18-1170-CX DUB V11 nach Freigabe L
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Bundesstelle fürFlugunfalluntersuchung
Untersuchungsbericht Identifikation
Art des Ereignisses: Unfall
Datum: 09.08.2018
Ort: Verkehrsflughafen Münster-Osnabrück
Luftfahrzeug: Flugzeug
Hersteller: Textron Aviation Inc.
Muster: Beechcraft Baron G58
Personenschaden: 2 Personen tödlich verletzt
Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
Drittschaden: Flurschaden
Aktenzeichen: BFU18-1170-3X
Kurzdarstellung
Im Anflug mit simuliertem Triebwerksausfall kam es beim Durchstarten des zweimo-
torigen Luftfahrzeuges im Einmotorenflug in geringer Flughöhe zu einem Rollen um
die Längsachse und Kontrollverlust.
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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Sachverhalt
Ereignisse und Flugverlauf
Am Unfalltag startete der Luftfahrzeugführer in Begleitung eines Flugprüfers um
11:04 Uhr1 mit einem Flugzeug Beechcraft Baron G58 vom Flugplatz Lelystad in den
Niederlanden zu einem Flug nach Instrumentenflugregeln (IFR) zum Verkehrsflugha-
fen Münster-Osnabrück, Deutschland.
Zum Erlangen der Klassenberechtigung für mehrmotorige kolbengetriebene Luftfahr-
zeuge (MEP) waren an diesem Tag mehrere Anflüge am Verkehrsflughafen Münster-
Osnabrück geplant.
In dem vom Luftfahrzeugführer aufgegebenen Flugplan war Münster-Osnabrück als
Zielflughafen angegeben. Die geplante Flugstrecke verlief in Flugfläche 070 über
ARNEM, L620, SONEB, nach Höhenwechsel weiter in Flugfläche 050 über Z841,
MEVEL und direkt nach DOMEG in Flugfläche 040.
Um 09:39:59 UTC nahm der Luftfahrzeugführer erstmalig Funkkontakt mit dem Kon-
trollturm in Münster auf und teilte mit, dass sich das Luftfahrzeug auf dem Kurs- und
1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet,
entsprechen Ortszeit
Abb.1: Gesamter Flugweg Quelle: Google Earth-Kartenservice™, Bearbeitung BFU
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Gleitweg des Instrumenten-Landesystems (ILS) der Piste 07 befände. Auf Nachfrage
des Lotsen bestätigte der Luftfahrzeugführer einen tiefen Überflug über die Piste 07.
Danach beabsichtigte der Luftfahrzeugführer der DOMEG 2 YANKEE Abflugroute zu
folgen. Abweichend von der Abflugroute wurde der Luftfahrzeugführer um
09:46:14 UTC angewiesen, nach rechts auf 230° zu drehen. Im weiteren Flugverlauf
wurde das Luftfahrzeug über eine Kursänderung auf 330° und 040° für einen RNAV
Anflug Piste 07 freigegeben.
Um 09:57:01 UTC meldete sich der Luftfahrzeugführer erneut auf der Sprechfunkfre-
quenz des Kontrollturmes mit der Absicht, jetzt auf der Piste 07 zu landen. Die
Landefreigabe wurde vom Platzverkehrslotsen um 09:57:08 UTC erteilt und vom
Luftfahrzeugführer um 09:57:14 UTC bestätigt.
Die Auswertung der Daten, die während des Unfallfluges von dem GARMIN
G1000 NXi gespeichert wurden, ergab, dass während des zweiten Anfluges ein Aus-
fall des linken Triebwerks simuliert wurde. Die Leistung des linken Triebwerkes wur-
de um 09:58:07 UTC auf Leerlauf reduziert, 4 Sekunden später der Autopilot abge-
schaltet und etwa 18 Sekunden später die Leistung des rechten Triebwerkes leicht
erhöht. In der Abbildung 2 ist ersichtlich, dass es nach dem Reduzieren der Leistung
des linken Triebwerkes eine Abweichung von der Anfluggrundlinie nach links gab.
Das Luftfahrzeug befand sich etwa 90 Sekunden danach wieder auf der Anfluggrund-
linie. Das Luftfahrzeug flog mit einer angezeigten Geschwindigkeit von 110 KIAS die
Piste 07 weiter an.
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Um 10:01:35 UTC drehte das linke Triebwerk noch mit 1 300 min-1, in diesem Mo-
ment wurde die Leistung des rechten Triebwerkes reduziert. Drei Sekunden später
betrug die Drehzahl des linken Triebwerkes 1 180 min-1 und die des rechten
1 880 min-1. Die Geschwindigkeit des Luftfahrzeuges lag bei 77 KIAS.
Um 10:01:39 UTC wurde die Leistung des rechten Triebwerkes wieder erhöht und
die Drehzahl stieg auf 2 600 min-1 an. Dabei kam es in 3 bis 5 m Höhe und nach et-
wa 1/3 der Pistenlänge zu einem Rollen des Luftfahrzeuges um die Längsachse
nach links. Es schlug in Rückenlage nahezu gleichzeitig mit beiden Triebwerken und
der Rumpfspitze neben der Piste auf dem Boden auf. Die Datenaufzeichnung des
GARMIN G1000 NXi endete um 10:01:42 UTC.
Bei dem Aufprall auf den Boden wurden die beiden Insassen tödlich verletzt und das
Luftfahrzeug zerstört.
Angaben zu Personen
Links sitzender Luftfahrzeugführer
Der 64-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 13.07.2016 Inhaber einer EU-Lizenz
gemäß Teil-FCL für Verkehrspiloten (ATPL), ausgestellt durch die niederländische
Luftfahrtbehörde (Human Environment and Transport Inspectorate ). In seiner Lizenz
Abb.2: Seitliche Abweichung von der Anfluggrundlinie nach der Reduzierung der Leistung des linken Triebwerks
Quelle: Google Earth-Kartenservice™, Bearbeitung BFU
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waren die Typenberechtigung Falcon 7X, gültig bis zum 30.06.2019, die Instrumen-
tenflugberechtigung, gültig bis zum 30.06.2019, sowie die Berechtigung als verant-
wortlicher Pilot für einmotorige Landflugzeuge (SEP land), gültig bis zum 31.05.2020,
eingetragen.
Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war mit den Einschränkungen
VNL (correction for defective near vision), OML (valid only as or with qualified co-
pilot), SIC (specific regular medical examination) bis zum 10.10.2018 gültig.
Er hatte die nachgewiesene Kompetenz, den Flugfunk in Englischer Sprache durch-
zuführen (Language Proficiency Endorsement Level 6). Seine Gesamtflugerfahrung
betrug etwa 1 842 Stunden, davon etwa 950 Stunden auf Falcon 7X. In den letzten
90 Tagen war er etwa 47 Stunden geflogen.
Im Rahmen seiner MEP-Ausbildung hatte er auf dem verunfallten Luftfahrzeug an 5
Tagen eine Flugzeit von 08:28 Stunden mit 21 Starts- und Landungen absolviert.
Nach Informationen des ausbildenden niederländischen Fluglehrers wurde noch kein
Theorietest abgelegt und die fliegerische Ausbildung war noch nicht abgeschlossen.
Bis zum Unfall hatte er von dem niederländischen Ausbildungsbetrieb keine Bestäti-
gung über den Abschluss des Lehrganges erhalten.
Der BFU lag relevanter Schriftverkehr zwischen dem links sitzenden Luftfahrzeugfüh-
rer und dem deutschen Flugprüfer sowie zwischen der zuständigen niederländischen
Behörde und dem Flugprüfer vor, wonach am Unfalltag der noch ausstehende Theo-
rietest sowie der Prüfungsflug zur Erlangung der MEP-Berechtigung durchgeführt
werden sollten.
Rechts sitzender Flugprüfer
Der 59-jährige Flugprüfer und Vorstand einer ATO (Approved Training Organisation)
war seit dem Jahr 1980 fliegerisch tätig und seit dem 12.04.2013 Inhaber einer EU-
Lizenz gemäß Teil-FCL für Berufspiloten. Seine Klassenberechtigung für mehrmoto-
rige Landflugzeuge (MEP land) war gültig bis zum 31.03.2019. Außerdem waren
mehrere Musterberechtigungen (BE90/100/200, BE300/1900, C525, EA500,
EMB505), die Instrumentenflugberechtigung sowie die Berechtigung zur Ausbildung
von Berufs-und Privatpiloten in seiner Lizenz eingetragen.
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Im Einzelnen war er Inhaber nachfolgend aufgeführter Lehrberechtigungen:
EA500 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.09.2020
C525 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.06.2020
BE300/1900 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.06.2020
BE90/99/100/200 TRI SP ops. MP ops. gültig bis zum 30.06.2020
FI (A) CPL, PPL, SE SP, ME SP, night,
instructor, instrument rating
gültig bis zum 31.10.2020
Des Weiteren besaß er die Berechtigung als Prüfer für nachfolgend aufgeführte Luft-
fahrzeugmuster und -klassen tätig zu werden:
EA500 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung
C525 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung
BE300/1900 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung
BE90/99/100/200 TRE (A) CS 23 Prüfer für Musterberechtigung
MEP (land) CRE (A) Prüfer für Klassenberechtigungen
SEP (land) CRE (A) Prüfer für Klassenberechtigungen
Innerhalb der Gültigkeit seiner Klassenberechtigung für mehrmotorige kolbengetrie-
bene Luftfahrzeuge wurde nach dem 24.10.2011 jeweils die Befähigungsüberprüfung
auf dem Muster Gulfstream American GA-7 Cougar durchgeführt. Im Jahr 2017 wur-
de diese einmalig auf dem Muster Piper PA 44 absolviert. Die letzte Befähigungs-
überprüfung fand am 15.03.2018 statt und wurde wiederum auf der GA-7 Cougar
durchgeführt und bis zum 31.03.2019 verlängert.
Aus seinem Tätigkeitsbericht als Prüfer ging hervor, dass er zwei Mal im Jahr 2012
mit einer Flugzeit von 2:09 Stunden und einmal im Jahr 2014 mit einer Flugzeit von
1:58 Stunden als Prüfer zur Erlangung bzw. Verlängerung der Klassenberechtigung
(MEP land) tätig war. Alle 3 Prüfungen wurden auf dem Muster GA-7 Cougar durch-
geführt.
Seine Gesamtflugerfahrung bis zum Jahr 2017 betrug laut Angabe in seinem fliegeri-
schen Lebenslauf mehr als 4 900 Stunden auf unterschiedlichen Mustern. Die
Flugerfahrung auf mehrmotorigen kolbengetriebenen Luftfahrzeugen gab er im glei-
chen Zeitraum mit etwa 110 Stunden an. Unter Anrechnung seiner eigenen Befähi-
gungsüberprüfungen nach 2017 hatte er eine Erfahrung von ungefähr 113 Stunden
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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auf mehrmotorigen kolbengetriebenen Luftfahrzeugen. Es fanden sich in den Unter-
lagen keine Hinweise, dass er Flugerfahrung auf dem Muster Beechcraft Baron G58
hatte. Laut Angaben der Ehefrau hatte der Pilot Anfang der achtziger Jahre, im
Rahmen seiner MEP-Ausbildung, das Muster Beechcraft Baron B55 und E55 geflo-
gen. Für den Flug habe er sich zuvor mit dem Flughandbuch und der Checkliste des
betroffenen Flugzeugs vertraut gemacht.
Er besaß die nachgewiesene Kompetenz zur Bedienung von Sprechfunkausrüstung
an Bord von Luftfahrzeugen in deutscher oder englischer Sprache für Flüge nach
Sicht- oder Instrumentenflugregeln (Language Proficiency Endorsement, Englisch
und Deutsch, jeweils Level 6).
Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war mit der Einschränkung
VNL bis zum 18.01.2019 gültig.
Angaben zum Luftfahrzeug
Das Muster Beechcraft Baron G58 ist ein zweimotoriges Flugzeug in Metallbauweise
mit einziehbarem Drei-Bein-Fahrwerk in Bugfahrwerksanordnung. In dem betroffenen
Luftfahrzeug waren 2 Sechs-Zylinder-Teledyne-Continental-Triebwerke IO-550-C mit
je 224 kW (300 PS) Leistung eingebaut. Die Triebwerksleistung wurde an je einen
verstellbaren Dreiblattpropeller abgegeben. In dem sechssitzigen Luftfahrzeug waren
die beiden hinteren Sitzreihen in Clubbestuhlung angeordnet.
Das im Jahr 2018 gebaute Flugzeug war in den Niederlanden zum Verkehr zugelas-
sen und wurde privat betrieben.
Die maximale Abflugmasse betrug 5 500 lbs (2 495 kg) bei einer Leermasse von
4 034 lbs (1 830 kg). Die tatsächliche Abflugmasse mit 5 073 lbs sowie der Schwer-
punkt mit 80,1 inch aft. of datum lagen innerhalb der zulässigen Grenzen.
Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit (ARC) erfolgte am 14.06.2018. Nach der Über-
führung des Luftfahrzeuges aus den USA nach Farnborough (UK) hatte es eine Be-
triebszeit von 33:12 Stunden. Am Tag des Unfalls lag die Gesamtbetriebszeit bei
41:40 Stunden.
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Auszüge aus dem Flughandbuch
Das Flughandbuch der Beechcraft Baron G58 Revision A12 (May, 2015) beschrieb
den Betrieb des Luftfahrzeuges. Aufgrund des großen Umfangs werden nachfolgend
auszugsweise nur die für die Unfalluntersuchung relevanten Abschnitte genannt.
SECTION 1 – General
General Airspeed Terminology
[…]
VMCA Air Minimum Control Speed is the minimum flight speed at which the
airplane is directionally controllable as determined in accordance with
Title 14 Code of Federal Regulations. The airplane certification include
one engine becoming inoperative and windmilling; a 5° bank towards
the operative engine; take-off power on operative engine; landing gear
up; flaps in take-off position; and most rearward C.G.
VSSE Intentional One-Engine-Inoperative Speed is a speed above both VMCA
and stall speed, selected to provide a margin of lateral and directional
control when one engine is suddenly rendered inoperative. Intentional
failing of one engine below this speed is not recommended.
[…]
Abb. 3 Drei-Seiten-Ansicht Beechcraft Baron G58 Quelle: Beechcraft
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SECTION 2 – Limitation
[…]
AIRSPEED LIMITATIONS
Single-Engine Minimum Control Speed (VMCA) 84 KIAS
Intentional One-Engine-Inoperative Speed (VSSE) 88 KIAS
[…]
SECTION 3 – ONE-ENGINE-INOPERATING PROCEDURES
[…]
CONTROLLABILITY VS. AIRSPEED
Airspeed is the single most important factor in maintaining airplane control during
single engine operations. The airplane can be safely maneuvered or trimmed for
normal hands-off operation and sustained in this configuration by operative engine
AS LONG AS SUFFICIENT AIRSPEED IS MAINTAINED.
[…]
SECTION 3A – ABNORMAL PROCEDURES
LANDING EMERGENCIES
ONE-ENGINE-INOPERATIV LANDING
On final approach and when it is certain that the field can be reached:
1. Landing Gear DOWN
2. Flaps APPROACH (15°)
3. Airspeed 107 KTS
4. Power AS REQUIRED
When it is certain there is no possibility of go-around
5. Flaps DOWN (30°)
6. Airspeed 95 KTS
7. Execute Normal Landing
[…]
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ONE-ENGINE-INOPERATIV GO-AROUND
WARNING
1. Power MAXIMUM ALLOWABLE
2. Landing Gear UP
3. Flaps UP (0°)
4. Airspeed MAINTAIN 101 KTS MINIMUM
Meteorologische Informationen
Zur Unfallzeit herrschten in Münster-Osnabrück folgende Wetterbedingungen:
- Wind aus 060 bis 070° mit 7 kt
- Sicht mehr als 10 km
- in 3 000 ft AGL Bedeckungsgrad 1-2 Achtel
- in 7 000 ft AGL Bedeckungsgrad 5-7 Achtel
- Temperatur 24° C
- Taupunkt 15° C
- Luftdruck (QNH) 1 012 hPa
Navigationshilfen
Das Luftfahrzeug befand sich unter Radarkontrolle. Der Fluglotse führte das Luftfahr-
zeug für den ersten Anflug an das ILS und für den zweiten, einen RNAV (GPS) An-
flug, an die Piste 07 heran. Unmittelbar nach dem Unfall wurde die ILS-Anlage des
Flughafens vermessen. Störungen oder Ausfälle von Einrichtungen oder einzelnen
Komponenten wurden nicht festgestellt. Alle Messwerte am Landekurs- und Gleit-
wegsender waren ohne Befund und ließen keinen Rückschluss auf Unregelmäßigkei-
ten zu.
Level flight might not be possible for certain combinations of weight, tem-
perature and altitude. In any event, DO NOT attempt a one-engine-
inoperative go-around after flaps have been fully extended.
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Funkverkehr
Mit dem Einflug in den deutschen Luftraum bestand Funkverbindung mit der zustän-
digen deutschen Flugsicherung sowie mit dem Kontrollturm in Münster-Osnabrück.
Der Funkverkehr wurde von den genannten Bodenfunkstellen aufgezeichnet und
stand der BFU als Funkumschriften zur Verfügung.
Angaben zum Flugplatz
Der Verkehrsflughafen Münster-Osnabrück (EDDG) liegt etwa 3,7 NM nordöstlich
von Greven, 13 NM nördlich Münster und 15 NM südwestlich von Osnabrück. Er ver-
fügte über eine Asphaltpiste mit der Ausrichtung 069°/249° und den Abmessungen
2 170 m x 45 m. Die ausgewiesene Flugplatzhöhe beträgt 195 ft AMSL. In der
Landerichtung 07 sind ILS oder LOC, NDB sowie RNAV (GPS) Anflüge möglich, die
Schwellenhöhe in dieser Richtung beträgt 156 ft AMSL.
Flugdatenaufzeichnung
Der Flugweg wurde durch die zuständigen Flugsicherungsorganisationen aufge-
zeichnet und stand der BFU zur Auswertung zur Verfügung. Das Luftfahrzeug war
nicht mit einem Flugdatenschreiber oder einem Cockpit Voice Recorder ausgestattet.
Keiner der beiden Recorder war durch entsprechende luftrechtliche Regelungen ge-
fordert. Der Unfall wurde von einer Vorfeld-Kamera des Flughafens aufgezeichnet.
Die Aufzeichnung stand der BFU zur Auswertung zur Verfügung.
Ein portables elektronisches Gerät (Tablet) des links sitzenden Piloten war mit dem,
im Luftfahrzeug eingebauten GARMIN G1000 NXi verbunden und speicherte eine
Vielzahl von Daten. Insgesamt konnten 82 Datensätze mit einer Aufzeichnungsrate
von einer Sekunde vom Start des Luftfahrzeuges bis zum Unfall ausgelesen werden,
darunter waren z.B. Flugwegdaten, Fluglagedaten, Triebwerksparameter sowie Avi-
onik-Einstellungen.
In der Tabelle 1 wurden die relevanten Geschwindigkeiten (IAS/TAS) sowie jeweils
die Drehzahl (E1 RPM/E2 RPM) und der Ladedruck (E1 MAP/E2 MAP) beider
Triebwerke der letzten 10 Sekunden vor dem Aufschlag zusammengestellt. Zusätz-
lich sind die ausgelesenen Daten der Vertikalgeschwindigkeit (VSpd), der Anstellwin-
kel (Pitch), der Rollwinkel (Roll), die Flugrichtung (HDG) sowie Ort und Zeit in die Ta-
belle aufgenommen worden.
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Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Unfallstelle lag auf einer, mit Gras bewachsenen Fläche, nördlich der Piste 07
und war etwa 720 m von der Pistenschwelle entfernt.
Das Luftfahrzeug lag ca. 20 m links neben dem nördlichen Rand der Piste 07 in Rü-
ckenlage. Die Rumpfspitze zeigte etwa in Richtung 300°. Der vordere Gepäckraum
sowie das Cockpit waren im oberen Teil eingedrückt und zusätzlich in Längsrichtung
gestaucht.
Tabelle 1: Zusammenstellung von Flug-und Triebwerksparametern Quelle: BFU
Abb. 4: Flugplatzkarte von Münster-Osnabrück mit markierter Unfallstelle
Quelle: Deutsche Flugsicherung, Bearbeitung BFU
Lcl Time Latitude Longitude AltMSL IAS VSpd Pitch Roll HDG E1 MAP E1 RPM E2 MAP E2 RPM TAS
hh:mm:ss degrees degrees ft msl kt fpm deg deg deg Hg rpm Hg rpm kt
10:01:32 52,1324768 7,6744289 169,1 87,83 ‐345,43 1,64 1,52 62,7 7,2 1356 24,73 2662,9 89
10:01:33 52,1326027 7,6750126 166,7 89,55 ‐299,27 4,06 2,47 61,6 7,23 1346,9 23,64 2646,9 91
10:01:34 52,1327286 7,6755867 167,5 89,26 ‐272,09 3,9 5,62 61,8 7,2 1352,3 23,19 2652,4 91
10:01:35 52,1328468 7,6761541 167 87,38 ‐231,66 3,39 5,54 64,9 7,23 1333,6 13,85 2497,2 89
10:01:36 52,1329613 7,6767111 165,9 81,93 ‐181,04 6,28 2,05 71,6 7,53 1277,4 11,28 1814,8 83
10:01:37 52,1330681 7,6772547 167 79,52 ‐189,9 6,03 ‐0,56 70 8,03 1222,7 13,36 1846,2 81
10:01:38 52,1331711 7,6777835 166,6 78,6 ‐160,32 7,01 0,34 65,8 8,42 1185,7 13,36 1883,2 80
10:01:39 52,1332779 7,678297 167,3 77,25 ‐113,12 5,05 ‐6,22 63,1 8,71 1166 27,78 2626,6 79
10:01:40 52,1333923 7,6787977 168,2 76,79 ‐33,03 9,84 ‐19,39 51,3 8,85 1146,6 28,67 2682,5 78
10:01:41 52,1335487 7,6792517 173,3 77,91 157,98 12,76 ‐40,02 36,4 9,4 1081,6 28,65 2643,7 79
10:01:42 52,1337433 7,6796079 170,7 79,42 664,09 ‐12,13 ‐109,51 14,4 10,14 1001,6 28,37 2636,1 81
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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Im Cockpit war das Instrumentenbrett herausgerissen und teilweise zerstört. Die ge-
stauchte Steuerung und beide Steuerhörner sowie die Seitenruderpedale ließen sich
nicht mehr bewegen. Es wurde festgestellt, dass die Rudergestänge und die Seilzü-
ge verbunden und ohne weiteren Befund waren. Die Triebwerks-Bedienhebel auf der
Mittelkonsole standen in einer hinteren Position, wobei sich der Hebel des linken
Triebwerkes in der Leerlaufstellung befand.
Der Bedienhebel zur Fahrwerksbetätigung stand auf „Gear Down“, das Fahrwerk
wurde ausgefahren und verriegelt vorgefunden. Die Landeklappen standen in Lan-
destellung (30°) und beide Kraftstoffwahlschalter waren geöffnet. Die Höhen-, Seiten-
und Querrudertrimmung sowie die dazugehörigen Ruder standen jeweils in neutraler
Stellung.
Die Triebwerke wurden teilweise aus den nach unten geknickten Aufhängungen ge-
rissen. Beide, von den Triebwerken abgerissenen, Propeller lagen seitenverkehrt in
der Aufschlagrichtung etwa 12 m vor dem Wrack.
An der Unfallstelle lief eine unbekannte Menge Kraftstoff in das Erdreich. Nach der
Bergung des Wracks wurden etwa 200 l Kraftstoff aus den Tanks abgepumpt. Der
Abb. 5: Blick in nordöstlicher Richtung auf die Unfallstelle Quelle: BFU
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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Aufschlagsender (Emergency Location Transmitter (ELT)) war ausgelöst. Die rechte
Tragfläche war im äußeren Teil auf einer Länge von ungefähr einem Meter gestaucht
und zudem nach unten verdreht, der rechte Randbogen war abgerissen. Der Über-
gang vom Rumpf zum Seitenleitwerk war geknickt und der oberste Teil des Leitwer-
kes gestaucht.
Im Cockpit wurden mehrere handschriftliche Aufzeichnungen des links sitzenden Pi-
loten über grundlegende Triebwerkseinstellungen, Geschwindigkeiten sowie Klap-
penstellungen des Luftfahrzeuges für den Normalflug sowie Aufzeichnungen zum
Umfang der zu fliegenden Prüfungsinhalte gefunden.
Medizinische und pathologische Angaben
Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Münster wurden beide Piloten im Institut für
Rechtsmedizin des Universitätsklinikum Münster obduziert. Im Ergebnis gab es kei-
nen Hinweis auf eine physiologische oder gesundheitliche Beeinträchtigung der
Cockpitinsassen.
Brand
Es gab keinen Hinweis auf ein Feuer im Flug oder nach dem Aufprall.
Überlebensaspekte
Unmittelbar nach dem Aufprall des Luftfahrzeuges auf dem Boden (Unfallzeitpunkt
12:01 Uhr) wurde durch den diensthabenden Fluglotsen der Alarm ausgelöst. Die
ersten Kräfte der Flughafenfeuerwehr waren etwa 90 Sekunden später an der Unfall-
stelle.
Organisationen und deren Verfahren
Die Ausbildung von Luftfahrtpersonal musste nach den Regelungen der Verordnung
(EU) Nr. 1178/2011 erfolgen. Unter anderem legte sie Vorgaben für die Ausbildung
und den Erwerb von Klassen- und Musterberechtigungen fest.
FCL.725. Bestimmungen für die Erteilung von Klassen- und Musterberechtigun-
gen
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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a) Ausbildungslehrgang. Bewerber um eine Klassen- oder Musterberechtigung müs-
sen einen Ausbildungslehrgang bei einer ATO absolvieren. Die Ausbildung für die
Musterberechtigung muss die obligatorischen Ausbildungselemente für das ent-
sprechende Muster wie in den gemäß Teil-21 festgelegten betrieblichen Eig-
nungsdaten definiert enthalten.
b) Prüfung der theoretischen Kenntnisse. Der Bewerber um eine Klassen- oder Mus-
terberechtigung muss eine von der ATO durchgeführte Prüfung der theoretischen
Kenntnisse zum Nachweis des Stands der theoretischen Kenntnisse ablegen, die
für den sicheren Betrieb der betreffenden Luftfahrzeugklasse bzw. des betreffen-
den Luftfahrzeugmusters erforderlich sind.
[…]
FCL.725.A Theoretische Kenntnisse und Flugausbildung für die Erteilung von
Klassen- und Musterberechtigungen – Flugzeuge
[…]
a) Mehrmotorige Flugzeuge mit einem Piloten
(1) Die theoretische Ausbildung für eine Klassenberechtigung für mehrmoto-
rige Flugzeuge mit einem Piloten umfasst mindestens 7 Stunden Ausbil-
dung auf einem mehrmotorigen Flugzeug.
(2) Die Flugausbildung für eine Klassen- oder Musterberechtigung für mehr
motorige Flugzeuge mit einem Piloten umfasst mindestens 2 Stunden
und 30 Minuten Flugausbildung mit Fluglehrer unter normalen Bedingun-
gen auf einem mehrmotorigen Flugzeug und mindestens 3 Stunden 30
Minuten Flugausbildung mit Fluglehrer in Triebwerksausfallverfahren und
asymmetrischen Flugtechniken.
[…]
Ausübung der Rechte als verantwortlicher Luftfahrzeugführer und Prüfer
In der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 waren auch die Voraussetzungen zur Aus-
übung der Rechte, als verantwortlicher Luftfahrzeugführer und Prüfer tätig zu wer-
den, klar definiert. In der EASA Type Rating and Licence Endorsement List Flight
Crew - All Aircraft befand sich folgender Eintrag:
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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Basierend auf dem Eintrag (Abb. 6) der EASA Liste musste jeder Luftfahrzeugführer,
der ein MEP Rating hatte, die oben genannte Unterschiedsschulung absolvieren.
Diese waren in der nachfolgenden FCL.710 geregelt.
FCL.710 Klassen- und Musterberechtigungen – Unterschiedliche Baureihen
a) Um seine Rechte auf einer anderen Luftfahrzeugbaureihe innerhalb einer Klas-
sen- oder Musterberechtigung zu erweitern, muss der Pilot eine Unterschieds-
schulung und ein Vertrautmachen absolvieren. Im Falle unterschiedlicher Bau-
reihen innerhalb einer Musterberechtigung müssen die Unterschiedsschulung
und das Vertrautmachen die einschlägigen Elemente umfassen, die in den ge-
mäß Teil-21 festgelegten betrieblichen Eignungsdaten festgelegt sind.
b) Wenn die andere Baureihe in einem Zeitraum von 2 Jahren nach der Unter-
schiedsschulung nicht geflogen wurde, ist eine weitere Unterschiedsschulung
oder eine Befähigungsüberprüfung für diese Baureihe erforderlich, um die Rech-
te wahren zu können; hiervon ausgenommen sind die Muster und Baureihen in-
nerhalb der Berechtigungen für einmotorige Luftfahrzeuge mit Kolbenmotor und
die TMG-Klasse.
[…]
Um als Prüfer tätig zu werden, waren die Voraussetzungen zu erfüllen, die die
FCL.1000 regelte.
FCL.1000 Prüfberechtigungen
a) Allgemeines
Inhaber einer Prüfberechtigung müssen
Abb. 6: Auszug aus der EASA Type Rating and Licence Endorsement List Flight Crew – All Aircraft Quelle: EASA
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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1. Inhaber einer Lizenz, einer Berechtigung oder eines Zeugnisses, die denjenigen
entsprechen, für die sie berechtigt sind, praktische Prüfungen, Befähigungsüberprü-
fungen oder Kompetenzbeurteilungen durchzuführen, sowie des Rechts, hierfür aus-
zubilden, sein, sofern in diesem Anhang nicht etwas anderes bestimmt ist;
2. zur Betätigung als PIC auf dem Luftfahrzeug während einer praktischen Prüfung,
einer Befähigungsüberprüfung oder Kompetenzbeurteilung, wenn diese auf einem
Luftfahrzeug durchgeführt wird, qualifiziert sein.
Niederländische Ausbildungseinrichtung
Der BFU lagen keine Angaben über die bereits durchgeführten Teile der Ausbildung
des links sitzenden Luftfahrzeugführers an der niederländischen Ausbildungseinrich-
tung vor. Nach Informationen des Fluglehrers, der den Piloten dort auch ausgebildet
hat, hatte der Bewerber die Ausbildung nicht abgeschlossen und keine Theorieprü-
fung abgelegt. Aus diesem Grund wurde auch keine Bestätigung über den Abschluss
des Ausbildungslehrgangs zur Vorlage bei der zuständigen niederländischen Behör-
de erstellt.
Notifikation an die zuständige niederländische Behörde
Der BFU liegt eine Kopie der Notifikation des deutschen Prüfers an die niederländi-
sche Behörde vor, woraus hervor geht, dass die Prüfung am 09.08.2018 durchge-
führt werden sollte.
Nach Abschluss der Prüfung sollte der links sitzende Luftfahrzeugführer der lizenz-
ausstellenden niederländischen Behörde mit den relevanten Prüfungsprotokollen
auch eine Erklärung der Ausbildungseinrichtung einreichen, dass die erforderliche
Schulung abgeschlossen wurde.
Zusätzliche Informationen
Im Luftfahrzeug wurde eine Handaufzeichnung mit den Kontaktdaten des deutschen
Flugprüfers gefunden. Aus dem relevanten E-Mail-Verkehr zwischen dem links sit-
zenden Luftfahrzeugführer und dem Flugprüfer ging hervor, dass an dem Unfalltag
geplant war, die MEP-Ausbildung abzuschließen, den Theorietest abzulegen und auf
dem Rückflug nach Lelystad in den Niederlanden den Prüfungsflug zu absolvieren.
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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MEP-Prüfungsprotokoll nach Teil-FCL
In dem Prüfprotokoll zur Praktischen Prüfung / Befähigungsüberprüfung für Flugzeu-
ge mit einem Piloten, ausgenommen technisch komplizierte Hochleistungsflugzeuge-
CR/TR exc. Complex HPA gem. Teil-FCL war unter Abschnitt 6 unter anderem vor-
geschrieben:
6.2 Asymmetrischer Landeanflug und asymmetrisches Durchstarten
6.3 Asymmetrischer Landeanflug und Landen bis zum vollständigen Stillstand
Beurteilung
Flugweg
Der aufgezeichnete Flugverlauf war bis zum Unfall unauffällig und entsprach den
Vorgaben aus dem Prüfungsprotokoll zur Erlangung der MEP-Berechtigung bzw. ei-
nem Ausbildungsflug. Nach der Abweichung von der Anfluggrundlinie und der an-
schließenden Korrektur während des zweiten Anfluges auf die Piste 07 war der kon-
figurierte Einmotorenflug stabilisiert. Bis zum erneuten Vollgas geben auf dem
rechten Triebwerk gab es keine weitere Abweichung vom Flugweg.
Unregelmäßigkeiten in der Funktion der am Flughafen installierten Navigationshilfen
lagen nicht vor.
Luftfahrzeug
Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß geprüft, entsprechend den Vorgaben für den
Instrumentenflug ausgerüstet und zum Verkehr zugelassen. An dem Luftfahrzeug
wurden keine technischen Mängel festgestellt, auch während des Sprechfunkver-
kehrs wurden keine Hinweise auf ein technisches Versagen, einen Systemausfall
oder andere Probleme im Luftfahrzeug mitgeteilt. Die Masse und der Schwerpunkt
befanden sich in den zulässigen Grenzen.
Das Luftfahrzeug war für einen simulierten einmotorigen Anflug mit voll ausgefahre-
nen Landeklappen zur Landung konfiguriert.
Die detaillierten Angaben im Flughandbuch wiesen für alle Flugphasen, insbesonde-
re bei einem simulierten Einmotorenflug auf mögliche Gefahren hin. Ausdrücklich
wurde die Bedeutung des Einhaltens der vorgeschriebenen Geschwindigkeitspara-
meter und die Stellung der Landeklappen hervorgehoben.
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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Wetter
Es lagen Sichtflugbedingungen vor. Die meteorologischen Bedingungen schränkten
das Flugvorhaben nicht ein und hatten keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen.
Links sitzender Luftfahrzeugführer
Der links sitzende Pilot hatte auf Verkehrsflugzeugen eine große Flugerfahrung. Er
durfte aufgrund der Einschränkung OML in seinem flugmedizinischen Tauglichkeits-
zeugnis Luftfahrzeuge nur als Copilot oder in Begleitung eines qualifizierten Copilo-
ten fliegen.
Er befand sich noch in der MEP-Ausbildung und war daher für die verantwortliche
Durchführung des Fluges nicht ausreichend qualifiziert.
Da die MEP-Ausbildung noch nicht abgeschlossen und durch die niederländische
Ausbildungseinrichtung nicht bestätigt war, geht die BFU davon aus, dass die Initiati-
ve zum Abschluss der Ausbildung und zur Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit von
ihm ausging.
Im Luftfahrzeug wurden nach dem Unfall Handaufzeichnungen gefunden, die darauf
hindeuten, dass er bei den grundlegenden Leistungseinstellungen der Triebwerke,
der Fluggeschwindigkeiten sowie Klappenstellungen des Luftfahrzeuges während
des Landeanfluges noch unzureichende Kenntnisse hatte. Alle Aufzeichnungen be-
zogen sich auf den Normalbetrieb des Luftfahrzeuges und nicht auf einen möglichen
Einmotorenflug.
Rechts sitzender Flugprüfer
Der rechts sitzende Flugprüfer hatte eine sehr große Gesamtflugerfahrung, jedoch
war die Erfahrung auf kolbengetriebenen mehrmotorigen Luftfahrzeugen als relativ
gering einzuschätzen. Sie beschränkte sich in den letzten Jahren nur auf die Flüge
zur Aufrechterhaltung der Klassenberechtigung MEP. Die hierfür benötigten Befähi-
gungsüberprüfungen wurden auf einem anderen, leistungsschwächeren Muster
durchgeführt.
Es fanden sich keine Hinweise auf eine durchgeführte Unterschiedsschulung mit
dem verunfallten Muster, um seine Rechte auf einer anderen Baureihe von Luftfahr-
zeugen innerhalb der Klassenberechtigung MEP zu erweitern. Im vorliegenden Fall
war aber eine Unterschiedsschulung vorgeschrieben.
Untersuchungsbericht BFU18-1170-CX
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Gerade spezifische Kenntnisse des Luftfahrzeuges wie, z. B. das Durchstarten mit
nur einem Triebwerk bei voll ausgefahrenen Landeklappen und die möglichen Folgen
waren ihm sehr wahrscheinlich nicht bekannt.
Nachdem das Luftfahrzeug im Anflug mit einem Triebwerk für die Landung konfigu-
riert wurde sollte laut Flughandbuch kein Durchstartmanöver mehr eingeleitet wer-
den. Dennoch wurde in geringer Flughöhe über der Piste auf dem rechten Triebwerk
wieder Vollgas gegeben. Wahrscheinlich sollte damit den einzelnen Vorgaben aus
dem Prüfprotokoll „Asymmetrischer Landeanflug und asymmetrisches Durchstarten
bzw. ein asymmetrischer Landeanflug und Landen bis zum vollständigen Stillstand“
gefolgt werden.
Als verantwortlicher Luftfahrzeugführer ließ der Prüfer es zu, dass das Luftfahrzeug
im Endanflug mit voll ausgefahrenen Landeklappen die Intentional One-Engine-
Inoperative Speed (VSSE) von 88 KIAS und vor dem Aufsetzen die Single-Engine
Minimum Control Speed (VMCA) von 84 KIAS unterschritt. Das Luftfahrzeug war somit
aerodynamisch nur noch eingeschränkt bzw. nicht mehr steuerbar. So kam es bei
dem eingeleiteten Durchstartmanöver mit einem Triebwerk zu einem starken Rollen
um die Längsachse bis in die Rückenfluglage und zum Aufschlag auf den Boden.
Die BFU geht davon aus, dass dem Luftfahrzeugführer und dem Prüfer der wichtige
Hinweis aus dem Flughandbuch
SECTION 3A – ABNORMAL PROCEDURES:
ONE-ENGINE-INOPERATIV GO-AROUND
WARNING
nicht bekannt war.
Es konnte nicht geklärt werden, welche Ausbildungseinrichtung die abgeschlossene
MEP-Ausbildung gegenüber der lizenzausstellenden niederländischen Behörde be-
stätigen sollte.
Level flight might not be possible for certain combinations of weight, tem-
perature and altitude. In any event, DO NOT attempt a one-engine-
inoperative go-around after flaps have been fully extended.
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Schlussfolgerungen
Der Unfall ist darauf zurückzuführen, dass während des Endanfluges mit einem
Triebwerk die für den Anflug relevanten Geschwindigkeiten unterschritten wurden
und in Folge des eingeleiteten Durchstartmanövers das Luftfahrzeug nicht mehr kon-
trollierbar war.
Untersuchungsführer:
Holger Röstel
Untersuchung vor Ort: Stahlkopf, Röstel
Mitwirkung: Lampert, Rokohl
Braunschweig: 02.03.2021
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Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)
Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okto-
ber 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störun-
gen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfäl-
len und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-
Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.
Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger
Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des
Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.
Herausgeber Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung Hermann-Blenk-Str. 16 38108 Braunschweig Telefon 0 531 35 48 - 0 Telefax 0 531 35 48 - 246 Mail [email protected] Internet www.bfu-web.de