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FEUDALHERRSCHAFT IM BERGISCH-BAYERISCHEN HERZOGTUM 1793 1791 1792 1794 1795 Der bayerische Kurfürst „von Gottes Gnaden“ Carl Theodor ist Landesherr des Herzogtums Berg, seines Nebenlands. Schöffe JOHANN FRIZEN zählt zur bäuer- lichen Oberschicht. Als Halbwinner des Osenauer Hofs geht die halbe Ernte ans Kölner Gereonstift. Seit Jahren macht er Beurkundungen, Schätzungen, Teilungen und Ermittlungen. Von der Kanzel verkündet er die Prozession zur Hinrichtungsstätte nach Fahn für den „schwarzen Steffen“, dem gewalttätigen Gewohnheitsdieb. Für den Landesherrn beschreibt er 1791 das Kirchspiel um St. Pankratius mit Unterkirspel und Ober- kirspel sowie den Fortschritt in 50 Jahren. BAUERN haben ihr Auskommen, meint Frizen. Sie leben von Feldarbeit, Vieh- zucht, Obst und Holz. Erträge sind durch Pflügen, Düngen und Mehrfelderwirt- schaft gesteigert. Revolutionäre setzen gegen Thron und Altar FREIHEITSBÄUME. Doch stehen Berg schreckliche Zeiten bevor. Kriegsparteien ziehen allein 1795 / 96 siebenmal hin und her. Alle nehmen, was sie brauchen. Vor dem revolutionären „Krieg den Palästen“ flieht der Graf aus dem links- rheinischen Gracht nach Münster. Sein Strauweiler Verwalter, Carl Josef Tils, berichtet 10 Jahre lang über Pachteintreiben, Getreideverkäufe und die Wege der Geldsendungen nach Münster. Von ihm wissen wir auch vom revolutionären Unheil in Odenthal und den Leiden der Bevölkerung. Trommeln für die Revolution Revolutionäre überschwemmen das Land Kirchspiel 1742 1791 Häuser / Mühlen 331 420 Familien 367 485 Seelen 2642 Konfession Kath. Pachthöfe 366 Dorff / Unterkirspel Seelen Familien Häuser 303 55 42 Schulvikariat Knaben Mädchen Unterkirspel 29 24 Oberkirspel 20 17 Die Französische Revolution gefährdet den europäischen Feudalismus. Anti-Revolutionsheere ziehen Richtung Paris durch Berg. Ihrem Rückzug folgen Revolutions- truppen bis ins Bergische. Neben Tagelöhnern zählt Frizen 19 verschiedene, durchschnittlich dreifach vertretene HANDWERKE wie Müller, Metzger, Fassbinder, Holzhändler, Krämer, Holzschuhmacher, Weber, Schneider, Achsenmacher, Wirt, Bäcker und Wundarzt. Max Werner Graf Wolff- Metternich ist vom Landes- herrn mit der HERRSCHAFT ODENTHAL und Burg Strau- weiler belehnt. Er erhält den Zehnten von den bäuer- lichen Pächtern. Noch ist das Fachwerk der Burg nicht verputzt, wie es der Maler Caspar Scheuren gesehen haben mag. Freiheitsbaum mit Jakobinermütze

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Bergische herrscher und gott

Odenthal und Bauer Johann Frizen 1787-1833

Bayerisches Herzogtum Berg bis 1805

Kurfürsten von gottes gnaden Könige von gottes gnadenKaiser von eigenen gnaden

1787 Johann Frizen: Höfischer Schöffe 1808 Johann Frizen: Französischer Maire 1815 Johann Frizen: Preußischer Bürgermeister

Napoleons Großherzogtum Berg bis 1813 ab 1815 Preußische Rheinlande

Die Herren von Burg Berge bestimmen den Landesnamen Berg. In Jahrhunderten formt sich um ihre Kirche und ihren Herrenhof im Tal ein kleiner Ort

Wald- und wasserreiches Tor zum Bergischen Land

Jahrhunderte lang heißt der Verkündigungs-bereich von St. Pankratius KIrcHspIeL – mit Ober- und Unterkirspel, heute Ober- und Unterodenthal.

Die Ordnungsmacht Kirche mit eigenen diesseitigen Strafen und ihre Schulvikarie erziehen die Kinder. Der Friedhof um St. Pankratius nimmt die Toten auf. Die Kanzel-Verkündigung dient auch den Grundherren. Eine Symbiose von Altar und Thron im 18. Jahrhundert.

grUNDHerrLIcHKeITeN lasten auf dem Kirchspiel: als geistliche Grundherren die Zisterzienser in Altenberg und in Osenau das Kölner Gereonstift; weltliche Herrschaften auf Burg Scherven an der Scherf und Burg Strauweiler an der Dhünn.

St. Pankratius im zentralen „Dorff“ ist Eigenkirche der Grafen Wolff-Metternich

von Schloss Gracht links des Rheins. Strauweiler dient als Jagd- und Zehntzentrum mit mittelalterlichen Rechten an Wasser und Wald, Land und Leuten. Dort halten sie als Gerichtsherren Ordnung, auch mit bäuerlichen Schöffen.

JOHANNes FrIZeN, Sohn eines Ackerers, erlebt die europäischen Machtwechsel im Gefolge der französischen Revolution. Graf Wolff holt den schreibgewandten Pächter aus Osenau 1787 als Schöffen in seine Verwaltung.

Nach der Feudalzeit wird Frizen Maire im französischen Großherzogtum, dann preußischer Bürgermeister. Er steht für bürgerlichen Aufstieg und gestaltet Odenthal bis 1833 mit.

Die alte kirchlich-ständische Ordnung predigt Gleichheit vor Gott. Gleichheit vor dem Gesetz verspricht der bürger- liche Revolutionsakzent.

Scheffen Sigil zu Odenthal 1556

Dhünn

Eifgen

Dhünn

Scherfbach

Kochshof StrünkenGroß-Grimberg

BömbergStragholz

HüttchenBömerich

Klein-Grimberg

Born

Blecher

HeiderhofPorzberg

HolzStrassen

Erberich

Glöbusch

Bülsberg

Groß Spezard

Voiswinkel

Wibershausen

Borsbach

Höffe

Hollweg

Strassen

Hollandsmühle

Amtsmannsscherf

Altehufe

Eykamp

Oberkäsbach

Schallenberg Oberscheid

ScherfHochscherf

SteinhausPistershausen

Klev

KönigsreichMeute

Klasmühle

Königsberg

Wirts SpezardUnter-

HortenbachOber-

Unter-Breidbach

Ober-

Neschen

Landwehr

Keffermich

EichholzFeld

Schickberg

Großeheide

Rodemich

BuschScheurenWinkelhausen

Burgwinkel

Kram

LengsbergOber-Kirsbach

Unter-Niederscherf

KümpsHunger

Klauborg

Funkenhof

Selbach

OberbechHeidberg

Schwarzbroich

Lanzemich

UnterbechHöhe

Küchenberg

Biese

CalmüntenScharrenberg

Hoferhof

Rotbroich

FahnSchildgen

Scheid

Dünne

Osenau

Wingensiefen

Schlinghoven

Kursiefen

HeideLeye

Stein

FarzemichMenrath

Dülmen

Strauweiler

Bechen

Burscheid

Odenthal

Paffrath

Herweg

Schmeising

0 1000 2000 m

Nittum

Mutz

Altenberg

MühlenHöfeOrte

Kirchdorf

BurghäuserKöln

N

FeudalherrschaFt im bergisch-bayerischen herzogtum

17931791 1792 1794 1795

Der bayerische Kurfürst „von Gottes Gnaden“ Carl Theodor ist Landesherr des Herzogtums Berg, seines Nebenlands.

Schöffe JoHaNN FrizeN zählt zur bäuer- lichen Oberschicht. Als Halbwinner des Osenauer Hofs geht die halbe Ernte ans Kölner Gereonstift. Seit Jahren macht er Beurkundungen, Schätzungen, Teilungen und Ermittlungen. Von der Kanzel verkündet er die Prozession zur Hinrichtungsstätte nach Fahn für den „schwarzen Steffen“, dem gewalttätigen Gewohnheitsdieb. Für den Landesherrn beschreibt er 1791 das Kirchspiel um St. Pankratius mit Unterkirspel und Ober- kirspel sowie den Fortschritt in 50 Jahren.

BauerN haben ihr Auskommen, meint Frizen. Sie leben von Feldarbeit, Vieh-zucht, Obst und Holz. Erträge sind durch Pflügen, Düngen und Mehrfelderwirt-schaft gesteigert.

Revolutionäre setzen gegen Thron und Altar FreiHeiTsBäume. Doch stehen Berg schreckliche Zeiten bevor. Kriegsparteien ziehen allein 1795 / 96 siebenmal hin und her. Alle nehmen, was sie brauchen.

Vor dem revolutionären „Krieg den Palästen“ flieht der Graf aus dem links-rheinischen Gracht nach Münster. Sein Strauweiler Verwalter, Carl Josef Tils,

berichtet 10 Jahre lang über Pachteintreiben, Getreideverkäufe und die Wege der Geldsendungen nach Münster. Von ihm wissen wir auch vom revolutionären Unheil in Odenthal und den Leiden der Bevölkerung.

Trommeln für die Revolution

Revolutionäre überschwemmen das Land

Kirchspiel 1742 1791Häuser / Mühlen 331 420

Familien 367 485

Seelen 2642

Konfession Kath.

Pachthöfe 366

Dorff / Unterkirspel

Seelen Familien Häuser

303 55 42

Schulvikariat Knaben MädchenUnterkirspel 29 24

Oberkirspel 20 17

Die Französische revolution gefährdet den europäischen

Feudalismus. anti-revolutionsheere ziehen richtung Paris durch Berg.

ihrem rückzug folgen revolutions-truppen bis ins Bergische.

Neben Tagelöhnern zählt Frizen 19 verschiedene, durchschnittlich dreifach vertretene HaNDwerKe wie Müller, Metzger, Fassbinder, Holzhändler, Krämer, Holzschuhmacher, Weber,

Schneider, Achsenmacher, Wirt, Bäcker und Wundarzt.

Max Werner Graf Wolff- Metternich ist vom Landes-herrn mit der HerrsCHaFT oDeNTHaL und Burg Strau-weiler belehnt. Er erhält den Zehnten von den bäuer- lichen Pächtern. Noch ist das Fachwerk der Burg nicht verputzt, wie es der Maler Caspar Scheuren gesehen haben mag.

Freiheitsbaum mit Jakobinermütze

RevolutionswiRRen im BeRgischen

17971795 1796 1798 1799

Reichsthaler Kaufkraft um 1800

2 Ein Hut

15 Ein Paar Stiefel

3 Ein Scheffel Weizen (104 Liter = 1 Zentner?)

5 Eine Sau (Jungschwein 2,5)

1 - 4 Ein Kalb je nach Alter

9 - 10 Eine Kuh

30 - 40 Ein Hengst

150 Jahresgehalt für Lehrer

SchreckenStag Peter und Paul 1796 Revolutionäre brandschatzen, misshandeln, berauben die Kirche, laufen im Messge-wand herum und quälen den Pfarrer. Henricus Geuß erschießen sie in Osenau.

Der hochgewachsene Zimmermann Johann Häck vertreibt dutzende säbelfuchtelnde Husaren mit einem Dreschflegel. Franzosendrescher heißt er fortan. Der Wundarzt Pichler sieht „viehische“ Entwürdigung von Kindern. Er bringt mit einer Kugelbüchse Pferd und Chasseur zu Tode.

Das Plünderungsprotokoll von Frizen kommt auf 56 346 Reichsthaler und 11 ½ Stüber, vor allem für Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Buchweizen, Erbsen, Wicken, Heu und Stroh sowie Vieh, Arbeits- und Haushaltsgeräte (umgerechnet 19 000 Zentner Weizen).

Für offizielle Abgaben zählt man die Seigneurie d’Odenthal neu:

Verelendung: Einquartierung, Raub und „freiwillige Invitationen“, wie Ab- gabe von Tieren, Kleidung, Lebensmitteln und Branntwein, lassen den Menschen kaum etwas zu Leben. Einheimische Diebe mischen mit. Auf dem Porzberger Hof wird einer erschossen. Der räuberische „Kappes-Gottfried“ wird eingekerkert.

Frizen errechnet bis 1798 requirierte Sachwerte von 2 641 Reichsthalern und 22 Stüber (Summe entspricht 100 Ferkeln, 100 Sauen, 100 Kälbern, 50 Kühen und 10 Hengsten).

Plündernd versorgen sich revolutionstrupps. Bauern fliehen mit Vieh in die Wälder. Statt versprochenem „Frieden den hütten“ nur gewalt. das land verarmt.

Verelendung und eine Revolution auf dem Klageweg

Häuser 334

Seelen 2634

Pferde 12

Rinder 577

Felder 2 566 Morgen

Wiesen 287 Morgen

Wälder 2 613 Morgen

FranzöSiScher reVOlutiOnSFunke

Gräfliche Pächter finden einen Zettel: Besatzungsabgaben hätten nur sie geleis-tet, nicht gräfliche Freihöfe. Unter Zeugen bitten sie den Schöffen Frizen, beim Grafen sachlich zu klären. Notariell hinter-legt Frizen gütliche Absicht. Aber Herr-schaft wie Pfarrer wittern einen Aufstand. Abschätzig weisen sie auf den aufklä- rerischen „polnischen Landtag“. Den Pächtern bleibt die klage auf Gleich-heit in Düsseldorf. Sie wird abgewiesen: Neuerungssüchtig!

Der revolutionäre Funke glimmt. Statt gräflicher Ernennung der Vorsteher von Unter- und Oberkirspel will man Vertreter SelBer Wählen. Der Graf sieht uner-hörte Zudringlichkeit, droht mit Militär- Execution und erstickt den Revolutions-Funken in Odenthal.

der neue bayerische kurfürst und landesherr Max Joseph paktiert mit

napoleon. das ferne Berg sieht auch er als

bayerisches nebenland.