18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

22
Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Untersuchungsbericht Identifikation Art des Ereignisses: Unfall Datum: 09.08.2018 Ort: Verkehrsflughafen Münster-Osnabrück Luftfahrzeug: Flugzeug Hersteller: Textron Aviation Inc. Muster: Beechcraft Baron G58 Personenschaden: 2 Personen tödlich verletzt Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört Drittschaden: Flurschaden Aktenzeichen: BFU18-1170-3X Kurzdarstellung Im Anflug mit simuliertem Triebwerksausfall kam es beim Durchstarten des zweimo- torigen Luftfahrzeuges im Einmotorenflug in geringer Flughöhe zu einem Rollen um die Längsachse und Kontrollverlust.

Transcript of 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Page 1: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Bundesstelle fürFlugunfalluntersuchung

Untersuchungsbericht Identifikation

Art des Ereignisses: Unfall

Datum: 09.08.2018

Ort: Verkehrsflughafen Münster-Osnabrück

Luftfahrzeug: Flugzeug

Hersteller: Textron Aviation Inc.

Muster: Beechcraft Baron G58

Personenschaden: 2 Personen tödlich verletzt

Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört

Drittschaden: Flurschaden

Aktenzeichen: BFU18-1170-3X

Kurzdarstellung

Im Anflug mit simuliertem Triebwerksausfall kam es beim Durchstarten des zweimo-

torigen Luftfahrzeuges im Einmotorenflug in geringer Flughöhe zu einem Rollen um

die Längsachse und Kontrollverlust.

Page 2: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 2 -

Sachverhalt

Ereignisse und Flugverlauf

Am Unfalltag startete der Luftfahrzeugführer in Begleitung eines Flugprüfers um

11:04 Uhr1 mit einem Flugzeug Beechcraft Baron G58 vom Flugplatz Lelystad in den

Niederlanden zu einem Flug nach Instrumentenflugregeln (IFR) zum Verkehrsflugha-

fen Münster-Osnabrück, Deutschland.

Zum Erlangen der Klassenberechtigung für mehrmotorige kolbengetriebene Luftfahr-

zeuge (MEP) waren an diesem Tag mehrere Anflüge am Verkehrsflughafen Münster-

Osnabrück geplant.

In dem vom Luftfahrzeugführer aufgegebenen Flugplan war Münster-Osnabrück als

Zielflughafen angegeben. Die geplante Flugstrecke verlief in Flugfläche 070 über

ARNEM, L620, SONEB, nach Höhenwechsel weiter in Flugfläche 050 über Z841,

MEVEL und direkt nach DOMEG in Flugfläche 040.

Um 09:39:59 UTC nahm der Luftfahrzeugführer erstmalig Funkkontakt mit dem Kon-

trollturm in Münster auf und teilte mit, dass sich das Luftfahrzeug auf dem Kurs- und

1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet,

entsprechen Ortszeit

Abb.1: Gesamter Flugweg Quelle: Google Earth-Kartenservice™, Bearbeitung BFU

Page 3: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 3 -

Gleitweg des Instrumenten-Landesystems (ILS) der Piste 07 befände. Auf Nachfrage

des Lotsen bestätigte der Luftfahrzeugführer einen tiefen Überflug über die Piste 07.

Danach beabsichtigte der Luftfahrzeugführer der DOMEG 2 YANKEE Abflugroute zu

folgen. Abweichend von der Abflugroute wurde der Luftfahrzeugführer um

09:46:14 UTC angewiesen, nach rechts auf 230° zu drehen. Im weiteren Flugverlauf

wurde das Luftfahrzeug über eine Kursänderung auf 330° und 040° für einen RNAV

Anflug Piste 07 freigegeben.

Um 09:57:01 UTC meldete sich der Luftfahrzeugführer erneut auf der Sprechfunkfre-

quenz des Kontrollturmes mit der Absicht, jetzt auf der Piste 07 zu landen. Die

Landefreigabe wurde vom Platzverkehrslotsen um 09:57:08 UTC erteilt und vom

Luftfahrzeugführer um 09:57:14 UTC bestätigt.

Die Auswertung der Daten, die während des Unfallfluges von dem GARMIN

G1000 NXi gespeichert wurden, ergab, dass während des zweiten Anfluges ein Aus-

fall des linken Triebwerks simuliert wurde. Die Leistung des linken Triebwerkes wur-

de um 09:58:07 UTC auf Leerlauf reduziert, 4 Sekunden später der Autopilot abge-

schaltet und etwa 18 Sekunden später die Leistung des rechten Triebwerkes leicht

erhöht. In der Abbildung 2 ist ersichtlich, dass es nach dem Reduzieren der Leistung

des linken Triebwerkes eine Abweichung von der Anfluggrundlinie nach links gab.

Das Luftfahrzeug befand sich etwa 90 Sekunden danach wieder auf der Anfluggrund-

linie. Das Luftfahrzeug flog mit einer angezeigten Geschwindigkeit von 110 KIAS die

Piste 07 weiter an.

Page 4: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 4 -

Um 10:01:35 UTC drehte das linke Triebwerk noch mit 1 300 min-1, in diesem Mo-

ment wurde die Leistung des rechten Triebwerkes reduziert. Drei Sekunden später

betrug die Drehzahl des linken Triebwerkes 1 180 min-1 und die des rechten

1 880 min-1. Die Geschwindigkeit des Luftfahrzeuges lag bei 77 KIAS.

Um 10:01:39 UTC wurde die Leistung des rechten Triebwerkes wieder erhöht und

die Drehzahl stieg auf 2 600 min-1 an. Dabei kam es in 3 bis 5 m Höhe und nach et-

wa 1/3 der Pistenlänge zu einem Rollen des Luftfahrzeuges um die Längsachse

nach links. Es schlug in Rückenlage nahezu gleichzeitig mit beiden Triebwerken und

der Rumpfspitze neben der Piste auf dem Boden auf. Die Datenaufzeichnung des

GARMIN G1000 NXi endete um 10:01:42 UTC.

Bei dem Aufprall auf den Boden wurden die beiden Insassen tödlich verletzt und das

Luftfahrzeug zerstört.

Angaben zu Personen

Links sitzender Luftfahrzeugführer

Der 64-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 13.07.2016 Inhaber einer EU-Lizenz

gemäß Teil-FCL für Verkehrspiloten (ATPL), ausgestellt durch die niederländische

Luftfahrtbehörde (Human Environment and Transport Inspectorate ). In seiner Lizenz

Abb.2: Seitliche Abweichung von der Anfluggrundlinie nach der Reduzierung der Leistung des linken Triebwerks

Quelle: Google Earth-Kartenservice™, Bearbeitung BFU

Page 5: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 5 -

waren die Typenberechtigung Falcon 7X, gültig bis zum 30.06.2019, die Instrumen-

tenflugberechtigung, gültig bis zum 30.06.2019, sowie die Berechtigung als verant-

wortlicher Pilot für einmotorige Landflugzeuge (SEP land), gültig bis zum 31.05.2020,

eingetragen.

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war mit den Einschränkungen

VNL (correction for defective near vision), OML (valid only as or with qualified co-

pilot), SIC (specific regular medical examination) bis zum 10.10.2018 gültig.

Er hatte die nachgewiesene Kompetenz, den Flugfunk in Englischer Sprache durch-

zuführen (Language Proficiency Endorsement Level 6). Seine Gesamtflugerfahrung

betrug etwa 1 842 Stunden, davon etwa 950 Stunden auf Falcon 7X. In den letzten

90 Tagen war er etwa 47 Stunden geflogen.

Im Rahmen seiner MEP-Ausbildung hatte er auf dem verunfallten Luftfahrzeug an 5

Tagen eine Flugzeit von 08:28 Stunden mit 21 Starts- und Landungen absolviert.

Nach Informationen des ausbildenden niederländischen Fluglehrers wurde noch kein

Theorietest abgelegt und die fliegerische Ausbildung war noch nicht abgeschlossen.

Bis zum Unfall hatte er von dem niederländischen Ausbildungsbetrieb keine Bestäti-

gung über den Abschluss des Lehrganges erhalten.

Der BFU lag relevanter Schriftverkehr zwischen dem links sitzenden Luftfahrzeugfüh-

rer und dem deutschen Flugprüfer sowie zwischen der zuständigen niederländischen

Behörde und dem Flugprüfer vor, wonach am Unfalltag der noch ausstehende Theo-

rietest sowie der Prüfungsflug zur Erlangung der MEP-Berechtigung durchgeführt

werden sollten.

Rechts sitzender Flugprüfer

Der 59-jährige Flugprüfer und Vorstand einer ATO (Approved Training Organisation)

war seit dem Jahr 1980 fliegerisch tätig und seit dem 12.04.2013 Inhaber einer EU-

Lizenz gemäß Teil-FCL für Berufspiloten. Seine Klassenberechtigung für mehrmoto-

rige Landflugzeuge (MEP land) war gültig bis zum 31.03.2019. Außerdem waren

mehrere Musterberechtigungen (BE90/100/200, BE300/1900, C525, EA500,

EMB505), die Instrumentenflugberechtigung sowie die Berechtigung zur Ausbildung

von Berufs-und Privatpiloten in seiner Lizenz eingetragen.

Page 6: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 6 -

Im Einzelnen war er Inhaber nachfolgend aufgeführter Lehrberechtigungen:

EA500 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.09.2020

C525 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.06.2020

BE300/1900 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.06.2020

BE90/99/100/200 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.06.2020

FI (A) CPL, PPL, SE SP, ME SP, night,

instructor, instrument rating

gültig bis zum 31.10.2020

Des Weiteren besaß er die Berechtigung als Prüfer für nachfolgend aufgeführte Luft-

fahrzeugmuster und -klassen tätig zu werden:

EA500 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung

C525 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung

BE300/1900 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung

BE90/99/100/200 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung

MEP (land) CRE (A) Prüfer für Klassenberechtigungen

SEP (land) CRE (A) Prüfer für Klassenberechtigungen

Innerhalb der Gültigkeit seiner Klassenberechtigung für mehrmotorige kolbengetrie-

bene Luftfahrzeuge wurde nach dem 24.10.2011 jeweils die Befähigungsüberprüfung

auf dem Muster Gulfstream American GA-7 Cougar durchgeführt. Im Jahr 2017 wur-

de diese einmalig auf dem Muster Piper PA 44 absolviert. Die letzte Befähigungs-

überprüfung fand am 15.03.2018 statt und wurde wiederum auf der GA-7 Cougar

durchgeführt und bis zum 31.03.2019 verlängert.

Aus seinem Tätigkeitsbericht als Prüfer ging hervor, dass er zwei Mal im Jahr 2012

mit einer Flugzeit von 2:09 Stunden und einmal im Jahr 2014 mit einer Flugzeit von

1:58 Stunden als Prüfer zur Erlangung bzw. Verlängerung der Klassenberechtigung

(MEP land) tätig war. Alle 3 Prüfungen wurden auf dem Muster GA-7 Cougar durch-

geführt.

Seine Gesamtflugerfahrung bis zum Jahr 2017 betrug laut Angabe in seinem fliegeri-

schen Lebenslauf mehr als 4 900 Stunden auf unterschiedlichen Mustern. Die

Flugerfahrung auf mehrmotorigen kolbengetriebenen Luftfahrzeugen gab er im glei-

chen Zeitraum mit etwa 110 Stunden an. Unter Anrechnung seiner eigenen Befähi-

gungsüberprüfungen nach 2017 hatte er eine Erfahrung von ungefähr 113 Stunden

Page 7: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 7 -

auf mehrmotorigen kolbengetriebenen Luftfahrzeugen. Es fanden sich in den Unter-

lagen keine Hinweise, dass er Flugerfahrung auf dem Muster Beechcraft Baron G58

hatte. Laut Angaben der Ehefrau hatte der Pilot Anfang der achtziger Jahre, im

Rahmen seiner MEP-Ausbildung, das Muster Beechcraft Baron B55 und E55 geflo-

gen. Für den Flug habe er sich zuvor mit dem Flughandbuch und der Checkliste des

betroffenen Flugzeugs vertraut gemacht.

Er besaß die nachgewiesene Kompetenz zur Bedienung von Sprechfunkausrüstung

an Bord von Luftfahrzeugen in deutscher oder englischer Sprache für Flüge nach

Sicht- oder Instrumentenflugregeln (Language Proficiency Endorsement, Englisch

und Deutsch, jeweils Level 6).

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war mit der Einschränkung

VNL bis zum 18.01.2019 gültig.

Angaben zum Luftfahrzeug

Das Muster Beechcraft Baron G58 ist ein zweimotoriges Flugzeug in Metallbauweise

mit einziehbarem Drei-Bein-Fahrwerk in Bugfahrwerksanordnung. In dem betroffenen

Luftfahrzeug waren 2 Sechs-Zylinder-Teledyne-Continental-Triebwerke IO-550-C mit

je 224 kW (300 PS) Leistung eingebaut. Die Triebwerksleistung wurde an je einen

verstellbaren Dreiblattpropeller abgegeben. In dem sechssitzigen Luftfahrzeug waren

die beiden hinteren Sitzreihen in Clubbestuhlung angeordnet.

Das im Jahr 2018 gebaute Flugzeug war in den Niederlanden zum Verkehr zugelas-

sen und wurde privat betrieben.

Die maximale Abflugmasse betrug 5 500 lbs (2 495 kg) bei einer Leermasse von

4 034 lbs (1 830 kg). Die tatsächliche Abflugmasse mit 5 073 lbs sowie der Schwer-

punkt mit 80,1 inch aft. of datum lagen innerhalb der zulässigen Grenzen.

Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit (ARC) erfolgte am 14.06.2018. Nach der Über-

führung des Luftfahrzeuges aus den USA nach Farnborough (UK) hatte es eine Be-

triebszeit von 33:12 Stunden. Am Tag des Unfalls lag die Gesamtbetriebszeit bei

41:40 Stunden.

Page 8: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 8 -

Auszüge aus dem Flughandbuch

Das Flughandbuch der Beechcraft Baron G58 Revision A12 (May, 2015) beschrieb

den Betrieb des Luftfahrzeuges. Aufgrund des großen Umfangs werden nachfolgend

auszugsweise nur die für die Unfalluntersuchung relevanten Abschnitte genannt.

SECTION 1 – General

General Airspeed Terminology

[…]

VMCA Air Minimum Control Speed is the minimum flight speed at which the

airplane is directionally controllable as determined in accordance with

Title 14 Code of Federal Regulations. The airplane certification include

one engine becoming inoperative and windmilling; a 5° bank towards

the operative engine; take-off power on operative engine; landing gear

up; flaps in take-off position; and most rearward C.G.

VSSE Intentional One-Engine-Inoperative Speed is a speed above both VMCA

and stall speed, selected to provide a margin of lateral and directional

control when one engine is suddenly rendered inoperative. Intentional

failing of one engine below this speed is not recommended.

[…]

Abb. 3 Drei-Seiten-Ansicht Beechcraft Baron G58 Quelle: Beechcraft

Page 9: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 9 -

SECTION 2 – Limitation

[…]

AIRSPEED LIMITATIONS

Single-Engine Minimum Control Speed (VMCA) 84 KIAS

Intentional One-Engine-Inoperative Speed (VSSE) 88 KIAS

[…]

SECTION 3 – ONE-ENGINE-INOPERATING PROCEDURES

[…]

CONTROLLABILITY VS. AIRSPEED

Airspeed is the single most important factor in maintaining airplane control during

single engine operations. The airplane can be safely maneuvered or trimmed for

normal hands-off operation and sustained in this configuration by operative engine

AS LONG AS SUFFICIENT AIRSPEED IS MAINTAINED.

[…]

SECTION 3A – ABNORMAL PROCEDURES

LANDING EMERGENCIES

ONE-ENGINE-INOPERATIV LANDING

On final approach and when it is certain that the field can be reached:

1. Landing Gear DOWN

2. Flaps APPROACH (15°)

3. Airspeed 107 KTS

4. Power AS REQUIRED

When it is certain there is no possibility of go-around

5. Flaps DOWN (30°)

6. Airspeed 95 KTS

7. Execute Normal Landing

[…]

Page 10: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 10 -

ONE-ENGINE-INOPERATIV GO-AROUND

WARNING

1. Power MAXIMUM ALLOWABLE

2. Landing Gear UP

3. Flaps UP (0°)

4. Airspeed MAINTAIN 101 KTS MINIMUM

Meteorologische Informationen

Zur Unfallzeit herrschten in Münster-Osnabrück folgende Wetterbedingungen:

- Wind aus 060 bis 070° mit 7 kt

- Sicht mehr als 10 km

- in 3 000 ft AGL Bedeckungsgrad 1-2 Achtel

- in 7 000 ft AGL Bedeckungsgrad 5-7 Achtel

- Temperatur 24° C

- Taupunkt 15° C

- Luftdruck (QNH) 1 012 hPa

Navigationshilfen

Das Luftfahrzeug befand sich unter Radarkontrolle. Der Fluglotse führte das Luftfahr-

zeug für den ersten Anflug an das ILS und für den zweiten, einen RNAV (GPS) An-

flug, an die Piste 07 heran. Unmittelbar nach dem Unfall wurde die ILS-Anlage des

Flughafens vermessen. Störungen oder Ausfälle von Einrichtungen oder einzelnen

Komponenten wurden nicht festgestellt. Alle Messwerte am Landekurs- und Gleit-

wegsender waren ohne Befund und ließen keinen Rückschluss auf Unregelmäßigkei-

ten zu.

Level flight might not be possible for certain combinations of weight, tem-

perature and altitude. In any event, DO NOT attempt a one-engine-

inoperative go-around after flaps have been fully extended.

Page 11: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 11 -

Funkverkehr

Mit dem Einflug in den deutschen Luftraum bestand Funkverbindung mit der zustän-

digen deutschen Flugsicherung sowie mit dem Kontrollturm in Münster-Osnabrück.

Der Funkverkehr wurde von den genannten Bodenfunkstellen aufgezeichnet und

stand der BFU als Funkumschriften zur Verfügung.

Angaben zum Flugplatz

Der Verkehrsflughafen Münster-Osnabrück (EDDG) liegt etwa 3,7 NM nordöstlich

von Greven, 13 NM nördlich Münster und 15 NM südwestlich von Osnabrück. Er ver-

fügte über eine Asphaltpiste mit der Ausrichtung 069°/249° und den Abmessungen

2 170 m x 45 m. Die ausgewiesene Flugplatzhöhe beträgt 195 ft AMSL. In der

Landerichtung 07 sind ILS oder LOC, NDB sowie RNAV (GPS) Anflüge möglich, die

Schwellenhöhe in dieser Richtung beträgt 156 ft AMSL.

Flugdatenaufzeichnung

Der Flugweg wurde durch die zuständigen Flugsicherungsorganisationen aufge-

zeichnet und stand der BFU zur Auswertung zur Verfügung. Das Luftfahrzeug war

nicht mit einem Flugdatenschreiber oder einem Cockpit Voice Recorder ausgestattet.

Keiner der beiden Recorder war durch entsprechende luftrechtliche Regelungen ge-

fordert. Der Unfall wurde von einer Vorfeld-Kamera des Flughafens aufgezeichnet.

Die Aufzeichnung stand der BFU zur Auswertung zur Verfügung.

Ein portables elektronisches Gerät (Tablet) des links sitzenden Piloten war mit dem,

im Luftfahrzeug eingebauten GARMIN G1000 NXi verbunden und speicherte eine

Vielzahl von Daten. Insgesamt konnten 82 Datensätze mit einer Aufzeichnungsrate

von einer Sekunde vom Start des Luftfahrzeuges bis zum Unfall ausgelesen werden,

darunter waren z.B. Flugwegdaten, Fluglagedaten, Triebwerksparameter sowie Avi-

onik-Einstellungen.

In der Tabelle 1 wurden die relevanten Geschwindigkeiten (IAS/TAS) sowie jeweils

die Drehzahl (E1 RPM/E2 RPM) und der Ladedruck (E1 MAP/E2 MAP) beider

Triebwerke der letzten 10 Sekunden vor dem Aufschlag zusammengestellt. Zusätz-

lich sind die ausgelesenen Daten der Vertikalgeschwindigkeit (VSpd), der Anstellwin-

kel (Pitch), der Rollwinkel (Roll), die Flugrichtung (HDG) sowie Ort und Zeit in die Ta-

belle aufgenommen worden.

Page 12: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 12 -

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle lag auf einer, mit Gras bewachsenen Fläche, nördlich der Piste 07

und war etwa 720 m von der Pistenschwelle entfernt.

Das Luftfahrzeug lag ca. 20 m links neben dem nördlichen Rand der Piste 07 in Rü-

ckenlage. Die Rumpfspitze zeigte etwa in Richtung 300°. Der vordere Gepäckraum

sowie das Cockpit waren im oberen Teil eingedrückt und zusätzlich in Längsrichtung

gestaucht.

Tabelle 1: Zusammenstellung von Flug-und Triebwerksparametern Quelle: BFU

Abb. 4: Flugplatzkarte von Münster-Osnabrück mit markierter Unfallstelle

Quelle: Deutsche Flugsicherung, Bearbeitung BFU

 Lcl Time      Latitude     Longitude   AltMSL     IAS     VSpd   Pitch    Roll    HDG  E1 MAP  E1 RPM  E2 MAP  E2 RPM  TAS

 hh:mm:ss       degrees       degrees   ft msl      kt      fpm     deg     deg    deg      Hg     rpm      Hg     rpm   kt

 10:01:32 52,1324768 7,6744289 169,1 87,83 ‐345,43 1,64 1,52 62,7 7,2 1356 24,73 2662,9 89

 10:01:33 52,1326027 7,6750126 166,7 89,55 ‐299,27 4,06 2,47 61,6 7,23 1346,9 23,64 2646,9 91

 10:01:34 52,1327286 7,6755867 167,5 89,26 ‐272,09 3,9 5,62 61,8 7,2 1352,3 23,19 2652,4 91

 10:01:35 52,1328468 7,6761541 167 87,38 ‐231,66 3,39 5,54 64,9 7,23 1333,6 13,85 2497,2 89

 10:01:36 52,1329613 7,6767111 165,9 81,93 ‐181,04 6,28 2,05 71,6 7,53 1277,4 11,28 1814,8 83

 10:01:37 52,1330681 7,6772547 167 79,52 ‐189,9 6,03 ‐0,56 70 8,03 1222,7 13,36 1846,2 81

 10:01:38 52,1331711 7,6777835 166,6 78,6 ‐160,32 7,01 0,34 65,8 8,42 1185,7 13,36 1883,2 80

 10:01:39 52,1332779 7,678297 167,3 77,25 ‐113,12 5,05 ‐6,22 63,1 8,71 1166 27,78 2626,6 79

 10:01:40 52,1333923 7,6787977 168,2 76,79 ‐33,03 9,84 ‐19,39 51,3 8,85 1146,6 28,67 2682,5 78

 10:01:41 52,1335487 7,6792517 173,3 77,91 157,98 12,76 ‐40,02 36,4 9,4 1081,6 28,65 2643,7 79

 10:01:42 52,1337433 7,6796079 170,7 79,42 664,09 ‐12,13 ‐109,51 14,4 10,14 1001,6 28,37 2636,1 81

Page 13: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 13 -

Im Cockpit war das Instrumentenbrett herausgerissen und teilweise zerstört. Die ge-

stauchte Steuerung und beide Steuerhörner sowie die Seitenruderpedale ließen sich

nicht mehr bewegen. Es wurde festgestellt, dass die Rudergestänge und die Seilzü-

ge verbunden und ohne weiteren Befund waren. Die Triebwerks-Bedienhebel auf der

Mittelkonsole standen in einer hinteren Position, wobei sich der Hebel des linken

Triebwerkes in der Leerlaufstellung befand.

Der Bedienhebel zur Fahrwerksbetätigung stand auf „Gear Down“, das Fahrwerk

wurde ausgefahren und verriegelt vorgefunden. Die Landeklappen standen in Lan-

destellung (30°) und beide Kraftstoffwahlschalter waren geöffnet. Die Höhen-, Seiten-

und Querrudertrimmung sowie die dazugehörigen Ruder standen jeweils in neutraler

Stellung.

Die Triebwerke wurden teilweise aus den nach unten geknickten Aufhängungen ge-

rissen. Beide, von den Triebwerken abgerissenen, Propeller lagen seitenverkehrt in

der Aufschlagrichtung etwa 12 m vor dem Wrack.

An der Unfallstelle lief eine unbekannte Menge Kraftstoff in das Erdreich. Nach der

Bergung des Wracks wurden etwa 200 l Kraftstoff aus den Tanks abgepumpt. Der

Abb. 5: Blick in nordöstlicher Richtung auf die Unfallstelle Quelle: BFU

Page 14: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 14 -

Aufschlagsender (Emergency Location Transmitter (ELT)) war ausgelöst. Die rechte

Tragfläche war im äußeren Teil auf einer Länge von ungefähr einem Meter gestaucht

und zudem nach unten verdreht, der rechte Randbogen war abgerissen. Der Über-

gang vom Rumpf zum Seitenleitwerk war geknickt und der oberste Teil des Leitwer-

kes gestaucht.

Im Cockpit wurden mehrere handschriftliche Aufzeichnungen des links sitzenden Pi-

loten über grundlegende Triebwerkseinstellungen, Geschwindigkeiten sowie Klap-

penstellungen des Luftfahrzeuges für den Normalflug sowie Aufzeichnungen zum

Umfang der zu fliegenden Prüfungsinhalte gefunden.

Medizinische und pathologische Angaben

Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Münster wurden beide Piloten im Institut für

Rechtsmedizin des Universitätsklinikum Münster obduziert. Im Ergebnis gab es kei-

nen Hinweis auf eine physiologische oder gesundheitliche Beeinträchtigung der

Cockpitinsassen.

Brand

Es gab keinen Hinweis auf ein Feuer im Flug oder nach dem Aufprall.

Überlebensaspekte

Unmittelbar nach dem Aufprall des Luftfahrzeuges auf dem Boden (Unfallzeitpunkt

12:01 Uhr) wurde durch den diensthabenden Fluglotsen der Alarm ausgelöst. Die

ersten Kräfte der Flughafenfeuerwehr waren etwa 90 Sekunden später an der Unfall-

stelle.

Organisationen und deren Verfahren

Die Ausbildung von Luftfahrtpersonal musste nach den Regelungen der Verordnung

(EU) Nr. 1178/2011 erfolgen. Unter anderem legte sie Vorgaben für die Ausbildung

und den Erwerb von Klassen- und Musterberechtigungen fest.

FCL.725. Bestimmungen für die Erteilung von Klassen- und Musterberechtigun-

gen

Page 15: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 15 -

a) Ausbildungslehrgang. Bewerber um eine Klassen- oder Musterberechtigung müs-

sen einen Ausbildungslehrgang bei einer ATO absolvieren. Die Ausbildung für die

Musterberechtigung muss die obligatorischen Ausbildungselemente für das ent-

sprechende Muster wie in den gemäß Teil-21 festgelegten betrieblichen Eig-

nungsdaten definiert enthalten.

b) Prüfung der theoretischen Kenntnisse. Der Bewerber um eine Klassen- oder Mus-

terberechtigung muss eine von der ATO durchgeführte Prüfung der theoretischen

Kenntnisse zum Nachweis des Stands der theoretischen Kenntnisse ablegen, die

für den sicheren Betrieb der betreffenden Luftfahrzeugklasse bzw. des betreffen-

den Luftfahrzeugmusters erforderlich sind.

[…]

FCL.725.A Theoretische Kenntnisse und Flugausbildung für die Erteilung von

Klassen- und Musterberechtigungen – Flugzeuge

[…]

a) Mehrmotorige Flugzeuge mit einem Piloten

(1) Die theoretische Ausbildung für eine Klassenberechtigung für mehrmoto-

rige Flugzeuge mit einem Piloten umfasst mindestens 7 Stunden Ausbil-

dung auf einem mehrmotorigen Flugzeug.

(2) Die Flugausbildung für eine Klassen- oder Musterberechtigung für mehr

motorige Flugzeuge mit einem Piloten umfasst mindestens 2 Stunden

und 30 Minuten Flugausbildung mit Fluglehrer unter normalen Bedingun-

gen auf einem mehrmotorigen Flugzeug und mindestens 3 Stunden 30

Minuten Flugausbildung mit Fluglehrer in Triebwerksausfallverfahren und

asymmetrischen Flugtechniken.

[…]

Ausübung der Rechte als verantwortlicher Luftfahrzeugführer und Prüfer

In der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 waren auch die Voraussetzungen zur Aus-

übung der Rechte, als verantwortlicher Luftfahrzeugführer und Prüfer tätig zu wer-

den, klar definiert. In der EASA Type Rating and Licence Endorsement List Flight

Crew - All Aircraft befand sich folgender Eintrag:

Page 16: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 16 -

Basierend auf dem Eintrag (Abb. 6) der EASA Liste musste jeder Luftfahrzeugführer,

der ein MEP Rating hatte, die oben genannte Unterschiedsschulung absolvieren.

Diese waren in der nachfolgenden FCL.710 geregelt.

FCL.710 Klassen- und Musterberechtigungen – Unterschiedliche Baureihen

a) Um seine Rechte auf einer anderen Luftfahrzeugbaureihe innerhalb einer Klas-

sen- oder Musterberechtigung zu erweitern, muss der Pilot eine Unterschieds-

schulung und ein Vertrautmachen absolvieren. Im Falle unterschiedlicher Bau-

reihen innerhalb einer Musterberechtigung müssen die Unterschiedsschulung

und das Vertrautmachen die einschlägigen Elemente umfassen, die in den ge-

mäß Teil-21 festgelegten betrieblichen Eignungsdaten festgelegt sind.

b) Wenn die andere Baureihe in einem Zeitraum von 2 Jahren nach der Unter-

schiedsschulung nicht geflogen wurde, ist eine weitere Unterschiedsschulung

oder eine Befähigungsüberprüfung für diese Baureihe erforderlich, um die Rech-

te wahren zu können; hiervon ausgenommen sind die Muster und Baureihen in-

nerhalb der Berechtigungen für einmotorige Luftfahrzeuge mit Kolbenmotor und

die TMG-Klasse.

[…]

Um als Prüfer tätig zu werden, waren die Voraussetzungen zu erfüllen, die die

FCL.1000 regelte.

FCL.1000 Prüfberechtigungen

a) Allgemeines

Inhaber einer Prüfberechtigung müssen

Abb. 6: Auszug aus der EASA Type Rating and Licence Endorsement List Flight Crew – All Aircraft Quelle: EASA

Page 17: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 17 -

1. Inhaber einer Lizenz, einer Berechtigung oder eines Zeugnisses, die denjenigen

entsprechen, für die sie berechtigt sind, praktische Prüfungen, Befähigungsüberprü-

fungen oder Kompetenzbeurteilungen durchzuführen, sowie des Rechts, hierfür aus-

zubilden, sein, sofern in diesem Anhang nicht etwas anderes bestimmt ist;

2. zur Betätigung als PIC auf dem Luftfahrzeug während einer praktischen Prüfung,

einer Befähigungsüberprüfung oder Kompetenzbeurteilung, wenn diese auf einem

Luftfahrzeug durchgeführt wird, qualifiziert sein.

Niederländische Ausbildungseinrichtung

Der BFU lagen keine Angaben über die bereits durchgeführten Teile der Ausbildung

des links sitzenden Luftfahrzeugführers an der niederländischen Ausbildungseinrich-

tung vor. Nach Informationen des Fluglehrers, der den Piloten dort auch ausgebildet

hat, hatte der Bewerber die Ausbildung nicht abgeschlossen und keine Theorieprü-

fung abgelegt. Aus diesem Grund wurde auch keine Bestätigung über den Abschluss

des Ausbildungslehrgangs zur Vorlage bei der zuständigen niederländischen Behör-

de erstellt.

Notifikation an die zuständige niederländische Behörde

Der BFU liegt eine Kopie der Notifikation des deutschen Prüfers an die niederländi-

sche Behörde vor, woraus hervor geht, dass die Prüfung am 09.08.2018 durchge-

führt werden sollte.

Nach Abschluss der Prüfung sollte der links sitzende Luftfahrzeugführer der lizenz-

ausstellenden niederländischen Behörde mit den relevanten Prüfungsprotokollen

auch eine Erklärung der Ausbildungseinrichtung einreichen, dass die erforderliche

Schulung abgeschlossen wurde.

Zusätzliche Informationen

Im Luftfahrzeug wurde eine Handaufzeichnung mit den Kontaktdaten des deutschen

Flugprüfers gefunden. Aus dem relevanten E-Mail-Verkehr zwischen dem links sit-

zenden Luftfahrzeugführer und dem Flugprüfer ging hervor, dass an dem Unfalltag

geplant war, die MEP-Ausbildung abzuschließen, den Theorietest abzulegen und auf

dem Rückflug nach Lelystad in den Niederlanden den Prüfungsflug zu absolvieren.

Page 18: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 18 -

MEP-Prüfungsprotokoll nach Teil-FCL

In dem Prüfprotokoll zur Praktischen Prüfung / Befähigungsüberprüfung für Flugzeu-

ge mit einem Piloten, ausgenommen technisch komplizierte Hochleistungsflugzeuge-

CR/TR exc. Complex HPA gem. Teil-FCL war unter Abschnitt 6 unter anderem vor-

geschrieben:

6.2 Asymmetrischer Landeanflug und asymmetrisches Durchstarten

6.3 Asymmetrischer Landeanflug und Landen bis zum vollständigen Stillstand

Beurteilung

Flugweg

Der aufgezeichnete Flugverlauf war bis zum Unfall unauffällig und entsprach den

Vorgaben aus dem Prüfungsprotokoll zur Erlangung der MEP-Berechtigung bzw. ei-

nem Ausbildungsflug. Nach der Abweichung von der Anfluggrundlinie und der an-

schließenden Korrektur während des zweiten Anfluges auf die Piste 07 war der kon-

figurierte Einmotorenflug stabilisiert. Bis zum erneuten Vollgas geben auf dem

rechten Triebwerk gab es keine weitere Abweichung vom Flugweg.

Unregelmäßigkeiten in der Funktion der am Flughafen installierten Navigationshilfen

lagen nicht vor.

Luftfahrzeug

Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß geprüft, entsprechend den Vorgaben für den

Instrumentenflug ausgerüstet und zum Verkehr zugelassen. An dem Luftfahrzeug

wurden keine technischen Mängel festgestellt, auch während des Sprechfunkver-

kehrs wurden keine Hinweise auf ein technisches Versagen, einen Systemausfall

oder andere Probleme im Luftfahrzeug mitgeteilt. Die Masse und der Schwerpunkt

befanden sich in den zulässigen Grenzen.

Das Luftfahrzeug war für einen simulierten einmotorigen Anflug mit voll ausgefahre-

nen Landeklappen zur Landung konfiguriert.

Die detaillierten Angaben im Flughandbuch wiesen für alle Flugphasen, insbesonde-

re bei einem simulierten Einmotorenflug auf mögliche Gefahren hin. Ausdrücklich

wurde die Bedeutung des Einhaltens der vorgeschriebenen Geschwindigkeitspara-

meter und die Stellung der Landeklappen hervorgehoben.

Page 19: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 19 -

Wetter

Es lagen Sichtflugbedingungen vor. Die meteorologischen Bedingungen schränkten

das Flugvorhaben nicht ein und hatten keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen.

Links sitzender Luftfahrzeugführer

Der links sitzende Pilot hatte auf Verkehrsflugzeugen eine große Flugerfahrung. Er

durfte aufgrund der Einschränkung OML in seinem flugmedizinischen Tauglichkeits-

zeugnis Luftfahrzeuge nur als Copilot oder in Begleitung eines qualifizierten Copilo-

ten fliegen.

Er befand sich noch in der MEP-Ausbildung und war daher für die verantwortliche

Durchführung des Fluges nicht ausreichend qualifiziert.

Da die MEP-Ausbildung noch nicht abgeschlossen und durch die niederländische

Ausbildungseinrichtung nicht bestätigt war, geht die BFU davon aus, dass die Initiati-

ve zum Abschluss der Ausbildung und zur Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit von

ihm ausging.

Im Luftfahrzeug wurden nach dem Unfall Handaufzeichnungen gefunden, die darauf

hindeuten, dass er bei den grundlegenden Leistungseinstellungen der Triebwerke,

der Fluggeschwindigkeiten sowie Klappenstellungen des Luftfahrzeuges während

des Landeanfluges noch unzureichende Kenntnisse hatte. Alle Aufzeichnungen be-

zogen sich auf den Normalbetrieb des Luftfahrzeuges und nicht auf einen möglichen

Einmotorenflug.

Rechts sitzender Flugprüfer

Der rechts sitzende Flugprüfer hatte eine sehr große Gesamtflugerfahrung, jedoch

war die Erfahrung auf kolbengetriebenen mehrmotorigen Luftfahrzeugen als relativ

gering einzuschätzen. Sie beschränkte sich in den letzten Jahren nur auf die Flüge

zur Aufrechterhaltung der Klassenberechtigung MEP. Die hierfür benötigten Befähi-

gungsüberprüfungen wurden auf einem anderen, leistungsschwächeren Muster

durchgeführt.

Es fanden sich keine Hinweise auf eine durchgeführte Unterschiedsschulung mit

dem verunfallten Muster, um seine Rechte auf einer anderen Baureihe von Luftfahr-

zeugen innerhalb der Klassenberechtigung MEP zu erweitern. Im vorliegenden Fall

war aber eine Unterschiedsschulung vorgeschrieben.

Page 20: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 20 -

Gerade spezifische Kenntnisse des Luftfahrzeuges wie, z. B. das Durchstarten mit

nur einem Triebwerk bei voll ausgefahrenen Landeklappen und die möglichen Folgen

waren ihm sehr wahrscheinlich nicht bekannt.

Nachdem das Luftfahrzeug im Anflug mit einem Triebwerk für die Landung konfigu-

riert wurde sollte laut Flughandbuch kein Durchstartmanöver mehr eingeleitet wer-

den. Dennoch wurde in geringer Flughöhe über der Piste auf dem rechten Triebwerk

wieder Vollgas gegeben. Wahrscheinlich sollte damit den einzelnen Vorgaben aus

dem Prüfprotokoll „Asymmetrischer Landeanflug und asymmetrisches Durchstarten

bzw. ein asymmetrischer Landeanflug und Landen bis zum vollständigen Stillstand“

gefolgt werden.

Als verantwortlicher Luftfahrzeugführer ließ der Prüfer es zu, dass das Luftfahrzeug

im Endanflug mit voll ausgefahrenen Landeklappen die Intentional One-Engine-

Inoperative Speed (VSSE) von 88 KIAS und vor dem Aufsetzen die Single-Engine

Minimum Control Speed (VMCA) von 84 KIAS unterschritt. Das Luftfahrzeug war somit

aerodynamisch nur noch eingeschränkt bzw. nicht mehr steuerbar. So kam es bei

dem eingeleiteten Durchstartmanöver mit einem Triebwerk zu einem starken Rollen

um die Längsachse bis in die Rückenfluglage und zum Aufschlag auf den Boden.

Die BFU geht davon aus, dass dem Luftfahrzeugführer und dem Prüfer der wichtige

Hinweis aus dem Flughandbuch

SECTION 3A – ABNORMAL PROCEDURES:

ONE-ENGINE-INOPERATIV GO-AROUND

WARNING

nicht bekannt war.

Es konnte nicht geklärt werden, welche Ausbildungseinrichtung die abgeschlossene

MEP-Ausbildung gegenüber der lizenzausstellenden niederländischen Behörde be-

stätigen sollte.

Level flight might not be possible for certain combinations of weight, tem-

perature and altitude. In any event, DO NOT attempt a one-engine-

inoperative go-around after flaps have been fully extended.

Page 21: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 21 -

Schlussfolgerungen

Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass während des Endanfluges mit einem

Triebwerk die für den Anflug relevanten Geschwindigkeiten unterschritten wurden

und in Folge des eingeleiteten Durchstartmanövers das Luftfahrzeug nicht mehr kon-

trollierbar war.

Untersuchungsführer:

Holger Röstel

Untersuchung vor Ort: Stahlkopf, Röstel

Mitwirkung: Lampert, Rokohl

Braunschweig: 02.03.2021

Page 22: 18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L

Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX

- 22 -

Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)

Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okto-

ber 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störun-

gen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfäl-

len und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-

Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.

Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger

Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des

Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.

Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str. 16 38108 Braunschweig Telefon 0 531 35 48 - 0 Telefax 0 531 35 48 - 246 Mail [email protected] Internet www.bfu-web.de