Sohn Martin, der ländlicher wohnt, nutzt als Pendler ein automatisiertes Shuttle, um von seinem Haus zum nächstgelegenen Bahnhof zu gelangen, aber auch er gönnt sich eine „persönliche Haltestelle“ im Abo nur in den Wintermonaten, obwohl dieses Service in ländli-chen Gegenden höher gefördert wird als in Wien. Im Sommer wählt Martin die günstigere Variante und fährt mit seinem E-Rad zu der nächstgelegenen fixen Haltestelle des Shuttle-Busses. Ganz in ihren Gedanken verloren bemerkt Hermine erst jetzt, dass der erwachsene Sohn ihrer Nachbarin zugestiegen ist, der als Kind immer zu ihr Kuchen essen kam! Das ist etwas, dass Hermine an Shuttles besonders mag – dass es Mitfah-rerInnen gibt. In automatisierten Taxis ist man zwar schneller aber immer allein, während im Shuttle fast immer auch andere Fahrgäste sind. Nachbarssohn Alexander zeigt Hermine eine Funktion, über die sie eine Direkt-übertragung der Kamera „ihres“ bestellten Shuttles anfordern kann. Hermine ist begeistert – jetzt kann sie direkt sehen, ob das Shuttle fast da ist und kann eventuell Stehzeiten, die sie physisch doch oft belasten, vermeiden. In diesem Moment informiert sie das Shuttle über ihren Handy-Assistenten, dass sie fast am Ziel ist und sich zum Aussteigen bereit machen soll. Als der Bus wieder abfährt winkt Hermine Alexander noch einmal zu – ihre Nervosität über den anstehenden Arztbesuch ist nach dem netten Gespräch ganz vergangen.

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Szenario 4: Automatisierte Unterstützung im öffentlichen Verkehr Gerhard, 72 Jahre alt, Pensionist, lebt mit seiner Lebensgefährtin in einer Gemeindewohnung in 21. Bezirk in Wien. Er hat vor seiner Pension bei der ÖBB gearbeitet, im Rahmen seiner Tätigkeit jedoch einen Arbeitsunfall gehabt und ist deswegen seit 20 Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Seit 2 Jahren leidet Gerhard an einer leichten Form von Demenz, er hat demnach hin und wieder Schwierigkeiten sich in seiner Umwelt zurechtzu-finden. Um seinen Alltag zu erleichtern, nutzt er verschiedene technologische Hilfsmittel. Im Folgenden be-gleiten wir ihn auf seinem Weg zu einem ärztlichen Kontrolltermin mittels öffentlichen Verkehrsmittel. Gerhard macht sich in seiner Wohnung für den Arztbesuch fertig. Er gibt mittels Sprachbefehl in seine Navi-gationsapp am Smartphone ein, dass er sich nun auf den Weg macht. Seine Navigationsapp ist an die Be-dürfnisse von Gerhard angepasst (d.h. sie weiß, dass er auf einen Rollstuhl angewiesen ist, dass er hin und wieder kognitiv eingeschränkt ist, dass er öffentlich zu seinem Arzt fährt, etc.). Zusätzlich ist die Navigations-app mit einer Smartwatch gekoppelt, um Gerhard Feedback geben zu können, auch ohne dass Gerhard sein Smartphone aus der Tasche nehmen muss. Gerhard verlässt das Wohnhaus, seine Smartwatch gibt ihm mit-tels Sprachausgabe Bescheid, dass er die Straße 200 Meter entlangfahren soll, bis zur nächsten Bushaltesta-tion. Während Gerhard zum Bus unterwegs ist, schickt sein Smartphone automatisch eine Benachrichtigung an den kommenden Bus, dass ein Fahrgast mit Rollstuhl einsteigen wird. Automatische Systeme im Bus emp-fangen diese Nachricht und erkennen, dass durch die hohe Anzahl an Fahrgästen und bereits mitfahrenden Kinderwägen kein zusätzlicher Platz für einen Rollstuhlfahrer vorhanden ist. Der folgende Bus bietet jedoch genug Platz. Diese Infos empfängt Gerhard´s Smartphone, und weist ihn mittels Sprachausgabe der Smart-watch darauf hin, dass er sich Zeit lassen kann, da er erst den darauffolgenden Bus nehmen kann. Diesen nimmt Gerhard auch. Das Smartphone weiß, welche Route zum Arzt genommen werden muss, nach fünf Busstationen muss Gerhard aussteigen und 3 Stationen mit der U-Bahn fahren. Das Smartphone informiert sich über den Zustand der Liftanlagen in der betreffenden U-Bahnstation, und erkennt, dass der Lift einen Defekt hat und nicht genutzt werden kann. Das Smartphone schlägt Gerhard daher eine alternative Route vor, nämlich 3 Busstationen länger zu fahren und dann mittels funktionierendem Lift und U-Bahn zum Ziel zu fah-ren. Gerhard willigt ein und beschließt, diese Route zu nehmen. An der Zielstation angekommen erinnert ihn sein Smartphone dass er aussteigen muss. Gerhard steigt aus, ist sich aber unsicher, wo er ist bzw. wo er hinwollte. Aufgrund seiner unsicheren Bewegung und seines Zögerns erkennt das Smartphone die Situation und gibt mittels Sprachausgabe des Smartphones eine Nachricht aus, die Gerhard über die aktuelle Situation informiert. Gerhard fühlt sich nun wieder sicher und seine Smartwatch führt ihn mittels Sprachausgabe zu der Ordination seines Arztes.

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Szenario 5: Begegnung als FußgängerIn Kurt, 70 Jahre, ist seit 4 Jahren in Pension. Er lebt mit seiner Frau Helga im 9. Bezirk und macht als leiden-schaftlicher Fußgänger schon seit vielen Jahren möglichst alle Erledigungen zu Fuß. Er glaubt fest daran, dass er damit besser fit bleibt als viele seiner Freunde, die sich von selbstfahrenden Autos und Shuttles her-umchauffieren lassen. Generell stand er diesen lange skeptisch gegenüber, denn als Fußgänger muss er hier nun der Technik seine Sicherheit anvertrauen, aber mittlerweile hat er sich daran gewöhnt. Wir begleiten Kurt auf seinem Weg zu einer Einladung bei Freunden. Kurt tritt aus seiner Haustür und freut sich, denn es hat doch noch aufgehört zu regnen. Ein Glück, denn zu seinem Freund Egon und seiner Frau Marietta ist es doch ein weiter Weg. Er verabschiedet sich schnell von Helga, die mit einer leichten Verkühlung lieber daheimbleibt, und verlässt die Wohnung. Gut, dass ihn sein digitaler Assistent daran erinnert hat, rechtzeitig aufzubrechen - aber mit dem Dauerregen hat der Assistent nicht Recht gehabt. „Ha“ denkt sich Kurt, „die Technik kann es eben doch nicht immer besser als wir Men-schen“. Kurz abgelenkt tritt er auf die Straße und überhört ein sich näherndes autonomes Auto trotz des künst-lichen Motorgeräusches. Dieses ist eben doch etwas leiser eingestellt als normale Motoren und Kurts Gehör hat in den letzten Jahren etwas nachgelassen (auch wenn er das nicht gerne zugibt). Das Auto warnt ihn per Hupton, dass es näherkommt, aber nachdem er schon auf der Straße steht, bremst es ab und signalisiert per Lichtinterface an der Fahrzeugfront, dass Kurt weitergehen kann. Kurt sieht die Fahrzeuginsassin von ihrem Handy aufblicken und die Augen rollen – wahrscheinlich ist das Auto hier im Stadtzentrum auf dieser Fahrt schon x-fach wegen FußgängerInnen stehengeblieben. Kurt weiß, dass das immer wieder ein Streitthema ist, da es Leute gibt, die einfach darauf vertrauen, dass autonome Autos stehenbleiben, wenn sie FußgängerInnen auf der Straße erkennen. Und die gehen darum einfach weiter, wenn ein Auto mit den entsprechenden Leucht-symbolen gekennzeichnet ist. Er selbst macht das aber nicht, man weiß ja doch nie, ob das Erkennungssystem nicht einen Fehler macht... Kurt erinnert sich noch an eine Reihe an Unfällen, als die autonomen Autos auf den Markt kamen, aber in den letzten Jahren hat es zugegebenermaßen kaum mehr solche Meldungen ge-geben. Das hat sicher auch damit zu tun, dass sich die Kommunikation dieser Autos mit den FußgängerInnen endlich vereinheitlicht hat. Kurt weiß noch, wie mühsam das war, als jede Marke ihr eigenes System hatte. Pulsierende Leuchtlinien am Fahrzeug, Text hinter der Windschutzscheibe, Smilies an separaten Displays rund am Fahrzeug, sogar Sirenen am Dach mit Blinklichtern – die waren besonders nervig. Gottseidank hat sich jetzt ein einfacher Standard durchgesetzt. Als Kurt bei Rot an einer Kreuzung wartet, wird ein autonomes Auto langsamer, obwohl es doch Grün hat. Kurt wundert sich, bis er die große Pfütze vor seinen Füßen be-merkt, durch die das Auto nun gemächlich fährt, anstatt durchzubrausen und ihn dabei von oben bis unten anzuspritzen. Mittlerweile ist er schon fast am Ziel angekommen, da gibt der autonome Kleintransporter neben ihm plötzlich ein lautes Warnsignal von sich und hinter ihm bremst ein Auto abrupt ab und verhindert so gerade noch einen Auffahrunfall. Kurt wundert sich, denn eigentlich verläuft Verkehr heutzutage mit den ganzen au-tonomen Autos sehr flüssig, nachdem sich diese automatisch miteinander vernetzen. Als er sich umdreht sieht er jedoch, dass dem Auto, das den Unfall beinahe verursacht hat, die entsprechenden Leuchtkennzeichen fehlen. Ein manuell zu steuerndes Auto, na so was! Offensichtlich auch ohne Assistenzsysteme, die hätten auch schon vorher selbständig abgebremst. Dass es das überhaupt noch gibt… Wie gut, dass das autonome Fahrzeug hier die Gefahr erkannt hat und den anderen Fahrer rechtzeitig warnen konnte!

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AIT AUSTRIAN INSTITUTE OF TECHNOLOGY GMBH Center for Technology Experience Giefinggasse 2, 1210 Wien, Österreich www.ait.ac.at Peter Fröhlich Senior Scientist +43 50550-4510 [email protected] Andreas Sackl Scientist +43 50550-4538 [email protected] Julia Himmelsbach Scientist +43 50550-4536 [email protected]