Dachbegrünung14 Dach+Grün 4/2005

� Es sollen nicht zweiPflanzen einer Artnebeneinander stehen

� Auf dem Erdreich solleinfaches Gras wachsen.Ungepflegt. Ungeschnit-ten.

� Das Erdstück, das beimHausbau zugedeckt undumgebracht wird, mussauf das Dach verlegtwerden. Eine so dickeErdschicht, dass auf denDächern 100jährigeBäume, riesige Bäumewachsen können.

Das Gebäude entsprichtim Grundriss einem Vul-kankrater, das Hauptdachbeginnt am Erdboden, aneinem Teich, um dann imBogen über eine Längevon etwa 75 Metern bei

einer Breite von ca. 8 bis 9Metern stetig anzusteigen.Die Dachneigung bewegtsich zwischen 5 und 35Grad und am Ende derSteigung, am Fuße desalles überragendenHauptturmes, erreicht dasDach eine Höhe von unge-fähr 15 Metern. Danachgibt es zwei Abstufungenum jeweils drei Meternach unten mit Flachdach-bereichen von je 18 und 12Metern Länge.Alle Dach-flächen, inklusive einesgroßen Vordaches, umfas-sen insgesamt ca. 1200 m²,davon sind 950 m² „bewal-det“ und 250 m² sind Wegeund Terrassen.

Alle Dächer sind Stahl-betonkonstruktionen undhaben einen Warmdach-

aufbau mit einer Abdich-tung aus einer wurzelfe-sten Bitumen-Schweiß-bahn.

Ausführung der Dachbegrünung

Entsprechend der Flach-dach- und Begrünungs-richtlinien wurde als ersteseine Schutz- und Speicher-matte aus Polyestervliesmit 500 g/m² auf dergesamten Dachfläche ver-legt.

Darüber liegen verschie-dene Drainplatten, inAbhängigkeit von derjeweiligen Dachneigung.Drainageplatten, die ausunterschiedlichen Werk-stoffen bestehen können,stellen form- und lagesta-bil ein verlässliches Ab-

führen von überschüssi-gem Regenwasser überdie gesamte Lebensdauerdes Gebäudes sicher. Dar-über hinaus können sie ingeneigten DachbereichenSchubkräfte aufnehmenund ableiten.

In den flach geneigtenDachbereichen wurde einDrän- und Wasserspei-cherelement aus tiefgezo-genem Recycling-Poly-ethylen, Höhe 25 mm, mitWasserspeichermulden,Diffusionsöffnungen undunterseitigem Kanalsys-tem eingebaut. In denVegetationsbereichenwurde darüber ein Filter-vlies aus Polypropylen miteinem Gewicht von100 g/m² verlegt.

Die Druckfestigkeit vonca. 250 kN/m² ermöglichteauf dem gleichen Draina-geelement, nach dem Ver-füllen der Mulden mitKalksplitt der Körnung 2–5 mm, den komplettenWege- und Terrassenbau.Im stärker geneigtenDachbereich diente dasDrainageelement sogarals verlorene Schalung, eswurde beim Setzen derBlockstufen direkt mitBeton verfüllt. So konnteauch in diesem Bereich einungehinderter Abflussvon überschüssigem Nie-derschlagswasser sichergestellt werden. Dergesamte Wege- und Ter-rassenbau auf den Dach-flächen wurde auf dieser

Weide als Baummieter Ballenbefestigung

Ab 10° Dachneigung wurde ein Erosions-schutzgewebe aus Jute verlegt

Der Goldene Turm,markantes Zeichen vieler

Hundertwasser-Häuser

Raster-Elemente aus HD-PE im Bereich bis 35°Dachneigung

Dachbegrünung 15Dach+Grün 4/2005

Grundlage und nachAbsprache durch eineStraßen- und Tiefbaufirmaausgeführt.

Eine besondere Heraus-forderung stellte dieBegrünung auf den bis zu35° geneigten Dachberei-chen dar, sicherlich derGrenzbereich der reali-sierbaren intensivenDachbegrünung, wennman an die ForderungHundertwassers nacheiner „Dachbewaldung“denkt.

Bereits in den planeri-schen Vorgesprächen zwi-schen der Strabag unddem Autor wurden Schub-schwellen eingeplant unddann auf die Dachflächenbetoniert. Sie dienen soungefähr alle fünf Meterals Wiederlager für dieprofilierten Dränelemen-te, die hier zur Schräg-dachbegrünung bis ca. 20°Dachneigung eingesetztwurden. Das Drainageele-ment verfügt über hoheNoppen zur Verzahnungmit dem Erdsubstrat undzur Aufnahme des Erd-schubs, es hat eine Höhevon 75 mm und ist ausRecycling-EPS herge-stellt. Das Element hatebenfalls Diffusionsöff-nungen und ein unterseiti-ges Kanalsystem, das einehohe Abflussleistung vonÜberschusswasser

gewährleistet.Im steilsten Teil der

Dachfläche konnte nichtmehr mit herkömmlichenDrainageplatten gearbei-tet werden. Bei 35°Dachneigung wurdenRaster-Elemente aus HD-PE, mit verstärktem Mit-telsteg und einrastendenSteckverbindungen, ein-gesetzt. Diese Elementehaben eine Höhe von 10cm, und eine Größe 54 x54 cm, sie werden als kon-struktive Bewehrung desSchichtaufbaues voll-flächig verlegt und stützensich an den entsprechen-den Schubschwellen ab.

Über die gesamte Vege-tationsfläche erfolgteabschließend der Einbaudes Vegetationssubstrates

für intensive Dachbegrü-nungen. Die Entscheidungfiel auf ein bewährtesIntensivsubstrat, herge-stellt auf der Basis vonRecycling-Tonziegeln,angereichert mit Reife-kompost und Ton, dieEigenschaften entspre-chen den Anforderungender FLL-Richtlinien. DieSchichtstärken erreichenauf allen Dachflächen biszu 60 cm. In den mehr als10° geneigten Flächenwurde zusätzlich, zurschnelleren Stabilisierungder Oberfläche bei begin-nender Durchwurzelung,ein Erosionsschutzgewebeaus 100% Jute, mit einerMaschenweite von 3–4 cm,eingebaut und mit 2–3 cmSubstrat überdeckt.

BepflanzungHundertwassers Forde-

rung nach „Bewaldung“der Dachflächen wurdemit der Pflanzung von 50Bäumen und über 130Sträuchern erfüllt. ImMoment ist der Waldcha-rakter zwar noch nichtganz zu erkennen, aberwenn man bedenkt, dassjedem Baum rechnerischnur 19 m², also ca. 4,35 ×4,35 Meter, zustehen wirdsich der Wald in dennächsten Jahren sicherentwickeln. Es ist eineAuswahl von einheimi-schen Bäumen wie z.B.Ahorn, Eberesche, Hain-buche,Wildapfel, Speier-ling, Linde, Robinie usw.,es wurden aber auch Obst-bäume wie Äpfel, Kir-schen und Birne gepflanzt.Bei den Sträuchern han-delt es sich unter anderemum Haselnuss, Pfeiffen-strauch, Hartriegel,Schneeball, Flieder, Sand-dorn,Apfelrose, Bauern-jasmin u.v.a.

Die Bäume wurden miteinem Stammumfang vonbis zu 20 cm gepflanzt, waseiner Höhe von etwa 4–6m entspricht und dasmachte eine dauerhafteund sichere Verankerungder Bäume zwingenderforderlich. Bei früherenProjekten des Autors hatsich eine Ballenbefesti-

In Teilbereichen ist die Dachbegrünung bis zu 35° steil

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das ideale Pflanzsubstrat für Extensiv- und Intensivbegrünung

Dachbegrünung16 Dach+Grün 4/2005

gung aus einer nicht sicht-baren Unterflurveranke-rung mit speziellen Gewe-begurtbändern bereitsbewährt und so kam dieseTechnik auch hier zumEinsatz. Dabei werden dieDrahtballen der Bäumemit 50 mm breiten Gurt-schlaufen und einemSpanngurt aus Polyester-gewebe auf einer Bau-stahlmatte fest verzurrt.Durch die Auflast desDachsubstrates wird dasGanze zu einer wartungs-

freien Baumbefestigung,denn ein Nachspannen istnicht erforderlich und dieOptik der Dachbegrünungwird nicht durch Drähteoder Seile gestört.

Nach Abschluss allerPflanzarbeiten erfolgteabschließend die Einsaatmit einer Saatgutmi-schung „Blütenwiese“und „Böschungsrasen“ alsGrundlage der flächigenBegrünung. Eine natürli-che Weiterentwicklungbzw. Bestandsumbildungder Vegetation, bei dersich auch Pflanzen aus derUmgebung ansiedeln kön-nen, ist ausdrücklich

erwünscht und entsprichtder Philosophie von Frie-densreich Hundertwasser.

BaummieterEine ganz besondere Art

der Bepflanzung sind diesogenannten Baummieter,durch sie entsteht eineweitere, von Hundertwas-ser gewollte Mehrung vonNatur : „Der Baummieterist ein Botschafter desWaldes, der freien Naturin der Stadt. Sie sind einGeschenk des Hauses an

die Außenwelt, für dieMenschen, die am Hausvorbeigehen. Der Menschgibt freiwillig von seinemWohnbereich kleine Terri-torien an die Naturzurück, von den großenGebieten, die wir ihrwiderrechtlich genommenhaben.“

Die Baummieterbewohnen einen ca. einenQuadratmeter großen log-giaartigen Bereich imHaus, der vom übrigenInnenraum fachgerechtund mit zusätzlichen Fens-tern getrennt ist. Hiersteht der Baum mit seinemWurzelballen, während

seine Krone durch dasFensterkreuz nachdraußen wächst.AlsBaummieter wurden Pap-pel,Weide, Hainbuche undRotbuche in Größen zwi-schen zwei und vierMetern gepflanzt. In dengemauerten Pflanztrögen,die über eine Anstaube-wässerung verfügen, wur-den als UnterpflanzungWilder Wein und wildeSorten der Clematis einge-setzt. Die jeweilige Fami-lie, die ein Apartment mit

dem Baummieter teilt, istfür die Pflege dieses Bau-mes auch verantwortlich.

FazitNach vielen extensiven

und intensiven Dachbe-

grünungen war die Umset-zung der Träume von Frie-densreich Hundertwasservon Dachbegrünung einebesondere Herausforde-rung für den Autor.

Sicherlich gibt es unter-schiedliche Meinungenzur Hundertwasser-Archi-tektur, aber wenn manweiß, wie sich Hundert-wasser schon seit 1968 fürdie Dachbegrünung einge-setzt hat, so wird klar, dasser mit seiner Philosophieund seinen Architektur-Projekten ein wichtigerWegbereiter für die Ent-wicklung der Dachbegrü-nung gewesen ist :

„Aber ich bin sicher: Inwenigen Jahren wird mangezwungen sein, ein Bau-gesetz herauszubringen,das für jedes Haus, für jedeGarage, für jede Fabrik,besonders für jede Fabrik,eine ein bis zwei Meterhohe Erdschicht auf demDach vorschreibt. Für Wie-sen,Wald, Parkanlagen,Gärten und Landwirt-schaft mit Kühen.“

(F.Hundertwasser 1968)

So ist es auf dem RonaldMcDonald Haus Essen,wenn auch ohne „einezwei Meter hohe Erd-schicht“ für den Autoreine ganz besondereDachbegrünung undsicher wird die Pflege,Betreuung und Beobach-tung der weiteren Ent-wicklung dieser Dachbe-grünung noch sehr interes-sant und aufschlussreich.Der Besucher des EssenerGrugaparks findet an des-sen nördlichem Rand,ganz in der Nähe derOrangerie eine neueSehenswürdigkeit, die denBetrachter schnell in ihrenBann zieht und die sicher-lich ihresgleichen sucht.

Dipl.-Ing.Jürgen Quindeau

Quellenwww.mcdonalds-kinderhilfe.org/haus-essenHundertwasser Architektur, Taschenverlag 1997

Der Autor

Jürgen Quindeau, Dipl.-Ing.Landschaftsarchitektur undDachdecker, hat sich auf diePlanung und Ausführung vonDachabdichtung und Dach-begrünung spezialisiert.