13. Münchner AIDS-Tage 2010, Workshop “HIV und Ethik”, 07.03.2010

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Religion, Glaube, Spiritualität: Ressource oder Barriere in der HIV-Therapie ? Dipl. Psych. Ulrike Sonnenberg-Schwan, München 13. Münchner AIDS-Tage 2010, Workshop “HIV und Ethik”, 07.03 Women for Positive Action ist ein Schulungs- und Aufklärungsprogramm, das von der Abbott GmbH & Co. KG initiiert wurde und finanziert wird.

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Religion, Glaube, Spiritualität: Ressource oder Barriere in der HIV-Therapie ? Dipl. Psych. Ulrike Sonnenberg-Schwan, München. 13. Münchner AIDS-Tage 2010, Workshop “HIV und Ethik”, 07.03.2010. - PowerPoint PPT Presentation

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Religion, Glaube, Spiritualität: Ressource oder Barriere

in der HIV-Therapie ?Dipl. Psych. Ulrike Sonnenberg-Schwan,

München

13. Münchner AIDS-Tage 2010, Workshop “HIV und Ethik”, 07.03.2010

Women for Positive Action ist ein Schulungs- und Aufklärungsprogramm, das von der Abbott GmbH & Co. KG initiiert wurde und finanziert wird.

Inhalt

2

Einleitung

Religion/Glaube als Barriere

Religion/Glaube als Ressource

Forschungsergebnisse

Thematisierung von Religion/Spiritualität in Beratung/Behandlung

praktische Implikationen – Verhütung, Fasten usw.

33

Herausforderungen für Frauen mit HIV

BerufstätigkeitSchwangerscha

ft,Mutterschaft,

Pflege

Traumatisierung

durchDiagnose

Stress durch Stigma, Angst,

Geheimhaltung

Depression,

Suizidalität, emotionaler

Stress

Beziehungen, Unabhängigke

it, Gewalt

Trauer, Verlust, Schuld

Risiko-verhalten

Älter werden,

Wechseljahre

Coming out

Coping, Anpassung, Leben mit Therapie

Lebensqualität

Beein-trächtigung

en des Körperbildes

4

Wo finden Frauen mit HIV Unterstützung?

Ressourcen

Familie

Gesundheits-wesen

Religiöse/Glaubens-

gemeinschaften

Spiritualität

Arbeitsplatz,

Soziales Umfeld

Community

FreundInnen

5

Unterschiedliche Begrifflichkeiten

Spiritualität

Glaube

Religion

Überzeugung

66

Bedeutung von Religion/Spiritualität für Frauen

6

• Spiritualität als wichtiger positiver Bestandteil des Lebensweges mit HIV

• Nach der Diagnose häufig verstärkte Spiritualität• Stärkere Hinwendung zu Glaubenssystemen

oder Glaubensgemeinschaften*

• Mehrheit der Frauen, die mit HIV leben, stammt aus Communities mit religiösem Hintergrund

*Ironson et al. J Gen Intern Med, 2006;

Kremer et al. AIDS Care 2009

• Sinnfragen • Suche nach neuen Lebenszielen• Suche nach spiritueller Orientierung

• Sinnfragen • Suche nach neuen Lebenszielen• Suche nach spiritueller Orientierung

•HIV-Diagnose als “Wendepunkt” oder “Katalysator”*•HIV-Diagnose als “Wendepunkt” oder “Katalysator”*

Mögliche negative Auswirkungen

auf das Leben mit HIV

Religion/Glaube als Barriere

• Kondomverbot, „ABC-Strategie“• Gesundheit/Krankheit ist in Gottes Hand

• Hilflosigkeit, Resignation, Verdrängung• Adhärenzprobleme

• HIV/Aids = Strafe Gottes für sündiges Verhalten, Fluch, Verfehlung gegen die Ahnen• Stigmatisierung, Selbststigmatisierung• Tabuisierung• Ausschluss aus religiöser Gemeinschaft/Familie• Ablehnung von Test, Diagnostik,

therapeutischen interventionen • Ablehnung von Kondomen

Negative psychische Auswirkungen

• Studien zeigen Zusammenhänge mit • Depressionen, Gefühlen der Schuld,

Hoffnungslosigkeit und Wertlosigkeit• Posttraumatischen Belastungsstörungen• Schlechter Adhärenz• Geringerer Bereitschaft zur Veröffentlichung der

HIV-Infektion gegenüber Familie und FreundInnen • Sowie geringerer sozialer Unterstützung

1010

Stigma, Scham und Schuld

• Religiöse Lehren/weltanschauliche Aussagen können zu• Stigmatisierung• Schuld- und Schamgefühlen

führen:signifikanter Zusammenhang zwischen “HIV ist eine Strafe Gottes” und Stigma

10

39%39%

Zou et al. BMC Public Health 2009

Stigmatisierung führt zu

• Sozialem Rückzug

• Angst vor dem „Coming out“

• Zurückhaltung beim Aufsuchen von Test-, Beratungs- oder Behandlungsangeboten

• Geringerer Erreichbarkeit für Präventionsangebote

• Fehlen sozialer Unterstützungssysteme

• Gesundheitlichen Beeinträchtigungen

Welche Ressourcen bieten Glaube, Religiosität und

Spiritualität?

Spiritualität kann Frauen mit HIV helfen, “vorwärts zu gehen” …

Entwicklung einer positiven Lebensperspektive

“Wann, wie, warum habe ich

mich

angesteckt?”

“Wie kann ich mein Leben mit

HIV leben?”

Religion/Glaube als Ressource

• Entwicklung neuer Lebensziele

• Eigenverantwortung als spirituelle Anforderung

• Erleben von Schutz, Trost, Stärkung, Geborgenheit

• Stress- und Angstbewältigung• U.a. durch Gebete, Meditation

• Einbindung in soziale Bezugssysteme

Positive psychische/klinische Auswirkungen von Spiritualität

• Optimistischere Lebenseinstellung

• Weniger emotionaler Stress

• Weniger depressive Gefühle

• Langsamere Krankheitsprogression

• Mehr soziale Unterstützung

• Übernahme von Eigenverantwortung als spirituelle

Anforderung bildet wichtige Grundlage für • Gesundheitsförderndes Verhalten • Adhärenz

Forschungsergebnisse

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Spirituelle Veränderungen nach der HIV-Diagnose

Veränderung von Prioritäten, mehr Bewusstsein für die Bedeutung der Lebenszeit 50%

Bessere Sorge für die eigene Gesundheit

39%

37%

Intensivierung der Spiritualität71%

Dankbarkeit, Gefühl, gesegnet zu sein

Finden von Sinn und Bedeutung im Leben

39%

Anstieg spiritueller Praktiken 53%

Kremer et al. AIDS Care 2009

47%

45%

N = 147 N = 147

Weniger Anspannung 34%34%

(Verzicht auf Alkohol und Drogen 37%) (Verzicht auf Alkohol und Drogen 37%)

Positive Auswirkungen spiritueller Aktivitäten1

Autoren

N Wichtige Ergebnisse

Ironson & Kremer 2008

71

• Menschen mit positiven spirituellen Erfahrungen sterben innerhalb von 3-5 Jahren mit 4x geringerer Wahrscheinlichkeit (20% vs. 80%, p=0.024)

Fitzpatrick et al. 2007

901• Menschen ohne HAART/mit spirituellen

Aktivitäten hatten im Vorjahr ein geringeres Risiko zu sterben

Ironson et al. 2006

100 Langzeit-studie,4 Jahre

• 45%: Anstieg der Spiritualität nach der Diagnose; signifikante Korrelation mit Erhalt der CD4-Zellen/Kontrolle der VL

• Positive Einstellung zu Gott assoziiert mit besserer CD4- und VL-Kontrolle, negative Einstellung mit schnellerer Krankheitsprogression

Cotton et al. 2006

450

• Je länger jemand mit HIV lebt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, religiöser/spiritueller zu werden

• Spirituelle/religiöse Menschen sind eher optimistischer, zufriedener mit ihrem Leben, trinken weniger

Positive Auswirkungen spiritueller Aktivitäten 2

Autoren N Wichtige Ergebnisse

Scarinci et al. 2009

83 Frauen, Alters-durchschnitt 43

• Positive Beziehung zwischen spirituellem Wohlbefinden und Anzahl spiritueller Praktiken (Beten, anderen helfen, Musik hören …)

Polzer Casarez 2008

38 HIV-positiveMütter

• Beziehung zu Gott unterstützt beim Umgang mit Stress: “Gott hat die Kontrolle” oder “Gott will, dass ich mitarbeite”

Maman et al. 2009

40 afrikanische Frauen

• Conceptualizing their infection as a path chosen by God, and believing that God has the power to cure their infection comforted women and provided them with hope

Szaflarski et al. 2006

450, 14% Frauen

• Anstieg in Spiritualität/Religion assoziiert mit Gefühl der Verbesserung des Lebens

Spiritualität und Depression

Autoren N Wichtige Ergebnisse

Perez et al. 2009

180, prospektiveAnalyse

• Psychoedukation inklusive Gebet/Meditation kann depressive Symptome reduzieren

Braxton et al. 2007

308 afrikanisch-amerikanische Frauen

• Spiritualität reduziert depressive Symptome bei schwarzen Frauen im Südosten der USA

Yi et al. 2006

450 (14% Frauen)

• Schlechterer Gesundheitsszustand, weniger soziale Unterstützung und geringes spirituelles Wohlbefinden signifikant mit depressiven Symptomen verbunden

Religiosität – Routineaufgabe in der Gesundheitsversorgung?

• Spiritualität und Religion routinemäßig besprechen – wenn die Frauen das möchten

• Ansprechen als Standard in der Beratung und Behandlung, damit Frauen sich angenommen fühlen

• Frauen brauchen manchmal die “Erlaubnis”, über Glaubensfragen zu sprechen

• Gesundheitsfachkräfte brauchen Informationen, wie sie über Glaubensfragen sprechen können, wenn sie selbst nicht religiös sind

• Anregungen gibt z.B. das “FICA-Tool”

Bedeutung

Welche Bedeutung hat der Glaube in Ihrem Leben? Hat Ihr Glaube Einfluss darauf, wie Sie mit sich und Ihrer Krankheit umgehen?

22Puchalski C & Romer AL. J Palliat Med 2000; 3:129-137.Puchalski C & Romer AL. J Palliat Med 2000; 3:129-137.

Ja

Gemeinschaft

Gehören Sie einer spirituellen oder religiösen Gemeinschaft an? Fühlen Sie sich dadurch gestärkt und wenn ja, wie? Gibt es Menschen, die Sie lieben oder die für Sie wichtig sind?

Ja

Ansprechen

Möchten Sie, dass ich diese Themen bei Ihrer Behandlung/Beratung berücksichtige?

Ja

Keine weiteren FragenNein

Das FICA-Tool (Faith, Importance, Community, Address in care)

Glaube und Spiritualität

Halten Sie sich selbst für

einen spirituellen

oder religiösen Menschen?

Woran glauben Sie?

Praktische Implikationen:Verhütung, Fasten

Verhütung

Empfängnisverhütung ist meist akzeptabel

Sexualethik erlaubt Sex außerhalb der Ehe nicht. Über Empfängnisverhütung wird eher nur im ehelichen Kontext gesprochen

Evangelisch: Oft akzeptiert, wen Promiskuität nicht ermutigt wird

Römisch-katholisch: künstliche Verhütungsmethoden nicht akzeptiertEmpfängnisverhütung akzeptiert

Manche Schriften enhalten Anweisungen zu Empfängnis und dmait auch zur Empfängnisverhütung

Erlaubte Verhütungsmethoden schließen auch Pille und Spirale ein

BUDDHISMUS

CHRISTENTUM

HINDUISMUS

JUDENTUM

ISLAM

Fasten

Wird häufig praktiziert. Während des Ramadan z.B. völlige Enthaltung von Essen, Trinken, Rauchen, Geschlechtsverkehr – von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang

Wird in verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften mit unterschiedlicher Strenge und Ausprägung praktiziert

Kann ein sehr wichtiger Bestandteil des religiösen Lebens sein; auch hier unterschiedliche Ausprägungen

An bestimmten Tagen völliger Verzicht auf Essen und Trinken, einschließlich Wasser, z.B. an Yom Kippur Die Einnahme lebenswicchtiger Medikamente ist davon nicht betroffen

CHRISTENTUM

HINDUISMUS

ISLAM

JUDENTUM

HIV und Religion: Initiativen

Zusammenfassung

• Religiosität/Glaube/Spiritualität können die Bewältigung des Lebens mit HIV und das Management der Erkrankung fördern und behindern

• Religiöse Lehren/weltanschauliche Aussagen können Stigmatisierung fördern und entstigmatisierend wirken

• Studien zeigen deutliche Einflüsse auf psychische und klinische Parameter

• Einbindung von “Key Persons” aus Glaubensgemeinschaften wäre wünschenswert.