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Erfahrungen bei der lithergolen Verbrennung von

Lithiumhydrid mit Fluor

Von R.Lo

DVL-Institut für Raketentreibstoffe, Stuttgart

Das System LiH-F2 interessierte uns wegen seines günstigen spezifischen Impulses.

Seine Leistung ist in der folgenden Tabelle angegeben, die zum Vergleich auch die

spezifischen und volumspezifischen Impulse (bei Entspannung 70 : 1 und

Gleichgewichtsströmung) einiger anderer hochenergetischer Kombinationen enthält:

Brennstoff

Oxydator

Spez. Impuls

[sek]

Volspez. Impuls[sek]

LiH

F2

363

476

LiH

ClF3

293 445

BeH2

F2

395 604

BeH2

02

371 486

BeH2

N2O4

551 530

BeH2

H202

375 566

ALH3

F2

353 551

N2H4

F2

363 476

In der Kombination LiH-F2 ist der Oxydator nicht lagerfähig, kann es aber werden, wenn man ihn

gasförmig verwendet, was bei kleinen Steuertriebwerken in Frage kommen könnte. Die Leistung ist

dann sogar noch etwas höher. In lagerfähiger Kombination mit CIF3 ist die Leistung merklich

geringer, aber immer noch interessant.

Im volumspezifischen Impuls übertrifft LiH-F2 alle bekannten Zweistoffkombinationen mit Ausnahme

der in der Tabelle angeführten. Unter diesen zeichnen sich, mit Ausnahme des Systems AlH3-F2,

welches aber im spezifischen Impuls unterlegen ist, alle durch die Verwendung von Berylliumhydrid

aus. Bedenkt man aber, dass dieses eine noch kaum verfügbare Substanz mit zudem sehr

gefährlichen Eigenschaften ist, scheiden fast alle anderen besseren Kombinationen aus dem Kreis

der Betrachtungen aus und man muss dem Lithiumhydrid mit Recht sei Interesse zuwenden.

Wir stellten uns daher die Aufgabe, im Rahmen der Behandlung eines allgemeinen Problemkreises,

der u.a. einerseits Fluor, andererseits Li, LiH, Be und BeH2 umfasst, auch den Abbrand von LiH mit

Fluorgas zu studieren. Dabei sollten

1. praktische und grundlegende Fragen wie Hypergolität, Wiederzündfähigkeit, Brennstoffgeometrie

sowie Korrosions- und Materialfragen geklärt werden,

2. sollte auch versucht werden, durch Feststellung der quantitativen Zusammenhänge beim

Abbrand dieses in chemischer Hinsicht sicherlich recht extremen Systems einen Beitrag zur Theorie

der Lithergoltriebwerke zu leisten.

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Zunächst einige Bemerkungen zur Herstellung der LiH-Brennstoffblöcke.

LiH ist als Pulver von recht geringer scheinbarer Dichte (ca. 0,35 g/cm3) im Handel. Wir versuchten

zunächst, daraus Blöcke zu gießen. Das scheiterte aber an den unangenehmen Eigenschaften der

Schmelze. Diese zersetzte sich kräftig unter Wasserstoffentwicklung und haftet wiedererstarrt

äußerst fest in allen Gussformen. Außerdem muss das Schmelzen unter Argon geschehen, was auch

recht unbequem ist.

Wie sind daher dazu übergegangen, unsere Brennstoffblöcke zu pressen. Das kann bequem an

offener Atmosphäre geschehen und erwies sich als sicher und zuverlässig. Die Dichte der Presslinge

kann man damit bis nahe an jene des LiH-Einkristalls treiben, die bei 0,77 g/cm2 liegt. Gegenwärtig

laufen bei uns Versuche, größere Blöcke ohne Druck mit Bindemitteln herzustellen. Zum Pressen

verwenden wir Zylinder und Stempel aus gehärtetem Spezialstahl. Bild 1 zeigt die Presswerkzeuge

und damit hergestellte Presslinge.

Bild 1: Presswerkzeuge und LiH-Presslinge

Da man natürlich wissen will, wie viel Material und welche Drücke man zur Herstellung eines Blocks

bestimmter Grundfläche und Länge benötigt, beschäftigen wir uns auch mit der Feststellung dieser

Zusammenhänge. Es stellt sich heraus, dass die Presskörperdichte linear mit dem Logarithmus des

Druckes ansteigt, d.h. es gilt:

= k log P + b

Dabei sind die Konstanten k und b wiederum lineare Funktionen der Massenbelegung MF, d.h. der

Gramme LiH pro cm2 Grundfläche und zwar sinkt k linear mit MF während b linear steigt.

Die von uns angewendeten Drücke liegen zwischen 500 und 10 000 Atü.

Dies sollte nur am Rande erwähnt werden, um zu zeigen, dass LiH in mechanischer Hinsicht ein

durchaus williges Material mit vorhersagbaren Eigenschaften ist. Oberhalb einer bestimmet Dichte

sind die Blöcke sehr hart, ohne jedoch spröde zu sein. Unter Schutzatmosphäre lassen sie sich

sägen, bohren und halten sogar Schläge mit dem Hammer aus.

Zur Durchführung der Brennversuche ist folgendes zu sagen:

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Als Brennkammermaterialien werden von uns hauptsächlich Kupfer und Messing, aber auch Nickel

und Stahl verwendet. Mit diesen

haben wir bisher keine nennenswerten Korrosionsprobleme gehabt, dennoch unternahmen wir

nebenher auch Versuche zur Ermittlung von Schutzmaßnahmen. So dampften wir z.B. mit einem

Plasma-Brenner Fluoridschichten auf die Brennkammerinnenwände. Als besonders widerstandsfähig

erwies sich in dieser Beziehung eine Auskleidung mit Calciumfluorid. Es stellt sich jedoch heraus,

dass derlei Maßnahmen bei der LiH-F2-Verbrennung unnötig sind, da sich alle mit Brenngasen in

Berührung kommenden Flächen sofort mit einer zwar sehr dünnen, aber schützenden Schicht von

Lithiumfluorid überziehen.

Beim Brennen von Fluor mit Wasserstoff, wo sich keine Schutzschicht bilden kann, sind künstliche

Schutzüberzüge aber weiterhin von Interesse, allerdings haben wir hier mit ungeschützten

Kupferoberflächen bisher auch nur gute Erfahrungen gemacht. Stählerne Brennkammern suchten wir

durch Verkupfern und Vernickeln zu schützen, was sich jedoch nicht bewährte. Doch auch hier

genügte, wie sich herausstellte, der durch den Brennvorgang selbst entstehende LiF-Film.

Die Kühlung der Brennkammern erfolgt entweder mit Wasser oder kapazitiv. Bild 2 (s. nächste

Seite) zeigt eine Brennkammer aus Stahl mit Wasserkühlung, Deckel aus Kupfer mit Einblasköpfen

und Manometer.

Der berechnete Schub beträgt 1300 p unter Nennbedingungen. Die Brennkammer war für 5 kg/cm2

ausgelegt, doch verwendeten wir sie ohne Zögern bereits bis zu 10 kg/cm. Der Massendurchsatz

betrug dabei bis zu 15 - 20 g/sek, so dass der damit erreichte Schub bei 5 bis 6 kp liegen dürfte.

Die Abgase wurden zunächst über eine Schurre (Bild 3) ins Freie abgesaugt, neuerdings sind wir

jedoch dazu über gegangen, sie mit Wasser auszuwaschen. Zu diesem Zweck ist an die

Brennkammer ein luftdichter mit Stickstoff gespülter Kasten angeschlossen, in dem die heißen Gase

mehrere

Bild 2: Wassergekühlte LiH/F2 Hybridbrennkammer

Schächte durchlaufen, in denen ihnen aus Nebeldüsen Wasser entgegen sprüht. Auf diese Weise

gelangt praktisch nichts mehr in die Atmosphäre. Das Abwasser läuft dann in eine

Standentgiftungsanlage, wo das Fluorid mit Kalk gefällt wird.

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Das Fluor wird uns gasförmig in Flaschen unter ca. 28 Atm. Druck geliefert. Die jeweils in Betrieb

befindliche Flasche steht in einem Schutzstand, der durch einen kräftigen Ventilator ins Freie belüftet

werden kann. Die Wände des Schutzstandes sind doppelt, der Zwischenraum ist mit CaF2 gefüllt.

Das Bombenventil und ein erstes Regulierventil werden von außen mit der Hand betätigt. Die

kupferne Leitung zur Brennkammer ist unter Stahlblech verlegt, sie enthält ein zweites Regulierventil,

das elektrisch fernbedient wird, sowie ein Manometer.

Unmittelbar vor der Brennkammer sitzt ein kupferner Druckkessel als Puffer und Vorratsbehälter

sowie ein mit Pressluft zu betätigendes Schnellventil. Bei den Brennversuchen tragen wir

Schutzkleidung aus Asbest und befinden uns hinter der Panzerwand.

Aus Sicherheitsgründen war es längere Zeit nicht möglich, die Fluor-Entnahmegeschwindigkeit über

0,2 Liter/sek zu steigern, da das Herstellerwerk dann das Risiko einer Zündung im Bombenventil für

zu groß hielt. Diese Beschränkung ist mittlerweile gefallen; sie galt jedoch noch bei den Versuchen,

deren Ergebnisse im folgenden geschildert werden, so dass der Fluordruck nicht konstant gehalten

werden konnte, d.h. wir ließen das Fluor unter beliebig groß zu wählender Geschwindigkeit aus dem

Vorratsgefäß entströmen, wobei jedoch wegen dessen begrenzten Volumens der Druck absank.

Wir behalfen uns, indem wir die Manometer filmten und so bei bekanntem Volumen - unter

Vernachlässigung thermischer Effekte - den Oxydatorstrom in Abhängigkeit von der Zeit berechnen

konnten.

Bild3: LiH-F2 Brennversuch

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Es zeigte sich erwartungsgemäß, dass der Fluordruck in der Vorratsbombe exponentiell mit der Zeit

fiel, d.h. nach einem Gesetz des Typs

log(p - pa) = k t + log(po - pa)

mit

pa = Außendruck

po = Ausgangsdruck

p = pt

Dieses Gesetz bestimmten wir jeweils empirisch aus dem gefilmten Verlauf der Manometeranzeige

und hatten von da an den Vorteil, den Fluordurchsatz rechnerisch bestimmen zu können, d.h. unter

Vermeidung der fehleranfälligen graphischen Differentiation. Der Fluordurchsatz in Molen Fluor pro

Sekunde ergibt sich zu:

dnF2/dt = 27.18.V/T . K(po-pa)10Kt

Dieser Ausdruck stellt die Abnahme der vorhandenen Mole mit der Zeit dar, was natürlich mit der

Ausströmgeschwindigkeit identisch ist. Erwartungsgemäß zündet LiH ohne merkliche Verzögerung

zuverlässig hypergol mit Fluor. Wesentlicher ist jedoch, dass es sich auch wiederzünden lässt, d.h.

die nach einmaligem Brand gebildete Kruste aus LiF enthält genügend LiH, um sofort und verlässlich

wieder zu zünden. Um das zu überprüfen, haben wir gelegentlich LiH-Blöcke in einer Serie von kaum

sekundenlangen Brennperioden verbrannt, was sich ohne Störungen durchführen ließ.

Um auch den Brennstoffdurchsatz zu erhalten, führten wir Brennversuche unter in sich identischen

Bedingungen, aber mit verschiedener Dauer durch, d.h. nach einer durch Stoppuhr und

Filmaufnahme genau bekannten Zeit wurde die Fluor-Zufuhr unterbrochen. Dabei wurde jedesmal

der Durchmesser des Abbrand-Zylinders bestimmt, soweit der Abbrand eben zylindrisch war, und

dann die verbliebene LiH-Menge bestimmt. Das geht bequem und sehr genau, indem man mit einer

Gasuhr die Menge des mit Wasser entwickelten Wasserstoffes misst.

Bild 4: LiH-F2 Abbrand bei verschiedenen Drücken

Bild 4 zeigt das Ergebnis dieser Messungen in der Form „% LiH verbrannt = f(t). Bei den hier

dargestellten Versuchen wurde Fluor durch drei Düsen achsial, d.h. parallel zur Zylinderachse

eingeblasen. Zu beachten ist, dass in diesem Fall der Ausbrand nie 100 % erreicht. Ferner ist die zu

einem bestimmten Zeitpunkt verbrannte Brennstoffmenge umso größer, je höher der ursprüngliche

Brennkammerdruck war, da dann zu einem gegebenen Zeitpunkt umso mehr Oxydator die

Brennkammer bereits passiert hat. Doch wächst die Brennstoffmenge nicht linear mit der

Oxydatormenge, denn bei niedrigen Drücken ist - wie gleich noch geschildert werden wird - der

Brennstoffüberschuss größer als bei hohen Drücken.

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Sehr drastisch ist auch die Wirkung einer nicht mit brennenden Cu-Abdeckung. Sie setzt den

Brennstoffström sehr stark herab, und dennoch ist der Abbrand fast ideal zylindrisch. Wir hatten

zunächst ziemliche Schwierigkeiten, einen zylindrischen Abbrand zu erhalten. Unser Ziel war es, ein

Abdeckungsmaterial für die Brennstoffenden zu finden, das an seiner Oberfläche nicht mit Fluor

entflammt, andererseits an seiner Kante aber mit dem LiH mit brennt, so dass die Abdeckung stets

dieselbe Fläche wie der Brennstoff hat. Kupferblech brennt nicht mit und behindert den weiteren

Abbrand. Teflon brennt, wie gewünscht, bloß an der Peripherie ab, wölbt sich jedoch auf, so dass es

nicht mehr schützt. Aluminiumfolie brennt zwar auf der ganzen Oberfläche, die entstehende

Fluoridschicht verhindert aber ein Weitergreifen des Abbrandes auf den Brennstoff. Mit dieser

Abdeckung erhält man recht gut zylindrischen Abbrand, nur bei der Oxydation der Folie entsteht ein

ganz seichter Krater. Neuerdings sind wir dazu übergegangen, von vornherein eine Fluoridschicht

aufzupressen. Damit haben wir recht gute Erfahrungen gemacht. CuF2 wird, auch in F2-Atmosphäre

von LiH zu Metall reduziert, welches dann schützend wirkt.

Bild 5: LiH-F2 Abbrand mit radialer Oxydatorzufuhr

Bild 5: radiale Oxydator-Zufuhr, Al-Abdeckung; hier ergibt sich ein anderes Bild. Die radiale

Oxydator-Zufuhr bewirkt eine gleichmäßigere Dichteverteilung über den Kanalquerschnitt Daher ist

der Ausbrand in der Regel quantitativ. In den ersten Sekunden steigt die verbrannte Menge überdies

noch linear mit der Zeit an, natürlich auch hier umso steiler, je höher der Druck ist. Darauf soll gleich

noch einmal eingegangen werden.

Wenn man die gezeigten Kurven graphisch differenziert, erhält man die Abbrand-Geschwindigkeit

in % pro Sekunde als Zeitfunktion.

Bei gleichmäßigem Zylindrischen Abbrand hängt der Zylinderradius r nach

r(t) =[ra2- (ra

2-ri

2)(1-%(t)/100]

1/2

mit % (t) zusammen.

Die Regressionsgeschwindigkeit r. erhält man dann aus der Ableitung obiger Gleichung und der

prozentualen Abbrand-Geschwindigkeit :

r. = dr/dt = dr/d%.d%/dt

Bild 6: zeigt den Massendurchsatz an Oxydator und Brennstoff bei den Serien mit Al-Abdeckung.

Erstaunlich ist der schon erwähnte Befund, dass hier der Brennstoff-Massendurchsatz zunächst

praktisch konstant ist. Er bedeutet, dass sich die durch absinkende Oxydator-Geschwindigkeit und

zunehmende Abbrand-Oberflache bewirkten Effekte gegenseitig aufheben. Der Oxydator-Strom pro

Sekunde durch die Flächeneinheit des Kanalquerschnittes sinkt, abgesehen vom fallenden

Einspritzdruck, mit dem Quadrat des Kanalradius, andererseits wächst die Abbrand-Oberfläche linear

mit diesem.

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Bild 6: Massendurchsatz von Oxydator und Brennstoff bei den Versuchsserien mit Al-

Endflächenabdeckung

Allgemein ist zu erwarten, dass die pro cm Abbrand-Fläche pro Sekunde abgegebene

Brennstoffmenge mit einer Potenz der Dichte des Oxydator-Stromes absinken wird. Wie es sich

zeigte, ist der Exponent dieser Potenz in sehr guter Näherung 0,5.

Trägt man r. gegen (m

.o/r

2)

1/2 auf, so erhält man, wie Bild 7 zeigt, tatsächlich eine Gerade, d.h. es

gilt annähernd:

r. = a (m

.o/r

2)

1/2 + b

Dass die drei Geraden nicht völlig übereinstimmen, führen wir auf experimentelle Ungenauigkeiten

und zum Teil auch auf eine tatsächlich noch vorhandene Druckabhängigkeit zurück. Ungleich

störender ist es jedoch, dass die Konstante b nicht null ist. Wir müssen daher annehmen, dass bei

kleinsten Oxydator-Geschwindigkeiten Abweichungen vom linearen Verlauf zu erwarten sein werden.

Diese Verhältnisse gelten für radiale Fluorzufuhr. Bei axialer Fluorzufuhr ist dagegen noch eine

ausgeprägte Abhängigkeit der Regressionsgeschwindigkeit vom totalen Oxydator-Strom bei gleicher

Stromdichte festzustellen.

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Bild 7: Regressionsgeschindigkeit dargestellt als Funktion der Massenstromdichte

Bild 8: Bei gleicher Abszisse ist die Regressionsgeschwindigkeit umso höher, je größer der

Kanalquerschnitt zu diesem Zeitpunkt schon ist. Die Kurven biegen in diesem Fall bei sinkendem

Oxydatorstrom eindeutig in Richtung null ab, doch hört der Abbrand bereits * bei endlichem

Fluordurchsatz auf, d.h. wenn der Kanal einen gewissen Durchmesser erreicht hat, reißt die Reaktion

ab, weil der Oxydator ihn passiert, ohne mit dem Brennstoff in Kontakt zu kommen. Bei radialer

Zufuhr dagegen, wo die Dichteverteilung des Oxydators über den Kanalquerschnitt viel gleich-

mäßiger ist, erfolgt der Abbrand bei genügend langer Dauer stets quantitativ.

Bild 8: Regressionsgeschwindigkeit über der Brennkanalfläche bei verschiedenen Drücken.

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Es ist klar, dass bei dieser Art des Abbrandes das Gewichts- oder Molverhältnis von Brennstoff zu

Oxydator nicht konstant sein kann.

Bild 9: Zeitlicher Verlauf der Mischungsverhältnisse

Bild 9 zeigt den zeitlichen Verlauf des Molverhältnisses bei den geschilderten Versuchsserien mit

radialer und axialer Fluorzufuhr. Bei radialer Zufuhr steigt es laufend an. Das erklärt sich einfach

dadurch, dass m.(LiH) konstant ist, während m

.(F2) ständig sinkt. Die Zeitpunkte des Absinkens, d.h.

des Endes des linearen Verlaufes von m.(LiH) stehen untereinander in gesetzmäßigem

Zusammenhang. Sie sind durch eine ganz bestimmte Beziehung des Produktes aus spezifischem

Oxydatorstrom und Regressionsgeschwindigkeit zum Brennkammerdruck gekennzeichnet. Es gilt

nämlich für den zeitlichen Endpunkt des konstanten Brennstoffstromes:

(m.

F2)e /re2 . r

.e = k1pe

2 + k2pe

Wir müssen jedoch gestehen, dass wir zur Zeit noch nicht ganz den physikalischen Hintergrund

dieser Tatsache überblicken. Es ist plausibel, reaktionskinetische Gründe anzunehmen, d.h. beim

Erreichen obiger Bedingungen reicht der energieliefernde Prozess nicht mehr aus, denselben

Brennstoffstrom wie bisher zu erzeugen, der wahre Mechanismus ist uns jedoch noch unbekannt.

Bei axialer Zufuhr ist der Brennstoffüberschuss zunächst sehr groß, weil der Fluorstrom direkt auf

die Oberfläche des Blockes aufprallt, dann sinkt er rasch ab, sobald der Kanalquerschnitt groß genug

wird, um den Fluorstrom axial ohne direkte Einwirkung passieren zu lassen.

Auch hier ist der Brennstoffüberschuss umso größer, je geringer der ursprüngliche Einspritzdruck

ist. Der Grund hierzu ist eindeutig der, dass mit sinkendem Einspritzdruck die Verweilzeit einer

bestimmten Oxydator-Menge im Brennkanal immer größer wird, so dass die energieliefernde

Reaktion zwischen verdampftem Brennstoff und Fluor sich immer weniger in den konvergenten

Düsenteil verschiebt, sondern unter Einwirkung auf den Brennstoffblock im Brennkanal stattfindet.

Die hier vorliegenden Brennstoffüberschüsse liegen beträchtlich über dem wünschenswerten

Ausmaß. Abhilfe kann geschaffen werden, indem man z.B. die Oxydator-Einspritzung derart

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abändert, dass ein scharfer Strahl bis in den konvergenten Düsenteil gelangt oder dass dort

zusätzlich Oxydator eingespritzt wird.

Aber auch die Dichte des Brennstoffes ist von beträchtlichem Einfluss.

Bild 10: In der eingangs gezeigten Brennkammer verbrannten wir Presslinge von 50 mm

Durchmesser mit 25 mm Bohrung, die mit verschiedener Dichte hergestellt worden waren.

Gemessen wurde die in gleichen Zeiten abgebrannte Menge, und daraus wurde ein mittlerer

Brennstoffdurchsatz berechnet. Das Ergebnis zeigt, dass Erhöhung der Dichte um ca. 20 % in

diesem Fall eine Verringerung des mittleren Brennstoffdurchsatzes um

27 % bewirkt. Das mittlere Molverhältnis sinkt von 4-,4- auf 3,2 in Richtung höherer Dichten.

Bild 10: Einfluss des Pressdrucks auf die Abbrandgeschwindigkeit von LiH

In einer zweiten Serie hatten wir Presslinge von halber Länge. Auch hier sinkt der LiH-Durchsatz

mit steigender Dichte; da wir aber aus anderen Gründen einen kleineren Einspritzdruck gewählt

hatten, sind die Ergebnisse nicht unmittelbar zu vergleichen.

Zum Schluss noch ein paar Worte über eine Versuchsserie bei konstantem Brennkammerdruck, die

zeigen sollen, was man in diesem Fall zu erwarten hat.

Wir untersuchten hier den Abbrand von Blöcken verschiedener Länge, aber gleicher Dichte. In

diesem Fall wurde der Oxydator axial eingeblasen, aber, wie gesagt, zum Unterschied von den

anderen Versuchen, unter konstantem Druck.

Bild 11: Brenndauer über Brennstofflänge und Brennkanalradius bei Brennschluss

Bild 11 zeigt das Ergebnis. Aufgetragen ist zunächst die Brenn-Dauer in Abhängigkeit von der

Brennstofflänge: die steigt von null ausgehend linear mit dieser an, d.h. bei konstantem Oxydator-

Durchsatz verhält sich die mittlere Regressionsgeschwindigkeit reziprok zur Länge, d.h. auch der

totale Brennstoff-Durchsatz ist konstant und somit auch das mittlere Molverhältnis.

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Wie üblich bei axialer Oxydator-Zufuhr war auch hier der Ausbrand nie 100%ig In Bild 11 ist auch

der Radius des Brennkanals zum Zeltpunkt des Abreißens der Flamme aufgetragen. Er hat

unabhängig von der Blocklänge immer denselben Wert, der durch die Art der Einspritzung bedingt ist.

Die Brennstoffblöcke hatten in diesem Fall nur 20 mm Durchmesser, d.h. bei einer Wandstärke des

verbleibenden Zylinders von 1,5 mm erlosch die Reaktion, gleichgültig, wie lang der Brennstoffblock

war. Wir sind derzeit noch dabei, die Abbrand-Eigenschaften bei konstantem Druck näher zu

studieren.

Abschließend soll abermals betont werden, dass unser Hauptziel die Erstellung eines

funktionierenden hochenergetischen Antriebssystems ist und dass wir Erkenntnisse zur Theorie des

lithergolen Abbrandes sozusagen nur als Nebenprodukte sammeln. Bis zu einem gewissen Grade ist

dies allerdings unerlässlich. Wir beschäftigen uns daher - obwohl vieles unter den geschilderten

relativ einfachen Bedingungen noch ungelöst ist - bereits auch mit in LiH eingebetteten Metallpulvern

wie Mg, Al und Beryllium, und unsere nächsten Ziele sind der Abbrand solcher Mischungen mit

flüssig Fluor, CIF3, F2O, evtl. auch unter gleichzeitiger Zufuhr von Wasserstoff.

Aus der Diskussion:

S c h u b e r t: Ist Lithiumhydrid außer mit Fluor auch mit Chlortrifluorid hypergol?

L o : Ja.

B a u e r: Werden Die Einspritzköpfe nicht zu heiß?

L o : Die Einspritzköpfe sind aus massivem Metall und sind mit der massiven Brennkammerwand in

Berührung, so dass die kapazitive Kühlung ausreichend ist.

B u s c h u l t e : Haben Sie versucht zu analysieren, wie die Zusammensetzung der

Verbrennungsprodukte sich über den Querschnitt des Brennraumkanals oder der Düse ändert?

L o : Nein. In den Verbrennungsprodukten ist garantiert kein freies Fluor mehr vorhanden, eher ein

Lithiumhydrid- Überschuss. Bei der Gestaltung der Brennstoff-Geometrie ist ein kurzer dicker

Zylinder besser als ein langer. Der konvergierende Teil der Düse wurde absichtlich lang gewählt, um

einen Nachbrennraum zu haben.

B u s c h u l t e : Fürchten Sie nicht, dass Probleme der gleichmäßigen Verbrennung und Verteilung

noch stärker hervortreten, wenn Sie ein besseres 0 : B-Mischverhältnis mit mehr Fluor verwenden

werden?

L o : Das ist möglich. Dazu treten noch andere Probleme auf. Wenn der LiH-Block zu lang ist, ist die

Dichte nicht mehr homogen. Es ist dann besser, den Brennstoff aus einzelnen Scheiben aufzubauen.

D a d i e u : Zwischen den Scheiben können Teflon-Scheiben eingelegt werden, die langsamer

abbrennen und mit der Kante in den Feuerstrahl ragen, was die Durchmischung fördert

("Stolperkante“).

*