18. September 2016 basel Spitalgruppe auf der Krankenstation

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Schweiz am Sonntag 18. September 2016 Die beiden Gesundheitsdirektoren Tho- mas Weber (SVP, BL) und Lukas Engel- berger (CVP, BS) wussten: Sie haben gar keine Alternative zur Bildung einer gemeinsamen Spitalgruppe, bestehend aus dem Universitätsspital Basel (USB) und dem Kantonsspital Baselland (KSBL). Das Resultat ihrer Prüfung stand damit von vornherein fest, es hatte nur gegolten, die entsprechende Rechnung aufzustellen. Nicht die Präsentation vor den Medi- en, sondern erst das Studium der um- fangreichen Unterlagen zeigt, wie krea- tiv die beiden Verwaltungen kalkuliert haben, um einen möglichst tragfähigen Kompromiss zu erreichen. Kernpunkt der Übung: Baselland verzichtet auf die Verzinsung und Rückzahlung eines Darlehens an das KSBL in Höhe von 153 Millionen Franken. Nur durch diese Zugabe können die Besitzverhältnisse an der neuen Spitalgruppe mit 71,5 Pro- zent für Basel-Stadt und 28,5 Prozent für Baselland in ein politisch akzeptab- les Ungleichgewicht gebracht werden. Ohne den Baselbieter Zuschuss läge der Baselbieter Anteil an der neuen Firma unter zwanzig Prozent. Der Rechentrick belastet die Basel- bieter Bilanz nicht unmittelbar, doch das Geld wird fehlen: Während der nächsten 21 Jahre fliessen bei gleich- bleibend tiefen Zinsen jährlich inklusi- ve Amortisation gut acht Millionen Franken weniger in die Staatskasse. Das gewählte Kräfteverhältnis beim Kapital entspricht in etwa den Berech- nungen nach den Discounted-Cash- Flow-Methoden (DCF), die bei Firmen- fusionen standardmässig zur Anwen- dung kommen. Dabei zeigt sich, wie schwach das KSBL im Vergleich zum USB aufgestellt ist: Mit 45 Prozent an der Gesamtzahl aller Patienten erzielt das KSBL nur gerade einen Umsatzan- teil von 31 Prozent; der Unternehmens- und Eigenkapitalwert nach DCF liegt mit einem Anteil von 26 bzw. 27 Pro- zent noch tiefer. Das USB ist demnach nach allen Parametern der Wirtschafts- prüfer deutlich besser aufgestellt als das Baselbieter Pendant. Umso erstaunlicher mag erscheinen, dass Basel-Stadt sich auf eine Parität bei den Stimmrechten eingelassen hat. Technisch wird dies erreicht, indem vom Basler Anteil von 71,5 Prozent nur 28,5 Prozent der Aktien stimmberich- tigt sein werden. Auf den verbleiben- den Pool von 43 Prozent stimmrechts- beschränkter Aktien hat Baselland ein theoretisches Vorkaufsrecht auf 21,5 Prozent. Im Vordergrund steht jedoch ein Teilverkauf an Aargauer und Solo- thurner Spitäler, die so Teil der Basler Spitalgruppe werden könnten. Profitie- ren würde davon vor allem Basel-Stadt. Dilemma bei den Baserates Eine eigentliche Zahlenjonglage voll- brachten die Gesundheitsdirektoren im Umgang mit den unterschiedlichen Baserates. Diese bezeichnen den Be- trag, der im gültigen Punktesystem für einen Behandlungsfall bezahlt wird. Für den Start der Gruppe haben Stadt wie Land ein hohes Interesse, die tiefe- ren Baserates im KSBL und die höheren im USB beizubehalten. Denn nur so können die Baselbieter dank der for- cierten Verlagerung von der stationä- ren zur ambulanten Behandlung relativ hohe Einsparungen erwarten und sich das USB gleichzeitig eine hohe Abgel- tung ihrer Leistungen erhalten. Eine Angleichung der Baserate über die gan- ze Spitalgruppe ergebe eine deutliche Erhöhung beim KSBL sowie eine leich- te Senkung beim USB. Als Folge davon sackte das Baselbieter Sparpotenzial von 11 auf 6 Millionen Franken. Die Ent- lastung für Basel-Stadt stiege zwar um 11 auf 16 Millionen Franken, doch dies zulasten des USB, das seine Leistungen nur noch schwer refinanzieren könnte. Die Krux: Bereits mittelfristig muss die Spitalgruppe um eine einheitliche Baserate bemüht sein, da sie sonst zur Rechnungsabgrenzung parallele Struk- turen aufrechterhalten muss und die möglichen Synergiegewinne gar nicht ausschöpfen kann. Sehr langfristiger Nutzen Bis die versprochenen Synergiegewin- ne von siebzig Millionen Franken jähr- lich erreicht und in bescheidenem Mas- se bei den Eignern ankommen, werden aber ohnehin noch viele Jahre verstrei- chen. Bis in sechs Jahren soll die Ge- winnmarge (Ebitda) zwar auf die be- triebsnotwendigen zehn Prozent gestei- gert werden können. Erst in 21 Jahren (!) werde dieses Potenzial aber ausge- schöpft und die Marge auf zwölf Pro- zent gesteigert sein. Als effektiver mög- licher Gewinn könnte das Unterneh- men dann rund zwanzig Millionen Franken ausschütten. Jedes kommerzi- elle Unternehmen würde bei solchen langfristigen Perspektiven die Übung abbrechen. Kaum aus der Deckung gekommen sind die Regierungstechnokraten, wie sie die anstehenden Investitionen refi- Wie Technokraten haben die Regierungsräte Lukas Engelberger und Thomas Weber die Zusammenführung von Unispital und Kantonsspital geplant. Die politische Botschaft ist dabei auf der Strecke geblieben. Spitalgruppe auf der Kran VON CHRISTIAN MENSCH So hat es am Donnerstag ausgesehen, als die Gesundheitsdirektoren beider Basel die Eckwert Martin Birrer, Präsident Basler Privatspitäler-Vereinigung, ist ge- nervt. Er wirft den Gesundheits- direktoren beider Basel vor, mit der bikantonalen Spitalgruppe die Monopolstellung der kantons- eigenen Häuser zu zementieren. Birrer findet, dass Thomas Weber (BL) und Lukas Engelberger (BS) widersprüchlich handelten. Ei- nerseits planen sie auf dem Bru- derholz ein «neues Orthopädie- zentrum», andererseits beklagen sie in diesem Bereich Überkapazi- täten und werfen den privaten Anbietern vor, zu viele Eingriffe vorzunehmen. Dass das öffentlich-rechtliche Spital weiterhin auf Orthopädie setzen will, empfinden die Privat- spitäler als Affront. Derzeit gleist die Basler Verwaltung erstmals seit der Einführung der Fallpau- schalen eine Untersuchung bei Privatspitalpatienten auf. Es soll herausgefunden werden, ob in der Merian-Iselin-Klinik zu viele Operationen durchgeführt wer- den. Thomas von Allmen, Leiter Spitalversorgung, sagt, dass man auf die «seit Jahren gestiegenen» Fallzahlen in der Region reagiert habe und die Untersuchung «nach längerer» Vorlaufzeit ab Herbst durchführe. Es fehle nur noch das grüne Licht der Ethik- kommission. Vor der Operation sollen die Patienten zur Funktionstüchtig- keit ihrer Gelenke befragt wer- den, 6 und 24 Monate danach zum Genesungsprozess. Obwohl von Allmen eine «nicht erwartba- re Steigerung» von Orthopädie- Eingriffen ausmacht, wider- spricht er Birrers Vorwurf, man nehme die Privatspitäler unter Generalverdacht. Die Untersu- chung könne «durchaus» erge- ben, dass die Ärzte an der Meri- an-Iselin-Klinik nur operieren, wenn dies tatsächlich nötig sei. LEIF SIMONSEN Unverständnis über Pläne in der Orthopädie PRIVATSPITÄLER INSERAT 55 basel nanzieren wollen. Denn mit der Anga- be allein, das Fremdkapital solle bis in sieben Jahren um 500 auf 680 Millio- nen Franken gesteigert werden, ist noch nicht geklärt, wie etwa der Bau des Klinikums 2 sowie die notwendigen Anpassungen beim Bruderholzspital fi- nanziert werden können. Geschweige denn, was passiert, wenn die Zinsen ansteigen und die Spitalgruppe ihren Ertrag massgeblich für die Begleichung von Schuldzinsen abführen muss. Für Basel-Stadt kann diese Rechnung jedoch aufgehen, wenn durch die Spi- talgruppe das Klinikum 2 nur als Mini- malprogramm gebaut werden muss. Dies führte zu einer Entlastung um mehrere hundert Millionen Franken. Politisch vermintes Gebiet Jede einzelne der rechnerischen Zu- rechtlegungen hat das Potenzial zum politischen Dauerstreit und birgt das Risiko zum Multiorganversagen. Allein der politische (Überlebens-)Wille böte dagegen einen gewissen Immunschutz. Doch dazu bräuchte es Politiker und nicht Technokraten. nkenstation te auf dem Weg zu einer gemeinsamen Spitalgruppe erklärten. Nicole Nars-Zimmer Die Baselbieter SVP um Präsident Os- kar Kämpfer ist normalerweise nicht um knackige Statements verlegen. Nachdem die beiden Gesundheitsdi- rektoren Lukas Engelberger (CVP, BS) und Thomas Weber (SVP, BL) am Donnerstag ihre Pläne zur gemeinsa- men Spitalgruppe präsentiert hatten, liessen aber einzig die Rechtsbürgerli- chen auf eine Stellungnahme warten. Kämpfer sagt auf Anfrage, seine Par- tei wolle erst gegen Ende der nächs- ten Woche kommunizieren. Die Be- gründung: Es brauche Zeit, das kom- plexe, mehrere hundert Seiten um- fassende Dossier durchzulesen. Die Wahrheit für die Verschwiegen- heit dürfte eine andere sein. Die SVP muss darauf bedacht sein, die innere Zerrissenheit zu kaschieren. In der Partei, die sich gerne als wirtschaftsli- beral bezeichnet, sind die Heimat- schützer mittlerweile in der Über- zahl. Das Komitee «Ja zum Bruder- holz», das die Pläne Webers zum Ab- bau des stationären Angebots direkt angreift, verzeichnet regen Zulauf von SVP-Parteimitgliedern. Initiant Mario Bernasconi sagt: «Es ist ein SVP-Komitee geworden.» Daher habe er sich zurückgezogen und überlasse den finanzkräftigeren und prominen- teren Mitgliedern den Abstimmungs- kampf. Vor emotionaler Debatte Es mangelt nicht an Köpfen. Im Kampf um den Erhalt des Bruderholz sah sich alt SVP-Regierungsrat Jörg Krähenbühl genötigt, erstmals seit seiner Abwahl wieder die Stimme zu erheben. In einem Leserbrief in der «Basler Zeitung» behauptete er, es ginge um die Gesundheitsversorgung der 175 000 Einwohner im unteren Kantonsteil. «Ein Bettenhaus mit ei- ner Notfallstation mit dem Grundan- gebot Medizin, Chirurgie und Ortho- pädie gehört zum Bruderholz.» Im Kampf gegen den eigenen Magistra- ten ist Krähenbühl Unterstützung aus den eigenen Reihen gewiss. Land- rätin Caroline Mall sitzt im Initiativ- komitee, die SVP-Sektionspräsiden- ten aus Ettingen und Arlesheim-Mün- chenstein im Unterstützungskomitee. Viele SVPler überlegen sich nach Bekanntgabe der Pläne Webers und Engelbergers einen Beitritt oder wer- ben im Umfeld für ein Nein zu den Plänen Webers. Der Therwiler Land- rat Hans-Jürgen Ringgenberg hält es wie viele Leimentaler: «Schon mehr- mals wurden meine Familienmitglie- der auf dem Bruderholz operiert. Das schafft eine emotionale Bindung. Dass wir nun keine Notfallversorgung mehr haben sollen, ist stossend.» Auch der Pfeffinger Landratskollege Martin Karrer kommt ins Grübeln: «An Feierabend brauche ich mit dem Auto zwei Stunden ins Universitäts- spital. Das kann sehr lange sein, wenn man ein Kind mit einer schwe- ren Hirnerschütterung im Rücksitz hat.» Dass die bisweilen polemische Argumente im bevölkerungsreichen Kantonsteil verfangen, wissen auch die Gesundheitsdirektoren. In ihrer Beurteilung der Projektrisiken (siehe Grafik) stufen sie die politischen Hür- den und das Schadenpotenzial als «hoch» ein. Engelberger betonte am Donnerstag, dass alleine die Bruder- holzinitiative das ganze Projekt schei- tern lassen könne. Für Kämpfer ist die Alternativlosig- keit der eigentliche Skandal: «Wenn die Bevölkerung am Bruderholz fest- halten will, muss man das akzeptie- ren und Lösungen bereithalten.» Un- abhängig davon, wie sich seine Partei äussern wird, prognostiziert er sei- nem Regierungsrat einen harten Ab- stimmungskampf. «Die Unterschrif- ten für das Bruderholz waren schliesslich im Nu zusammen.» «SVP-Komitee» bekämpft Weber Der Baselbieter Gesundheitsdirektor fürchtet politischen Widerstand am meisten. VON LEIF SIMONSEN Die Gesundheitsdirektionen haben sämtliche Projektrisiken gewichtet. 1. Ablehnung von Politik oder Bevölkerung. 2. Verzögerung aufgrund des politi- schen Meinungsbildungsprozesses. 3. Annahme der Bruderholz-Initiative. 4. Verlust von Zuweisungen. 5. Markteintritt von Konkurrenten. 6. Abwande- rung von Fachkräften. 7. Bestehende Projekte werden vernachlässigt. 8. Unzu- reichende Integration der ICT -Systeme. 9. Höhere Transformationskosten. 10. Finanzierbarkeit der Investitionen in der Übergangsfrist. 11. Kulturelle Unter- schiede. 12. Abweichung vom Zielbild in der Transformationsphase durch op- portunistische Entscheide. 13. Verlust von Schlüsselpersonen. INSERAT

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Die beiden Gesundheitsdirektoren Tho-mas Weber (SVP, BL) und Lukas Engel-berger (CVP, BS) wussten: Sie habengar keine Alternative zur Bildung einergemeinsamen Spitalgruppe, bestehendaus dem Universitätsspital Basel (USB)und dem Kantonsspital Baselland(KSBL). Das Resultat ihrer Prüfungstand damit von vornherein fest, eshatte nur gegolten, die entsprechendeRechnung aufzustellen.

Nicht die Präsentation vor den Medi-en, sondern erst das Studium der um-fangreichen Unterlagen zeigt, wie krea-tiv die beiden Verwaltungen kalkulierthaben, um einen möglichst tragfähigenKompromiss zu erreichen. Kernpunktder Übung: Baselland verzichtet auf dieVerzinsung und Rückzahlung einesDarlehens an das KSBL in Höhe von153 Millionen Franken. Nur durch dieseZugabe können die Besitzverhältnissean der neuen Spitalgruppe mit 71,5 Pro-zent für Basel-Stadt und 28,5 Prozentfür Baselland in ein politisch akzeptab-les Ungleichgewicht gebracht werden.Ohne den Baselbieter Zuschuss läge derBaselbieter Anteil an der neuen Firmaunter zwanzig Prozent.

Der Rechentrick belastet die Basel-bieter Bilanz nicht unmittelbar, dochdas Geld wird fehlen: Während dernächsten 21 Jahre fliessen bei gleich-bleibend tiefen Zinsen jährlich inklusi-ve Amortisation gut acht MillionenFranken weniger in die Staatskasse.

Das gewählte Kräfteverhältnis beimKapital entspricht in etwa den Berech-nungen nach den Discounted-Cash-Flow-Methoden (DCF), die bei Firmen-fusionen standardmässig zur Anwen-dung kommen. Dabei zeigt sich, wieschwach das KSBL im Vergleich zumUSB aufgestellt ist: Mit 45 Prozent ander Gesamtzahl aller Patienten erzieltdas KSBL nur gerade einen Umsatzan-teil von 31 Prozent; der Unternehmens-und Eigenkapitalwert nach DCF liegt

mit einem Anteil von 26 bzw. 27 Pro-zent noch tiefer. Das USB ist demnachnach allen Parametern der Wirtschafts-prüfer deutlich besser aufgestellt alsdas Baselbieter Pendant.

Umso erstaunlicher mag erscheinen,dass Basel-Stadt sich auf eine Parität beiden Stimmrechten eingelassen hat.Technisch wird dies erreicht, indemvom Basler Anteil von 71,5 Prozent nur28,5 Prozent der Aktien stimmberich-tigt sein werden. Auf den verbleiben-den Pool von 43 Prozent stimmrechts-beschränkter Aktien hat Baselland eintheoretisches Vorkaufsrecht auf 21,5Prozent. Im Vordergrund steht jedochein Teilverkauf an Aargauer und Solo-thurner Spitäler, die so Teil der BaslerSpitalgruppe werden könnten. Profitie-ren würde davon vor allem Basel-Stadt.

Dilemma bei den BaseratesEine eigentliche Zahlenjonglage voll-brachten die Gesundheitsdirektoren imUmgang mit den unterschiedlichenBaserates. Diese bezeichnen den Be-trag, der im gültigen Punktesystem füreinen Behandlungsfall bezahlt wird.Für den Start der Gruppe haben Stadtwie Land ein hohes Interesse, die tiefe-ren Baserates im KSBL und die höherenim USB beizubehalten. Denn nur sokönnen die Baselbieter dank der for-cierten Verlagerung von der stationä-ren zur ambulanten Behandlung relativhohe Einsparungen erwarten und sichdas USB gleichzeitig eine hohe Abgel-tung ihrer Leistungen erhalten. EineAngleichung der Baserate über die gan-ze Spitalgruppe ergebe eine deutlicheErhöhung beim KSBL sowie eine leich-te Senkung beim USB. Als Folge davonsackte das Baselbieter Sparpotenzialvon 11 auf 6 Millionen Franken. Die Ent-lastung für Basel-Stadt stiege zwar um11 auf 16 Millionen Franken, doch dieszulasten des USB, das seine Leistungennur noch schwer refinanzieren könnte.

Die Krux: Bereits mittelfristig mussdie Spitalgruppe um eine einheitliche

Baserate bemüht sein, da sie sonst zurRechnungsabgrenzung parallele Struk-turen aufrechterhalten muss und diemöglichen Synergiegewinne gar nichtausschöpfen kann.

Sehr langfristiger NutzenBis die versprochenen Synergiegewin-ne von siebzig Millionen Franken jähr-lich erreicht und in bescheidenem Mas-se bei den Eignern ankommen, werdenaber ohnehin noch viele Jahre verstrei-chen. Bis in sechs Jahren soll die Ge-winnmarge (Ebitda) zwar auf die be-

triebsnotwendigen zehn Prozent gestei-gert werden können. Erst in 21 Jahren(!) werde dieses Potenzial aber ausge-schöpft und die Marge auf zwölf Pro-zent gesteigert sein. Als effektiver mög-licher Gewinn könnte das Unterneh-men dann rund zwanzig MillionenFranken ausschütten. Jedes kommerzi-elle Unternehmen würde bei solchenlangfristigen Perspektiven die Übungabbrechen.

Kaum aus der Deckung gekommensind die Regierungstechnokraten, wiesie die anstehenden Investitionen refi-

nanzieren wollen. Denn mit der Anga-be allein, das Fremdkapital solle bis insieben Jahren um 500 auf 680 Millio-nen Franken gesteigert werden, istnoch nicht geklärt, wie etwa der Baudes Klinikums 2 sowie die notwendigenAnpassungen beim Bruderholzspital fi-nanziert werden können. Geschweigedenn, was passiert, wenn die Zinsenansteigen und die Spitalgruppe ihrenErtrag massgeblich für die Begleichungvon Schuldzinsen abführen muss.

Für Basel-Stadt kann diese Rechnungjedoch aufgehen, wenn durch die Spi-

talgruppe das Klinikum 2 nur als Mini-malprogramm gebaut werden muss.Dies führte zu einer Entlastung ummehrere hundert Millionen Franken.

Politisch vermintes GebietJede einzelne der rechnerischen Zu-rechtlegungen hat das Potenzial zumpolitischen Dauerstreit und birgt dasRisiko zum Multiorganversagen. Alleinder politische (Überlebens-)Wille bötedagegen einen gewissen Immunschutz.Doch dazu bräuchte es Politiker undnicht Technokraten.

Wie Technokraten haben die RegierungsräteLukas Engelberger und Thomas Weberdie Zusammenführung von Unispitalund Kantonsspital geplant. Die politischeBotschaft ist dabei auf der Strecke geblieben.

Spitalgruppe auf der Krankenstation

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VON CHRISTIAN MENSCH

So hat es am Donnerstag ausgesehen, als die Gesundheitsdirektoren beider Basel die Eckwerte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Spitalgruppe erklärten. Nicole Nars-Zimmer

Martin Birrer, Präsident BaslerPrivatspitäler-Vereinigung, ist ge-nervt. Er wirft den Gesundheits-direktoren beider Basel vor, mitder bikantonalen Spitalgruppedie Monopolstellung der kantons-eigenen Häuser zu zementieren.Birrer findet, dass Thomas Weber(BL) und Lukas Engelberger (BS)widersprüchlich handelten. Ei-nerseits planen sie auf dem Bru-derholz ein «neues Orthopädie-zentrum», andererseits beklagensie in diesem Bereich Überkapazi-täten und werfen den privatenAnbietern vor, zu viele Eingriffevorzunehmen.

Dass das öffentlich-rechtlicheSpital weiterhin auf Orthopädiesetzen will, empfinden die Privat-spitäler als Affront. Derzeit gleistdie Basler Verwaltung erstmalsseit der Einführung der Fallpau-schalen eine Untersuchung beiPrivatspitalpatienten auf. Es sollherausgefunden werden, ob inder Merian-Iselin-Klinik zu vieleOperationen durchgeführt wer-den. Thomas von Allmen, LeiterSpitalversorgung, sagt, dass manauf die «seit Jahren gestiegenen»Fallzahlen in der Region reagierthabe und die Untersuchung«nach längerer» Vorlaufzeit abHerbst durchführe. Es fehle nurnoch das grüne Licht der Ethik-kommission.

Vor der Operation sollen diePatienten zur Funktionstüchtig-keit ihrer Gelenke befragt wer-den, 6 und 24 Monate danachzum Genesungsprozess. Obwohlvon Allmen eine «nicht erwartba-re Steigerung» von Orthopädie-Eingriffen ausmacht, wider-spricht er Birrers Vorwurf, mannehme die Privatspitäler unterGeneralverdacht. Die Untersu-chung könne «durchaus» erge-ben, dass die Ärzte an der Meri-an-Iselin-Klinik nuroperieren, wenn dies tatsächlichnötig sei. LEIF SIMONSEN

Unverständnisüber Pläne inder Orthopädie

PRIVATSPITÄLER

Die Baselbieter SVP um Präsident Os-kar Kämpfer ist normalerweise nichtum knackige Statements verlegen.Nachdem die beiden Gesundheitsdi-rektoren Lukas Engelberger (CVP, BS)und Thomas Weber (SVP, BL) amDonnerstag ihre Pläne zur gemeinsa-men Spitalgruppe präsentiert hatten,liessen aber einzig die Rechtsbürgerli-chen auf eine Stellungnahme warten.Kämpfer sagt auf Anfrage, seine Par-tei wolle erst gegen Ende der nächs-ten Woche kommunizieren. Die Be-gründung: Es brauche Zeit, das kom-plexe, mehrere hundert Seiten um-fassende Dossier durchzulesen.

Die Wahrheit für die Verschwiegen-heit dürfte eine andere sein. Die SVPmuss darauf bedacht sein, die innereZerrissenheit zu kaschieren. In derPartei, die sich gerne als wirtschaftsli-beral bezeichnet, sind die Heimat-schützer mittlerweile in der Über-zahl. Das Komitee «Ja zum Bruder-holz», das die Pläne Webers zum Ab-bau des stationären Angebots direktangreift, verzeichnet regen Zulaufvon SVP-Parteimitgliedern. InitiantMario Bernasconi sagt: «Es ist einSVP-Komitee geworden.» Daher habeer sich zurückgezogen und überlasseden finanzkräftigeren und prominen-teren Mitgliedern den Abstimmungs-kampf.

Vor emotionaler DebatteEs mangelt nicht an Köpfen. ImKampf um den Erhalt des Bruderholzsah sich alt SVP-Regierungsrat JörgKrähenbühl genötigt, erstmals seitseiner Abwahl wieder die Stimme zuerheben. In einem Leserbrief in der«Basler Zeitung» behauptete er, esginge um die Gesundheitsversorgungder 175 000 Einwohner im unterenKantonsteil. «Ein Bettenhaus mit ei-ner Notfallstation mit dem Grundan-gebot Medizin, Chirurgie und Ortho-pädie gehört zum Bruderholz.» ImKampf gegen den eigenen Magistra-ten ist Krähenbühl Unterstützung ausden eigenen Reihen gewiss. Land-rätin Caroline Mall sitzt im Initiativ-

komitee, die SVP-Sektionspräsiden-ten aus Ettingen und Arlesheim-Mün-chenstein im Unterstützungskomitee.

Viele SVPler überlegen sich nachBekanntgabe der Pläne Webers undEngelbergers einen Beitritt oder wer-ben im Umfeld für ein Nein zu denPlänen Webers. Der Therwiler Land-rat Hans-Jürgen Ringgenberg hält eswie viele Leimentaler: «Schon mehr-mals wurden meine Familienmitglie-der auf dem Bruderholz operiert. Dasschafft eine emotionale Bindung.Dass wir nun keine Notfallversorgungmehr haben sollen, ist stossend.»Auch der Pfeffinger LandratskollegeMartin Karrer kommt ins Grübeln:«An Feierabend brauche ich mit demAuto zwei Stunden ins Universitäts-spital. Das kann sehr lange sein,wenn man ein Kind mit einer schwe-ren Hirnerschütterung im Rücksitz

hat.» Dass die bisweilen polemischeArgumente im bevölkerungsreichenKantonsteil verfangen, wissen auchdie Gesundheitsdirektoren. In ihrerBeurteilung der Projektrisiken (sieheGrafik) stufen sie die politischen Hür-den und das Schadenpotenzial als«hoch» ein. Engelberger betonte amDonnerstag, dass alleine die Bruder-holzinitiative das ganze Projekt schei-tern lassen könne.

Für Kämpfer ist die Alternativlosig-keit der eigentliche Skandal: «Wenndie Bevölkerung am Bruderholz fest-halten will, muss man das akzeptie-ren und Lösungen bereithalten.» Un-abhängig davon, wie sich seine Parteiäussern wird, prognostiziert er sei-nem Regierungsrat einen harten Ab-stimmungskampf. «Die Unterschrif-ten für das Bruderholz warenschliesslich im Nu zusammen.»

«SVP-Komitee» bekämpft WeberDer Baselbieter Gesundheitsdirektor fürchtet politischen Widerstand am meisten.� �

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Die Gesundheitsdirektionen haben sämtliche Projektrisiken gewichtet.1. Ablehnung von Politik oder Bevölkerung. 2. Verzögerung aufgrund des politi-schen Meinungsbildungsprozesses. 3. Annahme der Bruderholz-Initiative.4. Verlust von Zuweisungen. 5. Markteintritt von Konkurrenten. 6. Abwande-rung von Fachkräften. 7. Bestehende Projekte werden vernachlässigt. 8. Unzu-reichende Integration der ICT-Systeme. 9. Höhere Transformationskosten.10. Finanzierbarkeit der Investitionen in der Übergangsfrist. 11. Kulturelle Unter-schiede. 12. Abweichung vom Zielbild in der Transformationsphase durch op-portunistische Entscheide. 13. Verlust von Schlüsselpersonen.

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Die beiden Gesundheitsdirektoren Tho-mas Weber (SVP, BL) und Lukas Engel-berger (CVP, BS) wussten: Sie habengar keine Alternative zur Bildung einergemeinsamen Spitalgruppe, bestehendaus dem Universitätsspital Basel (USB)und dem Kantonsspital Baselland(KSBL). Das Resultat ihrer Prüfungstand damit von vornherein fest, eshatte nur gegolten, die entsprechendeRechnung aufzustellen.

Nicht die Präsentation vor den Medi-en, sondern erst das Studium der um-fangreichen Unterlagen zeigt, wie krea-tiv die beiden Verwaltungen kalkulierthaben, um einen möglichst tragfähigenKompromiss zu erreichen. Kernpunktder Übung: Baselland verzichtet auf dieVerzinsung und Rückzahlung einesDarlehens an das KSBL in Höhe von153 Millionen Franken. Nur durch dieseZugabe können die Besitzverhältnissean der neuen Spitalgruppe mit 71,5 Pro-zent für Basel-Stadt und 28,5 Prozentfür Baselland in ein politisch akzeptab-les Ungleichgewicht gebracht werden.Ohne den Baselbieter Zuschuss läge derBaselbieter Anteil an der neuen Firmaunter zwanzig Prozent.

Der Rechentrick belastet die Basel-bieter Bilanz nicht unmittelbar, dochdas Geld wird fehlen: Während dernächsten 21 Jahre fliessen bei gleich-bleibend tiefen Zinsen jährlich inklusi-ve Amortisation gut acht MillionenFranken weniger in die Staatskasse.

Das gewählte Kräfteverhältnis beimKapital entspricht in etwa den Berech-nungen nach den Discounted-Cash-Flow-Methoden (DCF), die bei Firmen-fusionen standardmässig zur Anwen-dung kommen. Dabei zeigt sich, wieschwach das KSBL im Vergleich zumUSB aufgestellt ist: Mit 45 Prozent ander Gesamtzahl aller Patienten erzieltdas KSBL nur gerade einen Umsatzan-teil von 31 Prozent; der Unternehmens-und Eigenkapitalwert nach DCF liegt

mit einem Anteil von 26 bzw. 27 Pro-zent noch tiefer. Das USB ist demnachnach allen Parametern der Wirtschafts-prüfer deutlich besser aufgestellt alsdas Baselbieter Pendant.

Umso erstaunlicher mag erscheinen,dass Basel-Stadt sich auf eine Parität beiden Stimmrechten eingelassen hat.Technisch wird dies erreicht, indemvom Basler Anteil von 71,5 Prozent nur28,5 Prozent der Aktien stimmberich-tigt sein werden. Auf den verbleiben-den Pool von 43 Prozent stimmrechts-beschränkter Aktien hat Baselland eintheoretisches Vorkaufsrecht auf 21,5Prozent. Im Vordergrund steht jedochein Teilverkauf an Aargauer und Solo-thurner Spitäler, die so Teil der BaslerSpitalgruppe werden könnten. Profitie-ren würde davon vor allem Basel-Stadt.

Dilemma bei den BaseratesEine eigentliche Zahlenjonglage voll-brachten die Gesundheitsdirektoren imUmgang mit den unterschiedlichenBaserates. Diese bezeichnen den Be-trag, der im gültigen Punktesystem füreinen Behandlungsfall bezahlt wird.Für den Start der Gruppe haben Stadtwie Land ein hohes Interesse, die tiefe-ren Baserates im KSBL und die höherenim USB beizubehalten. Denn nur sokönnen die Baselbieter dank der for-cierten Verlagerung von der stationä-ren zur ambulanten Behandlung relativhohe Einsparungen erwarten und sichdas USB gleichzeitig eine hohe Abgel-tung ihrer Leistungen erhalten. EineAngleichung der Baserate über die gan-ze Spitalgruppe ergebe eine deutlicheErhöhung beim KSBL sowie eine leich-te Senkung beim USB. Als Folge davonsackte das Baselbieter Sparpotenzialvon 11 auf 6 Millionen Franken. Die Ent-lastung für Basel-Stadt stiege zwar um11 auf 16 Millionen Franken, doch dieszulasten des USB, das seine Leistungennur noch schwer refinanzieren könnte.

Die Krux: Bereits mittelfristig mussdie Spitalgruppe um eine einheitliche

Baserate bemüht sein, da sie sonst zurRechnungsabgrenzung parallele Struk-turen aufrechterhalten muss und diemöglichen Synergiegewinne gar nichtausschöpfen kann.

Sehr langfristiger NutzenBis die versprochenen Synergiegewin-ne von siebzig Millionen Franken jähr-lich erreicht und in bescheidenem Mas-se bei den Eignern ankommen, werdenaber ohnehin noch viele Jahre verstrei-chen. Bis in sechs Jahren soll die Ge-winnmarge (Ebitda) zwar auf die be-

triebsnotwendigen zehn Prozent gestei-gert werden können. Erst in 21 Jahren(!) werde dieses Potenzial aber ausge-schöpft und die Marge auf zwölf Pro-zent gesteigert sein. Als effektiver mög-licher Gewinn könnte das Unterneh-men dann rund zwanzig MillionenFranken ausschütten. Jedes kommerzi-elle Unternehmen würde bei solchenlangfristigen Perspektiven die Übungabbrechen.

Kaum aus der Deckung gekommensind die Regierungstechnokraten, wiesie die anstehenden Investitionen refi-

nanzieren wollen. Denn mit der Anga-be allein, das Fremdkapital solle bis insieben Jahren um 500 auf 680 Millio-nen Franken gesteigert werden, istnoch nicht geklärt, wie etwa der Baudes Klinikums 2 sowie die notwendigenAnpassungen beim Bruderholzspital fi-nanziert werden können. Geschweigedenn, was passiert, wenn die Zinsenansteigen und die Spitalgruppe ihrenErtrag massgeblich für die Begleichungvon Schuldzinsen abführen muss.

Für Basel-Stadt kann diese Rechnungjedoch aufgehen, wenn durch die Spi-

talgruppe das Klinikum 2 nur als Mini-malprogramm gebaut werden muss.Dies führte zu einer Entlastung ummehrere hundert Millionen Franken.

Politisch vermintes GebietJede einzelne der rechnerischen Zu-rechtlegungen hat das Potenzial zumpolitischen Dauerstreit und birgt dasRisiko zum Multiorganversagen. Alleinder politische (Überlebens-)Wille bötedagegen einen gewissen Immunschutz.Doch dazu bräuchte es Politiker undnicht Technokraten.

Wie Technokraten haben die RegierungsräteLukas Engelberger und Thomas Weberdie Zusammenführung von Unispitalund Kantonsspital geplant. Die politischeBotschaft ist dabei auf der Strecke geblieben.

Spitalgruppe auf der Krankenstation

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VON CHRISTIAN MENSCH

So hat es am Donnerstag ausgesehen, als die Gesundheitsdirektoren beider Basel die Eckwerte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Spitalgruppe erklärten. Nicole Nars-Zimmer

Martin Birrer, Präsident BaslerPrivatspitäler-Vereinigung, ist ge-nervt. Er wirft den Gesundheits-direktoren beider Basel vor, mitder bikantonalen Spitalgruppedie Monopolstellung der kantons-eigenen Häuser zu zementieren.Birrer findet, dass Thomas Weber(BL) und Lukas Engelberger (BS)widersprüchlich handelten. Ei-nerseits planen sie auf dem Bru-derholz ein «neues Orthopädie-zentrum», andererseits beklagensie in diesem Bereich Überkapazi-täten und werfen den privatenAnbietern vor, zu viele Eingriffevorzunehmen.

Dass das öffentlich-rechtlicheSpital weiterhin auf Orthopädiesetzen will, empfinden die Privat-spitäler als Affront. Derzeit gleistdie Basler Verwaltung erstmalsseit der Einführung der Fallpau-schalen eine Untersuchung beiPrivatspitalpatienten auf. Es sollherausgefunden werden, ob inder Merian-Iselin-Klinik zu vieleOperationen durchgeführt wer-den. Thomas von Allmen, LeiterSpitalversorgung, sagt, dass manauf die «seit Jahren gestiegenen»Fallzahlen in der Region reagierthabe und die Untersuchung«nach längerer» Vorlaufzeit abHerbst durchführe. Es fehle nurnoch das grüne Licht der Ethik-kommission.

Vor der Operation sollen diePatienten zur Funktionstüchtig-keit ihrer Gelenke befragt wer-den, 6 und 24 Monate danachzum Genesungsprozess. Obwohlvon Allmen eine «nicht erwartba-re Steigerung» von Orthopädie-Eingriffen ausmacht, wider-spricht er Birrers Vorwurf, mannehme die Privatspitäler unterGeneralverdacht. Die Untersu-chung könne «durchaus» erge-ben, dass die Ärzte an der Meri-an-Iselin-Klinik nuroperieren, wenn dies tatsächlichnötig sei. LEIF SIMONSEN

Unverständnisüber Pläne inder Orthopädie

PRIVATSPITÄLER

Die Baselbieter SVP um Präsident Os-kar Kämpfer ist normalerweise nichtum knackige Statements verlegen.Nachdem die beiden Gesundheitsdi-rektoren Lukas Engelberger (CVP, BS)und Thomas Weber (SVP, BL) amDonnerstag ihre Pläne zur gemeinsa-men Spitalgruppe präsentiert hatten,liessen aber einzig die Rechtsbürgerli-chen auf eine Stellungnahme warten.Kämpfer sagt auf Anfrage, seine Par-tei wolle erst gegen Ende der nächs-ten Woche kommunizieren. Die Be-gründung: Es brauche Zeit, das kom-plexe, mehrere hundert Seiten um-fassende Dossier durchzulesen.

Die Wahrheit für die Verschwiegen-heit dürfte eine andere sein. Die SVPmuss darauf bedacht sein, die innereZerrissenheit zu kaschieren. In derPartei, die sich gerne als wirtschaftsli-beral bezeichnet, sind die Heimat-schützer mittlerweile in der Über-zahl. Das Komitee «Ja zum Bruder-holz», das die Pläne Webers zum Ab-bau des stationären Angebots direktangreift, verzeichnet regen Zulaufvon SVP-Parteimitgliedern. InitiantMario Bernasconi sagt: «Es ist einSVP-Komitee geworden.» Daher habeer sich zurückgezogen und überlasseden finanzkräftigeren und prominen-teren Mitgliedern den Abstimmungs-kampf.

Vor emotionaler DebatteEs mangelt nicht an Köpfen. ImKampf um den Erhalt des Bruderholzsah sich alt SVP-Regierungsrat JörgKrähenbühl genötigt, erstmals seitseiner Abwahl wieder die Stimme zuerheben. In einem Leserbrief in der«Basler Zeitung» behauptete er, esginge um die Gesundheitsversorgungder 175 000 Einwohner im unterenKantonsteil. «Ein Bettenhaus mit ei-ner Notfallstation mit dem Grundan-gebot Medizin, Chirurgie und Ortho-pädie gehört zum Bruderholz.» ImKampf gegen den eigenen Magistra-ten ist Krähenbühl Unterstützung ausden eigenen Reihen gewiss. Land-rätin Caroline Mall sitzt im Initiativ-

komitee, die SVP-Sektionspräsiden-ten aus Ettingen und Arlesheim-Mün-chenstein im Unterstützungskomitee.

Viele SVPler überlegen sich nachBekanntgabe der Pläne Webers undEngelbergers einen Beitritt oder wer-ben im Umfeld für ein Nein zu denPlänen Webers. Der Therwiler Land-rat Hans-Jürgen Ringgenberg hält eswie viele Leimentaler: «Schon mehr-mals wurden meine Familienmitglie-der auf dem Bruderholz operiert. Dasschafft eine emotionale Bindung.Dass wir nun keine Notfallversorgungmehr haben sollen, ist stossend.»Auch der Pfeffinger LandratskollegeMartin Karrer kommt ins Grübeln:«An Feierabend brauche ich mit demAuto zwei Stunden ins Universitäts-spital. Das kann sehr lange sein,wenn man ein Kind mit einer schwe-ren Hirnerschütterung im Rücksitz

hat.» Dass die bisweilen polemischeArgumente im bevölkerungsreichenKantonsteil verfangen, wissen auchdie Gesundheitsdirektoren. In ihrerBeurteilung der Projektrisiken (sieheGrafik) stufen sie die politischen Hür-den und das Schadenpotenzial als«hoch» ein. Engelberger betonte amDonnerstag, dass alleine die Bruder-holzinitiative das ganze Projekt schei-tern lassen könne.

Für Kämpfer ist die Alternativlosig-keit der eigentliche Skandal: «Wenndie Bevölkerung am Bruderholz fest-halten will, muss man das akzeptie-ren und Lösungen bereithalten.» Un-abhängig davon, wie sich seine Parteiäussern wird, prognostiziert er sei-nem Regierungsrat einen harten Ab-stimmungskampf. «Die Unterschrif-ten für das Bruderholz warenschliesslich im Nu zusammen.»

«SVP-Komitee» bekämpft WeberDer Baselbieter Gesundheitsdirektor fürchtet politischen Widerstand am meisten.� �

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VON LEIF SIMONSEN

Die Gesundheitsdirektionen haben sämtliche Projektrisiken gewichtet.1. Ablehnung von Politik oder Bevölkerung. 2. Verzögerung aufgrund des politi-schen Meinungsbildungsprozesses. 3. Annahme der Bruderholz-Initiative.4. Verlust von Zuweisungen. 5. Markteintritt von Konkurrenten. 6. Abwande-rung von Fachkräften. 7. Bestehende Projekte werden vernachlässigt. 8. Unzu-reichende Integration der ICT-Systeme. 9. Höhere Transformationskosten.10. Finanzierbarkeit der Investitionen in der Übergangsfrist. 11. Kulturelle Unter-schiede. 12. Abweichung vom Zielbild in der Transformationsphase durch op-portunistische Entscheide. 13. Verlust von Schlüsselpersonen.

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